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Der letzte europäische Gipfel: Entscheidungen als Täuschungsmanöver
Der europäische Gipfel vom 29. Juni 2012 wurde als „historisch“ präsentiert, als eine Wende bezüglich der Methoden, wie die Herrschenden die Euro-Krise in den Griff bekommen wollen. Einerseits auf der Ebene der Form, denn dieser Gipfel war zum ersten Mal - laut den Kommentatoren - nicht geprägt durch alleinige Entscheidungen von „Merkozy“, dem Tandem Merkel-Sarkozy (in Wirklichkeit dominierte immer die Meinung Merkels über Sarkozy)[1], sondern mit Einbezug zweier anderer wichtiger Länder der Euro-Zone, Spaniens und Italiens, und Entscheiden, die auch vom neuen französischen Präsidenten François Hollande gestützt wurden. Darüber hinaus sollte dieser Gipfel auch einen neuen Aspekt in die Wirtschaftspolitik und das Budget der Euro-Zone einbringen: Nach Jahren der alleinigen und immer härteren Sparpolitik durch die den Euro bestimmenden Instanzen habe man nun eine Kritik daran ernst genommen (die vor allem von linken Ökonomen und Politikern formuliert wird), derzufolge ohne Wiederankurbelung der wirtschaftlichen Aktivitäten die überschuldeten Staaten nicht in der Lage seien, ihre finanziellen Reserven für die Bezahlung ihrer Schulden zu bilden.
Aus diesem Grund hat der „Präsident der Linken“ François Hollande, der zu einem „Pakt für den Aufschwung und die Beschäftigung“ aufrief, die Bühne genutzt - wie ein Theaterschauspieler stolz auf seine Leistungen und Ergebnisse. Er wurde in seinem Höhenflug von zwei rechten Politikern begleitet, Monti, dem italienischen Regierungschef, und dem spanischen Pendant Rajoy. Auch sie frohlockten, dass sich ihre Politik bezahlt mache und ihre Länder entlaste. Die Wirklichkeit ist aber etwas gravierender als der Triumpf, dem sich diese Herren hingaben. Aber die gute Laune wollten sie sich nicht verderben lassen: „Man kann hoffen, dass der Beginn des Endes des Verlassens des Tunnelausgangs der Krise der Eurozone sichtbar wird!“ Diese gewundene Erklärung stammt vom italienischen Regierungschef!
Bevor wir diesen beinahe strahlenden Schleier lüften, lohnt es sich, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Erinnern wir uns: In den vergangenen 6 Monaten ist die Euro-Zone zwei Mal mit dem drohenden Bankrott ihrer Banken konfrontiert gewesen. Das erste Mal führte zur so genannten LTRO (Long Term Refinancing Operation): Die Europäische Zentralbank EZB musste ihnen ca. 1000 Milliarden Euro zustecken. Tatsächlich waren ihnen damals schon 500 Milliarden zugeflossen. Einige Monate später baten dieselben Banken erneut um Hilfe! Erinnern wir uns hier einer kleinen eigenartigen Geschichte, die zeigt, wie es um die Finanzen Europas steht. Zu Beginn des Jahres 2012 explodierten die Staatsschulden. Die Finanzmärkte ließen die Zinsen, zu denen sie bereit waren, den Staaten Geld zur Verfügung zu stellen, ansteigen. Einige Länder wie Spanien durften kaum mehr neue Kredite auf den Finanzmärkten aufnehmen. Denn das war viel zu teuer. Unterdessen gaben die spanischen Banken den Geist auf. Was tun? Was tun in Italien, Portugal und anderswo? Eine geniale Idee kursierte nun in den großen Köpfen der EZB: Wir geben den Banken gewaltige Darlehen, die sie dann wiederum zur Finanzierung der Staatschulden ihres eigenen Landes und der „reale“ Wirtschaft in Form von Investitions- oder Konsumkrediten verwenden können. Das hat im Herbst 2011 stattgefunden. Die EZB öffnete den Geldhahn wie beim Freibier für alle. Nun sehen wir das Resultat: Anfang Juni das allgemeine große Erwachen mit einer kaputten Leber. Die Banken haben der „realen“ Wirtschaft keine Kredite gegeben. Sie haben das erhaltene Geld zur Seite gelegt und es der EZB selber wieder mit etwas Zinsen ausgeliehen. Was haben sie der EZB im Gegenzug gegeben? Die Staatsobligationen, die sie mit dem Geld eben dieser Zentralbank selber gekauft hatten. Ein Taschenspielertrick, der schnell in seiner Lächerlichkeit durchschaut ist!
