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Trotz der Verschärfung der politischen und ökonomischen Krise in der BRD und der Welt, trotz der Hilflosigkeit der bürgerlichen Krisenmanager und trotz des von den Arbeitern erzwungenen größeren Verbalradikalismus der Gewerkschaften haben sich alle staatstragenden Kapitalfraktionen zusammengetan, um im Namen der Terroristenbekämpfung die Verstärkung des Staates gegen mögliche zukünftige Angriffe der Arbeiterklasse zu betreiben. Der offenbar totale Sieg des Staates in dieser Kampagne weckt die Erinnerungen an die schwärzesten Zeiten der Konterrevolution. Dass dies gerade in der BRD geschieht, ist kein Zufall. Gerade in diesem Land war die Niederlage der Arbeiterklasse nach der ersten revolutionären Erhebung 1918-23 am schwersten, und die darauffolgenden 50 Jahre totaler Konterrevolution werfen noch ihren langen Schatten. Besonders in diesem Land ist das Band zur revolutionären Tradition und der dazu gehörenden Erfahrung jäh zerschnitten worden, und auch das Aufflammen der Kämpfe seit 1968 sowie die darauffolgenden Massenstreiks 1969 und 1973 waren nicht in der Lage, an die Vergangenheit wieder anzuknüpfen.
Die Folgen der zu beobachtenden Aufrüstung des Staates und der breiten Kampagnen zur nationalen Vereinigung sind zunächst Resignation und Konfusion. Die Stimme der Arbeiter ist in diesem Geschrei nicht wahrzunehmen. Dies führt denn auch im In- und Ausland dazu, die „deutschen Faschisten“ wieder marschieren zu hören. Doch jeglicher Ruf nach antifaschistischem Kampf kann die schon begonnen Konfusion nur auf die Spitze treiben. Dieser reduziert nämlich den bestehenden Konflikt auf die Knebelung bürgerlicher Rechte, während es doch nur um das praktische Kräfteverhältnis zwischen Bourgeoise und Proletariat geht, d.h. ob zum Beispiel Arbeiterversammlungen nur verboten oder tatsächlich unmöglich sind.
Dass der anscheinend so totale Sieg des Staates, den sich die Regierung auch erhoffte, gar nicht so total war, wird zum einen durch die Schwierigkeiten der Bourgeoisie im eigenen Lager und zum anderen durch die Tatsache belegt, dass seit dem Abbruch der lauten Kampagne Arbeitslosigkeit und Löhne wieder Thema Nr. 1 sind. Es gibt deshalb nicht nur eine Hoffnung, sondern auch gleichzeitig die Pflicht der Revolutionäre, in diesem Irrgarten der Polizisten, Hausdurchsuchungen und Bombenattentate wieder die Ziele der internationalen Arbeiterbewegung herauszustellen. Es ist jetzt die Aufgabe der Kommunisten, eine Orientierung und die einzige Perspektive gegenüber allen Angriffen der Bourgeoisie zu verteidigen: den proletarischen Klassenkampf!
Die Kapitalisten vergießen Krokodilstränen über die Opfer der Baader-Meinhof-Gruppe. Aber bei aller hysterischen Mobilmachung verschweigt man geflissentlich die brutale Zerschlagung eines Streiks der Zuckerarbeiter in Ecuador. Hier fielen 120 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, der „bürgerlichen Gerechtigkeit“ zum Opfer. Die Polizeieinsätze im Druckerstreik sind nicht der Exotik Südamerikas geschuldet, sondern beweisen die „naturwüchsige“ Brutalität des im Zerfall befindlichen kapitalistischen Systems. Alle Gewalt geht vom Kapital aus! Der Gipfel dieser einfachen Wahrheit offenbart sich allein schon in den beiden Weltkriegen dieses Jahrhunderts.
Der Grund dieser Gewalttätigkeit liegt in der Unterordnung des Menschen unter die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise, die längst ihre historische Rolle erfüllt hat und nun langsam in der kapitalistischen Barbarei versinkt. Auf dieser Stufe der Entwicklung sind beinahe alle sozialen Beziehungen vom Diktat der kapitalistischen Gewalt durchdrungen. Auf diesem Hintergrund sind die eigentlichen Banditen und Banden diejenigen, die ein Interesse an der Erhaltung dieses Systems haben – die Schmidts, die Regierungen der bürgerlichen Klasse.
