„Genug ist genug“ war der Unterton der Aktionstage, die am 13. Dezember 2024 und am 13. Januar 2025 in Brüssel gegen die „Sparpläne“ stattfanden. Schon seit sechs Monaten liegen diese bei den Gesprächen über die Bildung einer neuen Regierung auf dem Verhandlungstisch. Zuvor wurden diese Pläne durch „undichte Stellen“ in den Medien bekannt, heute sind sie kein öffentliches Geheimnis mehr. Die Gewerkschaften sprechen von den „drastischsten Maßnahmen der letzten 80 Jahre“. Die geplanten Angriffe würden alle Teile der Arbeiterklasse betreffen. Während Angestellten in privaten Unternehmen massenhaft entlassen werden (27.000 waren es bis 2024) und die automatische Lohnindexierung unter Beschuss gerät, will die neue Regierung auch die Ausgaben für die soziale Sicherheit streichen, einschließlich der Arbeitslosenunterstützung und der Renten. Als Krönung des Ganzen will sie die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst um zwei Prozent senken und die Arbeit für alle Arbeitnehmer noch unsicherer und flexibler machen.
Während am ersten Aktionstag mit rund 10.000 Demonstranten vor allem Gewerkschaftsdelegierte mobilisiert wurden (und zwar hauptsächlich aus der Region Wallonien), nahm es am 14. Januar eine ganz andere Dynamik an. Statt der ursprünglich von den Gewerkschaften vorgesehenen 5.000 bis 10.000 Demonstranten kamen schließlich mehr als 30.000 aus den verschiedenen Regionen des Landes und aus einer wachsenden Zahl von Arbeitssektoren zu der Demonstration. Auch 47.000 Lehrer und Lehrerinnen in der flämischen Region streikten, was eine historisch hohe Zahl darstellt. Arbeitsniederlegungen gab es auch bei der Bahn, den öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Recycling, den Postdiensten und vielen anderen öffentlichen Diensten. Für den 13. Februar wurde ein neuer Aktionstag angekündigt, diesmal unter dem Motto „für öffentliche Dienstleistungen und Kaufkraft“.
Doch schon vor diesen beiden Aktionstagen hatte im November eine Kundgebung stattgefunden, die ebenfalls weit mehr Arbeitnehmer mobilisierte als erwartet. Auch bei dieser Demonstration der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen am 7. November war die Beteiligung dreimal so hoch wie erwartet: mehr als 30.000. Am 26. November fand außerdem ein breit angelegter Streik des französischsprachigen Bildungspersonals (Wallonien und Region Brüssel) statt, der sich gegen das richtete, was Roland Lahaya, der Generalsekretär der wallonischen Bildungsgewerkschaft CSC-Enseignement als „Kriegserklärung“ bezeichnete. Unter dem Motto „Lehren ja, bluten nein!“ lehnten die Streikenden vor allem die von der bereits ernannten wallonischen Regierung angekündigten Kürzungen im Bildungsbereich ab, eine Maßnahme, die die Festanstellungen gefährdet und erhebliche Auswirkungen auf die Renten hat. Am 27. und 28. Januar gab es zwei weitere Streik- und Demonstrationstage. Und die unter Druck stehende Bildungsgewerkschaft erwägt, einen unbefristeten Streik anzukündigen.
Diese Demonstrationen, Streiks und Proteste bestätigen die international zunehmende Kampfbereitschaft, über die wir in den letzten Jahren in unserer Presse mehrfach berichtet haben. Die Eskalation der imperialistischen Spannungen und das wachsende Chaos, die Zersplitterung des Welthandels, die steigende Inflation und die Energiekosten sind so viele Anzeichen für eine noch nie dagewesene Verschärfung der Wirtschaftskrise. In allen Ländern versucht die Bourgeoisie daher, die Folgen der Wirtschaftskrise auf die Arbeiterklasse abzuwälzen. Belgien ist da keine Ausnahme.
Die Bourgeoisie ist sich sehr wohl bewusst, dass diese Pläne in weiten Teilen der Arbeiterklasse Reaktionen hervorrufen, und zwar nicht nur im Bereich des öffentlichen Dienstes. Sie ist sich bewusst, dass die Arbeiterklasse international bereits bewiesen hat, dass sie Jahrzehnte rückläufiger Kämpfe überwunden hat. Deshalb legt die Bourgeoisie Wert darauf, gut vorbereitet zu sein und auch die notwendigen Kräfte zu mobilisieren, um den zu erwartenden Widerstand aufzufangen und umzuleiten.
Die belgischen Gewerkschaften sahen die Besorgnis und Unzufriedenheit unter den Arbeitern von Woche zu Woche wachsen und blieben nicht untätig, um zu verhindern, dass sich die Unzufriedenheit in „unkontrollierten“ Aktionen manifestiert. Am Sonntag, dem 8. Dezember 2024, erklärte Ann Vermorgen (Vorsitzende der Gewerkschaft ACV) im Fernsehen, dass die Gewerkschaften gemeinsam beschlossen hätten, in der kommenden Zeit jeden Monat am 13. einen Aktionstag zu veranstalten. Es folgten Aktionstage im Dezember und Januar, an denen die Gewerkschaften versuchten, die Mobilisierungen auf bestimmte Sektoren (insbesondere das Bildungswesen) und bestimmte Forderungen (Rentenreform im Bildungswesen) zu beschränken. Die Gewerkschaften wenden eine bewährte Taktik an: Die Isolierung und Aufteilung verschiedener Sektoren und Regionen in einer Reihe von Aktionstagen wird den Kampfeswillen schließlich erschöpfen.
Die Stärke und Dynamik der Mobilisierung vom 13. Januar war jedoch so groß, dass sie sich auf andere Sektoren und alle Regionen ausweitete und die Gewerkschaften selbst überraschte. Der Unmut zeigt nämlich deutlich, dass es nicht nur um eine bestimmte Maßnahme oder angekündigte „Reform“ geht. Er ist Ausdruck einer allgemeineren Unzufriedenheit und Empörung und der Realität der Rückkehr des Kampfgeists angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten, der sich verschlechternden Arbeitsbedingungen, der unsicheren Arbeitsplätze und des Schreckgespenstes der Armut.
Seit Jahren wird uns gesagt, dass der Kapitalismus das einzig mögliche System sei und dass die Demokratie die beste und perfekteste politische Institution ist, die man sich nur vorstellen kann. Diese Mystifizierungen haben kein anderes Ziel, als die Arbeiterklasse zu demobilisieren, die Arbeitnehmer zu isolieren und sie in die Ohnmacht zu treiben, sie von der Stärke und Solidarität ihrer Klasse abzuschneiden. Doch trotz der unaufhörlichen Appelle, sich auf die Wahlurnen zu verlassen, um ein „Gegengewicht“ zur Austerität zu bilden, und trotz der Aufrufe zur „Verteidigung der Demokratie“ gegen den schändlichen Diskurs der Populisten, entdeckt die Arbeiterklasse den Weg des Kampfes wieder, die Notwendigkeit, gemeinsam auf ihrem eigenen Klassenterrain zu kämpfen. Es ist auch bezeichnend, dass diese Dynamik der sich entwickelnden Klassenkämpfe vor dem Hintergrund eines Krieges und ständig steigender Militärausgaben stattfindet, die von der Arbeiterklasse bezahlt werden müssen.
Um die Angriffe auf unsere Lebensbedingungen wirklich abwehren zu können, muss der Kampf von einer möglichst breiten Basis ausgehen, indem er alle Arbeiterinnen und Arbeiter vereint, unabhängig davon, in welchem Unternehmen, welcher Institution, welchem Sektor oder welcher Region sie arbeiten. Alle Arbeiter und Arbeiterinnen sitzen „im selben Boot“. All diese Gruppen sind keine getrennten Bewegungen, sondern ein kollektiver Ausdruck: “Wir sind eine Stadt der Arbeiter - Arbeiter und Angestellte, gewerkschaftlich organisierte und nicht gewerkschaftlich organisierte, Immigranten und Einheimische“, wie es ein streikender Lehrer in Los Angeles im März 2023 ausdrückte. Die Streiks in Belgien sind voll und ganz Teil der Bewegung, die in den letzten drei Jahren in anderen Ländern, insbesondere in Großbritannien, den USA und Frankreich, stattgefunden hat.
Aber es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Arbeiterklasse in Belgien wie auch anderswo in der Lage ist, bestimmte Schwächen zu überwinden, die in den jüngsten Kämpfen aufgetreten sind:
In Belgien verbreiten die Bourgeoisie und ihre Gewerkschaften unablässig das Gift der Spaltung: zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor sowie zwischen den Arbeitnehmern auf beiden Seiten der wallonisch-flämischen Sprachbarriere. Dies ist eine traditionell schwer zu überwindende Hürde, aber nicht unmöglich, wie wir am 23. April 2023 gesehen haben, als die französischsprachigen und niederländischsprachigen Lehrer und Lehrerinnen in Brüssel gemeinsam demonstrierten. In der Vergangenheit hatten schon die Streiks von 1983 und 1986 Hunderttausende von Arbeitnehmern aus dem öffentlichen und privaten Sektor sowie aus den Regionen Wallonien, Brüssel und Flandern zusammengebracht. Die Lehren aus den vergangenen Kämpfen zu ziehen, ist mehr denn je unerlässlich, wenn wir uns gegen die Fallen der Bourgeoisie wappnen wollen.
Unsere Stärke ist die Einigkeit, die Solidarität im Kampf! Nicht getrennt zu kämpfen, sondern den Kampf in ein und derselben Bewegung zu vereinen; zu streiken und Delegationen zu entsenden, um sich den Anderen im Kampf anzuschließen; Vollversammlungen zu organisieren, um gemeinsam über die Bedürfnisse des Kampfes zu diskutieren; sich um gemeinsame Forderungen zu vereinen. Es ist diese Dynamik der Solidarität, der Expansion und der Einheit, die die Bourgeoisie im Laufe der Geschichte immer wieder erschüttert hat.
Lac, 21.01.2025
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Internationales öffentliches Online-Treffen der IKS
Samstag 5. April 2025, 15 Uhr (mitteleuropäische Zeitzone)
Die Beschleunigung der Ereignisse seit dem Amtsantritt von Trump 2.0 in den USA hält an.
Aus diesem Grund veranstaltet die IKS ein drittes internationales öffentliches Online-Treffen, das sich mit der aktuellen Weltlage befasst. Es ist wichtig, dass alle, die die Notwendigkeit verstehen, die Welt von einem zerfallenden kapitalistischen System zu befreien, genau erkennen, womit die Arbeiterklasse konfrontiert ist. Wir ermutigen daher alle, die auf der Suche nach der „Wahrheit dieser Welt“ und dem Weg zur Überwindung des Kapitalismus sind, an diesem Treffen teilzunehmen und sich an der Debatte zu beteiligen.
Wenn Ihr daran teilnehmen möchtet, schreibt bitte an [email protected] [2]
Internationale Kommunistische Strömung
Der Zustand unseres Planeten ist katastrophal. Das Klima erwärmt sich schneller, als alle wissenschaftlichen Vorhersagen glauben machten, und verursacht Brände, Dürren, Stürme, Überschwemmungen... Die Meere versauern, und mit ihnen die Niederschläge; die Vegetation unter Wasser oder an Land leidet unter den katastrophalen Folgen. Die weltweite Abholzung bricht jedes Jahr neue Rekorde, und immer mehr Land wird mit Asphalt bedeckt. Die Verschmutzung verunreinigt alles: Treibhausgase, Pestizide im Boden, Plastikpartikel in den Meeren, pharmazeutische Moleküle in den Flüssen... bis hin zu mit Östrogen gedopten Fischen, die ihr Geschlecht wechseln!
Die unmittelbare Folge dieses Handelns ist verheerend: Jedes Jahr verschwinden 26.000 Arten. Immer mehr Forscher rechnen mit der sechsten Welle des Massenaussterbens (die vorherige, die fünfte, war die der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren). „Wenn die Bienen von der Erde verschwinden würden, hätte der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.“ Auch wenn Einstein diesen Satz nie geäußert hat, so ist der Gedanke doch stark: Insekten ernähren die Welt (Vögel, Reptilien, Säugetiere, Pflanzen) und bestäuben 75% der Kulturpflanzen und 80% der Wildpflanzen. Ihr allmähliches Verschwinden ist eine direkte Bedrohung für die natürlichen Ökosysteme und die Fähigkeit der Menschheit, sich selbst zu ernähren.
Die menschliche Spezies leidet bereits massiv unter dieser Zerstörung des Planeten. Jedes Jahr zwingen „Naturkatastrophen“, die mit der globalen Erwärmung zusammenhängen, Dutzende Millionen Menschen ins Exil; die Luftverschmutzung verursacht Millionen von „vorzeitigen“ Todesfällen, und mehr als zwei Milliarden Menschen werden durch Wassermangel gequält. Auch die Pandemie Covid 19, die nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation zwischen 2019 und 2021 7 Millionen Todesopfer fordert (15,9 Millionen nach Angaben von Demografen) und die Lebenserwartung weltweit um anderthalb Jahre verringert hat, hat ihren Anteil an der ökologischen Krise. Diese Pandemie hat den Zusammenhang zwischen der Zerstörung der Natur und der Bedrohung der menschlichen Gesundheit deutlich gemacht. Nach Angaben der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) gehen 70% der neu auftretenden Krankheiten (Zika, Ebola, Nipah usw.) und fast alle bekannten Pandemien (z. B. Grippe, HIV, Covid-19) auf Zoonosen (Krankheiten, die durch Infektionen tierischen Ursprungs verursacht werden) zurück. Die Ursachen für diese Pandemien sind dieselben, die auch die Natur verwüsten: Abholzung und Zerstörung natürlicher Ökosysteme, Handel mit und Verzehr von Wildtieren usw.
Im Jahr 2009 hat ein internationales Team von achtundzwanzig Forschern unter der Leitung des schwedischen Wissenschaftlers Johan Rockström neun „planetarische Grenzen“ festgelegt, die die Menschheit nicht überschreiten sollte, wenn sie die Bedingungen für ihr Überleben nicht gefährden will:
Sechs dieser neun „planetarischen Grenzwerte“ sind bereits überschritten (und zwei davon können nicht gemessen werden). Das Ausmaß der sich abzeichnenden Katastrophe ist so groß, dass selbst das Davoser Forum zugeben muss, dass „der Verlust der biologischen Vielfalt und der Zusammenbruch der Ökosysteme als eines der sich am schnellsten verschlechternden globalen Risiken des nächsten Jahrzehnts angesehen wird (...) Die Kombination aus extremen Wetterereignissen und begrenzten Vorräten könnte die derzeitige Krise der Lebenshaltungskosten in ein Katastrophenszenario von Hunger und Not für Millionen von Menschen verwandeln (...). Die Wechselwirkung zwischen den Auswirkungen des Klimawandels, dem Verlust der biologischen Vielfalt, der Ernährungssicherheit und dem Verbrauch natürlicher Ressourcen wird den Zusammenbruch der Ökosysteme beschleunigen“.
Es ist nicht das Leben auf der Erde als solches, das auf dem Spiel steht. Es war bereits in der Lage, sich unter weitaus widrigeren Bedingungen zu entwickeln, sich nach Wellen des Massenaussterbens zu erholen, die noch weitreichender waren als heute; Leben findet sich auf dem Grund der Ozeane, unter der Erde, auf jeder Oberfläche. Nein, was bedroht ist, ist die menschliche Spezies. Die Art und Weise, wie die Gesellschaft heute funktioniert, wird die Erde irgendwann für die Menschheit unbewohnbar machen.
Alle von der herrschenden Klasse vorgeschlagenen „Lösungen“ für die ökologische Krise sind sinnlos, weil die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, in das globale System eingebaut sind, das den Planeten beherrscht - das kapitalistische System, das von Ausbeutung und der Jagd nach Profit lebt. Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft durch das Lohnverhältnis; Ausbeutung der Natur, die als kostenloses Geschenk betrachtet wird, das nach Belieben geplündert werden kann. Und obwohl der Kapitalismus die wissenschaftlichen und technologischen Mittel hervorgebracht hat, mit denen die Menschheit von Armut und entfremdeter Arbeit befreit werden könnte, ist der Konflikt zwischen diesem produktiven Potenzial und der eigentlichen Motivation für die Produktion zum Dauerzustand geworden. Der Kapitalismus ist seit über hundert Jahren eine überholte, dekadente Gesellschaftsform. Dieser lange Niedergang hat nun eine Endphase erreicht, eine Sackgasse, in der Krieg, Überproduktionskrisen und Umweltzerstörung den Punkt erreicht haben, an dem all diese Erscheinungsformen der Sackgasse aufeinander einwirken und einen schrecklichen Strudel der Zerstörung erzeugen. Aber es gibt eine Alternative zu dem Alptraum, in den uns der Kapitalismus stürzt: den internationalen Kampf der ausgebeuteten Klasse für den Sturz des Kapitalismus und den Aufbau einer kommunistischen Weltgesellschaft.
(Dies ist der erste Artikel aus unserem neuen Manifest zur ökologischen Krise, welches bald auch auf Deutsch erscheint.)
5. Dezember 2024
Seit 1914 ist der Krieg auf allen Kontinenten zu einer Dauerplage geworden. Zweihundert Konflikte, zweihundert Millionen Tote, zwei von Atombomben zerstörte Städte! Napalm, chemische und bakteriologische Waffen, Streubomben, Killerdrohnen ... die neueste Technologie im Dienste der Barbarei.
Das 20. Jahrhundert wurde wiederholt als das barbarischste Jahrhundert in der Geschichte der Menschheit bezeichnet. Doch das 21. Jahrhundert ist auf dem besten Weg, in den Annalen des Grauens einen noch höheren Platz einzunehmen: Es wurde mit den Anschlägen auf die Zwillingstürme in New York am 11. September eröffnet. Seitdem hat sich das Chaos von Region zu Region ausgebreitet: Irak, Afghanistan, Syrien, Libyen, Kongo, Ukraine, Israel/Palästina – und vielleicht morgen Taiwan.
Der Krieg ist so sehr zum Gravitationszentrum der gesamten Gesellschaft geworden, dass sich die gesamte wissenschaftliche Forschung auf ihn konzentriert. Mikrowellen, gefriergetrocknete Produkte, Konservendosen, selbstinjizierende Spritzen, GPS, Fliegersonnenbrillen, das Internet ... die Liste der von der militärischen Forschung produzierten Gegenstände ist endlos. Der Erste Weltkrieg hat eine permanente Kriegswirtschaft hervorgebracht. In einem erbitterten Kampf mussten die Regierungen ihre Industrie und wissenschaftliche Forschung auf diesen Bereich der Zerstörung und des Todes konzentrieren. Seitdem ist es der Krieg, der die Gesellschaft strukturiert.
Heute belaufen sich die weltweiten Militärausgaben auf über 2400 Milliarden Dollar pro Jahr. Diese Zahl steigt stetig und wird morgen noch höher sein!
Der Krieg kostet Millionen von Menschen das Leben. Aber er vernichtet auch alle anderen Formen des Lebens. Die Schlachtfelder sind verwüstetes Ödland, Flora und Fauna sind ausgerottet.
Jeder Krieg verursacht eine Umweltkatastrophe, die Jahrhunderte andauert: Schwermetalle, Chemikalien und radioaktive Elemente bleiben für Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende zurück. Die Folgen des Ersten Weltkriegs sind noch heute zu spüren. Blei und Quecksilber aus der Zersetzung von Munition verseuchen das Grundwasser überall dort, wo es Schützengräben gab. In Frankreich sind aufgrund der im Boden vergrabenen Granaten 120.000 Hektar Schlachtfeld noch immer für jegliche menschliche Aktivität ungeeignet! Während des Vietnamkriegs in den 1960er Jahren setzte die US-Armee absichtlich ein ultragiftiges Herbizid („Agent Orange“) ein, um die Vegetation zu zerstören und das Aufspüren der Vietcong-Armee zu erleichtern. Das Ergebnis war, dass diese Chemikalie in 20 % des Südens des Landes alle Wälder zerstörte und weiterhin die Umwelt und die Bevölkerung verseucht! Und was ist mit der Atomkraft? Alle Staaten, die mit Atomkraftwerken ausgestattet sind, führen Tests durch, die zu einer erheblichen Zunahme von Krebserkrankungen in der gesamten „lokalen“ Bevölkerung führen. 2.000 offizielle Atomtests um genau zu sein.
Der Konflikt in der Ukraine ist ein Konzentrat all dieser zerstörerischen Kräfte. Zusätzlich zu den Hunderttausenden von Toten auf beiden Seiten lässt die Gefahr einer Entgleisung des Kraftwerks Saporischschja die Welt erzittern; überall setzen eingestürzte Gebäude unabsehbare Mengen Asbest in die Luft frei; verlassene Panzer, Waffen und medizinische Geräte stellen Tonnen von hochgradig umweltschädlichem Abfall dar. Nur eine Zahl: Während die Ukraine 35 % der europäischen Flora und Fauna beherbergt, wurden bereits fast 30 % der Wälder des Landes zerstört.
In der Ukraine ist die Umweltzerstörung eine Kriegswaffe. Die Explosion am Staudamm Kachowka am 6. Juni 2023 ist der Beweis dafür: Tausende Hektar Ackerland und Naturschutzgebiete wurden zerstört, Industrieanlagen überflutet, wodurch sich das Wasser des Staudamms mit verschiedenen Chemikalien vermischte, Kohlenwasserstoffen und Abwässern usw. Die Verwüstung des Gazastreifens durch die israelische Armee hat ähnliche Auswirkungen auf die Umwelt, während sie die Bevölkerung zu Zehntausenden massakriert und aushungert. Die heutigen Kriege zeigen, dass diese Strategie der verbrannten Erde noch verstärkt worden ist: Zerstörung der Ressourcen einer Umwelt, um den Gegner auszuhungern. Dies war auch eines der Ziele des Einsatzes von Napalm in Vietnam.
Und um den Kreis zu schließen, werden all die kommenden kolossalen Militärausgaben die Regierungen sogar dazu veranlassen, ihre Mindestverpflichtungen gegenüber dem Klima aufzugeben: drastische Kürzungen bei Programmen zur Verringerung der CO2-Emissionen, bei der Forschung im Bereich alternativer Energien usw.
Das ist die Welt, wie sie sich seit 1914 darstellt, eine Welt im permanenten Krieg, die Ressourcen verschlingt und ganze Regionen verbrennt. Wenn nichts getan wird, um dieser Dynamik Einhalt zu gebieten, werden die Staaten ihren Amoklauf fortsetzen, und die Kriegsherde werden sich ausbreiten, bis sie alles verschlingen.
1972 fand in Stockholm, Schweden, die Umweltkonferenz statt, die erste große internationale Konferenz zum Thema Umwelt. Unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen verpflichteten sich die 113 anwesenden Staaten, die Umweltverschmutzung zu bekämpfen. Die Konferenz verabschiedete eine Erklärung mit 26 Grundsätzen, einen Aktionsplan mit 109 Empfehlungen und beschloss die Gründung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP).
1992, auf dem dritten Umweltgipfel, wurden die internationalen Maßnahmen zugunsten der Umwelt verstärkt: Der „Schutz des Planeten“ wurde nun offiziell als wesentlich „für die Zukunft der Menschheit“ angesehen. 196 Staaten ratifizierten das Übereinkommen, das sie dazu verpflichtete, jedes Jahr zusammenzukommen, um „ihre Bemühungen fortzusetzen“. Diese großen jährlichen Treffen werden als Konferenzen der Vertragsparteien (COP) bezeichnet. Die erste Klimakonferenz, die so genannte COP 1, fand 1995 in Berlin statt.
Gleichzeitig bildeten dieselben 196 Staaten, die Vereinten Nationen und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ab 1988 einen zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC). Jeder neue Bericht sorgte für Schlagzeilen, und die WissenschaftlerInnen wählten systematisch starke Worte, um vor dem Ernst der Lage zu warnen. Im ersten Bericht, der 1990 veröffentlicht wurde, hieß es: "Unsere Berechnungen zeigen mit Sicherheit, dass CO2 für mehr als die Hälfte des Anstiegs des Treibhauseffekts auf der Erde verantwortlich ist (...). Im Business-as-usual-Szenario sagen wir einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur von +0,3° pro Jahrzehnt voraus (...); dies ist ein Anstieg der Durchschnittstemperatur, wie er in den letzten 10.000 Jahren noch nie beobachtet wurde".
In Wirklichkeit wird jedes Jahr, das vergeht, schlimmer sein als die Prognosen; jeder IPCC-Bericht wird diesen Ernst immer lauter unterstreichen, und jedes Mal werden alle Staaten neue Maßnahmen ankündigen.
Dies ist ein echtes Problem für alle Staaten der Welt: Die Auswirkungen der globalen Erwärmung führen zu einer beträchtlichen Zunahme von Naturkatastrophen, die zunehmend astronomische wirtschaftliche Kosten verursachen. In den letzten 20 Jahren haben sich die durch extreme Wetterbedingungen verursachten finanziellen Verluste verdreifacht und belaufen sich auf 2.521 Milliarden Euro. Ganz allgemein destabilisieren diese Katastrophen ganze Regionen, zerstören das Wirtschaftsgefüge und treiben ganze Bevölkerungsteile ins Exil. Verschmutzungsspitzen legen eine wachsende Zahl von Megastädten lahm und zwingen zu Reisebeschränkungen. Bis 2050 werden etwa 300 Millionen Menschen durch den steigenden Meeresspiegel bedroht sein.
Was haben all diese Beobachtungen, Maßnahmen und Versprechen in den letzten fünfzig Jahren bewirkt?
Nehmen wir ein besonders bedeutendes konkretes Beispiel. Die Arktis ist von der globalen Erwärmung stärker betroffen als der Rest der Welt. Die Folgen sind offensichtlich dramatisch für den gesamten Planeten. Bewaffnet mit ihren Chartas, internationalen Gipfeln und Versprechungen sehen die Regierungen diese Katastrophe als Chance – um die Region auszubeuten! Im Jahr 2007 hat Russland am Nordpol in 4.000 Metern Tiefe unter dem Meer eine Flagge in den Grund gebohrt, um seine Kontrolle über die Region zu markieren. Kohlenwasserstoffe in Sibirien und Nordamerika, Erdgas, Erdöl, Uran in der Arktis, Passage durch die kanadischen Inselgruppen, Passage über die Küsten Russlands und Skandinaviens ... all diese neuen Möglichkeiten wecken Begehrlichkeiten. Und hier, wie auch anderswo, konkurrieren sie mit den Waffen zur Hand: NATO-Militärübungen, Verstärkung der amerikanischen Militärbasen in Island und Grönland, russische Seemanöver ...
Die gleiche Logik gilt auch für alles andere: Die Verbreitung von Elektroautos führt zu Konflikten um Kobalt, Nickel usw. Die Minen zum Abbau wertvoller Metalle in den Ländern des Südens (Marokko, Chile, Argentinien usw.) verschlingen alles Wasser, das noch übrig ist, und bedrohen die lokale Bevölkerung mit Dürre und Durst. Dies ist die nackte Realität. Die Staaten werden nicht aufhören, die Menschheit und die Ressourcen des Planeten auszubeuten; sie werden nicht aufhören, zu zerstören und Menschen in die Armut zu treiben, denn sie verkörpern die Interessen der jeweiligen nationalen Bourgeoisie. Die Funktion der Staaten besteht darin, die wirtschaftlichen und militärischen Kräfte eines jeden Landes für den Kampf auf der internationalen Bühne zu bündeln. Sie sind die höchste Instanz im kapitalistischen Weltsystem, das nur für den Profit und durch die Konkurrenz lebt. Unabhängig davon, ob sie sich der Gefahr für die Menschheit bewusst sind, die ihre Zerstörung darstellt, werden sie damit niemals aufhören.
Die COPs (bald werden es 30 sein!) sind nichts anderes als eine Versammlung von Räubern. Der Völkerbund, die UNO, die NATO, die WTO, der IWF ... all diese internationalen Organisationen sind nichts anderes als Orte der Konfrontation und der Einflussnahme. Jede COP ist eine Gelegenheit für die einen, neue Standards und Verpflichtungen durchzusetzen, um den anderen Steine in den Weg zu legen: Frankreich gegen deutsche oder chinesische Kohle, Großbritannien gegen französische Atomkraft, Deutschland gegen amerikanisches Öl usw. Die Ausbreitung von Kriegen, die auf lange Sicht die gesamte Menschheit zu vernichten drohen, ist der ultimative Beweis dafür, dass Staaten nicht die Lösung, sondern das Problem sind. Dabei spielt es keine Rolle, welches Regime an der Macht ist, oder welchen politischen Anstrich die Regierung hat. Ob es sich um einen Demokraten oder einen Diktator handelt, ob in diesem oder jenem Land die extreme Rechte, die Mitte oder die extreme Linke regiert, der Kapitalismus führt überall in die gleiche Katastrophe. In den Ländern, in denen es grüne Parteien gibt, stehen sie oft an vorderster Front der Kriegstreiber. Was für ein Symbol!
Das Ausmaß der Umweltkatastrophe beschäftigt einen wachsenden Teil der Weltbevölkerung, insbesondere junge Menschen. Angesichts der Katastrophe entstehen alle möglichen Arten von Bürgeraktionen.
Im Alltag wird jede und jeder dazu aufgerufen, sich anzustrengen: Mülltrennung, weniger Fleischkonsum, mehr Fahrradfahren ... Diese kleinen individuellen Gesten sollen sich summieren, wie kleine Bäche große Flüsse bilden. Alle Länder der Welt fördern diesen "Bürgersinn": Werbung, Logos, Anreize für Elektroautos, Steuererleichterungen für Wärmeisolierungen ... Die umweltfreundliche Geste als Heilmittel gegen die Umweltverschmutzung! Die gleichen Regierungen, die Bomben abwerfen und Wälder abholzen, wollen uns glauben machen, dass die Lösung für unseren Planeten in individuellen Handlungen liege, die als "vernünftig und nachhaltig" bezeichnet werden.
Lassen wir uns nicht täuschen: Ihr wahres Ziel ist es, zu spalten und zu fragmentieren. Diese Aufforderungen, "das Richtige für den Planeten zu tun", sollen sogar dazu dienen, denjenigen, die Opfer dieses Ausbeutungssystems sind, Schuldgefühle zu vermitteln. Gleichzeitig versuchen sie uns glauben zu machen, dass der Kapitalismus "grün", umweltbewusst und nachhaltig sein könne – wenn jeder und jede seinen und ihren Teil dazu beitrage. Diese Lügen lenken uns von den wahren Wurzeln, den wahren Ursachen der Umweltkrise ab: dem Kapitalismus selbst.
Dasselbe gilt für die sogenannten "Klimamärsche". An diesen riesigen Demonstrationen in vielen Ländern der Welt nehmen regelmäßig Hunderttausende von Menschen teil, die sich Sorgen um die Zukunft machen, die vor ihnen liegt. Ihre Parolen spiegeln manchmal das Gefühl wider, dass ein tiefgreifender Wandel notwendig ist: "Ein Systemwandel – kein Klimawandel!" Jegliche Bemühungen, die wahren Wurzeln des Problems anzugehen, werden jedoch durch andere Parolen wie "Hört auf zu reden, fangt an zu handeln" und vor allem durch die allgemeine Praxis dieser Bewegung untergraben. Ihre Galionsfigur, die junge Greta Thunberg, sagt oft: "Wir wollen, dass die Politiker mit den Wissenschaftlern reden, dass sie ihnen endlich zuhören". Mit anderen Worten: Die Demonstranten hoffen, die Politiker "unter Druck setzen" zu können, damit sie eine naturverträglichere Politik betreiben. Eine weitere Mystifikation, die sich aus dieser Logik ergibt, ist die Einstufung der älteren Generationen als "rücksichtslos" oder "egoistisch" im Gegensatz zu den "jungen" Menschen, die für den Planeten kämpfen: "Ihr sagt, ihr liebt eure Kinder, aber ihr raubt ihnen ihre Zukunft", sagte Greta Thunberg. Es gibt also eine ganze Theoretisierung eines angeblichen Gegensatzes zwischen der "Klimageneration" und den "Boomern"!
Die radikale Ökologie behauptet, noch weiter zu gehen: Es geht nicht mehr darum, den Mächtigen dieser Welt "Seht her!" oder "Wacht auf!" zuzurufen, sondern sie zu einer anderen Politik zu zwingen. Extinction Rebellion (XR) und jetzt Just Stop Oil mit ihren Tagen der "internationalen Rebellion" sind die wichtigsten Vertreterinnen dieser Bewegung, die vehement den "laufenden Ökozid" anprangert. Demonstrationen, Besetzungen von Verkehrsknotenpunkten, Besteigen von Zügen, Inszenierungen, um den katastrophalen Zustand der Umwelt bekannt zu machen ... die spektakulärsten Mittel werden eingesetzt, um "Druck zu machen". Hinter diesem "Radikalismus" verbirgt sich jedoch genau derselbe Ansatz: Es soll der Eindruck erweckt werden, dass der Staat (wenn er dazu "gezwungen" wird) eine ökologische Politik betreiben kann, dass der Kapitalismus "grün" sein kann.
Innerhalb dieser Bewegung für direkte Aktionen ist eine der aktivsten Strömungen die "Zadisten"-Bewegung in Frankreich. Dabei geht es um die Besetzung von "Zones à défendre" (ZAD), die von den Gelüsten des Kapitals und der Finanzwelt bedroht sind, wie z. B. ein Gebiet, das für einen neuen Flughafen oder ein Mega-Wasserbecken vorgesehen ist. Als Ansammlungen von "Rebellen" kämpfen die ZADs gegen das "Großkapital", um die kleine Landwirtschaft, die "lokale Produktion und den lokalen Konsum" und die "Gemeinschaft" zu fördern – mit anderen Worten: das Kleinkapital! Das System bleibt also im Grunde das gleiche, mit allem, was es in Bezug auf den Warenaustausch und die sozialen Beziehungen bedeutet.