Im Juni 2012 schrien die „Wirtschafts-Wunderheiler“ erneut laut auf: Unsere Patienten sind am sterben! Es brauche sofortige und radikale Maßnahmen von Seiten der Krankenhäuser der gesamten Euro-Zone. Ende Juni, zum Zeitpunkt des Europäischen Gipfels, schien nach einer Verhandlungsnacht eine „historische“ Übereinkunft getroffen. So sahen die Beschlüsse aus:
- Die finanziellen Stabilisierungsfonds (EFSF und ESM[2]) sollen direkt den Banken finanziell aushelfen können – nach Einholung des Einverständnisses der EZB – und Staatsanleihetitel aufkaufen dürfen, um den Zinssatz, zu dem die Staaten noch Geld borgen können, in Schach zu halten;
- Europa vertraut der EZB die Überwachung des Bankensystems der Euro-Zone an;
- eine Ausweitung der Regelung der Defizitkontrolle der Staaten in dieser Zone wird angenommen;
- und schlussendlich, zur großen Zufriedenheit der linken Ökonomen und Politiker, wird ein Plan über 100 Milliarden Euro zur Wiederbelebung präsentiert.
Während einiger Tage wurde darüber fleißig diskutiert. Die Euro-Zone habe großartige Entscheide gefällt. Wenn Deutschland es geschafft hat, ihre „Goldene Regel“ gegenüber der öffentlichen Verschuldung aufrecht zu erhalten (sie schreibt den Staaten vor, in ihrem Gesetz die Eliminierung der Budgetdefizite zu verankern), so hat Deutschland andererseits akzeptiert, in die Richtung der Zusammenführung und Monetarisierung dieser Schulden zu gehen, das heißt, sie durch das Drucken von neuem Geld zu beseitigen.
Wie immer bei solchen Abkommen versteckt sich die Wirklichkeit hinter dem Zeitplan und in der Art und Weise, wie sie umgesetzt werden. Seit diesem schönen Morgen des 29. Juni sticht eines ins Auge. Eine entscheidende Frage scheint übergangen worden zu sein – die der finanziellen Mittel und ihrer Quellen. Alle gingen davon aus, dass am Ende Deutschland bezahlen würde, denn es habe ja schließlich die Mittel dazu! Und während des Monats Juli – welche Überraschung – wurde alles schon wieder in Frage gestellt. Mit juristischen Manövern wurde die Umsetzung des Abkommens auf frühestens September verschoben. Es gibt tatsächlich ein Problem. Am 16. Juli wurde die Situation für Deutschland unerträglich. Man bürdete ihm alle versteckten Garantien und Kreditverpflichtungen auf. Das Geradestehen Deutschlands für seine gestrandeten Nachbarn türmte sich auf 1500 Milliarden Euro auf. Das Bruttoinnlandprodukt Deutschlands beträgt 2650 Milliarden Euro, und dies vor Berücksichtigung des Rückgangs der Aktivitäten, der vor wenigen Monaten eingesetzt hat. Es geht also um eine gigantische Summe, um mehr als die Hälfte des BIP. Die letzten Zahlen über die Schulden in der Euro-Zone betragen um die 8000 Milliarden Euro, von denen ein großer Teil so genannt „toxische“ Aktiva sind (Schuldversprechen, die nie eingelöst werden). Es ist nicht schwer zu verstehen, dass Deutschland ein derartiges Niveau der Verschuldung nicht tragen kann. Deutschland ist angesichts dieser Schuldenmauer nicht einmal in der Lage, auf die Dauer gegenüber den Finanzmärkten die Glaubwürdigkeit seiner Versprechen zu wahren. Die Realität hat es gezeigt. Sie drückt sich in dem Paradox aus, dessen Geheimnis in der Ökonomie der Verzweiflung liegt. Deutschland platziert seine kurz- und mittelfristigen Schulden mit Negativzinsen. Die Käufer dieser Schulden akzeptieren, einen nur lächerlichen Zins zu erhalten und wegen der Entwertung des Geldes durch die steigende Inflation einen Teil des Kapitals zu verlieren. Die Staatsschuld Deutschlands scheint ein Zufluchtsort zu sein, die allen Erschütterungen widersteht, doch gleichzeitig sind die Preise der von den Käufern abgeschlossenen Versicherungen, die diese Schuldtitel absichern sollen, auf das Niveau von Griechenland angestiegen! Schlussendlich bleibt dieser Zufluchtsort sehr ausgesetzt! Die Märkte wissen genau, dass Deutschland selbst zahlungsunfähig wird, wenn es weiterhin die Schulden der Euro-Zone finanziert. Und aus diesem Grund versucht sich jeder dieser Gläubiger für den Fall des brutalen Absturzes abzusichern.
