Kapitel 9: „IL PARTITO COMUNISTA INTERNAZIONALISTA“ ITALIENS (1943-45)

Printer-friendly version

Trotz der von Mussolini ausgeübten Repression war die „bordigistische“ Strömung nicht verschwunden. Obgleich sich Bordiga nicht mehr an ihr beteiligte und sich vorsichtig zurückhielt, hielten viele „Basismitglieder“ an den Positionen des Kongresses von Livorno fest. Doch war es ihnen nicht möglich, organisierte, legale wie illegale Aktivitäten aufrechtzuerhalten. Vor allem in den Gefängnissen, in den insularen Arbeitslagern (galera) und in den Verbannungsorten (confini) hielt die „bordigistische“ Linke an ihrer Identität und ihren organisatorischen Bindungen fest. Selbst als die letzten, unverwüstlichen Genossen (wie Damen, Repossi und Fortichiari) 1934 aus der PCI ausgeschlossen worden waren, gaben die „bordigistischen“ Militanten den Kampf nicht auf – im Gegenteil.
In Onorato Damen fanden sie ihren entschlossensten und auch wirksamsten Sprecher und Organisator. 1893 in der Provinz Ascoli Piceno geboren, trat er um 1910 ohne Umwege dem linken Flügel der PSI bei. Während des Krieges trug er den Grad eines Unteroffiziers in der Armee, wurde aber 1917 wegen des „Aufrufs zur Fahnenflucht“ und wegen seiner Ablehnung des „imperialistischen Charakters des Krieges“ degradiert und zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Nach seiner Freilassung war er zunächst in Bologna, dann in Imola und schließlich in Livorno Mitglied der „Abstentionistischen Fraktion“. 1921 wurde er Sekretär der Arbeitskammer in Pistoria und Direktor der kommunistischen Zeitung L’Avenire. Nachdem er im gleichen Jahr auf dem Heimweg von einer Wahlveranstaltung von Faschisten festgenommen worden war, musste er nach einem Proteststreik von Arbeitern wieder freigelassen werden. Einige Zeit später prallte er in Begleitung bewaffneter Kommunisten mit Squadristen zusammen, ein toter Faschist blieb auf der Strecke. Des Mordes angeklagt, musste er nach Paris flüchten, wo er drei Jahre lang Direktor der italienischen Ausgabe von L’Humanité war. Nach seiner Rückkehr nach Italien 1924 wurde er zum Abgeordneten von Florenz gewählt. In Opposition zu Gramsci und Togliatti gründete er 1925 mit Repossi, Fortichiari und später auch Perrone das „Comité d’Entente“, das eine linke Fraktion in der Partei bilden wollte. Im November 1926 wurde er nach Ustica verbannt. Im Dezember verurteilte ihn ein Sondergericht zu zwölf Jahren Zwangsarrest. 1933 führte er die Revolte der politischen Gefangenen in Civitavecchia an. Gegen Ende 1933 wieder freigelassen, lebte er unter staatlicher Überwachung in Mailand. 1935 und 1937 wurde er erneut verhaftet, schließlich auch zu Kriegsbeginn, und erst unter der Regierung Badoglio wieder freigelassen. (1)

 