Sie wollen die Verstärkung des Staates gegen den drohenden Angriff des Proletariats! Im konkreten Fall der Schleyer-Entführung und der zeitlich parallelen Ereignisse hat der Staat seine Waffen mehr ausprobiert als wirklich benutzt. Insbesondere das jetzt in Polizeikreisen beliebte „Spiel“ des Züge-Stoppens ist beispielhaft. Aber selbst wenn im direkten Bezug zur Tat gehandelt wurde, zeigte sich die Rücksichtslosigkeit, mit der der bürgerliche Staat bereit ist, die herrschenden Interessen zu verteidigen. In Mogadischu wurde nicht auf Menschenleben geachtet – weder auf das der Geiseln noch auf das der Entführer -, sondern eine gezielte Bürgerkriegsübung durchgeführt.
Bei all dem jedoch von faschistischer Eskalation staatlicher Gewalt zu sprechen ist eine Verdrehung der Tatsachen. Gewalt ist eine Gesetzmäßigkeit des kapitalistischen Systems. Und wenn die SPD heute solche Maßnahmen ergreift, ist dies kein Ausdruck ihrer Rechtsentwicklung, sondern erinnert nur an die Tradition der „Altgenossen“ Noske und Ebert!
Auf der „anderen Seite“ stehen die Linken mit erhobenem Zeigefinger. Sie sehen den „Rechtsstaat“ in Gefahr oder rufen zum Kampf gegen „Faschisierung von Staat und Gesellschaft“ auf. In der gesamten radikal-demokratischen Bewegung ist deutlich die Tendenz zur Einheitsfront zu verspüren. In Bonn demonstrierten drei K-Gruppen gegen Verbotsanträge; in verschiedenen Städten werden Aktionseinheiten gegen staatliche Repression gegründet.
Im ersten Moment ist man versucht, überall mitzumachen, um „das letzte bisschen Freiheit zu retten“. Aber jene, die da für „Freiheit“ und „Demokratie“ fechten, haben inzwischen tausendmal beweisen können, welcher Klasse sie angehören. Sie schicken das afrikanische Proletariat in imperialistische Konflikte, als Kanonenfutter im Dienste nationaler Interessen. Sie vertreten die nationalistischen Unabhängigkeitsansprüche Bonns gegenüber den USA und der UdSSR bzw. die Kapitalinteressen Italiens und Frankreichs gegenüber der BRD und ihren Hegemonialansprüchen. Sie unterstützen – wenn auch „kritisch“ – die brutale Betriebspolizei: die Gewerkschaft. Einheitsfronten, ob in Form des antifaschistischen Kampfes, der Volksfronten oder der nationalen Fronten, sind nur der Versuch einer bürgerlichen Fraktion, ihr Programm durchzusetzen und Mystifikationen zu verbreiten. Das Proletariat hat von diesen Kräften nichts zu erwarten.
Das Proletariat darf weder dieser noch irgendeiner anderen Strömung der Bourgeoisie die Knüppel in die Hand geben, mit denen es dann selber geschlagen wird!
Für die Arbeiterklasse gibt es in der Phase des Niedergangs des Kapitalismus keine Frage nach Ge- oder Verboten. Das Proletariat muss nicht gegen, sondern trotz der Verbote kämpfen. Es gibt für die Arbeiter nur die Möglichkeit, die Organisationskraft und das Klassenbewusstsein gegen alle Angriffe des Kapitals und seines Staates auszubilden. Genauso wie die Bourgeoisie ständig ihre eigenen Gesetze (wie z.B. das Streikrecht) bricht, dürfen die Arbeiter die Verbote nicht beachten!
In einigen Kreisen wird, in der Meinung, damit nun besonders revolutionär zu sein, die staatliche Propaganda einfach in ihr Gegenteil verkehrt: Aus Verbrechern werden Märtyrer. Die Terroristen werden zu Erlösern der Menschheit gemacht.
