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Vorwort
Seit dem 7. Oktober 2023 hat die Barbarei des Krieges im Nahen Osten ein beispielloses Ausmaß erreicht. Vor diesem Datum gab es zahlreiche Anschläge nationalistischer Terroristen gegen die Bevölkerung Israels, aber nichts ist vergleichbar mit der Grausamkeit und dem Ausmaß der Gräueltaten, die die Hamas am 7. Oktober verübt hat. Und obwohl die israelischen Streitkräfte in der Vergangenheit zahlreiche brutale Vergeltungsmaßnahmen gegen die Bevölkerung im Gazastreifen durchgeführt haben, ist nichts vergleichbar mit der systematischen Zerstörung von Häusern, Krankenhäusern, Schulen und anderer lebenswichtiger Infrastruktur im gesamten Gazastreifen und mit der schrecklichen Zahl von Toten und Verwundeten, die Israels Rachefeldzug für den 7. Oktober gefordert hat – ein Feldzug, der immer offener die Form einer ethnischen Säuberung des gesamten Gebiets annimmt, ein Projekt, das nun auch von der Trump-Regierung in den USA offen unterstützt wird. Der Konflikt zwischen Israel und der Hamas hat sich nicht nur auf die Dezimierung der Hisbollah im Libanon, auf Angriffe auf die Houthis im Jemen und auf Militäroperationen gegen den Iran selbst ausgeweitet, sondern die Region wird auch von parallelen Konflikten erschüttert, die nicht weniger unlösbar scheinen: beispielsweise zwischen den Türken und Kurden in Syrien oder zwischen Saudi-Arabien und dem Iran und seinen Houthi-Agenten um die Kontrolle über den Jemen. Der Nahe Osten, eine der wichtigsten Wiegen der Zivilisation, ist zu einem Vorboten ihrer zukünftigen Zerstörung geworden.
In dem Artikel Mehr als ein Jahrhundert imperialistischer Konfrontationen in Israel/Palästina in der Internationalen Revue Nr. 60 haben wir einen historischen Überblick über den „Israel-Palästina“-Konflikt vor dem Hintergrund der umfassenderen imperialistischen Kämpfe um die Kontrolle über den Nahen Osten gegeben. In den beiden folgenden Artikeln werden wir uns auf die ideologischen Rechtfertigungen konzentrieren, mit denen die verfeindeten imperialistischen Lager diese „Spirale der Gräueltaten“ rechtfertigen. So beruft sich der Staat Israel immer wieder auf die Erinnerung an frühere Wellen der Judenverfolgung, allen voran den Holocaust, um die zionistische Kolonisierung Palästinas als legitime nationale Befreiungsbewegung darzustellen und vor allem seine mörderischen Offensiven als nichts anderes als die Verteidigung des jüdischen Volkes gegen einen zukünftigen Holocaust zu rechtfertigen. Der palästinensische Nationalismus und seine linken Unterstützer stellen das Massaker an israelischen und anderen Zivilisten vom 7. Oktober als legitimen Akt des Widerstands gegen jahrzehntelange Unterdrückung und Vertreibung dar, die bis zur Gründung des israelischen Staates zurückreichen. Und mit seinem Slogan „Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein“ bietet der palästinensische Nationalismus ein finsteres Spiegelbild der Forderung der zionistischen Rechten nach der Errichtung eines Großisraels: In der dunklen Utopie, die der erste Slogan entwirft, wird das Land frei von Juden sein, während das Projekt eines Großisraels durch die Massenvertreibung der arabischen Bevölkerung aus dem Gazastreifen und dem Westjordanland verwirklicht werden soll.
Diese Ideologien sind nicht nur passive Reflexe der „materiellen“ Bedürfnisse des Krieges: Sie dienen aktiv dazu, die Bevölkerung der Region und weltweit hinter die verschiedenen kriegführenden Lager zu mobilisieren. Ihre Analyse und Entmystifizierung sind daher eine notwendige Aufgabe für alle, die sich internationalistisch gegen alle imperialistischen Kriege stellen. Wir beabsichtigen, weitere Beiträge zu verfassen, die die Wurzeln anderer Ideologien aufdecken, die in der Region eine ähnliche Rolle spielen, wie beispielsweise der Islamismus und der kurdische Nationalismus.
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Teil 1: Antisemitismus und die Ursprünge des Zionismus
Die bürgerliche Revolution gegen den Feudalismus im Europa des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts nahm im Allgemeinen die Form von Kämpfen um nationale Einheit oder Unabhängigkeit gegen die kleinen Königreiche und größeren Reiche an, die von zerfallenden Monarchien und Aristokratien beherrscht wurden. Die Forderung nach nationaler Selbstbestimmung (zum Beispiel für Polen gegen das Zarenreich) konnte daher ein eindeutig fortschrittliches Element enthalten, das von Marx und Engels beispielsweise im Kommunistischen Manifest nachdrücklich unterstützt wurde. Nicht weil sie diese Forderung als Konkretisierung eines abstrakten „Rechts” aller nationalen oder ethnischen Gruppen sahen, sondern weil sie die politischen Veränderungen beschleunigen konnte, die für die Entwicklung der bürgerlichen Produktionsverhältnisse in einer Zeit notwendig waren, in der der Kapitalismus seine historische Aufgabe noch nicht erfüllt hatte. Nach der Pariser Kommune von 1871, dem ersten Beispiel für die Machtübernahme durch das Proletariat, begann Marx jedoch bereits zu hinterfragen, ob es zumindest in den Zentren des weltweiten kapitalistischen Systems noch wirklich nationale Kriege geben könne. Denn die herrschenden Klassen Preußens und Frankreichs hatten gezeigt, dass die nationalen Bourgeoisien angesichts der proletarischen Revolution bereit waren, ihre Differenzen zu begraben, um die Gefahr durch die ausgebeutete Klasse zu ersticken, und so die „Verteidigung der Nation“ als Vorwand benutzten, um das Proletariat zu zerschlagen. Zum Zeitpunkt des Ersten Weltkriegs, der den Eintritt des Kapitalismus in seine Epoche des Niedergangs markierte, kam Rosa Luxemburg in der Junius-Broschüre zu dem Schluss, dass die nationalen Befreiungskämpfe jeglichen progressiven Inhalt verloren hatten, da sie in die Machenschaften konkurrierender imperialistischer Mächte verstrickt waren. Nicht nur das: Die kleinen Nationen waren selbst imperialistisch geworden, und die „unterdrückten“ Nationen von gestern waren zu Unterdrückern noch kleinerer Nationen geworden, denen sie dieselbe Politik der Ausbeutung, Vertreibung und Massakrierung auferlegten, die sie selbst erlebt hatten. Die Geschichte des Zionismus hat Rosa Luxemburgs Analyse voll und ganz bestätigt. Er war als bedeutende nationale Bewegung als Reaktion auf das „Wiederaufleben“ des Antisemitismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden und somit ebenso wie diese neue Welle des Antisemitismus im Wesentlichen ein Produkt einer kapitalistischen Gesellschaft, die bereits ihrem Niedergang entgegen ging. Wie wir in den folgenden Artikeln zeigen werden, hat er immer wieder bewiesen, dass er ein „falscher Messias“[1] ist, der wie alle Nationalismen nicht nur stets als Akteur in größeren imperialistischen Spielen agierte, sondern auch konsequent die schreckliche Unterdrückung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung in Europa und im Nahen Osten instrumentalisierte, um die Vertreibung und Massaker an der „einheimischen“ Bevölkerung Palästinas zu rechtfertigen.