DIE GRÜNDUNG DER PCInt: Damen und Prometeo

Trotz strenger Überwachung gelang es ihm, einen kleinen Kreis von Militanten zu bilden, der 1943 die „Partito Comunista Internazionalista“ gründete. Ihm angeschlossen hatten sich Mario Acquaviva, Fausto Atti, Bruno Maffi, Luciano Stefanini, Guido Torricelli und Vittorio Faggioni – die „Kader“ der neuen Partei. Die Genannten kamen sowohl aus der italienischen Fraktion in Belgien als auch aus der PCI, von der sie ausgeschlossen worden waren. Einzige Ausnahme bildete Bruno Maffi, der Mitglied von „Giustizia e Libertà“ gewesen war, ehe er sich unter dem Einfluss Damens, der sein „Lehrer“ im Gefängnis gewesen war, von ihr getrennt hatte. Durch die Erfahrungen im Gefängnis, in der Illegalität und in langen Jahren militanter Arbeit geprägt, waren all diese Militanten dazu bereit, bis ans Ende der Revolution zu kämpfen. Die Ereignisse im März 1943 sowie die Septemberstreiks im Norden des Landes erschienen ihnen als Auftakt eben jener Revolution. Am 1. November desselben Jahres brachte die PCInt die erste Nummer von Prometeo illegal heraus. Die Spaltung des Landes in zwei Hälften, von denen die eine Hälfte von der deutschen Armee, die andere von den britischen Truppen besetzt war, war die Ursache dafür, dass ihre Verbreitung auf den nördlichen Landesteil beschränkt blieb. Bis 1945 hatte die PCInt praktisch keinen Kontakt zu den „bordigistischen“ Gruppen, die sich im Mezzogiorno gebildet hatten. Die PCInt führte einen heftigen Kampf gegen den Guerillakrieg und gegen die Versuche, die Arbeiter für die italienische Nation zu mobilisieren - einen Kampf, der streng geheim organisiert werden musste, stieß die PCInt doch auf den erbitterten Widerstand der PCI Togliattis, die sie als „Agenten Deutschlands und des Faschismus“ bloßzustellen versuchte (2). Ein außergewöhnlich aufschlussreiches Dokument, die für Mussolini bestimmten Berichte zwischen 1943 und 1945 über die illegale Presse, beweist die Haltlosigkeit der stalinistischen Anschuldigungen. „Ist die einzige unabhängige Zeitung. Ideologisch am interessantesten und am besten vorbereitet. Gegen jeden Kompromiss, verteidigen einen reinen Kommunismus, zweifelsohne trotzkistisch und damit antistalinistisch (...) erklärt ohne Zögern ihre Gegnerschaft gegenüber dem Russland Stalins, während sie gleichzeitig treuer Kämpfer des Russlands Lenins sein will (...) bekämpft den Krieg unter all seinen Gesichtern, demokratisch, faschistisch oder stalinistisch; kämpft somit auch offen gegen die Partisanen, das nationale Befreiungskomitee und die Italienische Kommunistische Partei.“
Es fällt auf, dass die Spitzel Mussolinis den „reinen Kommunismus“ von Prometeo mit dem Trotzkismus verwechselten. Dabei stand auf dem Titelblatt der Zeitung deutlich hervorgehoben: „Jahr 1922 (das Jahr des Kongresses von Livorno) 3. Serie (nach der ersten von 1924 und der zweiten von 1928 bis 1938) sulla via della sinistra (die Italienische Linke). Es war praktisch unmöglich, die PCInt mit den trotzkistischen Gruppen zu verwechseln. So bezeichnete die trotzkistische Bandiera Rossa (Rote Fahne) die UdSSR als „das stärkste Bollwerk der proletarischen Revolution“. Als bedingungsloser Anhänger des Partisanenkrieges vertrat diese Gruppe genau wie die PCI einen deutschfeindlichen Nationalismus, ja, eine „antiteutonische“ Haltung. „Erinnern wir uns an unsere Söhne, unsere Brüder, unsere Häuser – sie alle leiden noch unter der Schande der deutschen (teutonischen) Grausamkeiten, unsere Frauen, sie alle leiden noch unter dem Blutbad dieser Sippe.“ (Nr. 6, 17. März 1944, „Partecipare alla guerra“) Nach der Eroberung Roms durch die Alliierten vertrat Bandiera Rossa (Nr. 18, 9. Juni 1944) die Auffassung, dass der Sieg der amerikanischen Truppen ein „Sieg der Kräfte der Zivilisation“ sei. Es liegt auf der Hand, warum diese Zeitung ab August 1944 legal erscheinen konnte. Eine weitere trotzkistische Gruppierung, „Stella Rossa“ (Roter Stern), unterschied sich von Ersterer lediglich darin, dass sie den „Stachanowismus“ bejubelte und den von Russland geführten Krieg als „proletarisch“ charakterisierte.
Prometeo stellte eine direkte Verbindung zwischen der PCInt Bordigas und der italienischen Fraktion in Frankreich und Belgien her. Sie unterstrich, dass Faschismus und Demokratie keinen unterschiedlichen Klasseninhalt besitzen und „nach dem Tod des Faschismus sein Erbe an die Demokratie übergegangen ist“ (1. März 1944, „Wie und wo bekämpft man den Faschismus?“).
Sie machte auf die allgemeine Tendenz zum Staatskapitalismus (der im zitierten Text als „Vergesellschaftung“ bezeichnet wird) aufmerksam. „Die Vergesellschaftung in den faschistischen und demokratischen Regimes stellt nicht nur keine Abweichung vom kapitalistischen System dar, sondern bedeutet gar seine bis ans Äußerste getriebene Verstärkung. Nicht nur ist dies kein Sozialismus, sondern es handelt sich um eine Stärkung der herrschenden Klasse, um den Weg zur Revolution zu versperren.“ (1. April 1944, „Vergesellschaftung und Sozialismus“)
Während Prometeo keinen Unterschied zwischen dem faschistischen Italien und dem stalinistischen Russland machte, wo sich eine spezifische Form des Staatskapitalismus breitmachte, ging sie jedoch noch immer davon aus, dass der damalige russische Staat noch ein „proletarischer Staat“ war. Was den Krieg der Partigiani anging, so war die PCInt überaus deutlich: keine Unterstützung und Beteiligung, stattdessen Aufruf zur Verbrüderung der Arbeiter in Uniform auf beiden Seiten („Aufruf zur Wiederaufnahme des Klassenkampfes auf seinem spezifischen Terrain – den Fabriken“): „Arbeiter! Der Parole des nationalen Krieges, die die italienischen Arbeiter in einen Gegensatz zu den deutschen und englischen Arbeitern bringt, müssen wir die Parole der kommunistischen Revolution entgegensetzen, die über die nationalen Grenzen hinaus die Arbeiter der gesamten Welt gegen ihren gemeinsamen Feind, den Kapitalismus, vereinigt.“ (Prometeo, 1. November 1943) „Wie die Nazis schlagen, wie die Kriegsmaschine außer Kraft setzen, die das deutsche Proletariat unterdrückt? Ruft nicht eine andere Kriegsmaschine zu Hilfe, etwa die angelsächsische oder die russische, sondern sät in den Reihen der deutschen Soldaten den Keim der Fraternisierung, des Antimilitarismus und des Klassenkampfes!“ (Prometeo, 4. März 1943, S. 3, „Tod den Deutschen oder Tod den Nazis?“) „Dem Aufruf des Zentrismus, sich den Partisanenbanden anzuschließen, müssen wir in den Fabriken entgegentreten, wo jene Klassengewalt entstehen wird, die den Lebensnerv des kapitalistischen Staates zerstören muss.“ (Prometeo, ebenda, „Über den Krieg“)
Schnell breitete sich der Einfluss der PCInt in den Reihen der Arbeiter aus. Ende 1944 waren mehrere Föderationen entstanden, deren bedeutendste die Föderationen von Turin, Mailand und Parma waren. Zudem wurden in den Fabriken „internationalistische kommunistische Fabrikgruppen“ gegründet, die sich um die Bildung von Fabrikräten anstelle der „internen Kommissionen“ bemühten, welche unter Badoglio gegründet worden waren und an denen sich auch die PCI beteiligte. Auch trat die PCInt für eine „proletarische Einheitsfront“ im Klassenkampf und gegen den Krieg ein, um zu verhindern, dass die Arbeiter durch die „Kriegspropaganda vergiftet wurden“. Dieser Front schlossen sich allein die revolutionären Syndikalisten und die libertären Kommunisten wie „L’Azione Libertaria“ und „Il Comunista Libertaria“ an. Dennoch stieß die Propagandaarbeit von Prometeo offensichtlich auf viel Sympathie in den Fabriken, insbesondere unter jenen Arbeitern, die sich den Partisanenbanden nicht anschließen wollten. Ab Juni 1944 orientierte sich die PCInt mehr in Richtung einer Agitationsarbeit innerhalb der Partisanenorganisationen, die nicht mit den linken Parteien verbunden waren. Dies war besonders in Piemont der Fall, wo man bereits entsprechende Kontakte geknüpft hatte. Während sich die PCInt einerseits einer direkten Beteiligung an den Partisanenaktivitäten verweigerte, verbreitete sie andererseits ihre Schriften in deren Reihen. Diese Politik verleitete Prometeo dazu, das nicht-proletarische Wesen dieser Partisanenbanden zu übersehen, die bakanntlich Teil einer militärischen Front im imperialistischen Krieg waren. „Die kommunistischen Elemente sind aufrichtig von der Notwendigkeit des Kampfes gegen den Nazi-Faschismus überzeugt und meinen, sobald dieses Hindernis überwunden ist, steht der Weg zur Machtergreifung und Zerstörung des Kapitalismus offen.“ (Prometeo, Nr. 15, August 1944)
Die PCInt betrieb in den Fabriken und in der Reihen der Arbeiterpartisanen eine immer massivere Agitation gegen den Krieg. Im Juni 1944 verbreitete sie ein „Manifest an die italienischen Arbeiter“, in dem sie zur Desertion vom Krieg „in all seinen Formen“ und zur physischen Verteidigung der Klasse gegenüber der „Reaktion, der Deportation, Zwangsverschleppung  und –rekrutierung“ aufrief. Ihre ursprünglich deutlichen Positionen gegenüber den Partisanen wurden immer unklarer, denn das Manifest rief „dort zur Umwandlung der Partisanenverbände auf, wo sie aus proletarischen Mitgliedern mit einem gesunden Klassenbewusstsein zusammengesetzt sind, damit sie zu proletarischen Selbstverteidigungsorganen werden, die bereit sind, in den revolutionären Kampf um die Macht einzugreifen“.
Die Spitzel Mussolinis hatten diese Positionsveränderung von Prometeo, die jetzt eine Ausbreitung ihres Einflusses auf Kosten der eigenen Prinzipien anstrebte, schnell bemerkt. Sie stellten fest, dass „hier die Kommunistische Linke die Sprache der anderen subversiven Gruppen übernommen hat, wobei zweifellos die Absicht dahintersteckt, eine eigene Manövriermasse aufzubauen“ ((086713 – 187130). Bis dahin besaß die PCInt keine politische Plattform, doch die Erweiterung ihres Einflusses veranlasste sie, 1944 ein „Programmschema“ zu erarbeiten. In diesem Schema wurde zunächst festgestellt, dass der „Sieg ein überwältigender Sieg der Alliierten war, der die Widerstandskraft des Weltkapitalismus enorm erhöhen und die objektiven Möglichkeiten einer proletarischen Revolution schwächen wird“. Es umriss die Haltung gegenüber den Parteien und dem „neuen demokratischen“ Staat, der nach dem Krieg entstehen werde. „... die sozialistischen und zentristischen Parteien haben im Krieg nicht als rechte Kräfte des Proletariats gehandelt, sondern als überaus bewusste Kräfte des linken Flügels der Bourgeoisie (...) Auch gegenüber dem demokratischen Staat ändert sich die Taktik der Partei des Proletariats nicht: Wir glauben weder an die Wahlen noch an die Verfassung noch an die Presse-, Rede- und Versammlungsfreiheit.“
Und Russland, dessen Staat immer noch als „proletarisch“ bezeichnet wurde, galt längst nicht mehr als das Land der „großen revolutionären Errungenschaften“. Die her sehr vorsichtig zum Ausdruck gebrachte Position ähnelte im übrigen Bordigas Position, der zögerte, vom „Staatskapitalismus“ zu sprechen (siehe unten).
Ungeachtet der Integration der Gewerkschaften in den Staat und der Kontrolle der PCI durch die „internen Kommissionen“ beharrte die PCInt auf die Positionen von 1926. „Unsere Partei wird sobald wie möglich das Problem einer einheitlichen Neuorganisierung der Arbeiterbewegung angehen, wird das Netz ihrer gewerkschaftlichen Fabrikgruppen (die aus Kommunisten und keiner Partei zugehörigen Arbeitern zusammengesetzt sein werden) bis zum nationalen kommunistischen Gewerkschaftskomitee wieder aufbauen.“ („Schema di programma del PCInternazionalista“, 1944, Wiederveröffentlichung in Prometeo, Januar 1974)
Dennoch gestand Prometeo ein, dass die Reste „der alten, geheim arbeitenden gewerkschaftlichen Organisationen bewiesen haben, dass sie mehr als politische Propagandamittel des Kalten Krieges dienten denn als wirkliche Organe des Klassenkampfes“. Im Gegensatz zur Orientierung auf den Aufbau gewerkschaftlicher Fraktionen trat die PCInt stets für die Schaffung von „Fabrikräten“ ein. 1945 veröffentlichte sie u.a. eine Agitationsschrift mit dem Titel „Die Fabrikräte“, die dieses Thema zum Gegenstand ihrer Propaganda in den Fabriken machte.
Viel kühner war die Position der PCInt in der Frage des Staates in der Übergangsperiode, die offensichtlich stark von Bilan und Octobre geprägt worden war. Damen und seine Genossen lehnten die Gleichsetzung der Diktatur des Proletariats mit der Parteidiktatur ab. Hinsichtlich des „proletarischen Staates“ traten sie für eine weitestgehende Demokratie in den Räten ein. Sie machten sich jene von Kronstadt untermauerte Auffassung zu Eigen, wonach im Falle von Zusammenstößen zwischen dem „Arbeiterstaat“ und dem Proletariat die KP sich auf die Seite des Proletariats stellen müsse. „Die Diktatur des Proletariats darf auf keinen Fall auf die Diktatur der Partei reduziert werden, selbst wenn es sich um die Partei des Proletariats handelt, die der Geist und der Führer des proletarischen Staates ist (...) Staat und Partei an der Macht tragen als Organe solch einer Diktatur die Tendenz zu einem Kompromiss mit der alten Welt in sich. Dies ist eine Tendenz, die sich, wie uns die russische Erfahrung gezeigt hat, aufgrund der vorübergehenden Unfähigkeit der Revolution, sich über ein Land hinaus auszudehnen und sich mit den Aufstandsbewegungen in anderen Ländern zusammenzuschließen, entfaltet und verstärkt (...) Unsere Partei:

a) muss vermeiden, zum Instrument des Arbeiterstaates und seiner Politik zu werden (...) muss die Interessen der Revolution auch in Zusammenstößen mit dem Arbeiterstaat verteidigen;

b) muss vermeiden, sich zu bürokratisieren, wodurch ihr Entscheidungszentrum ebenso wie die peripheren Zentren zu einem Organ von Karrieristen werden würden;

c) muss vermeiden, dass die Klassenpolitik auf formalistische und administrative Art erarbeitet wird.“

Die Positionen insgesamt und einige ihrer Unklarheiten riefen gegen Ende des Krieges innerhalb der Partei einige Dissonanzen hervor. Doch war die Grundlage der PCInt offensichtlich weitaus ausgereifter und ausgefeilter als die der „bordigistischen“ Gruppierungen im Mezzogiorno.
1944 waren im amerikanisch besetzten Süden schnell mehrere Gruppen ins Leben gerufen geworden, die sich ohne Ausnahme auf die Kommunistische Linke beriefen und ihre Presse illegal verbreiteten. 

BORDIGA UND PISTONE: DIE „LINKSFRAKTION DER KOMMUNISTEN UND SOZIALISTEN“

In Neapel hatte sich um Renato Pistone und Amadeo Bordiga eine Gruppe gesammelt, die die Tradition der „Abstentionistischen Kommunistischen Fraktion“ aus dem Jahre 1919 wieder aufgriff. Die neue Fraktion hatte in Neapel einen großen Einfluss. Trotz der Präsenz von Togliatti und des Zentrums der PCI akzeptierten die Militanten der PCI die Widersprüche gegenüber ihnen. Tatsächlich gab es im Süden Italiens etliche Militante der PCI, die von ihrem „Zentrum“, das sich im Ausland befand, völlig getrennt waren. So orientierten sie sich an den Positionen der Kommunistischen Linken, auch wenn sie nicht genau über die Entwicklung der Partei im Bilde waren. Der von Bordiga und Pistone verwandte Begriff „Frazione“ konnte in dem Sinn gedeutet werden, dass sie noch die Hoffnung hegten, Mitglieder der „kommunistischen“ und „sozialistischen“ Parteien für sich zu gewinnen. Daher schuf die „bordigistische“ Fraktion keine eigene Partei, bis sie schließlich 1945 selbst in die PCInt eintrat. Ihre Organ in Neapel war die Zeitschrift La Sinistra Proletaria, in Salerno L’Avanguardia und in Rom Il Proletario. Die Gruppe in Rom setzte sich aus alten Genossen Bordigas zusammen; aber auch alte Partisanen, Ex-Mitglieder der PCI, die am Spanienkrieg teilgenommen hatten, und Militante aus einer Abspaltung von Bandiera Rossa, „Movimiento comunista d’Italia“, wirkten in ihr mit. Auch Föderationen und Sektionen der PCI in Kalabrien und Puglien sympathisierten mit Bordiga (siehe unten) (4). Die "bordigistischen“ Gruppen schlugen vor:

„1) die Parteien auf den Boden der Klassenpolitik zurückzuführen, solange noch die Möglichkeit dazu besteht;

2) sich in eine selbständige Partei umzuwandeln, falls die Wiedererrichtung der besteheneden Parteien sich als unmöglich erweisen sollte. Und wenn es die Lage erfordern sollte, muss die klare Trennung der revolutionären Kräfte von den reaktionären Kräften vollzogen werden.“ (Prometeo, „Die Lage nach Rom“, 15. Juli 1944)