Es bleibt also nur noch die Möglichkeit der letzten Waffe: der Aufruf an die Europäische Zentralbank, dasselbe zu tun wie Großbritannien, Japan oder die USA: „Druckt neue Banknoten, ohne auf den Wert zu achten, den man dagegen eintauscht.“ Die Zentralbanken können sich problemlos in „faule“ Banken verwandeln. das ist nicht das Problem. Das Problem besteht darin, zu verhindern, dass heute alles zum Stillstand kommt! Wir werden sehen was morgen, im nächsten Monat oder nächstes Jahr passiert. Das ist der Fortschritt des letzten Europäischen Gipfels, das Wunder des Föderalismus und seiner Regierung. Doch die EZB hört auf diesem Ohr nichts. Diese Zentralbank hat sicher nicht dieselbe Autonomie wie andere Zentralbanken auf der Welt. Sie ist mit den anderen Zentralbanken der Länder, welche die Euro-Zone bilden, verknüpft. Doch liegt das Problem wirklich dort? Wenn die EZB gleich handeln könnte wie die Zentralbanken von Großbritannien oder den USA, wäre dann die Zahlungsunfähigkeit des Bankensystems der Euro-Zone gelöst? Was geschieht im selben Moment auf dem Niveau der Weltwirtschaft, z.B. in den USA?
Die Zentralbanken sind geschwächter denn je
Während sich über der amerikanischen Wirtschaft schwere Gewitterwolken zusammenziehen, stellt sich die Frage: Weshalb haben die USA nicht schon einen dritten Rettungsplan der Monetarisierung ihrer Schulden zur Überwindung ihres Engpasses auf die Beine gestellt? Zur Erinnerung: Der Chef der amerikanischen Zentralbank Ben Bernanke trägt den Übernamen „Mister Helikopter“. Es gab in den USA in den letzten 4 Jahren schon zwei Programme zur massiven Erhöhung der Geldmenge, das sogenannte „Quantitative Easing“. Bernanke schien unablässig über die USA zu fliegen und alles, was ihm im Weg stand, mit einer abgeworfenen Geldschwemme wegzuspülen. Eine Flutwelle der Liquidität, an der sich jeder bis zum Rausch betrinken sollte! Aber leider geht diese Rechnung so nicht auf. Seit einigen Monaten ist eine erneute Erhöhung der Geldmenge in den USA notwendig. Doch sie lässt auf sich warten. Denn ein „Quantitative Easing Nummer 3“ ist unabdingbar und lebensnotwendig, aber unmöglich zugleich so wie in Europa eine Vergemeinschaftung und allgemeine Monetarisierung der Schuld der Euro-Zone. Der Kapitalismus ist in eine Sackgasse eingeschwenkt! Selbst die stärkste Wirtschaftsmacht der Welt kann nicht aus dem Nichts Geld bis ins Unendliche auf den Markt werfen. Jede Schuld muss finanziert werden, früher oder später. Die amerikanische Zentralbank hat wie alle anderen Zentralbanken zwei Quellen der Finanzierung, die miteinander verbunden sind und sich gegenseitig bedingen. Die erste Quelle besteht aus Sparguthaben, aus Geld, das im Inland oder im Ausland verfügbar ist, sei es zu einem vernünftigen Zins, sei es durch steuerliche Massnahmen. Die zweite Quelle ist das Drucken von neuem Geld auf der Basis von Schuldscheinen. Dies