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Nach den 800 Zivilisten und 300 israelischen Soldaten, die bei einem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober letzten Jahres getötet wurden, hat ein neuer Ausbruch der Barbarei 150 Tote und 300 Verletzte gefordert, die von einem Kommando des Islamischen Staates (IS) bei der Erstürmung eines Rockkonzerts am 25. März in der Peripherie von Moskau mit Kugeln niedergemäht und einigen mit Messern die Kehle durchgeschnitten wurden. Zwischen diesen beiden tragischen Ereignissen rissen die Schrecken der israelischen Offensive in Gaza und die Eskalation des blutigen Krieges zwischen Russland und der Ukraine immer wieder unschuldige Menschen mit ins Grab und machten ganze Städte dem Erdboden gleich: Ersteres war für mehr als 32.000 Tote verantwortlich, darunter mehr als 13.000 Kinder. Und die tödliche Kombination aus anhaltenden Bombenangriffen, zunehmender Hungersnot und der Ausbreitung von Epidemien unter einer buchstäblich am Ende ihrer Kräfte befindlichen Bevölkerung kann die Bilanz nur noch stark erhöhen. Die zweite, die Intensivierung des Krieges in der Ukraine, hat die zweijährige Bilanz des Ukraine-Konflikts auf die erschreckende Zahl von mindestens 500.000 Toten erhöht, ganz zu schweigen von den zivilen Opfern, den Ruinen und der Verwüstung, die nun die Umgebung eines Teils der Ukraine bilden und auch die russische Stadt Belgorod bedrohen, die regelmäßig von der ukrainischen Artillerie bombardiert wird, aber auch Moskau selbst und weite Teile Russlands.
Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks und der Auflösung des Westblocks im Jahr 1990 sind die dem dekadenten Kapitalismus innewohnenden Kriege nicht mehr symptomatisch für die Spannungen zwischen zwei rivalisierenden imperialistischen Blöcken und der von ihnen ausgeübten Disziplin. Sie gehorchen immer mehr der Logik des „Jeder für sich“ und des allgemeinen Chaos. Die aktuelle Weltlage veranschaulicht diese Tendenz insofern, als sich ein Land, nämlich Russland, mit zwei Gegnern im Krieg befindet, nämlich der Ukraine und dem Islamischen Staat, die kein Bündnis miteinander eingegangen sind.
Denn hinter der Ungeheuerlichkeit des Moskauer Attentats schimmert der ganze Ernst der Weltlage durch. Als die USA Russland dazu veranlassten, in die Ukraine einzumarschieren, damit sie sich in diesem Konflikt selbst schwächt, wollten sie nicht deren Zusammenbruch mit all den immensen Risiken, die ein Zerfall dieses Landes mit sich bringt, herbeiführen. Dennoch ist dies heute ein ernsthaftes Risiko.
Eine chaotische Situation an den Rändern Russlands
Auch der IS, der Schlächter des Anschlags in einem Vorort von Moskau, steht sinnbildlich für die Tendenz zu einem allgemeinen Chaos. Immer häufiger beteiligen sich finstere Milizen an imperialistischen Konflikten, indem sie versuchen, ihre Gesetze durch Terror durchzusetzen und sich manchmal selbst zu töten, immer unter dem Banner des religiösen Fundamentalismus nach dem Vorbild von Al-Qaida, Hisbollah, ...
Der Islamische Staat in Khorasan (IS-K), der die Verantwortung für den Anschlag in Moskau übernahm, ist ein afghanischer Zweig der Terrorgruppe. Sie veröffentlichte eine Bekennerbotschaft mit einem Video, das die vier Angreifer in Aktion zeigt. Es besteht kein Zweifel an der Bedeutung dieses barbarischen Akts, der auch ein kriegerischer Akt ist und in Russland nicht ohne Vorgeschichte ist. Bereits am 31. Dezember 2018 explodierte ein Gebäude in einer Stadt im Ural und tötete 39 Menschen. Wenige Stunden später war die Stadt Schauplatz einer bewaffneten Auseinandersetzung. Der IS-K hatte kürzlich seine „militärischen“ Fähigkeiten demonstriert, da er hinter dem Anschlag im Iran am 3. Januar stand, bei dem fast neunzig Menschen getötet wurden. Seine Mitglieder, die in Afghanistan besonders brutale Angriffe auf Mädchenschulen und Krankenhäuser durchführen, befinden sich heute sogar in einem offenen Kampf mit den Taliban.