Daher betrieben die „bordigistischen“ Militanten bis Anfang 1945 eine Politik des „Entrismus“ (Eintritt zum Zweck der Unterwanderung) in die PCI. Ein Mitglied wie Camera, der einer der Führer der PCInt war, stand zuvor lange Zeit an der Spitze der Föderation von Cosenza in der Partei Togliattis (La Sinistra Proletaria, 19. Februar 1945, „Nella federazione di Cosenza“).
Ebenso zweideutig waren ihre Beziehungen zu den Partisanengruppen und den trotzkistischen Parteien, obwohl diese eindeutig gegen die bordigistischen Positionen waren. Am 6./7. Januar 1945 fand in Neapel eine Konferenz der Fraktion statt. Auf ihr waren Bandiera Rossa und „Stella Rossa“ vertreten. Die Konferenz beabsichtigte, die „Bildung der wahren Partei der Arbeiterklasse“ anzustreben. Im März und April erstellten Bordiga, Libero Vallone (der später Mitglied der trotzkistischen Partei werden sollte) und Pistone eine Reihe von Thesen für die „Bildung der wahren kommunistischen Partei“. Diese Thesen nahmen Bezug auf die Kritik der Italienischen Linken an der „Einheitsfront“ in Deutschland 1923, die Kritik an den Volksfronten in Frankreich und Spanien sowie an der Résistance in Europa. Davon ausgehend, dass es unmöglich sei, die sozialistischen und kommunistischen Parteien „wiederaufzurichten“, drückten sie jedoch die Auffassung aus, das es weiterhin notwendig sei, „im Innern eine ständige Arbeit der ideologischen Klärung zu betreiben, mit deren Hilfe die von der zentristischen Entartung noch nicht korrumpierten Elemente wieder auf den richtigen Weg zurückkehren können“.
Das Kriegsende werde jedoch mit dem wahrscheinlichen Anbruch einer revolutionären Ära „günstige Bedingungen für die Umwandlung der Fraktion zur Partei“ schaffen. In dieser Frage, die schon zuvor von der Fraktion in Frankreich und Belgien geklärt worden war, war die Haltung der „Frazione“ um Bordiga und Pistone weiterhin sehr zögerlich. Mal verwandte sie den Begriff „Fraktion“, mal den trotzkistischen Begriff „Linksopposition“ (s. La Sinistra Proletaria, 19. Februar 1945). Die Veröffentlichung von Partisanenpost und Texten von Trotzki in ihrer Zeitung führte zu einer Aufweichung der Grenze zwischen den „bordigistischen“ Gruppen und den anderen Gruppierungen.
In der Kriegsfrage war die Haltung der „Frazione“ jedoch eindeutig. Sie betonte die Notwendigkeit des proletarischen Internationalismus und der Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen revolutionären Bürgerkrieg. Sie griff auch den „Antifaschismus“ der PCI an, der ein Schutzmantel derjenigen gewesen sei, die „für die Internationalisierung der Nazimethoden“ (La Sinistra Proletaria, ebenda und 1. April 1945) plädiert hätten. Im Gegensatz zum „Komitee der nationalen Befreiung“ (CLN) Togliattis sprach sich die „Frazione“ für eine Nichtbeteiligung in den Partisanengruppen aus. „Diese stellen einen Kompromiss mit den bürgerlichen Kräften und damit eine Schwächung der Klassenvitalität des Proletariats dar.“ (Il Proletario, 28. Mai 1944, „Dichiarazione programmatica“, wahrscheinlich von Bordiga verfasst) (5)
In der Frage Russland war die „Frazione“ am unentschlossensten. Sie wandte sich nicht gegen die UdSSR, sondern gegen die Politik der „gegenwärtigen herrschenden russischen Klasse, weil sie schädlich ist für die Entwicklung der proletarischen Revolution“. Doch in der „Programmatischen Erklärung“ wurde sie als Bestandteil der neuen kapitalistischen Ordnung bezeichnet. Aus Sicht der „Frazione“ war Russland auf der Klassenebene folgendermaßen zusammengesetzt: aus der Klasse der Privilegierten und Ausbeuter, die mit den reichen und wohlhabenden Bauern verbunden ist, und aus der Klasse der Ausgebeuteten und Unterdrückten, die „aus dem Industrie- und Agrarproletariat“ besteht. Gegen den Stalinismus schlugen die „Bordigisten“ die Gründung einer neuen Kommunistischen Internationalen vor.
Auch gegenüber den Gewerkschaften nahm die „Frazione“, ähnlich wie die PCInt, eine unklare Haltung ein. Unter dem Einfluss Bordigas schlug sie vor, die „ruhmreichen Arbeiterbörsen“ (Camere del lavoro) wieder ins Leben zurückzurufen.
Die „Frazione“ bestand als selbständige Gruppe bis zum Juli 1945, als sie sich als Gruppe (und nicht auf individueller Basis) mit der PCInt von Damen und Maffi zusammenschloss. Dieser Zusammenschluss von theoretisch und organisatorisch heterogenen Gruppen sollte sich kurze Zeit später als zerbrechlich erweisen. 

DIE FÖDERATION PUGLIENS UND DIE „KOMMUNISTISCHE ARBEITERPARTEI“ (Partito operaio comunista)

Die Föderation der PCI in Puglien hatte 1926 offen für Bordiga Partei ergriffen. Sie machte im Faschismus dieselbe Entwicklung durch wie die italienische Fraktion im Ausland. Unter Berufung auf die Thesen von Lyon bezeichnete sie sich 1944 als „Anhänger einer IV. Internationalen“, nicht ahnend, dass Trotzki bereits eine solche Internationale gegründet hatte. Einmal darüber in Kenntis gesetzt, führten die von Nicola di Bartolomei angeführten Verhandlungen schnell zu einer Fusion zwischen der Föderation und einem kleinen trotzkistischen Kern. Offensichtlich wollte die von Mangano angeführte Föderation Pugliens Entrismus innerhalb der trotzkistischen Internationalen betreiben. Die aus dieser Fusion neu entstandene „Kommunistische Arbeiterpartei“ wurde als offizielle Sektion der IV. Internationalen anerkannt. Zwei Jahre lang lag die Führung in den Händen von Bartolomeo alias Fosco, der eine trotzkistische Orientierung einschlug, während die Föderation  im Hintergrund blieb. Nach dem Tod von Fosco trat Mangano in die Führung ein, deren Sitz mittlerweile nach Mailand verlegt worden war. 1947 bildeten Mangano und seine Mitstreiter auf einer nationalen Konferenz in Neapel ein neues Zentralkomitee und ein politisches Büro, aus dem die Führer der trotzkistischen Tendenz ausgeschlossen wurden. Die neue Führung lehnte jeden Entrismus in die kommunistischen und sozialistischen Parteien ab und schloss alle Anhänger dieser Politik aus. In ihrem Organ Die IV. Internationale vertrat die POC immer offener bordigistische Positionen. Sie erkannte lediglich die ersten beiden Kongresse der Komintern an, lehnte jede Unterstützung von nationalen Befreiungsbewegung ab und bezeichnete die Linksparteien als bürgerliche Parteien. „Die Kräfte der Rechten und der sog. Linken stehen sich in Wirklichkeit nicht feindlich gegenüber. Obwohl unterschiedliche Methoden bevorzugend, erfüllen beide die gleiche objektive Funktion, die der Wiederherstellung der bürgerlichen Gesellschaft.“ (BI des internationalen Sekretariats, Nr. 17, 1947) Wie die Bordigisten meinte auch die POC, dass die UdSSR genauso imperialistisch wie die USA sei.
Auch die „taktischen“ Positionen des Trotzkismus stießen auf offene Ablehnung in der POC. So verwarf sie das trotzkistische „Übergangsprogramm“. „Den Marshall- und Molotowplänen muss das Proletariat den Plan Marxens entgegenstellen: den der gesellschaftlichen Revolution.“ (IV. Internationale, 16. Juli 1947) Des Weiteren wandte sie sich gegen die „Einheitsfront als konterrevolutionäre Politik“ und auch gegen die Parole der Trotzkisten, die Republik zu unterstützen und die Monarchie abzuschaffen. Sie lehnte die Mitarbeit in der Gewerkschaft CGIL ab und gründete in Foggia ihre eigene Wirtschaftsorganisation, den „Soviet“. Wie die Bordigisten setzte die POC an Stelle des „demokratischen Zentralismus“ den „organischen“ bzw. „revolutionären Zentralismus“. Während sich aber die Bordigisten an den Wahlen von 1948 beteiligten, lehnte sie das „Wahlspektakel“ ab. „Am 18. April sind die Wähler dazu aufgerufen, für den Krieg, für den 3. Weltkrieg zu stimmen. Und sie werden nur darüber zu entscheiden haben, ob sie an der Seite des amerikanischen oder des russischen Imperialismus kämpfen.“ (IV. Internationale, 10. März 1948) (6)
Mangano und seine Tendenz beabsichtigten, so lange wie möglich in der IV. Internationalen zu verbleiben, auch wenn sie sich dabei zum Schein den Anordnungen derselben unterwerfen mussten. 1948 jedoch wurde die POC mitsamt ihrer Mitglieder ausgeschlossen. Zwischen 1948 und 1951 veröffentlichte die POC ihr eigenes Organ: Die Internationale. Kurz darauf löste sich die POC allem Anschein nach auf; ihre Mitglieder traten der „bordigistischen“ PCInt bei. In den 50er Jahren war Mangano Redaktionssekretär bei Prometeo, dem Organ der Tendenz um Damen nach der Spaltung von 1952 (siehe unten).
Die PCInt wurde also auf sehr heterogenen Grundlagen gegründet. 1945 war sie in nahezu ganz Italien vertreten und zählte über 1.000 – 2.000 Mitglieder. Ihr Organ „Battaglia Comunista“ war zu einer Wochenzeitung geworden, und ab 1946 wurde eine so genannte „theoretische Zeitschrift“ herausgegeben: Prometeo. Ihre führenden Mitglieder stießen bei ihren Propagandareisen offensichtlich auf ein großes Echo unter den Arbeitern.
Jedoch erfolgte die Eintrittswelle, die bis 1947 gar noch zunahm, auf wenig klaren Grundlagen. In den Reihen der PCInt fanden sich plötzlich ehemalige Partisanen und frühere Mitglieder der PCI an. Die regionalen und lokalen Tendenzen kamen besonders im Mezzogiorno zum Ausdruck, wo unter der Führung von Francesco Maruca, Mario Soluri und Nicola Turano die Föderation Kalabriens im Cantazaro über eine eigene Wochenzeitung, L’Internazionale Comunista, verfügte. Die zahlreichen Fabrikgruppen der Partei, die sich aus Mitgliedern und Symphatisanten rekrutierten, schienen ebenfalls ein eigenständiges Leben zu führen.