vor allem durch den Verkauf von sogenannten Staatsanleihen. Der Wert dieser Schuldtitel ist in letzter Instanz durch die Entwicklung der Finanzmärkte bestimmt. Ein gebrauchtes Fahrzeug ist zu verkaufen – den Preis hat der Verkäufer auf die Windschutzscheibe geschrieben. Die potentiellen Käufer untersuchen den Zustand des Fahrzeugs. Es werden Preisangebote gemacht, und der Verkäufer wählt zweifellos das Beste. Wenn der Zustand des Fahrzeugs sehr schlecht ist, sind die Kaufangebote lächerlich niedrig, und das Fahrzeug bleibt auf der Straße stehen und verrottet. Dieses kleine Beispiel veranschaulicht die Gefahr einer erneuten Erhöhung der Geldmenge in den USA und anderswo. Seit vier Jahren wurden Milliarden von Dollars in die amerikanische Wirtschaft gepumpt, ohne den Effekt irgendeiner dauerhaften Erholung. Noch schlimmer: Die wirtschaftliche Depression hat sich unter der Oberfläche ausgebreitet. Hier liegt der Kern des Problems. Die Bewertung der realen Staatsverschuldung hängt ab vom Zustand der Wirtschaft des Landes – wie der Wert des Fahrzeugs in unserem Beispiel an seinem Zustand gemessen wird. Wenn eine Zentralbank (sei es in den USA, in Japan oder in der Eurozone) Geldnoten druck, um Obligationen oder andere Anerkennungen von Schulden zu kaufen, die nie zurückbezahlt werden können (weil die Schuldner zahlungsunfähig geworden sind), tut sie nichts anderes, als den Markt mit Papierscheinen zu überschwemmen, die keinem realen Wert entsprechen, da ihnen kein tatsächliches Sparvermögen, kein neu produzierter Reichtum gegenüber steht. Mit anderen Worten handeln sie als Falschmünzer.
Kurs auf eine allgemeine Rezession
Eine solche Aussage erschein oft als etwas übertrieben und waghalsig! Die Zeitschrift Global Europe Anticipation schreibt im Januar 2012: „Um einen Dollar Wachstum mehr zu erzeugen, muss die USA jetzt rund 8 Dollar leihen. Oder umgekehrt, wenn man will, jeder geliehene Dollar erzeugt nicht mehr als 0,12 Dollar Wachstum. Dies zeigt die Absurdität der langfristigen politischen Maßnahmen der FED und des US-Haushaltes in den letzten Jahren. Es ist wie ein Krieg, in dem man immer mehr Soldaten töten muss, um immer weniger Terrain zu erobern.“ Die Verhältnisse sind zweifellos nicht in allen Ländern der Erde dieselben. Doch die allgemeine Tendenz ist überall gleich. Gerade deshalb sind die 100 Milliarden Euro, die der Gipfel vom 29. Juni zur Finanzierung des Wachstums vorsah, nicht viel mehr als ein Tropfen auf einen heißen Stein. Der vom Kapitalismus produzierte Reichtum wird in immer größerem Masse zerstört. Die realisierten Profite sind verglichen mit dem Anwachsen der Schuldenmauer lächerlich. Eine beliebte Filmkomödie trägt den Titel Es gibt keinen Piloten mehr im Flugzeug. Was die Weltwirtschaft angeht, müsste man hinzufügen: Es gibt auch keinen Motor mehr. Das Flugzeug und seine Passagiere sind so auf verlorenem Posten.