Schließlich gibt es eine eher theoretische Bewegung, die behauptet, den Kapitalismus durch ein anderes System ersetzen zu wollen, insbesondere die Degrowth-Bewegung. Diese Strömung weist auf die Unmöglichkeit eines "grünen" Kapitalismus hin und beruft sich auf die Notwendigkeit eines "Postkapitalismus" (Jason Hickel), eines "Öko-Sozialismus" (John Bellamy Foster) oder sogar eines "Degrowth-Kommunismus" (Kohei Saito). Diese Strömung behauptet, dass der Kapitalismus von einem ständigen Bedürfnis nach Expansion und Wertakkumulation getrieben wird und die Natur nur als "kostenloses Geschenk" behandeln kann, das es maximal auszubeuten gilt, während er gleichzeitig versucht, jede Region der Erde den Gesetzen des Marktes zu unterwerfen. Aber wie kann eine andere Gesellschaft erreicht werden? Durch welche Kämpfe? Die Degrowth-Bewegung antwortet: eine soziale Bewegung "von unten", die Einrichtung von "gemeinsamen Räumen", "Bürgerversammlungen"... Aber wer sind diese "Bürger"? Welche spezifische soziale Kraft kann den Kampf für den Sturz des Kapitalismus anführen und sich an die Spitze einer solchen Bewegung setzen? Das ist die zentrale Frage, auf die die Anhänger des Degrowth-Ansatzes keine Antwort geben, um die Arbeiterklasse besser aus der Gleichung ausschließen und sie in "dem Volk", "den BürgerInnen" – auflösen zu können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass all diese Formen der Umweltbewegung – von der Einzelaktion bis zum "radikalen" Protest – gemeinsam haben, dass sie die Arbeiterklasse zur Ohnmacht verurteilen:
Diese Bewegungen wollen "radikal" sein, aber "radikal" zu sein bedeutet, die Probleme an der Wurzel zu packen. Und die Wurzel der Umweltkrise ist der Kapitalismus!
"Es war ein sonniger Sommertag. Das passierte manchmal, sogar in Coketown. Aus der Ferne betrachtet, schien Coketown bei diesem Wetter in einen Dunstschleier gehüllt zu sein, der für die Sonnenstrahlen unzugänglich war. Man wusste nur, dass die Stadt da war, weil man wusste, dass der düstere Fleck in der Landschaft nur eine Stadt sein konnte. Ein Nebel aus Ruß und Rauch, der sich wirr von einer Seite zur anderen bewegte, mal zum Himmelsgewölbe aufsteigend, mal dunkel über den Boden ziehend, je nachdem, ob der Wind zunahm oder abflaute oder seine Richtung änderte, ein kompaktes, unförmiges Gewirr, das von schrägen Lichtbögen durchdrungen wurde, die nur große schwarze Massen erkennen ließen: Coketown, aus der Ferne betrachtet, erinnerte an sich selbst, auch wenn man keinen seiner Ziegelsteine erkennen konnte". So beschwor Charles Dickens 1854 in seinem berühmten Roman Hard Times den rußigen Himmel von Coketown, einer fiktiven Stadt, die ein Spiegelbild von Manchester ist und in der man nur „die monströsen Rauchschlangen“ sehen kann, die sich über die Stadt ziehen.
Der Mensch hat die Natur schon immer verändert. Schon vor dem Homo Sapiens benutzten die ersten Hominiden Werkzeuge; einige in Äthiopien gefundene Werkzeuge sind mehr als 3,4 Millionen Jahre alt. Im Laufe seiner Evolution, seines technischen Fortschritts und der Ausweitung seiner sozialen Organisation hat der Mensch eine immer größere Fähigkeit entwickelt, auf seine Umwelt einzuwirken und die Natur seinen Bedürfnissen anzupassen. Die 147 Meter hohe und 4.500 Jahre alte Cheops-Pyramide in Ägypten zeugt von dieser bereits in der Antike erworbenen Macht.
Doch gleichzeitig, insbesondere mit der Spaltung der Gesellschaft in Klassen, ging diese Fähigkeit, auf die Umwelt einzuwirken, mit einer zunehmenden Entfremdung von der Natur und den ersten Umweltkatastrophen einher: "Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unseren menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder hat in erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter und dritter Linie hat er ganz andere, unvorhersehbare Wirkungen, die nur zu oft jene ersten Folgen wieder aufheben. Die Leute, die in Mesopotamien, Griechenland, Kleinasien und anderswo die Wälder ausrotteten, um urbares Land zu gewinnen, träumten nicht, dass sie damit den Grund zur jetzigen Verödung jener Länder legten, indem sie ihnen mit den Wäldern die Ansammlungszentren und Behälter der Feuchtigkeit entzogen.” (Friedrich Engels: Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen (1876), in Dialektik der Natur)
Doch vor dem Kapitalismus und seinem unersättlichen Expansionshunger waren diese ökologischen Probleme begrenzt und lokaler Natur. Nach Jahrtausenden langsamer Evolution verzehnfachte der Kapitalismus diese Produktivkräfte in nur wenigen Jahrzehnten. Zuerst in Europa, dann auf allen anderen Kontinenten verbreitete er sich überallhin und veränderte Natur und Menschen, um seine Werkstätten, Fabriken und Anlagen am Laufen zu halten. Im Kapitalismus besteht das Ziel der Produktion jedoch nicht darin, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen, sondern Profit zu erzielen. Produzieren, um zu verkaufen; verkaufen, um Profit zu machen; Profit machen, um in Arbeitskräfte und Maschinen zu reinvestieren … mehr produzieren, schneller produzieren, billiger produzieren … – um trotz der erbitterten Konkurrenz anderer Kapitalisten weiter verkaufen zu können. Dies ist der Hintergrund, auf dem Charles Dickens 1854 die schwarze Rauchwolke, die sich bereits über Manchester legte, poetisch beschrieb.
Damals befand sich der Kapitalismus in seiner aufsteigenden, expansiven Phase. Der Drang, sich über den Planeten auszubreiten und neue Märkte zu erschließen, um die regelmäßigen Überproduktionskrisen zu überwinden, hatte eine fortschrittliche Dimension, da er die Grundlagen für eine wahrhaft globale Gemeinschaft legte. Doch der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zeigte, dass diese Periode zu Ende war, und Revolutionärinnen wie Rosa Luxemburg betonten bereits, die Alternative liege nun zwischen „Sozialismus oder Barbarei“. Die internationale revolutionäre Welle, die 1917 in Russland begann, enthielt das Versprechen des Sozialismus. Doch die Revolution wurde überall niedergeschlagen, und ab Mitte der 1920er Jahre gewann die Barbarei die Oberhand – was sich nicht nur in zunehmend verheerenden imperialistischen Kriegen äußerte, sondern auch in der zunehmenden Zerstörung der Natur, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg und noch stärker in den letzten Jahrzehnten.
Einen grünen Kapitalismus kann es nicht geben. Die ganze Rhetorik der herrschenden Klasse, von ganz rechts bis ganz links, die behauptet, den Kapitalismus „regulieren“, „überwachen“ und „reformieren“ zu können, damit sich eine „grüne Wirtschaft“ entwickle, ist eine absolute Lüge. Kein Gesetz, keine Charta, kein „öffentlicher Druck“ kann dem Kapitalismus seinen Charakter nehmen: die Ausbeutung von Mensch und Natur, um zu produzieren, zu verkaufen und Profit zu machen. Tragisch, wenn dadurch Mensch und Natur sterben. Die Zeilen von Karl Marx aus dem ersten Band von Das Kapital, die er vor fast 160 Jahren schrieb, scheinen von heute zu stammen: „In der Agrikultur wie in der Manufaktur erscheint die kapitalistische Umwandlung des Produktionsprozesses zugleich als Martyrium der Produzenten (...). Wie in der städtischen Industrie wird in der modernen Agrikultur die gesteigerte Produktivkraft und größre Flüssigmachung der Arbeit erkauft durch Verwüstung und Versiechung der Arbeitskraft selbst. Und jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben (...)“.
Dieses Ausbeutungssystem wird die Plünderung der natürlichen Ressourcen und die Vergiftung der Erde nicht beenden. Die einzige Lösung ist die Überwindung des Kapitalismus. Doch welches andere System ist möglich?
Weil er eine Gesellschaft ohne Klassen und Ausbeutung, ohne Nationen und Kriege ist, ist der Kommunismus die einzige wirkliche Lösung für die ökologische Krise.
“Was? Kommunismus? Die UdSSR? Diese Ungeheuerlichkeit?” Das stalinistische Regime war in der Tat eine Abscheulichkeit. Die Arbeiterinnen und Arbeiter wurden bis zum Äußersten ausgebeutet, jede Opposition wurde brutal unterdrückt, und die Militarisierung war auf den Höhepunkt getrieben worden. Für die Natur bedeutete der "sowjetische" Produktivismus Zerstörung, Verschmutzung und Plünderung. Aber der Kommunismus hat absolut nichts mit den stalinistischen Regimen zu tun! Weder gestern in der UdSSR und in Osteuropa noch heute in China, Nordkorea oder Kuba gibt es auch nur einen Funken Kommunismus. Der Stalinismus ist nicht die Fortsetzung der proletarischen Revolution vom Oktober 1917, er war ihr Totengräber.
Während 1914-18 in allen Ländern ein Gemetzel in den Schützengräben und eine Katastrophe im Hinterland bedeutete, weigerte sich das russische Proletariat, geopfert zu werden und kämpfte für die kommunistische Weltrevolution. Dieser revolutionäre Funke breitete sich bald auf Europa aus. Angesichts der Bedrohung ihrer Vorherrschaft stoppte die Bourgeoisie den Krieg. Doch das genügte nicht. Ende 1918 brach in Deutschland die proletarische Revolution aus. Der Aufstand eines entscheidenden Teils des internationalen Proletariats wurde vom deutschen bürgerlichen Staat (unter Führung der Sozialdemokraten!) erbarmungslos niedergeschlagen. Zehntausende von aufständischen Arbeitern wurden ermordet, darunter Rosa Luxemburg, der aus nächster Nähe in den Kopf geschossen und die dann in einen Kanal geworfen wurde. Diese Niederlage stoppte die revolutionäre Welle. Das russische Proletariat war isoliert. In Russland nahm die Konterrevolution eine ebenso barbarische wie machiavellistische Wendung: Das stalinistische Regime verwandelte die Ideen von Marx und Lenin in pure Phrasen zur Begleitung der Ermordung oder der Deportation von 80 % der Bolschewiki, die an der Revolution teilgenommen hatten, und der grausamsten Ausbeutung der Arbeiterklasse in der Sowjetunion. Das Rot, das die Fahne von Stalin und der UdSSR färbt, ist nicht dasjenige des Kommunismus, sondern das des Blutes der Arbeiterklasse!
Im Gegensatz zu allen bürgerlichen Lügen, die seit über hundert Jahren verbreitet werden, ist der Stalinismus nicht das Produkt der Oktoberrevolution, sondern Produkt des dekadenten Kapitalismus und der bürgerlichen Konterrevolution.
Nachdem wir diese notwendige Klarstellung gemacht haben, kehren wir zu unserer Ausgangsfrage zurück: Welches Verhältnis besteht zwischen Kommunismus und Natur? Inwiefern ist der Kommunismus "die wahrhafte Auflösung des Widerstreits zwischen dem Menschen mit der Natur" (Karl Marx, Manuskripte 1844)?
Der Kapitalismus ist Ausbeutung. Der Kapitalismus schöpft seinen Reichtum aus zwei Quellen: der Ausbeutung der Natur und der Ausbeutung der Arbeitskraft des Proletariats, die beide in Waren verwandelt werden. Aus diesem Grund hat der Kapitalismus keine Lösung für die ökologische Krise. Er kann nur beides bis zur Erschöpfung und Zerstörung ausbeuten. Deshalb gehen die soziale Frage und die ökologische Frage Hand in Hand und können nur gleichzeitig gelöst werden – gelöst durch das Proletariat, die einzige Klasse, die ein grundlegendes Interesse an der Abschaffung aller Formen der Ausbeutung hat.
Ausbeutung des Proletariats durch die Bourgeoisie, des Menschen durch den Menschen. Die Arbeiter sind gezwungen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, um zu leben: Sie gehören nicht mehr sich selbst; ihre ausgebeuteten Körper werden in Werkzeuge verwandelt.
Diese gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse hinterlassen ihre Spuren in allen menschlichen Beziehungen. Die Herrschaft der kapitalistischen Strukturen über die Arbeiter spiegelt sich in der Familie zwischen dem Mann und "seiner" Frau, zwischen dem Vater und "seinen" Kindern, in der Gesellschaft zwischen Weißen und Schwarzen, Männern und Frauen, Nichtbeeinträchtigten und Beeinträchtigten wider... Die Beziehung des Menschen zur Natur bleibt davon nicht verschont. Das Kapital sieht um sich herum nichts als Ressourcen, die ausgebeutet werden müssen: "menschliche Ressourcen", "natürliche Ressourcen". Der Mensch, das Leben, die Natur, der Planet und sogar das Universum werden auf den Status von Dingen, Eigentum und Waren reduziert.
Hühner in Käfigbatterien, gequälte Rinder in Schlachthöfen... die Barbarei, die der Tierwelt angetan wird, entspringt diesem Ausbeutungsverhältnis zwischen den Menschen selbst.
Da der Kommunismus das Ende der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen sein muss, ist er auch das Ende dieser Herrschaftsverhältnisse, die alle unsere sozialen Beziehungen durchziehen, ebenso wie er das Ende dieses Verhältnisses von Raub und Plünderung der Natur ist.
Der Kapitalismus ist das Streben nach Profit. Dies ist der einzige Zweck der Produktion im Kapitalismus. Der Mensch, das Leben, die Natur ... nichts hat für den Kapitalismus einen anderen Wert als den Tauschwert. Die Wissenschaft selbst wird als bloßes Anhängsel des Profits behandelt.
Und auch hier zeigt diese Geißel, was der Kommunismus sein sollte: eine Gesellschaft, in der das Ziel der Arbeit nicht das Streben nach Profit, nicht der Verkauf von Waren ist. Im Kommunismus wird im Gegenteil die gesamte Produktion für den Gebrauch, für den Bedarf und nicht für den Verkauf auf dem Markt bestimmt sein. Die Tätigkeit der assoziierten Produzenten, die von der Lohnsklaverei befreit sind, wird danach streben, die tiefsten Bedürfnisse und Sehnsüchte der Menschheit zu befriedigen. Und das Gefühl der Verbundenheit mit der Natur, der Verantwortung für ihre Zukunft, muss ein integraler Bestandteil dieser Bedürfnisse und Wünsche sein.
Kapitalismus bedeutet Privateigentum. Die Aneignung des größten Teils des gesellschaftlichen Reichtums durch eine kleine Minderheit ist das, was die Bourgeoisie "Privateigentum" nennt. Das ist es, was die revolutionäre Arbeiterklasse abschaffen muss.
Die stalinistischen Regime stützten ihre Lüge, sozialistische Gesellschaften zu sein, gerade auf den Glauben, dass sie das individuelle Eigentum abgeschafft hätten, indem sie den gesamten Reichtum in den Händen des Staates konzentrierten. In Wirklichkeit bleiben die Produktionsverhältnisse dieselben, unabhängig davon, ob sich die herrschende Klasse die Arbeit der Arbeiterklasse und der gesamten Bevölkerung individuell oder kollektiv, als individueller Arbeitgeber oder als Staat aneignet.
Im Kapitalismus ist das Privateigentum nicht nur das Recht, andere ihres Eigentums zu berauben, sondern auch das Recht, Eigentum über andere und über die Natur zu besitzen. Das Ende des Privateigentums im Kommunismus muss daher auch das Ende des Rechts sein, die Natur zu besitzen: "Vom Standpunkt einer höhern ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigentum einzelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt erscheinen wie das Privateigentum eines Menschen an einem andern Menschen. Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias [gute Familienväter] den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen." (Marx, Kapital, Band 3).
Kapitalismus bedeutet Konkurrenz. Zwischen Individuen, zwischen Unternehmen, zwischen Nationen. Nichts und niemand wird verschont. Bewegung und Spiel sind zu kommerzialisierten und verstaatlichten Sportarten geworden, bei denen es um den Ruhm des Vereins oder des Landes geht, auch wenn das bedeutet, dass die Sportler gedopt und zerstört werden. In den Schulen findet ein Wettlauf um Noten statt, bei dem jedes Kind bewertet, verglichen und sortiert wird. Religion, Hautfarbe, Sitten und Gebräuche... alles ist ein Vorwand, um den einen gegen den anderen auszuspielen. Die Arbeiterklasse kann sich diesem Wettbewerb nicht entziehen. Von ihr wird verlangt, mehr zu leisten als andere Unternehmen im gleichen Sektor, mehr zu leisten als ihre Kollegen. Damit wird auch die Natur zu einem Gegner, den es zu beherrschen gilt. Selbst angesichts der ökologischen Krise tritt dieses Verhältnis zur Welt in den Vordergrund: Für alle führenden Politiker der Welt geht es darum, die "Klimaschlacht zu gewinnen".
Der Kapitalismus ist die Herrschaft des Wettbewerbs und der Beherrschung; der Kommunismus muss das Prinzip der gegenseitigen Hilfe und des Teilens sein. Diese Beziehung zwischen den Menschen verändert auch die Beziehung zur Natur: So „werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, dass wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht – sondern dass wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, (...) die Menschen (...) [werden sich] wieder als Eins mit der Natur nicht nur fühlen, sondern auch wissen, und je unmöglicher wird jene widersinnige und widernatürliche Vorstellung von einem Gegensatzes zwischen (...) Mensch und Natur" (Engels, Anteil der Arbeit bei der Menschwerdung des Affen).
Die kommunistische Gesellschaft kann nicht in einem Land und schon gar nicht in isolierten Kommunen existieren, sondern nur im weltweiten Maßstab. Die ökologische Krise ist ein direktes Produkt des unersättlichen Drangs des Kapitalismus, die Erde unter der Flagge des Profits zu erobern und die gesamte Natur zur Ware zu machen. Wie bereits im Kommunistischen Manifest von 1848 festgestellt, hat dieser Drang in der Endphase der historischen Dekadenz des Kapitalismus den gesamten Planeten vergiftet, was zusammen mit der Kriegsgefahr eine direkte Bedrohung für das Überleben der Menschheit und unzähliger anderer Arten darstellt. Daher kann die Lösung dieser Krise nur auf weltweiter Ebene, durch die Auflösung aller Nationalstaaten und die Beseitigung der nationalen Grenzen, gefunden werden.
Kapitalismus ist Krieg. Die diesem System zugrunde liegende Konkurrenz des „Jeder gegen Jeden“ führt zur Konfrontation zwischen den Nationen, zu Krieg und Völkermord. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts sind alle Kriege imperialistische Kriege, die auf dem Kampf zwischen Nationalstaaten um die Ausweitung ihrer Einfluss- und Kontrollgebiete auf Kosten ihrer Rivalen beruhen. Der erbitterte militärische Wettbewerb ist zu einer ständigen und zunehmend zerstörerischen Angelegenheit geworden, die eine direkte Bedrohung für die Menschheit und den Planeten selbst darstellt (siehe erster Artikel dieses Manifests). Wie bei der ökologischen Krise besteht der einzige Ausweg aus dieser tödlichen Sackgasse in der Abschaffung der nationalen Wirtschaften und der Staaten, die sie verteidigen, sowie in der Schaffung eines globalen Produktions- und Vertriebsnetzes, das von den Produzenten selbst kontrolliert wird.
Der Kommunismus wird global sein. Der Kapitalismus hat es ermöglicht, ein extrem dichtes globales Wirtschaftsgefüge zu schaffen, mit Handelswegen und komplexen Verbindungen zwischen Fabriken und Forschungszentren, von Land zu Land, um zu produzieren. Die Zersplitterung des gegenwärtigen Systems in konkurrierende Nationen ist daher völlig überflüssig geworden. Diese Aufteilung ist ein Hindernis für die volle Entfaltung des von der Menschheit erreichten Potenzials. Während der Covid-19-Pandemie hat der unerbittliche Wettlauf, als erste Nation einen Impfstoff zu finden, der die Labors daran hindert, ihre Fortschritte zu teilen, die Forschung erheblich verlangsamt. Im Falle von AIDS schätzen Wissenschaftler, dass der Krieg zwischen französischen und amerikanischen Forschern, die sich gegenseitig belogen, bespitzelt und konkurriert haben, die Entdeckung der Dreifachtherapie mehr als ein Jahrzehnt gekostet hat! Diese Zersplitterung der Gesellschaft hat die gleichen verheerenden Auswirkungen auf die Forschung zur Bekämpfung der ökologischen Krise.
Die zukünftige Gesellschaft, der Kommunismus, wird diese Spaltung zwangsläufig überwinden müssen; sie wird die gesamte Menschheit vereinen müssen. Der Kommunismus wird also das genaue Gegenteil dessen sein, was der Stalinismus proklamierte: "Sozialismus in einem Land". Diese zukünftige Gesellschaft, eine soziale und bewusste Organisation auf weltweiter Ebene, bedeutet einen gewaltigen Sprung nach vorn. Das gesamte Verhältnis der Menschen zueinander und zur Natur wird auf den Kopf gestellt werden. Die Trennung zwischen geistiger und manueller Arbeit wird aufgehoben, und der Gegensatz zwischen Stadt und Land wird nicht mehr existieren.
Der Kommunismus wird also alles andere als eine Rückkehr zur Vergangenheit sein. Er wird aus dem "ganzen Reichtum der bisherigen Entwicklung" (Marx, 1844 MS) schöpfen und sich die besten Errungenschaften vergangener menschlicher Gesellschaften kritisch wieder aneignen, ausgehend von einem neuen Verständnis des harmonischeren Verhältnisses zwischen Mensch und Natur, das in der langen Epoche des "Urkommunismus" herrschte. Und insbesondere muss er in der Lage sein, alle wissenschaftlichen und technologischen Fortschritte, die der Kapitalismus ermöglicht hat, zu integrieren, weiterzuentwickeln und gleichzeitig radikal umzugestalten.
Die Revolution für den Kommunismus wird vor gigantischen Aufgaben stehen – nicht nur die ökologischen Folgen der kapitalistischen Produktionsweise umzukehren, sondern auch die ganze Welt zu ernähren, zu kleiden und zu beherbergen und alle Menschen von lähmender und entmenschlichender Arbeit zu befreien. Aber das Endziel des Kommunismus ist nicht einfach die Negation des Kapitalismus, sondern eine neue Synthese, eine neue und höhere Beziehung zwischen Mensch und Natur, die sich selbst bewusst wird. Dieses Ziel ist kein fernes Ideal, sondern ein Leitprinzip für den gesamten revolutionären Prozess. Kommunismus und Natur bedeuten die "selbstbewußte rationelle Behandlung des Bodens als des gemeinschaftlichen ewigen Eigentums, der unveräußerlichen Existenz- und Reproduktionsbedingung der Kette sich ablösender Menschengeschlechter" (Marx, Das Kapital, Band 3, 47. Kapitel).
Die einzige Lösung für die höllische Spirale der ökologischen und militärischen Zerstörung sind der Sturz des Kapitalismus und der Übergang zum Kommunismus. Aber die Bourgeoisie wird das Ende ihres Systems, das Ende ihrer Privilegien, das Ende ihrer Existenz als herrschende und ausbeutende Klasse niemals akzeptieren. Sie wird versuchen, ihr überholtes System um jeden Preis aufrechtzuerhalten. Nur eine Weltrevolution kann dieser Agonie ein Ende setzen. Für alle, die sich Sorgen um den Zustand des Planeten und das Schicksal der Menschheit machen, stellt sich die entscheidende Frage: Welche gesellschaftliche Kraft ist in der Lage, eine Revolution durchzusetzen?
„Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.“ So beginnt das Manifest der Kommunistischen Partei von 1848, verfasst von Karl Marx und Friedrich Engels. In diesem grundlegenden Dokument, das seinen Wert bis heute bewahrt hat, sehen wir, wie sich der Klassenkampf in allen historischen Gesellschaften entfaltet hat, wie er in der Tat im Mittelpunkt der radikalen Umgestaltung dieser Gesellschaften stand. Die antike Sklaverei wurde durch den Feudalismus abgelöst, der Feudalismus durch den Kapitalismus. Jedes Mal wurde der revolutionäre Prozess von einer neuen Klasse angeführt, die aus dem Schoß der bestehenden Gesellschaft hervorging:
- Gegen die Sklavenhalter im dekadenten Rom gab es jahrhundertelang Aufstände von Sklaven und Gladiatoren – am bekanntesten ist der Spartakusaufstand von 73-71 v. Chr. Doch trotz ihres Mutes waren sie machtlos, die Sklavengesellschaft zu stürzen. Es waren die Feudalisten, die die revolutionäre Klasse der damaligen Zeit darstellten, nämlich die Klasse, die in der Lage war, die Sklaverei, die in ihre Dekadenz eingetreten war, durch eine neue Organisation der gesellschaftlichen Produktion zu ersetzen, die in der Lage war, die unlösbaren Widersprüche der alten Gesellschaft zu überwinden und so eine neue Form der Klassenausbeutung auf der Grundlage der Leibeigenschaft einzuführen.
- Angesichts der dekadenten Feudalherren gab es zahlreiche Aufstände der Bauern gegen die Ausbeutung, wie die „Jacqueries“ in Frankreich oder der Bauernaufstand in England im Jahr 1381. Aber auch sie waren machtlos, die Gesellschaft zu verändern. Die Bourgeoisie war die revolutionäre Klasse jener Zeit, die in der Lage war, den dekadenten Feudalismus zu stürzen und eine neue, diesmal auf dem Lohnsystem basierende gesellschaftliche Organisation der Produktion einzuführen.
Im Kapitalismus fällt diese revolutionäre Rolle dem Proletariat zu – der ersten ausgebeuteten Klasse, die in der Lage ist, die Gesellschaft von zuunterst bis zuoberst zu verändern. In der Vergangenheit konnten die Widersprüche, mit denen die Gesellschaften in ihrer Dekadenz zu kämpfen hatten, nicht durch die Abschaffung der Ausbeutung überwunden werden, sondern nur durch die Einführung einer neuen Produktionsweise, die ihrerseits auf Ausbeutung beruhte. Aber die Widersprüche, die die historische Krise des Kapitalismus hervorrufen, sind das Ergebnis der Gesetze dieses Systems – dass die Produktion nicht auf dem menschlichen Bedürfnis, sondern auf dem Markt und dem Profit, auf der Konkurrenz zwischen Unternehmen und Staaten beruht – und haben ihre Wurzeln in der Ausbeutung der Klasse, die das Wesentliche des gesellschaftlichen Reichtums produziert, des Proletariats. Weil im Kapitalismus die Arbeitskraft zu einer Ware geworden ist, die an die Eigentümer der Produktionsmittel, die Kapitalisten, verkauft wird; weil die Produzierenden ausgebeutet werden, weil die Konkurrenz auf dem Markt die Kapitalisten (ungeachtet ihrer „guten Absichten“) dazu zwingt, die Ausbeutung immer weiter zu steigern, bedeutet die Abschaffung der Widersprüche im Kapitalismus notwendigerweise auch die Abschaffung der Ausbeutung. Deshalb kann die revolutionäre Klasse im Kapitalismus nicht mehr wie in der Vergangenheit eine neue Ausbeuterklasse sein, sondern muss die hauptsächlich ausgebeutete Klasse in diesem System sein, das Proletariat.
Angesichts der dekadenten Bourgeoisie gibt es tausend Gründe dafür zu rebellieren. Die ganze Menschheit leidet, alle Schichten, alle Ausgebeuteten werden gequält. Aber die einzige gesellschaftliche Kraft, die in der Lage ist, die Bourgeoisie, ihre Staaten und ihre Repressionskräfte zu stürzen und eine andere Perspektive aufzuzeigen, ist die Arbeiterklasse. Das Proletariat unterscheidet sich grundlegend von den produzierenden und ausgebeuteten Klassen, die ihm vorausgingen. In den Sklaven- und Feudalgesellschaften waren die Werkzeuge bei der Arbeit individuelle oder bestenfalls gemeinschaftliche. Die Grundlage der Produktion war also isolierte, fragmentierte, lokal begrenzte, individuelle Arbeit. Der große Umbruch, den das Kapital herbeiführte, besteht gerade darin, dass die individuelle Arbeit als vorherrschende Produktionsgrundlage durch kollektive Arbeit ersetzt wurde. An die Stelle der isolierten individuellen Arbeit ist die Herstellung von Gütern durch die gemeinsame Arbeit von Tausenden von Menschen im Weltmaßstab getreten (ein modernes Automobil beispielsweise besteht aus Teilen, die in unzähligen Fabriken und Ländern hergestellt werden). Auf diese Weise hat das Kapital anstelle der verstreuten und voneinander isolierten ausgebeuteten Klassen eine Klasse geschaffen, die durch ihre kollektive Arbeit vereint ist (und zwar im Weltmaßstab) und die nur dank dieser Einheit leben und arbeiten kann. Auf diese Weise hat der Kapitalismus mit dem modernen Proletariat seinen eigenen Totengräber hervorgebracht. Und als ausgebeutete Klasse hat sie kein Interesse daran, eine neue Form der Herrschaft und Ausbeutung zu schaffen. Es kann sich nur befreien, indem es die gesamte Menschheit von allen Formen der Ausbeutung und Unterdrückung befreit. Im Kampf schmieden die Arbeiter und Arbeiterinnen die Einheit, die ihre Stärke ist. Der Kapitalismus spaltet sie tagtäglich, indem er sie gegeneinander ausspielt, zwischen KollegInnen, zwischen Teams, zwischen Einheiten, zwischen Fabriken, zwischen Unternehmen, zwischen Sektoren, zwischen Nationen. Doch wenn sie beginnen, für ihre Arbeitsbedingungen einzutreten, schweißt die Solidarität sie zusammen. Und dann, „von Zeit zu Zeit siegen die Arbeiter, aber nur vorübergehend. Das eigentliche Resultat ihrer Kämpfe ist nicht der unmittelbare Erfolg, sondern die immer weiter um sich greifende Vereinigung der Arbeiter“ (Manifest der Kommunistischen Partei, 1848). Karl Marx beschrieb den gesamten Prozess wie folgt: „Die Großindustrie bringt eine Menge einander unbekannter Leute an einem Ort zusammen. Die Konkurrenz spaltet sie in ihren Interessen; aber die Aufrechterhaltung des Lohnes, dieses gemeinsame Interesse gegenüber ihrem Meister, vereinigt sie in einem gemeinsamen Gedanken des Widerstandes - Koalition. So hat die Koalition stets einen doppelten Zweck, den, die Konkurrenz der Arbeiter unter sich aufzuheben, um dem Kapitalisten eine allgemeine Konkurrenz machen zu können. Wenn der erste Zweck des Widerstandes nur die Aufrechterhaltung der Löhne war, so formieren sich die anfangs isolierten Koalitionen in dem Maß, wie die Kapitalisten ihrerseits sich behufs der Repression vereinigen zu Gruppen, und gegenüber dem stets vereinigten Kapital wird die Aufrechterhaltung der Assoziationen notwendiger für sie als die des Lohnes. (...) Die ökonomischen Verhältnisse haben zuerst die Masse der Bevölkerung in Arbeiter verwandelt. Die Herrschaft des Kapitals hat für diese Masse eine gemeinsame Situation, gemeinsame Interessen geschaffen. So ist diese Masse bereits eine Klasse gegenüber dem Kapital, aber noch nicht für sich selbst. In dem Kampf, den wir nur in einigen Phasen gekennzeichnet haben, findet sich diese Masse zusammen, konstituiert sie sich als Klasse für sich selbst. Die Interessen, welche sie verteidigt, werden Klasseninteressen. Aber der Kampf von Klasse gegen Klasse ist ein politischer Kampf.“ (Marx, Das Elend der Philosophie)
Das ist es, was hinter jedem Streik steckt: ein potenzieller Prozess der Vereinigung, Organisierung und Politisierung der gesamten Arbeiterklasse, die Bildung einer sozialen Macht, die dem Kapitalismus die Stirn bieten kann. Denn indem sie gemeinsam für ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen kämpfen, greifen die ArbeiterInnen den Kern des Kapitalismus an: Ausbeutung, Profit, Kommerzialisierung und Konkurrenz. Deshalb sagte Lenin, dass „hinter jedem Streik die Hydra der Revolution steht“.
Rosa Luxemburg und Lenin waren Zeugen der ersten großen revolutionären Kämpfe der Arbeiterklasse im 20. Jahrhundert – 1905 in Russland und 1917-19 in Russland, Deutschland und der ganzen Welt. In diesen Schlachten waren die Arbeiterinnen und Arbeiter mit der zunehmenden Einbindung ihrer eigenen Organisationen (Gewerkschaften und Parteien) in den bestehenden Staatsapparat konfrontiert. Doch als Antwort darauf gelang es ihnen, neue Kampforgane zu schaffen – die Arbeiterräte, die in der Lage waren, die Klasse zu vereinen und die Grundlage für eine neue Form der politischen Macht zu schaffen, die den bürgerlichen Staat konfrontieren und zerschlagen und den Prozess der „Enteignung der Enteigner“ hätte beginnen können: den Übergang zu einer kommunistischen Gesellschaft. Diese Bewegungen waren eine echte Bestätigung für den revolutionären Charakter der Arbeiterklasse.
Natürlich können Sowjets oder Arbeiterräte nur in einem sehr fortgeschrittenen Stadium des Klassenkampfes entstehen. Sie können nicht dauerhaft in der kapitalistischen Gesellschaft existieren. Aber dass sie den Bedürfnissen der Klassenbewegung in dieser Epoche entsprechen – dem Bedürfnis nach Einheit über Sektions- und Landesgrenzen hinweg, dem Bedürfnis, den Kampf auf die politische Ebene zu heben – zeigt die Tatsache, dass sich in vielen der Kämpfe seit 1968 Arbeiter in Massenversammlungen und auf Widerruf gewählten Streikkomitees zusammengefunden haben, die die embryonale Form der zukünftigen Räte darstellen. Am deutlichsten wurde dies durch die überbetrieblichen Streikkomitees, die aus dem Massenstreik in Polen 1980 hervorgingen.