Gerade in Zeiten, in denen der Klassenkampf stagniert, bricht sich die kleinbürgerliche Verzweiflung in selbstvernichtenden Praktiken Bahn. Tatsache ist, dass die Terroristen vom Staat nichts zu erwarten und dem Kapital – anders als die staatskapitalistisch ausgerichtete Linke – nichts Programmatisches anzubieten haben. Sie sind somit vollkommen perspektivlos. Ihr „Kampf“ ist deshalb auch von Nihilismus und Perspektivlosigkeit gekennzeichnet. Genauso wie Baader ein Opfer der Repression ist, ist er Opfer seiner eigenen Nichtigkeit – der Nichtigkeit jeder anderen Lösung der gesellschaftlichen Widersprüche als der proletarischen revolutionären Bewegung.
Der terroristische „Kampf“ ist deshalb erfüllt vom Hass gegen die Arbeiterklasse (der Anschlag auf die Drucker im Springerhochhaus belegt das). Die Arbeiter haben von diesen Desperados nichts zu erwarten. Sie tragen höchsten ihre Konfusion über den bewaffneten Kampf in das revolutionäre Lager.
Sie sind deshalb wie alle bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kräfte zu bekämpfen!
Zwischen all diesen Fronten haben die Revolutionäre nichts zu wählen als die Seite des autonomen Kampfes der Arbeiterklasse. Seit 1968, d.h. seit dem Anfang der offenen Krise ist das kein leeres Wort mehr. Die Krise verschärft sich immer mehr und mit ihr der Druck auf die Arbeiter. Die bürgerliche Lösung dieser Krise ist der Weltkrieg – die massenhafte Vernichtung von Menschen und Produktionsmitteln und der Eintritt in eine noch längere Konterrevolution. Das Proletariat ist aber noch nicht zerschlagen, es kann seine Ziele noch offen verteidigen. In den überall auf der Welt aufflammenden Kämpfen hat es gezeigt, dass es gegen die bürgerliche eine proletarische Lösung aller Krisen gibt: die sozialistische Weltrevolution.
Die Streiks und Aufstände, die stattgefunden haben und stattfinden werden, werden auch vor der BRD nicht Halt machen. Nicht nur die Massenstreiks 1969 und 1973 sowie der Druckerstreik im letzten Sommer, sondern auch die zunehmende Unzufriedenheit und die sich verbreitenden Warnstreiks der letzten Wochen zeigen, dass die Arbeiterklasse auch in der BRD wieder begonnen hat, ihre Kampfformen und ihr Bewusstsein zu entwickeln.
Bei allen Verzögerungen und Schwächen, die der Klassenkampf jedoch immer haben wird, müssen die Revolutionäre stets die historischen Ziele der proletarischen Bewegung klar aufzeigen und gegen alle bürgerlichen Einflüsse in der Arbeiterklasse bekämpfen. Die individuelle Gewalt versucht nur das Proletariat zu ersetzen, aus der proletarischen Revolution einen kleinbürgerlichen Putsch zu machen. Nicht weil ein Kampf mit Waffen und Gewalt verbunden ist, ist er proletarisch. Für das Proletariat gibt es weder das Prinzip der Gewalt noch das der Gewaltlosigkeit. Weil der Klassenkampf ein Kampf zweier unversöhnlicher Klassen ist, werden Waffen und Gewalt notwendig sein. Aber der Sieg der Arbeiterklasse ist keine Frage von Bomben. Die Arbeiter haben nur zwei Waffen: ihre Organisationsfähigkeit und ihr Bewusstsein.
Der Terrorismus wird mit dem nächsten Aufflammen des proletarischen Kampfes verschwinden. Er spielt keine bleibende Rolle in der Auseinandersetzung der Klassen. Aber die Staaten werden weiterhin mit ihrem ganzen Apparat gegen die Arbeiterklasse vorgehen (Polizei, Justiz, Armee, alle Parteien von rechts bis links). Sie haben sich unter dem Eindruck der Bedrohung über alle Unterschiede hinweggesetzt und zu einer unheiligen Allianz der Bourgeoisie zusammengeschlossen. Die Antwort des proletarischen Internationalismus darauf kann nur die Zerstörung aller Staaten und Nationen und des ganzen kapitalistischen Systems sein!
Internationale Kommunistische Strömung
Dezember 1977