Dieser desaströsen Dynamik der höchst entwickelten Länder halten einige Stimmen, um die Tiefe der Krise kleinzureden, die Beispiele von China und der „Schwellenländer“ entgegen. Noch vor wenigen Monaten wurde China als die zukünftige Lokomotive der Weltwirtschaft verkauft, zusammen mit Indien und Brasilien, welche in dieselbe Richtung gehen würden. Doch wie sieht die Realität aus? Diese „Motoren“ haben zu stottern begonnen. China bezifferte am Freitag, den 13. Juli offiziell seine Wachstumsrate auf 7,6%, was seit dem Ausbruch der gegenwärtigen Krise die tiefste Wachstumsrate Chinas ist. Die Zeit der zweistelligen Wachstumsraten ist vorüber. Und auch bei 7% interessieren sie nicht einmal mehr die Spezialisten. Jeder weiss, dass sie falsch sind. Die gewarnten Leute wenden sich lieber anderen Zahlen zu, die sie für glaubwürdiger halten. Am selben Tag wurde in einem auf die Ökonomie spezialisierten Radio (BFM) gesagt: „Wenn man die Entwicklung des Stromverbrauchs betrachtet, kann man daraus ableiten, dass das chinesische Wachstum in Wirklichkeit zwischen 2-3% liegt. Also die Hälfte der offiziellen Zahlen.“ Zu Beginn dieses Sommers wurden alle Wachstumszahlen gesenkt. Sie verringern sich überall. Der Motor dreht sich kaum mehr und droht stillzustehen. Das Flugzeug droht abzustürzen und mit ihm die Weltwirtschaft.
Der Kapitalismus steht vor großen Erschütterungen
Durch die weltweiten Rezession und die finanzielle Situation der Banken und Staatskassen spitzen sich die Rivalitäten zwischen den verschiedenen Fraktionen der herrschenden Klasse zu. Eine Wiederbelebung mittels der klassischen keynesianischen Politik (welche die Verschuldung des Staates beinhaltet) kann, wie dies deutlich geworden ist, nicht mehr greifen. Im Rahmen dieser Rezession kann sich das von den Staaten eingezogene Geld nur noch verringern, und trotz genereller Sparmaßnahmen können die öffentlichen Schulden nur noch explodieren wie in Griechenland und jetzt in Spanien. Die Frage, welche der herrschenden Klasse im Nacken sitzt ist: „Soll das leichtfertige Risiko einer erneuten Schuldenerhöhung eingegangen werden?“ In immer größerem Umfang fließt das Geld nicht mehr in die Produktion, in Investitionen oder in den Konsum. Dies ist nicht mehr rentabel. Doch die Zinsen und Rückzahlungsfristen für Schulden bleiben weiter. Es ist für das Kapital notwendig, neues Geld zu drucken, zumindest als Attrappe, um die generelle Zahlungsunfähigkeit hinauszuschieben. Bernanke, der Chef der amerikanischen Zentralbank, und sein Pendant Mario Draghi in der Euro-Zone sind wie alle ihre Berufskollegen auf dieser Erde Geiseln des Schiefstands der kapitalistischen Ökonomie. Entweder tun sie nichts, und dann werden sich Tiefschläge und Zahlungsunfähigkeiten überschlagen. Oder sie pumpen erneut massiv Geld in Umlauf, und dann wird der Wert des Geldes immer fragiler. Eines aber ist sicher, auch wenn die herrschende Klasse diese Gefahren sieht, so ist sie darüber hoffnungslos uneinig. Sie kann nur noch in absoluten Notsituationen und in letzter Minute mit immer unwirksameren Maßnahmen handeln. Die Krise, die wir seit 2008 erleben, ist noch nicht zu Ende.
Tino, 30.7.2012
[1] Man muss festhalten, dass seit dem Zeitpunkt, als dieser Artikel geschrieben worden ist, die französische Regierung zu einer engeren Zusammenarbeit mit der deutschen Bundeskanzlerin zurückgefunden hat. Vielleicht muss man bald von „Merkhollande“ sprechen. Auf jeden Fall haben der neue Präsident Hollande und die Führung der Sozialistischen Partei im September 2012 die Werbetrommel gerührt, um die Parlamentarier ihrer Mehrheit dazu zu bringen, für den Stabilitätspakt (die „Goldene Regel“) zu stimmen, den der Präsidentschaftskandidat Hollande zuvor noch versprochen hatte, neu zu verhandeln. Wie ein altes gaullistisches Schlachtross, Charles Pasqua, mit dem ihm eigenen Zynismus zu sagen pflegte: „Die Wahlversprechen verpflichten nur diejenigen, die dran glauben.“
[2] Europäische Finanz-Stabilitäts-Fonds und Europäische Stabilitäts-Mechanismen