Rosa Luxemburg schrieb, dass „der Sozialismus nicht eine Messer-und-Gabel-Frage, sondern eine Kulturbewegung, eine große und stolze Weltanschauung sei“. Seit dem 19. Jahrhundert haben die Arbeiterinnen und Arbeiter den Kampf gegen alle Geißeln des Kapitalismus in ihren Kampf einbezogen: Krieg, Ungleichheit zwischen Männern und Frauen, zwischen Menschen verschiedener Hautfarbe, die Misshandlung von Kranken – und die Umweltverschmutzung. Die Frage der Natur und der Umwelt gehört ganz zum revolutionären Kampf der Arbeiterklasse. Bereits 1845 prangerte Engels in seinem Buch Die Lage der arbeitenden Klasse in England die Auswirkungen von verschmutzter Luft, zu wenig Wohnraum und ungeklärten Abwässern auf die Gesundheit der Arbeiterklasse an; das Manifest von 1848 forderte bereits die Überwindung der Trennung von Stadt und Land; in seinen späteren Jahren beschäftigte sich Marx mit den schädlichen Auswirkungen der „Raublandwirtschaft“ des Kapitalismus auf den Boden.
Anders ausgedrückt ist es der revolutionäre Kampf der Arbeiterklasse gegen die Ausbeutung und für den Kommunismus, der alle anderen Inhalte, alle anderen Proteste, einschließlich des Kampfes um den Planeten, in sich birgt, umfasst und ihnen vorangeht. Was Revolutionäre und alle, die sich um den Zustand der Welt sorgen, verteidigen müssen, ist daher das genaue Gegenteil der aktuellen Theorie der „Intersektionalität“. Diese Theorie stellt den Kampf der Arbeiterinnen und Arbeiter, den Kampf gegen den Rassismus und den Kampf für das Klima auf die gleiche Ebene und behauptet, dass all diese Kämpfe „konvergieren“ müssen, Seite an Seite im gleichen Schwung marschieren. Mit anderen Worten, es ist eine Theorie zur Verwässerung des proletarischen Kampfes, des Verschwindens der ArbeiterInnen inmitten einer amorphen Masse von „Bürgern“. Es ist eine hinterhältige Taktik, um die Arbeiter von ihrem historischen Kampf zum Sturz des kapitalistischen Systems abzulenken. Es ist eine Falle!
Die große Lüge, die den Stalinismus mit dem Kommunismus gleichsetzt (siehe den Kasten zum vierten Artikel), ermöglichte es der Bourgeoisie, 1990, zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs der UdSSR, eine ohrenbetäubende Kampagne zu starten und überall den Tod des Kommunismus zu verkünden. Die Botschaft, dass sich jeder revolutionäre Traum nur in einen Albtraum verwandeln könne, verkündete die herrschende Klasse mit Nachdruck. Dass der Kapitalismus ein für alle Mal gesiegt habe. Schlimmer noch, sie schaffte es sogar, die Arbeiterinnen und Arbeiter glauben zu machen, dass die Arbeiterklasse nicht mehr existiere, dass sie ein alter Hut aus einem anderen Jahrhundert sei. „Angestellte“, „Mitarbeiter“, „Mittelklasse“ ... diese „Newspeak“, im Sinne von George Orwells 1984, hat es geschafft, die neue „Realität“ in die Köpfe der Menschen zu hämmern.
Aber Fakten sind auch stur. Die Arbeiter und Arbeiterinnen sind nicht nur nicht verschwunden, sie waren weltweit noch nie so zahlreich. Auch in Europa. Denn das Proletariat besteht nicht nur aus Fabrikarbeitern im Blaumann. Alle, die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sind ArbeiterInnen. Handarbeiter oder Intellektuelle, Produzentinnen von Gütern oder Dienstleistungserbringer, in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Sektor, es spielt keine Rolle; sie bilden ein und dieselbe Klasse, die ein und denselben Kampf führt.
Es stimmt, dass die Arbeiterklasse seit 1990 nur sehr wenige Kämpfe geführt hat, betäubt durch den Schlag der Kampagne über den so genannten „Tod des Kommunismus“. Es stimmt auch, dass die herrschende Klasse die Niederlagen der Arbeiterklasse in den 80er Jahren und ihre Orientierungslosigkeit in den 90er Jahren ausgenutzt hat, um viele traditionelle Zentren der Arbeitermilitanz zu zerschlagen (wie die Kohlebergwerke in Großbritannien, die Stahlwerke in Frankreich, die Automobilproduktion in den USA). All dies trug dazu bei, das Bewusstsein der Arbeiterklasse zu untergraben, dass sie tatsächlich eine Klasse mit eigenen Interessen ist. Da sie das Vertrauen in ihr revolutionäres Projekt und in die Zukunft verloren hatte, hatte sie auch das Vertrauen in sich selbst verloren. Sie hatte resigniert. Doch heute, angesichts der Verschärfung der Wirtschaftskrise, der Inflation, der immer unerträglicher werdenden Welle der Verarmung und der Unsicherheit, hat das Proletariat den Weg des Kampfes wieder aufgenommen. Nach Jahren der Stagnation des Kampfes beginnen die Proletarisierten ihren Kopf zu erheben. Es waren die ArbeiterInnen Großbritanniens, die dieses Comeback erstmals während des „Summer of Anger“ (Sommer des Zorns) im Jahr 2022 ankündigten. Seitdem haben sich die Streiks in der ganzen Welt vervielfacht. Die Herausforderung für die kommende Zeit besteht darin, dass die Arbeiterklasse sich zusammenschließt, das Gift des Korporatismus überwinden, ihre Kämpfe selbst in die Hand nehmen und sich organisieren. Aber sie müssen auch alle Krisen des Kapitalismus in ihren Kampf integrieren: den Krieg, die gesellschaftliche Krise und die Klimakrise! Das ist es, was in der Welle des internationalen Kampfes, die im Mai 1968 begann und sich bis in die 1980er Jahre von Land zu Land ausbreitete, fehlte: Das Proletariat war damals nicht in der Lage, seinen Kampf ausreichend zu politisieren.
Deshalb haben all diejenigen, die von der Notwendigkeit einer Revolution überzeugt sind, sei es angesichts der Klimakrise, der Wirtschaftskrise oder des Krieges, eine vorrangige Verantwortung, sich an dieser Politisierung zu beteiligen: indem sie sich in Demonstrationen, Versammlungen, politischen Diskussionszirkeln und Kampfgruppen, die von den kämpferischsten ArbeiterInnen gebildet werden, zur Debatte stellen. Vor allem aber müssen sie auf den Aufbau einer revolutionären politischen Organisation hinarbeiten, die die spezifische Aufgabe hat, die historischen Lehren des Klassenkampfes zu verteidigen und das kommunistische Programm aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln. Heute mögen solche Organisationen klein sein und noch keinen direkten Einfluss auf den Verlauf des Klassenkampfes haben, aber sie müssen sich als unverzichtbare Brücke zur zukünftigen Weltpartei der kommunistischen Revolution verstehen.
Die IKS hat kürzlich ein Manifest zur ökologischen Krise veröffentlicht, das die Frage: „Ist es möglich, die Zerstörung des Planeten aufzuhalten?“ aus der Sicht der Arbeiterklasse und der Zukunft der Menschheit beantwortet. Alle von der herrschenden Klasse vorgeschlagenen „Lösungen“ für die ökologische Krise sind sinnlos.
Der Kapitalismus ist ein System, das auf der Ausbeutung sowohl der Arbeiterklasse als auch der Natur beruht. Seit seinen Anfängen hat er sich auf die Verwüstung und Zerstörung der natürlichen Umwelt gestützt, aber heute zeigt er, dass sein Überleben mit dem Überleben der Menschheit und der Natur unvereinbar ist. Der Kapitalismus ist seit über hundert Jahren eine überholte, dekadente Gesellschaftsform. Dieser lange Niedergang hat nun eine Endphase erreicht, eine Sackgasse, in der Krieg, Überproduktionskrisen und Umweltzerstörung sich gegenseitig bedingen und einen schrecklichen Wirbelsturm der Zerstörung erzeugen. Aber es gibt eine Alternative zu dem Alptraum, der der Kapitalismus ist: den internationalen Kampf der ausgebeuteten Klasse für den Sturz des Kapitalismus und den Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft.
Um diese wichtigen Fragen zu erörtern, veranstalten wir auch auf Deutsch ein internationales öffentliches Online-Meeting am Mittwoch, den 2. Juli 2025 um 19:00 Uhr (MESZ). Wenn ihr an diesem Treffen teilnehmen wollt, wendet euch an [email protected] [5].
Das Manifest haben wir in Papierform erstellt, um es bei Treffen und Demonstrationen in Umlauf zu bringen. Es kann auch auf IKSonline eingesehen werden: Manifest zur ökologischen Krise [6].
Angesichts des Eintritts der USA in den Krieg gegen Iran werden wir an diesem Treffen auch einen Punkt zur Lage im Nahen Osten machen.
Angesichts der Razzien gegen ImmigrantInnen ohne Papiere und der Entsendung des Militärs nach Los Angeles gegen diejenigen, die gegen diese neue „Heldentat“ Trumps demonstrierten, hat einer unserer engsten Sympathisanten, der in den Vereinigten Staaten lebt, die Initiative ergriffen, ein Flugblatt zu verfassen, das er in seinem Umfeld verteilt. Die IKS unterstützt diese Initiative voll. Wir sind der Meinung, dass das von diesem Genossen verfasste Dokument absolut der Analyse der IKS dieser Ereignisse und der notwendigen Anprangerung des schmutzigen Spiels der verschiedenen Kräfte der Bourgeoisie in dieser Situation entspricht: sowohl der zynischen Brutalität der polizeilichen und militärischen Repression als auch der Heuchelei derer, die sie im Namen der „Verteidigung der Demokratie“ anprangern. Das Flugblatt analysiert treffend die historischen Ursachen der Politik der Trump-Regierung, einer Politik, die Teil des wachsenden Chaos ist, in das ein verrottender Weltkapitalismus immer tiefer versinkt. Das Dokument macht auch sehr deutlich, dass die Verfolgung von MigrantInnen einen Angriff auf das gesamte Proletariat darstellt und dass nur diese Klasse eine unmittelbare und historische Antwort geben kann, indem sie sich auf ihrem eigenen Terrain gegen die zunehmende Barbarei des kapitalistischen Systems mobilisiert. Aus all diesen Gründen machen wir uns dieses Dokument zu eigen und betrachten es als erste Stellungnahme unserer Organisation zu den sozialen Auseinandersetzungen, die derzeit in Los Angeles und vielen anderen Städten der Vereinigten Staaten stattfinden. Das Flugblatt weist zu Recht auf die derzeitige Schwäche des Proletariats in den Vereinigten Staaten hin. Das ist eine Tatsache, aber die zahlreichen Streiks und Mobilisierungen seit 2022 (massive Streiks in der Automobilbranche im Jahr 2023; in Boeing-Fabriken und bei Hafenarbeitern in rund 40 Häfen an der Ostküste im Jahr 2024 ...) zeigen, dass die Arbeiterklasse dieses Landes die Fähigkeit besitzt, groß angelegte Kämpfe zu führen und sich zum gegebenen Zeitpunkt dem Kampf des Weltproletariats für seine Emanzipation anzuschließen. - IKS
Seit seinem Amtsantritt im Januar hat Donald Trump seine Terrorkampagne gegen den unter den prekärsten Bedingungen ausgebeuteten Teil der Arbeitskräfte in den Vereinigten Staaten massiv ausgeweitet und droht damit, Menschen unter dem Vorwand fehlender ordnungsgemäßer Papiere aus ihren Familien und Gemeinschaften zu reißen. Und er begleitet dies mit seiner für ihn typischen abscheulichen Rhetorik: Eine ständige Flut von Lügen, Verschwörungstheorien und Fremdenfeindlichkeit strömt aus dem Weißen Haus und schürt Spaltungen in der Arbeiterklasse, während Agenten der ICE (der Polizei gegen Immigration) diejenigen unter uns bedrohen, die sich am wenigsten wehren können. Teile und herrsche, so lautet die Devise seines Spiels. Aber wenn die USA, wie das Klischee besagt, eine "Nation von Einwanderern" sind, können wir hinzufügen, dass Migration schon immer die Bedingung der Arbeiterklasse war. Seit den Anfängen des Kapitalismus waren die Arbeiter gezwungen, je nach den Launen des Kapitals von Ort zu Ort zu ziehen – oder, wie es heute zunehmend der Fall ist, vor den verheerenden Kriegen und der Instabilität eines Systems zu fliehen, das auf der Stelle verrottet. Wir müssen uns also absolut im Klaren sein: Trumps Terrorkampagne gegen Arbeiter ohne Papiere ist nichts weniger als ein direkter Angriff auf die US-Arbeiterklasse – eine Klasse von ImmigrantInnen! Gemäß der historischen Parole der Arbeiterbewegung in diesem Land: Was einem schadet, schadet allen!
Während Trump auf plumpe Weise versucht, die ArbeiterInnen in den USA gegeneinander aufzuhetzen, würde sein Haushaltsvorschlag die Klasse mit der Kettensäge bearbeiten: Kürzungen bei Medicaid in Höhe von fast 1 Billion Dollar in den nächsten zehn Jahren sowie ähnliche Angriffe auf SNAP (ein Lebensmittelhilfe-Programm), Bundesstudentenkredite und die Renten von Bundesbediensteten. Und das alles bei gleichzeitiger Bereitstellung von mindestens weiteren 350 Milliarden Dollar für das Militär und die Durchsetzung der Einwanderungsbestimmungen.
Und die Realität ist, dass es dabei nicht bleiben wird. Angesichts einer sich verschärfenden Wirtschaftskrise und einer immer schwächer werdenden Position auf der Weltbühne kann die US-Bourgeoisie – egal welche Partei an der Macht ist – nur mit beißenden Angriffen auf die Arbeiterklasse und mit zunehmend irrationalen Versuchen reagieren, die globale Reichweite und den Einfluss des US-Imperialismus aufrechtzuerhalten. Ob in Europa, im Südchinesischen Meer, im Nahen Osten oder in Afrika – die Zukunft kann so nur mehr und mehr Opfer unserer Klasse beim Lebensstandard bedeuten, die wir im Interesse unserer Klassenfeinde erbringen sollten.
Für die eher "rationalen" Elemente der US-Bourgeoisie sind Trumps unberechenbare und unvorhersehbare internationale Manöver – die Allianzen erschüttern, die einst die Grundlage der imperialistischen Strategie der USA bildeten – ein ernstes Problem. Die Tatsache, dass es ihm gelungen ist, sich die Unterstützung des Militärs und der Geheimdienste zu sichern, bedroht zwei Bollwerke gegen seinen Einfluss während seiner ersten Amtszeit. Vor allem aber bieten Trumps autoritäre Tendenzen die perfekte Gelegenheit, jede unabhängige Reaktion der Arbeiterklasse auf seine bösartigen Angriffe im giftigen Dunst des Aufrufs zur "Verteidigung der Demokratie" zu ersticken.
Auf internationaler Ebene ist die Demokratie seit langem die Rechtsfertigung des US-Imperialismus für alle möglichen Abenteuer – vom Ersten Weltkrieg bis zum Irak und der Ukraine. Und selbstverständlich erklärt sich dasselbe israelische Regime, das bei seinem völkermörderischen Feldzug in Gaza Krankenhäuser, Universitäten und Kinder ins Visier nimmt, zur "einzigen Demokratie im Nahen Osten" – und wird dabei von den USA unterstützt. In ähnlicher Weise stellen die USA ihre militärischen Interventionen so dar, als hätten sie einen humanitären Zweck – zum Beispiel um die Rechte der Kurden im Irak oder der Frauen in Afghanistan zu schützen. Aber für die liberale Bourgeoisie ist das alles nicht mehr nachvollziehbar, wenn es um die Aktionen der USA oder eines Verbündeten wie Israel geht. Innenpolitisch liegen Obama und Biden trotz aller falschen Empörung der Demokratischen Partei nur knapp hinter Trump, was die Zahl der Abschiebungen angeht – auch für diese Fraktion der Bourgeoisie ist es wichtig, die ständige Terrorisierung dieses Teils der Bevölkerung sicherzustellen, damit er am leichtesten ausbeutbar bleibt. Deshalb hat sich der Bürgermeister von Los Angeles vor allem über die Auswirkungen der Massenabschiebungen auf die lokale Wirtschaft ausgelassen. Schließlich werben die Demokraten heute für eine "Verteidigung der Demokratie" gegen den Autoritarismus von Trump.
Diese Kampagne ist maßgeschneidert, um sicherzustellen, dass jeglicher Widerstand gegen Trumps brutale Kürzungen und die militarisierte Durchsetzung der Einwanderungsgesetze nur von ArbeiterInnen als einzelnen bürgerlichen WählerInnen zum Ausdruck gebracht wird, die in internen Konflikten der herrschenden Klasse Partei ergreifen – und nicht als eine Klasse, die unabhängig von allen bürgerlichen Parteien agiert und sich ihnen militant entgegenstellt. Es ist bezeichnend, dass diejenigen, die die Demokraten gegen Trump anführen, Personen wie Gavin Newsom sind – der für sich selbst die Präsidentschaft anstrebt – und diejenigen des "sozialistischen" linken Flügels der Partei, die behaupten, die Arbeiterklasse zu "vertreten". Bernie Sanders, Alexandria Ocasio-Cortez und andere ihresgleichen – einschließlich der Organisationen, die sich selbst noch weiter links verorten: die DSA, PSL, CPUSA, RCA usw., die zwar behaupten, gegen dieses System zu sein, in Wirklichkeit aber Programme für seine Verwaltung vorlegen und die ArbeiterInnen in ihre Sackgasse und zu sterilen Aktionen locken – stehen nur an der Spitze des Bestrebens, den Kampf der ArbeiterInnen im Keim zu ersticken.
Die Arbeiterklasse sollte nicht vergessen, dass Trump zwar der vielleicht abstoßendste Vertreter der Bourgeoisie ist, aber was selbst die am weitesten links aufgestellten Elemente der herrschenden Klasse am meisten fürchten, ist ihr Klassenfeind. Und wenn die Zeit gekommen ist, zeigt die Geschichte, dass sie sich an die Seite ihrer Klassenbrüder stellen und für dieses sterbende System schießen werden, um zu töten.
Es ist mehr als hundert Jahre her, dass der Kapitalismus sein Ziel, die ganze Welt in nationale Märkte aufzuteilen, erreicht hat und in seine Niedergangsphase eingetreten ist. Seitdem kann die Expansion der einen nationalen Bourgeoisie nur auf Kosten der anderen erfolgen. Fast ständige imperialistische Kriege waren die Folge. Doch nach einem Jahrhundert des Niedergangs werden dieses System und seine herrschende Klasse zunehmend senil. Die niederträchtige Rhetorik des fremdenfeindlichen Nationalismus, die Dämonisierung von MigrantInnen, ethnischen Minderheiten, Homosexuellen und Transsexuellen – lang gehegte Taktiken einer Klasse, die entschlossen ist, um jeden Preis zu überleben, indem sie ihren Klassenfeind spaltet – haben überall auf der Welt mit aller Macht Fuß gefasst. Und daneben haben die irrationalsten Verschwörungstheorien sogar bei den führenden Vertretern der Bourgeoisie Anklang gefunden. Schließlich ist die Weltbühne, die einst von den USA und der UdSSR gut überwacht wurde, in hohem Maße chaotisch geworden. Daher sind die Phänomene, die in den USA vielleicht am deutlichsten zu beobachten sind, nicht auf die USA beschränkt. Der Aufstieg des Trumpschen Populismus ist keine Eintagsfliege oder das Ergebnis der Handlungen eines besonders abstoßenden Individuums – Trump ist vor allem das Produkt eines Systems im Niedergang und ein Vertreter einer Klasse, die nicht in der Lage ist, der Menschheit eine Perspektive zu bieten.
Die derzeitige Welle von Demonstrationen, die das Land überzieht, fand bisher auf dem Terrain der Verteidigung der Demokratie statt, oder unter dem Vorwand der spezifischen Verteidigung der hispanischen Bevölkerung – als ob nicht die gesamte Arbeiterklasse angegriffen würde! Wenn die Dinge so bleiben, wie sie sind, können wir nur erwarten, dass die Bewegung versiegt und alle Energien in die politischen Kampagnen der Demokratischen Partei und der Organisationen der extremen Linken der Bourgeoisie gelenkt werden.
Nur die Arbeiterklasse, die über alle nationalen, ethnischen und geschlechtsspezifischen Unterschiede hinweg vereint ist, ist in der Lage, dieses barbarische System zu stürzen. Deshalb ist angesichts der erdrückenden Angriffe der Trump-Administration, angesichts dieser Kampagne, sich hinter die Demokraten oder ihre linken Komplizen zu stellen, um die "Demokratie" gegen ihn zu "verteidigen", und angesichts der ernsthaften Bedrohung, dass der Kapitalismus – durch imperialistischen Krieg, ökologische Zerstörung oder soziale Desintegration – die Menschheit zerstören wird, der einzige Weg nach vorne eine vereinte Antwort der Arbeiterklasse, unabhängig von allen bürgerlichen Einflüssen. Die Arbeiterklasse muss auf ihrem eigenen Terrain zurückschlagen – beginnend mit dem Kampf für ihre grundlegenden wirtschaftlichen Interessen und dem Ausdruck internationaler Solidarität mit allen Teilen der Klasse. Es ist viele Jahre her, dass die Klasse in den USA wirklich ihre Muskeln spielen ließ, und es wird lange dauern, bis sie wieder auf die Beine kommt. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Menschen, die diese dringende Notwendigkeit heute verstehen, wo immer möglich zusammenkommen, die anstehenden Fragen diskutieren und die Lehren aus den vergangenen Kämpfen integrieren, um sich auf diese Kämpfe der Zukunft vorzubereiten.
Für die internationale Entwicklung des Klassenkampfes gegen alle falschen Spaltungen!
Gegen dieses verrottete System, das nur töten und zerstören kann, hat die Arbeiterklasse eine andere Welt zu bieten!
Ein Sympathisant der Internationalen Kommunistischen Strömung (IKS)
13. Juni 2025
Informationen über bevorstehende öffentliche Online- und persönliche Treffen zur Erörterung dieser und weiterer Punkte findet ihr auf der IKS-Website: de.internationalism.org
Eine neue mörderische Offensive Israels gegen den Iran ist seit mehreren Tagen in vollem Gange, auf die ein Raketenfeuer aus der Islamischen Republik antwortet, das trotz der militärischen Überlegenheit Israels zahlreiche Schäden und mehrere Opfer verursacht hat. Im Moment lässt sich aufgrund des Nebels der Kriegspropaganda das Ausmaß des Massakers nicht abschätzen, aber es ist eine Feuerflut, die auf beiden Seiten niedergeht: Während der Iran wahllos auf die Städte des jüdischen Staates und einige symbolische Orte zielt, hat die israelische Armee, wie es scheint, vor allem die iranischen Atomanlagen ins Visier genommen, die Atomwaffen produzieren könnten, aber auch das wissenschaftliche Personal und die Verantwortlichen des Atomprogramms sowie die militärischen und religiösen Führer, die den Gegenschlag begleiten sollten. Diese Operation zur "Selbstverteidigung" (laut Trump) forderte im Iran mindestens mehrere hundert zivile Opfer.
Das Ziel, die iranische Streitmacht zu enthaupten und ihren Gegenschlag zu brechen, sagt viel über Israels Bereitschaft aus, viel weiter zu gehen als im April 2024, als die israelische Armee das iranische Konsulat in Damaskus ins Visier nahm, um mehrere Militärführer auszuschalten, und im September darauf mit der Ermordung des Generalsekretärs der Hisbollah, Hassan Nasrallah. Die Regierung Netanjahu verheimlicht kaum, dass sie das Mullah-Regime zum Einsturz bringen und ihren großen regionalen Rivalen ins Chaos stürzen will.
Bisher hatte der Iran versucht, auf Provokationen zu reagieren, ohne wirklich in der Lage zu sein, Israel direkt zu destabilisieren; seine Reaktionen erfolgten vor allem durch die von ihm gesponserten Terrororganisationen (Huthi, Hisbollah ...) und durch die Unterstützung Russlands im Ukraine-Konflikt. Angesichts der Gefahr einer Destabilisierung oder gar des Zusammenbruchs ihres Regimes haben die "Revolutionswächter" keine andere Wahl, als auf die Flucht nach vorn in Chaos und Barbarei zu setzen. Wenn die Islamische Republik den jüdischen Staat auch nicht besiegen kann, verfügt sie zweifellos über die Mittel, die gesamte Region mit in den Abgrund zu reißen.
Dieser Konflikt ist weder eine "isolierte Ereignis" noch das Produkt des mörderischen "Wahnsinns" der israelischen extremen Rechten oder des mörderischen "Fanatismus" der Mullahs allein: Er ist Ausdruck eines kapitalistischen Systems, das am Ende ist! Nach jedem Konflikt, jedem Massaker beschuldigen Presse und Politiker diesen oder jenen Staat, diesen oder jenen Führer: "Hier ist Putins Wahnsinn schuld!", "Dort ist Netanjahus messianischer Wahn schuld!", "Nein, die Barbarei der Hamas!", "Die des US-Imperialismus! ", "Am Neokolonialismus Frankreichs!", "Am chinesischen Expansionismus!" ... – Gewiss, alle diese Staaten, ob groß oder klein, alle diese Führer, ob links oder rechts, ob Extremist oder "Demokrat", zeigen eine grenzenlose Barbarei und einen eiskalten Zynismus. Aber sie alle handeln innerhalb eines krisengeschüttelten Systems ohne Zukunft, in dem die Konkurrenz aller gegen alle jede Nation dazu bringt, auf der internationalen Bühne mit zunehmender Brutalität zu intervenieren.
Heute, mit diesem neuen offenen Krieg, können wir nur den sehr ernsten zusätzlichen Schritt, die Beschleunigung der Dynamik des Militarismus und des Chaos feststellen. Ein Chaos, das die Welt immer mehr durchdringt; mit Konflikten, die sich verfestigen; einer Flucht nach vorn, die endlosen Morast mit Leichenbergen und großflächige Zerstörungen erzeugt. Im Nahen Osten, in der Ukraine, in Afrika und anderswo weiten sich die unkontrollierbaren Konflikte immer mehr aus, ohne dass es Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden gibt, ohne dass eine Kriegspartei eine "Ordnung" durchsetzen oder auch nur von solchen Massakern profitieren kann! In der Ukraine opfern die Kriegsparteien in absurder Weise Zehntausende von Menschenleben für jeden Quadratmeter, auf welchem höchstens noch Ruinen stehen, in der Hoffnung, bei hypothetischen Verhandlungen in einer Position der Stärke zu erscheinen. Im Sudan ist der "vergessene" Krieg mit über 150.000 Toten und mehr als 13 Millionen Vertriebenen in nur zwei Jahren verheerender denn je! Zwischen Indien und Pakistan beruhigt der vorübergehende Waffenstillstand nach den gewalttätigen Konfrontationen der letzten Wochen niemanden über die Gefährlichkeit der Spannungen zwischen diesen beiden Atommächten. Im Jemen haben der von den Huthi-Rebellen auf eigenem Boden und im Roten Meer geführte Krieg sowie die Gegenschläge Israels, Saudi-Arabiens und der USA Zehntausende von Toten und eine immense humanitäre Katastrophe verursacht. Diese unkontrollierbare Destabilisierung ganzer Regionen, die auch im Libanon, in Syrien, Libyen, im gesamten Afrika südlich der Sahara oder in den Bandenkriegen auf Haiti sichtbar ist, verschlimmert sich tatsächlich von Tag zu Tag!
Der Nahe Osten ist somit in einer Abwärtsspirale gefangen, in der immer mehr Akteure die Kampfarena betreten und versuchen, ihre schäbigen Interessen durchzusetzen: Auf dem verfaulten Nährboden des historischen israelisch-palästinensischen Konflikts hat der Angriff der Hamas vom Oktober 2023 (der vom Iran zumindest unterstützt, wenn nicht sogar direkt gesteuert wurde) eine Reihe von Konflikten ausgelöst, die immer mehr Länder in der Region in Brand setzen: Libanon, Jemen, ein rechtzeitiger Angriff islamistischer Rebellen in Syrien, Operationen der Türkei an ihrer Grenze ... Und nun ist der Iran, der bislang nur hinter den Kulissen aktiv war, an der Reihe, dauerhaft die Bühne zu betreten!
Dem israelischen Militär ist es (potenziell) gelungen, das iranische Atomprogramm zu köpfen, und viele Regierungen, allen voran Washington, freuen sich über den Erfolg der Operation "Rising Lion". Doch diese absurde Kriegsbarbarei wird auf lange Sicht niemandem nützen! Israel hat einen Coup gelandet, aber zu welchem Preis? Nicht nur, dass Netanjahu durch sein Spiel mit der verantwortungslosen Politik der verbrannten Erde Israels Diskreditierung und Isolation auf der internationalen Bühne noch beschleunigt, er setzt sein Land auch einem noch chaotischeren Umfeld aus: Der Iran ist gezwungen, zurückzuschlagen, auch wenn er dadurch einem militärisch weit überlegenen Feind noch mehr ausgesetzt ist. Eine sehr ernste Situation, die sogar zu einem militärischen und politischen Zusammenbruch des Landes führen könnte, das gemeinsame Grenzen mit dem Irak, Kuwait, Pakistan und Afghanistan hat. Mit seinen Ölreserven und der Kontrolle über die strategisch wichtige Straße von Hormus ist der Iran auch ein wichtiger globaler Wirtschaftsakteur. Und die Islamische Republik wird nicht zögern, mit allen Risiken einer Ausweitung und Intensivierung des Chaos zu spielen, wenn sie sich in Gefahr sieht. Übrigens stehen auch die anderen imperialistischen Haie wie die Türkei, Saudi-Arabien oder die Golfstaaten an diesem Pulverfass in der ersten Reihe und versuchen nicht, die Lage zu beruhigen, sondern den einen oder anderen Konkurrenten zu destabilisieren. Die Büchse der Pandora spuckt also weiterhin Ungeziefer aus! Der Krieg wird sich nur in die Länge ziehen und die Konfrontationen auf ein viel höheres Niveau bringen, selbst wenn Netanjahus Wunsch, das Mullah-Regime zusammenbrechen zu sehen, schnell in Erfüllung gehen könnte!
Pazifistische "Gutmenschen" werden nichts ausrichten können: Kapitalismus ist Krieg! Die Bourgeoisie ist unfähig, diese Höllenmaschine zu stoppen! Nur die proletarische Revolution, die die Macht der Bourgeoisie überall auf dem Planeten stürzt, kann die Menschheit von dieser immer tödlicheren und allgegenwärtigeren Bedrohung befreien.
Doch der Weg zur Revolution ist noch lang, sogar sehr lang. Wie wir seit 2022 in unserer Presse gezeigt haben, kehrt das Proletariat jetzt zu seiner Kampfbereitschaft zurück und beginnt allmählich, seine Kräfte und seine Klassenidentität wiederzuerlangen. Sehr kleine Minderheiten innerhalb des Proletariats versuchen sogar, wieder an revolutionäre Positionen anzuknüpfen. Das Proletariat hat zwar den Schlüssel zur Geschichte in der Hand, aber noch nicht die Kraft und das Bewusstsein, sich als Klasse dem Krieg zu widersetzen und der kriegerischen Barbarei des Kapitalismus seine eigene Perspektive einer revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft entgegenzustellen.
Die Bourgeoisie ist sich dieser Schwächen sehr wohl bewusst und mobilisiert ihr gesamtes ideologisches Arsenal, um die Reifung des Klassenbewusstseins zu behindern. Die Proletarisierten auf der ganzen Welt müssen lernen, den Diskursen der Bourgeoisie, insbesondere ihrer linken und linksextremen Kapellen (namentlich der Trotzkisten), zu misstrauen, die darauf abzielen, die Politik des einen oder des anderen imperialistischen Lagers auf angeblich kritische Weise zu legitimieren. Das ist der Sinn des feinen Unterschieds, den einige Spielarten des Trotzkismus zwischen Angreifern und Angegriffenen machen: "Der Iran hat jedes Recht, gegen Israel zurückzuschlagen, und wir müssen uns gegen Israels brutalen Angriff auf das iranische Volk stellen".[1] Dieselbe Verwirrung stiften auch die Aufrufe an die Führer anderer Länder, die Beziehungen zu Israel abzubrechen: "Nieder mit der israelischen Aggression gegen den Iran! (...) Macron, genug der Heuchelei! Brechen Sie sofort alle diplomatischen, militärischen, wirtschaftlichen und kommerziellen Verbindungen zu Israel ab!"[2] – Hinter einer scheinbar revolutionären Sprache haben uns all diese professionellen Blender monatelang ihren ideologischen Schrott mit der "Verteidigung des palästinensischen Volkes" verkauft, d. h. die Unterstützung des palästinensischen Nationalismus unter der Führung der Hamas, einer bürgerlichen Clique der schlimmsten Art, die vom Iran weitgehend unterstützt und finanziert wird. Jetzt, da die Mullahs sich direkter mit Israel auseinandersetzen müssen, tauchen die Trotzkisten noch tiefer in den Dreck (wenn es denn noch möglich wäre), indem sie die Arbeiterklasse dazu aufrufen, die Islamische Republik (pardon! ... "das iranische Volk") zu unterstützen!
Angesichts der verrottenden Dynamik des Kapitalismus haben alle Nationen, ob mächtig oder schwach, nichts anderes mehr zu bieten als Krieg und Elend. Ob im Namen des "Völkerrechts", der "nationalen Befreiungskämpfe" oder des "Kampfes gegen den Imperialismus" – all diese bürgerlichen Parteien, die glauben machen wollen, dass es im Kapitalismus eine "Friedens"- Lösung gebe, und die dazu drängen, die angeblich "Angegriffenen" zu unterstützen, gehören zu den gefährlichsten Feinden der Arbeiterklasse und versuchen, sie von ihrem historischen Kampf abzulenken.
