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Juni 2011

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Auseinandersetzung zwischen « Echte Demokratie jetzt » und der IKS in Paris: « demokratische » Methoden von DRY

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Die Bewegung des 15. Mai, die von Democracia Real Ya (DRY) geschaffen und – wie sich mittlerweile herausgestellt hat – von der Antiglobalisierungsbewegung ATTAC gesteuert wird, hat in Frankreich, insbesondere in Paris nun auch ihre Ableger gefunden, die sich zum Ziel gesetzt haben, den «  Place de la Bastille » in Paris zu besetzen. Auf den Versammlungen in Paris haben Mitglieder der IKS das Wort ergriffen, um eine Klassenposition zu verteidigen, anstatt als « Bürger », aufzutreten, die « eine echte Demokratie jetzt » im Rahmen der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems fordern. Unsere GenossInnen hatten ebenso einen Pressetisch mitgebracht, um unsere Publikationen auf einem öffentlichen Platz anzubieten, auf dem die Versammlungen stattfanden.

Die Bewegung des 15. Mai, die von Democracia Real Ya (DRY) geschaffen und – wie sich mittlerweile herausgestellt hat – von der Antiglobalisierungsbewegung ATTAC gesteuert wird, hat in Frankreich, insbesondere in Paris nun auch ihre Ableger gefunden, die sich zum Ziel gesetzt haben, den «  Place de la Bastille » in Paris zu besetzen. Auf den Versammlungen in Paris haben Mitglieder der IKS das Wort ergriffen, um eine Klassenposition zu verteidigen, anstatt als « Bürger », aufzutreten, die « eine echte Demokratie jetzt » im Rahmen der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems fordern. Unsere GenossInnen hatten ebenso einen Pressetisch mitgebracht, um unsere Publikationen auf einem öffentlichen Platz anzubieten, auf dem die Versammlungen stattfanden.

Am 29. Mai sind die Organisatoren von DRY zu uns gekommen, um gegen die Aufstellung des Tisches zu protestieren. Sie argumentierten folgendermaßen:

- Diese Bewegung sei « unpolitisch », sie akzeptiere keine Partei, keine politischen Gruppen und keine Gewerkschaft

- Die Verbreitung unserer Presse könne die Bewegung nur « spalten ».

Am 29. Mai kam es deshalb zu einer kleinen Auseinandersetzung auf dem Place de la Bastille zwischen Mitgliedern der IKS und einigen Mitgliedern von DRY, die sehr heftig verlangten, dass wir unsere Sachen packen sollten. Wir haben darauf folgendermaßen geantwortet:

- Keine gesellschaftliche Protestbewegung ist « unpolitisch ». Das angeblich « Unpolitische » von DRY sei reine Heuchelei. Wir wissen sehr wohl, dass hinter DRY ATTAC steckt, welches sich aber mit seiner globalisierungsfeindlichen Kritik verbirgt.

- Die IKS ist keine politische Partei und erst recht kein Wahlverein.

- DRY geht genauso vor wie die Stalinisten, die uns immer von den öffentlichen Plätzen « vertreiben » wollten, die sie als ihre Jagdgründe, ihr Territorium betrachtet haben.

- Im Unterschied zu DRY und anderen Gruppen, Gewerkschaften und bürgerlichen politischen Parteien, die sich an dieser Bewegung beteiligen, spielt die IKS mit offenen Karten (auch wenn wir bei unseren Wortmeldung in den Versammlungen nicht im Namen unserer Organisation reden und uns an die Regel  halten) ;

- Die Polizisten, die hinter ihren Schutzschilden die Szene beobachtet haben, schienen « demokratischer » gesinnt als DRY, da sie nicht von uns verlangten, dass wir unsere Sachen packen und abziehen. 

Wir haben uns also geweigert, uns den von DRY auferlegten Gesetzen zu unterwerfen, stattdessen sind wir auf dem Place de la Bastille verblieben, sind allerdings ein wenig zur Seite gerückt, um die Versammlung mit unserem Tisch nicht zu behindern.

Am Sonntag, den 12. Juni, fand eine von DRY organisierte Versammlung auf dem Boulevard Richard-Lenoir in Paris statt.  GenossInnen von uns waren ebenso anwesend; wir hatten erneut unseren Pressetisch mitgebracht. Gleiches Szenario: Mitglieder von DRY wollten einen Szene machen, um uns mit den gleichen Argumenten zu verdrängen. Wir haben ihnen geantwortet, dass Genossinnen von uns aus Barcelona zurückgekehrt waren, und dass auf dem Plaza de Catalunya die « Empörten » hoch erfreut waren, als wir dort unsere Presse ausgelegt hatten. Die « Logistikkommission » hatte uns zwei Gestelle und eine Platte zur Verfügung gestellt, um unsere Presse auszubreiten. Ein « Empörter » der « Kunstkommission » half uns sogar mit einem Megaphon aus, damit wir eine Debatte um unseren Pressestand abhalten konnten.

Ein völlig aufgepeitschtes Mitglied von DRY wollte uns nicht glauben und verlangte von uns « Beweise ». Wir haben   daraufhin unsere Videokamera herausgeholt, um zu zeigen, dass wir nicht blufften. Wir hatten Filmaufnahmen vom Plaza de Catalunya in Barcelona gemacht (auf dem man sehr deutlich den Pressestand der IKS erkennen konnte). Aber dieses Mitglied von DRY wollte der Wahrheit nicht in die Augen sehen und weigerte sich, das Video anzuschauen. Sie fragte uns dann, ob die « Empörten » von Barcelona uns ein « Papier » ausgestellt hätten, d.h. einen Erlaubnisschein für die Aufstellung des Pressestandes. Vielleicht wollte DRY eine Genehmigung zur Verbreitung unserer Presse seitens der Präfektur sehen?

Was die Mitglieder von DRY in Wirklichkeit nicht anerkennen wollten, war die Empörung der « Empörten » von Barcelona über die Manöver von DRY, die unter dem Deckmantel des « Unpolitischen » oder « der Ablehnung der Parteien » die Debatte sabotieren, indem all jenen Stimmen ein Maulkorb angelegt werden soll, die nicht ihre Glaubensbekenntnisse und ihr Lob der bürgerlichen Demokratie nachplappern. Das ist das wahre Gesicht der « echten Demokratie » von DRY!

In Wirklichkeit ist die « internationale Ausdehnung » der Bewegung 15M eine Maskerade, für welche DRY die Ausgebeuteten und die junge Arbeitergeneration einzuspannen versucht, um so eine « Einheitsfront » mit den « Bürgern » zu errichten, die den linken und rechten Parteien des Kapitals angehören (sogar der Extremen Rechten, wie uns übrigens dieses sehr staatsbürgerliches Mitglied von DRY sagte).

Die Ausgebeuteten müssen gegen diese Diktatur von DRY, gegen deren reaktionäre « Volksfront » ihre Klassenfront errichten! IKS, 14.6.2011

Aktuelles und Laufendes: 

  • democracia real ya [1]
  • echte demokratie jetzt [2]
  • 15m Spanien [3]
  • Proteste Spanien [4]
  • Proteste Place de la Bastille [5]

Israel-Palästina: Weder ein noch zwei Staaten, sondern eine Welt ohne Grenzen

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Die massiven Straßenproteste in Israel scheinen im Augenblick jedenfalls nachgelassen zu haben; die soziale Frage, die diese Proteste so lautstark in den Vordergrund gedrängt hatte um Fragen wie hohe Mieten, Inflation und Arbeitslosigkeit, wird durch die nationale Frage wieder einmal beiseite geschoben.

In der besetzten Westbank gab es Zusammenstöße zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern, die für die Unterstützung der Palästinensischen Autonomiebehörden und deren Antrag auf Anerkennung als eigenständigen Staat durch die UNO demonstrierten.

In Qalandiya, einem wichtigen israelischen Checkpoint zwischen der Westbank und Jerusalem haben israelische Soldaten mit Tränengas geschossen, um Steine werfende Palästinenser auseinander zu treiben. Die Zusammenstöße zogen sich über mehrere Stunden hin und ca. 70 Palästinenser wurden durch gummiüberzogene Stahlgeschosse oder durch Tränengas verletzt. Dieses Szenario wiederholte sich an mehreren Orten, manchmal war es verbunden mit verschärften Spannungen zwischen palästinensischen Dörfern und jüdischen Siedlern. Zeugenaussagen und einem Armeebericht zufolge erschossen israelische Soldaten in der Nähe des Dorfes Qusra auf der Westbank einen Palästinenser in einem Zwischenfall zwischen Dorfbewohnern und israelischen Siedlern. Zuvor war es zur Erstürmung der israelischen Botschaft in Kairo nach israelischen Luftangriffen gegen den Gaza-Streifen gekommen, bei dem mehrere ägyptische Grenzposten zu Tode kamen.

Auf dem Höhepunkt der Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz waren die Versuche der Regierung, die Aufmerksamkeit von den ökonomischen und politischen Forderungen der Protestierenden abzulenken und sie auf die ‘Palästinenserfrage‘ und Israel-feindliche Stimmung zu richten, wenig erfolgreich gewesen. Einem Artikel von Nadim Shehadi in der New York Times (25.9.2011) zufolge wurde „auch der jüngste Angriff auf die israelische Botschaft in Kairo von vielen als eine Ablenkung von den fortdauernden Protesten auf dem Tahrir-Platz gesehen“. Es gab Hinweise auf eine Zusammenarbeit zwischen Polizei und Regierung bei diesem Angriff, der gleichzeitig stattfand mit dem Besuch des türkischen Premierministers Erdogan in Kairo, der eine neue anti-israelische Machtachse im Mittleren Osten zwischen der Türkei und Ägypten aufbauen will. Der Sturm auf die Botschaft hat jedenfalls die Aufmerksamkeit von einer neuen Welle von Sozialprotesten  gegen das Regime abgelenkt, bei der wiederum eine Zunahme von Arbeiterstreiks eine Rolle spielte.

Ein oder zwei Staaten?

Viele von denjenigen, die von sich behaupten gegen das bestehende kapitalistische System zu sein, meinen, bis zur Lösung der nationalen Frage zwischen Israel/Palästina werde es nie einen „normalen“ Klassenkampf in der Region geben, bei dem ArbeiterInnen und Unterdrückte Seite an Seite gegen die Kapitalisten aller Länder, unabhängig von ihrer Nationalität und Religion, kämpfen.

Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen eines Lösungsversuchs der Israel-Palästina-Frage: Teile der Linken sind mehr als gewillt, militärische Aktionen gegen Israel (durch nationalistische, säkulare oder islamische Palästinensergruppen und logischerweise durch Staaten, die diesen Waffen und andere Mittel zur Verfügung gestellt haben wie Iran, Syrien, Gaddafis Libyen oder Saddams Irak) zu unterstützen. Die Tatsache, dass solche Schritte mit der Rhetorik der „arabischen Revolution“ und einem zukünftigen  „Sozialistischen Staatenbund im Mittleren Osten“ verbunden werden, ändert nichts an ihrem grundlegend militaristischen Charakter. Solche Auffassungen wurden von der Socialist Workers Party in GB, George Galloway, und anderen vertreten. Diese sind oft mit der Idee einer „Ein-Staaten-Lösung“ verbunden, d.h. einem säkularen demokratischen Palästinenserstaat mit gleichen Rechten für alle. Wie solch ein idyllisches Regime inmitten eines imperialistischen Haifischbeckens nach vielen Blutbädern entstehen könnte, ist eine Frage, die nur von Leuten beantwortet werden kann, die sich in trotzkistischen Sophismen verstehen.

Andere linke Stimmen, mit einer Reihe von Liberalen an ihrer Seite, favorisieren die “Zwei-Staaten-Lösung”, mit israelischer und palästinensischer Selbstbestimmung und mit dem jeweiligen Respekt der nationalen Rechte. Unter ihnen gibt es viele Nuancen: offiziell sind die USA für eine „Zwei-Staaten-Lösung“, die aus Verhandlungen hervorgehen sollte, bei denen die USA als Teil des Nah-Ost-Quartetts mit der UNO, der EU und Russland die Zügel in der Hand halten. Aber gegenwärtig stimmt Washington gegen den Antrag der Palästinenser auf einen eigenständigen Staat, weil dieser Antrag sich nicht auf ein Übereinkommen stütze. Die Tatsache, dass die USA zunehmend unfähig sind, die unnachgiebige rechte israelische  Regierung für ihre Vorschläge zu gewinnen, insbesondere für einen Stopp neuer Siedlungsprojekte in den besetzten Gebieten, muss bei der US-Haltung berücksichtigt werden.

In der Zwischenzeit hat der Palästinenserpräsident Mohamed Abbas hervorgehoben, dass die Verhandlungen nicht vorangekommen sind und man deshalb die Bildung eines eigenständigen Palästinenserstaates verlangt, weil dies angeblich viele taktische Vorteile bieten würde, so unter anderem die Möglichkeit, Israel vor dem Internationalen Gerichtshof anzuklagen. Aber dieser Plan stößt auf starken Widerstand bei vielen Anhängern des palästinensischen Nationalismus, sowohl unter den säkularen als islamistischen Flügeln, die richtigerweise meinen, dass ein Staat, der sich nur auf ein paar Streifen Land stützen kann, der zudem noch vom israelischen Militär und dem „Anti-Terror-Grenzzaun“ in Schach gehalten wird, nichts anderes als ein symbolischer Staat sein kann. Die Islamisten, von denen die meisten nicht mal die Existenz Israels anerkennen, wollen den bewaffneten Kampf für einen islamischen Staat in ganz Palästina (in seinem historischen Begriff) fortsetzen (obwohl sie sich praktisch auf verschiedene Zwischenstufen einlassen wollen). Auf dieser Ebene propagieren militaristische Islamisten und militaristische Trotzkisten die gleichen Methoden zur Erreichung ihrer jeweiligen „Ein-Staat-Vorstellungen“ [1] [6].

Kommunisten gegen den Nationalstaat

Aus unserer Sicht sind dies alles falsche Lösungsansätze. Der jüdisch-palästinensische Konflikt, der sich nun schon mehr als 80 Jahre hinzieht, ist ein konkretes Beispiel dafür, dass der Kapitalismus die verschiedenen „nationalen Fragen“ nicht lösen kann, die er teilweise aus früheren Sozialsystemen geerbt, aber auch zum großen Teil selbst geschaffen hat.