Aber Luxemburgs Ablehnung aller Formen des Nationalismus wird ebenso durch die Geschichte der verschiedenen Ausdrucksformen des „Antizionismus“ bestätigt. Ob sie nun die grüne Flagge des Dschihadismus oder die rote Flagge der linken Kapitalisten trägt, diese angeblich „antiimperialistische“ Ideologie ist ebenso reaktionär wie der Zionismus selbst und dient dazu, ihre Anhänger an die Fronten des Kapitals zu treiben, hinter andere imperialistische Mächte, die keine Lösung für die schreckliche Notlage der palästinensischen Bevölkerung haben. Wir werden darauf im zweiten Teil des Artikels zurückkommen.
Das Wiederaufleben des Antisemitismus in Westeuropa im späten 19. Jahrhundert
Die Arbeiter-Zeitung Nr. 19 vom 9. Mai 1890 veröffentlichte den folgenden Brief von Engels, der ursprünglich an ein Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Isidor Ehrenfreund, geschrieben worden war. Er war Teil einer allgemeineren Erkenntnis des marxistischen Flügels der Arbeiterbewegung, dass es notwendig war, den Aufstieg des Antisemitismus zu bekämpfen, der Auswirkungen auf die Arbeiterklasse und sogar auf Teile ihrer politischen Avantgarde, die sozialdemokratischen Parteien, hatte.[2]
„Ob Sie aber mit dem Antisemitismus nicht mehr Unglück als Gutes anrichten werden, muß ich Ihnen zu bedenken geben. Der Antisemitismus ist das Merkzeichen einer zurückgebliebenen Kultur und findet sich deshalb auch nur in Preußen und Österreich resp. Rußland. Wenn man hier in England oder Amerika Antisemitismus treiben wollte, so würde man einfach ausgelacht, und Herr Drumont erregt in Paris mit seinen Schriften – die an Geist denen der deutschen Antisemiten unendlich überlegen sind – doch nur ein bißchen wirkungslose Eintagssensation.
Zudem muß er ja jetzt, da er als Stadtratskandidat auftritt, selbst sagen, er sei gegen das christliche Kapital ebensosehr wie gegen das jüdische! Und Herrn Drumont würde man lesen, wenn er auch die gegenteilige Meinung verträte.
Es ist in Preußen der Kleinadel, das Junkertum, das 10000 Mark einnimmt und 20000 Mark ausgibt und daher den Wucherern verfällt, das in Antisemitismus macht, und in Preußen und Österreich ist es der dem Untergang durch die großkapitalistische Konkurrenz verfallene Kleinbürger, Zunfthandwerker und Kleinkrämer, der den Chor dabei bildet und mitschreit. Wenn aber das Kapital diese Klassen der Gesellschaft vernichtet, die durch und durch reaktionär sind, so tut es, was seines Amtes ist, und tut ein gutes Werk, einerlei, ob es nun semitisch oder arisch, beschnitten oder getauft ist; es hilft den zurückgebliebenen Preußen und Österreichern vorwärts, daß sie endlich auf den modernen Standpunkt kommen, wo alle alten gesellschaftlichen Unterschiede aufgehen in den einen großen Gegensatz von Kapitalisten und Lohnarbeitern. Nur da, wo dies noch nicht der Fall, wo noch keine starke Kapitalistenklasse existiert, also auch noch keine starke Lohnarbeiterklasse, wo das Kapital noch zu schwach ist, sich der gesamten nationalen Produktion zu bemächtigen, und daher die Effektenbörse zum Hauptschauplatz seiner Tätigkeit hat, wo also die Produktion noch in den Händen von Bauern, Gutsherren, Handwerkern und ähnlichen aus dem Mittelalter überkommenen Klassen befindet – nur da ist das Kapital vorzugsweise jüdisch und nur da gibt's Antisemitismus.
In ganz Nordamerika, wo es Millionäre gibt, deren Reichtum sich in unseren lumpigen Mark, Gulden oder Franken sich kaum ausdrücken läßt, ist unter diesen Millionären nicht ein einziger Jude, und die Rothschilds sind wahre Bettler gegen diese Amerikaner. Und selbst hier in England ist Rothschild ein Mann von bescheidenen Mitteln z.B. gegenüber dem Herzog von Westminster. Selbst bei uns am Rhein, wo wir mit Hilfe der Franzosen den Adel vor 95 Jahren zum Land hinausgejagt und uns eine moderne Industrie geschaffen haben, wo sind da die Juden?
Der Antisemitismus ist also nichts als eine Reaktion mittelalterlicher, untergehender Gesellschaftsschichten gegen die moderne Gesellschaft, die wesentlich aus Kapitalisten und Lohnarbeitern besteht, und dient daher nur reaktionären Zwecken unter scheinbar sozialistischem Deckmantel; er ist eine Abart des feudalen Sozialismus, und damit können wir nichts zu schaffen haben. Ist er in einem Lande möglich, so ist das ein Beweis, daß dort noch nicht genug Kapital existiert. Kapital und Lohnarbeit sind heute untrennbar. Je stärker das Kapital, desto stärker auch die Lohnarbeiterklasse, desto näher also das Ende der Kapitalistenherrschaft. Uns Deutschen, wozu ich auch die Wiener rechne, wünsche ich also recht flotte Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft, keineswegs deren Versumpfen im Stillstand.
Dazu kommt, daß der Antisemitismus die ganze Sachlage verfälscht. Er kennt nicht einmal die Juden, die er niederschreit. Sonst würde er wissen, daß hier in England und in Amerika, dank den osteuropäischen Antisemiten, und in der Türkei, dank der spanischen Inquisition, es Tausende und aber Tausende jüdischer Proletarier gibt; und zwar sind diese jüdischen Arbeiter die am schlimmsten ausgebeuteten und die allerelendsten. Wir haben hier in England in den letzten zwölf Monaten drei Streiks jüdischer Arbeiter gehabt, und da sollen wir Antisemitismus treiben als Kampf gegen das Kapital?
