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Weltrevolution Nr. 151

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Die Arbeiter beginnen sich weltweit zu wehren

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Die Arbeiter beginnen sich weltweit zu wehren

Die brutale Beschleunigung der Wirtschaftskrise zwingt die Kapitalistenklasse dazu, die Last der Krise auf die Schultern der Arbeiterklasse abzuwälzen. Für die Arbeiterklasse bedeutet dies Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes, Werksschließungen, Lohnkürzungen, erhöhte Sozialabgaben usw. Mit dieser Situation werden zur Zeit jetzt schon Hunderte Millionen Arbeiter in allen Teilen der Erde konfrontiert. Im Gegensatz zu 1929, als das Kapital die Arbeiterklasse für die verheerende Wirtschaftskrise blechen lassen konnte, weil das Proletariat im Wesentlichen aufgrund einer Reihe von Niederlagen geschlagen war, ist die Arbeiterklasse heute keineswegs bereit, die Angriffe des Kapitals widerstandslos hinzunehmen. Als Reaktion auf die jüngste Zuspitzung der Krise und der von den Kapitalisten beschlossenen Sparmaßnahmen setzen sich in vielen Ländern die Betroffenen zur Wehr. Aus Platzgründen können wir in dieser Ausgabe unserer Zeitung nicht näher auf diese Abwehrkämpfe eingehen. Wir wollen an dieser Stelle nur drei Beispiele nennen, die aber die ganze Brisanz dieser Abwehrbewegung aufzeigen.

In China, wo seit einigen Jahren gigantische Arbeiterkonzentrationen in den neu entstandenen Industriezonen vor allem an der Ostküste entstanden sind, kreist seit kurzer Zeit das Gespenst der Massenarbeitslosigkeit. Zig Tausende Firmen haben auf das Schrumpfen des Weltmarktes und der Exportmöglichkeiten mit Entlassungen, Werksschließungen und Lohnkürzungen usw. reagiert, wenn die Firmen nicht direkt schließen mussten (allein schon im Perl-Fluss-Delta werden ca. 10 Mio. Entlassungen in den nächsten Monaten vorausgesagt!). Die Arbeiterklasse in China wird somit zum ersten Mal in der Geschichte des Kapitalismus gleichzeitig mit dem Rest des Weltproletariats von den Auswirkungen der Krise erfasst. Jeden Tag gibt es weitere Meldungen über Proteste, Demonstrationen usw., durch die meist sehr unerfahrenen und oft jungen Teile der Arbeiterklasse (zur Lage der Arbeiterklasse in China siehe unseren Artikel auf S. 5). Die Krise erzwingt somit den Eintritt des chinesischen Proletariats in den weltweiten Abwehrkampf der Arbeiterklasse.

Aber auch in den alten Industriezentren Europas erwachen ebenfalls die Abwehrkräfte der Arbeiterklasse. Stellvertretend sei hier Italien erwähnt, dessen Arbeiterklasse über eine lange Tradition von Kämpfen verfügt. Charakteristisch für die massive Herausbildung einer breiten Abwehrfront ist die Mobilisierung von großen Teilen der Jugend aus Protest gegen die Sparbeschlüsse im Bildungswesen. Unter dem Slogan "Wir zahlen nicht für die Krise" haben sich seit dem Herbst mehrfach Zig Tausende Schüler, Studenten und Beschäftigte aus dem Erziehungswesen in verschiedenen Städten zu Protesten zusammengefunden (eine nationale 17. Oktober, regionale Demos am 7. ,14., 18. und 28. November und ein angekündigter zweiter Generalstreik am 12. Dezember). Selbst "Mittelschüler" der Altersgruppe der 11-14 Jährigen beteiligen sich zum ersten Mal in ihrem Leben an diesem Widerstand. Diese generationsübergreifende Gärung lässt hoffen, dass die Arbeiterklasse in Italien den Abwehrkämpfen der Arbeiterklasse in Europa weiter Aufschwung verleihen wird.

Erste Anzeichen dieser Gärung in der Jugend sind nun auch in Deutschland zu vermelden - siehe unseren Artikel dazu auf S. 5.

Was Europa betrifft, könnte man viele andere Beispiele nennen, etwa den Generalstreik in Griechenland im Oktober oder den jüngsten Pilotenstreik in Frankreich, die Kapitalseite zum Nachgeben bei der geplanten Verlängerung der Lebensarbeitszeit zwang.

Der kurze Überblick von bedeutsamen ersten Reaktionen aus einer Vielzahl von Ländern ließe sich endlos fortsetzen. Wir versuchen jeweils auf unserer Webseite in den verschiedenen Sprachen unsere Leser/Innen auf dem laufenden zu halten (siehe z.B. die zahlreichen Streiks in Südamerika, über die wir auf unserer spanischen Webseite berichten). 29.11.08

 

Die UBS und die Schweiz – Ausdruck der allgemeinen Krise

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Wirkt sich die "Finanzkrise" auch im bekannten Banken-Land Schweiz aus? Diese Frage ist wohl so überflüssig, wie die Feststellung, dass Kapitalismus etwas mit Geld zu tun hat. Doch in der Schweiz wird von Seiten der herrschenden Klasse und den Politikern immer so getan, als habe das eine mit dem anderen nichts zu tun. D.h. die Union Bank Switzerland (UBS) wird vom Staat gestützt, auch wenn es angeblich keine auch nur teilweise Verstaatlichung sein soll, im Gegensatz zur Vorgehensweise anderer Staaten mit ihren Banken.

Einige bürgerliche Schreiberlinge unterscheiden Finanz-, Wirtschafts- und Systemkrise, wenn sie beispielsweise sagen: "Die Finanzkrise trifft die Schweiz in einer Rezession." Diese Sichtweise ist eine Beschönigung der aktuellen Lage. Wer den jüngsten Konjunktureinbruch als "Finanzkrise" darstellt, vertuscht, dass der Kapitalismus seit 40 Jahren in einer ständig sich vertiefenden Krise steckt.

Deshalb geht es uns in diesem Artikel nicht darum, die Gründe der Krise bei den Banken allein oder "dem Finanzkapital" allgemein zu suchen - auch wenn viel davon die Rede ist.

Der "modernste" - oder besser gesagt: der aktuellste - Ausdruck der Rolle des Finanzkapitals im Kapitalismus, sind die Banken, insbesondere auch die Grossbanken der Schweiz. Eine davon ist die UBS.

Insofern die "Finanzkrise" die Zuspitzung der allgemeinen ökonomischen Krise im Kapitalismus ist, befindet sich auch die Schweiz in keiner besonderen Situation. Von der globalen Rückbildung des Finanzbereiches wird die Schweiz hart betroffen sein.

Als die Fluggesellschaft Swissair bankrott ging und vom Staat sang- und klanglos aufgegeben wurde, war dies zwar eine Einschränkung in der Unabhängigkeit für die Bourgeoisie der Schweiz. Allerdings hat der Bereich einer Fluggesellschaft für einen Kleinstaat nicht dieselbe strategische Bedeutung wie für eine Grossmacht. Vor allem mitten in Europa.

Der Finanzbereich wurde in der Schweiz über die letzten 150 Jahre derart wichtig, dass er von strategischer Bedeutung ist. Die UBS hat mehr mit dem Charakter des Schweizer Imperialismus zu tun als die Swissair. Die Swissair war ein Werbeträger, aber beim Geld geht es ans Eingemachte. Der Finanzbereich ist für die Schweiz eine Frage von Leben oder Tod geworden. An dieser Stelle interessiert uns diese Entwicklung bezüglich einem traditionell starken Banken- und Finanzsektor in der Schweiz, welcher sich in den 1980er Jahren stark veränderte. Insbesondere die Deregulierung des Finanzsektors weltweit und die damit verbundenen Entwicklungen des Aktienmarktes brachten der Schweizer Bourgeoisie grosse Möglichkeiten der Profitabschöpfung.

Mit der Schrumpfung des industriellen Sektors musste die Erweiterung des sogenannten Dienstleistungssektors noch mehr vorangetrieben werden. Der Banken- und Finanzplatz Schweiz konnte durch seinen bereits traditionellen vorhandenen "guten Ruf", mit erfahrenen Banken und Versicherungen und einer engen Anbindung an die USA seit Beginn der 1980er Jahre zu einem Quantensprung in seiner Entwicklung anheben. Dabei spielte eine grosse Rolle, dass immer mehr Kapital angehäuft wurde, das nach Rendite suchte, weil es nicht mehr in genügendem Umfang in der produzierenden Industrie investiert werden konnte.


Diese Entwicklung brachte Möglichkeiten mit sich, um gerade auch insbesondere Angriffe auf die Löhne der ArbeiterInnen durchzuführen. Der Staat konnte mit neu eingeführten Gesetzen einen vorzüglichen Rahmen dafür schaffen. So wurde eine obligatorische private Altersvorsorge, das System der Pensionskassen, das einem Zwangssparen entspricht, eingeführt. Auch die staatliche Altersvorsorgekasse (AHV) durfte in Aktien investieren. Das Arbeits-, Aktien- und Versicherungsrecht usw. wurden mehrmals geändert. Eigentlich so ziemlich alles. Kurz gesagt: Das Parlament ist dauernd damit beschäftigt, die Ausbeutung der Arbeiterklasse straffer zu organisieren.

Die "privatwirtschaftlich Seite" der Entwicklung waren die Banken, der Aktienmarkt in Zürich und die ihn betreibende Firma. Die Gesetze diesbezüglich wurden ebenfalls ständig angepasst und verändert. Die Schweiz war zum Teil sogar Vorreiterin solchen Entwicklungen, die in anderen Ländern übernommen wurden.

Resultat: Die Schweiz war um die Jahrtausendwende nach London weltweit der derivativste Markt - mit einem anderen Wort: der spekulativste! Die UBS verwaltete bis zum Ausbruch der jüngsten "Finanzkrise", nahezu einen Drittel aller gesparten Vermögenswerte weltweit. Die UBS wies für 2007 eine Bilanzsumme von 2'273 Mrd. Franken aus. Dieser Riesensumme lagen ein Handelsbestand von 774 Mrd. Franken und Kundenausleihungen von 336 Mrd. Franken zugrunde. Allein diese Zahlen zeigen die schlichtweg irrationalen Dimensionen dieser Bank. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz beträgt rund 500 Mrd. Franken.

Demzufolge ist es nicht verwunderlich, dass die UBS eine der von der "Finanzkrise" am stärksten betroffene Bank in Europa ist. Bis zum Sommer 2008 musste die UBS mindestens 40 Mrd. Franken abschreiben. Mittlerweile dürften weitere Milliarden dazu gekommen sein.

Weshalb interveniert der Staat gerade in der Schweiz so heftig

Die Amerikaner schnürten ihr 700 Mrd. Dollar schweres Paket zuerst - nach einigem Zögern. Dieses war noch nicht mal vom US-Parlament genehmigt, als die Medien sofort das Wunschdenken verbreiteten, die Banken in der Schweiz würden indirekt davon profitieren.

Als dann England und Deutschland ihre Rettungspakete bekannt gaben, wollten die schweizerische Regierung und die hiesige Bankiervereinigung der ganzen Welt weis machen, dass Ruhe bewahren das beste Rezept sei. Handlungsbedarf sei nicht gegeben.

Nur einige Tage nach diesen Statements musste die Regierung verkünden, dass 68 Mrd. Franken zur Stützung der UBS - also einer einzigen Bank - versprochen werden. Ein Aufschrei war zu vernehmen, der mehr Ausdruck der Verwunderung war. Man stelle sich dieses Megapaket für eine einzige Bank im Verhältnis zur 700-Mrd.-Dollar-Spritze der USA für ihre Finanzmärkte vor. Das Bruttoinlandsprodukt der USA beträgt rund das 40-fache desjenigen der Schweiz; ihre Spritze aber bloss etwa das 12-fache.

Der UBS-Rettungsplan sieht vor, dass der Staat der UBS eine Kapitalspritze versetzt und eine so genannte "Zweckgesellschaft" unter Leitung der Schweizer Nationalbank gründet. Diese "Zweckgesellschaft" soll der UBS für maximal 62 Mrd. Franken unverkäufliche Wertpapiere abkaufen. Ursprünglich verfolgten die USA eine ähnliche Idee. Inzwischen haben sie diesen Plan geändert. Die USA unterstützen ihre Not leidenden Banken jetzt direkt, statt die Ramsch-Papiere aufzukaufen. Damit sinkt weltweit die Attraktivität dieser Papiere weiter. Das wiederum drückt auf die Kurse und macht den Schweizer UBS-Rettungsplan zusätzlich zu einem Risikogeschäft. D.h. die anfänglich in Aussicht gestellten Gewinne für den Staat werden immer unwahrscheinlicher.

Der Staat ist derart gefordert, weil die Auswirkungen der Krise alle Vorstellungs- und jedes Handlungsvermögen einzelner Banken übersteigen.