Rosa Luxemburg stellte sich im Ersten Weltkrieg gegen die Forderung nach dem „Recht auf nationale Selbstbestimmung“ ; sie argumentierte, dass es in einer mittlerweile von den imperialistischen Ländern aufgeteilten Welt keiner Nation möglich wäre,  ihre Interessen zu verteidigen ohne sich mit größeren imperialistischen Staaten zu verbünden, und dass diese dabei gleichzeitig versuchen würde, ihre eigenen imperialistischen Appetite zu befrieden. Der Nationalismus sei nicht, wie Lenin und andere meinten, eine potenzielle Kraft zur Schwächung des Imperialismus, sondern ein integraler Bestandteil desselben. Diese Einschätzung ist sicherlich durch die Geschichte der Konflikte im Mittleren Osten bestätigt worden. Es ist wohl bekannt, dass der Zionismus seit seiner Entstehung keine Vorteile für sich erzielen konnte ohne die Unterstützung des britischen Imperialismus. Später hat er sich selbst gegen Großbritannien gewandt, um in die Dienste der noch stärkeren USA zu treten. Aber die palästinensische Nationalbewegung ist nicht weniger dazu gezwungen gewesen, die Unterstützung imperialistischer Mächte zu suchen: dem faschistischen Deutschland und Italien vor und während des 2. Weltkriegs,  dem stalinistischen Russland und dessen arabischen Subalternen während des Kalten Krieges, Syrien, Irak, Iran und anderen Staaten seit dem Zusammenbruch des alten Blocksystems. Bündnisse haben sich im Laufe der Zeit verlagert, aber eine Konstante war seit jeher, dass der jüdische und arabische Nationalismus als örtliche Agenten größerer regionaler und globaler imperialistischer Rivalitäten handelten. Diejenigen, die die militärische Niederlage Israels oder eine ‚friedlichere Lösung‘ unter Schirmherrschaft der UNO propagieren, hängen noch tief fest in dieser Logik.

Gleichzeitig richtet sich die Unterstützung nationaler Lösungen in einer geschichtlichen Phase, in der die Arbeiterklasse und ihre Ausbeuter keine gemeinsamen Interessen haben, und in der noch nicht einmal das Bedürfnis eines Bündnisses gegen frühere reaktionäre Klassen besteht, gegen den Kampf der Ausgebeuteten. In Israel prallen die Arbeiterkämpfe zur Verteidigung des Lebensstandards immer auf Ablehnung mit der Begründung, das Land befindet sich doch im Krieg, wir müssen Opfer hinnehmen, Streiks können nur unsere Landesverteidigung untergraben. In Ägypten und anderen arabischen Ländern hält man den ArbeiternInnen immer wieder entgegen, die sich gegen ihre Ausbeutung wehren, dass der wahre Feind der Zionismus und der US-Imperialismus seien. Ein deutliches Beispiel dafür konnte man während der massiven Arbeiterkämpfe 1972 sehen. Nach der Unterdrückung der Streiks in Halwan durch die Sadat-Regierung, „gelang es den Linken (Maoisten, Palästinensischen Aktivisten usw.), den Kampf auf nationalistische Bahnen zu lenken. So wurden Forderungen nach der Freilassung inhaftierter ArbeiterInnen verbunden mit Erklärungen zur Unterstützung der palästinensischen Guerillabewegung, mit der Forderung nach der Errichtung einer Kriegswirtschaft (einem Lohnstopp eingeschlossen) und der Bildung einer „Volksmiliz“ zur Verteidigung der „Heimat“ gegen die zionistische Aggression. So lautete die Hauptkritik, dass die Regierung nicht entschlossen genug handele bei den Kriegsvorbereitungen; und die Arbeiter wurden aufgefordert, den Kampf gegen ihre Ausbeuter nicht fortzusetzen, sondern die Basis für eine „Volksbewegung“ des ägyptischen Imperialismus gegen seinen israelischen Rivalen zu bilden“ (‚Klassenkampf im Mittleren Osten‘, World Revolution, Nr. 3, April 1975).

Andererseits zeigen die jüngsten Protestbewegungen, wenn die soziale Frage in einem Kampf offen aufkommt, können die Argumente der Nationalisten infrage gestellt werden. Die Weigerung der Demonstranten vom Tahrir-Platz, ihren Kampf gegen das Mubarak-Regime dem Kampf gegen den Zionismus unterzuordnen; die vorhersehenden Warnungen durch israelische Demonstranten, dass die Netanjahu-Regierung militärische Konflikte einsetzen würde, um ihre Bewegung abzulenken, und vor allem ihre Entschlossenheit, ihre Proteste fortzusetzen, selbst wenn militärische Zusammenstöße an der Grenze stattfinden, beweisen, dass der Klassenkampf nicht solange verschoben werden kann, bis irgendeine ideale Lösung für die nationale Frage gefunden worden ist. Im Gegenteil, im Verlaufe des Kampfes selbst können nationale Spaltungen aufgegriffen und entblößt werden. In Israel ist die Anregung, die man aus den Bewegungen in der arabischen Welt erhalten hatte, in Slogans wie „Mubarak, Assad, Netanjahu“ laut und deutlich anerkannt worden. Die Rufe nach einer Einheit zwischen arabisch-jüdisch Protestierenden im Kampf waren konkrete und positive Beispiele dieser Möglichkeit, auch wenn die Bewegung noch sehr zögerlich blieb gegenüber der Frage der besetzten Gebiete.

Es wäre naiv zu erwarten, dass die jüngsten Bewegungen ganz ungefärbt von nationalistischen  Ideen entstanden wären. Aus der Sicht der meisten Beteiligten bedeutet Internationalismus eine Art Waffenstillstand oder ein Art feierliche Eintracht unter Nationen. Sie verstehen nicht, was wirklich hinter Internationalismus steckt: Klassenkampf über alle nationalen Spaltungen hinweg, ein Kampf für eine Welt ohne Nationalstaaten. Gar nicht zu erwähnen die schreckliche Spirale von Rache, Misstrauen und Hass, welche der arabisch-israelische Konflikt hervorgerufen hat und jeden Tag verschärft. Aber gleichzeitig liefert der Kapitalismus jeden Tag Beweise nicht nur seines ökonomischen Bankrotts, sondern auch seiner Unfähigkeit,  entgegengesetzte nationale Interessen zu versöhnen. Innerhalb des Gefängnisses des Nationalstaates, unabhängig davon ob man ein „Ein-Staat“ oder „Zwei-Staaten“-Ideal vorzieht, gibt es einfach keine Möglichkeit, Millionen von Palästinenser aus dem Elend der Flüchtlingslager zu befreien oder die Israelis von der ständigen Angst vor Kriegen und Terrorangriffen zu erlösen. Die Vorstellung einer menschlichen Gemeinschaft ohne Grenzen – und nur diese kann eine Lösung für die globale Krise des Kapitalismus anbieten – wird auch als die einzige realistische Lösung für den arabisch-israelischen Konflikt erkennbar werden. Aber diese Lösung wird nur durch massive soziale Bewegungen greifbar werden, die sich auf eine echte Revolution der Ausgebeuteten und Unterdrückten hin bewegt. Alle bürgerlichen Staaten, ob schon bestehende oder geforderte, werden die Feinde solch einer Revolution sein: Sie sind die erste Mauer, die auf dem Weg zur Freiheit niedergerissen werden muss.

Amos, 26.9.2011

[1] [7]. Es ist erwähnenswert, dass einige rechte Zionisten ebenso geschlussfolgert haben, ein einziger Staat sei die beste Lösung, aber das müsste natürlich ein jüdischer Staat sein, in welchem die arabische Minderheit entweder vertrieben oder sie für immer als untergeordnete Bürger leben müssten.

Aktuelles und Laufendes: 

  • Israel [8]
  • Palästina [9]
  • Gründung Palästinenserstaat [10]

Leute: 

  • Abbas [11]

Repression in Valencia: Solidarität mit den “Empörten”, Empörung über den demokratischen Staat!

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Vor dem neuen Regionalparlament in Valencia war eine friedliche Kundgebung einberufen worden. Ihre Forderungen lauteten: „Ende der Korruption, die Politiker sollen auf die Bürger hören“, d.h. diese Forderungen gossen Wasser auf die Mühlen der Illusion, dass der Staat „ein Ausdruck des Volkswillen“ sei.

Der Staat reagierte sehr pädagogisch: mehrere Demonstranten wurden  niedergeknüppelt, über den Boden geschleppt, von der Polizei brutal und arrogant behandelt. 18 Demonstranten wurden verletzt, 5 verhaftet. Sie wurden nicht wie „Bürger“ sondern wie Kriminelle behandelt. Diese Nachricht löste eine sehr starke Empörung aus.

Als Reaktion darauf wurde für 20.15 h vor der U-Bahn-Station Colon zu einer Kundgebung vor einem Regierungsgebäude aufgerufen. Langsam strömten die Demonstranten zusammen. Ein Demonstrationszug, der von dem Jungfrauenplatz losgezogen war, auf dem eine Versammlung zur valencianischen Sprache stattfand, schloss sich der Demonstration an, was mit großem Applaus bedacht wurde. Spontan entschied man, zur Polizeiwache Zapadores zu ziehen, wo man die Verhafteten vermutete. Von Minute zu Minute schwoll die Teilnehmerzahl weiter an. Die Bewohner des Stadtviertels Ruzafa schlossen sich dem Zug an oder klatschten von ihren Balkonen Beifall. Den Polizisten wurde zugerufen: “Lasst die Verhafteten frei. Hört auf uns zu beobachten. Ihr werdet auch bestohlen“.

Sobald die Demonstranten vor der Polizeiwache Zapadores eingetroffen waren, ließ man sich zu einem sit-in nieder. Es wurde gerufen: „Ohne die Verhafteten ziehen wir nicht ab. Wenn sie nicht rauskommen, kommen wir rein!“ Unterdessen traf die Nachricht von der Solidarisierung der Versammlung Barcelonas ein 1 [12] oder der Entscheidung des Madrider Zeltlagers, die Verhafteten durch eine neue Kundgebung vor dem spanischen Parlament Cortes zu unterstützen.  Zur gleichen Zeit wurde in Barcelona gerufen: „Nein zur Gewalt in Santiago de Compostela und in Valencia“ (in Santiago de Compostela war die Polizei auch gewaltsam gegen Protestierende vorgegangen).

Eine Stunde später, nachdem man erfahren hatte, dass die Verhafteten – welche in den Justizpalast gebracht worden waren – freigelassen werden würden, löste die Kundgebung sich auf, aber einige Hundert Demonstranten zogen vor den Justizpalast und warteten auf deren Freilassung (nach Mitternacht wurden sie tatsächlich freigelassen).

Aus dieser kurzen Schilderung der Ereignisse können wir einige Schlussfolgerungen ziehen.

Die erste Schlussfolgerung ist, dass unsere Stärke in der Solidarität, dem Zusammenschluss liegt, die Verhafteten nicht alleine zu lassen, dem „Urteilsvermögen der Justiz“ nicht zu vertrauen, sich hinter die Verhafteten zu stellen, sie als unsere Leute anzusehen, deren Leben als unser eigenes Leben zu betrachten.

In der Geschichte hat sich die Solidarität immer als die Hauptkraft der ausgebeuteten Klassen herausgestellt, und mit dem historischen Kampf des Proletariats ist diese in den Mittelpunkt ihres Kampfes gerückt und zu einem Stützpfeiler einer zukünftigen Gesellschaft geworden, der weltweiten menschlichen Gemeinschaft, dem Kommunismus. Die Solidarität ist durch die kapitalistische Gesellschaft zerstört worden, welche sich auf ihr Gegenteil stützt: die Konkurrenz, die Politik des jeder gegen jeden, jeder für sich.

Aber während eine Solidarisierung zustande kam, hat auch die Empörung über den “demokratischen” Staat zugenommen. Die Polizeiüberfälle auf die Demonstranten in Madrid und Granada sowie die unmenschliche Behandlung der Verhafteten von Madrid haben die Bewegung des 15-M (15. Mai) angespornt. Der brutale und zynische Polizeiangriff auf die Demonstranten in Barcelona hat das wahre Gesicht des demokratischen Staates hervortreten lassen, das jeden Tag durch „freie Wahlen“ und die „Bürgerbeteiligung“ vertuscht wird. Die Repression in Valencia und in Santiago de Compostela am Freitag und die in Salamanca am heutigen Samstag zeigen das erneut.

Es ist notwendig mehr nachzudenken und zu diskutieren, ob die Ereignisse von Madrid, Granada, Barcelona, Valenica, Salamanca und Santiago de Compostela als “Ausnahmen” angesehen werden können, die auf “Exzesse” oder Fehler zurückzuführen sind?

Könnten die Reform des Wahlgesetzes, die ILP (Initiative Volksabstimmung) und andere Vorschläge des „demokratischen Konsensus“ diese Übergriffe vereiteln oder gar den Staat in den Dienst des Volkes stellen?

Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir begreifen, wer der Staat ist und wem er dient.

In allen Ländern ist der Staat das Organ der privilegierten und ausbeutenden Minderheit, das Organ des Kapitals. Diese allgemeine Regel trifft auch auf die Staaten zu, welche sich auf die desodorierenden Ausdünstungen der Demokratie stützen wie auch jene, die den übel riechenden Geruch der Diktatur von sich geben.

Die Grundlage für den Zusammenhalt des Staates ist nicht die „Bürgerbeteiligung“ sondern die Armee, Polizei, Gerichte, Gefängnisse, Kirche, Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände usw., d.h. ein gewaltiges bürokratisches Spinnennetz im Dienste des Kapitals, das die Unterdrückung ausübt und vom Blut und Schweiß der Mehrheit der Bevölkerung lebt und sich turnusmäßig durch die Fassade der Wahlen, Volksabstimmungen, Referenden usw. legitimieren lässt.

Diese dunkle Seite des Staates, die von dem bunten Gesicht der Demokratie im Alltag verwischt wird, wird anhand von Gesetzen deutlich wie dem Gesetz zur Rentenreform, der Reform des Arbeitsrechts, den jüngst von der Regierung verabschiedeten Maßnahmen, die den Unternehmern die Entlassung von Arbeitskräften erleichtern oder auch anhand der Einschnitte bei Ausgleichszahlungen für Beschäftigte, die nunmehr auf 20 Tage pro Beitragsjahr reduziert werden (vormals erhielt man 45 Tage pro Beitragsjahr). Oder wenn die Polizei mit Schlagstöcken vorgeht, um „Probleme zu vermeiden“, wie Rubalcaba es formulierte.  Die Repression ist kein Merkmal einer bestimmten Partei oder Ideologie, sie ist die notwendige und bewusste Antwort des Staates immer dann, wenn die Interessen der Kapitalistenklasse bedroht werden.  