Die Rivalität zwischen dem IS-K und Moskau ist eine Folge der Schwächung Russlands an seinen Grenzen, die das Eindringen der Terrorgruppe in die ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken (Kirgisien, Usbekistan, Kasachstan und Tadschikistan, aus denen die Attentäter stammen) und einige autonome Republiken in der Russischen Föderation selbst ermöglicht hat. Die Annäherung zwischen Moskau und den Taliban erklärt sich somit aus dem Bedürfnis Russlands, seinen Einfluss in der Region zu verteidigen. Für Russland bedeutet dies jedoch die Eröffnung einer zweiten militärischen Front in einer Situation, in der es sich in einem endlosen Krieg in der Ukraine erschöpft.
Große Schwierigkeiten für Putin und Russland in Aussicht
Die Art und Weise, wie Putin mit dem Terroranschlag in Moskau umgegangen ist, kann nur zu einer Schwächung seiner Glaubwürdigkeit führen. Seine erste Reaktion, die Ukraine direkt oder indirekt für den Anschlag verantwortlich zu machen, war grotesk, obwohl alles auf den IS hindeutete, da die USA zuvor verschiedene Länder, darunter auch Russland, gewarnt hatten, die möglicherweise Ziel von Terroranschlägen waren. Als Putin seinen Fehler bemerkte, setzte er der Groteske noch eins drauf, indem er erklärte, es bestünden weiterhin Zweifel daran, wer den Anschlag in Auftrag gegeben habe. Als dann der IS den Anschlag für sich beanspruchte, war es um ihn geschehen. Er konnte nichts anderes tun, als sich bedeckt zu halten, zumal es einen Präzedenzfall gab, der die Wahrscheinlichkeit der von den US-Geheimdiensten übermittelten Warnung untermauerte.
Tatsächlich konnte dieser Terroranschlag umso weniger eine Überraschung für den Kreml darstellen, als „Wladimir Putin bereits am 15. Oktober 2021 ‘über die Ambitionen und die Stärke der dschihadistischen Gruppe Islamischer Staat in Afghanistan’ alarmiert war und die ‘Kampferfahrung’ hervorhob, die ihre Mitglieder im Irak und in Syrien gesammelt hatten“. Putin, der die Fähigkeit der afghanischen Taliban, diese bewaffneten Gruppen zu besiegen, in Frage stellte, meinte damals, dass „die Anführer des IS Pläne schmieden, um ihren Einfluss in den Ländern Zentralasiens und den russischen Regionen auszuweiten, indem sie ethnisch-konfessionelle Konflikte und religiösen Hass schüren“.[1] Mehr noch: Der IS-K hatte bereits im September 2022 einen Anschlag auf die russische Botschaft in Kabul organisiert. Putin hat also gerade einen riesigen Fehltritt begangen, der sicherlich nicht unbemerkt bleiben wird, während er eine Frühjahrskampagne zur Einberufung von 150.000 Menschen zum obligatorischen Militärdienst startet – im Grunde: eine Kampagne zur Requirierung von Kanonenfutter für den Krieg. Dieser Fehltritt untergräbt nur seine Autorität und seine Legitimität gegenüber seinen Rivalen.
Während der Krieg die Autorität des Kremls immer weiter schwächt, wächst die Gefahr, dass die Russische Föderation schlicht und einfach auseinanderbricht. Die Folgen eines solchen Auseinanderbrechens wären in erster Linie die Verteilung des Atomwaffenarsenals auf verschiedene Kriegsherren mit unkontrollierbaren Handlungen. Es würde auch eine gewaltige Flucht ins Chaos bedeuten, und das inmitten einer Region, die für die Weltwirtschaft von besonderer strategischer Bedeutung ist (Rohstoffe, Transport, etc.). Dieser neue Kriegsherd ist also weit davon entfernt, irgendeiner Kriegspartei zu nützen, und hat erhebliche dramatische Folgen für einen Teil der Welt.
Fern, 3. April 2024
[1] "Attentat près de Moscou : l'Asie centrale, nouvelle tête de pont de l'organisation État islamique", Le Monde (25 March 2024).