Die Politiker und Medien der Schweiz legen grossen Wert darauf, dass dieses Geld für die UBS in keinem Falle eine auch nur irgendwie geartete Teil-Verstaatlichung sei. Im Gegensatz zu angeblich anders gearteten Finanz-Rettungspaketen anderer Länder. So die offizielle Interpretation.

Es ist unwesentlich, wie die Konzeptionen in der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Scheinbare Begründungen und Argumente hin oder her. Es sind massive Interventionen des Staates, gerade in einem Bereich, in dem sich die so genannte "Globalisierung" angeblich exemplarisch verwirklichte. Die insgesamt 68 Mrd. Franken für das UBS-Rettungpaket sind nicht nur eine sehr hohe Summe; man muss auch die politische Bedeutung der Intervention betonen. Es ist das offene Auftreten staatskapitalistischer Massnahmen, wie sie seit den 1970er Jahren nicht mehr da gewesen sind. Es sind massive, rigorose Interventionen des Staates - ob in der Schweiz, den USA, Grossbritannien oder Deutschland.

Reichlich vorhandene Scheinlösungen

Von den 68 Mrd. Franken des UBS-Rettungspakets werden angeblich bis zu zwölf Milliarden als Bonus für die Manager ausbezahlt. Der Bundesrat (die Regierung) liess bekannt geben, dass er einen konkreten Plan hat, die Bonuszahlungen von den Managern zurückzufordern. Dies mit dem nichts sagenden Zusatz: falls die Manager ihre Leistungen nicht erfüllten.

Die sozialdemokratische Partei (SP) hat kurz nach dem ersten Rummel um die 68 Mrd. Franken einen "Gegenvorschlag" vorgebracht. Der zentrale Punkt der Kritik ist, dass der Staat auf die vorgesehene Zweckgesellschaft, die mit diesen 68 Mrd. gegründet wurde, zu wenig Einfluss habe. Die anderen Parteien nannten die Vorschläge der SP sofort "kalte Verstaatlichung".

Es ist moralisierende Heuchelei, wenn die Politiker so tun, als ob die Kontrolle der Manager-Löhne der wesentliche Punkt sei, der kontrolliert werden müsse. Dass die Managerlöhne zwar nicht die alleinige Schuld tragen, aber der "Finanzsektor" besser kontrolliert werden müsse, ist eine Differenzierung der bürgerlichen Linken, die auf eine grössere Rolle des Staates abzielt. Heute in dieser Situation wieder den Staat und Staatsinterventionen bzw. Regulierung zu fordern, ist abgeschmackte reformistische Illusionen zu verbreiten, welche nach mehr Keynesianismus rufen und somit vortäuschen, dass die Probleme damit zu lösen seien. Zufall ist es nicht, dass die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften der "Finanzkrise" die Schuld dafür zuschreiben, dass die "ganze" Wirtschaft von der Rezession erfasst wird. Es ist vielmehr die eigene Logik dieses Teils der Bourgeoisie, der seit bald 100 Jahren so fest in den Staat integriert ist wie ihre rechten Konkurrenten. Jener linke Flügel der herrschenden Klasse muss nun aktiver werden, um mit seiner Ideologie die Arbeiterklasse weiterhin hinters Licht zu führen. Die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften bedauern dies, weil mit der Verschärfung der Krise je länger je grössere Teile der Arbeiterklasse diesen Betrug als solchen erfahren und erkennen können.

Gerade in der Schweiz fordern die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften nicht weiter gehende Dinge, als Regierungsmitglieder und Politiker anderer Parteien auch fordern.

Wenn der Schweizerische Gewerkschaftsbund auf seinem Flugblatt für die Kundgebung vom 15. November 2008 die Forderung nach "Rückzahlung der Boni" stellt, spielt er nur mit der berechtigten Wut der ArbeiterInnen, um sie für die eigene Stärkung im politischen Ränkespiel zu missbrauchen. Um zu sagen: Seht her: Die Leute kommen an unsere Kundgebung! Wir sind eine wichtige und verantwortungsvolle Kraft im Staat, auf die ihr nicht verzichten könnt.

Wer muss die Krise am Schluss ausbaden?

Die Behauptung der Gewerkschaften, dass die Finanzkrise die Ursache der jetzigen Rezession in der "Real-Wirtschaft" sei, ist eine grosse Lüge, um bei den Arbeitern einen falsche Erklärung in Umlauf zu bringen - insbesondere, wenn die Arbeitslosigkeit steigen wird. Vielmehr krankt dieses System insgesamt an einer Ueberproduktionskrise: Es soll möglichst viel produziert werden, damit der Profit möglichst hoch ist; die Ausgebeuteten, d.h. die grosse Masse der Bevölkerung, sollen aber möglichst wenig für ihre Arbeit kriegen, da ja sonst der Profit abnimmt; also fehlt ihnen das Geld, um die produzierten Waren zu kaufen - ein Widerspruch, den der Kapitalismus mit seiner Profitlogik nicht überwinden kann.

Die Bourgeoisie ist angesichts des knappen Geldes auch in der Staatskasse sofort zu Kürzungen in der Altersvorsorge übergegangen. Einerseits wird von der Regierung der Mindestzinssatz für das Pensionskassenvermögen von 2,75% auf 2% gesenkt. Andererseits wurde auch der Umwandlungssatz für die Berechnung der Höhe der monatlichen Pension aus dem angehäuften Pensionskassenvermögen von 7,2% auf 6,4% reduziert. Diese Rentenkürzungen sind so offensichtlich, dass Kommentatoren in den Medien dies aufgriffen. Für die Pensionskassen, welche Ende 2007 noch 600 Mrd. Franken verwalteten, wird 2008 das schlechteste Jahr seit ihrer gesetzlichen Einführung 1985.

Und auch mit den Lohnerhöhungen für nächstes Jahr ist es nicht weit her. Von Lohnerhöhung kann keine Rede sein. Im Gegenteil! 1,5% bis 3% sind lächerlich geringe Summen. Dies ist nur knapp der Ausgleich der offiziell ausgewiesenen Teuerung.

Dazu kommt eine weitere Erhöhung der Krankenkassenprämien, die bei niederen Einkommen die Lohnerhöhung schon alleine wegfressen. Dazu kommt, dass auch in der Schweiz Strom, Gas und Benzin massiv teurer wurden.

Auch in der Schweiz wird die Arbeiterklasse von einer noch selten dagewesenen Krise betroffen sein. Die Schweiz wird diese Krise nicht mehr so einfach in den Griff kriegen, wie in den 70er-Jahren, als viele Immigranten und "Fremdarbeiter" abgeschoben wurden. Dies ist wichtig festzustellen, weil der herrschenden Klasse in der Schweiz eine Arbeiterschaft gegenüber steht, die prozentual einen sehr hohen Teil der Bevölkerung ausmacht. Traditionell versucht die Schweizer Bourgeoisie, die einheimischen ArbeiterInnen möglichst von der immigrierten Arbeiterschaft zu trennen. Dies ist heute viel weniger möglich als früher. Deshalb wird es für uns wichtig sein, die Einheit der Arbeiterklasse zu betonen und diese Manöver anzuprangern.

Es gibt nur eine Arbeiterklasse, die zur Klasse an und für sich werden muss - das Proletariat!

20.11.08, G

Nationale Situationen: 

  • Nationale Lage in der Schweiz [1]

Januar 1919 - Der verfrühte Aufstand

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Im November 1918 zwang die Arbeiterklasse durch ihre Erhebung die deutsche Bourgeoisie dazu, den Krieg zu beenden. Um eine weitere Radikalisierung der Arbeiterklasse und eine Wiederholung der Ereignisse von Russland zu verhindern, schickte das Kapital die SPD als Speerspitze gegen die Arbeiterklasse in die Schlacht. Mit Hilfe der Gewerkschaften und mittels einer ausgetüftelten politischen Sabotage versuchte die SPD, die Schlagkraft der Arbeiterräte zu untergraben.

Aber die Herrschenden gingen von Beginn an auch von der Notwendigkeit einer militärischen Niederschlagung der Bewegung aus. Anfangs war es für die Bourgeoisie angesichts der explosiven Entwicklung, in der es überall zu Meuterungen von Soldaten und zu ihrem massenhaften Desertieren auf die Seite der aufständischen Arbeiter kam, nicht möglich, an Repression auch nur zu denken. Zunächst musste sie politisch gegen die Arbeiterklasse vorgehen, ehe sie sie auch militärisch besiegen konnte.

Doch die Vorkehrungen für ein militärisches Vorgehen liefen vom ersten Tag an. Und nicht die "rechten" Parteien leiteten diese militärische Repression ein, sondern - in engster Absprache mit den Militärs - die SPD, die sich noch immer als "große Arbeiterpartei" pries. Es waren die viel gerühmten Demokraten, die das letzte Bollwerk zur Verteidigung des Kapitalismus boten, die sich als der wirksamste Schutzwall gegen die proletarische Revolution herausstellten.

Die SPD begann sofort, systematisch sog. Freikorps aufzubauen, da die regulären Truppenteile unter dem "Bazillus des Bolschewismus" litten und der bürgerlichen Regierung die Gefolgschaft verweigerten. Freiwillige, die mit Sonderprämien angeheuert wurden, sollten als militärische Handlanger dienen.

 

Die militärischen Konfrontationen vom 6. und 24. Dezember

Nur einen Monat nach Ausbruch der Kämpfe, am 6. Dezember, ließ die SPD in Absprache mit den Militärs Soldaten in die Räume der Redaktion der Roten Fahne eindringen. Zweck dieser Aktion war es, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht sowie andere Spartakisten, aber auch Mitglieder des Vollzugsrates zu verhaften. Gleichzeitig attackierten regierungstreue Truppen eine Demonstration entlassener und desertierter Soldaten, wobei 14 Demonstranten getötet wurden. Als Reaktion darauf traten am 7. Dezember die Belegschaften mehrerer Betriebe in den Streik, überall in den Betrieben wurden Vollversammlungen abgehalten. Am 8. Dezember fand erstmals eine bewaffnete Demonstration von mehr als 150.000 Arbeitern und Soldaten statt. In den Städten des Ruhrgebiets (Mülheim) verhafteten Arbeiter und Soldaten etliche Industrielle.

Doch trotz dieser militärischen Provokation riefen die Revolutionäre nicht zum Aufstand auf, sondern drängten lediglich auf eine massive Mobilisierung der Arbeiter. Die Spartakisten waren der Auffassung, dass die Bedingungen für den Sturz des bürgerlichen Regimes noch nicht reif seien, dass die Kräfte der Arbeiterklasse noch nicht ausreichten.

Der Reichsrätekongress zwischen dem 16. und 21. Dezember 1918 verdeutlichte dies. Die Bourgeoisie begriff sofort, dass sie einen Punktsieg errungen hatte. Denn unter dem Einfluss der SPD beschlossen die Delegierten des Reichsrätekongresses, ihre eigenen Entscheidungen einer noch zu wählenden Nationalversammlung unterzuordnen. Gleichzeitig wurde ein sog. "Zentralrat" gewählt, der ausschließlich aus Sozialdemokraten bestand und vorgab, im Namen der Arbeiter- und Soldatenräte zu sprechen. Nach diesem Kongress witterte die Bourgeoisie die Gelegenheit, die politische Schwächung der Arbeiterklasse auch direkt militärisch auszunutzen. Am 24. Dezember zettelte sie die nächste militärische Provokation an. Freikorps und regierungstreue Truppen griffen revolutionäre Matrosen an; elf Matrosen und mehrere Soldaten starben. Wieder herrschte große Empörung unter den Arbeitern. Arbeiter der Daimler-Motoren-Gesellschaft und vieler anderer Berliner Betriebe forderten die Bildung einer "Roten Garde". Am 25. Dezember fanden erneut mächtige Demonstrationen gegen diese Provokation statt. Die Regierung musste einen Rückzieher machen. Nach so viel Diskreditierung musste auch die USPD , die bis dahin gemeinsam mit der SPD den Rat der Volksbeauftragten gebildet hatte, am 29. Dezember aus der Regierung austreten.

Die Bourgeoisie gab jedoch in ihrem Bestreben, das bewaffnete Proletariat in Berlin zu entwaffnen und entscheidend zu schlagen, nicht nach.

 

Die SPD stachelt zur Kommunistenhatz auf

In ihrem Bemühen, die restliche Bevölkerung gegen die revolutionären Arbeiter aufzuhetzen, machte sich die SPD zum Sprachrohr einer ungeheuerlichen Meuchelmordkampagne gegen die revolutionären Arbeiter und vor allem gegen die Spartakisten.

Ende Dezember 1918 traten die Spartakisten aus der USPD aus und schlossen sich mit den Genossen der IKD zur KPD zusammen. Damit erhielt die Arbeiterklasse Unterstützung durch eine kommunistische Partei, die, kaum aus den Kämpfen hervorgegangen, schon zur Zielscheibe der Angriffe der SPD wurde.