Die Suche nach unmittelbaren Erfolgen oder das Bestreben, unbedingt “konkrete Forderungen” zu erheben, hat dazu geführt, dass ein Großteil der Teilnehmer an den Versammlungen – die von Gruppen wie “Democracia Real Ya!” beeinflusst worden sind -, der Illusion einer „Reform der Demokratie“ anheimgefallen sind: Änderung der Wahlgesetze, offene Listen, Initiative Volksabstimmung… Während diese Vorschläge als ein einfach nachzuvollziehender, konkreter Schritt erscheinen, führt dies in Wirklichkeit nur dazu, die Illusion zu verstärken, der Staat könne „reformiert“, in „den Dienst aller Menschen gestellt“ werden. Dadurch läuft man letzten Endes nur hilflos gegen den kapitalistischen Staat an und macht es diesem leichter, seine Arbeit zu verrichten.

In den Versammlungen war oft die Rede davon, “diese Gesellschaft zu ändern”, dieses ungerechte Gesellschafts- und Wirtschaftssystem zu überwinden. Deutlich wurde das Bestreben nach einer Welt ohne Ausbeutung, in der „wir keine Waren“  sind, in der für die Bedürfnisse des Lebens und nicht die Bedürfnisse der Produktion produziert würde, in der es eine menschliche Gemeinschaft ohne Staaten und Grenzen geben würde.

Wie aber kann man solch ein Ziel erreichen?  Stimmt das Motto der Jesuiten, demzufolge „das Ziel die Mittel rechtfertigt“? Kann man dieses System ändern, indem man auf Mittel wie Bürgerbeteiligung usw. zurückgreift, die dieses System uns anbietet?

Die einzusetzenden Mittel müssen mit dem verfolgten Ziel übereinstimmen. Nicht alle Mittel sind gültig. Die Atomisierung und die Isolierung durch die Wahlkabinen, die Delegierung der Macht in die Hände der Politiker, die üblichen Schiebereien und Machtmanöver der Politiker, d.h. all diese üblichen Mittel des Spiels der Demokratie verfolgen nicht unser Ziel, sondern dienen der Befestigung dieses Systems.

Diese “Mittel” führen uns völlig von unserem Ziel weg. Die Mittel, die uns zu unserem Ziel führen – auch wenn dieses noch weit entfernt ist - sind die Versammlungen, das direkte, kollektive Handeln auf der Straße, die Solidarität, der international Kampf der Arbeiterklasse.    IKS, 11.6.2011

 1 [13] In Barcelona haben mehrere Hundert Demonstranten die „Diagonale“ (eine die ganze Stadt kreuzende Magistrale) besetzt; die PKW-Fahrer unterstützten sie mit Hupkonzerten.

Aktuelles und Laufendes: 

  • Repression Spanien [14]
  • Bürgerbewegung Spanien [15]
  • Demokratie Repression [16]

Solidarität mit den Empörten von Barcelona, die von der bürgerlichen Demokratie verprügelt wurden. Nieder mit dem Polizeistaat!

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Am Freitag, den 27. Mai, zwischen 6 und 7 h morgens, räumten 300 Polizeikräfte den Plaza Catalunya in Barcelona, der von 3000 „Empörten“ besetzt war. Diese zelteten dort seit dem 16. Mai Tag und Nacht, um – wie in Madrid und ungefähr 70 anderen spanischen Städten - gegen die Arbeitslosigkeit, die Armut, prekäre Lebensbedingungen und die mangelnde Zukunft zu protestieren. Dieses gewaltsame Vorgehen wurde – so der Sprecher der katalanischen Generalitat (die katalanische Provinzregierung) – durch die Notwendigkeit bestimmt, auf dem Platz Raum zu schaffen für den Aufbau einer Riesenleinwand zur Übertragung des Champions League Endspiels Barcelona- Manchester-United. Die Protestkundgebungen der „Empörten“ gegen die wachsende Verarmung sollten also etwas, für die Menschheit viel Wichtigerem weichen – der für den Fall des Sieges vorgesehenen Feier des FC Barcelona! Dieser natürlich vorgetäuschte Grund lieferte eine Rechtfertigung für die gewaltsame Räumung einer der wichtigsten Plätze des Protestes gegen die kapitalistische Ausbeutung, wo eine der größten Radikalisierungen stattgefunden hatte. Am Freitag, den 27. Mai, zwischen 6 und 7 h morgens, räumten 300 Polizeikräfte den Plaza Catalunya in Barcelona, der von 3000 „Empörten“ besetzt war. Diese zelteten dort seit dem 16. Mai Tag und Nacht, um – wie in Madrid und ungefähr 70 anderen spanischen Städten - gegen die Arbeitslosigkeit, die Armut, prekäre Lebensbedingungen und die mangelnde Zukunft zu protestieren.

Dieses gewaltsame Vorgehen wurde – so der Sprecher der katalanischen Generalitat (die katalanische Provinzregierung) – durch die Notwendigkeit bestimmt, auf dem Platz Raum zu schaffen für den Aufbau einer Riesenleinwand zur Übertragung des Champions League Endspiels Barcelona- Manchester-United. Die Protestkundgebungen der „Empörten“ gegen die wachsende Verarmung sollten also etwas, für die Menschheit viel Wichtigerem weichen – der für den Fall des Sieges vorgesehenen Feier  des FC Barcelona!  Dieser natürlich vorgetäuschte Grund lieferte eine Rechtfertigung für die gewaltsame Räumung einer der wichtigsten Plätze des Protestes gegen die kapitalistische Ausbeutung, wo eine der größten Radikalisierungen stattgefunden hatte. 

Die Platzbesetzer haben entschlossen aber vollkommen gewaltlos versucht, sich gegen diese schändliche Räumung zu wehren. Eine zahlenmäßig große Gruppe von Jugendlichen wollte den Zugang zum Platz blockieren, während andere den Polizisten Blumen verteilten. Ungefähr 200 „Empörte“ blieben in der Mitte des Platzes sitzen. Die Polizeikräfte sind mehrfach gegen diese gewaltsam mit Schlagstöcken vorgegangen.  Einige der Demonstranten hielten Spruchbänder hoch „Resistencia pacifica“ („friedlicher Widerstand“).

Ein zur Einschüchterung und zur Beobachtung eingesetzter Hubschrauber kreiste über dem Platz, während mit ca. 20 Polizeifahrzeugen die Zelte der Besetzer niedergerissen wurden. Einige mit Wasser gefüllte Plastikflaschen wurden auf die Polizisten geworfen, aber die Mehrzahl der Protestierenden verhielt sich ruhig und rief: „Me da verguenza“ „(Das Verhalten der Polizei ist beschämend“ oder „Donde esta la placa“ (wo sind die polizeilichen Erkennungsmarken?). Ein Demonstrant auf der Mitte des Platzes hielt ein Spruchband, das sich an die Leute am Platzrand richtete: „Assemblea dice policia fuera, nosotras limpiamos la  plaça“ (Die Versammlung hat gesagt, Polizisten raus, wir säubern den Platz selbst). Ein Demonstrant hielt ein Spruchband „Sie können unsere Träume nicht wegräumen“.

121 Personen wurden bei dem Räumungsversuch verletzt; darunter mussten ein Dutzend in Krankenhäusern behandelt werden. Ein Jugendlicher wurde an der Lunge schwer verletzt.

Ein anderes Zeltlager in Lérida wurde am Freitagmorgen von der Polizei ebenso geräumt. Nach dem Rückzug der Polizeikräfte am Ende des Vormittags sind die immer zahlreicher gewordenen Demonstranten wieder auf den Platz gestürmt. Innerhalb eines Nachmittags wurde eine Feldküche mit kostenlosen Mahlzeiten, die Erste-Hilfe-Station, die Bibliothek, die Versorgung mit Gemüse – all das, was am Morgen niedergerissen worden war – wiederherstellt.

Die Informationskommission beantwortete die an sie gerichteten Fragen, während per Twitter eine Reihe von empörten Kommentaren zum Eingreifen der Polizei verbreitet wurde. In einem Flugblatt wurde die Räumungsaktion geschildert. Für 17.00 h wurde zu einer Kundgebung von der Statue des Christopher Kolumbus zum Plaza de Catalunya aufgerufen. Dort kamen einige Tausend Demonstranten zusammen, die gegen die Einschnitte im Gesundheits- und Bildungswesen protestierten. Um 19.00 h war der Platz erneut mit Menschen überfüllt (ca. 4.000-5.000 Leute), die zum Kochtopfdeckelschlagen zusammenkamen (cassolada). Um 21.00 h wurde in einer Petition der Rücktritt des regionalen Innenministers verlangt. Die Kommissionen (Aktionen, Ausdehnung und Verbreiterung der Bewegung, Theater usw.) trafen sich erneut, während auf der Madrider Puerta del Sol die Demonstranten mit Blumen in den Händen riefen „Barcelona steht nicht alleine da“.  Man verfasste Aufrufe zur Unterstützung der „Empörten“ von Barcelona  und verbreitete sie auf Twitter; am Freitagabend sollten die Leute in allen Städten Spaniens zusammenkommen.

Samstagabend strömten dann Tausende Demonstranten zusammen, um weiterhin ihre Empörung und Ablehnung der Polizeigewalt zum Ausdruck zu bringen.

Ja, unsere ganze Solidarität mit den Verprügelten von Barcelona und ein Hoch auf ihren Mut! Nein, die Genoss/Innen in Barcelona stehen nicht alleine da. Hier geht keine „spanische Revolution“ vor sich: in Griechenland, Portugal, Tunesien, Ägypten, Marokko – überall auf der Welt findet der gleiche Kampf statt. Diese Erfahrung mit der Repression muss dazu beitragen, einige der Illusionen in die Demokratie, die unter den „Empörten“ noch weit verbreitet sind und auf welche sich die herrschende Klasse stützt, zu überwinden. Sie muss ebenso zur Bewusstwerdung beitragen, dass die von der Polizei ausgeübt Gewalt nur der bewaffnete Arm des kapitalistischen Staates ist und dieser nur so reagieren kann. Dieser Staat hält  jeden Tag gewaltsam die Ausbeutung aufrecht. Wir haben keine andere Wahl als uns weltweit zusammenzuschließen, um dieses System mit seinem Staat zu überwinden. IKS 4.6.11

Aktuelles und Laufendes: 

  • Puerta del Sol [17]
  • Kämpfe in Spanien [18]
  • Plaza Catalunya [19]
  • Repression Spanien [14]

Solidarität mit den “Empörten” in Spanien – Die Zukunft gehört der Arbeiterklasse!

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Zu einem Zeitpunkt, als in vielen Ländern die Scheinwerfer auf den Skandal um Dominique Strauss-Kahn, den wegen des Vorwurfs sexueller Übergriffe verhafteten IWF-Chefs, gerichtet waren, erschütterte etwas viel Wichtigeres Europa: die gewaltige soziale Protestbewegung in Spanien, die sich seit dem 15. Mai nach der Tag und Nacht andauernden Besetzung der Puerta Del Sol in Madrid gebildet hat. Die Bewegung wird von einer riesigen Masse von Menschen, hauptsächlich Jugendlichen, getragen, die empört sind über die Arbeitslosigkeit, die Sparmaßnahmen der Zapatero-Regierung, die Bestechlichkeit der Politiker usw. Diese Sozialbewegung griff dank der sozialen Netzwerke (Facebook, Twitter…) schnell wie ein Flächenbrand über auf die großen Städte des Landes: Barcelona, Valencia, Granada, Sevilla, Málaga, Leon… Aber die Informationen haben nicht wirklich die Pyrenäen Richtung Frankreich übersprungen. Denn in Frankreich haben nur die sozialen Netzwerke und einige alternative Medien die Bilder und Videos über die Ereignisse seit Mitte Mai übermittelt. Wenn die bürgerlichen Medien solch ein black-out über die Ereignisse verhängen und uns – insbesondere in Frankreich – mit dem Krimi um die Angelegenheit Dominique Strauss-Kahn benebelt haben, geschieht dies mit der Absicht, diese wichtige Etappe der Entwicklung der sozialen Kämpfe und des Kampfes der Weltarbeiterklasse gegen die Sackgasse, in welcher der Kapitalismus steckt, herunterzuspielen.

Zu einem Zeitpunkt, als in vielen Ländern die Scheinwerfer auf den Skandal um Dominique Strauss-Kahn, den wegen des Vorwurfs sexueller Übergriffe verhafteten IWF-Chefs, gerichtet waren, erschütterte etwas viel Wichtigeres Europa: die gewaltige soziale Protestbewegung in Spanien, die sich seit dem 15. Mai nach der Tag und Nacht andauernden Besetzung der Puerta Del Sol in Madrid gebildet hat. Die Bewegung wird von einer riesigen Masse von Menschen, hauptsächlich Jugendlichen, getragen, die empört sind über die Arbeitslosigkeit, die Sparmaßnahmen der Zapatero-Regierung, die Bestechlichkeit der Politiker usw. Diese Sozialbewegung griff dank der sozialen Netzwerke (Facebook, Twitter…) schnell wie ein Flächenbrand über auf die großen Städte des Landes: Barcelona, Valencia, Granada, Sevilla, Málaga, Leon… Aber die Informationen haben nicht wirklich die Pyrenäen Richtung Frankreich übersprungen. Denn in Frankreich haben nur die sozialen Netzwerke und einige alternative Medien die Bilder und Videos über die Ereignisse seit Mitte Mai übermittelt. Wenn die bürgerlichen Medien solch ein black-out über die Ereignisse verhängen und uns – insbesondere in Frankreich – mit dem Krimi um die Angelegenheit Dominique Strauss-Kahn benebelt haben, geschieht dies mit der Absicht, diese wichtige Etappe der Entwicklung der sozialen Kämpfe und des Kampfes der Weltarbeiterklasse gegen die Sackgasse, in welcher der Kapitalismus steckt, herunterzuspielen.

Die Vorgeschichte der Bewegung

Die Bewegung der „Empörten“ in Spanien ist seit dem Generalstreik vom 29. September 2010 gegen das Projekt der Rentenreform herangereift. Dieser Generalstreik endete in einer Niederlage, weil die Gewerkschaften mit der Regierung einen Deal ausgehandelt und das Reformprojekt angenommen haben (die aktiv Beschäftigten zwischen 40-50 Jahren werden bei ihrem Renteneintritt eine um 20% niedrigere Renten beziehen als die gegenwärtigen Rentner). Diese Niederlage hat ein tiefgreifendes Gefühl der Verbitterung innerhalb der Arbeiterklasse hervorgerufen. Und unter den Jugendlichen hat sich eine große Wut angestaut, nachdem die Jugendlichen diesen Kampf gegen die Rentenreform aktiv unterstützt hatten, insbesondere indem sich viele an den Streikposten beteiligten.