DER KONGRESS DER PCInt IN TURIN (Dezember 1945)

Unter diesen Bedingungen wurde vom 28. Dezember 1945 bis zum 1. Januar 1946 in Turin die erste nationale Konferenz der Partei veranstaltet. Bordiga war auf dieser Konferenz nicht anwesend, da er erst 1949 Mitglied wurde, obgleich er schon zuvor Beiträge für die PCInt geleistet hatte. Aus Belgien zurückgekehrt, wurde Vercesi sofort in die Parteiführung gewählt, ohne zuvor zur Rechenschaft über seine Aktivitäten in dem „Antifaschistischen Komitee“ in Brüssel aufgefordert worden zu sein. Auf der Konferenz trat er als inoffizieller Sprecher der „Gedanken des berühmten, abwesenden Genossen Bordiga“ auf. Doch die angesehensten Vertreter der Partei waren zweifellos Damen, Maffi und Stefanini, hinter denen sich die Mitglieder der italienischen Fraktion Danielis und Leccis gesammelt hatten.
Es ist bemerkenswert, dass im Anschluss an das Gedenken Maria Acquavivas und Fausto Attis, die von Mitgliedern der PCI erschossen worden waren, die Konferenz ausdrücklich den Beitrag der Fraktionen in Belgien und Frankreich guthieß und nicht ablehnte. Der Berichterstatter über Organisationsfragen, Bruno Maffi, erklärte, dass „1929 in Pantin die Linksfraktion gegründet worden war. Von diesem Zeitpunkt an stellte sie die historische Kontinuität der Italienischen Linken bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges dar. Die Partei wurde gegen Ende des Jahres 1942 auf der Grundlage exakt dieser historischen Tradition gegründet“ (7). Maffi zeigte anschließend auf, dass die Aktivitäten der PCInt, die einen der „brillantesten Ausdrücke im Leben der Partei“ sei, seit Ende 1943 hauptsächlich auf die Partisanen orientiert gewesen seien.
„Das organische Leben der Partei begann jedoch schon am 8. September 1943. In einer durch den Krieg vergifteten Atmosphäre kam es vor allem darauf an, die gesunden Kräfte der Revolution gegen all die politischen Strömungen zusammenzufassen, die irgendwie in diesem Konflikt mitwirkten (...)
Während wir versuchten, die proletarischen Partisanen zu einer Rückkehr zu Klassenpositionen zu bewegen, unterwarfen wir gleichzeitig die Ideologie des Partisanentums einer offenen Kritik, derzufolge das Partisanentum eine Waffe des kapitalistischen Krieges gegen die Wiederaufnahme des Klassenkampfes ist.“
(Intervention von Maffi auf der Turiner Konferenz am 28. Dezember 1945)
Da diese Interventionen in den Partisanengruppen Acquaviva und Atti das Leben gekostet und das Leben derselben Fraktion der PCInt erschüttert hatte, wurde sie von einem alten Mitglied der Fraktion in Frankreich, Danielis, Sekretär der Turiner Föderation, heftig kritisiert. Nach der Konferenz von Florenz war die Turiner Föderation zur größten Föderation der PCInt nach der Mailänder Föderation geworden. Wir zitieren hier Danielis etwas ausführlicher, da er ein bezeichnendes Licht auf die Existenzbedingungen der PCInt im Jahre 1945 wirft.
„... eines muss für jeden klar sein: Die Partei hat die schwerwiegende Erfahrung einer oberflächlichen Ausdehnung ihres politischen Einflusses gemacht, die auf einen nicht weniger simplen Aktivismus zurückzuführen ist, welcher sich nicht in der Tiefe (weil schwierig), sondern an der Oberfläche bewegt. Ich werde eine persönliche Erfahrung schildern, die als Warnung gegenüber dieser Gefahr verstanden werden soll, nämlich der Gefahr eines oberflächlichen Einflusses der Partei auf bestimmte Schichten der Massen, der eine automatische Folge der geringen theoretischen Bildung der Kader ist. Als Repräsentant der Partei befand ich mich während der letzten Kriegstage in Turin. Die Föderation war zahlenmäßig stark; es gab sehr viele aktivistische Elemente unter den noch jungen Mitgliedern. Es gab viele Treffen; man veröffentlichte Flugblätter, Zeitungen, ein Bulletin. Es gab Kontakte in den Fabriken, interne Diskussionen, in denen überall ein extremistische Tonfall zu vernehmen war, sobald Divergenzen besonders über den Partisanenkrieg auftraten. Dann gab es auch Kontakte zu Deserteuren. Die Haltung zum Krieg war eigentlich klar: keine Beteiligung, Verweigerung der militärischen Disziplin durch diejenigen, die sich als Internationalisten betrachten. Man musste daher davon ausgehen, dass kein Parteimitglied die Anweisungen des ‚Komitees der nationalen Befreiung‘ akzeptiert hätte, doch am Morgen des 25. April griff die Föderation von Turin zu den Waffen, um sich am Abschluss eines sechsjährigen Massakers zu beteiligen, und einige Genossen aus der Provinz, die sich der militärischen Disziplin unterworfen hatten, zogen ebenfalls in Turin ein, um sich an der Menschenjagd zu beteiligen. Ich selbst hätte eigentlich die Organisation für aufgelöst erklären müssen, aber ich fand einen Kompromiss und ließ über eine Tagesordnung abstimmen, in der die Genossen per Beschluss sich dafür aussprachen, sich individuell an dieser Bewegung zu beteiligen. Die Partei bestand nicht mehr, sie hatte sich ‚verflüchtigt‘, war ‚verschwunden‘.“ (Resconto del I. Congresso del PCInt, Florenz, 6.-9. März 1948)
Diese Intervention rief jedoch nur ein geringes Echo in der Konferenz hervor. Die Divergenzen zwischen Damen, Vercesi und Stefanini konzentrierten sich auf die Frage der Partei, der Gewerkschaften sowie der eventuellen Beteiligung der Partei an den Wahlen.
Ohne es offen auszusprechen, meinte Vercesi, dass die Gründung der PCInt zu früh erfolgt sei und die „Perspektive einer Entwicklung der Partei, so wie sie sich in der Partei der präfaschistischen Ära vollzogen hatte, d.h. eine Ausdehnung unseres Einflusses in der gegenwärtigen Situation“, als unwahrscheinlich und ausgeschlossen gelte. Er vertrat ferner die Auffassung, dass die Krise der Kriegswirtschaft heute zu einer „Friedenswirtschaft“ führe. Jedoch bereute er ausdrücklich seine antifaschistischen Aktivitäten in Brüssel. „Wir sind keine Antifaschisten, sondern Proletarier, die den Kapitalismus in all seinen gesellschaftlichen Erscheinungsformen bekämpfen."(7b) Im Gegensatz zum Rest der Partei war er nicht der Auffassung, dass die neue Periode eine revolutionäre sei. „Die Bedingungen für den Sieg der Arbeiterklasse sind nicht vorhanden. Daher kann man die gegenwärtige Zeit als nicht anders als reaktionär bezeichnen.“ Diese Erklärungen Vercesis wurden von Damen mit heftiger Kritik beantwortet, der meinte, dass, „wenn die Partei sich auf die Kritik und auf die ideologische Zerstörung des Gegners beschränkt, sie nur einen Teil ihrer Funktionen erfüllt“. Er lehnte die Auffassung von der „sog. Friedenswirtschaft“ ab, denn „die Wirtschaft, die wieder aufgebaut wird, wird von der Notwendigkeit geprägt sein, weiter für die Bedürfnisse des Krieges zu produzieren (und das sogar im verstärkten Maße)“. Damen, der in diesem Punkt die „orthodoxe“ Linie der Partei vertrat, wich woanders von dieser Linie ab, als er eine Beteiligung an den Wahlen ins Auge fasste. Dabei hatte die Italienische Linke zur Zeit ihres Ausland“aufenthaltes“ diese Auffassung verworfen. „Wir bleiben weiterhin unveränderlich gegen das Parlament eingestellt; doch die konkrete Ausrichtung unserer Politik gebietet es uns, jede vorgefasste abstentionistische Haltung zu verwerfen.“