Die KPD erkannte, dass die Aktivität der breitesten Arbeitermassen erforderlich war, um der Taktik des Kapitals die Stirn zu bieten. "Nach der ersten Phase der Revolution, der des vorwiegend politischen Kampfes, kommt eine Phase des verstärkten, gesteigerten, in der Hauptsache ökonomischen Kampfes." (Rosa Luxemburg auf dem Gründungsparteitag der KPD). Die SPD werde mit den "emporlodernden Flammen des ökonomischen Klassenkampfes nicht fertig werden" (ebenda). Daher versuchte das Kapital mit der SPD an seiner Spitze, eine weitere Verschärfung der ökonomischen Kämpfe durch eine Anzettelung von militärischen Aufständen der Arbeiter zu vereiteln. Durch die Provokation und anschließende Zerschlagung eines verfrühten Aufstandes sollte ein wichtiges Zentrum der deutschen Arbeiterklasse, die Berliner Arbeiter, geschwächt werden, um dann schrittweise gegen den Rest der Klasse vorzugehen.

 

Die Falle des verfrühten Aufstandes in Berlin

Ende Dezember hatte die Bourgeoisie die in Berlin stationierten Truppen neu formiert. Mehr als 10.000 Mann starke Stoßtruppen standen ihr jetzt rund um Berlin zur Verfügung. Insgesamt hatte sie über 80.000 Soldaten um Berlin zusammengezogen. Anfang Januar 1919 holte die Bourgeoisie zu einem neuen militärischen Schlag gegen die Berliner Arbeiter aus. Am 4. Januar wurde der Polizeipräsident von Berlin, Eichhorn, der im November von den Arbeitern ernannt worden war, von der bürgerlichen Regierung entlassen. Dies wurde sofort als Herausforderung der revolutionären Arbeiterschaft verstanden. Am Abend des 4. Januar versammelten sich die revolutionären Obleute zu einer Sitzung, an der auch Liebknecht und Pieck im Namen der frisch gegründeten KPD teilnahmen.

Für Sonntag, den 5. Januar, rief man zu einer Protestkundgebung auf. Ca. 150.000 Menschen versammelten sich nach der Demonstration vor dem Polizeipräsidium. Am gleichen Abend besetzten einige Demonstranten - vermutlich von Provokateuren aufgewiegelt, jedenfalls ohne Wissen und Zustimmung des Aktionsausschusses - die Gebäude der SPD-Zeitung Vorwärts und anderer Verlage.

Doch die Bedingungen für den Sturz der Regierung waren noch nicht reif. So schrieb die KPD Anfang Januar in einem Flugblatt: "Würden die Berliner Arbeiter heute die Nationalversammlung auseinanderjagen, würden sie die Scheidemann-Ebert ins Gefängnis werfen, während die Arbeiter des Ruhrgebietes, Oberschlesiens, die Landarbeiter Ostelbiens ruhig bleiben, so würden die Kapitalisten morgen Berlin durch Aushungerung unterwerfen können. Der Angriff der Arbeiterklasse auf das Bürgertum, der Kampf um die Macht der Arbeiter- und Soldatenräte müssen das Werk des gesamten arbeitenden Volkes im ganzen Reiche werden. Nur wenn der Kampf der Arbeiter in Stadt und Land überall jeden Tag sich verschärft, zunimmt, wenn er zum reißenden Strome wird, der ganz Deutschland durchbraust, die Welle der Ausbeutung und Unterdrückung hinwegschwemmt, nur dann wird die Regierung des Kapitalismus, wird die Nationalversammlung gesprengt und auf ihren Ruinen die Regierung der Arbeiterklasse errichtet werden, die im weiteren Kampf gegen die Bourgeoisie das Proletariat zum vollen Siege führen wird. Deswegen darf unser Kampf gegen die Nationalversammlung weder in passiver Abstinenz, in einfacher Stimmenthaltung, noch in bloßer Störung der Wahlen, noch in dem bloßen Versuch der Auseinanderjagung der Nationalversammlung bestehen, es gilt, in diesem Kampfe Machtpositionen zu erobern.

(...) Arbeiter und Arbeiterinnen, Soldaten und Matrosen! Ruft überall Versammlungen ein und klärt die Volksmassen über den Schwindel der Nationalversammlung auf (...) In jeder Werkstatt, in jedem Truppenteil, seht Euch in jeder Stadt Euren Arbeiter- und Soldatenrat an, prüft, ob er wirklich gewählt worden ist, ob in ihm Vertreter des kapitalistischen Systems, Verräter der Arbeiterklasse, wie die Scheidemänner, oder haltlos hin und her schwankende Gestalten, wie die Unabhängigen, sitzen". (aus einem Flugblatt der KPD, Anfang Januar 1919 verteilt) Aus dieser Einschätzung geht deutlich hervor, dass sich die KPD darüber im Klaren war, dass der Sturz der Kapitalisten noch nicht unmittelbar bevorstand. Der Aufstand stand noch nicht auf der Tagesordnung.

Nach der riesigen Massendemonstration vom 5. Januar fand noch am gleichen Abend erneut eine Sitzung der Obleute unter Beteiligung von Delegierten der KPD, USPD und Vertretern der Garnisonstruppen statt. Unter dem Eindruck der mächtigen Demonstration versuchte man zunächst, die Stimmung auszuloten. Es wurde von einer kampfbereiten Stimmung in den Truppen berichtet. Die Anwesenden wählten einen Aktionsausschuss aus 53 Mitgliedern, an dessen Spitze Ledebour (USPD), Scholz für die revolutionären Obleute und Liebknecht für die KPD traten. Man beschloss für den folgenden 6. Januar den Generalstreik und eine neue Demonstration.

Der Aktionsausschuss verteilte ein Flugblatt mit der Parole: "Auf zum Kampf um die Macht des revolutionären Proletariats! Nieder mit der Regierung Ebert-Scheidemann!"

Soldaten kamen und erklärten dem Aktionsausschuss ihre Solidarität. Eine Soldatendelegation versicherte, sie werde sich auf die Seite der revolutionären Arbeiter stellen, wenn man die Ebert-Scheidemann-Regierung für abgesetzt erkläre. Daraufhin unterschrieben Liebknecht für die KPD und Scholz für die revolutionären Obleute ein Dekret, wonach die Regierung abgesetzt sei und der Revolutionsausschuss die Regierungsgeschäfte übernehme. Am 6. Januar demonstrierten ca. 500.000 Arbeiter auf den Straßen und in allen Stadtteilen; die Arbeiter der Großbetriebe verlangten nach Waffen. Die KPD forderte die Bewaffnung der Arbeiter und die Entwaffnung der Konterrevolutionäre.

Doch nachdem er erst: "Nieder mit der Regierung!" gerufen hatte, machte der Revolutionssausschuss anschließend keine ernsthaften Anstalten, diese Parole auch in die Tat umzusetzen. Weder wurden in den Betrieben Kampfgruppen aufgestellt noch der Versuch unternommen, die Regierungsgeschäfte in die Hand zu bekommen und die alte Regierung lahmzulegen. Nicht nur, dass der Aktionsausschuss keinen Aktionsplan besaß, er wurde gar am 6. Januar von Marinesoldaten aufgefordert, das Tagungsgebäude zu verlassen - was er dann auch tat.

Die demonstrierenden Arbeitermassen warteten auf den Straßen auf Anweisungen, während ihre Führer ratlos waren und - tagten. Während die Führung des Proletariats zögerte und zauderte, abwartete und ohne eigenen Plan war, erholte sich die SPD-geführte Regierung schnell vom ersten Schock über den Widerstand der Arbeitermassen. Sobald sich die Schwäche der Revolutionäre, ihr Mangel an Führungskraft, offenbarte, raffte man sich auf der Gegenseite zum entschlossenen Handeln auf. Von allen möglichen Seiten wurde Hilfe angeboten. Die SPD rief zu Streiks und Demonstrationen für die Regierung auf und startete eine massive Hetzkampagne gegen die Kommunisten.

Nun traten die SPD und ihre Komplizen also unter dem Deckmantel der Revolution und der Arbeiterinteressen auf, um die Revolutionäre zu massakrieren. Mit spitzfindiger Doppelzüngigkeit forderte sie die Arbeiterräte auf, sich hinter die Regierung gegen die "bewaffneten Banden" zu stellen. Gustav Noske, führendes SPD-Mitglied, wurde zum Oberbefehlshaber der Repressionstruppen ernannt. "Einer muss der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht." (Zitat von Noske)

Schon am 6. Januar kam es zu vereinzelten Gefechten, derweil die Regierung rund um Berlin immer mehr Truppen zusammenzog. Am Abend des 6. Januar tagte der von SPD und USPD dominierte Berliner Vollzugsrat. Anschließend schlug er dem revolutionären Aktionsausschuss Verhandlungen zwischen den revolutionären Obleuten und der SPD-Regierung vor, zu deren Sturz der Aktionsausschuss gerade erst aufgerufen hatte. Statt sich an die Spitze der Bewegung gegen die Regierung zu stellen, setzte sich der Vollzugsrat also zwischen alle Stühle. Der Vollzugsrat wollte als "vermittelnde" Kraft handeln, indem er Unversöhnliches miteinander zu versöhnen versuchte. Dieses Verhalten des Vollzugsrates vergrößerte das Zaudern der ohnehin schon abwartenden und zögernden Soldaten. Die Matrosen erklärten, dass sie sich nunmehr "neutral" verhalten werden. Hier wird deutlich, dass jedes unentschlossene Verhalten schnell zu einem Verlust an Selbstbewusstsein innerhalb der Klasse, aber auch zu einem Vertrauensverlust der Arbeiter gegenüber den politischen Organisationen des Proletariats führt.

Der SPD gelang es so, die Arbeiterklasse zutiefst zu schwächen. Wie sich später herausstellen sollte, setzte sie dabei auch Provokateure ein, die die Arbeiter zu Zusammenstößen aufwiegeln sollten. So geschah die Besetzung von Zeitungsredaktionen und Verlagsgebäuden (wie den Vorwärts) am 7. Januar offensichtlich auf Betreiben von Agents provocateurs der Regierung.

Die KPD-Führung hatte zu den Ereignissen in Berlin und dem von den revolutionären Obleuten gefassten Aufstandsbeschluss eine klare Position. Ausgehend von der Einschätzung der Lage, die auf ihrem Gründungsparteitag artikuliert wurde, hielt die KPD den Zeitpunkt für einen Aufstand für verfrüht.

Die Spartakisten drängten die Arbeiterklasse zu einer Intensivierung des Drucks in den Arbeiterräten, womit die Kämpfe wieder auf das Terrain der Arbeiterklasse, also in die Betriebe zurückgeführt und Ebert, Scheidemann & Co. davongejagt werden sollten. Die Bewegung musste erst durch den Druck der Räte neuen Anschub erhalten, bevor sie die Schlacht um die Machtergreifung antreten konnte.

Am 8. Januar übten Rosa Luxemburg und Leo Jogiches scharfe Kritik am Aufruf des Revolutionsausschusses zum unmittelbaren Sturz der Regierung, aber auch an der zögernden und kapitulantenhaften Haltung des Ausschusses, die es ihm unmöglich machte, die von ihm ausgelöste Bewegung anzuführen. Vor allem warfen sie Liebknecht vor, auf eigene Faust zu handeln, sich von seinem Enthusiasmus und seiner Ungeduld blenden zu lassen, statt sich an die Beschlüsse der Partei zu halten und auf das Programm sowie die Einschätzung seiner Partei zu stützen.

Dieses Ereignis zeigt, dass es weder an einem Programm noch an politischen Lageanalysen mangelte, sondern an der Fähigkeit der KPD, ihre Pflicht als politische Führung der Arbeiterklasse zu erfüllen. Die erst wenige Tage alte KPD besaß nicht den Einfluss und noch weniger die Solidität sowie den organisatorischen Zusammenhalt, die die bolschewistische Partei 1917 in Russland ausgezeichnet hatten. Diese Unreife der KPD war der Grund für die Verwirrung in ihren eigenen Reihen, die sich später zu einer folgenschweren Bürde auswachsen sollte.

In der Nacht vom 8. auf den 9. Januar kam es erstmals zu Übergriffen von Regierungstruppen gegenüber Arbeitern. Der Aktionsausschuss, der das Kräfteverhältnis noch immer falsch einschätzte, drängte darauf, gegen die Regierung loszuschlagen, obwohl sich diese gerade im Aufwind befand: "Auf zum Generalstreik, auf zu den Waffen (...) Es gibt keine Wahl! Es muss gekämpft werden bis aufs Letzte." Diesem Aufruf folgten viele Arbeiter, doch erneut warteten sie vergeblich auf präzise Anweisungen des Ausschusses. Nichts geschah, um die Massen zu organisieren, um die Verbrüderung der revolutionären Arbeiter mit den Truppen herbeizuführen.