Außerdem verdanken wir den Juden viel zuviel. Von Heine und Börne zu schweigen, war Marx von stockjüdischem Blut; Lasalle war Jude. Viele unserer besten Leute sind Juden. Mein Freund Victor Adler, der jetzt seine Hingebung für die Sache des Proletariats im Gefängnis in Wien abbüßt, Eduard Bernstein, der Redakteur des Londoner 'Sozialdemokrat', Paul Singer, einer unserer besten Reichstagsmänner – Leute auf deren Freundschaft ich stolz bin, und alles Juden! Bin ich doch selbst von der 'Gartenlaube' zum Juden gemacht worden, und allerdings, wenn ich wählen müßte, dann lieber Jude als 'Herr von'.“
Es war nicht das erste Mal, dass die Arbeiterbewegung und vor allem ihre kleinbürgerlichen Randgruppen von dem befallen waren, was August Bebel einmal als „Sozialismus der dummen Kerle“ bezeichnet hatte – im Wesentlichen die Ablenkung eines embryonalen Antikapitalismus auf die Sündenbockrolle der Juden und insbesondere der „jüdischen Finanzen“, die als einzige Ursache für das Elend der kapitalistischen Gesellschaft angesehen wurden. Proudhons Antisemitismus war bösartig und offen,[3] und Bakunins stand ihm in nichts nach. Und tatsächlich waren selbst Marx und Engels nicht völlig immun gegen diese Krankheit. Marx' Zur Judenfrage von 1843 war ausdrücklich für die politische Emanzipation der Juden in Deutschland gegen die Sophistereien von Bruno Bauer geschrieben, wies aber auch auf die Grenzen einer rein politischen Emanzipation innerhalb der Grenzen der bürgerlichen Gesellschaft hin.[4] Gleichzeitig enthielt der Aufsatz jedoch einige Zugeständnisse an antisemitische Motive, die seitdem von den Feinden des Marxismus genutzt wurden; und die private Korrespondenz von Marx und Engels, insbesondere zum Thema Ferdinand Lassalle, enthält eine Reihe von „Witzen” über dessen jüdische Herkunft (und sogar über seine „negroiden” Züge), die bestenfalls nur Verlegenheit hervorrufen können. Und in einigen seiner früheren öffentlichen Schriften scheint sich Engels einiger antisemitischer Verunglimpfungen in Publikationen, an denen er aktiv mitwirkte, mehr oder weniger nicht bewusst zu sein.[5] Wir werden einige der Fragen, die diese Narben aufwerfen, in einem späteren Artikel aufgreifen.
Als Engels den Brief an Ehrenfreund schrieb, hatte sein Verständnis der gesamten Frage jedoch eine grundlegende Entwicklung durchlaufen. Diese Entwicklung hatte mehrere Ursachen, von denen einige im Brief zum Ausdruck kommen.
Erstens hatte Engels in der Zeit der Ersten Internationale und danach eine Reihe politischer Kämpfe durchlebt, in denen Gegner der marxistischen Strömung nicht gezögert hatten, antisemitische Angriffe gegen Marx selbst zu verwenden – insbesondere Bakunin, der Marx' „Autoritarismus“ mit der Tatsache begründete, dass er sowohl Jude als auch Deutscher sei.[6] Und in Deutschland äußerte Eugen Dühring, dessen angebliches „Alternativsystem” zum marxistischen theoretischen Rahmen Engels zu seiner berühmten Polemik „Anti-Dühring” veranlasste, einen tiefen Hass auf die Juden, der in späteren Schriften die Nazis vorwegnahm, indem er ihre buchstäbliche Ausrottung forderte.[7] So konnte Engels erkennen, dass der „Sozialismus der dummen Kerle“ mehr als ein Produkt von Dummheit oder theoretischen Irrtümern war – er war eine Waffe gegen die revolutionäre Strömung, die er zu entwickeln suchte. So beendet er den Brief mit einem klaren Bekenntnis zur Solidarität gegen die rassistischen Angriffe, die in der antisemitischen Presse gegen die vielen Revolutionäre mit jüdischem Hintergrund veröffentlicht worden waren.
Gleichzeitig, so erklärt Engels in dem Brief, sei im späten 19. Jahrhundert in den Städten Westeuropas „dank den osteuropäischen Antisemiten“ ein jüdisches Proletariat entstanden. Mit anderen Worten: Die zunehmende Verarmung der Juden im Russischen Reich und der wachsende Rückgriff des zerfallenden zaristischen Regimes auf Pogrome hatten Hunderttausende von Juden dazu getrieben, in Westeuropa und den USA Zuflucht zu suchen, wobei die meisten von ihnen nur mit den Kleidern am Leib kamen und keine andere Wahl hatten, als sich den Reihen des Proletariats anzuschließen, insbesondere in der Bekleidungsindustrie. Dieser Zustrom war, ähnlich wie heute die „Flüchtlingswelle“ aus Afrika und dem Nahen Osten nach Westeuropa oder aus Lateinamerika in die USA, ein entscheidender Faktor für den Aufstieg rassistischer Parteien, aber für Engels gab es keinen Moment des Zögerns, die Kämpfe dieser eingewanderten Proletarier zu unterstützen, die, wie es in dem Brief hieß, ihren kämpferischen Geist in einer Reihe von Streiks unter Beweis gestellt hatten (und wir könnten hinzufügen, durch einen recht hohen Grad an Politisierung). Tatsächlich hatte Engels zusammen mit Marx' Tochter Eleonor aus erster Hand Erfahrungen mit den Streikbewegungen jüdischer Arbeiter im Londoner East End gesammelt. Es war daher völlig klar, dass Revolutionäre unter keinen Umständen „Antisemitismus treiben sollen als Kampf gegen das Kapital“.
Die größte Schwäche des Briefes ist die Vorstellung, dass Antisemitismus im Wesentlichen mit dem Fortbestehen feudaler Verhältnisse verbunden sei und dass die weitere Entwicklung des Kapitalismus seine Grundlagen untergraben und ihn sogar lächerlich machen werde.
Natürlich hatte der Antisemitismus tiefe Wurzeln in vorkapitalistischen Gesellschaftsformen. Er reichte mindestens bis in die Antike zurück, wo er durch die anhaltende Tendenz der Bevölkerung Israels, sich gegen die politischen und religiösen Diktate der griechischen und römischen Imperien aufzulehnen, angeheizt wurde. Und er spielte im Feudalismus eine noch wichtigere Rolle. Die zentrale Ideologie des feudalen Europas, das katholische Christentum, beruhte auf der Stigmatisierung der Juden als Mörder Christi, als verfluchtes Volk, das ständig darauf aus sei, den Christen Unglück zu bringen – sei es durch das Vergiften von Brunnen, die Verbreitung der Pest oder die Opferung christlicher Kinder in ihren Passahritualen. Die Entwicklung des Mythos von der weltweiten jüdischen Verschwörung, der nach der Veröffentlichung der Ochrana-Fälschung Protokolle der Weisen von Zion in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts Auftrieb erhielt, hatte zweifellos ihre Wurzeln in diesen dunklen mittelalterlichen Mythologien.