In der Frage der Einschätzung der Gewerkschaften und einer eventuellen Wahlbeteiligung der PCInt war die Konferenz zutiefst gespalten. Unterstützt von Danielis, betonte der Berichterstatter zur Gewerkschaftsfrage, Luciano Stefanini, die Inkohärenz der Partei. „Einerseits gehen wir von der Abhängigkeit der Gewerkschaften vom kapitalistischen Staat aus; andererseits fordern wir die Arbeiter dazu auf, dafür einzutreten, dass die Gewerkschaften auf dem Klassenterrain kämpfen.“ Dagegen behauptete der Berichterstatter, dass „die gegenwärtigen Gewerkschaften ihren Charakter als Staatsorgane nicht ändern können und dass dies, wenn überhaupt, nur durch die endgültige Zerstörung des Staates selbst geschehen kann (...) Wir müssen endlich das Streben nach Erlangung und Besetzung von Schlüsselpositionen in den gegenwärtigen Gewerkschaften mit Blick auf ihre Umwandlung aufgeben“. Dies, so meinte er, sei das Ergebnis der „Dekadenz des Kapitalismus“.
Der Bericht stieß auf den Widerstand einer Mehrheit der Delegierten. Aus der Sicht von Lecci alias Tullio kam es darauf an, „nicht die Gewerkschaften zu zerstören und auch nicht an ihre Stelle andere Organisationen zu setzen, sondern darum zu kämpfen, dass der Überbau, welcher die Gewerkschaften erstickt, genau wie jeder andere Überbau des kapitalistischen Staates abgeschafft wird. Das war übrigens auch die Meinung Bordigas, der die Plattform der Internationalistischen Partei verfasst hat, die der Konferenz zur Verabschiedung vorgelegt wurde. Aus seiner Sicht sollte die italienische Gewerkschaftsbewegung zu ihren Traditionen der engen und ausdrücklichen Unterstützung der proletarischen Klassenpartei zurückkehren, indem man sich auf das Wiedererscheinen ihrer örtlichen Organisationen stützt, die ruhmreichen Arbeiterbörsen.“ Dies war auch die Auffassung Vercesis.
Die bordigistische Strömung, die aus der italienischen Partei der „Belgischen Fraktion“ und der FFGCbis zusammengesetzt war, versäumte es auf ihrer Konferenz, wie 1938 ein Internationales Büro der Fraktionen zu gründen. Vercesi, der Berichterstatter in dieser Frage, meinte dazu: „In der gegenwärtigen Weltlage, in der es keine revolutionären Bewegungen gibt, meint die PCInt, dass sie die Möglichkeit der Bildung eines internationalen Büros der Fraktionen der Kommunistischen Linken offen halten sollte.“ Das Büro lehnte jeden Kontakt mit trotzkistischen Organisationen und auch mit anderen Gruppierungen ab, die sich am Krieg beteiligt hatten. Die französische Delegation (Véga und Frédéric) plädierte für ein solches Büro, und Lecci forderte, dass es „vor dem dominierenden Einfluss der italienischen Partei geschützt werden und daher seinen Sitz in Paris haben sollte“. Dabei spielte zweifellos die schlechte Erfahrung mit der Komintern und Moskau eine Rolle.
Die Thesen zur Agrarfrage schlossen die Konferenz ab. Die PCInt hatte sich stark in Kalabrien entwickelt, wo sie über einen beträchtlichen Einfluss im Agrarproletariat und auch unter den Bauern besaß. Nach Kriegsende hatte es größere Streiks auf dem Lande, in Sizilien, in der Basilicate und in Puglien gegeben. Für den Berichterstatter war dies eine Gelegenheit, die Thesen Lenins, seine Parole „Das Land den Bauern“ und sein Plädoyer für ein „Bündnis zwischen dem Proletariat und den Kleinbauern“ zu kritisieren. Letzterem setzte die Konferenz die Parole der „Unterstützung des Proletariats durch die Kleinbauern“ entgegen. Die Konferenz lehnte es ab, die bäuerlichen Elemente in die Partei zu integrieren, ganz im Gegensatz zum Agrarproletariat, und verwarf jeden Vorschlag einer Allianz mit bäuerlichen Gruppierungen. Während die Möglichkeit einer „Massenagitation auf dem Lande“ ausgeschlossen wurde, hielt die PCInt weiterhin an der Notwendigkeit einer Koordination ihrer Agitation und Propaganda unter der Landbevölkerung fest. Zu diesem Zweck schuf sie eine Agrarsektion, die direkt dem Zentralkomitee unterstellt war. Im Hintersinn stand sicherlich das Kalkül, gegen die lokalistischen Tendenzen der Föderation in Kalabrien anzugehen. Schließlich wurde auf der Konferenz im Prinzip ein internationales Verbindungsbüro zwischen den verschiedenen Fraktionen akzeptiert. Außerdem verwarf die Konferenz die Thesen Stefaninis und rief zur Eroberung der führenden gewerkschaftlichen Organe auf.
Die Konferenz von Turin hatte somit die politischen Divergenzen nur oberflächlich behandelt. Vor dem Hintergrund einer zu Recht als konterrevolutionär eingeschätzten Lage war die Existenz der Partei kaum noch gerechtfertigt. Hatte die italienische Fraktion nicht kurz zuvor noch betont, dass die Partei nur in einer revolutionären Epoche gegründet werden könne? Es lag auf der Hand, dass es der PCInt an theoretischer und organisatorischer Klarheit mangelte. Während die alte Fraktion ihre Mitglieder einzeln, auf individueller Basis, rekrutiert hatte, schlossen sich die „bordigistischen“ Strömungen im Mezzogiorno der PCInt als Gruppen an (8). Dies wurde ihr von der „Gauche Communiste de France“ zum Vorwurf gemacht. Die PCInt hatte jede Diskussion mit Letzterer verweigert. Die „Gauche Communiste de France“ betonte, dass die revolutionäre Partei nur in einer „Periode des offenen Kurses zur Revolution“ gegründet werden könne. Was die Zukunft der italienischen „Partei“ anging, so schwante ihr Böses. „Die neue Partei verfügt über keine politische Einheit, sondern ist eine Zusammenwürfelung von Strömungen und Tendenzen, die über kurz oder lang als solche in Erscheinung treten und zusammenprallen werden. Der gegenwärtige ‚Waffenstillstand‘ kann nur vorübergehend sein. Die Ausschaltung der einen oder anderen Strömung ist unvermeidlich. Früher oder später wird die politische und organisatorische Abgrenzung unumgänglich.“ (Internationalisme, Nr. 7, Februar 1946, „Zum I. Kongress der „Parti Communiste Internationaliste“ Italiens)
Die PCInt machte damals rein zahlenmäßig einen starken Eindruck. Man konnte fast meinen, dass sie mit ihren 13 Föderationen, ihren 72 Sektionen, ihren zahlreichen politischen Versammlungen, ihrer Verwurzelung in den großen Industriezentren, ihrer Presse usw. zu einer Massenpartei geworden war. Doch ab 1947 verließen viele zum Trotzkismus neigende Mitglieder die Partei. Andere wurden aufgrund von politischen Divergenzen ausgeschlossen, was in der Presse verschwiegen wurde. Bald darauf verkündete die gesamte Turiner Föderation ihre „Selbständigkeit“ und richtete auf der Suche nach politischer Auseinandersetzung und politischen Debatten ihren Blick auch auf das Ausland. So beteiligte sie sich Pfingsten 1947 an einer Konferenz in Brüssel, die von der holländischen Linken, der „Gauche Communiste de France“ und der Gruppe „Le Prolétaire“ veranstaltet wurde.