Unterdessen marschierten die Regierungstruppen in Berlin ein und lieferten sich tagelange Straßenkämpfe mit bewaffneten Arbeitern. Bei immer wieder aufflammenden Zusammenstößen in verschiedenen Stadtteilen Berlins wurden zahllose Arbeiter erschossen oder verletzt. Die Kämpfe dauerten nahezu eine Woche an. Am 13. Januar wurde der Generalstreik von der USPD-Führung für beendet erklärt. Am 15. Januar wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von den Schergen des sozialdemokratisch geführten Regimes ermordet. Die Kampagne "Tötet Liebknecht!" war erfolgreich abgeschlossen worden. Die KPD war ihrer besten Führer beraubt!

Die KPD besaß damals nicht die Kraft, die Bewegung zurückzuhalten - so wie es im Juli 1917 den Bolschewiki gelungen war. "Ein Erfolg der Spartakusleute war von vornherein ausgeschlossen, da wir sie durch unsere Vorbereitungen zum früheren Zuschlagen genötigt haben. Ihre Karten wurden früher aufgedeckt, als sie es wünschten, und wir waren daher in der Lage, ihnen entgegenzutreten." (Zitat von Polizeipräsident Ernst, SPD-Nachfolger von Eichhorn)

Die Bourgeoisie erkannte jedoch sofort, dass sie ihren militärischen Erfolg weiter ausbauen musste. In einer Welle blutiger Repression wurden Tausende von Berliner Arbeitern und Kommunisten ermordet, misshandelt und gefangengenommen. Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht war keine Ausnahme, sondern nur der erste Ausdruck einer wilden Entschlossenheit der Bourgeoisie, ihre Todfeinde, die Revolutionäre, samt und sonders auszulöschen. Am 19. Januar war dann der Triumph der Demokratie perfekt - die Wahlen zur Nationalversammlung in Weimar, wohin die Regierung sie unter dem Druck der Arbeiterkämpfe verlegt hatte, fanden statt. Die Weimarer Republik wurde also erst durch die Massaker an der Arbeiterklasse ermöglicht.

 

Es ist die Partei, die den Siedepunkt erkennen muss, die "den Moment für das Angriffsziel richtig erfassen" (Trotzki) muss, um die Klasse zum richtigen Zeitpunkt zum Aufstand zu drängen. Die Arbeiterklasse muss "über sich eine weitblickende, feste und sichere Leitung (in der Form der Partei) fühlen" (Trotzki).

 

Der revolutionäre Aufschwung der Klasse

Der Analyse zufolge, die die KPD auf ihrem Gründungsparteitag erstellt hatte, war die Klasse noch nicht reif für den Aufstand. Nach der anfangs von Soldaten dominierten Bewegung erhoffte man sich jetzt einen neuen Schub durch die Belegschaften der Betriebe, durch einen verstärkten Druck der Arbeitervollversammlungen und Demonstrationen. Nur dies hätte der Bewegung Auftrieb und Selbstvertrauen geben können. Wenn der Aufstand im Januar kein Putschversuch durch einige verzweifelte und ungeduldige Elemente bleiben, sondern auf den "revolutionären Aufschwung" der Arbeiterklasse fußen sollte, musste auch der Kampf der restlichen Arbeiterklasse intensiviert werden.

 

Zudem hatten die Arbeiterräte im Januar noch lange nicht die Zügel in die eigene Hand genommen, war die neben der Regierungsgewalt existierende Macht der Räte aufs heftigste von der SPD sabotiert worden. Wie schon erwähnt, hatte die Bourgeoisie auf dem Reichsrätekongress Mitte Dezember 1918 einen Sieg errungen. Seither war es noch zu keiner Neubelebung der Arbeiterräte gekommen. Die Einschätzung des Kräfteverhältnisses und der Dynamik der Entwicklung durch die KPD entsprach der Realität.

Es wird der Einwand vorgebracht, dass die Partei die Macht hätte übernehmen müssen. Doch wie soll dies eine Partei, und sei sie noch so "stark", bewerkstelligen, wenn das Bewusstsein großer Teile der Arbeiterklasse noch nicht ausreichend entwickelt ist, wenn die Arbeiterklasse noch zögert und schwankt, wenn sie nicht einmal Arbeiterräte gebildet hat, die stark genug waren, um dem bürgerlichen Regime entgegenzutreten. Aus unserer Sicht steckt hinter diesem Einwand ein grundsätzliches Verkennen der fundamentalsten Charakteristiken einer proletarischen Revolution bzw. eines Aufstandes, der, wie Lenin zuvorderst betont, "keine Verschwörung der Partei sein kann, sondern sich auf die fortgeschrittenste Klasse stützen muss". Kurz, hinter dieser Kritik verbirgt sich eine blanquistische, putschistische Sichtweise. Selbst im Oktober 1917 haben die Bolschewiki nachdrücklich darauf bestanden, dass nicht sie, sondern der Petrograder Sowjet die Macht übernehmen muss.

Der Aufstand kann nicht willkürlich "von oben" deklariert werden, sondern kann erst dann organisiert werden, wenn die Eigeninitiative und die Bereitschaft der Klasse, die Organisierung ihrer Kämpfe selbst in die Hand zu nehmen, ihr Bewusstsein für die Orientierungen und Anweisungen der Räte und der Partei geöffnet haben.

Damit das Proletariat das Joch des Kapitalismus abschüttelt, reichen nicht allein der Wille und die Entschlossenheit seiner Revolutionäre, d.h. des bewusstesten und entschlossensten Teils der Klasse, aus. Denn ein proletarischer Aufstand ist kein handstreichartiger Putsch, wie nur die bürgerlichen Ideologen es sich vorstellen können, sondern das Werk der Arbeiterklasse selbst. Doch im Januar 1919 hatte die deutsche Arbeiterklasse diesen Reifegrad noch nicht erreicht.

 

Die zentrale Rolle der Kommunisten

Im Gegensatz zu den Bolschewiki im Juli 1917 hatte die KPD im Januar 1919 noch längst nicht so viel Gewicht, um den Lauf der Ereignisse entscheidend mit zu beeinflussen. Denn es reicht nicht, dass die Partei richtige Positionen bezieht, notwendig ist auch ein entsprechendes Gewicht in der Klasse. Sowohl der verfrühte Januaraufstand in Berlin als auch die darauffolgende blutige Niederlage machten es der KPD jedoch unmöglich, solch ein Gewicht zu erlangen. Der Bourgeoisie gelang es, die revolutionäre Avantgarde der Arbeiterklasse zu schwächen, indem sie ihre besten Militanten umgebracht und ihr wichtigstes Interventionsorgan, die Rote Fahne, vorläufig zum Schweigen gebracht hat. In einer Zeit, als die breiteste Intervention der KPD erforderlich war, stand die KPD wochenlang ohne Presse da.

(Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe)

Aktuelles und Laufendes: 

  • Deutschland 1919 [2]
  • Ermordung Rosa Luxemburgs [3]

Leute: 

  • Rosa Luxemburg [4]
  • Karl Liebknecht [5]
  • Leo Jogiches [6]
  • Eichhorn [7]

Geschichte der Arbeiterbewegung: 

  • 1919 - Deutsche Revolution [8]

Historische Ereignisse: 

  • Spartakusaufstand [9]
  • Januar 1919 Deutschland [10]

Japans Arme rebellieren

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Japans Arme rebellieren

Am 29.11.08 schrieb der Korrespondent der Frankfurter Rundschau folgenden Bericht, welcher die Entwicklung in Japan gut widerspiegelt. Wir zitieren nachfolgend einen längeren Teil.

VON MARTIN FRITZ

Tokio. "Nein zur Armut!", schallte es aus dem Megafon. "Steht auf und verändert die Gesellschaft!" Mit solchen Forderungen zogen kürzlich Tausende Japaner durch Tokio. Sie waren in diesem Jahr nicht allein: In mehr als 40 Städten gingen Menschen auf die Straße. Ihre Proteste richteten sich gegen die unsicheren Lebensverhältnisse im Land - und signalisierten ein neues Bewusstsein: Die sozialen Verlierer in Japan begehren auf und lassen sich nicht mehr länger als Versager abstempeln. "Ich bekomme kaum Arbeit und finde nur schwer eine Wohnung", beschwerte sich eine junge Frau. "Man sagt mir oft, ich sei dafür selbst verantwortlich. Aber das stimmt einfach nicht."

Hintergrund ist ein massiver Wandel der Arbeitswelt: Mehr als jeder zweite Japaner arbeitet inzwischen befristet, als Leiharbeiter oder in Teilzeit. Zehn Millionen Menschen verdienen weniger als zwei Millionen Yen im Jahr, weniger als 1300 Euro monatlich. "Viele Eltern können ihre Kinder nur versorgen, wenn sie zwei Jobs haben und viele Überstunden machen", klagte eine ältere Demonstrantin. Für viele reicht das Geld nur für zwei Mahlzeiten am Tag, eine Krankenversicherung ist oft unbezahlbar. Tausende Obdachlose übernachten in den engen Boxen der Internet-Cafés.

Japan hat nach den USA unter den G7-Ländern die meisten Armen. Die Schere zwischen Unten und Oben hat sich in 20 Jahren um 30 Prozent geöffnet. Einen Wohlfahrtsstaat kennt Japan nicht. Sozialhilfe gibt es nur für Arbeitsunfähige und Senioren ohne Rente. Der Staat tut auch wenig für berufliche Weiterbildung. Von allen Industrieländern investiert Japan am wenigsten in den Arbeitsmarkt. Kritiker sprechen deshalb von einer "Rutsch-Gesellschaft": Wer einmal unten ist, kommt nicht wieder hoch. Eine ganze Generation junger Leute fand in der Rezession der neunziger Jahre keine feste Anstellung und konnte auf dem Arbeitsmarkt bis heute nicht mehr Fuß fassen.

Der 1929 verfasste Proletarier-Roman "Kanikosen" über die Ausbeutung von Arbeitern auf einem Krabbenfänger-Schiff entwickelt sich zu einem Bestseller. Mehr als eine halbe Million Exemplare wurden in diesem Jahr verkauft, weil sich viele Leser nach Ansicht des Verlages in den sklavenartigen Arbeitsbedingungen jener Zeit wiedererkennen. In den Buchläden stapeln sich anti-kapitalistische Werke. Das erfolgreichste Buch des Jahres - "Gieriger Kapitalismus und die Selbstzerstörung der Wall Street" von Hideki Mitani - wirft Japan vor, seine Unternehmenskultur auf dem Altar des angelsächsischen Kapitalismus geopfert zu haben. Im Dezember erscheint "Das Kapital" von Karl Marx erstmals als Manga. (...)

Kongo - Killing fields des Kapitalismus

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Congo: The killing fields of capitalism

Der Anblick Tausender verzweifelter, in Panik geratener Menschen, die aus den Städten in der nördlichen Kivu-Region im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo = DRK) fliehen, erinnert daran, dass dieser Krieg nie aufgehört hatte. Tatsächlich ist dieser Krieg seit dem 2. Weltkrieg der Krieg mit den meisten Todesopfern.

Zwischen 1998 und 2003 wehrte die DR Kongo mit Unterstützung durch Angola, Namibia und Simbabwe die Angriffe Ruandas und Ugandas ab. Seitdem sind immer wieder Feindseligkeiten insbesondere in Kivu ausgebrochen. Diese hatten sich derart zugespitzt, dass ein Friedensabkommen im Januar 2008 von einer großen Zahl bewaffneter Banden unterzeichnet werden musste.

Aber dies hielt nicht lange an: Im August brachen wieder Kämpfe aus, als Laurent Nkunda’s National Congress for the Defence of the People (Nationalkongress für die Verteidigung des Volkes), eine Tutsi Miliz von 5.500 Mitgliedern, eine Reihe von Städten und Lagern (sowohl von Militärs als auch von Flüchtlingen) angreifen ließ. Immer mehr Menschen traten die Flucht an. In den beiden vorhergehenden Jahren des Konfliktes waren schon mehr als 850.000 Menschen geflüchtet. Seit August sind noch einmal 250.000 dazu gekommen, manche davon sind schon das zweite oder dritte Mal geflüchtet. In der DR Kongo insgesamt gibt es mehr als 1.5 Millionen Vertriebene. Mehr als 300.000 Menschen sind aus dem Land geflüchtet.

Nachdem Goma, die nördliche Provinzhauptstadt Kivu von Nkunda’s Truppen belagert wird, aber auch nach der teilweisen Terrorisierung durch auf dem Rückzug befindlichem kongolesischem Militär befürchtet man die erneute Auslösung eines umfassenden Krieges. Seit 1998 sind schon mehr als 5.4 Millionen Menschen durch den Krieg und kriegerische Gewalt, Hunger und Krankheiten gestorben. Der Direktor des Internationalen Flüchtlingskomitees sagte, „Kongo ist der tödlichste Konflikt auf der Welt seit den letzten 60 Jahren“ (Reuters). Ein Sprecher der Irischen Hilfsorganisation (GOAL) meinte, „es handelt sich um die schlimmste humanitäre Tragödie seit dem Holocaust. Es ist das deutlichste Beispiel auf der Welt für die Unmenschlichkeit der Menschen gegen andere Menschen“.