Denn heute kann die Arbeiterklasse ihren Kampf für den Sturz des Kapitalismus und die Errichtung einer Gesellschaft ohne Nationen, ohne Krieg und ohne Ausbeutung nur im Kampf der Arbeiterklasse gegen die allgemeine Verschlechterung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen entwickeln und politisieren, die eine Folge der historischen Krise des Kapitalismus und der enormen Erhöhung der Militärbudgets ist.
Stopio, 17. Juni 2025
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„Der größte B-2-Schlag in der Geschichte“. Die Worte, die General Dan Caine, der Generalstabschef der US-Streitkräfte, wählte, um die Bombardierung mehrerer iranischer Atomanlagen in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni zu beschreiben, zeigen die historische Bedeutung des Ereignisses. 125 Flugzeuge in der Luft, ein U-Boot und mehrere Schiffe wurden mobilisiert, 75 Präzisionsraketen und 14 GBU-57-Bomben wurden in wenigen Stunden abgeworfen. Mit ihrer Operation Midnight Hammer sind die Vereinigten Staaten also gerade auf krachende Weise in den Krieg eingetreten.
Es ist noch nicht möglich, das Ausmaß der Schäden und die Zahl der Opfer im Iran und in Israel seit Beginn der Kämpfe am 13. Juni zu beziffern, aber die Zerstörungskraft ist gewaltig. Bei Drucklegung dieses Flugblatts erfuhren wir, dass die Kriegsparteien nach den iranischen Angriffen auf US-Militärstützpunkte einen „Waffenstillstand“ verkündeten, während es auf beiden Seiten noch immer Raketen regnete.
Die Kriegspropaganda trompetet aus allen Rohren, dass die Bombardierung des Iran ein riesiger Erfolg sei, dass das Mullah-Regime nachhaltig geschwächt sei und sogar verschwinden könnte, dass Israel und Amerika die atomare Bedrohung beendet hätten und dass sie Frieden und Sicherheit im Nahen Osten durchsetzen würden.
Das sind alles nur Lügen! Der Nahe Osten wird weiterhin im Chaos versinken, ein Chaos, das sich auf den gesamten Planeten auswirken wird. Da die Islamische Republik nicht in der Lage ist, direkt zu reagieren, wird sie mit dem Rücken zur Wand stehen und nicht zögern, überall, wo sie kann, Barbarei zu verbreiten, alle bewaffneten Gruppen unter ihrer Kontrolle zu aktivieren und sogar massiv von der Waffe des Terrorismus Gebrauch zu machen. Die Bedrohung der strategisch wichtigen Straße von Hormus durch den Iran ist ein Symbol dafür, dass sich die Weltwirtschaftskrise und damit die Inflation weiter verschärfen werden.
Und sollte das Terrorregime der Mullahs nicht überleben, wird die Zeit danach genauso schrecklich sein wie ihre Herrschaft: Aufteilung des Landes unter den Kriegsherren, ein Kreislauf der Rache zwischen den verschiedenen Cliquen, das Aufblühen von Terrorgruppen, die noch tödlicher bewaffnet und gefährlicher sind als Daesh/ISIS, Massenflucht der Bevölkerung ...
Dies ist keine apokalyptische Prophezeiung, sondern eine Lehre, die aus allen kriegerischen Konflikten der letzten zwanzig Jahre gezogen wurde. Die US-Invasion im Irak 2003, die der „Achse des Bösen“ den Todesstoß versetzen und die Pax Americana in der Region durchsetzen sollte, verwandelte das Land in ein Trümmerfeld, in dem sich bewaffnete Gruppen und mafiöse Cliquen gegenseitig zerfleischen. 2011 ist das benachbarte Syrien an der Reihe, in einen Bürgerkrieg zu verfallen, in den bewaffnete und terroristische Gruppen wie Daesh/ ISIS, Regionalmächte wie die Türkei, der Iran und Israel sowie internationale Mächte wie die USA und Russland verwickelt sind. Im Jahr 2014 tritt der Jemen in den makabren Tanz ein. Das Ergebnis: Hunderttausende Tote und ein verwüstetes Land. 2021 fällt Afghanistan wieder in die Hände der Taliban, nachdem die USA 20 Jahre lang einen Krieg geführt hatten, der darauf abzielte, die Taliban zu stürzen.
Ende 2023 verübt die palästinensische Hamas einen selten barbarischen Terroranschlag auf israelische Zivilisten. Die israelische Armee reagiert mit grenzenloser Brutalität mit einer Kampagne der Massenvernichtung des Gazastreifens, die schnell in einen schlichten Völkermord umschlägt. In den folgenden Monaten beschleunigt sich die Ausweitung des Chaos in unvorstellbarem Ausmaß: Gegenüber den Verbündeten der Hamas startet Netanjahu eine mörderische Rundum-Offensive im Libanon, in Syrien und nun auch im Iran. Im Grunde genommen ist die gleiche Dynamik in der Ukraine, im Sudan, in Mali und in der Demokratischen Republik Kongo am Werk. Die kapitalistische Welt versinkt im Kriegschaos: Wie in Gaza oder im Libanon in den letzten Monaten wird auch im Iran ein möglicher „Waffenstillstand“ nur vorübergehend und prekär sein, um die nächsten Massaker besser vorzubereiten. Der „Zwölf-Tage-Krieg“ (so der offizielle Name der jüngsten Kriegsepisode im Iran) dauert nun schon fast fünfzig Jahre und hat sich für die kommenden Jahrzehnte noch erheblich verschärft ...
Der Krieg mit dem Iran wird die wichtigsten Gegner der USA schwächen: Russland, das die iranischen Drohnen in der Ukraine benötigt, aber auch China, das iranisches Öl und einen Zugang zum Nahen Osten für seine „neue Seidenstraße“ braucht. Was die Operation Midnight Hammer betrifft, so zeigt sie erneut die unbestreitbare Überlegenheit der US-Armee, die in der Lage ist, auf der anderen Seite des Planeten massiv einzugreifen und alle ihre Feinde hinwegzufegen. Diese Schläge sind eine ausdrückliche Botschaft an China, so wie die Atombomben auf Japan 1945 in erster Linie eine Warnung an Russland waren.
Doch diese Machtdemonstration ist nur ein vorübergehender Sieg, der keinen Konflikt lösen und keinen der anderen imperialistischen Haie beruhigen wird. Im Gegenteil, die Spannungen werden überall eskalieren, jeder Staat, ob groß oder klein, jede bürgerliche Clique wird versuchen, das Chaos auszunutzen, um ihre schmutzigen Interessen zu verteidigen, was die globale Unordnung noch weiter verschärfen wird. Vor allem China wird sich das nicht gefallen lassen und schließlich ebenfalls die Muskeln spielen lassen, sei es in Taiwan oder anderswo.
Auch hier handelt es sich um Lehren, die wir aus der Geschichte ziehen. Seit dem Fall der UdSSR im Jahr 1991 sind die USA die einzige Supermacht. Es gibt keine Blöcke mehr, innerhalb derer die verbündeten Länder eine gewisse Form von Disziplin und Ordnung einhalten müssten. Stattdessen spielt jedes Land seine eigene Karte, jedes Bündnis wird immer brüchiger und umstandsbedingt, wodurch die Situation immer chaotischer und unkontrollierbarer wird. Die USA haben diese neue historische Dynamik sofort erkannt. Deshalb haben sie bereits 1991 den Golfkrieg angezettelt, eine wahre Machtdemonstration, um allen die Botschaft zu vermitteln: „Wir sind die Stärksten, ihr müsst uns gehorchen“. Die Ankündigung einer „neuen Weltordnung“ durch Bush Sr. sagte nichts anderes aus. Und doch unterstützte Frankreich zwei Jahre später, 1993, Serbien, Deutschland Kroatien und die USA Bosnien in einem Krieg, der schließlich Jugoslawien in die Luft sprengte.
Die Lektion ist klar und hat sich in den letzten 35 Jahren nicht geändert: Je mehr die amerikanische Vormachtstellung in Frage gestellt wird, desto härter müssen die USA zuschlagen – und je härter sie zuschlagen, desto mehr nähren sie den Protest und das Jeder-gegen-Jeden auf der ganzen Welt. Auf seiner regionalen Ebene ist es für Israel genau das Gleiche. Mit anderen Worten: Mit dem Krieg im Iran wird sich die Entwicklung von Chaos und Unordnung durch Krieg noch weiter beschleunigen. Asien wird zum Brennpunkt der weltweiten imperialistischen Spannungen werden, eingeklemmt zwischen den immer größeren Ansprüchen Chinas und der immer massiveren militärischen Präsenz der USA. Die US-Bourgeoisie weiß, dass sie hier künftig den größten Teil ihrer Streitkräfte konzentrieren muss.
Angesichts dieser unerträglichen Schrecken, angesichts von Massakern im großen Stil, haben viele Menschen den Wunsch zu reagieren, ihre Wut herauszuschreien, sich zu versammeln, „Stopp“ zu sagen. Und das ist in der Tat eine Notwendigkeit, denn wenn wir es zulassen, wenn wir nicht reagieren, wird der Kapitalismus die gesamte Menschheit in ein riesiges Massengrab reißen, eine Reihe von verstreuten, unkontrollierbaren und immer tödlicheren Konflikten. Viele, die den Willen haben zu reagieren, finden sich heute auf der Straße in verschiedenen Bewegungen des „Widerstands gegen den Krieg“ wieder: No Kings, Free Palestine, Stop Genocide – alles Bewegungen, die von den linken Kräften des Kapitals unterstützt werden.
Aber die von der Linken vorgebrachten Parolen, einschließlich der scheinbar radikalsten, sind systematisch Fallen, die immer darauf hinauslaufen, die Ursachen des Krieges diesem oder jenem Führer zuzuschreiben, Netanjahu, der Hamas, Trump, Putin oder Chamenei, und schließlich eine Seite gegen eine andere zu wählen. Mit ihren scheinheiligen Reden „für den Frieden“, für die „Verteidigung der Demokratie“, für das „Recht der Völker auf Selbstbestimmung“ versuchen die Führungskräfte des Kapitals, uns zu täuschen und uns glauben zu machen, dass der Kapitalismus weniger kriegerisch und humaner sein könnte, dass es genügen würde, die „richtigen Vertreter“ zu wählen, „Druck auf die Herrschenden auszuüben“, um den Weltfrieden und „gerechtere“ Beziehungen zwischen den kapitalistischen Nationen herzustellen. All das läuft letztlich darauf hinaus, die Kriegsdynamik zu bestreiten, in die das gesamte kapitalistische System, alle Nationen und alle bürgerlichen Cliquen unaufhaltsam hineingezogen werden.
All diese Bewegungen auf diese Weise als Fallen zu entlarven, kann überraschen und sogar Wut bei denjenigen hervorrufen, die angesichts des Ausmaßes der Massaker aufrichtig handeln wollen: „Dann kann man eurer Meinung nach nichts tun?“, „Ihr kritisiert, aber man muss doch etwas tun!“.
Ja, man muss etwas tun, aber was?
Die Arbeiterinnen und Arbeiter in allen Ländern müssen sich weigern, sich von nationalistischen Reden mitreißen zu lassen, sie müssen sich weigern, für die eine oder andere bürgerliche Seite Partei zu ergreifen, im Nahen Osten wie überall sonst. Sie müssen sich weigern, auf Reden hereinzufallen, die sie auffordern, ihre „Solidarität“ mit diesem oder jenem Volk zu bekunden, um sie besser gegen ein anderes „Volk“ indoktrinieren zu können. „Gequälte Palästinenser“, „bombardierte Iraner“, „terrorisierte Israelis“ – das sind alles Ausdrücke, die auf die Wahl einer Nation gegen eine andere festlegen. In allen Kriegen, auf beiden Seiten der Grenzen, werben die Staaten immer wieder mit dem Glauben an einen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Barbarei und Zivilisation. Das sind alles Lügen! Kriege sind immer eine Auseinandersetzung zwischen konkurrierenden Nationen, zwischen rivalisierenden Bourgeoisien. Sie sind immer Konflikte, in denen die Ausgebeuteten zugunsten ihrer Ausbeuter sterben.
„Iraner“, „Israelis“ oder „Palästinenser“ – unter all diesen Nationalitäten befinden sich Ausbeuter und Ausgebeutete. Die Solidarität der Proletarier gilt daher nicht den „Völkern“, sie muss den Ausgebeuteten im Iran, in Israel oder Palästina gelten, genauso wie den Arbeitern in allen anderen Ländern der Welt. Wirkliche Solidarität mit den Opfern des Krieges kann man nicht dadurch erreichen, dass man für einen illusorischen Kapitalismus in Frieden demonstriert oder sich dafür entscheidet, eine sogenannte angegriffene oder schwächere Seite gegen eine andere sogenannte angreifende oder stärkere Seite zu unterstützen. Die einzige Solidarität besteht darin, alle kapitalistischen Staaten, alle Parteien, die dazu aufrufen, sich hinter diese oder jene Nationalflagge, diese oder jene kriegerische Sache zu stellen, anzuprangern!
Diese Solidarität erfordert vor allem die Entwicklung unserer Kämpfe gegen das kapitalistische System, das für alle Kriege verantwortlich ist, einen Kampf gegen die nationalen Bourgeoisien und ihre Staaten.
Die Geschichte hat gezeigt, dass die einzige Kraft, die den kapitalistischen Krieg beenden kann, die ausgebeutete Klasse ist, das Proletariat, der direkte Feind der Bourgeoisie. Dies war der Fall, als die Arbeiter in Russland im Oktober 1917 den bürgerlichen Staat stürzten und die Arbeiter und Soldaten in Deutschland im November 1918 aufbegehrten: Diese großen Kampfbewegungen des Proletariats zwangen die Regierungen, den Waffenstillstand zu unterzeichnen.
Es war die Kraft des revolutionären Proletariats, die den Ersten Weltkrieg beendete! Den wirklichen und endgültigen Frieden überall muss die Arbeiterklasse erobern, indem sie den Kapitalismus weltweit stürzt.
Dieser lange Weg liegt vor uns, und er führt heute über eine Ausweitung der Kämpfe gegen die immer härteren wirtschaftlichen Angriffe, die uns von einem in eine unüberwindbare Krise gestürzten System zugemutet werden. Indem wir die Verschlechterung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen ablehnen, indem wir die ständigen Opfer im Namen der Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaft oder der Kriegsanstrengungen ablehnen, beginnen wir, uns gegen das Herz des Kapitalismus zu stellen: die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. In diesen Kämpfen ziehen wir an einem Strang, entwickeln Solidarität, debattieren und werden uns unserer Stärke bewusst, wenn wir vereint und organisiert sind.
Diesen langen Weg begann das Proletariat im „Sommer des Zorns“ in Großbritannien 2022, in der sozialen Bewegung gegen die Rentenreform in Frankreich Anfang 2023, in den Streiks im Gesundheitswesen und in der Automobilindustrie in den USA 2024, in den seit Monaten andauernden Streiks und Demonstrationen, die in Belgien gerade jetzt fortgesetzt werden. Diese internationale Dynamik markiert die historische Rückkehr der Kampfbereitschaft der Arbeiter, die wachsende Weigerung, die ständige Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen hinzunehmen, die Tendenz, sich als kämpfende Arbeiter branchen- und generationenübergreifend zu solidarisieren, ohne Rücksicht auf Nationalität, Herkunft und Religion.
Man könnte den Revolutionären Folgendes vorwerfen: „Angesichts des Krieges schlagt ihr vor, nichts zu tun, den Kampf gegen die Massaker, die vor unseren Augen stattfinden, auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben!“ Heute haben die Kämpfe des Proletariats in der Tat noch nicht die Kraft, sich direkt gegen den Krieg zu stellen, das ist eine Tatsache. Aber es gibt zwei mögliche Wege: Entweder wir beteiligen uns an den sogenannten „Friedensbewegungen jetzt und sofort“ und lassen uns auf dem Gebiet des Kampfes für einen „gerechteren“, „demokratischeren“ Kapitalismus entwaffnen – Ideologien, die zur allgemeinen Entwicklung des Imperialismus beitragen, indem sie uns dazu bringen, die Nation, das Lager, die Clique zu unterstützen, die als „weniger schlimm“, „fortschrittlicher“ bezeichnet wird. Oder wir beteiligen uns geduldig durch Kämpfe auf unserem Klassenterrain am Wiederaufbau unserer Solidarität und Identität, wir arbeiten an einer historischen Bewegung, die als einzige die Wurzel von Kriegen und Elend, von Nationen und Ausbeutung zu Fall bringen kann: den Kapitalismus. Ja, dieser Kampf ist lang! Ja, er wird ein großes Vertrauen in die Zukunft erfordern, die Fähigkeit, der Angst und der Verzweiflung zu widerstehen, die uns die Bourgeoisie in den Schädel treiben will. Aber er ist der einzig mögliche Weg!
Um an dieser Bewegung teilzunehmen, müssen wir uns zusammenschließen, diskutieren, organisieren, Flugblätter schreiben und verbreiten, den wahren proletarischen Internationalismus und den revolutionären Kampf verteidigen. Gegen den Nationalismus, gegen die Kriege, in die uns unsere Ausbeuter hineinziehen wollen, sind die alten Losungen der Arbeiterbewegung, die Losungen des Kommunistischen Manifests von 1848, heute mehr denn je auf der Tagesordnung:
„Proletarier haben kein Vaterland!
Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“
Für die Entwicklung des Klassenkampfes des internationalen Proletariats!
Internationale Kommunistische Strömung
(24. Juni 2025)
Seit über anderthalb Jahren sind wir Zeugen täglicher Operationen der israelischen Armee im Gazastreifen. Im Namen des „Selbstverteidigungsrechts Israels“ behauptet Netanjahu, die mörderischen Hamas-Kommandos in ihren Tunneln und überall dort zu jagen, wo die Terrororganisation Zuflucht gefunden hat, sei es in Krankenhäusern, Schulen oder Flüchtlingslagern, um, wie er behauptet, die seit dem 7. Oktober noch lebenden Geiseln zu befreien.
Aber die israelische Regierung schert sich nicht im Geringsten um die Geiseln, die nur ein Vorwand für ihre schmutzigen imperialistischen Ziele sind: Netanjahu und seine Clique haben ihre Absicht verkündet, den gesamten Gazastreifen für immer zu besetzen – vollständig gesäubert von seiner arabischen Bevölkerung! Um dies zu erreichen, scheut die israelische Bourgeoisie keine Kosten. Die Armee zeigt in diesem Freiluftgefängnis grenzenlose Grausamkeit: Inmitten von Leichenbergen, von einer Zone zur anderen geworfen, an einem Tag nach Norden, am nächsten nach Süden, in Verzweiflung gestürzt und ohne alles, lebt die Bevölkerung in ständiger Angst vor den abscheulichen Verbrechen der Soldaten, vor Bomben, Hunger und Krankheiten. Gleichzeitig haben die Angriffe und die Vertreibungspolitik im Westjordanland zugenommen, wo Abertausende Palästinenser terrorisiert und zur Flucht gezwungen werden.
Für Netanjahu und die religiösen Fanatiker um ihn herum ist die Auslöschung der Palästinenser von der Erde nun ein erklärtes Ziel: Wenn die Armee nicht gerade gezielt auf verängstigte Menschenmengen schießt, behindert sie ständig die Versorgung mit Lebensmitteln und Grundbedarfsgütern und hungert Erwachsene, Alte und Kinder schamlos aus. Seit mehr als drei Monaten blockiert die Regierung sogar die Versorgung unter Vorwänden, die so absurd sind, dass sie selbst eine weitere Provokation darstellen, ein kaum verhülltes Eingeständnis ethnischer Säuberung. Und all dies mit aktiver Komplizenschaft Ägyptens und Jordaniens, die offiziell ihre Besorgnis über das Schicksal der Palästinenser zum Ausdruck bringen, während sie sie effektiv strangulieren, indem sie ihnen die Flucht aus dieser Hölle verwehren.
Überall auf der Welt sind wir Zeugen einer immensen Empörung und Protesten gegen die Verbrechen, die vor unseren Augen geschehen. In vielen Städten finden Demonstrationen statt, die ein Ende der Kämpfe fordern, mit Rufen wie „Free Palestine!“[1] Selbst die Staats- und Regierungschefs mehrerer europäischer Länder sehen sich nach monatelanger Unentschlossenheit nun gezwungen, die Übergriffe der israelischen Armee in Gaza zu verurteilen und sogar die Realität eines andauernden Völkermords anzuprangern, wie beispielsweise der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez, der sich kürzlich gegen „eine katastrophale Situation des Völkermords“[2] ausgesprochen hat.
Hinter diesen Erklärungen verbergen sich jedoch nichts als Heuchelei und Lügen. Die Politik der systematischen Zerstörung in Gaza ist keine Ausnahme. Ganz im Gegenteil! Weit entfernt von einer „Welt in Frieden“ zeigt die gesamte Geschichte des dekadenten Kapitalismus, dass die Gesellschaft unaufhaltsam in die Barbarei abgleitet und dass kein Teil der Bourgeoisie in der Lage ist, dem ein Ende zu setzen.
Bereits im 19. Jahrhundert hatte Karl Marx gezeigt, dass der Kapitalismus durch Gewalt, Massaker, Zerstörung und Plünderung entstanden ist, dass das Kapital „aus allen Poren, blut- und schmutztriefend“ zur Welt kommt: "Die Entdeckung der Gold- und Silberländer in Amerika, die Ausrottung, Versklavung und Vergrabung der eingeborenen Bevölkerung in die Bergwerke, die beginnende Eroberung und Ausplünderung von Ostindien, die Verwandlung von Afrika in ein Geheg zur Handelsjagd auf Schwarzhäute bezeichnen die Morgenröte der kapitalistischen Produktionsära. Diese idyllischen Prozesse sind Hauptmomente der ursprünglichen Akkumulation.“[3] Das für die industrielle Revolution notwendige ursprüngliche Kapital fiel nicht wie durch ein Wunder vom Himmel; seine anfängliche Akkumulation konnte nur durch Plünderung, Banditentum und Sklaverei erfolgen. Tatsächlich ist die Geschichte der ersten kapitalistischen Mächte eine Abfolge von Schandtaten, die weit entfernt sind von den Idealen ihrer Aufklärungsphilosophie: Seit dem groß angelegten Völkermord an den amerikanischen Ureinwohnern (zwischen 80 und 100 Millionen Opfer!) war die Entwicklung des Kapitalismus überall blutig. Ob in Großbritannien (Völkermord an den australischen Aborigines, neben vielen anderen Beispielen), Frankreich (Ausrottung eines Drittels der algerischen Bevölkerung ab 1830), Deutschland (Völkermord an den Herero und Nama in Namibia zwischen 1904 und 1908), Russland (1 bis 2 Millionen Opfer während der ethnischen Säuberung gegen die Tscherkessen zwischen 1864 und 1867), den Vereinigten Staaten (zum Beispiel während der Eroberung des Westens) und sogar dem „kleinen Land“ Belgien (mit 10 Millionen Toten im Kongo!) – alle Bourgeoisien waren an den schlimmsten Gräueltaten beteiligt. Diese Gewalt richtete sich auch gegen die Bauernschaft der traditionellen Gesellschaft, wie die Grausamkeiten Großbritanniens gegenüber den irischen Bauern zeigen.
Kapitalismus ist gleichbedeutend mit struktureller und institutionalisierter Gewalt, aber nach dem Ersten Weltkrieg nahm dieser Prozess eine neue, qualitative Wendung. Auf ihrem Gründungskongress 1919 erkannte die Kommunistische Internationale eindeutig den Eintritt des Kapitalismus in seine Phase des Niedergangs: „Eine neue Epoche ist geboren! Die Epoche der Auflösung des Kapitalismus, seiner inneren Zersetzung. Die Epoche der kommunistischen Revolution des Proletariats.“ Während die Eroberungen der Aufschwungphase den kapitalistischen Mächten die Entwicklung und Universalisierung neuer Produktionsverhältnisse ermöglicht hatten, bedeutete der Erste Weltkrieg, dass die Eroberung mangels ausreichender Räume und Märkte fortan nicht mehr in erster Linie auf „jungfräulichem Boden“ stattfinden würde, sondern in einer tödlichen Konfrontation mit anderen kapitalistischen Mächten.
Während also die Gewalt der Aufschwungsphase des Kapitalismus zumindest die Entwicklung der Produktivkräfte ermöglicht hatte, stellte die Gewalt seiner Dekadenz eine gewaltige Kette der Zerstörung dar, die sich immer weiter ausbreitete und vertiefte: „Geschändet, entehrt, im Blute watend, von Schmutz triefend – so steht die bürgerliche Gesellschaft da, so ist sie. Nicht wenn sie, geleckt und sittsam, Kultur, Philosophie und Ethik, Ordnung, Frieden und Rechtsstaat mimt – als reißende Bestie, als Hexensabbat der Anarchie, als Pesthauch für Kultur und Menschheit –, so zeigt sie sich in ihrer wahren, nackten Gestalt. (…) Eines ist sicher: der Weltkrieg ist eine Weltwende. Es ist ein törichter Wahn, sich die Dinge so vorzustellen, daß wir den Krieg nur zu überdauern brauchen, wie der Hase unter dem Strauch das Ende des Gewitters abwartet, um nachher munter wieder in alten Trott zu verfallen. Der Weltkrieg hat die Bedingungen unseres Kampfes verändert und uns selbst am meisten.”[4]
Während des Ersten Weltkriegs kam es zu wissenschaftlich geplanten Massenmorden (wie Gasangriffen) und organisierten Gräueltaten in sehr großem Umfang, wie beispielsweise den Völkermorden an den pontischen Griechen und den Armeniern, bei denen Millionen Menschen getötet und vertrieben wurden. Deshalb stellte die Kommunistische Internationale in ihren Richtlinien von 1919 klar, dass angesichts des überholten Kapitalismus die Alternative für die Menschheit nun entweder Sozialismus oder Barbarei sei: „Der Menschheit, deren ganze Kultur jetzt in Trümmern liegt, droht die Gefahr vollständiger Vernichtung. Es gibt nur eine Kraft, die sie retten kann, und das ist das Proletariat. (...) Das Endresultat der kapitalistischen Produktionsweise ist das Chaos. Und dieses Chaos kann nur die größte, produktive Klasse überwinden: die Arbeiterklasse.“ Seitdem verbreitet der Kapitalismus weiterhin Tod und sät Barbarei: Vertreibungen, Völkermorde, ethnische Säuberungen und Hungerpolitik sind zu gewöhnlichen Kriegswaffen geworden, die von allen Kriegführenden in einem in der Geschichte der Menschheit beispiellosen Ausmaß eingesetzt werden. Nach dem Ersten Weltkrieg, noch bevor die Schrecken des Zweiten begannen, setzte sich diese Kette der Gewalt fort. Gräueltaten wurden begangen, diesmal jedoch nicht gegen einen „fremden Feind“, sondern gegen ukrainische Bauern (Holodomor) während einer von Stalin organisierten Hungersnot (zwischen 2,6 und 5 Millionen Tote) oder gegen die russische Bevölkerung, die zu Millionen bei der Arbeit im Gulag ums Leben kam.
Die Kette der Gewalt erreichte schließlich während des Zweiten Weltkriegs mit 60 bis 80 Millionen Toten in nur sechs Jahren ein neues Ausmaß an Barbarei, wobei die unzähligen Opfer von Hunger, Krankheit und Unterdrückung nach Ende der Kämpfe nicht mitgerechnet sind. Dieser Konflikt folgte derselben Logik wie der von 1914-1918, jedoch in noch mörderischerem Ausmaß, was die sich verschärfende historische Krise des Systems widerspiegelte.
Die Massengräuel des Nazi-Regimes und seiner Verbündeten sind gut dokumentiert, aber zweifellos ist es die industrialisierte Ermordung von 3 Millionen Menschen,[5] darunter überwiegend Juden, in den Vernichtungslagern, die am deutlichsten den Höhepunkt der Barbarei dieses Konflikts zum Ausdruck bringt. Doch obwohl die Nazis entsetzliche Barbaren waren, darf nicht vergessen werden, dass sie die Barbarei eines dekadenten Systems zum Ausdruck brachten, das im tödlichen Wettbewerb zwischen allen Staaten und allen bürgerlichen Fraktionen zu seinen verabscheuungswürdigsten Extremen getrieben wurde.
Weit weniger bekannt sind jedoch die Verbrechen, die die Alliierten während des Krieges begangen haben, auch gegen die Juden. Es ist heute erwiesen, dass die Alliierten seit der Errichtung der Vernichtungslager im Jahr 1942 genau über deren Existenz, die Details der Vernichtungsmethoden und die Zahl der bereits getöteten und noch zu tötenden Opfer informiert waren.[6] Dennoch unternahmen weder die britische noch die US-amerikanische noch die sowjetische Regierung irgendetwas, um das Massaker zu stoppen oder auch nur zu verlangsamen. Nicht einmal eine Eisenbahnlinie wurde bombardiert! Stattdessen bombardierten sie wiederholt (mit schrecklichen Phosphorbomben) zahlreiche deutsche Städte mit ausschließlich ziviler Bevölkerung, insbesondere Arbeiterviertel, wie Leipzig, Hamburg (mindestens 45.000 zivile Opfer) und vor allem Dresden. Letzteres Bombardement forderte unzählige Opfer. Die Schätzungen variieren erheblich und reichen von 25.000 bis 200.000 Toten. Wir sind nicht in der Lage, die Zahl der Opfer zu bestimmen, aber die Bombardierung Dresdens weist bestimmte Merkmale der von den Alliierten entfesselten Barbarei auf, sowohl hinsichtlich der Mobilisierung außergewöhnlicher Ressourcen (1.300 Bomber in einer Nacht und zwei Tagen) als auch hinsichtlich des Einsatzes „verbotener” Phosphorbomben, die die Stadt in einen wahren Feuerofen verwandelten. All diese Maßnahmen machen nur Sinn, wenn man bedenkt, dass Dresden weder eine bedeutende Industriestadt war noch von echtem strategischem Interesse. Hingegen hatte es eine riesige Bevölkerung von Flüchtlingen, die vor der Ostfront geflohen waren, weil sie glaubten, Dresden würde nicht bombardiert werden. Das Ziel dieser exemplarischen Zerstörung war es, die Bevölkerung und insbesondere die Arbeiterklasse zu terrorisieren, um ihnen jeden Wunsch nach Mobilisierung auf ihrem eigenen Klassenterrain zu nehmen, wie es bereits 1943 in mehreren deutschen und italienischen Städten geschehen war. In einem Memorandum vom 28. März 1945 an den britischen Generalstab schrieb Winston Churchill über diese Bombenangriffe: „Es scheint mir, dass es an der Zeit ist, die Bombardierung deutscher Städte zu hinterfragen, die mit dem Ziel durchgeführt wurde, den Terror zu verstärken, während andere Vorwände angeführt wurden. Andernfalls würden wir ein völlig zerstörtes Land übernehmen. Wir könnten beispielsweise keine Baumaterialien aus Deutschland für unseren eigenen Bedarf [...] erhalten. Die Zerstörung Dresdens warf ernsthafte Zweifel an der Durchführung der alliierten Bombardierungen auf.“ Erstaunlicher Zynismus!
Aber diese Verbrechen waren letztlich nur der Auftakt zu der unermesslichen Tragödie der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki (etwa 200.000 Opfer), die aus militärischer Sicht völlig unnötig waren und den „sowjetischen“ Rivalen einschüchtern sollten. Und mit dem gleichen Zynismus, mit derselben Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern stellten die russischen Truppen vor den Toren Warschaus den Kampf ein, um es den Nazis zu überlassen, den aufkommenden Aufstand niederzuschlagen (160.000 bis 250.000 getötete Zivilisten). Für die stalinistische Bourgeoisie, die vom Gespenst der revolutionären Welle von 1917 heimgesucht wurde und sich mitten in einem Weltkrieg befand, ging es darum, jede Möglichkeit einer proletarischen Reaktion zu zerschlagen und freie Hand zu haben, um eine Regierung unter ihrer Kontrolle zu installieren. In Italien hielt Churchill ebenfalls die Kämpfe zurück, um den Faschisten die Unterdrückung der wachsenden Streiks zu ermöglichen, und ließ sie, wie er selbst sagte, „in ihrem eigenen Saft schmoren”.
Seit 1945 haben die Massaker nie aufgehört: Unser Planet hat keinen einzigen Tag ohne militärische Konflikte erlebt. Kaum war der 2. Weltkrieg zu Ende, führte die Konfrontation zwischen den beiden neuen rivalisierenden Blöcken zu den Schrecken des Kalten Krieges: dem Koreakrieg (3 bis 5 Millionen Tote), Vietnamkrieg (rund 2 Millionen Tote), der erste Krieg in Afghanistan (nach Schätzungen 2 Millionen Tote) und unzählige extrem blutige Stellvertreterkriege, wie der Iran-Irak-Krieg Ende der 1980er Jahre, der mindestens 1,2 Millionen Tote forderte.
Nach dem Kalten Krieg gingen die Massaker mit voller Wucht weiter, und die Welt nahm eine Wendung zum Schlimmeren und wurde noch chaotischer und anarchischer, da die Logik der Blöcke den verschiedenen Staaten oder Fraktionen keine Disziplin mehr auferlegte. In dieser letzten Phase der Dekadenz, der Phase des Zerfalls, entstand eine neue Dynamik des Verfalls. Die Konflikte wurden zunehmend destruktiver und waren geprägt von kurzsichtigen Machtkämpfen, die keine anderen rationalen strategischen Ziele hatten, als Chaos unter den Rivalen zu säen.