Anfang 2011 kochte die Wut in den Universitäten hoch. Im März wurde im Nachbarland Portugal ein Aufruf einer Gruppe „Junge Prekäre“ zu einer Demonstration im Internet veröffentlicht. Daraufhin beteiligten sich ca. 250.000 Menschen an der Demo in Lissabon. Dieses Beispiel hatte sofort eine große Ausstrahlung auf die spanischen Universitäten, insbesondere in Madrid. Die große Mehrzahl der Studenten und jungen Leute unter 30 überlebt mit 600 Euros im Monat dank kleiner Jobs. Auf diesem Hintergrund hat eine Gruppe von ca. 100 Studenten eine Gruppe gebildet „Jugendliche ohne Zukunft“ („Jovenes sin futuro“). Diese mittellosen, aus der Arbeiterklasse stammenden Studenten haben sich um den Slogan „Obdachlos, arbeitslos, furchtlos“ zusammengeschlossen. Sie riefen für den 7. April zu einer Demo auf. Der Erfolg dieser Demo, an der sich etwa 5000 Menschen beteiligten, ermunterte die Gruppe „Jugendliche ohne Zukunft“, eine neue Demo für den 15. Mai zu planen. In der Zwischenzeit war in Madrid das Kollektiv „Echte Demokratie jetzt“ (Democracia Real Ya) gegründet worden, in deren Plattform man sich auch gegen die Arbeitslosigkeit und die „Diktatur der Märkte“ wandte, die aber von sich beanspruchte, „apolitisch“ zu sein, weder dem rechten noch linken Lager anzugehören. Democracia Real Ya rief ebenso zu Kundgebungen am 15. Mai in anderen Städten auf. Aber in Madrid kamen die meisten Leute zusammen – nämlich ca. 25.000. Dieser ziemlich zahme Protestzug sollte auf der Puerta del Sol enden.

Die Wut der Jugend ohne Zukunft greift auf die ganze Bevölkerung über

Die Kundgebungen vom 15. Mai, zu denen „Echte Demokratie jetzt“ aufgerufen hatten, verliefen sehr erfolgreich. Sie spiegelten die allgemeine Unzufriedenheit der Bevölkerung, insbesondere der Jugendlichen mit der Frage der Arbeitslosigkeit am Ende ihrer Ausbildung, wider. Die ganze Sache hätte eigentlich dort abgeschlossen werden sollen, aber am Ende der Kundgebungen in Madrid und in Granada kam es zu Zusammenstößen, die von einer kleinen Gruppe „Schwarzer Block“ ausgelöst wurden. Die Polizei ging gewaltsam gegen diese vor und verhaftete 20 Leute. Die Verhafteten, die in den Polizeiwachen misshandelt wurden, schlossen sich in einem Kollektiv zusammen und verfassten ein Kommuniqué, in dem die Gewalt der Polizei angeprangert wurde. Die Verbreitung dieses Kommuniqués hat sofort eine riesige Empörung und ein Gefühl allgemeiner Solidarität gegenüber der Brutalität der Ordnungskräfte ausgelöst. Ca. 30 Menschen, die in der Öffentlichkeit nicht bekannt und auch unorganisiert waren, beschloss die Besetzung des Puerta del Sol in Madrid und dort ein Zeltlager zu errichten. Diese Initiative breitete sich sofort wie ein Flächenbrand aus und stieß auf große Sympathie in der Bevölkerung. Am gleichen Tag wurde das Beispiel Madrids in Barcelona, Granada und Valencia nachgeahmt. Eine neue Welle Polizeigewalt goss erneut Öl aufs Feuer; seitdem kommen in mehr als 70 Städten die Protestierenden scharenweise zusammen, Tendenz steigend.

Am Nachmittag des 17. Mai hatten die Organisatoren der Bewegung des 15. Mai schweigende Aktionen der Protestierenden oder schauspielerische Aufführungen vorgesehen, aber die auf den öffentlichen Plätzen Zusammengekommenen verlangten lauthals die Abhaltung von Vollversammlungen. Um 20.00 h fingen die Vollversammlungen in Madrid, Barcelona, Valencia und anderen Städten an. Von Mittwoch, dem 18. Mai an, nahmen diese Versammlungen eine andere Gestalt an, sie verwandelten sich in offene allgemeine Versammlungen auf öffentlichen Plätzen.

Gegenüber der Repression und im Hinblick auf die Gemeinderats- und Regionalwahlen versuchte das Kollektiv “Echte Demokratie jetzt” die Debatte auf das Ziel der „demokratischen Erneuerung“ des spanischen Staats auszurichten. Eine Reform der Wahlgesetze wurde gefordert, um das Zweiparteiensystem PSOE/Partido Popular zu überwinden und stattdessen nach 34 Jahren „imperfekter Demokratie“ nach Franco eine „wahre Demokratie“ zu fordern.

Aber die Bewegung der „Empörten“ ging weit über diese Forderungen nach mehr Demokratie und Reformen durch das Kollektiv „Echte Demokratie jetzt“ hinaus. Die Bewegung beschränkte sich nicht auf die Revolte der jungen „mit 600 Euro verlorenen Generation“. Bei den Demonstrationen und auf den besetzten Plätzen in Madrid, Barcelona, Valencia, Málaga, Sevilla usw. konnte man auf Spruchbändern und Plakaten lesen „Demokratie ohne Kapital“, „PSOE und PP – gleiche Scheiße“, „Wir wollen eine Zukunft ohne Kapitalismus“, „Wenn ihr uns nicht träumen lasst, werden wir euch nicht schlafen lassen“, „Alle Macht den Versammlungen“, „Das Problem ist nicht die Demokratie, das Problem ist der Kapitalismus“, „Arbeitslos, obdachlos, furchtlos – Arbeiter wacht auf“!, „600 Euros pro Monat, das ist ein Gewaltverhältnis“, „Wenn wählen gefährlich wäre, wäre es längst verboten“. In Valencia riefen Frauen: „Unsere Großeltern wurden getäuscht, unsere Kinder wurden in die Irre geführt, unsere Enkel dürfen sich nicht verarschen lassen“

Die Versammlungen – eine Waffe für die Zukunft

 

Gegenüber der bürgerlichen Demokratie, die die “Beteiligung” darauf beschränkt, alle vier Jahre den Politiker zu “wählen”, der nie seine Wahlversprechen einhält und all die Sparmaßnahmen umsetzt, welche die unaufhaltsame Zuspitzung der Wirtschaftskrise erfordert, hat sich die Bewegung der “Empörten“ in Spanien spontan wieder eine Waffe des Kampfes der Arbeiterklasse angeeignet: die allgemeinen, offenen Versammlungen. Überall sind Leute massenhaft in den Städten zusammengekommen; mehrere Zehntausende Teilnehmer aller Generationen und aus allen nicht-ausbeutenden Schichten der Gesellschaft versammelten sich. In diesen Versammlungen kann jeder das Wort ergreifen, seine Wut zum Ausdruck bringen, Debatten zu verschiedenen Fragen anstoßen, Vorschläge machen. In dieser Atmosphäre allgemeiner Wallung wird man ermutigt zu reden; alle Aspekte des gesellschaftlichen Lebens (politische, kulturelle, ökonomische…) werden zur Sprache gebracht. Auf den Plätzen strömt eine gewaltige kollektive Flut von Ideen zusammen, die in einem solidarischen Klima diskutiert werden, wo man jeweils Respekt für den anderen zeigt. In einigen Städten werden „Ideenkästen“ errichtet; eine Art Urne, wo jeder seine schriftlich verfassten Ideen reinwerfen kann. Die Bewegung organisiert sich auf eine sehr intelligente Weise. Kommissionen werden eingerichtet, insbesondere um sinnlose Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften zu vermeiden. Gewalt unter den Teilnehmern ist verboten. Es herrscht Alkoholverbot mit der Begründung, „Die Revolution ist keine Sauferei“. Jeden Tag werden Reinigungsmannschaften organisiert. In öffentlichen ‚Kantinen‘ werden Essen serviert, Freiwillige organisieren Kinderbetreuung. Bibliotheken werden aufgebaut, sowie „Ideenbänke“ (wo man sowohl wissenschaftliche Themen wie auch kulturelle, politische, ökonomische und Fragen der Kunst behandelt). „Tage des Nachdenkens“ werden geplant. Jeder bringt sein Wissen und seine Fähigkeiten ein.

Auf den ersten Blick scheint dieser Strom an Gedanken zu nichts Konkretem zu führen. Es werden keine konkreten Vorschläge gemacht, keine realistischen oder unmittelbar umsetzbaren Forderungen erhoben. Aber vor allem wird eine gewaltige Unzufriedenheit mit der Armut, den Sparplänen, der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung und ein gemeinsamer Wille zum Ausdruck gebracht, die gesellschaftliche Atomisierung zu durchbrechen, zusammenzukommen, um zu diskutieren, gemeinsam nachzudenken. Trotz vieler Konfusionen und Illusionen taucht erneut das Wort „Revolution“ in den Reden der Leute und auf den Spruchbändern und Plakaten auf; das Wort ruft keine Angst mehr hervor.

In den Versammlungen haben die Debatten grundlegende Fragen aufgeworfen:

- sollen wir uns auf die “demokratische Erneuerung” beschränken? Liegen die Wurzeln nicht im Kapitalismus selbst, ein System, das nicht reformiert werden kann und vollständig überwunden werden muss?

- Soll die Bewegung am 22. Mai, d.h. nach den Wahlen, beendet werden oder soll sie man fortsetzen mittels eines massiven Kampfes gegen die Angriffe auf unsere Lebensbedingungen, die Arbeitslosigkeit, prekäre Lebensbedingungen, Wohnungsräumungen usw.?

- Sollten die Versammlungen nicht auf die Betriebe, die Stadtviertel, die Arbeitsagenturen, die Gymnasien, die Schulen, die Universitäten ausgedehnt werden? Sollte man die Bewegung nicht in der Arbeiterklasse verwurzeln, die als einzige dazu in der Lage ist, einen breit gefächerten generalisierten Kampf zu führen?

In diesen Debatten in den Versammlungen haben sich zwei Tendenzen herausgeschält:

- Die eine, konservativ, und von den nicht-proletarischen Schichten getragen, verbreitet die Illusion, man könne das kapitalistische System durch eine „demokratische Revolution der Bürger“ reformieren;

- Die andere, proletarisch, hebt die Notwendigkeit der Überwindung des Kapitalismus hervor.

Die Versammlungen, die am 22. Mai, dem Wahlsonntag, stattgefunden haben, beschlossen die Fortsetzung der Bewegung. Zahlreiche Wortmeldungen betonten: „Wir sind nicht hier wegen der Wahlen, auch wenn diese ein auslösendes Moment waren“. Die proletarische Tendenz ist deutlicher durch den Vorschlag hervorgetreten „sich in Richtung Arbeiterklasse zu bewegen“, indem man Forderungen gegen Arbeitslosigkeit, prekäre Verhältnisse, die Sozialkürzungen erhebt. Auf der Puerta del Sol wurde die Entscheidung getroffen, „Volksversammlungen“ in den Stadtvierteln zu organisieren. Vorschläge der Ausdehnung auf die Betriebe, die Universitäten, die Arbeitsagenturen werden gemacht. In Málaga, Barcelona und Valencia kam in Versammlungen die Frage auf, eine Demonstration gegen die Kürzungen des Soziallohnes zu organisieren; dazu wurde ein neuer Generalstreik vorgeschlagen, dieses Mal ein „richtiger“, wie einer der Redner meinte.

Vor allem in Barcelona, der industriellen Hauptstadt Spaniens, erscheint die zentrale Versammlung des Plaza Cataluña als die radikalste, am stärksten von der proletarischen Tendenz geprägten Versammlung, die sich am deutlichsten ablehnend gegenüber der Illusion der “demokratischen Erneuerung” äußert. So sind Beschäftigte der Telefónica, des Gesundheitsweisens, Feuerwehrleute, Studenten gegen die Sozialkürzungen zu den Versammlungen in Barcelona dazu gestoßen und haben eine andere Tonlage angestimmt. Am 25. Mai beschloss die Versammlung des Plaza de Cataluña die aktive Unterstützung des Streiks der Beschäftigten des Gesundheitswesens, während die Versammlung auf der Puerta del Sol in Madrid entschied, die Bewegung zu dezentralisieren und „Volksversammlungen“ in den Stadtvierteln einzuberufen, um eine „horizontale, partizipative Demokratie“ zu ermöglichen. In Valencia haben sich Busfahrer den Demonstrationen in Stadtvierteln gegen die Kürzungen im Bildungswesen angeschlossen. In Saragossa haben sich die Busfahrer ebenso mit Enthusiasmus an den Versammlungen beteiligt.

In Barcelona haben die „Empörten“ beschlossen, ihr Zeltlager aufrechtzuerhalten und weiterhin den Plaza de Cataluña bis zum 15. Juni besetzt zu halten.

 

Die Zukunft liegt in den Händen der jungen Generation der Arbeiterklasse

 

 

Wie immer die Ereignisse in Spanien sich letzten Endes entwickeln werden, es ist klar, dass die von den Jugendlichen (die mit der Arbeitslosigkeit konfrontierten werden, welche in Spanien besonders hoch ist, da ca. 45% der Jugendlichen zwischen 20-25 Jahren arbeitslos sind) angezettelte Revolte ein Teil des Kampfes der Arbeiterklasse ist. Ihr Beitrag zum internationalen Kampf der Arbeiterklasse ist unleugbar. Diese breit ausgedehnte Bewegung hat alle nicht-ausbeutenden gesellschaftlichen Schichten in ihren Bann gezogen, insbesondere haben sich alle Generationen der Arbeiterklasse beteiligt. Auch wenn vieles in einer Welle des „Zorns des Volkes“ aufgelöst wurde und die ArbeiterInnen nicht eigenständig durch Streiks und andere massive Kundgebungen in Erscheinung getreten sind und keine eigenen unmittelbaren ökonomischen Forderungen erhoben haben, spiegelt diese Bewegung in Wirklichkeit eine in die Tiefe gehende Reifung des Bewusstseins in den Reihen der einzigen Klasse wider, welche die Welt durch die Überwindung des Kapitalismus verändern kann: die Arbeiterklasse.