Angefacht durch ethnischen Hass und Rache

Laurent Nkunda behauptet, seine Kräfte halten sich in Nord und Südkivu auf, weil die DRK verschiedene Hutu-Kräfte vor Gericht hätte stellen sollen. Insbesondere betonen sie die Rolle der Demokratischen Befreiungskräfte Ruandas (FDLR) im Massaker von 1994 an 800.000 Tutsis in Ruanda. Nkunda hat, mit Unterstützung von Ruanda, mit einem Durchmarsch durch das Land bis zur Hauptstadt Kinshasa in 1500 km Entfernung gedroht.

Die Rolle von Gruppen wie der FDLR und auch das Vordringen der Truppen von Nkunda, die auf ihrem Vormarsch nach Kinshasa systematisch plündern, vergewaltigen und töten, ist gut dokumentiert worden. Es ist nicht das erste Mal, dass ihr Anspruch der „Verteidigung des Volkes“ als Vorwand für die Terrorisierung der Bevölkerung dient. In Ruanda und der DRK fachen die Aufstachelung zu ethnischem Hass und der Wunsch nach Rache die Lage weiter an.

Plünderung des Reichtums an Rohstoffen

Wenn man den fortdauernden Konflikt in der DRK beleuchtet, spielen natürlich viele wertvolle Rohstoffe eine große Rolle. So schrieb der „Guardian“ (30.10.08): „Eine UNO-Untersuchung über die illegale Ausbeutung der natürlichen Rohstoffe im Kongo zeigte, dass der Konflikt im Land sich hauptsächlich um „Zugang, Kontrolle und Handel“ mit fünf Hauptmineralien dreht: Diamanten, Kupfer, Kobalt, Gold und Koltan – ein metallenes Eisenerz, das bei der Produktion von Handys und Laptops verwendet wird. Die Ausbeutung der Rohstoffe des Kongos durch ausländische Armeen wurde immer „systematisch und systemisch“ betrieben, und insbesondere die ugandischen und ruandischen Führer hatten ihre Soldaten in „Armeen von Geschäftsleuten“ verwandelt. Die UN-Untersuchung belegte, dass die ruandische Armee innerhalb von 18 Monaten mindestens 250 Millionen Dollar durch den Verkauf von Kobalt eingenommen hatte“.

Im Independent (30.10.08) äußerte sich der Afrika-Direktor der Internationalen Krisengruppe: „Nkunda wird von ruandischen Geschäftsleuten finanziert, damit sie die Kontrolle über die Minen in Nord Kivu übernehmen können. Das ist der Dreh- und Angelpunkt des Konfliktes. Jetzt sehen wir die Nutznießer der illegalen Kriegswirtschaft, die sich um ihre Rechte auf Ausbeutung der Rohstoffe schlagen“. Der Artikel fährt fort: „Gegenwärtig verdienen ruandische Geschäftsleute ein Vermögen durch die Ausbeutung der Minen, die sie sich während des Krieges illegal unter die Nägel rissen. Der globale Preis für Koltan ist zusammengebrochen, deshalb haben sie sich nun profithungrig auf Kassiterit gestürzt, das bei der Produktion von Zinndosen und anderen Wegwerf-Konsumgütern verwendet wird“.

Die Gesellschaft zerfällt

Die DRK ist flächenmäßig 90 Mal größer als Ruanda, die Bevölkerung ist sechsmal größer; und dennoch erscheint die DRK unfähig, eine relativ kleine Zahl von Milizen abzuwehren. Selbst die Anwesenheit von 17.000 UN-Truppen scheint nichts auszumachen. Der schnelle Rückzug der Armee der DRK aufgrund der neuen Offensive erscheint als normal. Der Guardian vom 28.10.08 berichtet, dass die Regierungstruppen der DRK „notorisch dafür bekannt sind, ihre Waffen gegen Zivilisten zu richten und zu flüchten, wenn sie es mit einem richtigen Gegner zu tun haben. Die kongolesische Armee, die eine buntgemischte Sammlung von besiegten Armeeverbänden und mehreren Rebellen- und Milizgruppen aufeinander folgender Kriege zwischen 1997-2003 ist zusammenhangslos, undiszipliniert, demoralisiert und schlecht bezahlt“. Der Zustand der Armee spiegelt den Zustand der herrschenden Klasse wider, die ihre Grenzen und ihr eigenes Territorium nicht kontrollieren kann. Das Vorhandensein von Dutzenden von schwer bewaffneten Banden, von denen viele von Ländern wie Ruanda und Uganda unterstützt werden, und von denen einige entschlossener sind, Gewalt gegen andere ethnische Gruppen auszuüben, andere wiederum eher von der Ausbeutung der wertvollen Rohstoffe profitieren wollen, sind ein klassischer Ausdruck der Ausbreitung des Gangsterunwesens in der kapitalistischen Gesellschaft. In einer Welt, in der „jeder gegen jeden“ kämpft, kann die DRK-Regierung die Lage nicht im Griff haben, und die bewaffneten Banden können nicht darauf abzielen, zu noch größeren Banden zu werden, falls sie überhaupt überleben.

Die UN, die EU, Hilfsorganisationen und „betroffene“ westliche Regierungen prangern die Gewalt an und bekunden ihre Sympathie für die arg gebeutelte Bevölkerung. Aber genau so wie die lokalen imperialistischen Staaten wie Ruanda und Uganda sind die Großmächte ebenso ein Teil des Problems. Wir dürfen nicht vergessen, dass der französische Imperialismus 1994 hinter den Todeskommandos der Hutus stand, während der amerikanische Imperialismus die Tutsi-Kräfte unterstützte, um dem französischen Einfluss in der Region einen Schlag zu versetzen. Frankreich unterstützte auch das Mobutu-Regime in Zaire, wie die DRK früher hieß, und die Amerikaner deckten die Kräfte sehr stark, die auf den Umsturz Mobutus hinarbeiteten. So ist das ganze Chaos im Kongo sehr wohl von den ‚demokratischen’ Weltmächten, die die Stützen der UNO und der „internationalen Gemeinschaft“ sind, mit angefacht worden.

Ethnische Spaltungen und Rohstoffvorkommen spielen eine wichtige Rolle bei diesem Konflikt, aber all das wird überspannt durch den Zerfall der kapitalistischen Gesellschaft, welcher sich nicht nur darin äußert, dass kleinere Staaten auseinander brechen, sondern auch in der Zuspitzung der Rivalitäten unter den größeren und kleineren imperialistischen Staaten. Die Tatsache, dass die kapitalistische Gesellschaft bislang überlebt hat, auch wenn sie noch so heruntergekommen ist, bedeutet, dass immerfort brutale Kriege ausbrechen werden. Der Kapitalismus steckt nicht nur in einer Wirtschaftskrise, sondern er ist auch ein killing field, das überall seine Narben auf der Welt hinterlässt. Car, 31.10.08

Aktuelles und Laufendes: 

  • Kongo [11]
  • Nord Kivu [12]

Theoretische Fragen: 

  • Imperialismus [13]

Krise des Neoliberalismus oder Krise des Kapitalismus?

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Dieser Text ist eine Übersetzung eines Artikels der spanischen Sektion der IKS in Spanien.

Heute verkündet der französische Präsident Sarkozy, dass der „Kapitalismus auf ethischen Grundlagen neu aufgebaut werden muss“. Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel greift die Spekulanten an. Der spanische Ministerpräsident weist anklagend auf die „Marktliberalen“, die vorgeben, dass die Märkte sich ohne Staatsinterventionen regulieren können. Sie alle erzählen uns, dass diese Krise das Ende des „neoliberalen“ Kapitalismus eingeläutet habe und dass die Hoffnungen sich nun auf eine „andere Art des Kapitalismus“ richten. Dieser neue Kapitalismus würde auf der Produktion basieren und nicht auf den Finanzen, sich von den parasitären Schichten der Finanzhaie und Spekulanten befreien, die als Verfechter der „Deregulierung“, der „Einschränkung des Staates“ und des Vorrangs der privaten Interessen über die „öffentlichen Interessen“ dargestellt werden. Ihren Worten zufolge ist es nicht der Kapitalismus selbst, der kollabiert, sondern eine besondere Form des Kapitalismus. Die linksbürgerlichen Gruppen (Stalinisten, Trotzkisten, Antikapitalisten) behaupten stolz: „Die Tatsachen beweisen, dass wir richtig lagen. Neoliberale Maßnahmen führen in die Katastrophe.“ Sie erinnern an ihre Opposition gegen die „Globalisierung“ und gegen die „ungebremste Liberalisierung“. Sie fordern, dass der Staat Maßnahmen ergreift, damit die Multis, die Spekulanten und andere, die angeblich durch ihren exzessiven Hunger nach Profiten für die Katastrophe verantwortlich seien, zur Vernunft kommen. Sie behaupten, ihre Lösung sei eine sozialistische, die den Kapitalismus zugunsten des Volkes zügelt.

Gibt es auch nur ein Körnchen Wahrheit in diesen Behauptungen? Ist „eine andere Art von Kapitalismus“ möglich? Bieten wohltätige Staatsinterventionen eine Lösung gegenüber der kapitalistischen Krise? Wir werden versuchen, einige Elemente zur Beantwortung dieser eminent wichtigen Fragen zu liefern. Doch bevor wir damit beginnen, müssen wir zunächst eine fundamentale Frage klären: Wird der Sozialismus durch den Staat verwirklicht?

Ist der Sozialismus dasselbe wie Staatskontrolle?

Chávez, der illustre Verfechter des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ hat just eine verblüffende Erklärung gemacht: „Genosse Bush ist dabei, Maßnahmen einzuführen, die mit Genosse Lenin verbunden werden. Die Vereinigten Staaten werden eines Tages sozialistisch sein, weil ihre Menschen keine Selbstmörder sind." Dieses eine Mal stimmen wir (ohne damit einen Präzedenzfall zu schaffen) mit Chávez überein. Zunächst in der Tatsache, dass Bush sein Genosse ist. Auch wenn sie sich in einem harten imperialistischen Konkurrenzkampf befinden, so sind sie tatsächlich gut Freund bei der Verteidigung des Kapitalismus und bei der Nutzung staatskapitalistischer Maßnahmen, um das System zu retten. Und wir können auch darin zustimmen, dass die „Vereinigten Staaten (...) eines Tages sozialistisch“ sein werden, auch wenn dieser Sozialismus nichts zu tun haben wird mit dem, was Chávez befürwortet.

Der wirkliche Sozialismus, wie er vom Marxismus und von den Revolutionären in der gesamten Geschichte der Arbeiterbewegung vertreten wurde, hat nichts mit dem Staat zu tun. Tatsächlich ist der Sozialismus die Negation des Staates. Der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft erfordert, dass der Staat in jedem Land dieser Welt zerstört ist. Da aber der Kommunismus nicht über Nacht geschaffen werden kann, ist eine Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Kommunismus erforderlich. Diese Übergangsperiode wird noch das Subjekt des dem Kapitalismus eigentümlichen Wertgesetzes sein. Die Bourgeoisie ist noch nicht vollständig zerstört, und neben dem Proletariat existieren noch immer nicht-ausbeutende Klassen: die Bauern, die Marginalisierten, das Kleinbürgertum. Als Ergebnis dieser Übergangssituation bedarf es noch immer einer Form des Staates, doch hat dieser keinerlei Ähnlichkeiten mehr mit jenen Staaten, die bis dahin existiert hatten; er wird zu einem „Halbstaat“, um Engels‘ Formulierung zu benutzen, zu einem Staat auf dem Weg zur eigenen Auslöschung. Um auf dem Weg zum Kommunismus im historischen Kontext einer Übergangsperiode voranzuschreiten, die sowohl komplex als auch instabil ist, voller Gefahren und Widersprüche, wird das Proletariat die Fundamente auch dieses neuen Staates untergraben müssen. Der revolutionäre Prozess wird ihn überwinden oder Gefahr laufen, die Perspektive des Kommunismus aus den Augen zu verlieren.