Auch hier haben die großen Demokratien Blut an ihren Händen, wie die Kriege in Jugoslawien (mindestens 130.000 Tote) zeigen, die durch Waffenlieferungen aus den USA, Frankreich und Deutschland angeheizt wurden. Die Haltung der UN-Truppen während dieses Konflikts, als sie Milosevics Todesschwadronen im Juli 1995 die Massaker an der Bevölkerung von Srebrenica (rund 8.000 Tote) ermöglichten, ist ebenfalls charakteristisch für den permanenten Zynismus der Bourgeoisie. Ein weiteres Beispiel ist die Haltung der französischen Truppen unter UN-Mandat während des Ruanda-Krieges in den 1990er Jahren, die sich mitschuldig machten am Völkermord an den Hutus (1 Million Tote). Die Großmächte waren auch direkt an Massakern in großem Stil beteiligt und haben überall, wo sie intervenierten, Chaos gesät, insbesondere in Afghanistan (offiziell 165.000 Tote, aber zweifellos mehr), im Irak (1,2 Millionen Tote) und heute im Nahen Osten und in der Ukraine, wo der Konflikt bereits mehr als eine Million Menschenleben gefordert hat. Die Liste ist endlos.
Die Kette der Gewalt, die das 20. Jahrhundert geprägt hat, führt nun durch die Gefahr eines umfassenden Krieges, nuklearer Risiken und der Zerstörung der Umwelt zum möglichen Untergang der Zivilisation oder sogar der Menschheit selbst. Die Schreckensszenen in Gaza sind besonders schockierend, aber auch die ukrainische Bevölkerung und bestimmte Regionen Russlands leben seit mehr als drei Jahren unter Bomben und einer Politik des Terrors, mit der offenen Unterstützung derer, die sich jetzt über das Schicksal der Palästinenser empören. Gleichzeitig werden die Millionen Menschen, die in Sudan, Kongo, Jemen und so vielen anderen Teilen der Welt unter Krieg leiden, von den Medien kaum wahrgenommen. Allein im Sudan haben 12 Millionen Menschen vergeblich versucht, vor dem Krieg zu fliehen, und Millionen weitere sind unter den gleichgültigen Blicken aller „Demokratien” vom Hungertod bedroht. In der Sahara toben Kriege, und der Nahe Osten versinkt tiefer denn je im Chaos. Asien steht unter starkem Druck, und Teile davon stehen am Rande eines Krieges. In Süd- und Mittelamerika gleichen Regionen, die von Zusammenstößen rivalisierender Banden verwüstet werden, Kriegsgebieten, wofür die katastrophale Lage in Haiti ein Beispiel ist. Selbst in den Vereinigten Staaten sind die Keime eines möglichen Bürgerkriegs sichtbar. Der Kapitalismus bietet heute ein apokalyptisches Bild, und es ist auffällig, dass die für das Ende des Zweiten Weltkriegs typischen Trümmerfelder innerhalb weniger Wochen in der Ukraine und im Gazastreifen entstanden sind.
Die Kriege im Nahen Osten sind Teil dieses tödlichen Prozesses. Als Symbol für die Sackgasse, in die der Kapitalismus geraten ist, startete Israel im Mai eine neue Offensive im Gazastreifen, gerade als Trump arabische Länder bereiste und eine Reihe von Handelsabkommen und Investitionsprojekten feierte, von denen natürlich viele Waffenverkäufe betrafen (142 Milliarden Dollar allein mit Saudi-Arabien!).
Die europäische Bourgeoisie steht in Sachen Zynismus in nichts nach. Während sie sich etwas verspätet über die ethnische Säuberung gegen die Palästinenser empörte und Israel (ohne allzu großen Nachdruck) mit Sanktionen drohte, traf sie sich zur gleichen Zeit in Albanien zum Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft, um Unterstützung für die Ukraine zu sammeln. Ihr Hauptanliegen ist es nicht, den Flüchtlingen zu helfen, noch den Opfern der völkermörderischen Politik Israels, noch den Millionen von Flüchtlingen, die geflohen sind und verzweifelt versuchen, nach Europa zu gelangen. Ihr einziges Anliegen war es, mehr Waffen und Soldaten für den Krieg gegen Russland zu mobilisieren und gleichzeitig die brutalen Maßnahmen gegen „illegale Einwanderer” zu verschärfen.
Während die Propaganda der israelischen Regierung versucht, jede Empörung über die Verbrechen in Gaza als Antisemitismus darzustellen,[7] indem sie den Holocaust auf schändliche Weise instrumentalisiert, hat sich der hebräische Staat, der sich als Beschützer der Juden, der Nachkommen des Nazi-Völkermords, präsentiert,[8] selbst zum Vernichter gemacht. Das ist nicht verwunderlich: Der Nationalstaat ist keine transzendente Kategorie, die über der Geschichte steht, sondern die vollendete Form der kapitalistischen Ausbeutung und Konkurrenz. In einer Welt, die von der unerbittlichen Logik des Imperialismus und der Rivalitäten aller gegen alle beherrscht wird, ist jeder Staat, ob schwach oder mächtig, demokratisch oder nicht, ein Glied in der Kette der Gewalt, die der Kapitalismus der Menschheit zufügt. Für die Schaffung eines neuen Staates zu kämpfen, gestern Israel, heute Palästina, bedeutet, für die Institutionalisierung der Bewaffnung neuer Kriegführender zu kämpfen und einen neuen Friedhof zu schaffen. Deshalb entscheiden sich alle linksextremen Gruppen, die zur Unterstützung der „palästinensischen Sache” aufrufen, de facto für eine bewaffnete Seite und tragen damit zur Fortsetzung der Massaker und nicht zur Befreiung der Menschheit bei.
EG 13.07.2025
[1] Choosing one side against another always means choosing imperialist war! [10], publiziert auf ICConline, May 2024 (auf Englisch)
[2] Sánchez hat sich, wie alle seine Amtskollegen, nicht aus reiner Herzensgüte so geäußert: Spanien zieht alle Register seiner Verführungskunst, um sich gegenüber den arabischen Ländern als zentraler Akteur im Mittelmeerraum zu etablieren. Als die spanischen Interessen mit denen Israels übereinstimmten, hat die PSOE nie Anstalten getroffen, gegen die Machenschaften der israelischen Streitkräfte zu protestieren.
[3] Karl Marx, Das Kapital (1867), 24. Kapitel
[4] Rosa Luxemburg, Die Krise der Sozialdemokratie (1915)
[5] Dies ist die offizielle Zahl der in den Lagern Getöteten, die aber gewaltig steigt, wenn andere Vernichtungsmethoden wie Massenerschießungen berücksichtigt werden.
[6] Dies ist eine seit langem von Historikern dokumentierte Tatsache, die durch die Veröffentlichung der UN-Archive im Jahr 2017 [11] gewissermaßen offiziell bestätigt wurde.
[7] Was nichts an der Realität eines zunehmenden Antisemitismus in der Gesellschaft ändert, auch in den Reihen der Linken des Kapitals.
[8] Zu den Lügen des Zionismus in der Zeit des Niedergangs des Kapitalismus siehe: Antisemitismus, Zionismus, Antizionismus: Alle sind Feinde des Proletariats [12], verfügbar auf der Website der IKS.
Für die Arbeiterklasse, eine Klasse, deren Bewusstsein eine äußerst wichtige Waffe ist[1], ist es von immenser Bedeutung, aus ihren eigenen Erfahrungen zu lernen. Jedes Mal, wenn sie auf ihrem eigenen Terrain reagiert, in großem Umfang, vereint und solidarisch und vor allem mit revolutionärem Elan, ergeben sich daraus wichtige Lehren für die Zukunft, Lehren, die die Arbeiterklasse verstehen und in zukünftigen Kämpfen nutzen muss.
Dies war der Fall bei der Pariser Kommune von 1871, nach der Marx und Engels erkannten, dass die Arbeiterklasse bei der Machtübernahme den bürgerlichen Staat nicht nutzen konnte, um die Gesellschaft zum Kommunismus zu transformieren. Sie musste diesen Staat zerstören und eine neue Form der Gesellschaftsorganisation aufbauen, mit gewählten Vertretern, die sofort abberufen werden konnten.
Dies war auch der Fall bei der Revolution in Russland im Jahr 1905, deren 120. Jahrestag in diesem Jahr begangen wird. In diesem Fall wurde mit dem Aufkommen des Massenstreiks und der Schaffung seiner Machtorgane, der Arbeiterräte (auf Russisch Sowjets), die Lenin als „endlich entdeckte Form der Diktatur des Proletariats” bezeichnete, eine noch wertvollere Lehre gezogen.
Dieser Erfahrung wollen wir diesen Artikel widmen, um zu sehen, wie sie uns helfen kann, die aktuelle Dynamik des Klassenkampfs zu verstehen, die die IKS als historischen „Bruch” mit der der vergangenen Jahrzehnte beschrieben hat.
Bevor wir uns mit der Dynamik der Russischen Revolution von 1905 befassen, müssen wir kurz auf den internationalen und historischen Kontext eingehen, in dem diese Revolution an Dynamik gewann. Die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts waren geprägt von einer wirtschaftlichen Entwicklung, die in ganz Europa deutlich zu spüren war. Vor diesem Hintergrund wurde das zaristische Russland, ein Land, dessen Wirtschaft noch immer von erheblicher Rückständigkeit geprägt war, zum idealen Standort für den Export großer Kapitalmengen zum Aufbau mittelständischer und großer Industriebetriebe. Innerhalb weniger Jahrzehnte vollzog sich ein tiefgreifender wirtschaftlicher Wandel. In Russland führte das Wachstum des Kapitalismus Ende des 19. Jahrhunderts zu einer hohen Konzentration des russischen Proletariats in wenigen großen Industrieregionen. Dies förderte in hohem Maße die Suche nach Solidarität und die Ausbreitung ihres Kampfes. Es waren diese strukturellen Merkmale der Wirtschaft, die die revolutionäre Vitalität eines jungen Proletariats erklärten, das in einem zutiefst rückständigen Land lebte, in dem die bäuerliche Wirtschaft vorherrschte.
Im Januar 1905 wurden zwei Arbeiter in den Putilow-Werken in Sankt Petersburg entlassen. Es kam zu einer Welle von Solidaritätsstreiks, und es wurde eine Petition für politische Freiheiten, das Recht auf Bildung, den 8-Stunden-Tag, Widerstand gegen Steuern usw. verfasst, die dem Zaren in einer Massendemonstration übergeben werden sollte. „Tausende von Arbeitern – wohlgemerkt keine Sozialdemokraten, sondern religionsfromme, kaiserfromme Leute – unter der Führung des Priesters Gapon gehen von allen Stadtteilen aus zum Zentrum der Hauptstadt, zum Platze vor dem Winterpalast, um dem Zaren eine Petition zu überreichen. Die Arbeiter gehen mit Heiligenbildern, und ihr damaliger Führer Gapon versicherte dem Zaren schriftlich, er bürge ihm für die Unverletzlichkeit seiner Person und bitte ihn, vor dem Volke zu erscheinen.”[2]
Die Situation spitzte sich zu, als die Arbeiter bei ihrer Ankunft am Winterpalast mit ihrer Bitte an den Zaren von Truppen angegriffen wurden. „Das Militär wird aufgeboten. Ulanen und Kosaken greifen die Menge mit der blanken Waffe an, es wird geschossen gegen die waffenlosen Arbeiter, die auf den Knien die Kosaken anflehten, sie zum Kaiser zulassen. Nach polizeilichen Mitteilungen gab es mehr als tausend Tote, mehr als zweitausend Verwundete. Die Erbitterung der Arbeiter war unbeschreiblich.”[3]
Es war diese tiefe Empörung der Arbeiter von Petersburg gegenüber dem Mann, den sie „Väterchen“ nannten und der auf ihre Bitte mit tödlichen Waffen reagiert hatte, die zu den revolutionären Kämpfen im Januar führte. In dieser Zeit kam es zu einer sehr raschen Stimmungsänderung im Proletariat: „Eine gewaltige Streikwelle fegte über das ganze Land hinweg und erschütterte die gesamte Nation […] An der Bewegung beteiligten sich etwa eine Million Männer und Frauen. Fast zwei Monate lang, ohne jeden Plan, in vielen Fällen ohne Forderungen zu stellen, mal unterbrochen, mal wieder aufgenommen, nur dem Instinkt der Solidarität folgend, beherrschte der Streik das Land.”[4]
Dieser Streik ohne konkrete Forderungen und in breiter Solidarität war sowohl Ausdruck als auch aktiver Faktor für die Reifung des Klassenbewusstseins innerhalb des russischen Proletariats jener Zeit und der Notwendigkeit, sich als Klasse seinem Klassenfeind zu stellen. Auf den Generalstreik im Januar folgte eine Phase anhaltender Kämpfe für wirtschaftliche Forderungen, die im ganzen Land aufkamen und wieder abebbten. Diese Phase war weniger spektakulär, aber ebenso wichtig. In Warschau kam es zu blutigen Zusammenstößen, in Lodz wurden Barrikaden errichtet, und die Matrosen des Schlachtschiffs Potemkin im Schwarzen Meer meuterten. Diese gesamte Phase ebnete den Weg für die zweite große Phase der Revolution.
„Diese zweite große Aktion des Proletariats weist bereits einen wesentlich anderen Charakter auf als die erste im Januar. Das Element des politischen Bewusstseins spielt bereits eine viel größere Rolle. Auch hier war der unmittelbare Anlass für den Ausbruch des Massenstreiks zwar eine untergeordnete und scheinbar zufällige Angelegenheit: der Konflikt der Eisenbahner mit der Geschäftsleitung über die Pensionskasse. Aber der allgemeine Aufstand des Industrieproletariats, der darauffolgte, wurde nach klaren politischen Vorstellungen durchgeführt. Der Prolog des Januarstreiks war ein Zug zum Zaren, um politische Freiheit zu fordern: Das Losungswort des Oktoberstreiks war: Weg mit der konstitutionellen Komödie des Zarismus! Und dank des unmittelbaren Erfolgs des Generalstreiks, dank des Manifests des Zaren vom 30. Oktober, fließt die Bewegung nicht wie im Januar in sich selbst zurück, sondern stürzt sich nach außen in die eifrige Aktivität der neu gewonnenen politischen Freiheit. Demonstrationen, Versammlungen, eine junge Presse, öffentliche Diskussionen.”[5]
Eine qualitative Veränderung trat im Oktober mit der Gründung des Petersburger Sowjets ein, der zu einem Meilenstein in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung werden sollte. Nach der Ausweitung des Streiks der Typografen auf die Eisenbahnen und Telegrafen beschlossen die Arbeiter in einer Generalversammlung die Gründung des Sowjets, der zum Nervenzentrum der Revolution werden sollte: „Der Sowjet entstand als Antwort auf eine objektive Notwendigkeit – eine Notwendigkeit, die sich aus dem Lauf der Ereignisse ergab. Es war eine Organisation, die autoritär war und dennoch keine Traditionen hatte; die sofort eine verstreute Masse von Hunderttausenden von Menschen einbeziehen konnte.“[6]
„Die Gärung nach der kurzen konstitutionellen Periode und das grausame Erwachen führen schließlich im Dezember zum Ausbruch des dritten allgemeinen Massenstreiks im ganzen Reich. Diesmal unterscheiden sich sein Verlauf und sein Ausgang völlig von denen der beiden früheren Fälle. Politische Aktionen gehen nicht wie im Januar in wirtschaftliche Aktionen über, aber sie führen auch nicht mehr wie im Oktober zu einem schnellen Sieg. Die Versuche der zaristischen Clique, echte politische Freiheit zu gewähren, werden nicht mehr unternommen, und damit stößt die revolutionäre Aktion zum ersten Mal und auf ihrer gesamten Länge auf die starke Mauer der physischen Gewalt des Absolutismus.“[7]
Die kapitalistische Bourgeoisie, erschreckt durch die Bewegung des Proletariats, stellte sich hinter den Zaren. Die Regierung wandte die gerade erst gewährten liberalen Gesetze nicht an. Die Führer des Petrograder Sowjets wurden verhaftet, aber der Kampf ging in Moskau weiter: „Der Höhepunkt der Revolution von 1905 kam mit dem Dezemberaufstand in Moskau. Neun Tage lang kämpfte eine kleine Gruppe von Rebellen, organisierte und bewaffnete Arbeiter – es waren nicht mehr als achttausend –, gegen die Regierung des Zaren, die es nicht wagte, der Moskauer Garnison zu vertrauen. Tatsächlich musste sie diese unter Verschluss halten und konnte den Aufstand nur durch die Herbeirufung des Semenovsky-Regiments aus St. Petersburg niederschlagen.“[8]
Was war also die Dynamik, die 1905 am Werk war? Die des Massenstreiks, dieses „Ozeans von Phänomenen“ (Luxemburg), bestehend aus Streiks, Demonstrationen, Solidarität, Diskussionen, wirtschaftlichen und politischen Forderungen, kurz gesagt, allen Ausdrucksformen, die den Kampf der Arbeiterklasse charakterisieren und sich gleichzeitig als Ergebnis einer Reifung des Bewusstseins des Proletariats manifestierten, einer Reifung, die während der Ereignisse selbst stattfand, aber auch und vor allem das Ergebnis einer unterirdischen Reifung, einer Anhäufung von Erfahrungen und einer tiefen Reflexion, die zu einem bestimmten Zeitpunkt sehr relevant wurde. Tatsächlich kamen die Ereignisse von 1905 nicht aus dem Nichts, sondern waren das Ergebnis einer Anhäufung von Erfahrungen und Reflexionen, die Russland seit dem Ende des 19. Jahrhunderts erschüttert hatten. Wie Rosa Luxemburg feststellte: „Der Massenstreik im Januar wurde zweifellos unter dem unmittelbaren Einfluss des gigantischen Generalstreiks durchgeführt, der im Dezember 1904 im Kaukasus, in Baku, ausgebrochen war und lange Zeit ganz Russland in Atem hielt. Die Ereignisse vom Dezember in Baku waren ihrerseits nur die letzte und mächtigste Auswirkung jener gewaltigen Massenstreiks, die wie ein periodisches Erdbeben ganz Südrussland erschütterten und deren Prolog der Massenstreik in Batum im Kaukasus im März 1902 war. Diese erste Massenstreikbewegung in der fortlaufenden Reihe der gegenwärtigen revolutionären Ausbrüche liegt schließlich fünf oder sechs Jahre vor dem großen Generalstreik der Textilarbeiter in St. Petersburg in den Jahren 1896 und 1897. “
Dieses Konzept der unterirdischen Reifung des Bewusstseins wird von einem Großteil der Gruppen im proletarischen politischen Milieu, aber auch von einer Reihe unserer Kontakte oder Sympathisanten nur schwer akzeptiert. Es hat jedoch seine Wurzeln in den Schriften von Marx[9], während Luxemburg auf den „alten Maulwurf“ Bezug nahm, ebenso wie Lenin.[10]
Trotzki verwendet zwar nicht ganz dasselbe Vokabular wie die IKS, um das Phänomen der „unterirdischen Reifung“ des Bewusstseins innerhalb des Proletariats zu beschreiben, aber er macht dies in seiner Geschichte der Russischen Revolution sehr deutlich, und die folgende Passage veranschaulicht dies perfekt: „Die unmittelbaren Ursachen der Ereignisse einer Revolution sind Veränderungen in der Geisteshaltung der miteinander in Konflikt stehenden Klassen. […] Veränderungen im kollektiven Bewusstsein haben natürlich einen halbverborgenen Charakter. Erst wenn sie eine gewisse Intensität erreicht haben, brechen die neuen Stimmungen und Ideen in Form von Massenaktivitäten an die Oberfläche.“
Vor allem aber bestätigt sich das Wesen der Prozesse der unterirdischen Reifung in allen wichtigen Momenten des Kampfes der Arbeiterklasse. Wir haben es 1905 gesehen, wir haben es 1917 in Russland wiedergesehen, wo der Oktoberrevolution Streiks gegen den Krieg vorausgingen, und wir haben es auch in anderen historischen Momenten gesehen. Es zeigte sich 1980 in Polen mit der Streikbewegung, die das „Wiederaufleben“ des Massenstreiks auf der historischen Bühne mit sich brachte. Die polnischen Arbeiter hatten bereits 1970 und 1976 an wichtigen Kampfphasen teilgenommen, Kämpfe, die unter dem stalinistischen Regime brutal und blutig niedergeschlagen worden waren. Mit diesen Erfahrungen, die zu einer echten unterirdischen Reifung des Bewusstseins beitrugen, konnten sich die Arbeiter 1980 in einen mächtigen und unmittelbaren Kampf stürzen, dessen organisatorische Verbindungen und Koordinierungsgruppen im ganzen Land die Grundlage für den Massenstreik bildeten. Angesichts dieser Situation waren die Behörden gelähmt und gezwungen, zu verhandeln und Zugeständnisse zu machen, bevor sie nach dem Abklingen des Kampfes mit Repressionen reagierten.[11]
In der Tradition all dieser Erfahrungen der Arbeiterbewegung haben wir die Streiks in Großbritannien im Jahr 2022 als Ergebnis einer neuen Reifung des Klassenbewusstseins interpretiert, nicht als zufälliges Strohfeuer, sondern als Produkt einer tiefen Reflexion, die wir mit der Rückkehr des Kampfes der Arbeiterklasse nach Jahrzehnten der Apathie und Lethargie fortgesetzt sehen. Wir haben diese Bewegungen als „Bruch” bezeichnet, um zu betonen, dass es sich um ein Phänomen von historischer und internationaler Bedeutung handelt. Die großen Kämpfe, die auf diese erste Manifestation und Wiederbelebung der Kampfbereitschaft der Arbeiter folgten, in Frankreich, den USA, anderen Teilen der Welt und zuletzt in Belgien, bestätigen, dass die Streiks in Großbritannien kein lokales und vorübergehendes Phänomen waren, sondern das Ergebnis dieser unterirdischen Reifung, die endlich an die Oberfläche kam. Die verschiedenen Merkmale der Bewegungen, die in den letzten drei Jahren stattgefunden haben, bestätigen unsere Analyse:
- Der weit verbreitete Slogan „Genug ist genug” drückte das seit langem gehegte Gefühl aus, dass alle Versprechen, die nach der „Finanzkrise” von 2008 gemacht worden waren, sich als Lügen herausgestellt hatten und dass es höchste Zeit war, dass die Arbeiter ihre eigenen Forderungen stellten;
- Die Slogans „Wir sitzen alle im selben Boot” und „Die Arbeiterklasse ist zurück“ drückten eine Tendenz in der Arbeiterklasse aus (noch im Embryonalstadium, aber real), das Gefühl wiederzuentdecken, eine Klasse mit einer eigenen kollektiven Existenz und eigenen Interessen zu sein, trotz jahrzehntelanger Atomisierung durch den allgemeinen Zerfall der kapitalistischen Gesellschaft und unterstützt durch die absichtliche Zerstörung vieler traditioneller Industriestandorte, die eine erfahrene Arbeiterklasse beschäftigten (Bergbau, Stahlindustrie usw.);
- In der französischen Bewegung gegen die Anhebung des Rentenalters auf 64 Jahre drückte der kraftvolle Slogan „Ihr sagt 64, wir geben euch 68“ die Wiederbelebung eines kollektiven Gedächtnisses aus, nämlich die Erinnerung an die Bedeutung der Massenstreiks von 1968;
- Die internationale Entwicklung von Minderheiten, die zu internationalistischen und kommunistischen Positionen neigen, wobei die Mehrheit dieser Elemente und ihre Bemühungen um Vereinigung weniger das Ergebnis des unmittelbaren Klassenkampfs sind als vielmehr dem Aufwerfen von Fragen zum Krieg, ist ein Beweis dafür, dass die aktuellen Klassenbewegungen mehr als nur unmittelbare Sorgen über sinkende Lebensstandards zum Ausdruck bringen. Sie bringen, oft noch auf verwirrende Weise, ihre Besorgnis über die Zukunft zum Ausdruck, die uns dieses Produktionssystem, der Kapitalismus, bietet;
- Ein weiterer Beweis für diesen Reifungsprozess sind die Bemühungen der Bourgeoisie, ihre Macht durchzusetzen und durch die Gewerkschaften und die linken Organisationen Verwirrung innerhalb der Arbeiterklasse zu stiften. Indem sie radikale Botschaften an die Arbeiterklasse vermittelt, versucht sie, deren Denken zu untergraben und ihre eigene Kontrolle zu stärken.
Wir stehen erst am Anfang dieser Erneuerung der Kampfbereitschaft, der Wiederaufnahme der Kämpfe der Klasse auf ihrem eigenen Terrain, einer Anhäufung neuer Erfahrungen, die die Klasse dazu bringen könnten, ihre Kämpfe so zu radikalisieren, dass sie einen politischeren Charakter erhalten, der das System als solches in Frage stellt und nicht nur das Ausmaß seiner Angriffe und deren unmittelbare Auswirkungen.
Dies wird ein langer, schwieriger Prozess voller Hindernisse sein, denn wir befinden uns nicht mehr in derselben Situation wie 1905 in Russland, als die Klasse innerhalb eines Jahres von einer einfachen Petition an den Zaren zu einer offen aufständischen Phase übergehen konnte. Die gegenwärtige Situation ist die des Zerfalls des Kapitalismus, der letzten historischen Phase des Kapitalismus, die sich nicht nur in der Verwesung des politischen Lebens der Bourgeoisie zeigt, sondern auch auf die Arbeiterklasse durch Phänomene lastet, deren Auswirkungen von der herrschenden Klasse ideologisch ausgenutzt werden, um das Bewusstsein des Proletariats schwerwiegend und heimtückisch zu untergraben:
- „Bewusstsein, Klarheit, kohärentes und einheitliches Denken, die Vorliebe für Theorie haben es schwer, sich inmitten der Flucht in Illusionen, Drogen, Sekten, Mystik, der Ablehnung oder Zerstörung des Denkens, die für unsere Epoche charakteristisch sind, durchzusetzen. Das kollektive Handeln und die Solidarität stoßen mit der Atomisierung, dem "Jeder für sich", dem "Frechheit zahlt sich aus" zusammen.
- Das Bedürfnis nach Organisierung steht dem gesellschaftlichen Zerfall entgegen, der Zerstörung von Beziehungen, die erst ein gesellschaftliches Leben ermöglichen.
- Die Zuversicht in die Zukunft und in die eigenen Kräfte wird ständig untergraben durch die allgemeine Hoffnungslosigkeit, die in der Gesellschaft durch den Nihilismus, durch die Ideologie des "No future" immer mehr überhandnimmt.
- Das Bewußtsein, die Klarheit, die Kohärenz und Einheit im Denken, der Sinn für Theorie müssen sich mühsam ein Weg bahnen inmitten der Flucht in Trugbilder, der Drogen, Sekten, des Mystizismus, der Verweigerung des Nachdenkens und der Zerstörung des Denkens, die unsere Epoche charakterisieren."[12]
Wir dürfen also nicht ungeduldig sein und jeden Moment eine Bestätigung dieses Prozesses erwarten. Revolutionäre müssen innerhalb der Klasse klar intervenieren, indem sie eine langfristige Perspektive auf den Kampf einnehmen und vor allem Minderheiten dabei unterstützen, zu verstehen, worum es in dieser Situation geht und welche alternativen und unvermeidlichen Konsequenzen es gibt: entweder die Bedrohung des Überlebens der Menschheit durch die Bourgeoisie oder die Möglichkeit für die Arbeiterklasse, ihre Perspektive durchzusetzen, nämlich die einer Gesellschaft ohne Klassen, ohne Ausbeutung, ohne Krieg, ohne Zerstörung des Planeten, kurz gesagt, einer wahrhaft kommunistischen Gesellschaft.
Helis, 22. Juni 2025
[1] Die Arbeiterklasse ist die erste Klasse in der Geschichte, die in der Lage ist, ein revolutionäres Bewusstsein ihrer eigenen Existenz zu entwickeln, im Gegensatz zur damalig revolutionären Bourgeoisie, deren Bewusstsein durch ihre Position als neue Ausbeuterklasse begrenzt war.
[2] Lenin, Vortrag über die Revolution von 1905, Januar 1917
[3] Ebenda
[4] Trotzki in seinem Buch 1905
[5] Rosa Luxemburg, Massenstreik, Partei, Gewerkschaften
[6] Trotzki, 1905
[7] Rosa Luxemburg, Massenstreik, Partei, Gewerkschaften
[8] Lenin, Vortrag über die Revolution von 1905, Januar 1917
[9] Für Marx ist die Revolution ein alter Maulwurf, „… der es so gut versteht, unterirdisch zu arbeiten und plötzlich aufzutauchen“.
[10] Siehe seine Polemik gegen den Ökonomismus in Was tun?
[11] Die Geschichte erinnert uns an das Spektakel dieser Verhandlungen zwischen den Streikenden und den Ministern, bei denen die Gespräche zwischen den Arbeiterdelegierten und den Ministern über Lautsprecher live an die vor dem Regierungsgebäude versammelten Arbeiter übertragen wurden. Zum besseren Verständnis dieser Bewegung siehe „Massenstreiks in Polen 1980: Das Proletariat öffnet eine neue Bresche“, Internationale Revue Nr. 23 und „Anmerkungen zum Massenstreik“, Internationale Revue NR. 27 (engl., franz., span.)
[12] Der Zerfall: Die letzte Phase der Dekadenz des Kapitalismus [13], Internationale Revue Nr. 13
Genosse Trotzki erläutert in einer Reihe von Dokumenten die neue Ausrichtung, die die Internationale Opposition nach dem Sieg des Faschismus in Deutschland einschlagen sollte. Diese Neuorientierung würde sich aus dem Fehlen einer heilsamen Reaktion innerhalb der kommunistischen Parteien nach der deutschen Niederlage ergeben.
Wir bedauern gezwungen zu sein, gegen Genosse Trotzki zu argumentieren und zu kämpfen. Er bleibt in der Tat einer der Architekten der größten Revolution der Geschichte, Lenins wertvoller Kampfgenosse im Jahr 1917. Trotz des schändlichen Kampfes der zentristischen[1] Fraktion gegen ihn dachte Trotzki nie daran, die Prinzipien des Kampfes aufzugeben, die die Grundlage der großen historischen Schlachten des Proletariats von 1917 waren. Der Historiker der Russischen Revolution, der die Kontinuität des Kampfes des russischen Proletariats und des Weltproletariats wiederherstellen will, wird als Bezugspunkt Trotzkis Kämpfe seit 1923 gegen den Opportunismus haben, der die historische Verbindung zwischen dem proletarischen Staat und der Komintern entstellt. Auch jetzt noch verkündet dieser alte revolutionäre Kämpfer die Notwendigkeit des Aufbaus einer neuen Internationale, neuer kommunistischer Parteien, in dem Glauben, auf diese Weise mit einer heroischen Peitsche den Galopp des Opportunismus innerhalb der proletarischen Bewegung zu stoppen und das russische und weltweite Proletariat vor den blutigen Angriffen der kapitalistischen Reaktion zu retten.
Wir sind absolut sicher, dass Genosse Trotzki einen kolossalen Fehler begeht, wenn er eine gemeinsame Arbeit mit der sozialistischen Linken befürwortet, um eine neue kommunistische Partei aufzubauen.
Seit Jahren haben wir viele Anstrengungen unternommen, um unsere Ansichten innerhalb der Internationalen Linksopposition zu diskutieren. Es lag zu keinem Zeitpunkt an uns, sondern an den verschiedenen Kreisen um den Genossen Trotzki und am Genossen Trotzki selbst, dass eine Diskussion nicht auf der Grundlage eines Minimums an internationaler Organisation stattfand. Anstelle einer politischen Diskussion gab es Erstickungsmanöver, und bald darauf wurde unser Ausschluss durch eine Abstimmung sanktioniert, noch bevor sich die Internationale Konferenz zu den von uns vertretenen Positionen äußern konnte. Allerdings war der Zentrismus noch nicht so weit fortgeschritten. Nun, unsere Fraktion hat die KPI[2] gegründet und war die erste, die in den Reihen der Komintern einen Kampf für politische Positionen geführt hat, die nur Scharlatane als im Gegensatz zu Lenins Werk oder im Widerspruch zu den Prinzipien des Marxismus stehend betrachten konnten.
Der grundlegende Irrtum, den Genosse Trotzki heute begeht, tilgt in keiner Weise die Verdienste, die er sich um die Sache des Proletariats erworben hat, aber diese Verdienste implizieren keinesfalls das Festhalten an dem, was wir für einen kapitalen Fehler halten. Im Gegenteil, eine Loyalität gegenüber Trotzkis Werk kann sich einzig darin ausdrücken, seine gegenwärtigen Irrtümer zu bekämpfen, denn es ist absolut falsch, dass die persönliche Kontinuität die Garantie für den späteren revolutionären Kampf des Proletariats ist. Diese Kontinuität wird im Gegenteil auf der Grundlage politischer Positionen hergestellt. Es geht also darum, zu sehen, ob die neuen Positionen des Genossen Trotzki den Erfordernissen des Kampfes des Proletariats entsprechen oder nicht.
Obwohl unsere heutige Polemik von der Arbeit inspiriert ist, die es Lenin und den Bolschewiki ermöglichte, mit Hilfe von Fraktionen die Partei zu gründen, die die Russische Revolution anführte, werden wir nicht die Polemik wiederholen, die Lenin und Trotzki in der Frage der Fraktionen miteinander austrugen. Wir werden an der Anwendung der marxistischen Grundsätze und der Lehren aus der Erfahrung, die wir in die gegenwärtige Situation eingebracht haben, festhalten.
***
Die folgende Erklärung soll die politische Position der Linken Fraktion der KPI in Bezug auf die Vorschläge des Genossen Trotzki zur Gründung einer zweiten Partei und einer Vierten Internationale in Zusammenarbeit mit den aus der Sozialdemokratie kommenden linken Formationen verdeutlichen. Die Dokumente der Fraktion, mit denen diese Erklärung verknüpft werden sollte, sind:
1. Erklärung der Exekutivkommission (EK) der Fraktion auf der Pariser Konferenz vom April 1930, auf der die Internationale Linksopposition gegründet wurde.
2. Unsere Vorschläge von 1931 und 1932 für die Organisation einer internationalen Konferenz zur Ernennung eines verantwortlichen Sekretariats, das die verschiedenen Sektionen der Opposition eingeladen hätte, an der Ausarbeitung einer internationalen Plattform mitzuarbeiten.