Diese Bewegung bringt offen an den Tag, dass in Anbetracht des immer offensichtlicher werdenden Bankrotts des Kapitalismus immer größere Massen anfangen, sich in den „demokratischen“ Staaten Westeuropas zu erheben; sie bieten damit die Möglichkeit der Politisierung der Kämpfe des Proletariats.

Die Bewegung hat schon verdeutlicht, dass die Jugendlichen, von denen die meisten prekär Beschäftigte und Arbeitslose sind, dazu in der Lage waren, zur Waffe des Kampfes der Arbeiterklasse zu greifen: die massiven und allen zugänglichen Versammlungen, mit Hilfe derer sie Solidarität entfalten und die Bewegung in die eigenen Hände nehmen konnten, außerhalb der Kontrolle der politischen Parteien und der Gewerkschaften.

Der Schlachtruf „Alle Macht den Versammlungen“, der in dieser Bewegung aufgetaucht ist, welcher zwar jetzt noch von einer Minderheit getragen wird, ist nur eine Wiederauflage des alten Schlachtrufs der russischen Revolution „Alle Macht den Arbeiterräten“ (Sowjets).

Auch wenn heute noch der Begriff „Kommunismus“ Angst einjagt (infolge des Gewichtes der von den Herrschenden entfesselten Kampagne nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und der stalinistischen Regime), hat dagegen das Wort „Revolution“ niemandem Angst eingejagt, im Gegenteil!

Diese Bewegung ist keinesfalls eine „Spanische Revolution“, wie das Kollektiv „Echte Demokratie jetzt“ behauptet. Die Arbeitslosigkeit, die Prekarisierung, hohe Preise und die ständige Verschlechterung der Lebensbedingungen der ausgebeuteten Massen sind keine spanische Besonderheit! Die finstere Fratze der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Jugendarbeitslosigkeit, ist sowohl in Madrid als in Kairo, als auch in London und Paris zu sehen, genauso wie in Athen und Buenos Aires. Wir sind alle betroffen vom Versinken der zerfallenden kapitalistischen Gesellschaft in einem Abgrund. Dieser Abgrund besteht nicht nur aus der Verarmung und der Arbeitslosigkeit, sondern auch in der Zunahme der nuklearen Katastrophen, der Kriege und der Auflösung der gesellschaftlichen Beziehungen – verbunden mit einer moralischen Barbarei (wie man unter anderem anhand der zunehmenden sexuellen Übergriffe und der Gewalt gegen die Frauen in den „zivilisierten“ Ländern sehen kann).

Die Bewegung der “Empörten” ist keine “Revolution”. Sie stellt nur eine neue Etappe der Entfaltung von sozialen Kämpfen und den Kämpfen der Arbeiterklasse auf Weltebene dar, denn nur diese können für diese „zukunftslose“ Jugend und für die gesamte Menschheit eine Perspektive eröffnen.

Die Bewegung verdeutlicht, dass trotz all ihrer Verwirrungen und Illusionen über die „unabhängige Republik des Puerta del Sol“ im Innern der bürgerlichen Gesellschaft die Perspektive einer anderen Gesellschaft heranreift. Das „spanische Beben“ zeigt ebenso auf, dass die neuen Generationen der Arbeiterklasse, die nichts zu verlieren haben, jetzt schon zu Handelnden in der Geschichte geworden sind. Sie schaffen die Grundlagen für weitere gesellschaftliche Beben, die schlussendlich den Weg bereiten werden für die Befreiung der Menschheit. Dank der Verwendung von sozialen Netzwerken, von Mobiltelefonen und anderen modernen Kommunikationsmitteln hat diese junge Generationen ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, dass sie den von den Herrschenden und ihren Medien aufgezwungenen black-out durchbrechen und Solidarität über die Landesgrenzen hinaus aufbauen kann.

Diese neue Generation der Arbeiterklasse ist von 2003 an auf die internationale gesellschaftliche Bühne getreten, zunächst gegenüber der militärischen Intervention im Irak durch die Bush-Administration (in vielen Ländern protestierten Jugendliche gegen die Politik Bushs), dann mit den ersten Demonstrationen in Frankreich gegen die Rentenreform 2003. Im Jahre 2006 wurde diese Bewegung ebenso in Frankreich bestätigt, als die Studenten und Gymnasiasten massiv gegen den CPE auf die Straße gingen. In Griechenland, Italien, Portugal, Großbritannien hat die in Ausbildung befindliche Jugend ebenso ihre Stimme erhoben gegen die einzige Perspektive, welcher der Kapitalismus ihr bieten kann: absolute Verarmung und Arbeitslosigkeit. Diese Welle der Empörung seitens der „neuen, zukunftslosen Generation“ hat vor kurzem dann Tunesien und Ägypten erfasst und eine gewaltige soziale Revolte ausgelöst, die zum Sturz von Ben Ali und Mubarak geführt hat. Aber man darf nicht vergessen, dass das entscheidende Moment, welches die Herrschenden der größten „demokratischen“ Länder (insbesondere Barack Obama) dazu gezwungen hat, Ben Ali und Mubarak fallen zu lassen, die Arbeiterstreiks sowie die Drohung eines Generalstreiks gegen die blutige Niederschlagung der Demonstranten war. Seitdem ist der Tahrirplatz zu einem Sinnbild, einer Ermutigung zum Kampf seitens der jungen Generation der Arbeiterklasse in zahlreichen Ländern geworden. Diesem Beispiel folgend haben die „Empörten“ in Spanien ihr Zeltlager auf der Puerta del Sol aufgeschlagen, haben öffentliche Plätze in mehr als 70 Städten besetzt und all diesen Versammlungen alle Generationen und alle nicht-ausbeutenden Schichten zusammengeführt (in Barcelona haben die „Empörten“ gar den Plaza Cataluña in Tahrir-Platz umbenannt).

Die Bewegung der “Empörten” geht in Wirklichkeit viel tiefer als die spektakuläre Revolte, die sich auf dem Tahrir-Platz in Kairo gebildet hatte. Diese Bewegung ist in dem größten Land auf der iberischen Halbinsel ausgebrochen, welches eine Brücke zwischen zwei Kontinenten bildet. Die Tatsache, dass sie in einem „demokratischen“ Staat Westeuropas stattfindet (wo zudem noch eine „sozialistische“ Regierung an der Macht ist), wird langfristig dazu beitragen, die demokratischen Verschleierungen beiseite zu fegen, die von den Medien seit der „Jasminrevolution“ in Tunesien verbreitet wurden. Obwohl „Echte Demokratie jetzt“ die Bewegung als „Spanische Revolution“ bezeichnet, wurde nirgendwo die spanische Fahne gehisst, während auf dem Tahrir-Platz zahlreiche ägyptische Fahnen zu sehen waren[1].

Trotz der Illusionen und Konfusionen, die bei solchen, von den „empörten“ Jugendlichen initiierten Bewegungen unvermeidbar sind, stellt diese Bewegung ein sehr wichtiges Bindeglied in der Kette sozialer Kämpfe dar, die heute explodieren. Mit der Zuspitzung der Wirtschaftskrise werden diese sozialen Kämpfe mit dem Klassenkampf der Arbeiterklasse zusammengeführt werden und diesen dabei wiederum stärken.

Der Mut, die Entschlossenheit und das tiefgreifende Solidaritätsgefühl der jungen „zukunftslosen“ Generation zeigt auf, dass eine andere Welt möglich ist: der Kommunismus, d.h. die Vereinigung der menschlichen Weltgemeinschaft. Aber damit dieser „alte Traum“ der Menschheit Wirklichkeit werden kann, muss zunächst die Arbeiterklasse, die den Hauptreichtum dieser Gesellschaft produziert, ihre Klassenidentität wiederfinden, indem sie massiv ihre Kämpfe in allen Ländern gegen die Ausbeutung und gegen alle Angriffe des Kapitalismus entfaltet.

Die Bewegung der “Empörten” hat angefangen, erneut die Frage der “Revolution” aufzuwerfen. Es ist die Aufgabe der Weltarbeiterklasse diese Frage zu lösen und in den zukünftigen Kämpfen für die Überwindung des Kapitalismus eine Klassenausrichtung zu geben. Nur auf den Trümmern dieses Ausbeutungssystems, das auf der Produktion von Waren und Profit fußt, können die neuen Generationen eine andere Gesellschaft errichten, der Menschengattung ihre Würde zurückzugeben und eine echte universelle „Demokratie“ errichten. Sofiane 27.5.2011.

1. Man vernahm sogar Slogans, die zu einer “globalen Revolution” und zur “Ausdehnung” der Bewegung über die Landegrenzen hinaus ausrufen. In allen Versammlungen wurde eine „internationale Kommissionen“ errichtet. Die Bewegung der „Empörten“ ist ausgeschwärmt in alle großen Städte Europas und des amerikanischen Kontinentes (sogar in Tokio, Pnom-Penh, Hanoi haben junge Spanier, die im Ausland leben, die Fahne der „Echte Demokratie jetzt“ ausgerollt).

 

 

 

 


 

Aktuelles und Laufendes: 

  • Proteste in Spanien [20]
  • Puerta del Sol Proteste [21]
  • Proteste Plaza de Catalunya [22]

Spanien: Bürgerbewegung Echte Demokratie jetzt! - staatliche Diktatur gegen Massenversammlungen

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Vor kaum einer Woche noch kamen auf den Plätzen der größeren Städte in Spanien Tausende von Menschen in Versammlungen zusammen, wo jeder und jede das Wort ergriff, der oder die das wollte, und mit vollem Vertrauen von der fehlenden Zukunftsperspektive sprach und darüber, wie wir uns dem entgegenstellen können. Und man hörte ihr oder ihm mit Respekt zu. In allen Orten wurde diskutiert, in Gruppen, in den Bars, in den Zeltlagern …, verschiedene Generationen (Junge und RentnerInnen), und es wuchs ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, der Einheit, der schöpferischen Tätigkeit, des Nachdenkens und der Debatte, in einem Bestreben, gemeinsam die gewaltige Aufgabe anzupacken, eine Perspektive vorzuschlagen angesichts des „No future“, das uns der Kapitalismus anbietet.

Heute gehen immer weniger Leute an die Treffen, die man schon nicht mehr Versammlungen nennen kann, wo die Diskussion nicht mehr erlaubt wird. Verschiedene Kommissionen „filtern“ die Interventionen, und praktisch wird es einem verwehrt, von einer Perspektive des gesellschaftlichen Kampfes zu sprechen. Die Kommissionen dienen dazu, abzustimmen oder demokratische Parolen „abzusegnen“, als ob diese ein Ausdruck der Bewegung wären, während die Mehrheit sie weder kennt noch diskutiert hat und viele Leute offen dagegen sind. Unter dem Vorwand des „Apolitizismus“ (der „apolitischen“ Haltung der Bewegung) kehrt die gleiche Politik zurück, die man mit der Parole „PSOE und PP - gleiche Scheiße“ bekämpft hat.

Was ist geschehen? Haben diejenigen recht, die sagen, dass es von Anfang an eine Bürgerbewegung der demokratischen Reform gewesen sei, eine Inszenierung? Oder gibt es einen Angriff auf die Versammlungen, eine Sabotage, um das massenhafte Zusammenkommen, die Diskussion und das Nachdenken zu beenden, weil der Staat sich davor fürchtet und dadurch in Frage gestellt fühlt?

Massenhafte Versammlungen nicht für die Demokratie, sondern trotz der Demokratie

Als zwei Tage nach der brutalen Repression der Demonstrationen vom 15. Mai auf der Puerta del Sol in Madrid Zelte aufgestellt wurden, die anderen Städten als Vorbild dienten, und immer mehr Leute auf den Plätzen zusammen kamen, die Diskussionen und Versammlungen organisierten, war die Mobilisierung völlig spontan. Diejenigen lügen unverschämt, die wie Echte Demokratie jetzt! sich das Verdienst der Initiierung der Bewegung zusprechen wollen. Diese gleichen „Herren Bürger“ hatten damals vor allem die Sorge zu unterstreichen, dass die Zeltlager nichts mit ihnen zu tun haben. Oder wie es ein Text, der von Einigen Anarchisten aus Madrid unterschrieben ist, sagt: „sie beeilten sich, es auf möglichst widerliche Art auszudrücken: indem sie sich von den Vorfällen nach der Demo distanzierten und mit dem Finger auf die angeblich Fehlbaren zeigten“.

Die Verschlimmerung der Angriffe auf unsere Lebensbedingungen, die Arbeitslosigkeit, die Wohnungsräumungen, die Kürzungen der Sozialleistungen, das Beispiel vom Tahrir-Platz und von Nordafrika, der Kämpfe gegen die Rentenreform in Frankreich, der StudentInnen in Großbritannien, in Griechenland, die Diskussionen am Arbeitsplatz oder unter Minderheiten, die Kommentare auf Facebook oder Twitter, und natürlich der Überdruss angesichts der parlamentarischen Komödie und der Korruption … All dies und weiteres mehr führten dazu, dass die Unzufriedenheit, die Empörung - ohne dass der Moment hätte vorausgesagt werden können - ausbrachen und einen Sturzbach der Lebhaftigkeit, der Kampfbereitschaft auslösten, wobei mit der demokratischen Norm der Passivität und der Stimmabgabe gebrochen wurde.

Tausende, ja manchmal Zehntausende von Leuten versammelten sich auf den zentralen Plätzen der wichtigsten Städte in Spanien und verwandelten sie in Agoras. Die Leute stießen nach der Arbeit dazu, blieben in den Zeltstätten, gingen mit der Familie hin, suchten … und redeten und redeten. Das Wort „befreite“ sich[1] in den Versammlungen. Sogar diejenigen, die am vehementesten gegen den Staat eingestellt sind, merkten, dass es sich nicht um eine Bewegung in demokratischen, staatlichen Bahnen handelte, wie dies im soeben zitierten anarchistischen Text zum Ausdruck kommt: „Es ist, als ob plötzlich die Passivität und das „JedeR-für-sich“ beim Kilometer Null[2] durchbrochen worden wären … Wenn du in den ersten Tagen in einer Gruppe zusammen standest, um über etwas zu reden, rückten andere Leute näher und spitzten die Ohren, um selber zu intervenieren, zuzuhören. Es war normal, völlig unterschiedlich gekleidete Menschen in kleinen Grüppchen diskutieren zu sehen. Die Arbeitsgruppen und die Vollversammlungen sind massenhafte Zusammenkünfte von zwischen 500, 600 und 2’000 Personen (sitzend, stehend, zusammenrückend, damit man sich versteht), etc. Und abgesehen davon das dauernde Gefühl einer guten Stimmung, von „das ist was Besonderes“. All das erreichte den Siedepunkt in der Nacht vom Freitag auf den Samstag, als der Tag des Nachdenkens begann. Zu hören, wie mehr als 20’000 Menschen rufen: „Wir sind illegal“ und sich wie Kinder darüber freuen, das Gesetz zu missachten, die Wahrheit zu hören, macht Eindruck.“

Es stimmt, dass die Bewegung keine offene Konfrontation über Forderungen gegen den demokratischen Staat beabsichtigte. In Tat und Wahrheit wurde jeder Versuch, zu konkreten Forderungen zu gelangen, abgelenkt Richtung „demokratische Reform“, indem die Parolen von Echte Demokratie jetzt! eingeführt wurden. Und das ist auch normal, da das Selbstvertrauen fehlt, das nötig wäre, um sich in den Kampf zu stürzen, und die Klarheit der Perspektive, und vor allem ist die Arbeiterklasse noch nicht so weit, dass sie ihre Klassenidentität als revolutionäres Subjekt zurück gewonnen hätte, um sich an die Spitze eines revolutionären Aufstands zu stellen. Aber die Diskussion, das Nachdenken und der Versuch, den Kampf aufzunehmen - das sind Pflastersteine auf dem Weg zum Selbstvertrauen, zur Klarheit und der Wiedereroberung der proletarischen Klassenidentität, wie es das Beispiel von Barcelona gezeigt hat mit den Versuchen von streikenden Sektoren, sich den Versammlungen anzuschließen, und mit der Einberufung von vereinigten Demonstrationen auf der Grundlage von ArbeiterInnenforderungen in Tarrasa. Die wirkliche Konfrontation mit dem demokratischen Staat fand in den selbstorganisierten und massenhaften Versammlungen statt, die sich im ganzen Land und darüber hinaus ausgebreitet haben.

Und das war genau das, was der Staat nicht dulden konnte.

Die Antwort des Staates: die demokratischen Bahnen wieder finden

Nach einem ersten Versuch, den Lauf der Ereignisse am Wahlwochenende des 22. Mai zu bremsen, indem Kundgebungen gesetzlich verboten wurden, welcher Versuch durch das massenhafte Zusammenkommen auf allen Plätzen zu der Stunde, als das Gesetz am Samstagmorgen, 21. Mai, in Kraft trat, zunichte gemacht wurde, änderte der Staat die Strategie und setzte auf eine Kombination von Abwarten, dass die Bewegung sich wegen der Ermüdung und der Schwierigkeit, eine Kampfperspektive zu entwickeln, von selber schwächt und von Sabotage innerhalb der Bewegung.

Als sich eine Woche nach den Gemeindewahlen die Bewegung abzuschwächen begann, entfesselte der Staat in Madrid und Barcelona eine Strategie, die vor allem über die Medien lief.

In Madrid wurden die Klagen der Lebensmittelhändler und der „Kleinunternehmer“ der Puerta del Sol an die große Glocke gehängt, um den Campierenden die Schuld an der Krise zuzuschieben, die „Einrichtung eines Informationsstandes“ zu unterstützen und die massenhaften Zusammenkünfte aufzulösen.

In Barcelona führte zwar die wohl berechnete Intervention der Mossos d’Escuadra[3] vorübergehend zu einer Erhöhung der Anzahl Leute an den Versammlungen[4], aber diente danach vorzüglich der Umleitung der Diskussionen auf das demokratische Terrain der Forderung nach Absetzung des Innenministers Felip Puig, indem der Diskurs der Opposition gegen die neue Rechtsregierung und der Nationalismus in den Vordergrund geschoben wurden.

Aber all dies hätte nicht der gleichen Erfolg gehabt, wenn nicht gleichzeitig Echte Demokratie jetzt! ihre Sabotagearbeit in der Bewegung selber verrichtet hätte.

Die Sabotage von innen: die Diktatur von Echte Demokratie jetzt!

Wenn Echte Demokratie jetzt! (Democracia Real ya! - DRY) in den ersten Tagen angesichts der Lawine von Versammlungen nichts anderes tun konnte, als von der Bühne zu verschwinden (gut gesagt), bedeutete dies nicht, dass sie auf den Versuch verzichtet hätte, in den wichtigen Kommissionen der Zeltstätten Position zu ergreifen und die Bürgerrechts-Standpunkte der Systemreform zu verbreiten, wie dies mit dem famosen „Dekalog“ oder anderen ähnlichen Versuchen geschehen ist. Dies geschah, ohne offen aufzutreten, in Verteidigung der „apolitischen Haltung“, womit die anderen politischen Ausrichtungen daran gehindert wurden, ihre Positionen zu verbreiten, während DRY sie schamlos (aber ohne Unterschrift) vertrat.

Die anarchistischen GenossInnen von Madrid spürten diese Stimmung schon zu Beginn der Bewegung: „In vielen Kommissionen und Gruppen sieht man allerhand: zufälliger Verlust von Protokollen; Personalisierungen; Leute, welche die Mikrofone nicht loslassen wollen; Delegierte, die Dinge gegenüber der Vollversammlungen verschweigen; Kommissionen, die Beschlüsse nicht einhalten; Grüppchen, die ihren Laden nicht aufgeben wollen usw. Viele dieser Verhaltensweisen sind sicher der mangelnden Erfahrung und dem Ego geschuldet, andere scheinen direkt den alten Handbüchern zur Manipulierung von Versammlungen entnommen.“

Aber es brauchte die ersten Symptome des Rückflusses der Bewegung, bis es zu einer eigentlichen Offensive der „Bürgerbewegung“ mit der DRY an der Spitze gegen die Vollversammlungen kam.

Auf der Puerta del Sol war es die DRY, die meldete, sie hätte die Klagen der Lebensmittelhändler gehört, und auf den Abbruch der Zeltstätte drängte, um einen „Informationsstand“ einzurichten. Die DRY filtert die Interventionen in den Versammlungen, wo nur noch über Vorschläge, die aus den Kommissionen kommen, diskutiert wird - aus den Kommissionen, die die DRY kontrolliert. Die DRY stellt ihre Positionen als diejenigen der Bewegung dar, ohne dass darüber in den Versammlungen diskutiert worden wäre. Sie beruft Koordinationssitzungen der Quartierversammlungen ein, ohne dass diese Versammlungen Delegierte gewählt hätten, die sie vertreten; oder sogar eine nationale Koordinationsversammlung auf den 4. Juni, über die man in den Vollversammlungen kaum etwas gehört hatte … Und die gleiche Dynamik ist in allen großen Städten zu beobachten.

In Barcelona ist die Freiheit, das Wort zu ergreifen, faktisch abgeschafft worden, und die Versammlungen haben sich nur noch zu den Vorschlägen zu äußern, die hinter ihrem Rücken ausgearbeitet worden sind. Die Diskussion wurde ersetzt durch Konferenzen von intellektuellen Professoren. Das herausragende Merkmal des Angriffs auf die Versammlungen ist das Gewicht, das der Nationalismus erhalten hat. In der ersten Woche nach dem 15. Mai strömten Tausende von Menschen auf die Plaza de Cataluña und diskutierten in verschiedenen Sprachen, während gleichzeitig auch die Communiqués, die verabschiedet oder empfangen wurden, in verschiedene Sprachen übersetzt wurden. Keine einzige katalonistische Fahne. Kürzlich aber ist darüber abgestimmt worden, dass man fortan ausschließlich Katalonisch spricht.

In Valencia dasselbe, korrigiert und verbessert. Lassen wir einen Text sprechen mit dem Titel Versammlungskontrolle in Valencia, der anonym herumgereicht wurde: „Seit dem 27. hat sich die inner Dynamik des Zeltlagers und der täglichen Versammlungen radikal verändert … und in den Versammlungen kann man fast nicht mehr über Politik oder soziale Probleme reden … Die Zusammenfassung ist folgende: eine Kommission, die sich „Bürgerbeteiligung“ nennt, und eine andere mit dem Namen „Rechtliche“, insgesamt 15-20 Personen, haben sich die absolute Kontrolle der Moderation der Versammlungen angeeignet, es sind „professionelle Moderatoren“, die sich auch den Gruppen und Kommissionen aufdrängen … Auf dem Platz wurden alle Transparente mit politischem, wirtschaftlichem oder schlicht sozialem Inhalt abgehängt. Es handelt sich jetzt noch um eine Art alternativen Jahrmarkt … Es gibt weder auf dem Platz noch in der Versammlung eine Meinungsäußerungsfreiheit. Sie haben in den Kommissionen, in denen sie konnten, die Diktatur des Systems des „Mindestkonsenses“ errichtet, mit dem man nie zu wirklich inhaltlichen Übereinkünften kommt … Sie legten ein Dokument vor, das man noch am gleichen Tag annehmen sollte und den Titel trägt: „Bürger, beteilige dich“, wo nebst vielen schönen Dingen steht, dass nur die Kommissionen das Recht haben, den Versammlungen Vorschläge zu unterbreiten … In diesem Papier steht, dass die Kommissionen von nun an obligatorisch nach dem Mindestkonsens funktionieren … totale Absicherung der Kontrolle, um zunächst die Bewegung ihres Inhalts zu berauben“. Und als ob dies noch nicht genug wäre, haben sie heute eine Demonstration von RentnerInnen gegen die „jämmerlichen Renten“ in einen Protest gegen den Artikel 87,3 der Verfassung umgewandelt; während die RentnerInnen riefen: „Für eine Mindestrente von 800 €“ und „Für die Pensionierung mit 60 Jahren“, schrie die Bürgerbewegung: „Gefangene seit 78“, um eine repräsentativere Verfassung zu fordern.

In Sevilla hat sich die DRY am offensten gezeigt und von der Versammlung einen eigentlichen Blankoscheck verlangt, um nach eigenem Gutdünken schalten und walten zu können. Sie hat sich sogar getraut, die Versammelten dazu aufzurufen, sich massenhaft unter den Insignien der DRY zu organisieren.

Was auf dem Spiel steht

Es ist mehr als offensichtlich, dass die Strategie der DRY - im Dienste des demokratischen Staats - darin besteht, eine Bürgerbewegung der demokratischen Reform voranzustellen, um zu verhindern versuchen, dass eine gesellschaftliche Bewegung des Kampfes gegen den demokratischen Staat, gegen den Kapitalismus entsteht. Die Tatsachen haben jedoch gezeigt: Wenn das gewaltige angehäufte soziale Unbehagen nur den kleinste Boden findet, auf dem es sich ausdrücken kann, schiebt es mir nichts, dir nichts die Jammerlappen der plusquamperfekten Demokratie beiseite. Weder DRY noch der demokratische Staat können die Entwicklung der sozialen Unrast und der Kampfbereitschaft aufhalten; aber sie können versuchen, dieser Entwicklung alle möglichen Fesseln anzulegen.

Und der Beschuss der Versammlungen ist eines dieser Hindernisse. Für eine „große Minderheit“ (wenn es erlaubt ist, diesen paradoxen Begriff zu gebrauchen) sind diese Versammlungen ein Wegweiser bei der Suche nach Solidarität und Vertrauen, für die Diskussion, für die Aufnahme des Kampfes gegen die schrecklichen Angriffe auf unsere Lebensbedingungen. Mit den Diskussionen, wie sie in den Versammlungen stattfanden, fortzufahren, auch wenn es in kleineren Treffen ist, ist der Weg der Vorbereitung künftiger Kämpfe. Offene Massenversammlung zu organisieren, wenn immer es einen Kampf gibt, ist das Vorbild, dem es nachzuleben gilt. Die Sabotage der DRY und die Vormundschaft der Bürgerbewegung können dazu führen, dass ein Teil dieser „wachsenden Minderheit“ enttäuscht ist und denkt, dass „alles nur ein Traum“ war. Sie kann nicht die Geschichte auslöschen wie der Große Bruder, aber sie kann das Gedächtnis trüben.

Deshalb besteht die Alternative darin, die Versammlungen dort zu verteidigen, wo sie noch lebendig sind; die Sabotagearbeit einer DRY zu bekämpfen und entlarven; und dazu aufzurufen, bei jeder Gelegenheit - bei Zusammenkünften von Minderheiten oder in Versammlungen in einem Kampf - die Debatte und den Kampf in die eigenen Hände zu nehmen.

Gegen den Kapitalismus zu kämpfen ist möglich! Die Zukunft gehört der Arbeiterklasse!

03.06.2011

Internationale Kommunistische Strömung     

[1] „Das Wort befreien“ war eine der Parolen in den vor Kurzem abgehaltenen Versammlungen in Frankreich gegen die Rentenkürzungen.

[2] So wird die Puerta del Sol in Madrid auch genannt.

[3] Katalanischen Polizei

[4] Die Repression war brutal (es gibt immer noch einige, die erheblich verletzt sind), was die Solidarität in verschiedenen Versammlungen weckte.

Geographisch: 

  • Spanien [23]

Aktuelles und Laufendes: 

  • Spanien [24]
  • Bürgerbewegung [25]
  • Demokratie [26]
  • Repression Demokratie [27]

Streiktag am 30. Juni in Großbritannien: Es ist Zeit die Kontrolle über unsere eigenen Kämpfe zu übernehmen!

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Warum bereiten sich fast eine Million Arbeiter, Lehrer, öffentliche Angestellte, Angestellte der lokalen Verwaltungen vor, am 30. Juni zu streiken? Es sind die selben Gründe wie am 26. März, als eine halbe Million Arbeiter in den Straßen Londons demonstriert haben. Die gleichen Gründe waren es, als zehntausende von Schülern und Studenten im letzten Herbst zu einer Bewegung geworden sind, indem sie Demonstrationen, Besetzungen und Spaziergänge veranstalteten. Sie ertragen immer weniger die ständigen Angriffe auf ihre Lebensbedingungen, wie sie sich Warum bereiten sich fast eine Million Arbeiter, Lehrer, öffentliche Angestellte, Angestellte der lokalen Verwaltungen vor, am 30. Juni zu streiken? Es sind die selben Gründe wie am 26. März, als eine halbe Million Arbeiter in den Straßen Londons demonstriert haben. Die gleichen Gründe waren es, als Zehntausende von Schülern und Studenten im letzten Herbst zu einer Bewegung geworden sind, indem sie Demonstrationen, Besetzungen und Spaziergänge veranstalteten. Sie ertragen immer weniger die ständigen Angriffe auf ihre Lebensbedingungen, wie sie sich z.B. in Form von Kürzungen im Gesundheitsbereich, sinkenden Löhnen, erhöhten Studiengebühren oder - ein wichtiger Grund für den Streik am 30. Juni - dem Angriff auf die Altersrentenversicherungen ausdrücken. Die Lehrer z.B. werden mehr einbezahlen müssen, später in Pension gehen können, um am Ende doch weniger Rente als zuvor zu erhalten.

Arbeiter und Studenten, Arbeitslose, Pensionierte... sie alle sind immer weniger von den Rechtfertigungen der Angriffe überzeugt, wie sie von der Regierung vertreten werden (und mit wenigen kleinen Unterscheiden wird das Gleiche von der Labour Opposition vorgebracht): „Wir werden diese Kürzungen machen müssen, um die Ökonomie wieder zum Laufen zu bringen, die Kürzungen sind also im Interesse von allen." Die Menschen machen schon seit langer Zeit viele Zugeständnisse, weil sie diesen „Begründungen" noch Glauben schenkten. Aber die Wirtschaft bleibt trotzdem auf Talfahrt und unsere Lebensstandards mit ihr.

Die Idee des gemeinsamen Streiks, um eine Antwort auf die Angriffe zu geben, ist für eine immer größere Anzahl von uns logisch geworden. Wir alle leiden unter den gleichen Angriffen, und viele von unseren vereinzelten und isolierten Kämpfen wurden in Niederlagen geführt. 


Doch da ist auch noch eine andere Frage bezüglich dem angehenden „Aktionstag" aufgekommen. Was ist die wirkliche Motivation der offiziellen Gewerkschaftsmaschinerie, die für diesen Streik aufgerufen hat? Wollen diese wirklich eine effektive Antwort auf die Angriffe der Regierung organisieren? Falls dies der Fall wäre, warum verschwendeten sie so viel Energie um Tausende Arbeiter am 26. März auf und ab marschieren zu lassen, heuchlerische Reden wie von Ed Milliband[1] hören zu lassen, um sie danach wieder nach Hause zu schicken? Warum verkaufen uns die Gewerkschaften die Illusion, dass die Probleme der Kürzungen spezifisch mit der jetzigen Regierung zu tun hätten, dass sie uns einredet, dass Labour eine Alternative bereit hätte?

Und warum wird nur ein Teil des öffentlichen Sektors zum Demonstrieren aufgerufen? Was ist mit dem Rest des öffentlichen Sektors und den Arbeitern in den privaten Sektoren? Sind diese nicht von den Angriffen betroffen? Und warum wird die Mobilisierung nur auf diesen Tag beschränkt? Könnte es sein, wie am 26. März, dass die Gewerkschaften uns nur den Anschein einer aufmüpfigen Tätigkeit vermitteln wollen, der den Nebeneffekt hätte, die Spaltungen zu verstärken und unsere Energien zu vergeuden? 



Die herrschende Klasse hat Gründe sich vor uns zu fürchten

Die herrschende Klasse hat gute Gründe zu fürchten, dass ihre Angriffe, eine größere Reaktion hervorruft, als diese leicht zu kontrollieren wäre. Vor sich haben sie nicht nur die Beweise was in England im Herbst passiert ist, und die zahlreichen Menschen, die am 26. März auf der Straße waren, sondern auch der grösser werdende Druck der Revolutionen in Nordafrika und des Nahen Ostens, der nun hinüberschwappt und Europa trifft. Mit massenhaften Bewegungen in Spanien und Griechenland, wo Zehntausende, die meisten von ihnen junge Leute, die in eine unsichere Zukunft blicken, Stadtzentren besetzen und täglich Versammlungen abhalten. Teilnehmer sprechen frei über Ihre Angst, nicht nur über diese oder jene Regierungsmaßnahmen, sondern über das ganze politische und soziale System, das unser Leben diktiert. Diese Bewegung ist noch keine Revolution aber mit Sicherheit entsteht eine Atmosphäre wo die Frage nach Revolution seriöser und breiter diskutiert wird. 



Kein Wunder, dass der britische Staat versucht, den Widerstand im sicheren Hafen der offiziellen Proteste versanden zu lassen. Der Gewerkschaftsapparat hat darin eine Schlüsselrolle, sie halten sich strikt an die Regel ihres Regelbuchs, das bestimmt: keine Streiks, die von Massenversammlungen beschlossen wurden; keine Solidaritätsstreiks; wenn nötig, übergehe Streikposten von Arbeitern aus andern Sektoren, sonst könntest du auf illegale „Sekundärtätigkeit" verklagt werden; Streik nur, wenn du ein regelkonformer bezahlendes Gewerkschaftsmitglied bist, usw. usw.

Nehmt die Kämpfe in eure eigenen Hände!

Ist damit gemeint, dass die Mobilisierungen für den 30. Juni eine Zeitverschwendung sind?

Nein, nicht wenn wir die Mobilisierungen dazu nutzen, zusammenzukommen um eine Ausweitung und effizientere Methoden des Widerstands zu beschließen. Es ist keine Zeitverschwendung, wenn wir die Angst überwinden, gegenüber unseren eigenen Kämpfen Verantwortung zu übernehmen.

Wir sollten uns die Beispiele von Tunesien, Ägypten, Spanien und Griechenland vergegenwärtigen: wenn eine große Anzahl Leute zusammenkommen, wenn große Plätze besetzt werden und die Leute anfangen das Recht zu fordern, sich äußern zu dürfen, um kollektive Entscheide zu fällen. So kann auch die Angst vor der polizeilichen Repression oder den Strafen am Arbeitsplatz überwunden werden.

Das sind Beispiele, denen wir folgen können - Kampfbeispiele, die keine neue Erfindung sind, sondern Beispiele, wie sie in allen wichtigen Kämpfen im letzten Jahrhundert entstanden sind: die offenen Vollversammlungen, die die Kontrolle über alle Delegierten und Kommissionen behielten, indem sie durch Handaufheben gewählt wurden und jederzeit wieder abgewählt werden konnten.

Vor dem 30. Juni sollten wir in den Betrieben Vollversammlungen einberufen, die allen ArbeiterInnen offen stehen, unabhängig davon, was für einen Beruf sie ausüben und welcher Gewerkschaft sie angehören, damit man dort Maßnahmen beschließt, wie man die Kämpfe ausweiten soll. An den Schulen und Universitäten gibt es ein echtes Anliegen, wie man die Spaltung zwischen Lehrern und nicht lehrenden Angestellten überwinden kann, Spaltungen zwischen dem Lehrpersonal und den Studenten aufzuheben um auszuarbeiten, wie man alle zum Kämpfen bringt. Das Gleiche sollte auch für die Angestellten in den Gemeinden und Staatsdepartementen gelten: Diskussionsgruppen und allgemeine Versammlungen aller Art können helfen, die Spaltungen zu überwinden, und dafür sorgen, dass viel mehr Leute sich am Kampf beteiligen als die, die „offiziell" in den Streik getreten sind.

Bei diesem Streiktag sollten wir darauf achten, dass die Streikposten nicht nur symbolischen Charakter haben, sondern dazu genutzt werden, die Bewegung zu verbreitern und zu vertiefen: indem man am Arbeitsplatz versucht, jedermann davon zu überzeugen, in den Streik zu treten, Delegierte an andere Arbeitsplätze schicken, um deren Kampf zu stärken. Als Diskussionsplattform zu agieren, wo man diskutieren kann, wie man die zukünftigen Kämpfe vorwärts bringen kann.

Demonstrationen sollten nicht passive Paraden sein, die in einer ritualisierten Kundgebung enden.

Demonstrationen bieten die Möglichkeit Straßenversammlungen abzuhalten, wo es nicht darum gehen soll, die vorbereiteten Reden von Politikern und Gewerkschaften zu hören, sondern man sollte die Möglichkeit nutzen, damit so viele Menschen wie möglich, ihre Erfahrungen  austauschen und ihre Sichtweisen ausdrücken können.

Es wird viel darüber geredet, vor allem von den „Linken", dass die Angriffe nicht wirklich notwendig seien und dass diese ideologisch begründet sind. Die Wahrheit ist aber, dass es für den Kapitalismus in der Krise unausweichlich und notwendig ist, unseren Lebensstandard niederzudrücken. Für uns Ausgebeutete ist es nicht notwendig, die Ausbeuter davon zu überzeugen, wie sie ihr System besser organisieren sollen. Die Notwendigkeit für uns besteht darin, uns gegen ihre Angriffe heute und morgen zu wehren, um so mehr Selbstbewusstsein zu erlangen. Es ist notwendig die Selbstorganisierung und die politische Bewusstheit voranzubringen, damit die Frage der Revolution gestellt wird und damit die Notwendigkeit, die gesamte Gesellschaft umzugestalten.

WR 4.6.11

 

[1] Vorsitzender der Labour Party

 

Geographisch: 

  • Großbritannien [28]

Aktuelles und Laufendes: 

  • Streiktag [29]
  • Großbritannien [30]
  • 30. Juni 2011 [31]

Theoretische Fragen: 

  • Arbeiterklasse [32]

Was steckt hinter der Kampagne gegen die “Gewalttätigen” und den Ereignissen in Barcelona?

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Die Bewegung des 15M schwächt sich ab; zum Teil wegen der Ermüdung nach den vielen Tagen der Mobilisierung, aber auch aufgrund der Sabotage von Innen heraus durch DRY[1] und von Außen durch das Eingreifen der Medien und die Intervention von Politikern, der Landesregierung und der Regionalregierungen.

Auf diesem Hintergrund kam es zu den Zusammenstößen von Barcelona, wo eine Minderheit einige Parlamentarier beschimpfte und verhöhnte, wodurch eine immense und fortgesetzte Kampagne “gegen die Gewalt”, zur “Verteidigung der demokratischen Institutionen” usw. angeleiert wurde. Man „unterscheidet“ zwischen einer friedlichen Mehrheit und einer radikalen, systemfeindlichen Minderheit, die die Bewegung schädige; man drängt die „Führer“ dieser Bewegung dazu, die „Gewalttätigen“ zu bekämpfen und sie auszugrenzen[2]. In ihrem Delirium spricht sie von kale borroka (baskische Straßenkämpfe, Molotowcocktails usw.).

Man muss Klartext reden: Was ist Gewalt? Welche Ursachen hat sie? Ist Gewalt gleich Gewalt? Wer hat diese Zusammenstöße von Barcelona ausgelöst? Gegen wen richtet sich die gegenwärtige „gegen die Gewalt“ gerichtete Kampagne? Was sind unsere Perspektiven?

Was ist Gewalt?

Wenn Kranke aufgrund der Kürzungen im Gesundheitswesen sterben. Wenn das Leben der Rentner aufgrund der miserablen Renten unerträglich wird. Wenn Beschäftigte bei Arbeitsunfällen ums Leben kommen. Wenn jahrelange Arbeit ihre Spur hinterlässt in Form von psychischen oder physischen Erkrankungen. Wenn Millionen wegen der Arbeitslosigkeit verzweifeln. Wenn Migranten in Aufnahmelagern ohne irgendwelche Beschuldigung eingesperrt und festgehalten werden. Wenn dein Leben jeden Tag am Faden der Verlängerung eines miserablen Arbeitsvertrages hängt. Wenn deine Wohnung zwangsgeräumt wird. Wenn man deinen Strom, Gas usw. abstellt – was anderes ist das als Gewalt?

In dieser auf Ausbeutung und gnadenloser Konkurrenz fußenden Gesellschaft herrscht Gewalt, organisierte, institutionalisierte Gewalt, die als „normal“ betrachtet und als das „Leben selbst“ dargestellt wird, legitimiert durch Gesetze und gestützt durch einen Repressionsapparat mit Polizei, Gerichten und Gefängnissen.

Was können wir all demgegenüber ausrichten? Schweigen? All das resigniert hinnehmen? Nein! Wir müssen dem Stern des 15M folgen, und das, was zuvor in Frankreich gegen die Rentenkürzungen, in Ägypten, Griechenland, oder durch die StudentInnen in Großbritannien unternommen wurde, umsetzen. Wir müssen uns zusammenschließen, uns in Vollversammlungen selbst organisieren, Demonstrationen und Kundgebungen abhalten, Streiks durchführen.

Dieses kollektive Vorgehen bedeutet mit dem normalen Alltag dieser Gesellschaft zu brechen, die sich auf einen Überlebenskampf eingestellt hat, bei dem wenige gewinnen und viele verlieren, bei dem der Mitmensch nicht jemand ist, mit dem man zusammenarbeiten kann, sondern der Rivale, der ausgenutzt und skrupellos im „Überlebenskampf“ beiseite gedrängt werden muss. Diese Gewaltverhältnisse zu durchbrechen und ihnen unser kollektives Handeln gegen die Verantwortlichen und Nutznießer dieser Verhältnisse – dem  Kapital und dem Staat – entgegenzusetzen, hat einen Namen: Gewalt.  Das Wort zu vermeiden und stattdessen von „zivilem Ungehorsam“, „Gewaltlosigkeit“, „Pazifismus“ zu reden oder andere Euphemismen zu verwenden, mit denen DRY versucht, die Fragen zu vertuschen und in die Irre zu führen, ist eine Falle und hat zur Folge, dass wir uns von dem kollektiven Kampf entfernen. Stattdessen werden wir in die Falle „demokratischer Mittel“ gelockt, wie verschiedene Abstimmungsformen, Unterschriftensammlungen, blindes Vertrauen in charismatische Führer, die miteinander ringen, um unsere Stimmen zu ergattern usw. Diese Mittel bewirken, dass wir als atomisierte Individuen gegeneinander antreten, jeder verfolgt dann nur seine eigenen Interessen, verhält sich passiv und als Konkurrent, d.h. dadurch wird die Grundlage unserer gemeinsamen Stärke untergraben: die Solidarität, die Debatte, gemeinsames Handeln.

In der kapitalistischen Gesellschaft trieft die Gewalt aus allen Poren; diese Gesellschaft wird durch Gewalt aufrechterhalten, sie ruft Gewalt zwischen den Klassen und den Individuen hervor. Man kann nicht von Gewalt als solcher sprechen; sondern man muss zwischen verschiedenen Formen von Gewalt unterscheiden. Die Gewalt, die von den Herrschenden angewandt wird, ist nicht die gleiche wie die, die von den Ausgebeuteten, von der Arbeiterklasse. eingesetzt wird.  Die Gewalt, die von der Arbeiterklasse ausgeübt wird, hat Besonderheiten, die sie radikal von der alltäglichen Gewalt des kapitalistischen Systems und seinem Staat unterscheidet. Dies ist aus unserer Sicht die zentrale Frage: wir müssen begreifen, worin die Gewalt des Proletariats besteht, welche gewaltsamen Mitteln setzt dieses ein.