Einer der Autoren in der Arbeiterbewegung, der sich dieser Frage mehr als jeder anderen gewidmet hat, ist Friedrich Engels. Er ist sehr deutlich in diesem Punkt: „Man sollte das ganze Gerede vom Staat fallenlassen, besonders seit der Kommune, die schon kein Staat im eigentlichen Sinne mehr war. Der Volksstaat ist uns von den Anarchisten bis zum Überdruss in die Zähne geworfen worden, obwohl schon die Schrift Marx‘ gegen Proudhon und nachher das ‚Kommunistische Manifest’ direkt sagen, daß mit Einführung der sozialistischen Gesellschaftsordnung der Staat sich von selbst auflöst und verschwindet. Da nun der Staat doch nur eine vorübergehende Einrichtung ist, deren man sich im Kampf, in der Revolution bedient, um seine Gegner gewaltsam niederzuhalten, so ist es purer Unsinn, vom freien Volksstaat zu sprechen: solange das Proletariat den Staat noch gebraucht, gebraucht es ihn nicht im Interesse der Freiheit, sondern der Niederhaltung seiner Gegner, und sobald von Freiheit die Rede ist, hört der Staat als solcher auf zu bestehen.“ (Brief an Bebel, 1875)

Eine Staatsintervention zur Regulierung der Wirtschaft im Interesse des „ganzen Volkes“ hat nichts mit Sozialismus zu tun. Der Staat wird niemals in der Lage sein, im Interesse des „ganzen Volkes“ zu handeln. Der Staat ist ein Organ der herrschenden Klasse und dazu geschaffen, organisiert und konstruiert, um die herrschende Klasse zu vertreten und ihr Produktionssystem zu unterstützen. Der „demokratischste“ Staat der Welt ist nicht weniger der Diener der Bourgeoisie und wird das kapitalistische Produktionssystem mit Zähnen und Klauen verteidigen. Die spezifische Intervention des Staates in die Wirtschaft hat keinen anderen Zweck, als die allgemeinen Interessen der Reproduktion des Kapitalismus und der kapitalistischen Klasse zu bewahren. Engels macht dies im Anti-Dühring deutlich: „Und der moderne Staat ist wieder nur die Organisation, welche sich die bürgerliche Gesellschaft gibt, um die allgemeinen äußern Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise aufrechtzuerhalten gegen Übergriffe, sowohl der Arbeiter wie der einzelnen Kapitalisten. Der moderne Staat, was auch seine Form, ist eine wesentlich kapitalistische Maschine, Staat der Kapitalisten, der ideelle Gesamtkapitalist. Je mehr Produktivkräfte er in sein Eigentum übernimmt, desto mehr wird er wirklicher Gesamtkapitalist, desto mehr Staatsbürger beutet er aus. Die Arbeiter bleiben Lohnarbeiter, Proletarier. Das Kapitalverhältnis wird nicht aufgehoben, es wird vielmehr auf die Spitze getrieben.“

Im gesamten 20. Jahrhundert, nach dem Eintritt des Kapitalismus in seine dekadente Epoche, war der Staat sein Hauptverteidiger angesichts der sich verschlechternden sozialen, militärischen und ökonomischen Widersprüche gewesen. Das 20. und 21. Jahrhundert zeichnet sich durch eine universelle Tendenz zum Staatskapitalismus aus. Diese Tendenz existiert in jedem Land dieser Welt, gleich welches Regime herrscht. Der Staatskapitalismus ist prinzipiell auf zweierlei Art und Weise implementiert:

- nahezu völlige Verstaatlichung der gesamten Wirtschaft (dies existierte in Russland und existiert noch immer in China, Kuba, Nordkorea...)

- Kombination der Staatsbürokratie mit den privaten Großkapitalisten (wie in den Vereinigten Staaten, in Großbritannien, Spanien usw.).

In beiden Fällen kontrolliert der Staat die Wirtschaft. Ersterer macht keinen Hehl aus seiner Eigentümerschaft von großen Teilen der Produktionsmittel und Dienstleistungen. Der zweite interveniert in die Ökonomie durch eine Reihe von indirekten Mechanismen: Steuern und Steuerpolitik, Einkauf in Konzerne (1), die Fixierung der Zinsraten im Interbanken-Verkehr, Preiskontrollen, Buchungsgrundsätze, staatliche Beratungs-, Prüfungs- und Investmentagenturen (2), etc.

Wir werden von einem ideologischen Täuschungsmanöver überwältigt, das auf zwei miteinander verknüpften Lügen fußt: Die erste identifiziert den Sozialismus mit dem Staat, die zweite identifiziert den Neoliberalismus mit der Deregulierung und mit dem freien Markt. In der gesamten Dekadenzperiode (das 20. und 21. Jahrhundert) konnte der Kapitalismus nie überleben, ohne ständig vom Staat gestützt zu werden. Der „freie“ Markt wird geleitet, kontrolliert und unterstützt von der eisernen Hand des Staates. Der große klassische Ökonom Adam Smith sagte einmal, dass der Markt die Wirtschaft wie eine „unsichtbare Hand“ lenke. Heute wird der Markt von der unsichtbaren Hand des Staates geregelt! (3) Als Bush gezwungenermaßen die Banken und Versicherungsgesellschaften schützte, tat er nichts Außergewöhnliches, schon gar nicht tat er etwas, „was Genosse Lenin getan hatte“. Er setzte lediglich die Arbeit der Kontrollierung und Regulierung der Wirtschaft fort, die zur täglichen Routine des Staates gehört.

Ist der Neoliberalismus gescheitert?

Nach einer Periode der relativen Prosperität von 1945 bis 1967 kehrten die Weltkrisen des Kapitalismus mit periodischen Ausbrüchen zurück, gefolgt von Beben, die die Weltwirtschaft an den Rand einer Katastrophe brachten. Nehmen wir nur die Krise von 1971, als der Dollar vom Goldstandard losgetrennt wurde; oder jene von 1974-75, die mit einer galoppierenden Inflation von über zehn Prozent endete; die Schuldenkrise von 1982, als Mexiko und Argentinien die Schuldentilgung aussetzen mussten; der Wall Street-Crash von 1987; die Krise von 1992-93, die zum Kollaps zahlloser europäischer Währungen führte; jene von 1997-98, die den Mythos der asiatischen Tiger und Drachen entblößte; das Platzen der Internet-Blase 2001...

„Was das 20. und 21. Jahrhundert charakterisiert, ist, dass die Tendenz zur Überproduktion – die im 19. Jahrhundert temporär war und leicht überwunden wurde – chronisch geworden ist und die Weltwirtschaft einem nahezu permanenten Risiko der Instabilität und Zerstörung unterworfen hat. Inzwischen ist die Konkurrenz – ein angeborener Zug im Kapitalismus – extrem geworden und verliert, indem sie an die Grenzen eines Weltmarktes stößt, der ständig zur Sättigung neigt, ihre Rolle als Stimulans für die Expansion des Systems, so dass ihre negative Seite als Faktor des Chaos und Konfliktes zum Vorschein kommt.“ („Capitalist economy: is there a way out of the crisis?“, World Revolution Nr. 315)

Die verschiedenen Stufen der Krise, die in den letzten 40 Jahren aufeinander folgten, sind das Produkt dieser chronischen Überproduktion und der Verschärfung der Konkurrenz. Der kapitalistische Staat hat versucht, die Auswirkungen zu bekämpfen, indem er etliche Palliative benutzte, wobei das Hauptpalliativ die steigende Verschuldung war. Auch haben die stärksten Staaten die gefährlichsten Folgen abgewendet, indem sie die schlimmsten Auswirkungen in die schwächsten Länder „exportierten“. (4)

Die klassische Politik, die in den 1970er Jahren praktiziert wurde, war die Staatsverschuldung, gestützt auf einer Politik der direkten Staatsintervention in die Wirtschaft: Nationalisierungen, Übernahme von Konzernen, eine strenge Überwachung des Außenhandels etc. Dies war die „keynesianische“ Politik. (5) Wir sollten die Vergesslichen, die eine falsche Alternative zwischen Neoliberalismus und Staatsinterventionismus durchsetzen wollen, daran erinnern, dass damals jede Partei, von rechts bis links, „keynesianisch“ war und die Wohltaten des „liberalen Sozialismus“ pries (wie das sozialdemokratische Modell Schwedens). Doch die katastrophalen Folgen einer enteilenden Inflation, die von dieser Politik ausgelöst wurde und die Wirtschaft destabilisierte, neigte zur Lähmung des internationalen Handels. Die „Lösung“, die in den 1980er Jahren gefunden wurde, wurde die „neoliberale Revolution“ genannt, in der die Schlüsselfiguren die „Eiserne Lady“, Margaret Thatcher, in Großbritannien und der „Cowboy“ Ronald Reagan in den Vereinigten Staaten waren. Diese Politik hatte zwei Ziele:

- die Reduzierung von Kosten durch die Eliminierung substanzieller unprofitabler Teile des Produktionsapparates, was in einer beispiellosen Welle von Entlassungen resultierte, die vom Staat geplant und organisiert wurde. So begann ein Prozess der unumkehrbaren Degradierung der Lebensbedingungen der ArbeiterInnen, mit dem Ende der Arbeitsplatzsicherheit und dem Beginn der Kürzungen in der staatlichen Wohlfahrt etc. (6)

- die Erleichterung der Schuldenlast, die den Staat strangulierte, durch die Privatisierung von Bereichen und die Untervermietung von Dienstleistungen und Betrieben an private Unternehmen sowie durch den systematischen Transfer öffentlicher Schulden via der Ausgabe von Aktien an Individuen, Banken, Spekulanten etc. Diese zweite Stufe der neoliberalen Politik war dazu vorgesehen, die Staatsschulden an den Finanzsektor weiterzureichen. Der Markt wurde von allen Arten von Wertpapieren, Schuldverschreibungen etc. überflutet; die Spekulation explodierte in monströsen Proportionen. Von da ab begann die Weltwirtschaft einem riesigen Spielcasino zu gleichen, in dem sich Regierungen, Banken und erfahrene Broker in komplizierten Operationen engagierten, um im Handumdrehen Profite aus der Spekulation zu realisieren... auf Kosten fürchterlicher Konsequenzen in Form von Bankrotten und Destabilisierung.

Man höre nicht auf die Geschichten über den „Neoliberalismus“, der angeblich durch „Privatinitiative“ in die Welt gesetzt worden sei. Diese Mechanismen entspringen dem Markt nicht spontan, sondern sind die Frucht und die Konsequenz einer staatlichen Wirtschaftspolitik zur Zügelung der Inflation. Diese Politik hat die Inflation jedoch nur verschoben, und sie zahlte einen hohen Preis dafür: die Benutzung obskurer Finanzmechanismen. Schulden wurden in spekulative Kredite mit hohen Zinsen umgewandelt, die anfangs so manch saftigen Gewinn abwarfen, jedoch bei der erstbesten Gelegenheit abgestoßen werden mussten, weil früher oder später niemand mehr in der Lage war, noch weiter zu zahlen. Zunächst waren diese Kredite die am hellsten scheinenden Sterne auf dem Markt, um die sich die Banken, Spekulanten, Regierungen balgten, doch schon bald verwandelten sie sich in zweifelhafte und wertlose Kredite, die Investoren wie die Pest mieden.

Das Scheitern dieser Politik wurde mit dem brutalen Crash an der Wall Street 1987 und dem Zusammenbruch der amerikanischen Sparkassen 1989 enthüllt. Dennoch wurde diese „neoliberale“ Politik während der gesamten 90er Jahre fortgesetzt. Angesichts der Schuldenberge, die auf der Wirtschaft lasteten, mussten die Produktionskosten durch die Verbesserung der Produktivität und durch Outsourcing gesenkt werden, wobei Letzteres darin bestand, ganze Produktionsanlagen in Länder wie China zu exportieren, wo die Elendslöhne und rauen Arbeitsbedingungen somit auf dramatische Weise die Lebensbedingungen des Weltproletariats insgesamt in Mitleidenschaft zogen. Damals kam das Konzept der „Globalisierung“ auf: Die größeren, reicheren Länder forderten, dass protektionistische Handelsbarrieren entfernt werden, um daraufhin die kleineren, ärmeren Ländern mit ihren Produkten zu überschwemmen, zum Zwecke der Entlastung ihrer eigenen Überproduktion.

Einmal mehr verschlimmerte diese „Medizin“ das Problem, und die Krise der asiatischen Drachen und Tiger 1997-98 zeigte die Unwirksamkeit dieser Politik sowie die Gefahren, die sie barg. Doch dann zauberte der Kapitalismus ein neues Kaninchen aus dem Hut. Das neue Jahrhundert führte uns in die „Internetökonomie“, wie sie genannt wurde, ein, in der eine exzessive Spekulation in Firmen stattfand, die mit Computern und Internet zu tun hatten. Schon 2001 erwies sich dies als überwältigendes Fiasko. 2003 griff der Kapitalismus zu einem neuen Trick – die ungehemmte Spekulation auf dem Immobilienmarkt, mit einem Wachstum im Geschäfts- und Wohneigentum überall in der Welt (dabei auch zur Umweltproblematik beitragend). Dies löste eine fürchterliche Eskalation in den Immobilienpreisen aus, die uns... zu dem horrenden aktuellen Fiasko führten!

Oder ist es der Kapitalismus, der gescheitert ist?