3. Projekt zur Gründung eines Internationalen Informationsbüros (15. Mai 1933), das durch die Erkenntnis inspiriert wurde, dass die Kommunistische Internationale im Zuge der Ereignisse, die den Sieg des Faschismus in Deutschland begleiteten, tot war.
Die formale Logik konnte einen offensichtlichen Widerspruch in den beiden Formulierungen von Marx erkennen: zwischen der einen, in der er behauptet, „die Befreiung der Arbeiterklasse muss das Werk der Arbeiterklasse selbst sein“, und in der anderen, in der er aufzeigt: "Diese Organisation der Proletarier zur Klasse, und damit zur politischen Partei, wird jeden Augenblick wieder gesprengt durch die Konkurrenz unter den Arbeitern selbst" (Kommunistisches Manifest).
Das wäre so, wenn man aus der unbestreitbaren Wahrheit, dass die Arbeiter selbst ihre Befreiung erreichen werden, ableiten könnte, dass sie automatisch das Bewusstsein und die Fähigkeit erlangen, die zur Erreichung ihres Ziels notwendig sind. Und in diesem Fall erscheint es unverständlich, dass das Proletariat gezwungen sein soll, sich als Klassenpartei zu konstituieren, um "die Konkurrenz, die unter den Arbeiter selbst“ herrscht, zu sprengen.
Im Gegenteil, die beiden Gedanken von Marx ergänzen sich: Nur die Mobilisierung der Klasse als Ganzes kann den kapitalistischen Staat zu Fall bringen. Das Proletariat kann dies jedoch nur durch seine Organisation in einer politischen Partei erreichen. Die Notwendigkeit der Partei ist Ausdruck der Verwirklichung der politischen Bedingungen, die es der proletarischen Klasse allein ermöglichen, ihre spezifischen Ziele zu erreichen. In jedem Fall ist festzustellen, dass die Idee der Partei bereits im Denken von Marx als unabdingbare Voraussetzung für die Erfüllung der historischen Aufgabe des Proletariats erscheint.
Schon der Genosse Bordiga schrieb in seinem Artikel Partei und Klasse (Contre le Courant, Nr. 18-19 November 1928, übernommen von Rassegna Comunista, 1921): "In den vom II. Kongress der Kommunistischen Internationale angenommenen, wahrhaft marxistischen Leitsätzen über die Rolle der Kommunistischen Partei in der proletarischen Revolution wird zuallererst das Verhältnis zwischen Partei und Klasse definiert, und es wird festgestellt, dass die Klassenpartei nur einen Teil der Klasse in ihre Reihen aufnehmen kann – nie die ganze Klasse und wohl auch nie ihre Mehrheit. Diese auf der Hand liegende Tatsache wäre noch deutlicher geworden, wenn präzisiert worden wäre, dass man nicht einmal von Klasse sprechen kann, solange nicht eine Minderheit derselben dahin drängt, sich als politische Partei zu organisieren. Und er fügte hinzu: „Es sind Lehre und Kampfmethode, durch die eine Partei lebt. Sie ist eine Schule der politischen Denkweise und damit eine Kampforganisation. Ersteres betrifft das Bewusstsein, letzteres den Willen, oder genauer, die Zielsetzung. Ohne diese beiden Merkmale lässt sich eine Klasse gar nicht als solche bezeichnen.“
Die Gründung der Partei ist unmöglich, wenn man sich auf die Vermittlung von politischen Lösungen an die Massen beschränkt, die an die sehr begrenzten Schichten der revolutionären Arbeiteravantgarde vermittelt werden, und die das Proletariat akzeptieren müsste. Dagegen wird die Partei nur durch die Unterstützung der Massen für diese revolutionären Schichten, d.h. durch eine ständige „Delegation“ der Massen an sie, gegründet und kann die Arbeiter zum Sieg führen. Diese Delegation erfolgt nicht durch die bloße Verbreitung von Ideen, die von Einzelpersonen oder Minderheiten in die Welt gesetzt werden, sondern ergibt sich aus der Realität des Klassenkampfes. Dieser Kampf führt jedoch nicht automatisch zum Verschwinden des Kapitalismus. Es ist die Aufgabe der Partei, die verschiedenen historischen Epochen zu verstehen, um die Massen in die Lage zu versetzen, in die jeweiligen Situationen einzugreifen. Die Partei wiederum kann die Situationen nur unter der Bedingung begreifen, dass sie mit dem Prozess des Klassenkampfes im Einklang steht.
Die Phasen des Aufstiegs der Partei im Laufe ihrer historischen Mission sollten uns nicht mit Selbstzufriedenheit erfüllen: Die Russische Revolution lehrt uns, dass die Partei auch nach der Machtergreifung ständig auf der Hut und in Alarmbereitschaft bleiben muss, um den Kampf fortzusetzen, neue Situationen zu untersuchen, neue Perspektiven zu erkunden: ihre historische Mission wird erst in einer sehr fernen Zukunft enden, wenn die Entwicklung der Produktionstechnik die Bedingungen für die Abschaffung der Klassen erfüllt haben wird. Die Handlungsfähigkeit der Partei geht dem Verständnis von Situationen nicht voraus, sondern folgt ihm. Dieses Verständnis hängt nicht von einzelnen Personen ab, die behaupten, Proletarier zu sein, sondern von der Partei selbst. Die Partei kann, da sie ein Element der Situationen und ihrer Verflechtung ist, vom Klassenfeind ruhiggestellt und erobert werden, und von da an wird es der marxistischen Strömung obliegen, den Lauf der historischen Entwicklung zu erfassen.
Marx sagte im Vorwort Zur Kritik der politischen Ökonomie: "Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind.“
Was für die Menschheit gilt, gilt auch für die Klassenpartei des Proletariats. Diese Partei wird die Probleme aufwerfen, die die historischen Bedingungen ihr erlauben. Diese Partei wird ihre Aufgabe nur unter der Voraussetzung erfüllen, dass sie die entstehenden Probleme voraussieht. In der zweiten These von Marx über Feuerbach heißt es: "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt aber darauf an, sie zu verändern.“
Die Umgestaltung der Welt ist weder das Ergebnis des Willens der Militanten, noch ist sie das Attribut der Proletarier, je nach ihrer Position im ökonomischen Mechanismus. Daher sind weder der heroische Wille der Kämpfer noch die Tatsache, dass sich die Lohnabhängigen in Organisationen zusammenschließen, aus denen die Menschen anderer Klassen verbannt sind (Gewerkschaften), die unabdingbaren Voraussetzungen für die Verwirklichung der Aufgabe, die der Partei zufällt. Diese Bedingungen ergeben sich aus der Fähigkeit der Partei, in Situationen zu handeln, und diese Fähigkeit hängt wiederum vom Platz ab, den sie in den konkreten Situationen der Klassenbeziehungen einnimmt. Für die Bestimmung dieses Ortes kann nur ein intellektueller Faktor der Wahrnehmung der Situationen und der Rolle des Proletariats wirksam sein.
Zu Beginn der Arbeiterbewegung schufen bürgerliche Intellektuelle, Marx und Engels, die im Bund der Kommunisten kämpften, die politischen Voraussetzungen für den Kampf der Arbeitermassen für bessere Arbeitsbedingungen. Die obersten Aufgaben des Proletariats wurden damals als das Ergebnis der bürgerlichen Revolution selbst angesehen. Die erste Partei der Arbeiterklasse, der Bund der Kommunisten, stützte sich auf diese historischen Elemente. Kurze Zeit später wurden die neuen Parteien, die Erste Internationale, auf der Grundlage der neuen Probleme, die sich aus den Ereignissen ergaben, gegründet. Die Partei der proletarischen Klasse war in der Lage, Probleme zu lösen, die der Bund der Kommunisten kaum vorhersehen konnte: Die Arbeiterklasse kann, um ihre Emanzipation zu erreichen, nicht länger eine Art "Mitläufer" (Marx) des Kapitalismus während der bürgerlichen Revolution sein. Die Neue Rheinische Zeitung von 1848/49, an der Marx in Zusammenarbeit mit der radikalen Bourgeoisie mitwirkte, wurde durch den ersten Versuch einer unabhängigen Arbeiterorganisation innerhalb der Ersten Internationale ersetzt.
Eine neue historische Situation entstand. Der Kapitalismus kam in den verschiedenen Ländern an die Macht und die 1889 gegründete Zweite Internationale kämpfte für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter und für die Gründung ihrer Klassenorganisationen. Schließlich entstand die Dritte Internationale nach dem Verrat der Zweiten dank der Russischen Revolution. Ihre historische Aufgabe war es, die Revolution in der ganzen Welt zu verwirklichen.
In jeder historischen Periode der Bildung des Proletariats zu einer Klasse wird das Wachstum der Ziele der Partei deutlich. Der Bund der Kommunisten kämpfte zusammen mit einem Teil der Bourgeoisie. Die Erste Internationale schuf die ersten Klassenorganisationen des Proletariats. Die Zweite Internationale gründete die politischen Parteien und die Massengewerkschaften der Arbeiter. Die Dritte Internationale errang den Sieg des Proletariats in Russland.
In jeder Periode sahen wir, dass die Möglichkeit der Bildung der Partei auf der Grundlage der früheren Erfahrungen und der neuen Probleme, die sich für das Proletariat ergeben haben, bestimmt wurde. Die Erste Internationale hätte niemals in Zusammenarbeit mit der radikalen Bourgeoisie gegründet werden können. Die Zweite Internationale konnte nicht ohne den Gedanken an die Notwendigkeit der Umgruppierung der proletarischen Kräfte in Klassenorganisationen gegründet werden. Die Dritte Internationale hätte nicht in Zusammenarbeit mit den Kräften gegründet werden können, die innerhalb des Proletariats wirkten, um dieses nicht zum Aufstand und zur Machtergreifung, sondern zur schrittweisen Reform des kapitalistischen Staates zu orientieren. In jeder Periode kann sich das Proletariat als Klasse organisieren, die Partei kann sich auf die folgenden zwei Elemente stützen:
1. Das Bewusstsein der fortgeschrittensten Position, die das Proletariat einnehmen muss, das Erkennen der neuen Wege, die zu beschreiten sind.
2. Die zunehmende Abgrenzung der Kräfte, die für die proletarische Revolution wirken können.
Die Bourgeoisie, die 1848 als „Kollaborateurin“ des Proletariats betrachtet werden konnte, wird zum Feind des Proletariats. Die Sozialdemokratie, die vor 1914 in derselben Partei wie die marxistische Linke bleiben konnte, wird nach 1914 zum Feind des Proletariats. Es muss betont werden, dass die marxistische Linke innerhalb der sozialistischen Parteien sehr schwach war und es nicht einmal geschafft hatte, sich international zu organisieren. Die Bolschewiki stießen auf den internationalen Kongressen nicht auf Beachtung und Aufmerksamkeit, sondern auf Gleichgültigkeit und Spott. In der gegenwärtigen Situation müssen wir zunächst betonen, dass die schreckliche Krise der Arbeiterbewegung darauf zurückzuführen ist, dass Probleme entstanden sind, die Lenin selbst nicht voraussehen konnte. Der Zentrismus hat mit der Theorie des Sozialismus in einem Land eine konterrevolutionäre Lösung für diese Probleme geliefert.
Das Proletariat hat 1927 eine furchtbare Niederlage erlitten, weil es nicht in der Lage war, den konterrevolutionären Erfolg des Zentrismus innerhalb der KPs zu verhindern. Hätte es seinen Kampf innerhalb der Parteien gewonnen, hätte es die Kontinuität der Partei für die Verwirklichung ihrer Mission gesichert, denn es hätte die neuen Probleme, die sich aus der Ausübung der proletarischen Macht in der UdSSR ergaben, in revolutionärer Weise gelöst.
Wenn man heute sagt, dass wir auf der Grundlage der ersten vier Kongresse der Internationale neue Parteien gründen wollen, dann heißt das, dass wir die Geschichte um zehn Jahre zurückdrängen, dass wir uns dem Begreifen der Ereignisse nach diesen Kongressen verweigern und dass wir letztlich die neuen Parteien historisch so einordnen, wo sie nicht hingehören. Die Stellung, welche die neuen Parteien morgen einnehmen müssen, ist bereits durch die Erfahrung der Ausübung der proletarischen Macht und durch die gesamte Erfahrung der kommunistischen Weltbewegung abgegrenzt. Die ersten vier Kongresse sind in dieser Arbeit ein Untersuchungsgegenstand, der einer besonders intensiven Kritik unterzogen werden muss. Wenn wir sie als Evangelium akzeptieren würden, kämen wir zu dem Schluss, dass der Tod Lenins oder das Abdriften Trotzkis die Ursachen für den Sieg des Kapitalismus in den verschiedenen Ländern und den Erfolg des Zentrismus in der UdSSR und in der Internationale sind.
Es besteht keine direkte Abhängigkeit zwischen der Entwicklung der wirtschaftlichen Situation und der Entwicklung der Klassenbeziehungen. In der gegenwärtigen Situation besteht kein Zweifel, dass der katastrophalen Krise der kapitalistischen Wirtschaft nicht die Bereitschaft des Proletariats zum revolutionären Kampf gegenübersteht, sondern die blutigen Erfolge der kapitalistischen Offensive bestimmen die Lage. Es stimmt, dass das Gesetz der geschichtlichen Entwicklung letztendlich durch die Entwicklung der Produktionstechnik bedingt ist, aber die Klassen, die zum Verschwinden bestimmt sind, lösen sich nicht auf und bringen die Gefahr mit sich, die Menschheit in die Barbarei zurückzuwerfen.
Der Klassenkampf steckt also in einer sehr komplexen Situation, in der die verzweifelten Aktionen des Kapitalismus zur Erhaltung seiner Macht und die Aktionen des Proletariats zur Erreichung seiner Emanzipation miteinander verwoben sind. Der wirtschaftliche Kampf des Proletariats wird geprägt durch die wirtschaftliche Situation. Die Arbeiter werden für Lohnerhöhungen oder die Verteidigung ihrer Löhne kämpfen, je nachdem, ob die politische Situation die Verwirklichung einer proletarischen Kampffront zur Verbesserung oder Verteidigung ihres Lebensstandards erlaubt. Unter diesen Bedingungen kann die Gewerkschaft in den verschiedenen Konstellationen unmittelbar eine Klassenrolle übernehmen, und ihre Funktion wird in der Mobilisierung der Gesamtheit der Beschäftigten der Unternehmen für den Kampf gegen die Bosse bestehen. Der spezifische Aktionsbereich der Partei ist ein anderer: Er erstreckt sich auf den Bereich des Klassenkampfes, der nicht in seiner momentanen, sondern in seiner finalen Ausprägung betrachtet wird. Und der Kampf wird zwischen dem Kapitalismus, der versucht, seinen Feind dazu zu bringen, die Formen seiner Existenz im gegenwärtigen System zu akzeptieren oder sich damit abzufinden, und der Partei des Proletariats stattfinden, die versuchen wird, aus den zufälligen Gegebenheiten der Situation die Elemente zu ziehen, die ihre Entwicklung hin zum endgültigen Ziel der Klasse ermöglichen werden.
Die marxistische Terminologie für Parteiaktionen ist diejenige, die sich in der Abgrenzung von objektiven und subjektiven Bedingungen ausdrückt. Dies ist das Kriterium, das der Analyse der Partei zugrunde liegt, um ihr Handeln zu bestimmen. Zu den objektiven Bedingungen gehören diejenigen, die die wirtschaftlichen Bedingungen, die Stärke des Herrschaftsapparats der Bourgeoisie und die Stellung der Mittelschichten widerspiegeln. Subjektive Bedingungen sind die Stärke und der Einfluss der Klassenpartei des Proletariats. Diese Terminologie eignet sich hervorragend für Situationen, in denen die Klassenpartei ihre Fähigkeit zur Führung des Proletariats noch nicht verloren hat. Bis zu diesem Zeitpunkt entwickeln sich die Klassenreaktionen, die durch die Antagonismen hervorgerufen werden, auf denen das kapitalistische Regime beruht, innerhalb der Partei, die unter diesem Impuls den Kampf des Proletariats führt.
Wenn die Partei ihre Fähigkeit verloren hat, das Proletariat zur Revolution zu führen – und dies geschieht durch den Triumph des Opportunismus –, entwickeln sich die durch die sozialen Antagonismen hervorgerufenen Klassenreaktionen nicht mehr in die Richtung, die es der Partei ermöglicht, ihre Aufgabe zu erfüllen. Die Reaktionen müssen sich andere Wege bahnen, die neue Grundlagen suchen, auf denen sich von nun an die Organe des Denkens und des Lebens der Arbeiterklasse bilden: die Fraktion. Das Begreifen der Ereignisse geht nicht mehr mit einer direkten Aktion einher, wie es früher innerhalb der Partei der Fall war, und die Fraktion kann diese Einheit nur wiederherstellen, indem sie die Partei vom Opportunismus befreit.
Der Triumph des Zentrismus innerhalb der kommunistischen Parteien beendete eine bestimmte Periode der Klassenbeziehungen: die Periode, in der der Kapitalismus einen Arbeiterstaat und eine für die Weltrevolution kämpfende Kommunistische Internationale hatte. Dieser Triumph leitete eine neue Phase der Beziehungen ein, in der der Kapitalismus den Arbeiterstaat und die verschiedenen kommunistischen Parteien, die für den Sozialismus in einem Land kämpfen, vor sich hat. Seit 1928 und dem totalen Triumph des Zentrismus ist das allgemeine Kriterium für die Analyse von Situationen dasjenige, das unter den objektiven Bedingungen neben der Stärke des Kapitalismus, seiner sozialdemokratischen Vertreter und der Position der Mittelschichten auch die Stärke des Zentrismus einordnet.
Der subjektive Zustand wechselt von der Partei zur Fraktion. Letztere ist der einzige Organismus, in dem das Proletariat seine Klassenorganisation verwirklicht, denn sie ist der Organismus, der aus einer vergangenen historischen Phase hervorgeht und eine neue vorbereitet.
1927, mit dem Ausschluss der Linken aus den Kommunistischen Parteien, wurde der Bankrott der Komintern, deren historische Aufgabe es war, die proletarische Weltbewegung um den Arbeiterstaat zu kanalisieren, bestätigt. Die Kämpfe des Proletariats, auch wenn sie nur beschränkt sind, können nur dann zu einem wirklichen Erfolg führen, wenn es der Fraktion gelingt, die für die neue Phase relevanten programmatischen Bedingungen umzusetzen.
Es könnte der Eindruck entstehen, dass die Aufgaben der Fraktion ausschließlich didaktischer Natur seien. Aber eine solche Kritik kann von den Marxisten mit denselben Argumenten zurückgewiesen werden, die gegen alle Scharlatane verwendet werden, die den Kampf des Proletariats für die Revolution und die Umgestaltung der Welt mit dem Wahlkampf gleichsetzen.
Es ist vollkommen richtig, dass die spezifische Rolle der Fraktionen vor allem EINE Rolle der Erziehung der Kader durch erlebte Ereignisse und durch die rigorose Auseinandersetzung mit der Bedeutung dieser Ereignisse ist. Es ist jedoch richtig, dass diese Arbeit, insbesondere die ideologische Arbeit, in Anbetracht der Massenbewegungen geleistet wird und stets die praktische Lösung für deren Erfolg liefert. Ohne die Arbeit der Fraktionen wäre die Russische Revolution unmöglich gewesen. Ohne die Fraktionen wäre Lenin selbst ein Bücherwurm geblieben und hätte sich nicht zu einem Führer der Revolution entwickelt.
Die Fraktionen sind daher der einzige historische Ort, an dem das Proletariat seine Arbeit für seine Klassenorganisation fortsetzt. Von 1928 bis heute hat Genosse Trotzki diese Arbeit des Aufbaus der Fraktionen völlig vernachlässigt und damit nicht zur Verwirklichung der effektiven Bedingungen für Massenbewegungen beigetragen. Während dieser ganzen Zeit war es unserer Linksfraktion nicht möglich, ihre politischen Ansichten, die auf den Aufbau von Linksfraktionen abzielten, in der Opposition durchzusetzen. Die Bilanz endet mit einem Scheitern unsererseits, mit einem Erfolg, der gegen uns durch die Anwendung von Methoden und Manövern erzielt wurde, die der kommunistischen Bewegung unwürdig sind, während die Organisation der Opposition einen Rückschlag nach dem anderen und eine Spaltung nach der anderen erlitten hat.
Vom grundsätzlichen Standpunkt aus betrachtet stellt sich das Problem in zwei diametral entgegengesetzten Formen dar: Unsere Fraktion hat ihre Umwandlung zur Partei im Blick, betrachtet jeden Moment ihrer Tätigkeit als einen Moment des Wiederaufbaus der Klassenpartei des Proletariats und ist der Ansicht, dass die Fraktion allein, innerhalb oder außerhalb der offiziellen Parteiorganisation, den Organismus darstellt, der das Proletariat zum Sieg führen kann. Genosse Trotzki hingegen ist der Meinung, dass die Gründung einer neuen Partei nicht direkt von der Fraktion oder ihrer Arbeit abhängt, sondern von der Arbeit der "Opposition" in Verbindung mit anderen politischen Formationen und sogar mit Strömungen, die zu Parteien der gegnerischen Klasse gehören.
Auf diesem Gebiet ist die historische Erfahrung schlüssig: Einerseits krönt die Revolution Lenins hartnäckige Arbeit für die Umwandlung der bolschewistischen Fraktion in eine Partei. Andererseits gefährdet die Niederlage von 1923 in Deutschland die Arbeit der Spartakisten, die durch die Fusion von Halle in den Unabhängigen untergegangen sind. Schließlich hat die Bildung von Sektionen der Internationale in verschiedenen Ländern, die auf der Überschneidung heterogener politischer Formationen beruht, zu der gegenwärtigen Situation geführt, in der sich die verschiedenen oppositionellen Gruppen in Personenfragen gegenüberstehen, ohne dass es ihnen gelingt, die prinzipiellen Unterschiede, die sie voneinander trennen, herauszuarbeiten.
Die Umwandlung der Fraktion in eine Partei ist durch zwei eng miteinander verbundene Elemente bedingt:
1. Die Ausarbeitung neuer politischer Positionen durch die Fraktion, die es ermöglichen, den Kampf des Proletariats für die Revolution in seiner neuen, fortgeschritteneren Phase zu etablieren. Um in den gegenwärtigen und zukünftigen Situationen handeln zu können, ist es notwendig, politische Positionen zu haben, die dem degenerierten Arbeiterstaat den Arbeiterstaat entgegensetzen, der für den revolutionären Sieg in der ganzen Welt kämpft. Darüber hinaus sind taktische Lösungen erforderlich, um den proletarischen Aufstand in den kapitalistischen Ländern zu verwirklichen, da sich die Nachahmung der Politik der Bolschewiki 1923 in Deutschland mit der selbst von Lenin und Trotzki geführten Komintern als unzureichend erwiesen hat.
2. Durch die Untergrabung des Systems der Klassenbeziehungen, wie es sich während des Sieges des Opportunismus innerhalb der Partei der Arbeiterklasse konstituiert hat. Diese Unterminierung würde in der Entstehung revolutionärer Bewegungen liegen, die es der Fraktion ermöglichen würden, die Führung der Kämpfe in Richtung Aufstand zu übernehmen.
Diese beiden Elemente sind dialektisch miteinander verbunden, und wir werden die neuen Situationen – die im Entstehen begriffen sind – in dem Maße sehen und verstehen, in dem der Übergang des Opportunismus, der die kommunistische Partei anführt, zum Feind sich bestätigt. Oder umgekehrt, in dem Maße, wie die Arbeit der linken Fraktion für den revolutionären Sieg voranschreitet. Den Besserwissern, die in der Internationalen Opposition in Mode sind und die bei jeder Gelegenheit mit politischen Positionen aufwarten, die die Quintessenz des universellen marxistischen Wissens darstellen würden, müssen wir die Realität entgegensetzen. Diese Realität zeigt, dass die zahlenmäßige Schwäche und die derzeitige theoretische Unfähigkeit der linken Fraktionen die Unfähigkeit des Weltproletariats darstellen, sich dem Angriff des Kapitalismus unter den Bedingungen der ausweglosen Wirtschaftskrise zu widersetzen, die jedoch die Grundlage für große revolutionäre Kämpfe bilden sollte.
Der Verrat der kommunistischen Parteien ist keine psychologische, sondern eine historische Tatsache. Es sind nicht die politischen Gesten der opportunistischen Führer, die die Partei in das Lager des Feindes übergehen lassen, genauso wenig wie der Freundschaftsvertrag der UdSSR mit dem italienischen Imperialismus oder ihre neuen Beziehungen zum französischen Imperialismus das Wesen des russischen Staates verändern, der weiterhin auf der Vergesellschaftung der Produktionsmittel beruht. Genosse Trotzki, der den Schlüssel zu den Ereignissen für den Sieg der Revolution in der vom Zentrismus geführten Kommunistischen Partei Deutschlands sah, ist sicherlich verwundert über die politische Position, die die kommunistischen Parteien beim Sieg des Faschismus einnahmen. Für uns war diese Schlussfolgerung unausweichlich, da wir den Schlüssel zur Situation in die Hände der linken Fraktion gelegt haben. Da diese nicht existierte und nichts getan wurde, um sie zu errichten, konnte auch keine Kraft zur Verteidigung des deutschen Proletariats eingesetzt werden.
Der Sieg des Opportunismus innerhalb der Partei bedeutet nicht, dass sie zum Feind übergeht oder sich als gesellschaftliche Kraft in den Diensten des Feindes manifestiert. Der Opportunismus revidiert den Marxismus und schlägt neue Methoden des proletarischen Kampfes vor. In den sozialistischen Parteien befürwortete der Opportunismus vor 1914 die schrittweise Eroberung des Staates als Ersatz für den revolutionären Kampf zu seiner Zerstörung. Um das Proletariat für sich zu gewinnen, versprach der Opportunismus eine wachsende Bedeutung der Gewerkschaft und der Partei, die in parlamentarischen und ministeriellen Angelegenheiten eine Rolle spielen sollten. Die verschiedenen Phasen, die der Opportunismus in den Parteien der Zweiten Internationale durchlief, waren offensichtlich Phasen des Rückschritts des Proletariats und des Fortschreitens des Einflusses des Kapitalismus in ihm. Solange es keine Linksfraktion gab, musste das Proletariat zusehen, wie der Opportunismus seine Funktion erfüllte: seinen Verrat, bevor es zum Aufbau neuer Parteien übergehen konnte. Außerdem hat die Fraktion selbst erst nach 1914 die neuen historischen Positionen für den Kampf des Proletariats ausgearbeitet, und zwar vor allem durch die Stimme Lenins, dessen frühere Arbeiten die unverzichtbare Voraussetzung für die Schlussfolgerungen waren, die nach dem Verrat der sozialistischen Parteien gezogen wurden.
Der Zentrismus innerhalb der kommunistischen Parteien schlägt dem Proletariat den Kampf für den Sozialismus in einem Land vor. Die Interessen des Proletariats in jedem Land ergeben sich nicht mehr aus dem Kampf für den Sturz des Kapitalismus, sondern aus dem Fortschritt der Industrialisierung und den Fünfjahresplänen in der UdSSR. Letztlich wird der Zentrismus den Arbeitern sagen: Nicht der revolutionäre Sieg des Proletariats, sondern die wirtschaftliche und militärische Stärkung des Arbeiterstaates und seine friedliche Koexistenz mit dem Weltkapitalismus werden euch zum Sozialismus führen. So stellt der Arbeiterstaat die wesentliche Voraussetzung dafür dar, dass der Zentrismus seine Politik innerhalb des Proletariats entfalten kann, so wie vor dem Krieg die Gewerkschaften den Reformisten die Möglichkeit gaben, ihre konterrevolutionäre Rolle zu erfüllen.
Gegenwärtig müssen wir die Kraft haben, darauf zu warten, dass die unlösbaren Widersprüche, in denen sich der Zentrismus bewegt, auf die konstruktive Arbeit der linken Fraktionen treffen. Wir können die gesellschaftliche Organisation, die in Russland existiert, nicht ignorieren, denn der Zentrismus ist nicht der Kapitalismus, und zur Gründung neuer Parteien überzugehen, hieße, ein abstraktes Schema der Realität an die Stelle der Realität zu setzen, in der wir leben und in der das Proletariat lebt.
Die Umwandlung von Fraktionen in Parteien könnte sich aus dem Sieg des revolutionären Proletariats in einem kapitalistischen Land ergeben. Auf diese Weise würde das wesentliche Problem des Kampfes des Weltproletariats, das um einen Arbeiterstaat polarisiert ist, auf der Grundlage der prinzipiellen Überlegungen, die sich aus den Erfahrungen in Russland ergeben würden, neu gestellt werden.
Innerhalb der Parteien der Zweiten Internationale endeten diejenigen, die die Position der Sozialistischen Partei jener Zeit nicht berücksichtigen wollten und die sich einer breiteren Reaktion auf die Erfolge des Opportunismus entgegenstellen wollten, damit, dass sie dem parlamentarischen Kampf den Kampf gegen alle politischen Parteien und den Prinzipien des Marxismus die politischen Positionen des Syndikalismus entgegenstellten. Andererseits sind die Bolschewiki stets Anhänger einer Politik der Fraktion geblieben, und die Gruppe der holländischen Tribunisten, die aus der sozialistischen Partei ausgeschlossen wurde, hat zwar wertvolles politisches Material geliefert, ist aber eine Gruppe geblieben, die nicht in der Lage war, den Lauf der Dinge zu beeinflussen.
Gegenwärtig findet Genosse Trotzki, der die Klassenlage der kommunistischen Parteien nicht berücksichtigt, in ihnen nicht die proletarischen Elemente, die die Gründung einer neuen Partei ermöglichen würden, und er sucht diese Elemente und diese Grundlage in den sozialistischen Parteien, d.h. in den Organisationen, die nach 1914 im Interesse des Feindes handeln. Es ist die Pflicht der in der Linksfraktion zusammengeschlossenen Proletarier, sich von den schrecklichen Situationen, die wir durchleben, nicht einschüchtern zu lassen. Sie werden an den Positionen festhalten, die ein historisches Ereignis wie die Russische Revolution unwiderlegbar bestätigt hat; sie werden den Kampf für den Aufbau linker Fraktionen fortsetzen, die sich in eine Partei verwandeln werden, wenn die historischen Bedingungen günstig sind.
Der Mechanismus der Klassenbeziehungen unterliegt ebenso wie der wirtschaftliche Mechanismus Gesetzen, deren Entwicklung nicht vom individuellen Willen der Menschen abhängt. Um im Mechanismus der Klassenbeziehungen zu handeln, muss man seine Gesetze kennen und vor allem die historische Bedingung für das Handeln erkennen. Diese Bedingung liegt, wir wiederholen es, in dem Organismus, in dem sich die Organisation des Proletariats in einer Klasse konkretisiert: der Fraktion.
Nach dem Sieg des Opportunismus innerhalb der Parteien kam es zu einem tiefgreifenden Wandel. Ein wichtiger Teil des Proletariats, seine Mehrheit, wurde für die wichtigsten politischen Konzepte gewonnen, die nicht mehr das Programm des Kommunismus, sondern das Programm des Opportunismus darstellten. Damit wurden die kommunistische Politik und Taktik durch die opportunistische Politik und Taktik ersetzt. Auch die sozialen Gegensätze zwangen die Partei nicht mehr dazu, Positionen zu vertreten, die den Endzielen des Proletariats entsprechen. Die vom Opportunismus zerfressene Partei griff in Situationen ein, in denen sie nicht die Verstärkung von Klassenbewegungen, sondern deren Zersplitterung zum Vorteil des Feindes bewirkte.
Der wirtschaftliche Mechanismus entwickelte sich zwangsläufig in Richtung der Entstehung von Gegensätzen, die sich aus den antagonistischen Grundlagen des kapitalistischen Regimes ergeben. In gleicher Weise entwickelte sich der Mechanismus der Klassenbeziehungen in Richtung der Entstehung von Gegensätzen, die sich aus dem Antagonismus zwischen der von der entarteten Partei eingenommenen Position und der realen Position, die die Klasse einnehmen sollte, ergaben. Diese Position wurde dann von der linken Fraktion eingenommen.
Marx schrieb in seinem Beitrag Zur Kritik der politischen Ökonomie, dass eine Gesellschaft niemals verschwindet, bevor nicht alle Produktivkräfte, die sie enthalten kann, entwickelt sind, und dass neue und höhere Produktionsverhältnisse niemals an ihre Stelle treten, bevor nicht die materiellen Bedingungen für die Existenz dieser Verhältnisse im Schoß der alten Gesellschaften selbst geschaffen worden sind.
Das heißt, dass das Proletariat seinen Kampf für die neue Organisation der Gesellschaft erst dann aufnehmen kann, wenn sich die Bedingungen dafür in der alten Gesellschaft herausgebildet haben. Diese Bedingungen sind im Moment der Errichtung der kapitalistischen Gesellschaft im Entstehen begriffen. In ähnlicher Weise werden die linken Fraktionen nur dann in der Lage sein, sich in eine Partei zu verwandeln, wenn die Antagonismen zwischen der Position der degenerierten Partei und der Position des Proletariats das gesamte System der Klassenbeziehungen bedrohen, das durch den Sieg des Zentrismus innerhalb der Parteien bestimmt wird. All dies konkretisiert sich in einer historischen Position, die die Partei einnimmt, einer Position, die auf einem Programm beruht, das nicht mehr den Interessen der Arbeiterklasse entspricht, aber noch nicht die Interessen des Feindes vertritt. In diesem Fall nimmt die vom Zentrismus geführte kommunistische Partei, die vom Arbeiterstaat ausgeht und auf der Grundlage des Sozialismus in einem Land, der revolutionären Gewerkschaftsopposition und des Nationalbolschewismus handelt, diese Zwischenstellung ein.