Auf materieller Ebene muss dieser anhaltende Hass auf die Juden außerdem im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Rolle verstanden werden, die den Juden im Feudalsystem zugeschrieben wurde, vor allem als Wucherer – eine Praxis, die Christen formell verboten war. Diese Rolle machte sie zwar zu nützlichen Handlangern der feudalen Monarchen (die sich oft als „Beschützer der Juden” präsentierten), setzte sie aber auch regelmäßigen Massakern aus, die praktisch die Tilgung königlicher oder aristokratischer Schulden mit sich brachten – und schließlich zur Vertreibung aus vielen westeuropäischen Ländern, als das langsame Aufkommen des Kapitalismus eine „einheimische” Finanzelite hervorbrachte, die die Konkurrenz durch die jüdische Finanzwelt ausschalten musste.[8]
Es war auch wahr, dass die Hauptzielgruppe des Antisemitismus die Überreste der Klassen waren, die durch den Vormarsch des Kapitals zum Untergang verurteilt waren – die im Niedergang begriffene Aristokratie, das Kleinbürgertum und so weiter. Dies waren weitgehend die Schichten, an die sich die neue Generation antisemitischer Demagogen wandte – Dühring und Marr in Deutschland (letzterem wird die Erfindung des Begriffs „Antisemitismus” zugeschrieben, der als Abzeichen mit Stolz getragen wurde), Drumont in Frankreich, Karl Lueger, der 1897 Bürgermeister von Wien wurde, usw. Und schließlich hatte Engels Recht, als er darauf hinwies, dass der Vormarsch der bürgerlichen Revolution in Europa zu Beginn des Jahrhunderts einen gewissen Fortschritt in der politischen Emanzipation der Juden mit sich gebracht hatte. Aber Engels' Ansicht, dass die „flotte Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft“ alle verfallenden feudalen Überreste und mit ihnen alle Formen des „feudalen Sozialismus“ wie den Antisemitismus in den Mülleimer der Geschichte werfen würde, unterschätzte das Ausmaß, in dem das Kapital auf seine eigene Verfallsphase zusteuerte. Dies wird bereits in dem Brief angedeutet, in dem Engels schreibt, dass je stärker der Kapitalismus werde, „desto näher also das Ende der Kapitalistenherrschaft“ sei. Und in anderen Schriften hatte Engels tiefgreifende Einsichten darüber entwickelt, wie dieser Untergang aussehen würde:
- Auf wirtschaftlicher Ebene würde gerade die Eroberung der Welt und das Bestreben, alle vorkapitalistischen Regionen in den Kreis der kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse zu integrieren, die Schleusen der weltweiten Überproduktion öffnen, und diese Perspektive zeichnete sich bereits am Ende des zehnjährigen Zyklus von „Hochkonjunktur und Krisen“ und zu Beginn der „langen Depression“ der 1880er Jahre ab. Hinzu kam, dass die Auswirkungen der Depression auch zum Aufkommen antisemitischer Agitation in Europa beitrugen, die oft darauf abzielte, die „jüdischen Geldkönige“ für die nun offensichtlichen wirtschaftlichen Missstände verantwortlich zu machen.[9]
- Auf militärischer Ebene war sich Engels sehr wohl bewusst, dass diese Eroberung der Welt, die Jagd nach Kolonien, kein friedlicher Prozess sein würde, und in einer seiner bemerkenswertesten Vorhersagen sah er voraus, dass der interimperialistische Wettbewerb letztendlich zu einem verheerenden europäischen Krieg führen würde.[10] Der Imperialismus lieferte auch eine „modernere” Form des Rassismus, indem er einen verzerrten Darwinismus benutzte, um die Vorherrschaft der „weißen Rasse” über die „minderwertigen Rassen” zu rechtfertigen, unter denen die Juden als besonders bösartige Kraft angesehen wurden.
- Auf der Ebene der Organisation des Kapitals konnte Engels bereits erkennen, dass der Staat eine zentrale Rolle in der Verwaltung der Volkswirtschaften übernahm, eine Tendenz, die in der Zeit des Niedergangs des Kapitalismus ihre volle Entfaltung finden sollte.[11]
Weit davon entfernt, den Antisemitismus in den Mülleimer der Geschichte zu werfen, sollten die weitere Entwicklung des Weltkapitals, sein beschleunigter Lauf in eine Ära historischer Krisen, dem antijüdischen Rassismus und der Verfolgung vor allem nach der Niederlage der proletarischen Revolutionen von 1917–1923 neuen Auftrieb geben.
Namentlich
- in der Revolution von 1905 in Russland – bereits ein Vorbote der bevorstehenden Epoche der proletarischen Revolution – wurde das Pogrom vom zaristischen Regime als direktes Mittel zur Niederschlagung der Revolution und zur Spaltung der Arbeiterklasse eingesetzt. Diese konterrevolutionäre Strategie wurde von den Weißen Armeen in Russland in noch größerem Umfang als Waffe gegen die Revolution eingesetzt. Daher die unnachgiebige Ablehnung Lenins und der Bolschewiki gegenüber jeder Form von Antisemitismus, der Gift für den Kampf der Arbeiter ist. In Deutschland wurde die Niederlage im Ersten Weltkrieg mit der Legende vom „Dolchstoß“ durch eine Verschwörung von Marxisten und Juden erklärt, was dem Wachstum faschistischer Gruppen und Parteien, allen voran Hitlers Nationalsozialistischer Arbeiterpartei, einen starken Auftrieb gab. Es versteht sich von selbst, dass diese Banden eng mit den militärischen Formationen verbunden waren, die auf Geheiß der sozialdemokratischen Regierung die brutale Unterdrückung der Arbeiteraufstände in Berlin, München und anderswo durchgeführt hatten. In anderen europäischen Ländern der 1920er Jahre, wie Polen und Ungarn, wurde die Niederlage der Revolution durch antisemitische Gesetze gefestigt, die das vorwegnahmen, was in Deutschland unter den Nazis kommen sollte.
- Die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre, das Produkt unpersönlicher kapitalistischer Widersprüche, die selten sichtbar und schwer zu verstehen sind, wurde von den faschistischen und nationalsozialistischen Parteien ebenfalls bis zum Äußersten ausgenutzt, um eine „einfachere“ Erklärung mit einem leicht identifizierbaren Sündenbock zu liefern: den reichen jüdischen Finanzier, der sich mit den blutbefleckten Bolschewiken zu einer finsteren Verschwörung gegen die arische Zivilisation verbündet hatte.
Vor dem Hintergrund dieser schrecklichen Entwicklungen kam ein junges Mitglied der trotzkistischen Bewegung, Avram Leon, der im von den Nazis besetzten Belgien versuchte, einige Erkenntnisse von Marx zu einem historischen Verständnis der Judenfrage[12] zu entwickeln, zu dem Schluss, dass dies eine Frage war, die der dekadente Kapitalismus völlig unfähig war zu lösen. Dies galt nicht weniger für die sogenannten „sozialistischen“ Regime in der UdSSR und in ihrem Block. Unter Stalins Herrschaft wurden antisemitische Kampagnen oft dazu benutzt, um innerhalb der Bürokratie Rechnungen zu begleichen und einen Sündenbock für die Miseren des stalinistischen Systems zu liefern. Besonders berüchtigt ist die „Ärzteverschwörung“ von 1953, die an die alte Legende von den Juden als heimliche Giftmischer erinnert. Die stalinistische Version der „jüdischen Selbstbestimmung“ nahm hingegen die Form der „autonomen Region“ Birobidschan in Sibirien an, die Trotzki zu Recht als „bürokratische Farce“ bezeichnete. Diese Verfolgungen, oft unter dem Banner des „Antizionismus“, setzten sich in der Nachstalinzeit fort und führten zur Massenauswanderung russischer Juden nach Israel.
Wenn der Aufschwung des modernen Antisemitismus und die Wiederbelebung völlig reaktionärer, aus dem Feudalismus stammender Mythen ein Zeichen für die nahende Senilität des Kapitalismus waren, gilt das Gleiche für den modernen Zionismus, der in den 1890er Jahren als direkte Reaktion auf die antijüdische Welle entstand.
Dreyfus, Herzl und die Entwicklung des Zionismus
Wie wir in der Einleitung zu diesem Artikel dargelegt haben, war der Zionismus das Produkt einer allgemeineren Entwicklung des Nationalismus im 19. Jahrhundert, der ideologischen Reflexion der aufstrebenden Bourgeoisie und ihrer Ersetzung der feudalen Zersplitterung durch einheitlichere Nationalstaaten. Die Vereinigung Italiens und die Befreiung von der österreichischen Vorherrschaft waren eine der heroischen Errungenschaften dieser Zeit, die einen entscheidenden Einfluss auf die ersten Theoretiker des Zionismus hatten (zum Beispiel Moses Hess – siehe unten). Die Juden passten sich jedoch nicht den Hauptströmungen des bürgerlichen Nationalismus an, da ihnen ein einheitliches Territorium und sogar eine gemeinsame Sprache fehlten. Dies war einer der Faktoren, die den Zionismus daran hinderten, eine Massenanziehungskraft zu entfalten, bis er durch den aufkommenden Antisemitismus des späten 19. Jahrhunderts vorangetrieben wurde.
Die zionistische Ideologie stützte sich auch auf die seit langem bestehenden „Besonderheiten” der jüdischen Bevölkerung, deren getrenntes Dasein sowohl durch die spezifische wirtschaftliche Rolle der Juden in der feudalen Wirtschaft als auch durch mächtige politische und ideologische Faktoren geprägt war: einmal durch die staatlich verordnete Ghettoisierung der Juden und ihren Ausschluss aus wichtigen Bereichen der feudalen Gesellschaft; zum anderen durch die Selbstauffassung der Juden als „auserwähltes Volk”, das nur dann „Licht für die Völker” sein könne, wenn es sich von ihnen absonderte, zumindest bis zum Kommen des Messias und der Errichtung des Reiches Gottes auf Erden; diese Vorstellungen waren natürlich geprägt von der Mythologie des Exils und der versprochenen Rückkehr nach Zion, die den biblischen Hintergrund der jüdischen Geschichte durchzieht.
Während jedoch viele orthodoxe Juden aus der „Diaspora“ über Jahrhunderte hinweg individuelle Pilgerreisen ins Land Israel unternahmen, lautete die Hauptlehre der Rabbiner, dass der Wiederaufbau des Tempels und die Gründung eines jüdischen Staates nur durch das Kommen des Messias erreicht werden könnten. Einige orthodoxe jüdische Sekten, wie beispielsweise Neturei Karta, halten noch heute an solchen Vorstellungen fest und sind vehement antizionistisch, selbst diejenigen, die in Israel leben.
Die Entwicklung des Säkularismus im Laufe des 19. Jahrhunderts ermöglichte es einer nicht-religiösen Form der „Rückkehr”, unter der jüdischen Bevölkerung Anhänger zu gewinnen. Das vorherrschende Ergebnis des Niedergangs des orthodoxen Judentums und seiner Ablösung durch modernere Ideologien wie Liberalismus und Rationalismus war jedoch, dass die Juden in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern begannen, ihre einzigartigen Merkmale zu verlieren und sich in die bürgerliche Gesellschaft zu assimilieren. Einige Marxisten, insbesondere Kautsky,[13] sahen in diesem Assimilationsprozess sogar die Möglichkeit, das Problem des Antisemitismus innerhalb der Grenzen des Kapitalismus zu lösen.[14] Das Wiederaufleben des Antisemitismus in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts stellte diese Annahmen jedoch in Frage und gab gleichzeitig der Fähigkeit des modernen politischen Zionismus einen entscheidenden Impuls, eine Alternative zur Verfolgung der Juden und zur Verwirklichung der nationalen Bestrebungen der jüdischen Bourgeoisie anzubieten.
Der Titel „Gründervater” dieser Form des Zionismus wird gewöhnlich Theodor Herzl verliehen, der 1897 den ersten Zionistenkongress einberief. Aber es gab Vorläufer. 1882 veröffentlichte Leon Pinsker, ein in Odessa im Russischen Reich lebender jüdischer Arzt, Autoemancipation! – Mahnruf an meine Stammesgenossen von einem russischen Juden, in dem er die Auswanderung der Juden nach Palästina befürwortete. Pinsker war ein Assimilationist gewesen, bis sein Glaube an die Möglichkeit, dass Juden in der „nichtjüdischen” Gesellschaft Sicherheit und Würde finden könnten, durch die brutalen Pogrome in Odessa im Jahr 1881 erschüttert wurde.
Noch merkwürdiger war vielleicht die Entwicklung von Moses Hess, der in den frühen 1840er Jahren ein Genosse von Marx und Engels gewesen war und tatsächlich eine bedeutende Rolle in deren Übergang von der radikalen Demokratie zum Kommunismus und in ihrer Anerkennung des revolutionären Charakters des Proletariats gespielt hatte. Aber als das Kommunistische Manifest entstand, hatten sich ihre Wege getrennt, und Marx und Engels ordneten Hess den „deutschen“ oder „wahren“ Sozialisten zu. In den 1860er Jahren hatte Hess jedenfalls einen ganz anderen Kurs eingeschlagen. Wiederum wahrscheinlich beeinflusst durch die ersten Anzeichen einer antisemitischen Reaktion auf die formale Emanzipation der Juden in Deutschland, wandte sich Hess immer mehr der Idee zu, dass nationale und sogar rassische Konflikte als soziale Determinanten nicht weniger wichtig seien als der Klassenkampf, und in seinem Buch Rom und Jerusalem, die letzte Nationalitätsfrage (1862) befürwortete er eine frühe Form des Zionismus, die von der Errichtung eines jüdischen sozialistischen Gemeinwesens in Palästina träumte. Bezeichnenderweise hatte Hess bereits erkannt, dass ein solches Projekt die Unterstützung einer der Weltmächte benötigen würde, und für ihn kam dafür nur das republikanische Frankreich in Frage.
Wie Pinsker war auch Herzl ein mehr oder weniger assimilierter Jude, ein Anwalt aus Österreich, der den neuen Aufbruch der Judenfeindlichkeit und die Wahl von Karl Lueger zum Bürgermeister der Stadt miterlebt hatte. Aber es war wahrscheinlich die Dreyfus-Affäre in Frankreich, die den größten Einfluss auf Herzl hatte und ihn davon überzeugte, dass es keine Lösung für die Verfolgung der Juden geben könne, solange sie keinen eigenen Staat hätten. Im Jahr 1894 war das republikanische Frankreich, wo die Revolution den Juden Bürgerrechte gewährt hatte, Schauplatz eines inszenierten Prozesses wegen Hochverrats gegen einen jüdischen Offizier, Alfred Dreyfus, der zu lebenslanger Haft verurteilt und auf die Strafkolonie Teufelsinsel in Französisch-Guayana verbannt wurde, wo er die nächsten fünf Jahre unter sehr harten Bedingungen verbrachte. Spätere Beweise dafür, dass Dreyfus Opfer einer Verschwörung geworden war, wurden von der Armee unterdrückt, und die Affäre führte zu einer scharfen Spaltung der französischen Gesellschaft, in der sich die katholische Rechte, die Armee und die Anhänger Drumonts gegen die Dreyfusards stellten, zu deren führenden Persönlichkeiten Emile Zola und Georges Clemenceau gehörten. Schließlich (aber erst 1906) wurde Dreyfus rehabilitiert, doch die Spaltungen innerhalb der französischen Bourgeoisie verschwanden nicht, sondern traten mit dem Aufstieg des Faschismus in den 1930er Jahren und in der „nationalen Revolution“ Pétains nach der Eroberung Frankreichs durch Nazi-Deutschland 1941 wieder zutage.
Herzls Zionismus war gänzlich säkular, auch wenn er sich auf die alten biblischen Motive des Exils und der Rückkehr in das Gelobte Land stützte, das, wie die Mehrheit der Zionisten erkannte, eine viel größere ideologische Kraft hatte als andere potenzielle „Heimatländer“, die damals diskutiert wurden (Uganda, Südamerika, Australien usw.).
Vor allem aber verstand Herzl, dass er seine Utopie den Reichen und Mächtigen seiner Zeit verkaufen musste. So wandte er sich nicht nur an die jüdische Bourgeoisie, von der einige bereits die jüdische Auswanderung nach Palästina und anderswo finanziert hatten, sondern auch an Herrscher wie den osmanischen Sultan und den deutschen Kaiser; 1903 erhielt er sogar eine Audienz beim notorisch antisemitischen Innenminister Plehve in Russland, der an der Provokation des schrecklichen Pogroms von Kischinew im selben Jahr beteiligt gewesen war. Plehve erklärte Herzl, die Zionisten könnten in Russland frei agieren, solange sie sich darauf beschränkten, Juden zur Auswanderung nach Palästina zu ermutigen. Hatte nicht der Minister des Zaren, Pobedonostsev, erklärt, das Ziel seiner Regierung in Bezug auf die Juden sei, dass „ein Drittel aussterben, ein Drittel das Land verlassen und ein Drittel vollständig in der umgebenden Bevölkerung aufgehen“? Und nun boten die Zionisten an, die Klausel über die „Auswanderung aus dem Land“ in die Tat umzusetzen ... Diese Gemeinsamkeit der Interessen zwischen dem Zionismus und den extremsten Formen des Antisemitismus war somit von Anfang an in die Bewegung eingebunden und sollte sich im Laufe ihrer Geschichte immer wieder zeigen. Herzl war der festen Überzeugung, dass der Kampf gegen den Antisemitismus Zeitverschwendung sei – nicht zuletzt, weil er in gewisser Weise der Meinung war, dass die Antisemiten Recht hatten, wenn sie die Juden als Fremdkörper in ihrer Mitte betrachteten.[15]
„In Paris also gewann ich ein freieres Verhältnis zum Antisemitismus, den ich historisch zu verstehen und zu entschuldigen anfing. Vor allem erkannte ich die Leere und Nutzlosigkeit der Bestrebungen ‚zur Abwehr des Antisemitismus’“ (Tagebücher, Band 1, S. 6 f., Mai-Juni 1895).
Von Anfang an also galt:
- Der Antisemitismus war ein zentraler Faktor für den Aufstieg und die Entwicklung einer bedeutenden zionistischen Bewegung, aber sie beruhte auf der Überzeugung, dass es unmöglich sei, den Judenhass zu überwinden, solange die Juden keinen eigenen Staat oder zumindest keine eigene „nationale Heimstätte“ hatten.
- Der Zionismus schlug daher vor, seine Energien nicht auf die Bekämpfung des Antisemitismus in der „Diaspora“ zu konzentrieren, und befürwortete sogar die Zusammenarbeit mit dessen Hauptvertretern.
- Von Anfang an benötigte das zionistische Projekt die Unterstützung der herrschenden imperialistischen Mächte, was 1917 mit der Balfour-Erklärung Großbritanniens noch deutlicher werden sollte. Dies war eine Vorwegnahme dessen, was in der Epoche des kapitalistischen Niedergangs zur Realität aller nationalen Bewegungen werden sollte: Sie konnten nur vorankommen, indem sie sich an die eine oder andere der imperialistischen Mächte banden, die in dieser Epoche die Welt beherrschten.
Das Streben nach Unterstützung durch die imperialistischen Mächte war insofern völlig logisch, als der Zionismus in einer Zeit entstand, in der der Imperialismus noch sehr stark mit der Eroberung neuer Kolonien in den Randgebieten der Welt beschäftigt war und sich als Versuch sah, eine Kolonie in einem Gebiet zu schaffen, das entweder für unbewohnt erklärt worden war (mit der Losung „Land ohne Menschen für Menschen ohne Land“ von zweifelhafter Herkunft) oder von rückständigen Stämmen bewohnt war, die nur von einer neuen Zivilisierungsmission durch eine fortgeschrittenere westliche Bevölkerung profitieren konnten.[16] Herzl selbst schrieb eine Art utopischen Roman mit dem Titel Altneuland, in dem palästinensische Landbesitzer einen Teil ihres Landes an Juden verkaufen, in moderne landwirtschaftliche Maschinen investieren und so den Lebensstandard der palästinensischen Bauern verbessern. Problem gelöst!
„Arbeiter Zions“: die unmögliche Verschmelzung von Marxismus und Zionismus
Herzls politischer Zionismus war eindeutig ein bürgerliches Phänomen, ein Ausdruck des Nationalismus in einer Zeit, in der der Kapitalismus seinem Niedergang entgegen ging und damit auch der progressive Charakter nationaler Bewegungen zu Ende ging.
Und doch drangen gerade in Russland zur gleichen Zeit andere Formen des jüdischen Separatismus in die Arbeiterbewegung ein, einerseits in Form des Bundismus, andererseits in Form des „sozialistischen Zionismus“. Dies war eine Folge der materiellen und ideologischen Segregation der jüdischen Arbeiterklasse unter dem Zarismus.
„Die Struktur der jüdischen Arbeiterklasse entsprach einer schwachen organischen Zusammensetzung des Kapitals innerhalb des Ansiedlungsgebiets, was eine Konzentration in den Endstufen der Produktion mit sich brachte. Die kulturellen Besonderheiten des jüdischen Proletariats, die in erster Linie mit seiner Religion und Sprache zusammenhingen, wurden durch die strukturelle Trennung vom russischen Proletariat noch verstärkt. Die Konzentration der jüdischen Arbeiter in einer Art sozioökonomischem Ghetto war der materielle Ursprung für die Entstehung einer spezifischen jüdischen Arbeiterbewegung“.[17]
Der Bund – der Allgemeine Jüdischer Arbeiterbund in Litauen, Polen und Russland – wurde 1897 als explizit sozialistische Partei gegründet und spielte eine bedeutende Rolle in der Entwicklung der Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, der er sich zugehörig fühlte. Er lehnte religiöse und zionistische Ideologien ab und trat für eine Form der „nationalen kulturellen Autonomie“ für die jüdischen Massen in Russland und Polen als Teil eines umfassenderen sozialistischen Programms ein. Er strebte auch danach, der einzige Vertreter der jüdischen Arbeiter in Russland zu sein, und genau dieser Aspekt seiner Politik wurde von Lenin am schärfsten kritisiert, da er eine föderalistische Vision implizierte, eine Art „Partei innerhalb der Partei“, die die Bemühungen um den Aufbau einer zentralisierten revolutionären Organisation im gesamten Reich untergraben würde.[18] Diese Meinungsverschiedenheit führte 1903 zum Bruch auf dem Zweiten Kongress der SDAPR, was jedoch nicht das Ende der Zusammenarbeit und sogar der Versuche einer Wiedervereinigung in den folgenden Jahren bedeutete. Die Arbeiter des Bund standen oft an der Spitze der Revolution von 1905 in Russland. Aber die Fähigkeit jüdischer und nichtjüdischer Arbeiter, sich in den Sowjets zu vereinen und Seite an Seite zu kämpfen – auch bei der Verteidigung jüdischer Viertel gegen Pogrome –, wies bereits über alle Formen des Separatismus hinaus und auf die zukünftige Vereinigung des gesamten Proletariats, sowohl in seinen allgemeinen, einheitlichen Organisationen als auch in seiner politischen Avantgarde.
Was den „sozialistischen Zionismus“ betrifft, haben wir bereits die Ansichten von Moses Hess erwähnt. In Russland gab es die Gruppe um Nachman Syrkin, die Sozialistische Arbeiterpartei Zion, deren Positionen denen der Sozialrevolutionäre nahe standen. Syrkin war einer der ersten Befürworter kollektiver Siedlungen – der Kibbuzim – in Palästina. Aber es war die Gruppe Poale Zion (Arbeiter Zions) um Ber Borochov, die den Versuch unternahm, den Zionismus mit marxistischen theoretischen Konzepten zu rechtfertigen. Nach Borochov konnte die Judenfrage nur gelöst werden, wenn die jüdischen Bevölkerungsgruppen weltweit eine „normale“ Klassenstruktur hatten, in der die „umgekehrte Pyramide“ mit ihrem überwiegenden Anteil an mittleren Schichten abgeschafft war; und dies konnte nur durch die „Eroberung der Arbeit“ in Palästina erreicht werden. Dieses Projekt sollte in der Idee der „jüdischen Arbeit allein” in den neuen landwirtschaftlichen und industriellen Siedlungen verwirklicht werden, die im Gegensatz zu anderen Formen des Kolonialismus nicht direkt auf der Ausbeutung der einheimischen Arbeitskräfte beruhen sollten. So würde schließlich ein jüdisches Proletariat einer jüdischen Bourgeoisie gegenüberstehen und bereit sein, zur sozialistischen Revolution in Palästina überzugehen. Im Wesentlichen handelte es sich hierbei um eine Form des Menschewismus, eine „Stufentheorie“, nach der jede Nation zunächst eine bürgerliche Phase durchlaufen musste, um die Voraussetzungen für eine proletarische Revolution zu schaffen – während sich die Welt in Wirklichkeit rasch auf eine neue Epoche zubewegte, in der die einzige Revolution auf der Tagesordnung der Geschichte die weltweite proletarische Revolution war, auch wenn zahlreiche Regionen noch nicht in die bürgerliche Entwicklungsphase eingetreten waren. Darüber hinaus wurde die Politik der „jüdischen Arbeit allein“ in Wirklichkeit zum Sprungbrett für eine neue Form des Kolonialismus, in der die einheimische Bevölkerung schrittweise enteignet und vertrieben werden sollte. Und tatsächlich zeigte Borochow, wenn er die bestehende arabische Bevölkerung Palästinas überhaupt berücksichtigte, dieselbe kolonialistische Haltung wie die Mainstream-Zionisten. „Die Ureinwohner Palästinas werden sich wirtschaftlich und kulturell mit demjenigen assimilieren, der Ordnung in das Land bringt und die Entwicklung der Produktionskräfte Palästinas in Angriff nimmt.“[19]
Der Borochowismus war somit eine völlige Sackgasse, was sich im späteren Schicksal der Poale Zion widerspiegelte. Obwohl ihr linker Flügel 1914–1920 seinen proletarischen Charakter unter Beweis gestellt hatte, indem er sich gegen den imperialistischen Krieg stellte, die Arbeiterrevolution in Russland unterstützte und sogar erfolglos um die Aufnahme in die Komintern in ihren Anfangsjahren bemühte, führte die Lebensrealität in Palästina zu unüberbrückbaren Spaltungen, sodass sich die Mehrheit der Linken vom Zionismus lossagte und 1923 die Palästinensische Kommunistische Partei gründete.[20] Der rechte Flügel (zu dem auch der spätere israelische Ministerpräsident David Ben Gurion gehörte) wandte sich der Sozialdemokratie zu und spielte eine führende Rolle in der Verwaltung des Proto-Staates Yishuv vor 1948 und des Staates Israel nach dem „Unabhängigkeitskrieg“.
In den frühen 70er Jahren erlebte der Borochowismus, der mehr oder weniger verschwunden war, eine Art Wiederbelebung – als Instrument der israelischen Staatspropaganda. Angesichts einer neuen Generation jüdischer Jugendlicher im Westen, die vor allem nach dem Krieg von 1967 und der Besetzung des Westjordanlands und des Gazastreifens Israels Politik kritisch gegenüberstanden, setzten die linken zionistischen Parteien, die ihre Wurzeln in der Poale Zion hatten, ihre ganze Energie darauf, diese jungen Juden, die vom Antizionismus der „Neuen Linken“ angezogen waren, für sich zu gewinnen. Als Köder diente ihnen das Versprechen, dass man gleichzeitig Marxist und Zionist sein könne und dass der Zionismus eine nationale Befreiungsbewegung sei, die ebenso berechtigt sei wie die vietnamesische oder palästinensische Befreiungsbewegung.
In diesem ersten Teil des Artikels haben wir genau das Gegenteil begründet: dass der Zionismus, der in einer Zeit entstand, in der „nationale Befreiung” immer unmöglicher wurde, nicht umhin kam, sich an die damals herrschenden imperialistischen Mächte anzubinden. Im zweiten Teil werden wir nicht nur zeigen, dass seine gesamte Geschichte von dieser Realität geprägt war, sondern auch, dass er unweigerlich seine eigenen imperialistischen Projekte hervorgebracht hat. Wir werden aber auch argumentieren, dass dies, im Gegensatz zum linken Flügel des Kapitals, der den Zionismus als eine Art einzigartiges Übel darstellt, das Schicksal aller nationalistischen Projekte in der Epoche der kapitalistischen Dekadenz war und dass die antizionistischen Nationalismen, die er ebenfalls hervorgebracht hat, keine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel sind.
Amos, Februar 2025
[1] Zionism, False Messiah ist der Titel eines 1969 erstmals erschienenen Buches von Nathan Weinstock. Es enthält eine sehr detaillierte Geschichte des Zionismus und belegt eindrucksvoll die Richtigkeit des Titels. Es ist jedoch aus einer trotzkistischen Perspektive geschrieben, die eine differenzierte Argumentation zugunsten „antiimperialistischer“ nationaler Kämpfe liefert. Wir werden im zweiten Artikel darauf zurückkommen. Ironischerweise hat Weinstock seine früheren Ansichten aufgegeben und bezeichnet sich nun selbst als Zionist, wie der Jewish Chronicle genüsslich hervorhebt (Meet the Trotskyist anti-Zionist who saw the errors of his ways, Jewish Chronicle 4. Dezember 2014).
[2] In seinem Buch The Socialist Response to Anti-Semitism in Imperial Germany (Cambridge 2007) liefert Lars Fischer zahlreiche Belege dafür, dass selbst die fähigsten Führer der deutschen Sozialdemokratischen Partei – darunter Bebel, Kautsky, Liebknecht und Mehring – in dieser Frage eine gewisse Verwirrung an den Tag legten. Interessanterweise hebt er Rosa Luxemburg hervor, die die klarste und unnachgiebigste Position zum Aufstieg des Judenhasses und seiner antiproletarischen Rolle vertreten habe.
[3] Zum Beispiel: „Wir müssen die Ausweisung [der Juden] aus Frankreich fordern, mit Ausnahme derjenigen, die mit französischen Frauen verheiratet sind; die Religion muss verboten werden, weil der Jude der Feind der Menschheit ist, man muss diese Rasse nach Asien zurückschicken oder ausrotten. Heine, (Alexandre) Weill und andere sind nur Spione; Rothschild, (Adolph) Crémieux, Marx, (Achille) Fould sind böse, unberechenbare, neidische Wesen, die uns hassen.“ Dreyfus, François-Georges. 1981. Antisemitismus in der Dritten Französischen Republik. In Bernd Marin und Ernst Schulin, Hrsg., Die Juden als Minderheit der Geschichte, München, DTV
[4] Vgl. 160 Jahre nach der Veröffentlichung des Aufsatzes Zur Judenfrage, Internationale Revue Nr. 32
[5] Siehe beispielsweise Mario Kessler, Engels’ position on anti-Semitism in the context of contemporary socialist discussions (Engels’ Position zum Antisemitismus im Kontext zeitgenössischer sozialistischer Diskussionen), Science & Society, Band 62, Nr. 1, Frühjahr 1998, 127–144, für einige Beispiele sowie einige fragwürdige Aussagen von Engels selbst über Juden in seinen Schriften zur nationalen Frage.
[6] Zum Beispiel in „An die Brüder der Allianz in Spanien“, 1872. Siehe auch https://libcom.org/article/translation-antisemitic-section-bakunins-letter-comrades-jura-federation
[7] Vgl. Kessler, a.a.O.
[8] Dies schloss jedoch nicht aus, dass später, insbesondere nach der politischen „Emanzipation“ der europäischen Juden infolge der bürgerlichen Revolution, eine echte jüdische Bourgeoisie in Europa entstand, vor allem im Finanzbereich. Die Rothschilds sind das offensichtlichste Beispiel dafür.
[9] Siehe unseren Artikel Dekadenz des Kapitalismus (VI) Die Theorie des kapitalistischen Niedergangs und der Kampf gegen den Revisionismus, Internationale Revue Nr. 47. Die Beteiligung bestimmter jüdischer Bankiers am Börsencrash, der die Depression auslöste, lieferte dieser Demagogie weiteren Zündstoff.
[10] Ebda.
[11] In Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft
[12] Abraham Léon: Die jüdische Frage – Eine marxistische Darstellung (zuerst veröffentlicht auf Französisch, 1946; auf Deutsch u.a. hier: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/leon/1946/judenfrage/index.htm. Siehe auch 160 Jahre nach der Veröffentlichung des Aufsatzes Zur Judenfrage, Internationale Revue Nr. 32
[13] Vgl. insbesondere Rasse und Judentum (1914)
[14] In den 1930er Jahren gab Trotzki ein Interview, in dem er sagte: „In meiner Jugend neigte ich eher zu der Prognose, dass die Juden verschiedener Länder assimiliert würden und dass die Judenfrage somit quasi automatisch verschwände. Die historische Entwicklung des letzten Vierteljahrhunderts hat diese Perspektive nicht bestätigt. Der niedergehende Kapitalismus hat überall zu einem verschärften Nationalismus geführt, zu dem auch der Antisemitismus gehört. Die Judenfrage ist in dem am höchsten entwickelten kapitalistischen Land Europas, in Deutschland, am größten geworden“ https://www.marxists.org/archive/trotsky/1940/xx/jewish.htm. Angesichts seines allgemeineren politischen Rahmens führte dies Trotzki zu der Argumentation, dass nur der Sozialismus den Juden (und übrigens auch den Arabern) echte „nationale Selbstbestimmung“ bieten könne.
[15] Diese Sichtweise kommt noch deutlicher in einer Aussage des deutschen politischen Zionisten Jacob Klatzkin zum Ausdruck, der schrieb: „Wenn wir die Rechtmäßigkeit des Antisemitismus nicht anerkennen, leugnen wir die Rechtmäßigkeit unseres eigenen Nationalismus. Wenn unser eigenes Volk es verdient und bereit ist, sein eigenes nationales Leben zu führen, dann ist es ein Fremdkörper, der in die Nationen, unter denen es lebt, hineingedrängt wird, ein Fremdkörper, der auf seiner eigenen unverwechselbaren Identität besteht ... Es ist daher richtig, dass sie für ihre nationale Integrität gegen uns kämpfen“ (zitiert nach Lenni Brenner, Zionism in the Age of the Dictators: A Reappraisal, London 1983).
[16] Es gab einige Ausnahmen in der zionistischen Bewegung zu dieser paternalistischen Haltung. Asher Ginsberg, besser bekannt unter seinem Pseudonym Ahad Ha'am, stand dieser „kolonialistischen“ Haltung gegenüber den Einheimischen sehr kritisch gegenüber und schlug anstelle eines jüdischen Staates eine Art Netzwerk lokaler jüdischer und arabischer Gemeinschaften vor. Kurz gesagt, eine Art anarchistische Utopie.
[17] Enzo Traverso, Die Marxisten und die jüdische Frage. Geschichte einer Debatte (1843–1943), zit. nach der englischen Ausgabe 1994 (und von uns übersetzt)
[18] Siehe insbesondere Lenin, Die Stellung des „Bund“ in der Partei, Iskra 51, 22. Oktober 1903, LW Band 7 S. 82 ff., verfügbar auch im Marxist Internet Archive. Siehe auch 1903-4: the birth of Bolshevism, International Review Nr. 116 (engl./frz./span. Ausgabe)
[19] Borochov, On the Question of Zion and Territory, 1905, zit. (und von uns übersetzt) nach The Other Israel, The Radical Case against Zionism, Hrsg. Arie Bober1972
[20] Dies geschah nach einem komplexen Prozess der Spaltung und Wiedervereinigung, der sich im Wesentlichen um die Haltung zum Zionismus und zum arabischen Nationalismus drehte, und führte später zu weiteren Spaltungen um dieselben Themen. Es ist hier anzumerken, dass die Übernahme der Position der Komintern zur nationalen Frage – Ablehnung des Zionismus zugunsten der Unterstützung des aufkommenden arabischen Nationalismus – keinen Schritt in Richtung eines echten Internationalismus bedeutete. Wie wir in unserem Artikel über unseren Genossen Marc Chirik (Marc, Part 1: From the Revolution of October 1917 to World War II, International Review Nr. 65 – engl./frz/span. Ausgabe) berichten: Marc, dessen Familie nach Palästina geflohen war, um den Pogromen zu entgehen, die gegen die proletarische Revolution in Russland angezettelt worden waren, half im Alter von 12 Jahren bei der Gründung der Jugendorganisation der KP in Palästina – wurde aber bald wegen seiner Ablehnung jeglicher Form von Nationalismus ausgeschlossen ...