Die gegenwärtige Krise kann mit einem gigantischen Minenfeld verglichen werden. Die erste Mine, die explodierte, war die Hypothekenkrise im Sommer 2007 in den USA. Zunächst mochte man denken, dass die Dinge sich wieder einrenken werden, nachdem etliche Milliarden Dollar ausgezahlt worden waren. Hatte man all das nicht schon einmal erlebt? Doch der Zusammenbruch der Bankinstitutionen von Ende Dezember an war eine neue Mine, die alle Illusionen erschütterte. Der Sommer 2008 mit der schlagartigen Folge von Bankzusammenbrüchen in den Vereinigten Staaten und Großbritannien raubte einem schier den Atem. Im Oktober 2008 löste sich eine andere Illusion, mit der die Bourgeoisie unsere Sorgen bisher entkräften konnte, in Luft auf: Sie sagte, dass die Probleme in den Vereinigten Staaten immens seien, die europäischen Volkswirtschaften jedoch nichts zu befürchten hätten. Von wegen. Nun beginnen auch in Europa die Minen zu explodieren, angefangen mit dem mächtigsten Staat von allen, Deutschland, wo Landesbanken und Hypo-Real Estate durch staatliche Finanzhilfen gerettet werden mussten.

Wenn alles scheinbar im Sinne der Bourgeoisie läuft, was hat dann die gewaltigen Explosionen dieser Minen ausgelöst? Es ist das Produkt von 40 Jahren der Krisenbekämpfung mit Palliativen, die die Probleme nur maskierten, aber einem System, das mit unlösbaren Problemen belastet ist, mehr oder weniger erlaubte, trotzdem zu funktionieren. Doch letztendlich löste es nichts, sondern verschlimmerte die kapitalistischen Widersprüche bis zum Zerreißen, und nun, in der aktuellen Krise, sehen wir, wie sich die Konsequenzen eine nach der anderen einstellen.

Kann der Kapitalismus einen Ausweg finden, wie es ihm bisher stets gelungen war?

Dieser Gedanke ist ein falscher Trost:

- Die vorherigen Krisenepisoden wurden von den Zentralbanken „gelöst“, indem sie etliche Milliarden Dollar zur Verfügung stellten (100 Milliarden zurzeit der asiatischen Tigerkrise 1998). In den letzten anderthalb Jahren haben die Staaten 3.000 Milliarden Dollar verauslagt, und ein Ende ist nicht absehbar. (7)

- Während sich die schlimmsten Auswirkungen der Krise bisher auf einige wenige Länder (Südostasien, Mexiko, Argentinien, Russland) beschränkt hatten, liegt heute das Epizentrum, in dem sich die schlimmsten Auswirkungen bündeln, gerade in den zentralen Ländern: die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Deutschland... und dies hat große Auswirkungen auf den Rest der Welt.

- Die bisherigen Episoden waren im Allgemeinen, mit der Ausnahme der Krisenepisode Ende der 1970er Jahre, von kurzer Dauer; sie dauerten zwischen sechs Monate und einem Jahr, ehe wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen war. Es ist nun anderthalb Jahre her, seitdem die aktuelle Krise begonnen hatte, und es gibt nicht den geringsten Hoffnungsschimmer. Im Gegenteil, mit jedem Tag wird die Krise ernster und die Katastrophe verheerender!

- Ferner hinterlässt diese Krise ein sehr geschwächtes Bankensystem. Die Kreditmechanismen sind paralysiert: Infolge des allgemeinen Misstrauens weiß niemand wirklich, ob die „Vermögenswerte“, die die Banken (und Geschäfte) in ihren Bilanzen angeben, falsch sind oder nicht. Grundstücke, Geschäfte, Betriebe verlieren alle an Wert. Was die finanziellen Vermögenswerte anbetrifft, so sind sie lediglich, laut des Ausdrucks, den Bush benutzte, „vergiftete Vermögenswerte“, Papierstücke, die unglaubliche, nicht wettzumachende Schulden darstellen. Doch der „liberale“ Staatskapitalismus kann nicht ohne starke und solide Banken funktionieren. Die kapitalistische Ökonomie ist derart süchtig nach der Droge Schulden zur jetzigen Zeit, dass, wenn das Kreditsystem nicht mehr in der Lage ist, den Markt mit einem Überfluss an Geld zu versorgen, die Produktion gelähmt werden würde. Der Kredithahn bleibt trotz der enormen Summen, die den Zentralbanken von den Regierungen zur Verfügung gestellt wurden, zugedreht. Niemand hat eine Ahnung, ob sich ein System, das durch und durch beschädigt ist und seiner wichtigsten Organe – der Banken – eines nach dem anderen verlustig geht, jemals wieder erholen kann. Die verrückte Aktion der europäischen Staaten, die nach den größten Garantien für ihre Bankeinlagen Ausschau halten, ist ein wahres Zeichen der Verzweiflung. Dieses Überhandnehmen von „Garantien“ zeigt klar, dass nichts garantiert ist!

Es ist einiges klar geworden: Der Kapitalismus erlebt heute seine schlimmste Wirtschaftskrise. Es hat eine brutale Beschleunigung der Geschichte gegeben. Nach 40 Jahren einer langsamen und ungleichmäßigen Entwicklung der Krise ist dieses System dabei, in eine fürchterliche und äußerst tiefe Rezession zu versinken, aus der es nicht unversehrt herauskommen wird. Doch vor allem werden von nun an die Lebensbedingungen von Milliarden von Menschen ernsthaft und längerfristig in Mitleidenschaft gezogen. Die Arbeitslosigkeit wird viele Haushalte treffen, 600.00 in weniger als einem Jahr in Spanien, 180.000 im August 2008 in den Vereinigten Staaten. Die Inflation trifft die Preise für Grundnahrungsmittel, und der Hunger hat in einem atemberaubenden Tempo im vergangenen Jahr in der Welt gewütet. Lohnkürzungen, Kurzarbeit, die Bedrohung der Renten... Es gibt nicht den geringsten Zweifel, dass diese Krise Konsequenzen von unerhörter Brutalität haben wird. Wir wissen nicht, ob sich der Kapitalismus davon erholen kann, aber wir sind überzeugt davon, dass Millionen von Menschen sich nicht davon erholen werden. Der „neue“ Kapitalismus, der aus dieser Krise herauskommen wird, wird eine weitaus ärmere Gesellschaft sein, mit einer großen Anzahl von Proletariern, die sich allgemeiner Unsicherheit in einer Welt der Unordnung und des Chaos gegenübersehen. Jede der vorherigen Ausbrüche in den letzten 40 Jahren war in eine Aushöhlung der Lebensbedingungen der Arbeiterklasse und in mehr oder weniger große Stilllegungen im Produktionsapparat gemündet. Die neue Periode, die eröffnet wurde, wird diese Tendenz auf ein viel höheres Niveau heben.

Nur der Klassenkampf kann der Menschheit einen Ausweg aus der Sackgasse bieten

Der Kapitalismus wird nicht einfach seinen Geist aufgeben. Nie hat eine ausbeutende Klasse die Realität ihres Scheiterns akzeptiert und die Macht kampflos aufgegeben. Doch wissen wir, dass nach mehr als hundert Jahren der Katastrophen und Erschütterungen jegliche Wirtschaftspolitik, die der Staatskapitalismus praktiziert hat, um seine Probleme zu lösen, nicht nur gescheitert ist, sondern die Probleme noch verschlimmert hat. Wir erwarten nichts von den so genannten „neuen Ansätzen“, die der Kapitalismus sucht, um „aus der Krise herauszukommen“. Wir können vor allem davon ausgehen, dass sie weiteres Leiden, mehr Armut verursachen werden; und wir müssen uns darauf gefasst machen, mit weiteren, noch gewaltsameren Erschütterungen konfrontiert zu werden.

Aus diesem Grunde ist es utopisch, irgendwelchen so genannten „Lösungen“ der Krise des Kapitalismus Vertrauen zu schenken. Es gibt keine. Das gesamte System ist unfähig, seinen Bankrott zu verbergen. Realistisch zu sein bedeutet, sich an den Bemühungen des Proletariats zu beteiligen, sein Vertrauen in sich selbst wiederzuerlangen, an den Kämpfen, Diskussionen und Versuchen einer Selbstorganisation teilzunehmen, die die Klasse in die Lage versetzen, eine revolutionäre Alternative zu diesem verrottenden System zu entwickeln.

IKS (8.10.2008)

Fußnoten:

(1) Ein Beispiel dafür sind die Vereinigten Staaten, die als das Mekka des Neoliberalismus dargestellt werden. Der US-Staat ist der Hauptkunde von Konzernen, und die Computerfirmen sind verpflichtet, eine Kopie der der von ihnen geschaffenen Programme und die Komponenten der von ihnen hergestellten Hardware an das Pentagon zu schicken.

(2) Es ist ein Märchen, dass die amerikanische Wirtschaft dereguliert ist, dass ihr Staat nicht interveniert etc. Die Börse wird von einer besonderen Bundesagentur kontrolliert, Banken werden von einer Staatskommission reguliert, die Federal Reserve bestimmt die Wirtschaftspolitik durch Mechanismen wie den Leitzins.

(3) Die Geißel der Korruption ist ein klarer Beleg für die Omnipräsenz des Staates. In den Vereinigten Staaten wie in Spanien oder China besteht das ABC der Unternehmenskultur darin, dass die Geschäfte nur durch das Knüpfen von Kontakten in den staatlichen Ministerien und durch das Anbiedern an die politischen „Männer des Augenblicks“ gedeihen.

(4) In den Artikeln „30 Jahre der kapitalistischen Krise“ in der Internationalen Revue analysierten wir die Techniken und Methoden, mit denen der Staatskapitalismus diesen Sturz in den Abgrund verlangsamt hat. Er hat dies erfolgreich in aufeinanderfolgenden Stufen getan.

(5) Keynes ist besonders berühmt für seine Unterstützung einer interventionistischen Politik des Staates, bei der derselbe fiskalische und monetäre Maßnahmen ergreift, um in Perioden einer zyklischen Rezession die ungünstigen Effekte auf die Wirtschaftsaktivitäten auszugleichen. Die Ökonomen erkennen ihn als einen der Hauptbegründer der Makroökonomie an.

(6) Wir sollten daran erinnern, dass im Gegensatz zu dem, was von all den Ideologen festgestellt wird, diese Politik nicht kennzeichnend ist für „neoliberale“ Regierungen, sondern auch von „Sozialisten“ oder „fortschrittlichen“ Regierungen 100%ig gebilligt wurde. In Frankreich hatte die Mitterand-Regierung, bis 1984 unterstützt von der Kommunistischen Partei, Maßnahmen verabschiedet, die so hart waren wie die von Reagan oder Thatcher. In Spanien organisierte die „sozialistische“ Regierung von Gonzalez eine „Umstrukturierung“, die zum Verlust von einer Million Jobs führte.

(7) Es ist besonders dumm, zu denken, dass diese Flut von Milliarden nicht irgendwelche Konsequenzen haben wird. Sie ebnet faktisch einer noch unsicheren Zukunft den Weg. Früher oder später wird für diese Verrücktheit die Zeche gezahlt werden. Die allgemeine Skepsis, auf die Paulsons finanzielle Rettungsplan stieß, den gigantischsten in der Geschichte (700 Milliarden Dollar!), beweist, dass das Gegenmittel dabei ist, neue Minenfelder, mächtiger und verheerender als jemals zuvor, im Untergrund der kapitalistischen Ökonomie zu legen.

Aktuelles und Laufendes: 

  • Wirtschaftskrise [14]
  • Kapitalismus - Wirtschaftskrise [15]
  • Staatskapitalismus [16]

Obama - Des Kaisers neue Kleider

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(Wir veröffentlichen nachfolgend eine erste kurze Stellungnahme unserer Sektion in den USA).

Der ohrenbetäubende Propagandafeldzug während des Wahlkampfes ist nunmehr nach fast zwei Jahren zu Ende gegangen. Die Sprachrohre der Medien der herrschenden Klasse sprechen von der bedeutendsten Wahl in der US-Geschichte, die erneut die Macht der ‚Demokratie’ unter Beweis gestellt habe. Dieser Propaganda zufolge haben wir jetzt nicht nur den ersten afrikanisch-amerikanischen Präsidenten in der US-Geschichte, sondern vor allem verkörpert der Sieg Obamas den Wunsch nach Wandel.

Wir sollen glauben, „das Volk hat gesprochen“, „Washington hat die Stimme des Volkes vernommen“, all das dank der wunderbaren Möglichkeit, sich mit Stimmzetteln zu äußern. Nun ist jetzt Obama Präsident. Aber was können wir jetzt erwarten? Obama hat Wandel versprochen, aber dieses Versprechen war nichts als eine ideologische Spitzfindigkeit. Die ganze Werbekampagne war eine heuchlerische Lüge, die darauf aus war, die Hoffnung der Menschen zu täuschen, vor allem eine Arbeiterklasse hinters Licht zu führen, die immer unzufriedener ist aufgrund der zunehmenden Armut, dem fortdauernden Krieg, die aber noch keine Klarheit besitzt über ihre eigene Rolle in der Gesellschaft und die bislang noch unfähig ist, die Verschleierungen der herrschenden Klasse zu durchschauen.