Marx ging über Blanqui hinaus, weil er den aus dem Klassenkampf resultierenden Aufstand der Theorie des Staatsstreichs gegenüberstellte. Gleichzeitig widersetzen sich die Marxisten der Fraktion dem Abenteuer, zweite Parteien zu bilden, bevor der Mechanismus der Klassenbeziehungen die Bedingungen für die Bildung neuer Organisationen ausgereift hat. Diese Bedingungen bestehen von dem Moment an, in dem der Zentrismus die Partei für eine konterrevolutionäre Politik gewinnt. Diese Bedingungen wachsen, werden eingegrenzt und präzisieren sich in dem Maße, in dem die linken Fraktionen in ihrer ideologischen Konsistenz und in ihrer zahlenmäßigen Bedeutung wachsen und es so schaffen, zu einem direkten Faktor in der Entwicklung der Situationen zu werden.
Wir können bestätigen, dass die historischen Bedingungen, die es den linken Fraktionen erlauben, die alten Parteien des Proletariats aufrechtzuerhalten, im revolutionären Sieg eines Proletariats liegen, das von einer linken Fraktion angeführt wird, der es gelingt, den Zentrismus im Feuer des Aufstandes hinwegzufegen. Dieser Gedanke scheint uns der einzige marxistische zu sein, im Gegensatz zu den politischen Überlegungen, die in der Formel der "Wiederaufrichtung" der Partei oder in der anderen, zumindest bizarren Position der "Reform" zum Ausdruck kamen. Diese Perspektive des revolutionären Sieges, trotz des Hindernisses, das die zentristische Partei darstellt, ist zwar immer unwahrscheinlicher, kann aber auch nach dem Tod der Komintern nicht prinzipiell ausgeschlossen werden. Die Klassenbeziehungen, die zum Zeitpunkt des Sieges des Zentrismus durch die Bindung des Proletariats an ein politisches Programm, das seinen Interessen zuwiderläuft, konstituiert wurden, werden dann ihre endgültige Entwicklung erreichen.
Wir haben bereits angedeutet, dass der Zentrismus die aus den sozialen Gegensätzen resultierenden Klassenreaktionen zerstreut und so die Arbeit zur Aufrechterhaltung des kapitalistischen Regimes fortsetzen kann. Wenn dieses Regime nicht mit der Arbeiterklasse zusammentrifft, die den Aufstand der Produktivkräfte auf die Gründung einer neuen gesellschaftlichen Organisation lenkt, stürzt es sich in den Krieg. Der Zentrismus wird ein notwendiger Faktor sein, um das Proletariat in den Krieg zu führen, und so wird seine Funktion voll verwirklicht werden. Dies ist die zweite Art von historischer Bedingung, die für den Aufbau einer neuen Partei sich erfüllen könnte.
Die Bilanz, die die linken Fraktionen erstellen müssen, ist also eine historische Bilanz. Die Widersprüche der kapitalistischen Welt werden in ihrer imperialistischen Phase zwangsläufig in eine Revolution oder einen Krieg münden. Nach dem Sieg des Zentrismus innerhalb der Partei wird nur die linke Fraktion in der Lage sein, die Partei für das Proletariat zu erhalten und sie zurückzubringen, um das Proletariat zur Revolution zu führen. Sollte es den Fraktionen nicht gelingen, das Proletariat – trotz Zentrismus – zum Sieg zu führen, könnte kein individueller Wille das andere Ergebnis der Situationen vermeiden: den Krieg; und nur in dessen Verlauf oder nach ihm wird die Fraktion, die sich in eine Partei verwandelt, in der Lage sein, das Proletariat zum Sieg zu führen.
Die proletarische Internationale stellt für eine bestimmte historische Periode die Vollendung des ideologischen Wirkens des Proletariats dar, das die Ziele und Methoden seines Kampfes gegen den Kapitalismus festlegt. All diese ideologische Arbeit ist eng mit dem Kampf verbunden, den die Fraktionen zuvor zusammen mit den Klassenkämpfen geführt hatten und der zur Gründung neuer Parteien in einem oder mehreren Ländern geführt hatte.
Der Begriff der Internationale steht über dem der Partei, nicht nur in organisatorischer und politischer, sondern auch in chronologischer Hinsicht. Die Partei ist in der Tat ein Organismus, der direkt mit dem Prozess des Klassenkampfes verbunden ist und der sich den Kampf gegen den kapitalistischen Staat zum Ziel setzt. Die Internationale hingegen basiert ausschließlich auf politischen Konzepten und hat keinen kapitalistischen Weltstaat vor sich, sondern Staaten, die auf internationaler Ebene die Antagonismen reproduzieren, die sich den Kapitalisten oder Gruppen von Kapitalisten im wirtschaftlichen Bereich entgegenstellen.
Der Tod der Kommunistischen Internationale ergibt sich aus dem Erlöschen ihrer Funktion: Die Komintern starb mit dem Sieg des Faschismus in Deutschland; dieses Ereignis erschöpfte historisch ihre Funktion und manifestierte das erste definitive Ergebnis der zentristischen Politik. Der in Deutschland siegreiche Faschismus bedeutete, dass die Ereignisse den entgegengesetzten Weg zur Weltrevolution einschlugen, den Weg, der zum Krieg führen kann.
Die Partei hört nicht auf zu existieren, auch nicht nach dem Tod der Internationale. Die Partei stirbt nicht, sie verrät. Die Partei, die direkt mit dem Prozess des Klassenkampfes verbunden ist, sieht sich gezwungen ihre Tätigkeit fortzusetzen, auch wenn die Internationale tot ist. Auch im Kriegsfall, wenn die Internationale völlig von der politischen Bühne verschwindet, existiert die Partei und ruft das Proletariat dazu auf, zu den Waffen zu greifen, nicht um den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg zu verwandeln, sondern um seinen Kampf im Verlauf des Krieges selbst fortzusetzen, indem es seine Interessen mit denen des Klassenfeindes vermischt.
Die historische Erfahrung ist eindeutig und zeigt, dass der Parteiaufbau der Gründung der Internationale vorausgeht. Natürlich müssen sich die linken Fraktionen bei ihrer Arbeit in jedem Land auf internationale Konzepte stützen, aber nur der Aufbau einer oder mehrerer Parteien kann die Voraussetzung für die Schaffung der neuen Internationale darstellen. Die Begriffe zu vertauschen bedeutet, den Marxismus, der die Leitlinien für den proletarischen Kampf aus dem Mechanismus des Klassenkampfes selbst ableitet, durch die Arbeit politischer Schriftsteller zu ersetzen, die die Aufgabe des Aufbaus von Klassenorganisationen ihrem Willen oder Talent anvertrauen. Die neue Internationale wird die Krönung der hartnäckigen Arbeit der linken Fraktionen sein und wird sich entweder mit einer triumphierenden proletarischen Revolution oder mit dem neuen imperialistischen Krieg „überschneiden“.
Im Grunde genommen lassen sich alle Widersprüche des Genossen Trotzki durch seinen Irrtum in der allgemeinen Perspektive erklären, die er immer noch vertritt. Die Arbeit der Internationalen Linksopposition, die direkt vom Genossen Trotzki inspiriert wurde, basierte auf der UdSSR als dem Schwerpunkt des Weltproletariats. Aus dem proletarischen Charakter des russischen Staates wurde die fatale Perspektive eines weltweiten Blocks des Kapitalismus für den Krieg gegen die Sowjetunion abgeleitet. Die Pflicht der Oppositionellen in allen Ländern war die Verteidigung der UdSSR gegen diesen unvermeidlichen imperialistischen Angriff, und ihr Platz in diesem Krieg war in der vordersten Reihe der Verteidigung des Sowjetstaates.
Die gesamte Politik der "Wiedererrichtung" der kommunistischen Parteien basierte auf der Vision des Kampfes des russischen Proletariats gegen den Zentrismus, der unfähig war, die Verteidigung des Arbeiterstaates zu übernehmen. Dies hätte die günstigen Bedingungen für die "Wiedererrichtung" der kommunistischen Parteien bewirken sollen. Man kann sagen, dass alle Spaltungen, die in der Internationalen Linken Opposition stattgefunden haben, durch Meinungsverschiedenheiten über die russische Frage verursacht wurden. Als Genosse Trotzki diese ganze Reihe von Spaltungen betrieb, glaubte er offensichtlich, dass er so und nur so die politischen Bedingungen erreichen würde, die für seine allgemeine Perspektive günstig seien.
Nach dem Sieg des Faschismus in Deutschland befürwortete er die Gründung einer neuen Partei mit dem Ziel, die Komintern zu regenerieren, um die Verteidigung des russischen Staates gegen den Imperialismus zu übernehmen. Schon jetzt befürwortet Genosse Trotzki die Gründung neuer Parteien und einer neuen Internationale zur aktiven Verteidigung der UdSSR. Aber die gesamte Sichtweise des Genossen Trotzki wird durch die Ereignisse völlig widerlegt, wie die Erfahrung zeigt. In der Tat wurde nach der Niederlage des Weltproletariats in Deutschland im vergangenen Februar die Phase der besten Beziehungen zwischen den kapitalistischen Staaten und dem Sowjetstaat eingeleitet. Man kann sagen, dass dies nur eine vorübergehende Phase ist und dass wir morgen den weltweiten Block gegen den russischen Staat sehen werden. Dass es sich dabei nicht um eine vorübergehende Phase handelt, beweist die Tatsache, dass der russische Staat seine wirtschaftlichen, strategischen und politischen Positionen genau in dem Moment festigt, in dem das Weltproletariat durch die Offensive des Feindes zurückgedrängt wird. Aber abgesehen von der Analyse der gegenwärtigen Situation muss die Perspektive des Genossen Trotzki mit der Wirklichkeit konfrontiert werden.
Der russische Staat war der Schwerpunkt des Weltproletariats, solange er sich auf das Programm des internationalen Sozialismus stützte. Damit meinen wir nicht ein idealistisches Festhalten an diesem Programm, sondern die Konzentration der Klassenkämpfe des Weltproletariats auf den Kampf des russischen Staates für die Weltrevolution und für den Aufbau des Sozialismus in Russland. Der Sieg des Programms des Sozialismus in einem Land bedeutet die Verdrängung des russischen Staates, der zu einem Hindernis sowohl für den Kampf des russischen Proletariats als auch für den revolutionären Kampf des Proletariats in anderen Ländern wird, von diesem Platz. Die Ereignisse in Deutschland haben diese Verdrängung des russischen Staates auf eindrückliche Weise bestätigt: die politischen Begriffe des Nationalbolschewismus, des Sozialfaschismus, die ganze Theorie der revolutionären Gewerkschaftsopposition, die die Partei außerhalb des Mechanismus des Klassenkampfes stellt, all diese Begriffe wurden von der zentristischen Bürokratie, die 1927 den russischen Staat übernahm, beim deutschen Proletariat eingeführt.
Die revolutionäre Rolle des russischen Staates ergibt sich nicht aus dem proletarischen Charakter dieses Staates, sondern aus der Politik, die er im nationalen und internationalen Bereich verfolgt. So hat die Politik des Zentrismus den russischen Staat von einer revolutionären zu einer reaktionären Rolle gebracht. Dass die neue Position, die die UdSSR unter der Führung des Zentrismus einnimmt, ihren Klassencharakter nicht aufhebt, ist jenen Marxisten vollkommen klar, die durch die Erfahrungen der Parteien der Zweiten Internationale geschult worden sind und die verstanden haben, dass die Gewerkschaftsbürokratie den Klassencharakter der Gewerkschaftsorganisationen nicht aufhebt.
Aber es gibt einen sehr wichtigen Unterschied zwischen dem Staat und der Gewerkschaft. Letzterer ist ein Organismus des Kampfes, der auf dem freiwilligen Beitritt des Proletariats beruht, während der Staat ein Organismus ist, der den Produktionsmechanismus kontrolliert und über die Zwangsmittel der Gewalt gegen die Proletarier verfügt, die den Kampf für den Kommunismus fortsetzen. In der Praxis drückt sich dieser Unterschied unserer Meinung nach in zwei unterschiedlichen Haltungen aus, die Marxisten einnehmen müssen. Angesichts eines faschistischen Angriffs müssen wir eine Einheitsfront mit der Sozialdemokratie bilden, um die gewerkschaftliche Organisation gegen die Angriffe des Feindes zu verteidigen. Beispiele dafür gab es während des Aufstiegs des Faschismus in Italien, als die Partei von der linken Strömung geführt wurde, von der unsere Fraktion behauptet, die Fortsetzung zu sein.
Aber der Staat, unter der Führung des Opportunismus, nimmt seinen Platz unter den Kräften der Reaktion ein und zwingt die Proletarier mit Gewalt, seine Politik zu unterstützen. Denn der Staat ist, anders als die Gewerkschaft, direkt mit dem Produktionsapparat verbunden. Folgt daraus, dass man die Notwendigkeit der zweiten Partei, einer zweiten Revolution verkünden muss und dass man gegen den Zentrismus, der die Führung des proletarischen Staates an sich gerissen hat, zu den Waffen greifen muss? Ja, für diejenigen, die den politischen Kampf als das Ergebnis eines Kampfes zwischen Anhängern gegensätzlicher Auffassungen betrachten. Nein, für Marxisten, die ihr Handeln auf den Prinzipien des Klassenkampfes aufbauen.
Der Zentrismus usurpiert die Führung des proletarischen Staates und dies beweist die Schwäche des russischen und des Weltproletariats, die revolutionäre Funktion des Staates zu sichern. Das russische Proletariat kann seine Stärke wiedererlangen, indem es seine linke Fraktion aufbaut, die allein die Kontinuität des Lebens der Klasse übernimmt. Wenn formal und nach den "Lehren" des Idealismus die Oppositionellen sich der Gewalt des Opportunismus widersetzen müssen, der Kommunisten deportiert und ermordet, so wird das Proletariat vom marxistischen Standpunkt aus darum kämpfen, den Organismus zu schmieden, der die richtige Gelegenheit abzuwarten weiß, um den Kampf zu führen, der den russischen Staat für die Arbeiterklasse zurückerobern kann.
Die Tatsache, dass der vom Zentrismus geführte Staat als reaktionäre Kraft eingestuft wird, wird durch die Rolle der kommunistischen Parteien in verschiedenen Ländern, insbesondere in Deutschland, belegt. Dies wird durch die Erfolge der Industrialisierung in der UdSSR nicht geleugnet. Dies sind keine Momente im Kampf des russischen Proletariats für den Aufbau des Sozialismus. In der Tat wird der Mehrwert jetzt dazu benutzt, den revolutionären Kampf in den verschiedenen Ländern zu behindern, und er wird morgen bei der Mobilisierung des Proletariats eingesetzt werden, um es dazu zu bringen, in einer der imperialistischen Konstellationen am Krieg teilzunehmen.
Letztlich hätten die Marxisten ihre Position gegenüber dem russischen Staat aus der Betrachtung eines in seiner historischen Funktion durch den Zentrismus entstellten Staates ableiten müssen. Anstelle des Dilemmas ‚Kapitalismus gegen den zentristisch geführten russischen Staat‘ hätte das wahre Dilemma ‚Imperialismus gegen den linken Flügel der KPR‘ lauten müssen.
Es ist zutiefst bedauerlich, dass Genosse Trotzki seine Position, die er 1927 vertrat, als er von der Clemenceau-Erfahrung sprach, aufgegeben hat, um jene andere politische Position einzunehmen, die er während des chinesischen Angriffs auf die Ostchinesische Eisenbahn verteidigte. Erst kürzlich – nach der deutschen Niederlage – behauptete Genosse Trotzki, dass die Linke an der Spitze des russischen Staates nur eine ähnliche Politik wie Stalin betreiben könne.
Der Sieg des Zentrismus und die Entwicklung seiner Funktion machen die Hypothese des universellen Kampfes des Kapitalismus gegen die UdSSR immer unwahrscheinlicher. Aber selbst wenn dies zuträfe, wäre der Platz des russischen und des Weltproletariats auf der Seite der Linken und nicht auf der Seite des Zentrismus, der im Krieg zur unvermeidlichen Schlussfolgerung seiner Politik käme und den proletarischen Charakter des Staates direkt ins Spiel brächte.
Genosse Trotzki spricht sich auch für die Gründung einer zweiten Partei in Russland aus. Aber die Bedingungen für eine zweite Partei bestehen in der Veränderung des proletarischen Charakters des russischen Staates: Parteien, die sich auf ein Programm stützen, das auf die Zerstörung des Staates gerichtet ist. Außerdem ist die Diktatur des Proletariats mit zwei Parteien nicht denkbar.
Die Oppositionen haben nicht einmal die sehr schwierigen Probleme des Aufbaus einer linken Fraktion der KPR, ihrer Beziehungen zu den Gewerkschaftsorganisationen und den Sowjets in Angriff genommen, und dies angesichts der realen Gefahr, dass der Klassenfeind diesen Kampf gegen den Zentrismus ausnutzen wird, um Russland für seine Herrschaft zurückzuerobern. Unsere Fraktion selbst hat diese Probleme nur gestreift, und es ist ihr noch nicht gelungen, eine positive Lösung zu finden. Doch dies ist eine der historischen Aufgaben der linken Fraktionen der kommunistischen Parteien.
Genosse Trotzki hat die Lösung dieser Probleme erheblich erschwert, indem er innerhalb der Internationalen Opposition ein Verbot gegen all jene aussprach, die es wagten, die von ihm gegenüber der UdSSR vertretene Position in Frage zu stellen. Auf der anderen Seite gelingt es den Militanten, die sich die Mühe machen zu behaupten, dass der russische Staat kein proletarischer Staat mehr ist und sich in was auch immer verwandelt hat, nicht, irgendeinen Fortschritt im Kampf der Arbeiterklasse zu erzielen. Im Gegenteil, da sie alle Hindernisse überspringen, die der marxistischen Analyse der ersten Erfahrung eines proletarischen Staates und eines vom Opportunismus besiegten Staates zugrunde liegen, verschaffen sie sich so einen billigen inneren Frieden und verbieten sich den Kampf für den Aufbau der Fraktion.
Es ist die Aufgabe der linken Fraktionen, das Proletariat auf die Rolle aufmerksam zu machen, die die UdSSR bereits in der Arbeiterbewegung gespielt hat, und bereits die Entwicklung aufzuzeigen, die der proletarische Staat unter der Führung des Zentrismus nehmen wird. Von nun an muss die Distanzierung von der Politik, die der Zentrismus dem Arbeiterstaat auferlegt hat, offenkundig sein. Die Arbeiterklasse muss vor der Position gewarnt werden, die der Zentrismus dem russischen Staat nicht in seinem Interesse, sondern gegen seine Interessen aufzwingen will. Morgen, und das muss heute gesagt werden, wird der Zentrismus die Interessen des Proletariats verraten.
Eine solche energische Haltung ist geeignet, die Aufmerksamkeit der Proletarier zu wecken, die Parteimitglieder aus den Klauen des Zentrismus zu reißen und den Arbeiterstaat wirklich zu verteidigen. Nur so können Energien für den Kampf mobilisiert werden, der den Oktober 1917 für das Proletariat bewahren wird.
In der Vergangenheit haben wir den Grundgedanken der "Fraktion" gegen die so genannte "Oppositions"-Position verteidigt. Mit Fraktion meinten wir den Organismus, der den Rahmen bildet, der die Kontinuität des revolutionären Kampfes gewährleistet, und der dazu berufen ist, der Träger des proletarischen Sieges zu werden. Gegen uns triumphierte der Begriff der "Opposition" innerhalb der Internationalen Linken Opposition. Letztere forderte, dass die Notwendigkeit einer Kaderausbildung nicht verkündet werden sollte: Der Schlüssel zu den Ereignissen liege in den Händen des Zentrismus und nicht in den Händen der Fraktion.
Diese Divergenz nimmt nun einen neuen Aspekt an, aber es ist immer noch derselbe Gegensatz, auch wenn es auf den ersten Blick scheint, dass das Problem heute darin besteht: für oder gegen die neuen Parteien. Genosse Trotzki vernachlässigt zum zweiten Mal die Arbeit der Kaderschulung völlig, weil er glaubt, dass er sofort zum Aufbau neuer Parteien und der neuen Internationale übergehen kann.
Es wird heute dafür plädiert, dass wir mit der sozialistischen Linken zusammenarbeiten, um die neue Internationale zu bilden. Zu diesem Zweck wird die Teilnahme Lenins an den Konferenzen von Zimmerwald und Kienthal hervorgehoben, die als unverzichtbare Vorläufer der Dritten Internationale dargestellt werden. Zunächst ist es notwendig, die Wahrheit über diese Konferenzen, die während des Krieges stattfanden, wiederherzustellen: Ihr Ziel war keineswegs die Bildung einer neuen Internationale, sondern die Wiederaufnahme der Verbindungen nach dem Verrat von 1914. Es ist auch nicht richtig, dass diese Konferenzen aus politischer Sicht Vorläufer der Dritten Internationale waren.
Andererseits ist es wahr, dass die Bolschewiki zwischen 1914 und 1919 langsam die Grundlagen der neuen Internationale vorbereiteten, aber nie in Zusammenarbeit mit den Formationen des Zentrums oder der linken Mitte, die an Zimmerwald und Kienthal teilgenommen hatten. Die galoppierende Eile der gleichen Genossen, die in den letzten Jahren hart gegen diejenigen gekämpft haben, die sich weigerten, auf die "Wiedererrichtung" der kommunistischen Parteien zu schwören, diese Eile, die neuen Parteien aufzubauen, hat nichts mit Lenins Werk zu tun. Auch nach dem Krieg nahm Lenin den Aufbau der neuen Internationale nicht sofort in Angriff, sondern setzte ihn erst nach dem Sieg der russischen Revolution fort.
Das Problem der sozialistischen Linken wird jetzt von Genosse Trotzki und der Internationalen Opposition in einem ganz neuen Licht dargestellt! Die Divergenz zwischen Lenin und uns in dieser Frage lag in der Vergangenheit auf dem Gebiet der Taktik, die gegenwärtige Divergenz zwischen dem Genossen Trotzki und unserer Fraktion liegt auf dem Gebiet der Prinzipien. Als in den Anfangsjahren der Komintern das Problem der Entwicklung der Partei durch den Beitritt einer Fraktion der sozialistischen Linken aufgeworfen wurde, dachten wir an die Aufnahme dieser Fraktion in die Partei, die bereits über eine Reihe etablierter programmatischer Positionen verfügte und die die in sie aufgenommene Formation assimilieren sollte. Doch heute ist das anders: Die sozialistische Linke wird als fähig angesehen, am Aufbau neuer Parteien mitzuwirken. Der Prozess der Bildung von Sektionen der Dritten Internationale – gegen den wir alle Vorbehalte aufrechterhalten, die der Genosse Bordiga seinerzeit geäußert hat – hat nichts mit der neuen Position des Genossen Trotzki zu tun. Die kommunistischen Parteien basierten in der Tat auf der ideologischen und programmatischen Abgrenzung, die sich aus der Russischen Revolution ergab: Alle Formationen der sozialistischen Linken hatten keine andere Wahl, als sich der Dritten Internationale anzuschließen oder auf die andere Seite der Barrikade zu wechseln. Die Formel des Genossen Trotzki "die sozialistische Linke entwickelt sich zum Kommunismus" wird durch die Erfahrungen der Nachkriegszeit kategorisch widerlegt: "die sozialistische Linke entwickelt sich zur Sozialdemokratie".
Wir sind der Meinung, dass der Krieg und die Russische Revolution einen endgültigen Bruch in der Geschichte darstellen. Vor 1914 waren die sozialistischen Parteien innerhalb der Arbeiterklasse zu finden, danach befanden sie sich auf der anderen Seite: innerhalb des Kapitalismus. Diese Umwandlung der Klassenposition der Sozialdemokratie bringt also einen grundlegenden Gegensatz zwischen den sozialistischen Linken, die die kommunistischen Parteien vorbereitet haben, und den sozialistischen Nachkriegslinken mit sich, die für die Sozialdemokratie notwendig sind, um die Massen zu täuschen und ihr zu ermöglichen, weiterhin ihre Funktion im Interesse des Feindes zu erfüllen. Die sozialistische Linke hinkt heute hinter dem, was die Russische Revolution gezeigt hat, hinterher und kann niemals mit den linken Fraktionen der kommunistischen Parteien koexistieren, um das Programm zu bestimmen, das die Lehren aus der großen Erfahrung einer proletarischen Regierung und der schrecklichen Erfahrung, die mit dem Sieg des Zentrismus einherging, für künftige Revolutionen umsetzen soll.
Außerdem haben diese Linken die Nachkriegsereignisse nur von der anderen Seite der Barrikade aus erlebt und vertreten daher Organismen, die viel rückschrittlicher sind als der Zentrismus selbst.
In der unmittelbaren Nachkriegszeit konnte die Sozialdemokratie in den Massen nur durch die direkte Intervention von Vandervelde und Co. wirken, an deren Händen noch immer das Blut der Proletarier klebte. Zu diesem Zeitpunkt konnte von einer sofortigen Wiederzusammenführung der Trümmer der Zweiten Internationale keine Rede mehr sein, und die Internationale Zweieinhalb war geboren.
Jetzt, nach den Ereignissen in Deutschland, wo die Sozialdemokratie ihre Rolle glänzend erfüllt hat (indem sie dem Faschismus die Macht in der neuen Form der gesellschaftlichen Organisation überließ, die dem Kapitalismus durch die wirtschaftlichen Bedingungen aufgezwungen wurde), braucht die internationale Sozialdemokratie die Hilfe ihres linken Flügels, um ihre Positionen in der Arbeiterklasse zu halten. Wenn es keine Initiative der sozialistischen Linken für eine neue internationale Organisation gegeben hat, wenn es nicht in allen Ländern zur Bildung unabhängiger sozialistischer Parteien gekommen ist, dann liegt das daran, dass die Politik des Zentrismus den kommunistischen Parteien ihre Fähigkeit genommen hat, das Proletariat zur Revolution zu führen. Die Sozialdemokratie kann nun für sich in Anspruch nehmen, in Deutschland eine Politik der Mitte betrieben zu haben, um die Rolle zu rechtfertigen, die sie bei den Ereignissen spielte, die zum Sieg des Faschismus führten.
Aber wenn heute die Bedingungen für die Bildung unabhängiger sozialistischer Parteien nicht gegeben sind, so spricht nichts dagegen, dass morgen, wenn die Lage komplizierter wird, solche Parteien gebildet werden. Daher ist es für uns von Interesse, eine allgemeine, für die Zukunft gültige Regel aufzustellen: Die Arbeit der Linksfraktionen für die Bildung neuer Parteien und der neuen Internationale kann nicht aus einer Zusammenführung von grundsätzlich gegensätzlichen historischen Gruppierungen resultieren: Die Parteien können nur aus der Arbeit der Linksfraktionen entstehen, und nur aus ihnen.
Die Funktion einer politischen Formation ergibt sich weder aus ihren Erklärungen noch aus der Intervention von Einzelpersonen, selbst wenn diese die Kraft und das Genie des Genossen Trotzki besitzen. Die sozialistische Linke ist ein integraler Bestandteil der sozialistischen Parteien, d.h. der gesellschaftlichen Kräfte, die seit 1914 im Dienste des Feindes stehen. Ihre möglichen Initiativen zur Gründung neuer Parteien oder einer neuen Internationale entsprechen nur der Notwendigkeit, die historische Funktion der sozialistischen Parteien fortzuführen. Ihr politisches Material hinkt hinter der Russischen Revolution her und ist gegen sie gerichtet; ihre Internationale ist nicht die Vierte Internationale, sondern die Internationale 2¾.
Zwischen der Internationalen Opposition der Linken und den sozialistischen Linken, die an der Bildung der neuen Parteien mitwirken würden, wäre es nicht die erste, die die zweite im Interesse der Revolution beugen würde. Das Gegenteil wäre der Fall, denn der Kampf um die Revolution ist nicht der Kampf individueller Fähigkeiten oder Fertigkeiten, sondern der Kampf der gesellschaftlichen Kräfte. Und in der heutigen Zeit, in der wir den Fortschritt der Offensive des Kapitalismus auf der ganzen Welt sehen, würden die stummen Kräfte der Kommunistischen Opposition zu Gefangenen der sozialistischen Linken werden, die sie schließlich lähmen, kompromittieren und zersetzen würden.
Das Problem des Aufbaus der neuen Parteien und der neuen Internationale wird in einer völlig falschen Weise angegangen. Anstelle einer gründlichen Analyse der Situation zur Überprüfung, ob die Voraussetzungen für die Gründung neuer Organisationen gegeben sind, wird die Notwendigkeit der Gründung einer neuen Internationalen von vornherein festgestellt. Aus der Formel: Eine Revolution ist ohne kommunistische Partei unmöglich, wird die vereinfachende Schlussfolgerung gezogen, dass die neue Partei bereits aufgebaut sein muss. Es wäre so, als ob wir aus der Prämisse: Ohne Aufstand können wir uns nicht verteidigen – nicht einmal die elementaren Forderungen der Arbeiter –, ableiteten, den Aufstand sofort zu starten. Vielmehr werden die linken Fraktionen nur dann zur Bildung neuer Parteien übergehen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind.
Wir haben bereits auf die spezifischen Bedingungen für die Gründung der neuen Parteien und der neuen Internationale hingewiesen; wir haben auch erklärt, dass diese Bedingungen gegenwärtig nicht gegeben sind. Den Beweis für die historische Unreife der gegenwärtigen Bewegung zum Aufbau neuer Organisationen liefert der Genosse Trotzki, der gezwungen ist, sich an die sozialistische Linke zu wenden, um diese Arbeit zu übernehmen. Die Unreife der Situation lässt uns vorhersehen, dass die Internationale 2¾, die am entstehen ist, höchstwahrscheinlich auf eine bloße Änderung des Namens der Internationalen Linken Opposition reduziert werden wird. Sie wird bald ihren Irrtum erkennen und – so hoffen wir sehr – den schwierigen Weg der linken Fraktionen gehen. Aber wir müssen unser politisches Handeln auf die Positionen stützen, die derzeit von den führenden Organen der Opposition verkündet werden.
In dieser Hinsicht und solange die Zusammenarbeit mit der sozialistischen Linken nur eine Perspektive für die Zukunft bleibt, besteht die Aufgabe der Proletarier, die in der Opposition kämpfen, darin, sich in Fraktionen innerhalb dieser Organisationen zusammenzuschließen. Aber wenn wir praktisch zur gemeinsamen Arbeit mit den sozialistischen Linken für die Gründung neuer Parteien übergehen sollten, wäre es die Pflicht der Proletarier, diese Organisationen zu verlassen, denn der wirkliche Kampf für die Fraktionen der Linken, für die neuen Parteien, für die Vierte Internationale, würde außerhalb und gegen diese historischen Ausläufer stattfinden.
Die Internationale Linke Opposition hätte nach den Ereignissen in Deutschland eine Überprüfung der von ihr vertretenen politischen Positionen vornehmen müssen. Dies hätte in Zusammenarbeit mit allen Fraktionen geschehen müssen, die zuvor ausgeschlossen worden waren, weil sie andere politische Positionen vertraten. Ob es sich um die Politik des Wiederaufbaus der Partei oder um die Politik der Einheitsfront im Kampf zwischen Sozialdemokratie und Faschismus handelte, in beiden Fällen haben sich die von der Linken Opposition vertretenen Positionen im Laufe der Ereignisse in Deutschland als falsch erwiesen. Anstatt diese politische Überprüfung mit den ausgeschlossenen kommunistischen Gruppen durchzuführen, wendet sich die Opposition ihrer Ausweitung zu, während alle politischen Probleme im Dunkeln bleiben und alle politischen Differenzen erstickt werden. Die Wende selbst zeigt die Unfähigkeit der Opposition, den politischen Kampf innerhalb eines Zusammenschlusses kommunistischer Kräfte, die seit Jahren gegen den Zentrismus kämpfen, aufrechtzuerhalten.
Und doch kann nur dieser politische Kampf die neuen Parteien und die neue Internationale vorbereiten.
Schon jetzt hören wir eine bekannte Kritik an denjenigen, die wie wir für harte Arbeit beim Aufbau linker Fraktionen eintreten. Das Echo der Kritik der Reformisten, als wir die Kommunistische Partei aufbauten, oder der Zentristen, als wir um linke Fraktionen kämpften, ist in den Reihen der Opposition wieder zu hören. Wir seien "diejenigen, die nichts tun und nichts tun wollen", im Gegensatz zu all denen, die sich zwanglos auf das Abenteuer einlassen, eine neue Internationale aufzubauen.
Aus marxistischer Sicht wird die Arbeit der Massen nicht als Mobilisierung der Gefühle der Arbeiter für politische Formationen verstanden, die von den Journalisten aller Parteien als die dominierenden Elemente der Situation dargestellt werden. Vielmehr ist die einzige wirkliche Mobilisierung darin zu sehen, die Massen aufzufordern, sich auf Klassenpositionen und innerhalb ihrer spezifischen Organisationen zu konzentrieren. So werden wir den Kampf der Massen für ihre eigenen Forderungen und in ihren gewerkschaftlichen Organisationen dem empörenden Tamtam der Kongresse von Amsterdam und Paris, die die Arbeiter zur Bildung von Komitees außerhalb des Klassenkampfes aufrufen, sowie dem Antifaschismus und dem so genannten Klassenantifaschismus brutal entgegensetzen. Diese Formulierungen beherrschen die Illusion, "viel zu tun", während sie "nichts tun", weil sie den journalistischen und bürokratischen Skandal durch die tatsächliche Arbeit der Massen ersetzen, die nur auf der Grundlage von Klassenforderungen und Organisationen geleistet wird.
In ähnlicher Weise haben die Anhänger des Aktivismus bei der Gründung der neuen Parteien, anstatt den Organismus für die politische Aktion, die Fraktion, aufzubauen, viel Aufhebens von der Notwendigkeit gemacht, keinen Augenblick zu vergeuden, um sich in die Arbeit zu stürzen, in die einzige Arbeit, die zähle, nämlich die, die Partei aufzurichten. Und wenn die Partei nicht mehr aufzurichten ist, dann ändert man, ohne zu zögern, einfach die äußere Form der bisherigen Position und macht sich daran, neue Parteien aufzubauen. Es ist offensichtlich, dass Demagogie und flüchtiger Erfolg auf der Seite des Sports und nicht auf der Seite der revolutionären Arbeit stehen.
Diese Arbeit verdichtet sich in der vorher zu entscheidenden Notwendigkeit der schmerzlichen intellektuellen Anstrengungen der Proletarier, die vergangenen Ereignisse zu verstehen, um den Organismus zu schaffen, der für politische Positionen kämpft, die die kommunistische Lösung für diese Ereignisse bieten. Ohne diese geistige Arbeit ist keine Massenarbeit möglich, kann keine Mobilisierung für die proletarische Revolution erreicht werden. Die Internationale Opposition hat in der so genannten "Periode des Aufschwungs" den Rahmen der linken Fraktionen gesprengt, indem sie kommunistische Gruppen in allen Ländern ausschloss, sich auf Argumente stützte, die die Proletarier verführen und täuschen, sie aber nicht aufklären, und die irreführende Perspektive aufstellte, dass nur durch diese Ausschlüsse die Bedingungen für die Erholung der Parteien erreicht werden. Hätte die Linke Opposition die Fraktionen nicht zerschlagen, um die Parteien „wiederaufzurichten“, wäre sie nach den deutschen Ereignissen nicht gezwungen, an die sozialistische Linke zu appellieren, sondern hätte dank ihrer ideologischen und organisatorischen Stärkung die Möglichkeit, die Bewegungen, die innerhalb der kommunistischen Parteien entstehen, zu kanalisieren. Auch heute, nach der Wende, kämpft die Linke Opposition gegen jene Kommunisten, die standhaft den Lehren der Ereignisse unserer Meister treu bleiben, und bezeichnet diese Kommunisten als "Parasiten der neuen Partei von morgen". Auch wenn die Linke Opposition von Massenarbeit redet, stellt sie sich damit außerhalb der kommunistischen Massenarbeit. Sie wirft uns nur Sand in die Augen mit dem Lieblingsargument des Opportunismus, der schon immer mehr realistisch als revolutionär, besser informiert und aktiver als die standhaften Kommunisten war.
Es ist sicher, dass es dem Genossen Trotzki gelingen wird, seine Persönlichkeit vor den politischen Komplikationen zu bewahren, die durch die Zusammenarbeit mit der sozialistischen Linken bei der Gründung neuer Parteien entstehen werden. Aber es geht nicht um die Persönlichkeit des Genossen Trotzki, es geht um die Interessen der kommunistischen Bewegung, die nicht von Trotzkis Persönlichkeit abhängen, sondern vom Klassenkampf und den politischen Kräften am Werk. Und in dieser Hinsicht sind die einzig gültigen Handlungsregeln diejenigen, die mit den Lehren des Marxismus verbunden sind und denen das Proletariat entsprechen muss, um aus der schrecklichen Situation herauszukommen, in der es sich derzeit befindet.
Die Linksfraktion der KPI hat immer wieder Lösungen vorgeschlagen, die es uns ermöglicht hätten, in der Arbeit voranzukommen und uns den vor uns liegenden Aufgaben zu stellen. Auf der Pariser Konferenz, wie auch danach, wurden unsere Vorschläge unter dem Vorwand, selber viel mehr zu tun, abgelehnt. Selbst heute, wenn wir eine sorgfältige Auseinandersetzung unter den Kommunisten über die politischen Positionen vorschlagen, die während der Nachkriegsereignisse verteidigt wurden, reagiert man in der Form der Gründung einer neuen Internationale. Wir bekräftigen jetzt schon, dass die Vierte Internationale nicht mit allgemeinem Misstrauen, mit dem Ausschluss von Militanten aus der Linken Opposition, mit dem kleinlichen Kampf des Skandals gegen die linken Kräfte der Opposition gegründet werden wird. Die Internationale, die unter solchen Bedingungen aufgebaut wird, wird ihren Platz nach der Internationale Zweieinhalb haben.
Die Vierte Internationale, die neuen Parteien, werden in einer völlig anderen politischen Atmosphäre vorbereitet. Dort, wo die Vergangenheit, die wir gerade durchlebt haben, verstanden wird, ohne auf Manöver zurückzugreifen, die einen flüchtigen Erfolg ermöglichen. Große historische Ereignisse werden die Gründung dieser neuen Organisationen begleiten, aber damit diese Ereignisse in der Weltrevolution gipfeln können, müssen die wesentlichen Voraussetzungen für den Kampf, die linken Fraktionen, schon jetzt vorbereitet werden. Diese haben nichts mit voreiligen Experimenten zu tun und können ihre Verantwortung nicht mit Abenteuern verbinden, die nicht die neuen Organisationen, sondern deren Karikatur verwirklichen und die den Kampf des Proletariats für die Revolution, für den Sturz des Kapitalismus in der ganzen Welt zurückwerfen und nicht vorantreiben werden.
Die Exekutivkommission der Linksfraktion der Italienischen Kommunistischen Partei
23. August 1933
Datum und Zeit: 8. Oktober 2025, 19:00 Uhr
Es ist 120 Jahre her, dass die Arbeiterklasse in Russland gegen das zaristische Regime aufstand und Kampf- und Organisationsformen entwickelte, die die Antwort des Proletariats auf den Beginn einer völlig neuen Epoche des Weltkapitalismus ankündigten: den Massenstreik und die Arbeiterräte.
Diese Organisationformen und Methoden des Kampfes sollten in den folgenden Jahrzehnten immer wieder auftauchen, vor allem in der internationalen revolutionären Welle von 1917-23, in der die in ihren Räten organisierte Arbeiterklasse in Russland für kurze Zeit die politische Macht ergriff und hielt. Somit enthält die Revolution von 1905 noch immer zahlreiche Lehren für den Klassenkampf heute und in Zukunft.
Es ist Aufgabe all derer, die die Notwendigkeit eines revolutionären Kampfes gegen den Kapitalismus erkennen, diese Lehren im Lichte der nachfolgenden Erfahrungen zu diskutieren und zu klären. Dies ist das Ziel der bevorstehenden öffentlichen Diskussionsveranstaltung, die online in deutscher Sprache stattfinden wird (zusammen mit anderen Diskussionsveranstaltungen zum gleichen Thema in verschiedenen Sprachen).
Angesichts der Unbeständigkeit der sich zuspitzenden Weltlage widmen wir oft einen Teil solcher Diskussion wichtigen aktuellen Entwicklungen. Dieses Mal werden wir aufgrund der Gewerkschaftsmobilisierungen in Frankreich auch darauf zu sprechen kommen - sie sind ohnehin mit dem Hauptthema verknüpft, da es um die gemeinsame Frage geht, wie die Arbeiterklasse kämpfen muss.
Wer teilnehmen möchte, schreibt bitte an: [email protected] [14]
In der Zwischenzeit empfehlen wir einige Artikel auf unserer Website:
1905: Als die Arbeiterklasse in Russland ihren revolutionären Charakter zeigte [15]
1905: Der Massenstreik und die Arbeiterräte [16]
Vor 100 Jahren: Die Revolution von 1905 in Russland (Teil 1) [17]
Vor 100 Jahren: Die Revolution von 1905 in Russland (Teil 2) [18]
Vor 100 Jahren: Die russische Revolution von 1905 (Teil 3) [19]
Die Angriffe auf unsere Lebensbedingungen sind derzeit extrem brutal. Man muss bis in die 1930er Jahre zurückgehen, um Spuren ähnlich gewaltsamer Maßnahmen zu finden.
Angesichts dieser unerträglichen Situation breitet sich in der gesamten Gesellschaft Wut aus. Diese wachsende Unzufriedenheit verwandelt sich in allen Ländern zunehmend in Kampfeslust. In Großbritannien haben sich die Arbeiterinnen und Arbeiter 2022 massiv mobilisiert und „Enough is enough“ (Zu viel ist zu viel) skandiert.
Bayrou behauptete wochenlang in allen Fernsehsendungen, dass die Verschuldung uns in den Bankrott treibe, dass wir über unsere Verhältnisse lebten, dass die „Boomer” egoistisch und privilegiert seien und dass wir für die Zukunft unserer Kinder akzeptieren müssten, auf unsere „Privilegien” zu verzichten. Was für eine Schande! Und das zu einer Zeit, in der der Staat Hunderte von Milliarden in seine Militärausgaben investiert und die „Ultrareichen” Dividende um Dividende einstreichen.
Die Regierung Bayrou ist gestürzt, Bayrou hat seinen Rücktritt vor der heutigen Mobilisierung organisiert, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass die Straße regiert. Aber wir dürfen uns keine Illusionen machen, all diese brutalen Angriffe wird der Staat weiterhin versuchen, uns zuzufügen, egal wie die neue Regierung aussieht.
In Belgien, Italien, Spanien, den Vereinigten Staaten, überall verhängen die Regierungen Kürzungen der Sozialbudgets und der Löhne, Personalabbau und höhere Arbeitszeiten. Und alle erhöhen die Mittel für den Krieg um Milliarden.
Deutschland, das doch für seine wirtschaftliche Stabilität bekannt ist, erlebt eine beispiellose Entlassungswelle. Unter dem direkten Druck der Handelsspannungen und der Kriegslast wurden innerhalb eines Jahres 112.000 Arbeitsplätze abgebaut, Tausende weitere sind bedroht. Die Regierung plant eine umfassende Sparpolitik, um das für 2027 prognostizierte Defizit von mehr als 30 Milliarden Euro auszugleichen. Gleichzeitig verspricht Friedrich Merz, Deutschland mit der „mächtigsten Armee Europas” auszustatten. Das Verteidigungsbudget soll von 62 Milliarden Euro im Jahr 2025 auf 153 Milliarden im Jahr 2029 steigen (gegenüber nur 44 Milliarden im Jahr 2019).
„Blut, Mühen, Tränen und Schweiß“ – diese Worte Churchills werden von all diesen Regierungen, ob links oder rechts, ob demokratisch, rechtsextrem oder populistisch, aufgegriffen. Unabhängig von der politischen Ausrichtung derjenigen, die den Staat führen, verteidigen sie alle das „nationale Interesse”, d. h. die Interessen der nationalen Bourgeoisie. Gerade jetzt werden dieselben Angriffe in Großbritannien von einer Labour-Regierung (also „Arbeiter“-Regierung) durchgeführt!
Die Schulden, die sie uns aufbürden wollen, sind kein Ausdruck unserer angeblichen Privilegien, sondern der historischen Krise des Kapitalismus. Das ist die einzige Zukunft, die dieses bankrotte System zu bieten hat: immer mehr Elend, immer mehr Krieg.
Angesichts dieser Brutalität wollen sich die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht mehr beugen. Seit mehr als drei Jahren hat das Proletariat in Frankreich, Großbritannien, Schweden, Korea, den Vereinigten Staaten, Kanada und Belgien seine Reaktionsfähigkeit wiedergefunden und weiterentwickelt. Die Medien berichten kaum darüber, es herrscht eine regelrechte Nachrichtensperre. Warum? Weil die Bourgeoisie auf keinen Fall will, dass wir uns bewusst werden, dass das Problem global ist und dass die Antwort nur global sein kann. Sie will nicht, dass die Ausgebeuteten erkennen, dass sie überall die gleichen Interessen haben, dass sie überall die gleichen Kämpfe führen. Noch mehr fürchtet sie, dass sie ihre Solidarität und ihre internationale Einheit entwickeln:
– In Belgien: Seit den „Aktionstagen” im Dezember 2024 bis zu den Demonstrationen im Sommer haben sich die Kampfbereitschaft der Arbeiter und der Wille zur Vereinigung des Kampfes nicht verringert.
– In Kanada: Nach den Streiks in Montreal sind es heute diejenigen in Quebec.
– In den Vereinigten Staaten: Die Streiks bei Boeing, in der Automobilindustrie und in den Häfen haben sich ausgeweitet, auch mitten im Wahlkampf.
– In China: Trotz des brutalen Polizeiaufbaus kam es im August zu Streiks in Branchen wie der Pharmaindustrie, der Textilindustrie, der Verpackungsindustrie und der Ersatzteilindustrie.
All diese Kämpfe zeigen, dass die Arbeiterklasse nicht mehr bereit ist, sich auf dem Altar des nationalen Interesses und ihrer Ausbeuter zu opfern!
„Wie kämpfen wir?” ist die Frage, die sich heute, aber auch morgen stellt. Die aktuelle Bewegung schlägt für diesen Kampf vor, „alles zu blockieren”, um „Druck” auf Macron auszuüben und „eine gerechtere und fairere Politik” der neuen Regierung zu erreichen.
Ja, wir müssen kämpfen! Ja, wir müssen massiv kämpfen! Ja, wir müssen auf die Straße gehen! Aber diese Bewegung „Bloquons tout“ versteht sich als eine Versammlung der französischen Bürger, des „Volkes“, in der sich zahlreiche Gruppen (Kleinunternehmer, Arbeitgeber, Gastronomen ...) gegen die Steuermaßnahmen der Regierung, gegen den Angriff auf ihren Status oder ihre korporatistischen Privilegien mobilisieren. Was können wir von einer Bewegung erwarten, die die Wirtschaft boykottieren will und uns auffordert, unseren Konsum zu reduzieren, den Verkehr zu blockieren, die Nutzung unserer Bankkarten einzuschränken und uns auf Kreisverkehren zu versammeln? Was kann man von einer Bewegung erwarten, deren Parolen ziviler Ungehorsam und das Referendum zur Volksinitiative (das der Gelbwesten) sind und deren Logik darin besteht, sich gegen die Eliten zu richten, die den Staat regieren? Wohin führt eine solche Bewegung? Sie verbreitet die Illusion, dass die Lösung darin besteht, Druck auf die Führungskräfte auszuüben, und dass eine bessere Regierung für das „Volk” möglich sei.
Nur weil andere Teile der Bevölkerung ebenfalls Opfer von Angriffen seitens der Regierung sind, heißt das nicht, dass sich die Arbeiterklasse einer solchen Bewegung anschließen muss, in der sie sich als Klasse verliert. Nur die Arbeiterklasse, eine international ausgebeutete Klasse, hat keine nationalen Interessen zu verteidigen. Ihr Kampf gegen die Auswirkungen der Ausbeutung und für die Verteidigung ihrer Lebensbedingungen ist kein Kampf für die Verbesserung ihres sozialen Status, sondern enthält den Keim für die Zerstörung des kapitalistischen Systems selbst, die Abschaffung der Ausbeutung, des Staates, der Klassen, der Grenzen und der Nationen.
Diese „Blockieren wir alles”-Bewegung bringt keinen neuen Schwung in den Kampf gegen den Kapitalismus. Die Werbung für die Bewegung durch alle Medien und die Parteien der Linken und der extremen Linken zielt darauf ab, die Arbeiterinnen und Arbeiter in eine Bewegung zum Dampfablassen zu locken, sie im „Volk” als „wütende Bürger” zu verwässern. Diese ohrenbetäubende Kampagne bläst eine Bewegung auf, in der die Forderungen der Arbeiter untergehen und in der die machtlosen Aktionen nicht die unseren sind.
Das bedeutet, die aktuellen Schwierigkeiten der Arbeiterinnen und Arbeiter, sich als Klasse zu erkennen, auszunutzen, um sie in eine Sackgasse zu führen, auf den Weg der demokratischen Illusion, dass die Lösung in einem Regierungswechsel oder sogar einem Präsidentenwechsel liege.
Angesichts unseres Willens zu kämpfen greifen uns alle politischen Kräfte der Bourgeoisie ideologisch an, indem sie uns spalten oder Illusionen über den Kapitalismus nähren. Widerlich ist die Rede von Bayrou, der die „Boomer“ für die Verschuldung verantwortlich macht. Widerlich ist der Wille des bürgerlichen Staates, die Spaltung zwischen den Generationen zu schüren, zwischen den Jüngeren, die den Kampf gegen den Kapitalismus weiterführen sollen, und denen, die im Mai 1968 die größten Streiks in der Geschichte der Arbeiterbewegung organisiert haben und deren Erfahrungen sie an die neue Generation weitergeben können. Die Propaganda der Linken und der extremen Linken, die glauben machen will, dass es keine Krise gebe, dass es ausreichen würde, den Reichen tiefer in die Tasche zu greifen, um alle Probleme zu lösen, ist verlogen. Ja, ihre Milliarden sind angesichts des Elends, das sich in den Reihen des Proletariats ausbreitet, zum Kotzen. Aber das ist der Ausdruck der Profitlogik der kapitalistischen Gesellschaft: ein System der Ausbeutung der Mehrheit durch eine herrschende Minderheit. Weder in Frankreich noch anderswo kann der Kampf der Arbeiterinnen und Arbeiter eine „gerechte” Verteilung des Reichtums zum Ziel haben, denn es gibt keine „gerechte” kapitalistische Ausbeutung. Das Ziel des Arbeiterkampfes ist es, der kapitalistischen Ausbeutung, dem Gesetz des Profits ein Ende zu setzen, um endlich die Bedürfnisse der gesamten Menschheit zu befriedigen.
In Frankreich wie auch anderswo müssen wir, um ein Kräfteverhältnis aufzubauen, das es uns ermöglicht, den unaufhörlichen Angriffen auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu widerstehen, die sich morgen noch weiter verschärfen werden, uns überall, wo wir können, versammeln, um zu diskutieren und die Kampfmethoden hervorzuheben, die die Stärke der Arbeiterklasse ausgemacht und es ihr zu bestimmten Zeitpunkten ihrer Geschichte ermöglicht haben, die Bourgeoisie und ihr System ins Wanken zu bringen:
– die Suche nach Unterstützung und Solidarität über „seine” Zunft, „sein” Unternehmen, „seinen” Wirtschaftsbereich, „seine” Stadt, „seine” Region, „sein” Land hinaus;
– die autonome Organisation des Arbeiterkampfes, insbesondere durch Vollversammlungen, ohne die Kontrolle den Gewerkschaften zu überlassen, diesen sogenannten „Spezialisten” für Kämpfe und deren Organisation;
– eine möglichst breite Diskussion über die allgemeinen Bedürfnisse des Kampfes, über die Lehren, die aus den Kämpfen und auch aus den Niederlagen zu ziehen sind, denn es wird Niederlagen geben, aber die größte Niederlage besteht darin, die Angriffe hinzunehmen, ohne zu reagieren. Der Eintritt in den Kampf ist der erste Sieg der Ausgebeuteten.
Wir schließen mit diesem historischen Beispiel, das für die Zukunft lehrreich ist: 1980 schlossen sich die Arbeiter in Polen zu riesigen Arbeitervollversammlungen zusammen, um ihren Kampf selbst in die Hand zu nehmen und gemeinsam über Forderungen und Kampfmethoden zu entscheiden. Sie haben nicht „das Land lahmgelegt“, sondern sich in Versammlungen und als Klasse organisiert, und so konnten sie ein Kräfteverhältnis mit dem Staat herstellen, um die Sparmaßnahmen abzuwehren. Sie haben sogar die Organisation der Produktion und des Wirtschaftslebens zum Wohle und zur Befriedigung der Bedürfnisse der Streikenden und der gesamten Bevölkerung übernommen, in einem gigantischen Elan der Solidarität und der Bewusstseinsbildung. Das ist einer der Samen, die unsere Vorgänger auf dem langen Weg zur Revolution gesät haben, das ist einer der Samen, die wir in Zukunft keimen lassen müssen, das ist es, was wir vorbereiten müssen, indem wir uns schon heute versammeln und diskutieren, damit dieser Klassenkampf in Zukunft möglich ist. Denn letztendlich wird es nur eine Alternative geben:
Weltrevolution oder Zerstörung der Menschheit
Internationale Kommunistische Strömung (10. September 2025)
Die Bedeutung der Lehren aus dem Jahr 1905 für die Kämpfe von heute und morgen
Paris: 15 bis 18 Uhr im CICP 21 Ter rue Voltaire 75011 Paris
Marseille: 14 bis 17 Uhr Association Mille Bâbords 61 Rue Consolât 13001 Marseille
INTERNATIONALISM.ORG
(vgl. dazu auf der deutschen Webseite: Online-Diskussionstreffen am 8. Oktober 2025 [20] zum gleichen Thema)
Wir sind heute zahlreich auf der Straße. Wir können keine weiteren Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen mehr hinnehmen.
Der neue Premierminister Lecornu kündigt an, die Streichung der beiden Feiertage aufzugeben, um „die Arbeitenden zu schonen“. Gleichzeitig fordert er, andere Einsparungsmöglichkeiten zu finden! Wie kann man seinen Worten Glauben schenken, wenn die Angriffe unvermindert weitergehen, immer noch genauso massiv, immer noch genauso brutal: Kürzungen im Gesundheits- und Bildungswesen oder bei den Sozialleistungen, Senkung der Löhne und Renten, Massenentlassungen, Preissteigerungen, höllisches und unerträgliches Arbeitstempo.
Machen wir uns keine Illusionen! Die neue Regierung tritt in die Fußstapfen ihrer Vorgängerin!
Und Frankreich ist bei weitem nicht das einzige Land in dieser Situation. Überall ist die Arbeiterklasse von Angriffen betroffen. Elend und Prekarität breiten sich wie ein Lauffeuer aus.
Uns wird immer wieder gesagt, dass wir all diese Opfer für „die Zukunft unserer Kinder“ akzeptieren sollten. Was für eine unerträgliche Heuchelei! Diejenigen, die von uns Schweiß und Tränen verlangen, lassen gleichzeitig die Rüstungsausgaben explodieren. Die Militärbudgets steigen weltweit. Frankreich, Polen, Großbritannien und Deutschland wetteifern um den Titel der „mächtigsten Armee Europas“ (so Bundeskanzler Merz). In den Vereinigten Staaten will Trump das Verteidigungsbudget auf 1 Billion Dollar erhöhen! In Frankreich ist dies ein Symbol: Der neue Regierungschef ist auch der ehemalige Verteidigungsminister.
Tatsächlich will die Bourgeoisie hinter den Reden über „untragbare“ Schulden und „zukünftige Generationen“ uns für ihre Kriege, ihre Krise und den Bankrott ihres Systems bezahlen lassen!
Angesichts dieser unerträglichen Situation wächst die Wut in der gesamten Gesellschaft, insbesondere unter den Arbeitern. Seit 2022, mit dem „Sommer der Wut“ in Großbritannien und der Bewegung gegen die Rentenreform in Frankreich im Jahr 2023, gibt es überall auf der Welt Kämpfe:
– Häfen, Automobilindustrie, Luftfahrt in Nordamerika;
– massive Protestbewegung seit Dezember in Belgien gegen die Sparpläne;
– Streiks in China in zahlreichen Unternehmen.
Dies sind nur einige aktuelle Beispiele unter vielen. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen!
Wir versammeln uns wieder auf den Straßen, kämpferisch und wütend. Aber „Mobilisierungstage” der Gewerkschaften, wie den heutigen, haben wir in der Vergangenheit schon hunderte Male erlebt.
Bei den Protesten gegen die Rentenreform waren wir sogar zu Millionen auf den Straßen. Vierzehn Aktionstage, sechs Monate Kampf. Die Demonstrationszüge waren sehr kämpferisch. Die Arbeiter waren froh, sich wiederzusehen, begeistert, gemeinsam und so massiv zu kämpfen. Aber das reichte nicht aus, um die Regierung zum Einlenken zu bewegen!
Die gleichen Mobilisierungen gab es 2022 in Großbritannien. Auch dort kämpften die Arbeiter massiv. Mit großer Wut und dem Stolz, zu rufen: „Die Arbeiterklasse ist zurück!”, hielten sie Woche für Woche, über ein Jahr lang unter Kontrolle der Gewerkschaften durch! Voneinander isoliert, verstreut hinter ihren Streikposten, blieben sie in ihren Betrieben eingeschlossen und erreichten nichts.
Das gleiche Bild bot sich in diesem Jahr in Belgien, wo die als „historisch“ bezeichneten Gewerkschaftsproteste sechs Monate lang andauerten, ohne dass die Bourgeoisie auch nur einen Schritt zurückgewichen wäre.
Die Kampfbereitschaft, die Begeisterung, nicht mehr allein zu sein, der frische Wind, wenn wir uns zu Tausenden versammeln, all das ist eine immense Kraft. Aber allein reicht das nicht aus.
Angesichts der immensen Wut und der Notwendigkeit einer Gegenwehr innerhalb der Arbeiterklasse ruft die Gewerkschaftsvereinigung heute zu einem neuen Mobilisierungstag auf. Laut der Gewerkschaft CGT muss man sich „in gewerkschaftlicher Einheit” mobilisieren. Für die Gewerkschaft FO ist ein „massiver Streik unerlässlich”, für die CFDT „muss man die Welt der Arbeit verteidigen”. Kurz gesagt, man sollte sich massenhaft auf die Seite der Gewerkschaften stellen, um ihnen angeblich mehr Gewicht in den Verhandlungen mit der Regierung zu verschaffen.
Aber nach dem von den Gewerkschaften organisierten „Spaziergang”, bei dem jeder hinter dem Transparent seines Unternehmens, seines Sektors steht, mit voller Lautstärke, ohne Diskussion, ohne Debatte, ohne die Organisation des Kampfes in die Hand zu nehmen, muss jeder nach Hause gehen. Wir können dann nur auf den nächsten „Tag“ warten, den die Gewerkschaften organisieren wollen, und uns in unserer Ecke ein bisschen mehr demoralisieren lassen. Und am Ende wird die Regierung nicht zurückweichen, die Angriffe werden weitergehen...
Aus diesem Grund sagten viele während der Bewegung gegen die Rentenreform bereits: „Mit den Gewerkschaftstagen sehen wir, dass wir viele sind. Aber wir müssen etwas anderes tun, um unsere Stärke zu zeigen”, „Wir müssen den Kampf anders organisieren, denn dem Staat ist es egal, dass wir brav demonstrieren.”
Das hat im Sommer die Idee entstehen lassen: „Wenn wir blockieren, gewinnen wir!“ Das war eine der Parolen, die am 10. September während der Bürgerbewegung „Bloquons tout“ (Lasst uns alles blockieren) verkündet wurde. Überall in Frankreich haben sich 200.000 Menschen durch Blockaden oder Demonstrationen gegen die Angriffe der Regierung, gegen die Inkompetenz der Eliten, gegen die Vermögensunterschiede, gegen den Haushalt, gegen die „Steuerlast“, gegen „die Abgaben“, gegen „die erstickenden Normen“ mobilisiert... Aber letztendlich hat sich auch nichts geändert!
Die Idee, „die Wirtschaft zu blockieren“, ist nicht wirksamer, sie wird sogar oft von den Gewerkschaften vorgebracht! Während der Massenbewegungen von 2010 und 2023 gegen zwei Rentenreformen haben die Gewerkschaften die Eisenbahner und Raffineriebeschäftigten, besonders kämpferische Sektoren, an ihren Arbeitsplätzen eingeschlossen. Es galt, „die strategischen Sektoren zu blockieren“. Sie hielten wochenlang durch... umsonst! Als „Geiselnehmer“ bezeichnet und vom Rest ihrer Klasse isoliert, waren sie am Ende völlig demoralisiert.
Ja, selbst wenn wir zu Millionen auf die Straße gehen, „blockieren“ oder „demonstrieren“, führt der Kampf mit den Gewerkschaften immer zur Niederlage! Wie können wir also ein echtes Kräfteverhältnis aufbauen?
Ja, wir haben die Kraft, eine Regierung zum Rückzug zu zwingen, ihre Angriffe zu bremsen. Einige Kämpfe der Vergangenheit zeigen, dass dies möglich ist:
– Im Mai 1968, nach den massiven Demonstrationen vom 13. Mai gegen die Polizeirepression, breitete sich der Streik mit hoher Geschwindigkeit aus, begleitet von souveränen Generalversammlungen, die allen Arbeitern offenstanden. Diese Dynamik der Ausweitung und Einheit führte zum größten Streik in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung mit neun Millionen Streikenden. Die Regierung und die Gewerkschaften beeilten sich daraufhin, eine Vereinbarung über allgemeine Lohnerhöhungen zu unterzeichnen, um die Dynamik der Bewegung so schnell wie möglich zu bremsen.
– 1980 in Polen gingen die Streikenden angesichts steigender Lebensmittelpreise noch einen Schritt weiter, indem sie sich in riesigen Vollversammlungen versammelten, selbst über Forderungen und Aktionen entschieden und vor allem stets darauf bedacht waren, den Kampf auszuweiten. Von den Versammlungen aus wurden massive Delegationen an alle Arbeitsstätten entsandt, um zur Solidarität und zum Streik aufzurufen. Ohne Behinderung durch die Gewerkschaften breitete sich der Kampf innerhalb von 48 Stunden einheitlich im ganzen Land aus.
– Beim Kampf von 2006 gegen den „Contrat Première Embauche” (CPE) zog die französische Regierung nach nur wenigen Wochen der Mobilisierung ihren Entwurf zurück. Studierende in prekären Verhältnissen organisierten an den Universitäten massive Vollversammlungen, die auch Arbeitnehmern, Arbeitslosen und Rentnern offenstanden, und stellten ein verbindendes Motto in den Vordergrund: den Kampf gegen Prekarisierung und Arbeitslosigkeit. Jedes Wochenende schlossen sich immer mehr Branchen den Demonstrationen an. Arbeitnehmer und Rentner schlossen sich den Studierenden an.
Heute wie gestern müssen wir uns zusammenschließen, überall an den Arbeitsplätzen diskutieren und Vollversammlungen einberufen, um zu überzeugen, dass unsere Stärke in unserer Einheit und unserer Klassensolidarität liegt. Nur offene, massenhafte und autonome Vollversammlungen, die wirklich über den Verlauf der Bewegung entscheiden, können die Grundlage für einen gemeinsamen und sich ausweitenden Kampf bilden, der von der Solidarität zwischen allen Sektoren und Generationen getragen wird.
Wir können gemeinsam immer einheitlichere Forderungen stellen. Wir können in massiven Delegationen losziehen, um die Solidarität der Arbeiter*innen in den Fabriken, Krankenhäusern, Schulen und Verwaltungen in unserer Nähe zu suchen.
Dafür dürfen wir nicht auf die Gewerkschaften vertrauen, die staatliche Organe sind, die dazu dienen, unsere Kämpfe zu behindern, um sie besser kontrollieren zu können.
Ja, wenn wir unsere Kämpfe selbst in die Hand nehmen, können wir die Regierungen zum Einlenken zwingen. Aber der Kapitalismus wird nicht aufhören, das Überleben der menschlichen Zivilisation zu bedrohen. Die Weltwirtschaftskrise wird weiterhin überall Elend verbreiten. Krieg und Chaos werden sich ausbreiten und verstärken. Und die Bourgeoisie wird immer mehr unerträgliche „Opfer” von unseren Lebens- und Arbeitsbedingungen verlangen.
Angesichts dessen müssen wir uns auch außerhalb der Kämpfe überall, wo wir können, versammeln, um unsere Standpunkte auszutauschen, zu diskutieren, Lehren aus den Kämpfen von gestern zu ziehen und die Kämpfe von morgen vorzubereiten. Auch wenn wir nur wenige sind, können wir durch unsere Debatten diesen langen Kampf für den Kommunismus vorbereiten, an die Erfahrungen der Arbeiterbewegung anknüpfen, eine Perspektive entwerfen und damit beginnen, zu verteidigen, dass unsere „defensiven” Kämpfe nicht ausreichen, sondern dass sie auch politisiert werden müssen.
Unsere Kämpfe, ob sie nun erfolgreich sind oder nicht, sind nicht umsonst! Indem wir gemeinsam den Kopf heben und uns weigern, uns mit der Resignation abzufinden, bereiten wir die Kämpfe von morgen vor und schaffen trotz der unvermeidlichen Niederlagen nach und nach die Voraussetzungen für eine neue Welt. Nur durch den Kampf kann das Proletariat erkennen, dass es die einzige Kraft in der Gesellschaft ist, die in der Lage ist, die kapitalistische Ausbeutung abzuschaffen.
Der Weg zur proletarischen Weltrevolution, zum Sturz des Kapitalismus, wird lang und schwierig sein. Er wird mit Hindernissen und Niederlagen gepflastert sein, aber es gibt keinen anderen Weg.
„Die Emanzipation der Arbeiter wird das Werk der Arbeiter selbst sein“!
Internationale Kommunistische Strömung
(18. September 2025)
Links
[1] https://de.internationalism.org/files/de/20250405online-veranstaltung-bruch-usa-europa-flyer.pdf
[2] mailto:[email protected]
[3] https://de.internationalism.org/en/tag/aktuelles-und-laufendes/bruch-usa-europa
[4] https://de.internationalism.org/files/de/manifest-oekologie-2025-kor-low.pdf
[5] mailto:[email protected]
[6] https://de.internationalism.org/content/3289/manifest-zur-oekologischen-krise
[7] https://de.internationalism.org/files/de/202506internationales_flugblatt_gegen_krieg-no2.pdf
[8] https://de.internationalism.org/en/tag/entwicklung-des-proletarischen-bewusstseins-und-der-organisation/internationale-kommunistische
[9] https://de.internationalism.org/en/tag/3/44/internationalismus
[10] https://en.internationalism.org/content/17521/choosing-one-side-against-another-always-means-choosing-imperialist-war
[11] https://www.theguardian.com/law/2017/apr/18/opening-un-holocaust-files-archive-war-crimes-commission
[12] https://en.internationalism.org/content/17615/anti-semitism-zionism-anti-zionism-all-are-enemies-proletariat-part-1
[13] https://de.internationalism.org/content/748/der-zerfall-die-letzte-phase-der-dekadenz-des-kapitalismus
[14] mailto:[email protected]
[15] https://de.internationalism.org/content/3299/1905-als-die-arbeiterklasse-russland-ihren-revolutionaeren-charakter-zeigte
[16] https://de.internationalism.org/content/1156/1905-der-massenstreik-und-die-arbeiterraete
[17] https://de.internationalism.org/content/58/vor-100-jahren-die-revolution-von-1905-russland-teil-i
[18] https://de.internationalism.org/content/633/vor-100-jahren-die-revolution-von-1905-russland-teil-ii
[19] https://de.internationalism.org/russrev/38
[20] https://de.internationalism.org/content/3310/die-lehren-von-1905