Wir können hier nicht im Einzelnen auf diese Frage eingehen[3], aber in knappen Worten zusammengefasst können wir sagen, dass die Gewalt der Arbeiterklasse sich nicht auf die Rebellion gegen die systematische Gewalt der bestehenden Ordnung richtet, sondern sich nach der historischen Perspektive des Aufbaus einer neuen, klassenlosen Gesellschaft richtet, in der es keinen Staat und keine Grenzen geben wird; eine menschliche Weltgemeinschaft, die für die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen handelt und nicht für Profiterzielung. Die gewaltsamen Mittel des Proletariats müssen mit diesem Ziel übereinstimmen, sie dürfen nicht bestimmt werden durch das Prinzip der Jesuiten – „der Zweck heiligt die Mittel“, das Proletariat ist einer Ethik verpflichtet.[4]

Wenn wir das Ziel der Befreiung der Menschheit verfolgen, darf die Gewalt der Arbeiterklasse keine irrationale, sadistische, blinde sein. Wenn wir eine Gesellschaft errichten wollen, in der die Solidarität ein zentrales Existenzprinzip ist, müssen wir Beleidigungen, Verleumdungen, Verunglimpfungen, Gewalt unter ArbeiterInnen, die Suche nach Sündenböcken als Blitzableiter, Rache und Vergeltung verwerfen. Die proletarische Gewalt stellt sich gegen Folter, Erniedrigungen und Sadismus, gegen imperialistischen Krieg und Terrorismus. Stattdessen stützt sie sich auf das direkte Handeln der Massen: Versammlungen, Demonstrationen, Streiks, Zusammenkommen, eine Debattenkultur…

Obgleich die Ereignisse in Barcelona wohl auf das Werk von Polizeiprovokateuren zurückzuführen sind, sind sie mit einer Orientierung verbunden, die in den letzten Wochen von der Bewegung 15M eingeschlagen worden ist, nämlich sich vor den Regionalparlamenten und Rathäusern  zu versammeln und dort auf die Politiker zu schimpfen, sie als Gauner und Schurken zu bezeichnen und sie auszupfeifen, und ihre ganze angestaute Wut über sie herauszubrüllen.

Diese Art Vorgehen ist unvereinbar mit der Ethik und den Mitteln der Gewalt des Proletariats, in Wirklichkeit werden dadurch auch nur die demokratischen Mechanismen und die kapitalistische Herrschaft verstärkt.

Die Fokalisierung auf diesen oder jenen korrupten Politiker bedeutet, dass man Ursache und Wirkung verwechselt, die Spannungen auf einen Sündenbock lenkt, die Fragen personalisiert, die Verhältnisse und Mechanismen aufrecht hält, die in dieser Gesellschaft Gewalt hervorbringen. Aber gleichzeitig und im Gegensatz zu den Skandalen, welche die Medien und die Politiker inszeniert haben, richten sich solche Maßnahmen nicht gegen die Demokratie, sondern neigen dazu diese im Gegenteil zu verstärken. Wenn bestimmte Politiker ausgeschimpft werden,  läuft man leicht Gefahr zu glauben, dass mit einem anderen, „ehrlicheren“ oder „repräsentativeren“ Politiker die Sache besser laufe. Die Existenz demokratischer Institutionen sei nicht das Problem, sondern die Lösung. Das Problem ließe sich auf die „Korrupten“, die „Schurken“ reduzieren, auf diejenigen, die „nicht aufs Volk hören“, und indem man diese Leute durch ehrliche, repräsentative Politiker ersetzt, ließe sich alles wieder gerade biegen.

Die Vorfälle von Barcelona: mehr als wahrscheinlich eine Polizeiprovokation

Im Internet zirkulieren Texte und Videos, die überzeugend belegen, dass die Vorfälle vor dem Parlament zum Großteil durch Polizeispitzel provoziert wurden[5]. Darüber hinaus waren in dem Gebiet, in dem diese stattfanden, wenig Polizeikräfte aufmarschiert, was einen Streit zwischen dem Präsidenten der Generalitat und dem Staatssekretär des Innenministeriums ausgelöst hat.

Diese Politik, „unpopuläre“ Vorfälle auszulösen, um später die Repression gegen eine gesellschaftliche Klasse, eine Partei oder einen Teil der Bewegung  zu rechtfertigen, ist schon sehr alt. Am Ende des 19. Jahrhunderts gründete die spanische Regierung eine Bande, die Attentate verübte, welche als Vorwand für eine schreckliche Repression gegen die Arbeiterbewegung und die Anarchisten dienten. 1978 wurden Gewalttätigkeiten, die von Polizeispitzeln in Barcelona im Theater Escala ausgeübt wurden, von der frisch gegründeten Demokratie ausgenutzt, um umfangreiche Razzien gegen radikale ArbeiterInnen zu rechtfertigen. Unzählige andere Beispiele aus Spanien oder aus anderen Ländern könnten zitiert werden. Wir haben es mit einer herrschenden Klasse zu tun, die Bourgeoisie, welche besonders zynisch und perfide ist. Einer ihrer ersten Ideologen, Macchiavelli,  regte viele Aktionen an, wo im Verborgenen  brutal und manipulierend vorgegangen wurde (Machiavellismus).

Einstimmig haben die Politiker aller Couleur und die Medien eine hasserfüllte Kampagne gegen die „gewalttätigen Systemgegner“ losgetreten. Die Führer des 15M wurden aufgefordert, aus ihren Reihen diesen „Abschaum“ zu entfernen. Eine schmutzige Verbindung wurde kolportiert, die von einem Kommentator von El Pais, der als „fortschrittlich“ gilt, umschrieben wurde: „Die Bewegung muss ihre demokratische und pazifistische Seele verstärken, sie muss sich von ihrer revolutionären und aggressiven Seele lösen.“ Revolutionär wäre demnach gleichzusetzen mit aggressiv, gewalttätig, wild, während Reformismus Frieden, Harmonie, Respekt bedeuten würde…

Welche Ziele verfolgt diese Kampagne, die wegen der Vorschläge und Drohungen durch die Politiker und Presse überhaupt nicht gewaltfrei ist?

Das erste Ziel besteht darin glauben zu machen, dass die Trennlinie der Bewegung zwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit, zwischen „revolutionärem“ Radikalismus und demokratischen Pazifismus wäre. Die wahre Grenze aber verläuft nicht dazwischen, sondern zwischen der „Reformierbarkeit der Demokratie“[6] und dem Klassenkampf gegen die Sozialkürzungen und gegen den Kapitalismus.

Aber es gibt ein zweites, mit dem ersten verbundenes Ziel. In dem Artikel „Vom Tahrir-Platz zur Puerta del Sol“[7] schrieben wir, dass „in den Versammlungen zwei Herzen schlagen: das demokratische Herz, das eine konservative Bremse darstellt, und ein proletarisches Herz, das eine Klassenposition einzunehmen versucht.“ Die Kräfte der Demokratie versuchen mit allen Mitteln, das „proletarische Herz“ zum Schweigen zu bringen, das von einer Minderheit von GenossInnen, Kollektiven usw. verkörpert wird. Sie heben sich dadurch hervor, dass sie für die Verteidigung der Versammlungen eintreten (ein Teil von ihnen vertritt die Forderung „Alle Macht den Versammlungen“),  und für einen massiven Kampf der Arbeiterklasse gegen die Sozialeinschnitte und eine internationalistische Orientierung der Überwindung des Kapitalismus. Dieser Teil steht für die Plattform und die Ausrichtung, die die Arbeiterklasse einschlagen muss, um ihr Bewusstsein vorzutreiben, neue Schritte einzuschlagen, durch die die besten Leute der Bewegung des 15M angezogen werden können, und gleichzeitig deren Schwächen und Grenzen überwinden. Diese Leute sollen gebrandmarkt, mit der irrationalen Gewalt assoziiert werden. DRY will sie ausgrenzen, sie benutzen dabei selbst gewaltsame Mittel, um ihre Botschaft des Kampfes für die Demokratie und eine Bürgerbewegung rüberzubringen.  

Diese Minderheit – wie die Arbeiterklasse insgesamt – muss begreifen, dass es unmöglich zu erwarten, dass die herrschende Klasse freiwillig auf ihre Privilegien und ihre Macht in der Gesellschaft verzichtet. Die Geschichte lehrt uns, dass die Herrschenden die furchtbarsten Verbrechen begehen, um ihre Macht aufrechtzuerhalten. Vor 140 Jahren tötete eine republikanische Regierung, die von einem Parlament unterstützt wurde, das in freien Wahlen gewählt worden war, innerhalb einer Woche 30.000 ArbeiterInnen, die es gewagt hatten, die herrschende Klasse mit der großartigen Bewegung der Pariser Kommune herauszufordern.[8] Seitdem hat sich an ihrem Verhalten absolut nichts geändert: die Massaker, welche die „demokratischsten“ Regierungen der Welt im Irak und in anderen Ländern orchestriert haben, bleiben nicht nur beschränkt auf die Bevölkerungen der Länder, in denen Krieg geführt wird. Mit der gleichen Grausamkeit und dem gleichen Zynismus massakrieren diese Regierungen ihre Ausgebeuteten, falls sie sich von ihnen bedroht fühlen. Gegen die organisierte und systematische Anwendung der Gewalt durch die Herrschenden muss die Arbeiterklasse sich bewaffnen, um dieses System zu überwinden. Aber wie vorher erwähnt und wie die Erfahrungen der Pariser Kommune 1871, der Russischen Revolution 1917, Deutschland 1918-1919 belegen, die Mittel und die Gewalt, welche die Arbeiterklasse einsetzt, unterscheiden sich völlig von denen der Herrschenden.

Diese Minderheit, die die Seele der Arbeiterklasse zum Ausdruck bringt[9] [33], muss die breitestmögliche Debatte anstoßen, damit Klarheit geschaffen wird über die Frage der Gewalt und andere Fragen, die im Zuge der Bewegung 15M aufgekommen sind  (Reform oder Revolution, bürgerliche Demokratie oder Versammlungen, Forderungen nach mehr Demokratie oder gesellschaftliche Forderungen, Bürgerbewegung oder Bewegung der Klasse?). Die Bemühungen um Selbstorganisierung an den Arbeitsplätzen, zwischen Arbeitslosen und prekär Beschäftigten, in den Unis, den Stadtvierteln müssen verstärkt werden mit dem Ziel, dass eine neue Phase der Mobilisierungen zustande kommt, deren Dreh- und Angelpunkt die Arbeiterklasse sein muss.

All das muss mit dem Bewusstsein geschehen, dass wir Teil einer breiten historischen und internationalen Bewegung sind, die sich vor der Falle des Immediatismus, der Versuchung, schnell Erfolge zu erzielen, hüten muss. In diesem Zusammenhang möchten wir diesen Artikel mit einem Zitat enden, den wir aus einem Text eines Genossen aus Madrid entnommen haben, der uns sehr klar erscheint.[10]

« Die Politiker, die Gewerkschaften und Medien üben Druck auf uns, dass wir ohne die Reifung der Bewegung jetzt schon konkret festlegen, was wir wollen. Seit Tagen schon versucht man in den Versammlungen eine Reihe von Forderungen festzulegen (…), man spricht von Wahlreform, von partizipativer Demokratie, der Bildung von  Genossenschaften, der Verstaatlichung von Banken (…). Diese Sachen stehen nicht auf der Tagesordnung. Man will, dass wir uns wie Politiker aufführen. Eigentlich will man alles beim alten belassen, lediglich Einzelheiten sollen verändert, der Lauf der Dinge aber unverändert bleiben. Wie können wir uns auf einen gemeinsamen Nenner für unseren Kampf verständigen? Die beste Art, diesen Protesten weiter Stoßkraft zu verleihen, besteht nicht darin das zu konkretisieren was wir wollen, sondern das, was wir nicht wollen (…). Wir wollen keine Ware sein, nicht in einer Welt leben, in der alles zu einer Ware wird, alle menschlichen Beziehungen zu Warenbeziehungen werden. Wir wollen nicht weiter der Tyrannei der Wirtschaft ausgesetzt sein, welche unser Leben und den Planeten zerstört. Wir wollen keine in Klassen gespaltene Gesellschaft, in welcher die große Mehrheit der Bevölkerung wie Sklaven lebt, während einige wenige wie Könige leben. Dies sind Ausrichtungen für unsere Kämpfe und Debatten. So können wir weiter Schritt für Schritt, ohne Überstürzung  herausfinden, was wir wollen. IKS 19.6.2011

 

[1] siehe es.internationalism.org/cci-online/201106/3118/movimiento-ciudadano-democracia-real-ya-dictadura-del-estado-contra-las-asamb [34]

[2] Diese „Führer“ haben verlangt, dass die Demonstranten mit ihren Kameras diejenigen filmen, die gewaltsame Auseinandersetzungen provozieren, um gegen sie vorzugehen.

[3] Wir haben in unserer Internationalen Revue Artikel zu dieser Frage veröffentlicht. es.internationalism.org/revista-internacional/197806/944/terror-terrorismo-y-violencia-de-clase [35] y es.internationalism.org/node/2134 [36]

[4] Siehe unseren Artikel “Orientierungstext zu Marxismus und Ethik [37]”.

[5]siehe https://es.noticias.yahoo.com/blogs/hablemos-de-pol%C3%ADtica/pillados-l... [38] .

Auf Youtube erschien ein Video, das seltsam gekleidete Demonstranten zeigte, sehr schick und elegant angezogen, und sich dann unter die Demonstranten mischten. Wenige Stunden später war der Zugang zum Video gesperrt.

[6] Eine Demokratie, in deren Namen harte repressive Gesetze gerechtfertigt und aufrechterhalten werden, in deren Namen man sich an Kriegen wie in Libyen oder Afghanistan beteiligt oder unzählige Elendsflüchtlinge in Lagern festhält – all das ist Gewaltausübung.

[7] siehe https://es.internationalism.org/node/3106 [39]

[8] Siehe die Stellungnahme der Ersten Internationale zur Pariser Kommune, die von Marx verfasst wurde

[9] In der Artikelsammlung “Debatte über 15M [40]”, haben  wir Texte von Gruppen, Kollektiven und einzelnen GenossInnen zusammengetragen, mit denen wir nicht notwendigerweise einverstanden sind, die aber den Reichtum und die politischen Bemühungen dieser proletarischen Minderheit zum Ausdruck bringen.

[10] Offener Brief an die Versammlungen [41].

Aktuelles und Laufendes: 

  • Proteste in Spanien [20]
  • democracia real ya [1]
  • echte demokratie jetzt [2]
  • 15M [42]

Quell-URL:https://de.internationalism.org/content/juni-3

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