Der wahre Gewinner dieser Wahlen war nicht der frei erfundene „Joe Blow“ der Mittelklassen Amerikas, noch die Afroamerikaner, die der Arbeiterklasse angehören, sondern die herrschende Klasse hat diese Wahlen für sich entschieden. Es liegt auf der Hand, dass die Lage der Arbeiterklasse sich noch viel mehr verschlimmern, die Armut nur noch zunehmen wird. Obama war kein „Friedenskandidat“. Seine Kritik an Bush lautete, dass dieser im Irak sich festgefahren, die Truppen nicht massiv und effizient eingesetzt hätte und die USA nicht dazu in der Lage gewesen wären, adäquat auf die zukünftigen Herausforderungen ihrer Vorherrschaft reagieren zu können. Obama plant noch mehr Truppen nach Afghanistan zu entsenden und er hat seine Entschlossenheit bekundet, gegen Bedrohungen der imperialistischen Interessen der USA gewaltsam vorzugehen. Er übte heftige Kritik an der Unfähigkeit der Bush Administration, gegenüber der russischen Invasion Georgiens entsprechend zu reagieren. Soweit zu seinen „Friedensabsichten“!

Während der Rededuelle im Wahlkampf beteuerte Obama, dass er die Verbesserung des Bildungswesen in den USA anstrebe, da gut ausgebildete Arbeitskräfte in einer starken Wirtschaft lebenswichtig seien und kein Land im militärischen Bereich eine Vorherrschaft ausüben könne, wenn es nicht über eine starke Wirtschaft verfüge. Mit anderen Worten: aus seiner Sicht sind Bildungsausgaben eine Vorbedingung für die Verteidigung einer imperialistischen Vormachtstellung. Welch ein ‚Idealismus’! Für die herrschende Klasse war diese Wahl ein Erfolg, der ihre Erwartungen weit übertraf.

Sie hat dem Glauben an den Parlamentarismus und dem demokratischen Mythos neues Leben einflößen können, die seit dem Jahr 2000 so stark angeschlagen waren. Insbesondere die jüngere Generation war dabei den Glauben daran zu verlieren; so viele Leute wurden immer mehr ernüchtert über das „System“.

Die Euphorie nach dem Wahlsieg, als viele Leute nach der Verkündung des Wahlsiegs Obamas auf der Straße Freudentänze aufführten, belegt diesen politischen Sieg. Das Ausmaß der Wahlen ist vergleichbar mit dem ideologischen Sieg unmittelbar nach den Anschlägen des 9. 11. 2001. Damals profitierte die herrschende Klasse von einer starken Welle nationalistischer Hysterie, welche die Arbeiterklasse an den bürgerlichen Staat knebelte. Heute fesseln die Hoffnung auf die Demokratie und der Glaube an einen charismatischen Führer große Teile der Bevölkerung an den Staat.

Diese Euphorie ist in der afro-amerikanischen Bevölkerung besonders stark verbreitet. Jetzt herrscht die Illusion vor, die unterdrückte Minderheit verfüge nun über mehr Macht. Die bürgerlichen Medien feiern gar die Überwindung des Rassismus in Amerika; eine lächerliche Schlussfolgerung. Fast über Nacht ist die schwarze Bevölkerung von dem gegenüber dem Staat am meisten entfremdeten und ernüchterten Teil der Bevölkerung zu einem Teil geworden, der durch die Person des neu gewählten Präsidenten am stärksten hinter dem Staat steht.

Auf internationaler Ebene hat die US-Bourgeoisie fast unmittelbar mit einer sofortigen Distanzierung der neuen Administration von dem Versagen des Bush-Regimes auf der imperialistischen Ebene reagiert. Sie strebt danach, die politische Autorität der USA, ihre Glaubwürdigkeit und ihre Führungsrolle auf der Welt wieder herzustellen.

Auf wirtschaftlicher Ebene ist die Fähigkeit der neuen Obama Administration, notwendige staatskapitalistische Maßnahmen zur Stützung des Systems der Unterdrückung und Ausbeutung unübertroffen. Die Rhetorik wird lauten, wir „leisten Hilfe“, in Wirklichkeit aber wird die höchste Verschuldung in der US-Geschichte erreicht, und ein billionenstarkes Defizit des Staatshaushalts, was für die späteren Generationen der Arbeiterklasse eine enorme Belastung sein wird. Die kommunalen Behörden und die Bundesstaaten haben schon umfangreiche Kürzungen der Sozialausgaben und Sozialprogramme aufgrund der Wirtschaftskrise angekündigt, während Obama sich für mehr Rettungspakte für große Firmen und Banken und Versicherungen einsetzt, deren Finanzierung wiederum der Arbeiterklasse aufgebürdet werden soll.

Nahezu selbst überrascht von ihrem eigenen Erfolg, aber sich dessen bewusst, dass sie den im Wahlkampf versprochenen Wandel nicht bringen kann und nicht bringen wird, hat die herrschende Klasse schon die Tonlage geändert, um den „Enthusiasmus zu dämpfen“. Schon hört man, „Obama kann nur versuchen, Bushs verkorkste und betrügerische Politik gerade zu biegen“, „Die Erblast der früheren Fehler wiegt schwer“, „Wandel kann nicht sofort eintreten“ „Opfer werden nötig sein“.

Gegenüber diesen Perspektiven möchten wir erneut unterstreichen:

· Demokratie ist die Diktatur der herrschenden Klasse

· Die Arbeiterklasse muss für ihre eigenen Interessen kämpfen; sie muss sich zu diesem Zweck selbst organisieren

· Nur die weltweite kommunistische Revolution kann die kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung überwinden.

Die Euphorie wird nicht ewig dauern. Die vorbereiteten Sparbeschlüsse, die auf kommunaler und Bundesebene von den Behörden dezentralisiert geplant sind, werden als ein Stachel im Klassenkampf wirken. Da die Obama Administration nicht dazu in der Lage ist, den „Wandel“ zum Besseren hin zu kriegen, wird dies unvermeidbar zu Ernüchterung und großer Unzufriedenheit führen.

Internationalism, 11. 11.2008

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Schülerproteste - Die Jugend meldet sich zurück

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Schülerproteste – Die Jugend meldet sich zurück

Am Mittwoch, den 12. November, gingen 120.000 SchülerInnen in Berlin, Köln, Hannover, München, Trier und in zahlreichen anderen Städten Deutschlands auf die Straße. Sie protestierten gegen das sog. Turboabitur (1), gegen den massiven Unterrichtsausfall, den Lehrermangel etc. - kurzum: gegen die unhaltbaren Zustände an den Schulen. Ihre Proteste straften den Sonntagsreden der Politiker Lügen, die in jüngster Zeit vermehrt - Stichpunkt: Pisa - wieder das Lied von der Bildung als "höchstes Gut" singen, "Bildungsoffensiven" am laufenden Meter ankündigen und sich telegen mit SchülerInnen ins Bild setzen. Diese SchülerInnen bewiesen dabei die besten Tugenden, die gerade die junge Generation auszeichnet: radikal in der Kritik, respektlos gegenüber den "heiligen" Institutionen der Herrschenden, unerschrocken in ihrem Vorgehen.

Man mag gegen diese Proteste einwenden, was man will. Man mag darüber höhnen, dass bei vielen Demonstranten die Partystimmung überwog, oder bedauern, dass der Funke nur vereinzelt auf LehrerInnen und Studenten übersprang. Man mag sich auch darüber mokieren, dass dieser Bewegung eine eigene Organisation fehlt, dass die Proteste von offiziösen und halboffiziösen Schülervertretungen sowie von "privaten" Initiativen ("Bildungsblockaden brechen") organisiert wurden. Doch all die Krittelei wird der Bedeutung dieser Proteste nicht gerecht, die mehr als nur eine Randnotiz im Klassenkampf sind.

Diese Proteste reihen sich nahtlos ein in den Kampf der Arbeiterklasse im allgemeinen, aber besonders in der internationalen Bewegung der Schüler und Studenten, die in der Protestbewegung der französischen Schüler und Studenten gegen die CPE im Frühjahr 2006 ihren Ausgang genommen hatte. Frankreich und Chile 2006, Italien, Spanien im Herbst 2008 und nun Deutschland - überall meldet sich die junge Generation der Arbeiterklasse zurück im Kampf gegen die Verschlechterung der Lebens-, Arbeits- und Lernbedingungen, ja stellt sie sich an die vorderste Front des Kampfes der Arbeiterklasse.

Was auffällt, ist, dass in all diesen Bewegungen die Schüler und Schülerinnen eine besonders aktive Rolle gespielt haben. In Deutschland waren die SchülerInnen sogar in die Vorreiterrolle geschlüpft. Sie waren die treibende Kraft hinter den Protesten, und nicht die Studenten, unter denen sich mehrheitlich Passivität breitgemacht hat, nachdem sie sich im Zuge der Proteste gegen die Einführung von Studiengebühren in den vergangenen Jahren, unter der Regie linksbürgerlicher Gruppierungen, in Aktionismus und Boykottaufrufen verzettelt hatten.

Auffallend ist ferner, mit welch grimmiger Entschlossenheit die protestierenden SchülerInnen zum Teil ihre Wut kundtaten. Zwei Episoden während der Proteste belegen dies in beeindruckender Weise. In Berlin drangen Tausend SchülerInnen in die altehrwürdige Humboldt-Universität ein und besetzten das Hauptgebäude für einige Minuten. Dabei hatten einige von ihnen noch soviel Zeit, um Transparente aus den Fenstern des Gebäudes zu hängen, auf denen Slogans wie "Der Kapitalismus ist die Krise" zu lesen waren.

Noch viel Spektakuläreres ereignete sich in Hannover. Dort drangen protestierende SchülerInnen in die sog. Bannmeile des niedersächsischen Landtages ein. Doch nicht nur das. Die SchülerInnen erdreisteten sich sogar, das "heilige Haus der Demokratie" zu belagern, ja zu versuchen, den Landtag zu besetzen. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit der uniformierten Staatsmacht, in deren Verlauf einige der SchülerInnen unliebsame Bekanntschaft mit den repressiven Mitteln dieses Staates machten.

Um die ganze Tragweite dieses Vorfalls zu ermessen, denke man sich anstelle der SchülerInnen streikende VW-ArbeiterInnen in der Rolle der Landtagsbesetzer, und schon wird die ganze Brisanz dieses Vorgangs deutlich. In der Tat hat es in der Geschichte der Bundesrepublik unserer Kenntnis nach bislang noch keinen derartigen Versuch durch die Arbeiterklasse gegeben. Und so war es den Hannoveraner SchülerInnen - als künftige ArbeiterInnen Teil der Arbeiterklasse in Deutschland - vorbehalten, als erste überhaupt das Parlament als das Herrschaftssymbol des westlichen Kapitalismus direkt zu attackieren, ohne einen überflüssigen Gedanken daran zu verschwenden, welch einen unerhörten Tabubruch sie in den Augen der Herrschenden damit begingen. Hut ab!

Tatsächlich unterscheiden sich die aktuellen Schüler- und Studentenbewegungen weltweit von ihren Vorgängern in den 1960er und 1970er Jahren in ihrer um sich greifenden Illusionslosigkeit gegenüber den bürgerlichen Mystifikationen, in ihrer Nüchternheit gegenüber dem System und seinen Perspektiven. Heute geht es nicht mehr um eigene Schülervertretungen, sondern ums Eingemachte, um handfeste, materielle Forderungen, die der Kapitalismus immer weniger zu erfüllen imstande ist. Das fortgeschrittene Stadium der Krise prägt der heutigen Schüler- und Studentenbewegung einen viel radikaleren Stempel auf, als dies in den 1960er und 1970er Jahren der Fall gewesen war.

Die aktuellen Jugendbewegungen unterscheiden sich allerdings auch von der "No-Future"-Generation der 80er Jahre. Allein die Tatsache, dass sich die heutige junge Generation immer häufiger kollektiv zur Wehr setzt, dass sie konkrete Forderungen formuliert, deutet auf alles andere als auf Resignation hin. Denn wer kämpft, hat die Hoffnung auf eine Zukunft noch nicht verloren...

26.11.08

 

(1) Gemeint ist die Verkürzung der gymnasialen Oberstufe von dreizehn auf zwölf Jahre ohne entsprechende Ausdünnung des alten Unterrichtsstoffes.

Aktuelles und Laufendes: 

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Quell-URL:https://de.internationalism.org/content/1705/weltrevolution-nr-151

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