DIE ENTWICKLUNG DER PARTEI NACH 1946: SPALTUNGEN

Vor allem die Frage des Parlamentarismus beschleunigte die Entwicklung von verschiedenen Tendenzen innerhalb der PCInt. 1946 beteiligte sich die PCInt an den Gemeindewahlen und 1948 schließlich an den Wahlen zum Landesparlament. Neben dem Parlamentarismus gab es noch weitere Streitpunkte. Auf der einen Seite plädierte Damen für eine „voluntaristische“ Entwicklung der Partei und für die Wahlbeteiligung; nationale Befreiungsbewegungen lehnte er hingegen ab. Auf der anderen Seite sprachen sich Vercesi und Maffi gegen den „revolutionären Parlamentarismus“ aus, wie übrigens auch Bordiga.  Sie gingen davon aus, dass die Wirkung der PCInt sich hauptsächlich auf ideologischer Ebene, d.h. im Bewusstsein, entfalten sollte, indem man die künftigen Kader ausbildete. Der Eintritt Bordigas in die Partei 1949 – damals begann er mit seiner Chronik „Sul filo del tempo“ (Über den Faden der Zeit) – beschleunigte die Bildung von „oppositionellen Blöcken“. Auch wenn Bordiga misstrauisch gegenüber der neuen Partei blieb, akzeptierte er dennoch ihre Existenz. Doch verlangte er von ihr eine Rückkehr zu den Positionen Lenins und den Thesen der Italienischen Linken von vor 1926, was auf eine Ablehnung all der theoretischen Erkenntnisse und Errungenschaften von Bilan hinsichtlich der nationalen und der Gewerkschaftsfrage sowie des Übergangsstaats hinauslief. Im Gegensatz zur Damen-Tendenz ging er davon aus, dass der russische Imperialismus weniger gefährlich sei als der amerikanische, der der „Hauptfeind“ sei. (9)
Wegen all dieser Fragen (und nicht nur wegen der Wahlbeteiligung, die von Damen abgelehnt wurde) kam es zu einer Spaltung zwischen Maffi, Bordiga und Vercesi auf der einen und Damen, Stefanini und Lecci auf der anderen Seite. 1952 schloss sich offensichtlich eine Mehrheit, die jede Hoffnung auf eine Wiedereroberung der Gewerkschaften aufgegeben hatte und jede Unterstützung der „farbigen Völker“ (Zitat Bordiga) ablehnte, der Damen-Tendenz an. Die KPs wurden nicht mehr als „opportunistisch“ oder „zentristisch“ eingeschätzt, sondern als bürgerliche Parteien angesehen. Auch lehnten sie den Substitutionismus durch die Partei ab; die Partei dürfe nicht die Macht ergreifen, um sie im Namen des Proletariats auszuüben, denn die Arbeiterklasse „kann ihren geschichtlichen Auftrag nicht delegieren; auch kann sie keine Generalvollmachten ausstellen, auch nicht an ihre politische Partei“ („Thesen der PCInt“, Tendenz des Kongresses). (10)
Somit existierten 1952 in Italien zwei PCInts, die sich beide auf Lenin und die Italienische Linke beriefen. Die Gruppe um Bordiga publizierte bald darauf die Zeitschrift Il Programma Comunista, die noch heute auf Italienisch erscheint. Die Gruppe um Damen gab weiterhin Prometeo und Battaglia Comunista heraus, die ebenfalls noch heute erscheinen.
In der französischen und belgischen Fraktion der PCInt verursachten diese Divergenzen große Erschütterungen. 1949 stellte die belgische Zeitung L’Internationaliste ihr Erscheinen ein, und die belgische Fraktion selbst löste sich kurz danach auf. Im gleichen Jahr trat die Mehrheit der Mitglieder aus der französischen Fraktion aus, um sich der kurz zuvor gegründeten Gruppe „Socialisme ou Barbarie" anzuschließen. Nach zwei Jahren der Abwesenheit tauchte die FFGCbis unter dem Namen „Groupe français de la Gauche communiste international“ wieder auf. Anfangs veröffentlichte sie ein „Bulletin“, 1957 Programme Communiste und 1964 schließlich die Zeitung Le Proletaire, die bis heute erscheint und das Organ der eigentlichen „bordigistischen" Tendenz ist.
Während sich die Gruppe um Damen weiterhin auf der Suche nach politischen Kontakten begab und sich dabei an die verschiedensten „Adressen“ richtete („Socialisme ou Barbarie“, „News and Letters“ um Raya Dunajevskaja in den USA, italienische libertäre Kommunisten, die Gruppe um Munis und Perret sowie die Trotzkisten), zog sich Programma Comunista auf sich selbst zurück. In den darauffolgenden Jahren fanden eine Reihe von Spaltungen innerhalb des „bordigistischen“ Milieus statt. In Italien benannte sich die „Rivoluzione Comunista“ 1964 in „Parti Communiste Internazionalista“ um, wodurch die bordigistische Partei ihrerseits gezwungen wurde, sich in „Parti Communiste Internationale“ umzutaufen. Zudem gründete sich aus einer weiteren Abspaltung 1974 in Florenz „Il Partito Comunista“, die sich zu allem Überfluss ebenfalls „Parti Communiste Internationale“ nannte. 1967 tauchten als Ergebnisse von Abspaltungen von der PCInt Le fil du temps (Faden der Zeit) um Dangeville und Invariance um Jacques Camatte auf. 1972 spaltete sich die gesamte skandinavische Sektion von Programme Communiste ab; sie hatte mittlerweile KAPD-nahe Positionen eingenommen, die auch eine Spaltung in der französischen PCInt bewirkten. Es ereigneten sich noch weitere, allerdings weniger bedeutende Spaltungen, aus denen kleine Gruppen hervorkamen, von denen die einen den „reinen Bordigismus“ für sich reklamierten und die anderen sich in Richtung Trotzkismus bewegten. Letzteres galt vornehmlich für Italien. Nach einer Phase der Ausdehnung wurde die IKP 1982 durch weitere Spaltungen insbesondere in Frankreich und Italien, als sie in ihrer Zuneigung zu nationalen Befreiungskämpfen solch offen chauvinistische Gruppierungen wie „El Oumani“ favorisierte, stark geschwächt.

