Der Krieg im Nahen Osten: Der veraltete theoretische Rahmen der bordigistischen Gruppen

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Die organisierte Gewalt im Nahen Osten hat weltweit tiefe Empörung ausgelöst. Erstens wegen des Terroranschlags der Hamas am 7. Oktober, bei dem 1200 israelische Bürgerinnen und Bürger getötet und 2700 verletzt wurden, und zweitens wegen des anhaltenden Massenmords der israelischen Verteidigungskräfte (IDF) an der Bevölkerung des Gazastreifens. Revolutionäre Organisationen haben die Pflicht, diese imperialistische Barbarei anzuprangern, wie sie es im Laufe der Geschichte der Arbeiterbewegung getan haben, und zwar seit dem Manifest "An die Arbeiter aller Nationen" der Pariser Mitglieder der Internationale: "Krieg wegen einer Frage der Vorherrschaft oder einer Dynastie kann in den Augen der Arbeiter nichts anderes sein als ein verbrecherischer Wahnsinn".[1]

Angesichts dieser Verantwortung sind also Gruppen wie die Internationale Kommunistische Tendenz (IKT), Internationalist Voice oder Internationalist Communist Perspective (Korea) dieser grundlegenden Pflicht nachgekommen, indem sie in ihren Artikeln eine klare internationalistische Position zum Krieg im Nahen Osten vertreten haben.

- "Die Arbeiterklasse muss sich weigern, in die Kriege der herrschenden Klasse hineingezogen zu werden, und gegen die Ausbeuter in beiden Ländern kämpfen. Es gibt nur einen Weg für die israelische und die palästinensische Arbeiterklasse [...]: den Kampf über Nationen und Grenzen hinweg für die gemeinsamen Interessen der Arbeiterklasse. Nur ein internationaler Klassenkampf zum Sturz des kapitalistischen Systems kann dem Blutvergießen und den Kriegen ein Ende setzen".[2]

- "Nur der Klassenkampf der Arbeiter kann eine Alternative zur Brutalität des Kapitalismus bieten, denn das Proletariat hat kein Vaterland zu verteidigen, sein Kampf muss nationale Grenzen überschreiten und sich international entwickeln".[3]

- "Alle Bourgeoisien sind gleichermaßen Todfeinde der ArbeiterInnenklasse, die nicht einen Tropfen Blut für diejenigen vergießen sollte, die sie ausbeuten, um ihre nationalistischen und imperialistischen Ziele zu verfolgen. [...] Vor diesem Hintergrund ist die grundlegende Orientierung auf die Klasseneinheit aller Sektoren der ArbeiterInnenklasse – gegen die Bourgeoisie und die imperialistische Zielsetzung ihrer Staaten umso wichtiger".[4]

Im Fall der verschiedenen bordigistischen Gruppen ist die Situation differenzierter. Als Teil des revolutionären Milieus ist ihre Position insofern grundsätzlich internationalistisch, als sie das imperialistische Massaker anprangern und jegliche Unterstützung für die eine oder andere der gegnerischen Seiten ablehnen. Doch trotz der großen Reden über ihr internationalistisches Engagement ist ihre konkrete Verteidigung des Internationalismus nicht unmissverständlich. Indem die einen den Kampf gegen die "nationale Unterdrückung" der palästinensischen Proletarier und Massen unterstützen, die anderen die Vorstellung haben, dass diese Massaker eine Entwicklung der Arbeiterkämpfe in der Region und weltweit hervorbringen werden, offenbaren diese Gruppen gefährliche Unklarheiten darüber, wie der proletarische Internationalismus in der gegenwärtigen Periode des kapitalistischen Zerfalls gefördert und verteidigt werden soll.

Zweideutigkeiten, die opportunistischen Auswüchsen Tür und Tor öffnen

Die Internationale Kommunistische Partei (IKP – Le Prolétaire) ruft hinter ihrer Solidaritätserklärung gegenüber den palästinensischen Proletariern in Wirklichkeit zum Kampf gegen die nationale Unterdrückung der Palästinenser auf: "Palästina: ein Proletariat und ein Volk, die dazu verurteilt sind, abgeschlachtet zu werden. Israel: ein Staat, der aus der Unterdrückung des palästinensischen Volkes entstanden ist, und ein jüdisches Proletariat, das in den unmittelbaren Vorteilen gefangen ist und zum Komplizen dieser Unterdrückung wird".[5] Während also internationalistische Revolutionäre die Spirale imperialistischer Konfrontationen zwischen den Bourgeoisien anprangern sollten, in die die verschiedenen Fraktionen des Proletariats im Nahen Osten hineingezogen werden, sollten sie bei den Arbeitern für die Ablehnung jeder Bewegung der "nationalen Befreiung" werben, denn "Proletarier haben kein Vaterland", ruft Le Proletaire zunächst zu einem Kampf auf, um die Unterdrückung der Palästinenser in Gaza und im Westjordanland durch Israel zu beenden, was in der Folge jede Solidarität mit der israelischen Arbeiterklasse ausschließt, die „in den unmittelbaren Vorteilen gefangen und zum Komplizen dieser Unterdrückung" werde.

Eine andere Gruppe, die IKP - Il Partito Comunista, scheint überzeugende internationalistische Positionen zu vertreten, wenn sie schreibt: "Wir müssen die palästinensischen und israelischen Proletarier aufrufen, sich nicht von ihrer Bourgeoisie täuschen zu lassen [...], sich nicht als Kanonenfutter in Kriegen zu opfern, die ihren Interessen zuwiderlaufen". Aber im nächsten Satz fügt sie hinzu: "Wir müssen die jüdisch-israelischen Proletarier dazu aufrufen, die Kriegsanstrengungen ihrer imperialistischen und völkermordenden Bourgeoisie zu sabotieren und gegen ihre Bourgeoisie und die nationale Unterdrückung ihrer palästinensischen Klassenbrüder zu kämpfen".[6] Sie ruft hier also nicht zur internationalen Solidarität aller Proletarier gegen den imperialistischen Krieg auf, sondern fordert die israelischen Proletarier dazu auf, den Kampf der palästinensischen Arbeiter gegen diese nationale Unterdrückung zu unterstützen.

Schließlich stellt die IKP - Il Programma Comunista die Erschöpfung der antikolonialen "nationalen revolutionären" Bewegungen fest und stellt daher in Aussicht, dass "in dieser schrecklichen Situation das Proletariat des Nahen Ostens die Kraft finden kann, den Schlingen des Opportunismus, die es gefangen halten, zu entrinnen. Wir wünschen uns, dass es, wie in den großen Schlachten der Vergangenheit, die besten Kämpfer für seine Sache aufstellen kann, damit es die leider unvermeidliche Niederlage von heute zum Ausgangspunkt einer siegreichen Zukunft machen könne".[7] Mit anderen Worten: Sie propagiert die trügerische Aussicht, dass das Proletariat im Nahen Osten allein, mobilisiert hinter religiösen und nationalistischen Mystifikationen und zermalmt von imperialistischen Massakern, die Lehren aus diesen Niederlagen ziehen und die Grundlage für das Wiederaufleben von Kämpfen bilden könne, die an die "großen Schlachten der Vergangenheit" anknüpften (man fragt sich: welche? – vielleicht die sogenannten "national-revolutionären Bewegungen" der 1960er und 1970er Jahre, in denen die Arbeiterklasse des Nahen Ostens hinter verschiedenen nationalen bürgerlichen Fraktionen mobilisiert wurde?).

Auch wenn diese Organisationen nicht offen eine imperialistische Seite unterstützen (weder die palästinensische Bourgeoisie im Westjordanland noch die im Gazastreifen), lassen sie die Tür offen für eine Unterstützung des Kampfes der palästinensischen „Massen" und des „Volkes" gegen ihre nationale Unterdrückung, was die Kluft zwischen der Arbeiterklasse in Israel und der in den arabischen Ländern nur noch vertiefen kann. Dieses Abgleiten der sogenannten „national-revolutionären" Perspektive stellt eine Bedrohung für die internationalistische Positionierung dieser Organisationen dar.

Der proletarische Internationalismus ist eine Klassengrenze, die im Angesicht des imperialistischen Krieges die Arbeiterklasse von der Bourgeoisie trennt. Diesen Grundsatz müssen wir jederzeit mit Zähnen und Klauen verteidigen: in unseren Interventionen in den Arbeiterkämpfen, in unseren öffentlichen Veranstaltungen, in unseren Berichten und in unserer Presse. In diesem Sinne machen wir uns Lenins Worte zu eigen: "Es gibt nur einen wirklichen Internationalismus: die hingebungsvolle Arbeit an der Entwicklung der revolutionären Bewegung und des revolutionären Kampfes im eigenen Lande, die Unterstützung (durch Propaganda, durch moralische und materielle Hilfe) eben eines solchen Kampfes, eben einer solchen Linie und nur einer solchen allein in ausnahmslos allen Ländern. Alles andere ist Betrug und Manilowerei."[8] Die Bolschewiki standen mit ihrer Kritik an opportunistischen Positionen in der Kriegsfrage oft allein da, aber das war ein unverzichtbarer Teil ihrer Arbeit am Aufbau der Weltpartei. Dieser theoretische Kampf war und ist wesentlich, um alle Konsequenzen einer internationalistischen Position zu vertiefen und Revolutionäre von den Feinden der Arbeiterklasse, insbesondere den Sozialchauvinisten, zu unterscheiden.

Ein veralteter theoretischer Rahmen begünstigt opportunistische Auswüchse

In der Periode des kapitalistischen Niedergangs, einer Periode, in der sich die durch die kapitalistische Produktionsweise geschaffenen Produktionsverhältnisse in ein immer größeres Hindernis für die Entwicklung der Produktivkräfte verwandelt haben, hat die Bourgeoisie keine fortschrittliche Rolle mehr bei der Entwicklung der Gesellschaft zu spielen. Die Schaffung einer neuen Nation, die rechtliche Verfassung eines neuen Landes, ermöglicht heute keinen wirklichen Fortschritt in der Entwicklung, zu dem die ältesten und mächtigsten Länder selbst nicht in der Lage sind. In einer Welt, die von imperialistischen Auseinandersetzungen beherrscht wird, stellt jeder Kampf um "nationale Befreiung", weit davon entfernt, eine fortschrittliche Dynamik zu sein, in Wirklichkeit nur eine Episode imperialistischer Auseinandersetzungen dar, an denen die freiwilligen oder gezwungenermaßen eingezogenen Proletarier und Bauern nur als Kanonenfutter teilnehmen.

Die Bewegungen zur "nationalen Befreiung", die insbesondere die 1960er und 1970er Jahre prägten, zeigten deutlich, dass die Ersetzung der Kolonialherren durch eine nationale Bourgeoisie keineswegs einen Fortschritt für das Proletariat darstellte, sondern es stattdessen in zahllose imperialistische Interessenkonflikte hineinzog, in denen Arbeiter und Bauern massakriert wurden. Aber der veraltete theoretische Rahmen der bordigistischen Gruppen hindert sie daran, die tatsächlichen Herausforderungen zu verstehen, mit denen das internationale Proletariat und seine Elemente in Israel/Palästina im imperialistischen Inferno von Gaza konfrontiert sind.

Le Prolétaire analysiert die Palästinafrage weiterhin im Rahmen des „‘national-revolutionären‘ Unabhängigkeitsgeistes und -schubs, der die Kämpfe gegen nationale Unterdrückung in Algerien, im Kongo und später in Angola und Mosambik kennzeichnete und der lange Zeit auch für die spontane Revolte des palästinensischen Proletariats kennzeichnend war".[9] Das Drama und die Herausforderung der palästinensischen "Befreiungsbewegung" besteht für Le Prolétaire darin, dass "das gigantische Klassenpotenzial, das vom palästinensischen Proletariat und den proletarisierten Massen repräsentiert wird, sich zwar in ihrem bewaffneten und unbezwingbaren Kampf in Palästina, Libanon, Syrien und Jordanien manifestiert, aber kein eigenständiges politisches Klassenprogramm zum Ausdruck bringt, das die nationale Bewegung leiten könnte". So ruft diese Gruppe immer noch zu einer palästinensischen "Befreiungsbewegung" auf, während Revolutionäre stattdessen die Position vertreten müssen, dass heute alle Staaten, alle Bourgeoisien imperialistisch sind und dass Proletarier unter keinen Umständen Bewegungen gegen nationale Unterdrückung unterstützen dürfen.

Il Partito Comunista teilt grundsätzlich denselben Rahmen, denn er formuliert die Kritik, dass dieser Krieg kein echter "nationaler Befreiungskampf" der Palästinenser sei, weil ein solcher Kampf "die Bevölkerung von Gaza nicht mit solchem Zynismus der entsetzlichen Rache Israels ausgesetzt hätte".[10] Während Revolutionäre dazu aufrufen müssen, jegliche Unterstützung für nationalistische Ziele zurückzuweisen, besteht diese Gruppe darauf, die Unterstützung der israelischen Arbeiterklasse für den Kampf gegen die nationale Unterdrückung zu gewinnen, und bedauert zynisch, dass das von der Hamas verübte Massaker dies unmöglich gemacht habe: "Darüber hinaus hätte der Kampf gegen die abscheuliche nationale Unterdrückung, die den Palästinensern auferlegt wurde, sogar die Unterstützung der Israelis, hauptsächlich der Arbeiterklasse, gewinnen können, wenn er nicht auf die Ebene des Massakers an Zivilisten gestellt worden wäre, gemäß dem vorsätzlichen Programm, Juden zu töten, wo immer sie sich befinden, das von der obskuren Hamas umgesetzt wurde".

Il Programma Comunista stellte seinerseits die Erschöpfung der antikolonialen Bewegungen seit Mitte der 1970er Jahre fest und betonte, dass "die 'nationalen Fragen' Mitte der 1970er Jahre ungelöst waren, d. h. zu dem Zeitpunkt, als sich das Potenzial der antikolonialen Bewegungen in ein konterrevolutionäres Geschwür verwandelt hatte".[11] Aufgrund der Unmöglichkeit zeitgenössischer nationaler revolutionärer Bewegungen behauptet diese Gruppe jedoch, dass dieser Kontext totaler imperialistischer Zerstörung und barbarischen Chaos' einen fruchtbaren Boden für die Entwicklung einer breiten proletarischen Bewegung darstellt: „Was die Regierungen am meisten alarmieren wird, wenn das Blutbad weitergeht, sind die massiven Solidaritätsbekundungen aus den arabischen Hauptstädten [...] und aus den vielen kapitalistischen Metropolen (wo seit Jahren das eingewanderte arabische, insbesondere das palästinensische Proletariat wohnt)".[12]

Natürlich wird die lokale Bourgeoisie im Bündnis mit den verschiedenen religiösen und nationalistischen Führern die religiösen und nationalistischen Spaltungen ausnutzen, „um eine Ansteckung der Klasse zu verhindern. Die bürgerlichen Regierungen werden alles tun, um die instinktive Verbindung zu den entfernten Proletariern, die von so mächtigen Kräften niedergemetzelt wurden, zu unterbrechen: Diese Verbindung hat auch eine materielle Rolle im Kampf zu spielen, während der Sturm aus "geschmolzenem Blei" auf die Häuser und Körper niedergeht". Kurz gesagt, wie der Titel ihres Artikels bereits andeutet, ist seine Perspektive, dass die proletarische Reaktion von den Blutbädern der imperialistischen Konfrontationen und von den Teilen des Weltproletariats selbst ausgehen werde, die im „konterrevolutionären Geschwür" der nationalen Befreiung gefangen seien und von den verschiedenen Imperialismen im Nahen Osten massakriert würden. Aber anders als im Ersten Weltkrieg werde in der gegenwärtigen Periode des kapitalistischen Zerfalls die Ausweitung des Kampfes des Weltproletariats gegen die durch die Wirtschaftskrise und die Ausbreitung des Militarismus verursachten Angriffe den Proletariern im Nahen Osten eine Perspektive bieten.

In keinem Fall seit dem Ersten Weltkrieg hat ein "national-revolutionärer" Kampf eine Perspektive für den revolutionären Kampf des Proletariats dargestellt, die den Ausgangspunkt für eine echte proletarische Reaktion hätte bilden können. Der veraltete Rahmen dieser bordigistischen Gruppen hindert sie daran, die aktuellen Herausforderungen im Nahen Osten zu verstehen, und verleitet sie dazu, zweideutige Positionen zu entwickeln, die opportunistischen Auswüchsen Tür und Tor öffnen.

Dieser veraltete Rahmen führt auch zu einer Banalisierung des Krieges

Der Krieg in Gaza ist nicht, wie Il Programma Comunista behauptet, "die x-te Welle von Massakern", auf die angeblich eine neue Periode der Stabilität und des Friedens folgen wird. Im Gegenteil, dieser Krieg stellt einen weiteren bedeutenden Schritt in der Beschleunigung des Chaos in der Region und sogar darüber hinaus dar. "Das Ausmaß des Mordens zeigt, dass die Barbarei ein neues Niveau erreicht hat: [...] Beide Seiten schwelgen in der entsetzlichsten und irrationalsten Mordwut!".[13] Wir haben es hier mit dem ultimativen Ausdruck der Barbarei zu tun, einem blutigen Kampf, bis nur noch Ruinen in einer völlig unbewohnbar gewordenen Region übrig sind. Der Krieg in der Ukraine war bereits ein weiterer Schritt in der Verschärfung der imperialistischen Auseinandersetzungen. Der Krieg in Gaza geht noch einen Schritt weiter.

Selbst wenn dies nicht zum Ausbruch eines Weltkriegs führt, können die Kumulation und die kombinierten Auswirkungen all dieser Kriege ähnliche oder sogar noch schlimmere Folgen für das Leben auf dem Planeten haben. 

Aber die bordigistischen Gruppen bringen eine starke Tendenz zum Ausdruck, die Herausforderungen der aktuellen Situation zu unterschätzen, was zu falschen Schlussfolgerungen und Orientierungen führt. Ihre Unfähigkeit, die tatsächlichen Gefahren der aktuellen Situation zu verstehen, wird deutlich durch die Tatsache, dass diese Organisationen die historische Schwere und die Auswirkungen des Gaza-Krieges verharmlosen.[14] Einerseits argumentiert Le Prolétaire, dass die gegenwärtigen Bedingungen es dem palästinensischen Proletariat immer noch erlaubten, für seine eigenen Interessen gegen die israelische und palästinensische Bourgeoisie zu kämpfen. Andererseits neigt Il Partito Comunista zur Position, dass der Weltkrieg "eine unausweichliche wirtschaftliche Notwendigkeit" sei, weil der Kapitalismus "nur durch Zerstörung überleben kann. Deshalb braucht er den globalen Krieg".[15]

Was wir in den letzten drei Jahren gesehen haben, ist kein Anstieg in Richtung eines globalen Krieges, sondern eine Situation, die sich auf globaler Ebene durch eine Anhäufung von Krisen beschleunigt hat: Pandemie, Umweltkrise, Nahrungsmittelkrise, Flüchtlingskrise und Wirtschaftskrise. 

Auch wenn einige dieser Gruppen diese Anhäufung von Krisen erkannt haben, versteht keine von ihnen, dass diese Krisen nicht voneinander isoliert sind, sondern Teil desselben Zerfallsprozesses der kapitalistischen Welt sind, wobei jede Krise die Auswirkungen der anderen verstärkt. In diesem Zersetzungsprozess ist der Krieg zum zentralen Faktor, zum eigentlichen Katalysator geworden, der alle anderen Krisen verschärft. Er verschärft die Weltwirtschaftskrise und stürzt große Teile der Weltbevölkerung in die Barbarei; er führt in den mächtigsten kapitalistischen Ländern zu Arbeitslosigkeit und sozialem Elend und verstärkt die zerstörerischen Auswirkungen der ökologischen Gefahr. Es ist daher falsch, den gegenwärtigen Krieg in Gaza als ein x-tes Massaker im Nahen Osten zu betrachten, auf das eine wie auch immer geartete Periode der Ruhe oder des Wiederaufbaus folgen könnte.[16]

Angesichts dieses Krieges zeigen die verschiedenen bordigistischen Gruppen ihre völlige Unfähigkeit, die Herausforderungen der aktuellen imperialistischen Konfrontationen zu verstehen. 

Das Fehlen eines angemessenen Rahmens, nämlich des Rahmens der Dekadenz und des Zerfalls des Kapitalismus, führt dazu, dass alle bordigistischen Organisationen an einem veralteten Konzept festhalten, das nicht in der Lage ist, die gesamte Dynamik der aktuellen Situation zu erklären, und das die Tür für schwerwiegende opportunistische Entgleisungen öffnet.

D&R, 22. Februar 2024

 

[1] Le Réveil vom 12. Juli 1870 (zitiert von Marx in Der Bürgerkrieg in Frankreich)

[3] The Propaganda War, The War of Propaganda (Der Propagandakrieg, der Krieg der Propaganda), Internationalist Voice (2023)

[5] Ce ne sont pas les actions terroristes du Hamas mais la lutte de classe indépendante et la solidarité prolétarienne de tous les pays qui pourront mettre fin à l’oppression des Palestiniens ! ("Nicht die Terroraktionen der Hamas, sondern der unabhängige Klassenkampf und die proletarische Solidarität aller Länder können der Unterdrückung der Palästinenser ein Ende setzen"), Le Prolétaire Nr. 551 (Dezember 2023 - Januar 2024)

[6] War in Gaza, veröffentlicht auf der Website von PCI - Il Partito Comunista (Oktober 2023)

[7] Israël et Palestine : Terrorisme d’État et défaitisme prolétarien, Cahiers internationalistes (29. Dezember 2023)

[8] Lenin, Die Aufgaben des Proletariats in unserer Revolution (1917)

https://www.marxists.org/deutsch/archiv/lenin/1917/04/aufgaben.html  

[9] "Die Terroraktionen der Hamas heute wie gestern die der Fatah oder anderer Guerilla-Organisationen können die israelische Unterdrückung der Palästinenser in Gaza und im Westjordanland nicht beenden. 

Die Zukunft des palästinensischen Proletariats wie auch der Proletarier im gesamten Nahen Osten, in Europa und der Welt liegt im unabhängigen Klassenkampf und in der proletarischen Klassensolidarität aller Länder!", veröffentlicht auf der Website der IKP – Le Prolétaire unter der Rubrik "Stellungnahmen" („Prises de positions“, 4. Januar 2024).

[10] The Gazan Proletariat Crushed in a war between world imperialisms, The Communist Party Nr. 56 (Februar/März 2024)

[11] Israel and Palestine: State terrorism and proletarian defeatism, The Internationalist (29. Dezember 2023)

[12] A.a.O.

[14] Il Programma Comunista veröffentlichte 2009 erneut einen Artikel über den Gaza-Krieg, eine Entscheidung, die diese Gruppe damit begründete, dass "sich nichts geändert hat, außer der exponentiellen Zunahme der Feuerkraft, die im Gaza-Streifen [vom Staat Israel] entfesselt wird".

[15] A May Day against War To Workers of all Countries, Flugblatt von Il Partito Comunista

[16] Diese Unterschätzung kommt zum Beispiel auch darin zum Ausdruck, dass diese Gruppen zu Beginn dieses Krieges kaum öffentliche Aktivitäten entfalteten: Le Prolétaire veröffentlichte nur zwei Artikel, Il Partito Comunista publizierte zwei Artikel und organisierte eine öffentliche Veranstaltung, Il Programma Comunista bot zwei Artikel und eine öffentliche Veranstaltung an.

 

 

Rubric: 

Proletarisch Politisches Milieu