DIE FRANZÖSISCHEN LINKSKOMMUNISTEN (Internationalisme)

In Frankreich veröffentlichte die „Gauche Communiste de France“ bis 1952, d.h. bis zu ihrer eigenen Auflösung, die Zeitschrift Internationalisme. Während sie die Tradition der Italienischen Linken in ihren Grundsatzpositionen berücksichtigte, eignete sie sich jedoch andererseits in Folge ihres Kontaktes mit der Holländischen Linken auch bestimmte Analysen der Deutsch-Holländischen Linken an. Sie stützte sich vor allem auf die Theorie der Dekadenz des Kapitalismus seit 1914, die von Rosa Luxemburg entworfen und von der KAPD weiterentwickelt worden war. Der sich in allen Ländern ausbreitende Staatskapitalismus, der in Gestalt von Verstaatlichungen oder gar in Form einer vollständigen Übernahme der Wirtschaft durch den Staat auftrat, hat nichts mit dem Sozialismus zu tun, sondern spiegelt eine allgemeine Tendenz des dekadenten Kapitalismus in allen Ländern wider. Das Proletariat in den rückständigen Ländern hat weder bürgerliche Aufgaben zu übernehmen noch „nationale Befreiungskämpfe“ zu unterstützen. Es muss ohne Umwege seine eigene Klassendiktatur errichten, so wie es die Russische Revolution demonstriert hat, die keine bürgerliche, sondern eine proletarische Revolution war. Der I. Weltkrieg hat auch die Integration der Gewerkschaften und des Großteils der sozialistischen Parteien in den Staatsapparat offenbart. Ab 1927 fungierten schließlich auch die KPs als Agenten des Kapitals in den Reihen der Arbeiter. Die KPs waren nicht „Agenten Moskaus“, sondern Vertreter ihres eigenen nationalen Kapitals mit einer prorussisch ausgerichteten Außenpolitik. (11)
Hinsichtlich der Form der Arbeiterkämpfe und der Rolle der Partei im dekadenten Kapitalismus, der vom Zyklus Krise-Krieg-Wiederaufbau geprägt ist, plädierte die CGF für nicht ständige Wirtschaftsorganisationen, die, sobald die Kämpfe abflauen, wieder verschwinden. Erst in einer revolutionären Periode müssten sich die Arbeiter permanent in ihren Einheitsorganen organisieren, die sowohl ihre politischen als auch ihre wirtschaftlichen Interessen zum Ausdruck bringen: die Arbeiterräte. Die Rolle der Partei in diesen Kämpfen dürfe nicht darin bestehen, den Arbeitern die Initiative aus der Hand zu nehmen (Substitutionismus), sondern sie politisch nach vorne zu treiben, zur Generalisierung der Kämpfe und zum direkten Zusammenstoß mit dem Staat, wodurch die Perspektive eines revolutionären Umsturzes ermöglicht wird. Unter diesen Prämissen beteiligte sich die CGF 1947 am Streikkomitee bei Renault und verbreitete ihren Standpunkt, dass dieser Streik nicht auf die Fabriken der Renault-Werke in Billancourt beschränkt bleiben dürfe, sondern mittels politischen Einheitsforderungen und Parolen auf alle Teile der Arbeiterklasse ausgedehnt werden müsse. (12)
Insbesondere befasste sich die CGF mit der Frage der Übergangsperiode. Sie war der Auffassung, dass allein die Arbeiterräte die Einheitsorgane der proletarischen Diktatur seien, die weder durch die Partei noch durch den Staat, der von seinem Wesen her dem Sozialismus feindlich gesinnt sei, ersetzt werden könnten. An der Spitze dürfe weder die proletarische Partei noch irgendein „proletarischer“ Staat stehen; der Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus könne nur weltweit und bei ständiger Wachsamkeit des Proletariats gegenüber dem Übergangsstaat, der seinerseits ein konservativer Wächter der kapitalistischen Produktionsverhältnisse sei, bewerkstelligt werden. (13)
Obwohl die CGF 1948 eine gemeinsame Konferenz mit der Holländischen Linken veranstaltete und damit ihr Bestreben nach internationaler Auseinandersetzung und Klärung (14) zum Ausdruck brachte, hielt sie dennoch daran fest, neben der Notwendigkeit der Arbeiterräte auch die Wichtigkeit der kommunistischen Partei zu betonen, die ein entscheidender Faktor bei der Bewusstwerdung der Arbeiterklasse über ihre eigenen historischen Ziele sei.
Ihre hermetische Isolierung, die sie mit all jenen Gruppen teilte, die aus der früheren Deutschen und Italienischen Linken hervorgegangen waren, sowie ihre geographische Zersplitterung Anfang der 50er Jahre über mehrere Kontinente bewirkten das Ende der CGF. Internationalisme stellte ihr Erscheinen ein. Erst Anfang der 60er Jahre tauchte diese Strömung wieder auf – in Venezuela. Zunächst bezog sie gegen die aufkommende „Guerilla“ Stellung. Ab 1964 veröffentlichte sie die Zeitschrift Internacionalismo, die sich auf das Erbe von Internationalisme berief. Das Ende dieser „langen, 50 Jahre dauernden Periode der Konterrevolution“ 1968 ermöglichte eine quantitative Verstärkung dieser Strömung. So entstanden zunächst in Frankreich mit „Révolution Internationale“ und später auch in anderen Ländern (Italien, Schweden, den USA, Spanien, Großbritannien, Belgien, den Niederlanden, Deutschland) Gruppen, die sich 1975 zu Sektionen der „Internationalen Kommunistischen Strömung“ (IKS) zusammenschlossen.
Seit Mai 1968 ist das Interesse an den linkskommunistischen Ideen wiedererwacht. Alle hier erwähnten Strömungen, die entweder organisatorisch oder politisch insbesondere aus der Italienischen Linken hervorgegangen waren, sind in einem allgemeinen Sinn Erben der gesamten linkskommunistischen Tradition der 20er Jahre, d.h. jener Strömung, die Lenin als die „Kinderkrankheit des Kommunismus“ bezeichnet hatte. Ihre Entwicklung war nicht „ideologisch“, sondern von den reellen Erfahrungen aus der Zeit zwischen 1927 und dem II. Weltkrieg geprägt.

 

Fußnoten:

(Aus Platzgründen haben wir nicht alle Fußnoten aufgeführt. Sie können in der englischen, französischen und spanischen Ausgabe nachgelesen werden.)

(2) In der „Fabrica“, dem Organ der PCI in Mailand, stand im Januar 1944: „Und während die besten Söhne unserer Erde, unsere besten Kommunisten heldenhaft den Krieg gegen die Deutschen und die Faschisten an der Partisanenfront in Gorizia, Udien, Lecco, San Martino, im Aostatal und an so vielen anderen Orten Italiens führen, während die italienischen Arbeiter, Bauern, Intellektuelle ihr Blut im Kampf gegen die Besatzer vergießen, verbreiten die dubiosen Redakteure des ‚Prometeo’ ihre Gegenposition der ‚Partisanenfalle‘. Ihnen zufolge ist der gegen die Deutschen gerichtete Partisanenkampf eine Waffe, die die Bourgeoisie zur Verblendung der Arbeiter einsetzt. Ihnen zufolge sollen die Arbeiter sich nicht den Partisanenverbänden anschließen, sie sollen ‚vom Krieg desertieren‘.“

Der Aufruf endete mit einem veritablen Mordaufruf, vor dem Hintergrund des Mordes an Acquaviva und Atti im März bzw. Juli 1945. „Die kriminellen und infamen Handlungen dieser Verbrecher müssen entlarvt und offen gelegt werden. Sie sind eine Beleidigung der heldenhafter Kämpfer und ein Verrat an ihnen. Sie müssen wie Spione und Verräter isoliert und eingekerkert werden, wie Agenten der Gestapo behandelt werden. Und ihre Presse muss verbrannt werden.“

(5) In der 1945 von Bordiga verfassten und 1946 veröffentlichten Plattform war die Haltung zur Partisanenbewegung sehr unklar. „Hinsichtlich der Partisanen, dem patriotischen Kampf gegen die Deutschen und Faschisten lehnt die Partei die Manöver der internationalen und nationalen Bourgeoisie ab, die mit ihrer Propaganda für die Wiedergeburt des offiziellen Staatsmilitarismus (eine inhaltslose Propaganda) auf die Auflösung und Vernichtung der Freiwilligenorganisationen in diesem Kampf abzielt. In einer Reihe von Ländern waren diese Organisationen bereits Zielscheibe einer bewaffneten Repression.“

Politische Strömungen und Verweise: 

Entwicklung des proletarischen <br>Bewusstseins und der Organisation: