Die Finanzkrise von 2008 traf die USA schwer. Nacheinander gingen mehrere Banken pleite; Millionen von Proletarier*innen wurden plötzlich ins Elend gestoßen. Eine bedeutende Symbolfigur des Bankensektors, eines der großen Standbeine der US-amerikanischen Wirtschaft, die New Yorker Investmentbank Lehman Brothers, wurde plötzlich insolvent und löste damit im gesamten internationalen Bankensystem, zu deren Spitzenreitern sie gehörte, eine Panik aus.
Ermöglicht durch die Kredite, die die Bankinstitute von Lehman Brothers erhielten, wurden Haushalten mit schwachen Einkommen Hypothekendarlehen zu variablen Zinssätzen gewährt (Subprimes). Die Arbeiter*innen dieser Haushalte, die zu den ärmsten in den USA zählen, wurden zu dem Glauben verleitet, mit Hilfe dieser langfristigen Darlehen ihre Eigenheime finanzieren zu können. In Wahrheit waren die variablen Zinssätze nur vorteilhaft, solange die Immobilienpreise stiegen. Unter diesen Bedingungen konnten die potenziellen Hauseigentümer*innen bei Problemen, ihre Hypothek abzubezahlen, die Eigenheime mit einem Gewinn verkaufen, der zur Schuldenrückzahlung ausgereicht hätte. Doch Ende 2006 / Anfang 2007 kollabierte der US-amerikanische Immobilienmarkt. Die Zinssätze der Subprimes stiegen; die Arbeiter*innen konnten nicht mithalten. In dieser Situation verlangten die kreditgebenden Banken die Herausgabe des mit den Hypotheken belasteten Eigentums und eröffneten rücksichtslos eine schmutzige und massive Welle der Aneignung des Wohneigentums. Von einem Tag auf den anderen wurden rund 7,5 Millionen Arbeiter*innen brutal aus ihrem Zuhause auf die Straße geworfen, teilweise in militärmäßigen Operationen mit Unterstützung der Polizei. Während sich diese Familien ohne ein Dach über den Kopf wiederfanden, zur Übernachtung in Notunterkünften oder zu anderen Formen der Unterbringung gezwungen, blieb die Mehrzahl der zurückgenommenen Häuser unverkauft und leer.
Es versteht sich, dass die Arbeiter*innen ziemlich leicht zu dem naiven Gedanken verleitet werden konnten, sich diese Immoblien dank der „vorteilhaften“ Zinsen, mit denen man sie lockte, leisten zu können. Viele von ihnen wussten nicht einmal, was sie da eigentlich unterschrieben hatten! Diese Arbeiter*innenfamilien sind unmittelbare Opfer der kapitalistischen Haie der „Finanzwelt“, eines besonders korrupten und verdorbenen Segmentes der herrschenden Klasse.
Der US-amerikanische Staat tat offensichtlich nichts, um diese menschliche Katastrophe zu vermeiden. Im Gegenteil erlaubte er Lehman Brothers ganz bewusst, sich ohne Konsequenzen aus der Affäre zu ziehen. Damit trägt er die Hauptverantwortung dafür, dass Millionen von Proletarier*innen in den durch die platzende „Immobilienblase“ vertieften Abgrund der Not und des Elends stürzten.
Wenn das US-Bankensystem entschied, Lehman Brothers kollabieren zu lassen (während es anderen Banken am Rande der Insolvenz unter die Arme griff), geschah dies, weil die führende Weltmacht damit ein Exempel statuieren wollte. Indem sie das Gespenst eines ähnlichen oder sogar schlimmeren Zusammenbruchs als den von 1929 aufscheinen ließ, sandte sie eine Warnung an die Bourgeoisien der bedeutenden Industrienationen aus, sich zur Rettung des internationalen Finanzsystems zu wappnen. Die wichtigsten europäischen Banken hatten ebenfalls massiv in Subprimes investiert, die sie für eine vernünftige Anlagemöglichkeit hielten. Nach dem Bankrott von Lehman Brothers war der Schock in den anderen bedeutenden Industrienationen sofort spürbar. Das Platzen der Immobilienblase war unmittelbar von der Gefahr weiterer Bankrotte und des Eintretens eines „Dominoeffekts“ begleitet. Um das Risiko einer Kette von Insolvenzen abzuwenden, waren die Staaten und ihre Zentralbanken in Europa wie in den USA genötigt, sofortige Rettungsmaßnahmen zu ergreifen. In Großbritannien verstaatlichte die Regierung unverzüglich einige Banken, insbesondere die Großbank Northern Rock. In Frankreich und Deutschland entschieden die Regierungen, zur Abwendung von Konkursen und eines Zusammenbruchs des Weltfinanzsystems kolossale Mengen liquider Mittel in die großen Banken zu pumpen. Doch diese Rettungsmaßnahmen erhöhten die Staatsdefizite noch weiter und verschlimmerten Erwerbslosigkeit und prekäre Arbeitsverhältnisse. Die von der herrschenden Klasse angewandten Kuren der Sparpolitik, mit denen die Staatdefizite etwas reduziert werden sollten, machten sich rasch in den schwächsten Ländern, namentlich in Griechenland, Portugal und Irland, bemerkbar und nach und nach in allen entwickelten Ländern der Welt.
Heute, da die Gefahr eines neuen Finanzgewitters am Horizont erscheint, haben die Medien eine hinterhältige Propagandakampagne zum zehnjährigen Jahrestag des Zusammenbruchs von Lehman Brothers gestartet. Indem die Staaten sich selbst als „Retter“ der Weltwirtschaft ausgeben, machen sie die „Finanzwelt“ mit ihren „gierigen Brokern“ und „halbseidenen Managern“ für diese Krise verantwortlich. All dies zielt darauf ab, das kapitalistische System an sich freizusprechen.
Mit Hilfe der effizienten Nutzung des Nationalismus und der Rolle der Zentralbanken bei der Rettung vom Konkurs bedrohter Anlagefonds begann die Bourgeoisie eine ideologische Offensive, die den Staat als Regulator der „Exzesse“ des Finanzsektors und Beschützer des Kleinsparers darstellt. Und tatsächlich ermöglichte es die Rolle des Staates als „Retter der Weltwirtschaft“ den Regierungen aller Arten bis zu einem gewissen Grad, die Notwendigkeit niedriger Löhne zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaften auf dem Weltmarkt und zur Senkung ihrer jeweiligen Staatsverschuldung zu rechtfertigen.
Im Gegensatz zu den Lügen, die von den Sprachrohren der Bourgeoisie verbreitet wurden und noch immer werden, war es nicht die Finanzkrise von 2008, die den Strom von „Reformen“ auslöste, der die Lebensbedingungen des Proletariats enorm verschlechterte und so viele sogenannte Sozialleistungen untergrub. Mit diesen großen „Reformen“ haben sich die massiven Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen des Proletariats nach den dramatischen Ereignissen von 2008 weltweit zwar verschärft, doch waren sie bereits seit Jahrzehnten im Gange. Organisiert wurden diese Angriffe von Staaten und Regierungen sowohl der Rechten als auch der Linken, ohne natürlich die Krise beheben zu können[1].
Dies erklärt besser die ideologische Propaganda, die 2008 entfesselt wurde. Sie hatte das Ziel, die Symptome der Finanzkrise in betrügerischer Weise als Krankheit auszugeben, die in Wirklichkeit in der historischen Krise der kapitalistischen Wirtschaft besteht.
Seit der Rückkehr der offenen Krise des Kapitalismus Ende der 1960er Jahre prägten immer tiefere Rezessionen das soziale Leben. Und jedes Mal wartete die Bourgeoisie mit Rechtfertigungen und Sündenböcken auf. 1973 wurde alles auf den „Ölpreisschock“ zurückgeführt. Zu dieser Zeit galten die Golfstaaten und ihre im Geld schwimmenden Prinzen als die Unruhestifter. In den Jahren 1987, 1998, 2001 und 2008 waren als Schuldige die Finanzwelt und die Banken an der Reihe. Doch noch nie waren diese ideologischen Angriffe so intensiv wie 2008. So wurden alle möglichen scheinheiligen Reden geführt über die Notwendigkeit, das Bankensystem zu säubern und die Banken zu „moralischem“ Vorgehen zu bringen, indem man zwielichtige Spekulanten und „skrupellose“ Bankiers wie den Vorstandsvorsitzenden von Lehman Brothers zur Verantwortung zog, der in den Medien als „der abscheulichste Mann Amerikas“ dargestellt wurde.
Nach den eigenen Äußerungen aller bürgerlichen Führer*innen und aller „Wirtschaftsexpert*innen“ ist die Krise von 2008 die schwerste, die das kapitalistische System seit der großen Depression, die 1929 begann, erlebt hat. Doch ermöglichen die Erklärungen, die sie bieten, kein klares Verständnis der tatsächlichen Bedeutung dieser Erschütterungen und der Zukunft, die sie für die gesamte Gesellschaft und insbesondere für die Arbeiter*innenklasse ankündigen.
Was heute von all diesen Wirtschaftsexpert*innen verschleiert wird, ist die Krise der Überproduktion, die fundamentale Unfähigkeit des Systems, die Masse der von ihm produzierten Waren zu verkaufen. Natürlich besteht keine Überproduktion in Bezug auf die Bedürfnisse der Menschheit (die zu befriedigen der Kapitalismus unfähig ist), sondern Überproduktion in Bezug auf solvente Märkte, auf die Kaufkraft der Massen. Offizielle Darstellungen der Bourgeoisie konzentrieren sich auf die Finanzkrise, auf die Schwächen der Banken allein, aber die Realität dessen, was diese bürgerlichen Kriecher „die Realwirtschaft“ nennen (im Gegensatz zur „fiktiven Wirtschaft“), zeigt sich in der täglichen Bekanntmachung von Fabrikschließungen, massiven Arbeitsplatzverlusten und Unternehmenspleiten.
Zum Zeitpunkt der Krise von 2008 offenbarte der Rückgang des Welthandels die Unfähigkeit der Unternehmen, Käufer*innen zu finden, um ihre Produktionen am Laufen zu halten. Somit war es nicht die „Finanzkrise“ (und noch weniger der Konkurs von Lehman Brothers), die der offenen Rezession von 2008 zugrunde lag; ganz im Gegenteil. Diese Finanzkrise zeigte deutlich, dass die Anhäufung von Schulden als Mittel gegen die Überproduktion nicht unendlich fortgesetzt werden konnte. Früher oder später nimmt die „Realwirtschaft“ Rache, d.h. die Basis der Widersprüche des Kapitalismus (die Unmöglichkeit, dass Unternehmen die Gesamtheit der von ihnen produzierten Güter verkaufen können) tritt wieder in den Vordergrund. Die Krise der Überproduktion ist nicht die einfache Folge einer „Finanzkrise“, wie die Mehrheit der bürgerlichen Expert*innen uns glauben machen will. Sie entsteht aus dem Innersten der kapitalistischen Wirtschaft, wie es vor anderthalb Jahrhunderten der Marxismus aufdeckte.
Wie Marx und Engels im Manifest der Kommunistischen Partei von 1848 schrieben, ist die Gesellschaft zu „reich“ geworden! Der Kapitalismus produziert zu viele Waren, während solvente Märkte immer weiter schrumpfen, wie wir am bitteren Handelskrieg zwischen den USA und Europa sehen können, der zudem mit der Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Waren konfrontiert ist.
Der Kapitalismus wird heute durch das überwältigende Gewicht seiner Schulden erstickt. Gleichzeitig kann er sich nur künstlich, dank des Kredits, in Gang halten. Die einzige „Lösung“, die das Kapital bieten kann, ist ein weiterer Vorstoß in eine teuflische Schuldenspirale. Mit der Entwicklung der Spekulation scheint diese auf dem Streben nach Profit basierende Produktionsweise mehr und mehr zur Casino-Wirtschaft zu werden. Die Maßnahme, liquide Mittel in Banken und andere große Finanzinstitutionen zu pumpen, kann in der realen Welt die Krankheit nur verschlimmern, insbesondere durch eine Erhöhung der Staatsverschuldung bei den Banken.
Zehn Jahre nach den erschütternden Ereignissen von 2008 wird die Bourgeoisie trotz der eiligen Rettungsmaßnahmen für das Finanzsystem und trotz einer gewissen, sehr fragilen „Erholung“ der Wachstumsrate 2012-2013 wieder unruhig. Zehn Jahre Austeritätskur haben nichts grundlegend verändert. Nach wie vor sind die Staaten mit Schulden überlastet, und die Zentralbanken wurden mit zweifelhaften Vermögenswerten zwangsversorgt. Das weltweite Wachstum hat sich erneut verlangsamt, und alle Akteure gehen immer höhere Risiken ein. Seit Mitte 2018 schlagen die Medien und bürgerliche Ökonom*innen aus Angst vor einer ähnlichen oder schlimmeren Situation als 2008 Alarm. Durch die Ausweitung dieser alarmierenden Äußerungen und Kampagnen bezüglich der Exzesse der Finanzwelt versucht die Bourgeoisie, die Arbeiter*innenklasse zu terrorisieren und zu lähmen, um sie hinter dem „rettenden Staat“ zu versammeln. Damit ihre (illusorischen) Pläne zur Rettung des Finanzsystems nicht blockiert werden, sind die Proletarier*innen aufgerufen, den Gürtel noch enger zu schnallen und neue Opfer, neue Einbrüche in ihren Einkommen hinzunehmen.
Angesichts dieser kapitalistischen Barbarei, die sich insbesondere 2008 an den skandalösen Vertreibungen von Millionen von Arbeiter*innen aus ihren Häusern im reichsten Land der Welt offenbarte, hat das Proletariat keine andere Wahl, als wieder einmal den Kampf für die Verteidigung seiner Lebensbedingungen und gegen die soziale Ordnung seiner Ausbeuter*innen aufzunehmen. Es muss verstehen, dass der bürgerliche Staat weit davon entfernt ist, ein „neutraler Beschützer“ zu sein, der die spekulativen Exzesse von Finanzhändler*innen reguliert, sondern in erster Linie eine Organisation der Unterdrückung ist, die der Aufrechterhaltung aller Ungerechtigkeiten des Kapitalismus zu dienen hat. In der Insolvenz von Banken und Unternehmen zeigt sich lediglich die Schwäche der kapitalistischen Produktionsweise, die der Menschheit keine Zukunft bietet. Die einzige Lösung der Krise besteht im Sturz dieses Systems und in der Zerstörung des Staates durch die Klasse, die alle Reichtümer der Gesellschaft hervorbringt: das internationale Proletariat.
Sonia, 17. November 2018
[1] Es ist dieser Umstand, der die erhebliche Diskreditierung der traditionellen politischen Parteien in den Augen der Arbeiter*innenklasse miterklärt. In den USA ist es die Ablehnung des „Establishments“, besonders in den stark betroffenen Industriegebieten, die einen großen Teil der Arbeiter*innenklasse dazu brachte, für Trump zu stimmen.
Ende Dezember 2018 starb der israelische Schriftsteller Amos Oz im Alter von 79 Jahren. Er war nicht nur ein angesehener Schriftsteller von Romanen, die die schwierige Geschichte des modernen israelischen Staates aufzeichneten, sondern auch ein konsequenter Kritiker seiner zunehmend militaristischen Politik. 1967, inmitten der Euphorie über den Sieg im Sechstagekrieg, war Oz einer der wenigen, die vor dem moralisch korrumpierenden Einfluss warnten, den die Besetzung der israelischen Gesellschaft bringen würde. Er plädierte für ein sofortiges Ende der Besetzung und die Schaffung eines palästinensischen Staates neben Israel. Diese Sichtweise mag damals radikal gewesen sein, aber es dauerte nicht lange, bis sie zum Mainstream gehörte und im Jahr 2000 im Mittelpunkt der Vereinbarungen von Camp David stand.
In der Zeit des hemmungslosen Populismus erscheint jedoch auch dieser moderate Vorschlag völlig utopisch. Die rechte Netanyahu-Regierung in Israel, die alles getan hat, um die Fortschritte bei der Bildung eines palästinensischen Staates zunichte zu machen, steht unter zunehmendem Druck von denjenigen, die noch weiter rechts stehen und offen ein „Greater Israel“ fordern - eine Ein-Staaten-Lösung, die sicherlich die Massendeportation palästinensischer Araber beinhalten würde. Unterdessen wird die palästinensische Nationalbewegung zunehmend von islamistischen Gruppierungen beherrscht, die sich mit nichts Geringerem zufrieden geben werden als mit der militärischen Zerstörung des zionistischen Staates, einer ‚Lösung‘, die zweifellos eine weitere Massendeportation - die der israelischen Juden - erfordern würde.
In dieser immer giftigeren Atmosphäre können wir das Erscheinen eines Artikels nur begrüßen, der unseres Wissens einer der wenigen Ausdrücke eines wirklich internationalistischen Standpunkts ist, der aus Israel selbst kommt. Der Autor des Artikels vertritt die marxistische Position, dass alle nationalen Kämpfe und Slogans in der Epoche des kapitalistischen Niedergangs reaktionär geworden sind, und zögert nicht zu argumentieren, dass der einzige Ausweg aus der vom Imperialismus in Israel-Palästina geschaffenen Falle die Vereinigung der israelischen und palästinensischen Arbeiter auf Klassenbasis ist, die zu einer proletarischen Revolution gegen alle bürgerlichen Staaten führt.
Der Genosse fordert zu Recht die Gründung einer revolutionären Partei, die für diese Perspektive steht. Wir argumentieren, dass dies nur im Rahmen einer internationalen Entwicklung möglich ist, in der die Arbeiterklasse, vor allem in den Hauptzentren des Weltkapitals, in der Lage ist, ihr historisches Projekt des Kommunismus wieder aufzugreifen. Ebenso ist es mehr als wahrscheinlich, dass eine dauerhafte Einheit zwischen israelischen und palästinensischen Arbeitern nur im Rahmen einer weltweiten Wiederbelebung des Klassenkampfes möglich sein wird, einer Bewegung, die in der Lage ist, die Wellen des Nationalismus und der Fremdenfeindlichkeit, die in den letzten Jahren überall an Stärke gewonnen haben, die aber aufgrund ihrer besonderen Geschichte eine zusätzliche Kraft in Israel-Palästina ausüben, zurückzudrängen.
Dennoch ist das Erscheinen selbst einer winzigen Minderheit, die sich für eine proletarische Alternative im Nahen Osten einsetzt, ein äußerst wichtiges Bindeglied zu dieser revolutionären Zukunft, die noch möglich und mehr denn je notwendig ist.
IKS, 2.1.2018
Die vorgezogenen Wahlen in Israel, die im April 2019 stattfinden sollen, werden von der Instabilität des zionistischen Staates geprägt sein. Die Entscheidung von Premierminister Benjamin Netanyahu, vorgezogene Wahlen zu fordern, ist Ausdruck der Sackgasse, in der sich die Regierung in Tel Aviv befindet. Neben der erwarteten Entscheidung des israelischen Generalstaatsanwalts, Netanyahu wegen Bestechung und Betrug anzuklagen – ein Faktor, der zu seiner Entscheidung beigetragen hat, vorgezogene Wahlen einzuleiten – steht das zionistische Regime vor schlimmen wirtschaftlichen und politischen Krisen.
Wirtschaftlich gesehen spürt die israelische Arbeiterklasse eine schreckliche Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen sowie ihrer Fähigkeit, weiterhin den Preis für die jahrzehntelange militärische Besetzung zu zahlen. Das Gesundheits- und Bildungssystem ist unterfinanziert, die Kosten für Konsumgüter und Dienstleistungen steigen, und viele Schichten unter den verarmten Arbeitern des Landes fühlen sich unfähig, mit ihrer schlechten wirtschaftlichen Situation fertigzuwerden. So leben 20 Prozent der Israelis in Armut und das Land ist eine der ungleichsten Gesellschaften im Westen.
Politisch gesehen wird Israel von den palästinensischen bewaffneten Gruppen im Westjordanland und im Gazastreifen herausgefordert, die sich den israelischen Besatzungstruppen widersetzen. Die Südgrenze ist instabil, weil die islamischen Militanten der Hamas weiterhin versuchen, den bewaffneten Widerstand in der Nähe der Mauer voranzutreiben; die islamischen Kämpfer feuern Raketen gegen die israelische Bevölkerung im Süden und graben Tunnels, um die israelische Armee anzugreifen. An der Nordgrenze greift Israel immer wieder militärische Basen der iranischen Revolutionsgarden in Syrien an. Darüber hinaus stehen die israelischen Streitkräfte und die Hisbollah näher als je zuvor vor einem weiteren Krieg. Unterstützt von der US-Regierung betreibt Israel an seinen Grenzen eine aggressive Politik, um die Islamisten im Gaza-Streifen zu stürzen (der Gaza-Streifen steht aufgrund der israelischen Blockade vor einer schrecklichen humanitären Situation) und die iranischen Milizen aus Syrien zu vertreiben (es befürchtet, dass diese der Hisbollah in einem zukünftigen Krieg helfen könnten).
Diese Situation des israelischen Regimes zeigt seine Instabilität und die anhaltende Krise. Als Apartheidstaat versucht Israel, einen Zustand aufrechtzuerhalten, in dem die Arbeiterklasse den Preis für die Besatzung und die militärische Aggressivität des Landes zahlt und gleichzeitig die kapitalistische Art und Weise akzeptiert, in der die Regierung die Wirtschaft führt. Die israelische herrschende Klasse, die gegen die nationalistische Bewegung Boykott, Entblößung und Sanktionen (BDS) kämpft und von rechtspopulistischen und faschistischen Führern im Ausland unterstützt wird, unterdrückt die Massen, um das zionistische Kolonisierungsprojekt am Leben zu erhalten. Es gibt viele israelische Arbeiter und Jugendliche, die nicht mehr bereit sind, die israelische Bedingungen der Unterdrückung im Land und der grausamen kapitalistischen Ausbeutung zu akzeptieren. Einige von ihnen werden bereits von den israelischen Oppositionsparteien gegen die Regierung Netanyahu mobilisiert, obwohl diese Parteien der israelischen bürgerlichen Elite dienen.
Das politische System Israels ist fragmentiert und zerbrechlich. Die politischen Rechtsparteien sind traditionell um die Likud-Partei unter der Leitung von Premierminister Netanyahu organisiert. Doch selbst unter den rechten Parteien, die das Land regieren, gibt es Spaltungen und Krisen. Neben der größten politischen Fraktion im Knesset, dem Likud, einer ultra-chauvinistischen und neoliberalen Formation, die 1973 gegründet wurde, gibt es andere, kleinere Parteien als der Likud, deren Politik noch nationalistischer und chauvinistischer ist. Diese Parteien führen eine Politik fort, die darauf abzielt, das Groß-Israel zu bilden, aus dem die Palästinenser vertrieben werden sollen. Die einzige politische Fraktion aus der „Mitte“, die der Netanyahu-Koalition beitrat, wurde von einigen ehemaligen Likud-Mitgliedern gebildet. Diese Fraktion arbeitete jedoch mit Netanyahu und der politischen Rechten zusammen, wobei die Wirtschaftskrise des Landes sich extrem zuspitzte.
Die Parteien, die die Opposition zu Netanyahu bilden, sind politisch und ideologisch nicht homogen. Dazu gehören die Arbeiterpartei, deren opportunistischer und sozial-chauvinistischer Politik die meisten Israelis misstrauen, und die kleine sozialdemokratische und zionistische Partei Meretz, deren politische Wählerschaft zahlenmäßig gering ist. Die Palästinenser in Israel sind in einer gemeinsamen Liste nationalistischer politischer Parteien vertreten, in der die stalinistische Kommunistische Partei Israels eine zentrale Rolle spielt. Das Problem dieses Mischmaschs aus einem Mitte-Links-Block ist nicht nur seine politische Heterogenität, sondern es besteht auch darin, dass keiner von ihnen der israelischen und arabischen Arbeiterklasse einen Weg nach vorn vorschlägt. Weder die pseudolinken zionistischen Fraktionen noch die antizionistischen arabischen und kommunistischen Parteien schlagen einen Ausweg aus jahrzehntelanger Besatzung, brutalem Kapitalismus, Sparpolitik und anhaltenden sozialen Krisen vor.
Diese Situation ist bedauerlich, wird aber so verstanden, dass Israel als Siedlerstaat weiterhin die palästinensischen Massen kolonisiert. Das Problem der israelischen Besetzung spielt eine zentrale Rolle in der Politik des Landes. Während die politische Rechte die Besetzung und Kolonisierung intensivieren will, setzt die politische Pseudolinke die Politik der bereits begrabenen Zwei-Staaten-Lösung fort, nach der neben Israel ein kleiner palästinensischer ‚Bantustan‘-Staat gegründet werden sollte. Während sich die Massen stark das Ende dieses blutigen Konflikts herbeiwünschen, gedeiht die Rechte dadurch, dass sie radikalen Chauvinismus und giftige nationalistische Ideen verbreitet, um die Arbeiterklasse nach nationalen Gesichtspunkten zu spalten. Das Pseudolinken schlagen gar nichts vor außer einer Lösung auf der Grundlage der imperialistischen Ordnung, in der das kapitalistische System die Massen weiterhin unterdrücken und ausbeuten wird. Ohne echte Alternative zu mehr als 100 Jahren blutigem Konflikt gedeiht der Nationalismus, und der Chauvinismus vereitelt weiterhin jeden Wandel zu einer echten Versöhnung zwischen den israelischen Arbeitern und ihren palästinensischen Kollegen.
Der neue Trend in einigen linken Kreisen ist die Idee eines einzigen, bi-nationalen Staates Israel/Palästina, eines Staates, der den beiden Nationen „Selbstbestimmung“ verschaffen würde. Diese Idee wird in dem radikalen Milieu populär, das so seine Verzweiflung ausdrückt über die trübe Aussicht, zwei unabhängige Nationalstaaten in Palästina aufzubauen. Der Slogan „Selbstbestimmung“ täuscht jedoch. In der Epoche des Imperialismus und der Dekadenz des Kapitalismus bedeutet die Forderung nach Selbstbestimmung die Errichtung eines bürgerlichen Regimes. Aus Sicht der Arbeiterklasse ist die Idee des Aufbaus eines bürgerlichen Staates eine Sackgasse im Sinne des Klassenkampfes. Abgesehen davon, dass die Forderung nach Selbstbestimmung im Kapitalismus eine riskante Illusion in die bürgerliche Ordnung darstellt, führt sie zu einer Situation, in der die Arbeiterklasse nicht von der nationalen Bourgeoisie unterschieden wird. In dieser Situation gibt es eine Spaltung der Arbeiterklasse nach nationalen Gesichtspunkten. In den Ländern, in denen das Proletariat existiert und zu revolutionärem Handeln fähig ist, können sich die Revolutionäre nicht mit der Forderung nach „Selbstbestimmung“ zufrieden geben.
Darüber hinaus beinhaltet die Unterstützung des „Rechts auf Selbstbestimmung“ die Behauptung, dieses Recht stünde im Gegensatz zu den Interessen der nationalen Bourgeoisie. Diese Position widerspricht der Realität in Palästina, da die Bourgeoisien nur von einer Situation einer vereinigten kapitalistischen Wirtschaft in einem Staat profitieren können. Das Interesse der israelischen und palästinensischen Proletariats ist seine Vereinigung auf einer Klassengrundlage; der Nationalismus und der reaktionäre Ruf nach Selbstbestimmung stellen eine Waffe in den Händen der nationalen Bourgeoisie dar, die verhindern will, dass die Arbeiterklasse den Sozialismus erreicht. Hinzu kommt, dass in der Epoche des Imperialismus der Kampf um die nationale Unabhängigkeit nicht erfolgreich sein kann, da der Kapitalismus versucht, die Nationalstaaten und ihre Wirtschaften zu zerstören und durch den Prozess der Kolonisierung einen Weltmarkt aufzubauen. Der radikale Versuch zur Rückkehr in die Zeit, in der es möglich war, einen wirklich unabhängigen Nationalstaat aufzubauen, ist utopisch und sogar reaktionär.
Die Forderung nach der Gründung eines Palästinenser-Staates innerhalb der kapitalistischen Ordnung bedeutet also in der Tat einen Aufruf an die Bourgeoisie, ein weiteres kapitalistisches Land aufzubauen, in dem die Arbeiterklasse unterdrückt und unfähig wäre, ihre Rechte gegen die kapitalistische herrschende Klasse zu verteidigen. Es gibt jedoch eine winzige Minderheit, hauptsächlich trotzkistische Gruppen, die die Gründung eines einzigen sozialistischen Staates Palästina fordern, nämlich eines Nationalstaates mit sozialistischen Merkmalen, der auf dem Recht auf Selbstbestimmung des „unterdrückten“ Volkes, nämlich der Palästinenser, beruht. Diese Unterscheidung zwischen „Unterdrückten“ und „Unterdrückern“ widerspricht dem revolutionären Projekt, das darauf abzielt, die Arbeiterklasse zu stärken; sie verwischt die Klassenunterschiede zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie. Die Einheit der Massen wird nur auf der Grundlage der proletarischen Revolution erreicht werden.
Es gibt Aufrufe unter diesen oder jenen Linken, für verschiedene Parteien – Liberale, Reformisten, Stalinisten oder Trotzkisten – zu stimmen, um die israelische bürgerliche Demokratie vor der Zerstörung durch den Faschismus zu bewahren. Allerdings spiegeln solche Aufrufe den Glauben wider, dass die bürgerliche Demokratie in der Epoche des Imperialismus ein echtes demokratisches Regime und keine reine Illusion ist. Die Massen wünschen sich eine Demokratie, und die Faschisten wollen die Überreste der bürgerlichen Demokratie zerstören. Dennoch ist die Vorstellung, dass der Faschismus nicht triumphieren wird, wenn bürgerlich-demokratische/liberale Parteien die Parlamentswahlen gewinnen, nicht nur eine Illusion, sondern auch eine politische Strategie, die die Macht der Arbeiterklasse als revolutionär handelnde Kraft reduziert. Der Faschismus soll von den Massen in direkter und unabhängiger revolutionärer Aktion besiegt werden, nicht von denen, die den Kapitalismus unterstützen oder ihn verteidigen.
Die derzeitigen „linken“ Parteien im israelischen politischen System unterscheiden sich nicht von anderen Parteien in Europa und den USA in dem Sinne, dass sie die kapitalistische Ordnung verteidigen und Illusionen über die Möglichkeit der Lösung der nationalen Frage innerhalb des Kapitalismus verbreiten. Sie verteidigen eine im Zerfall begriffene Ordnung, die sich in Agonie wälzt. Diese Parteien können die Massen nicht um sich sammeln, da das Proletariat sie verachtet und weder ihrer Führung noch ihrem Programm vertraut. Das Proletariat braucht seine eigene revolutionäre Partei, die das kommunistische Programm vorantreiben wird; das von einigen Reformisten und Stalinisten vorgeschlagene Spiel, nämlich am bürgerlichen Parlament teilzunehmen und somit zu warten, bis die Revolution aus dem Nichts kommt, ist jedoch falsch und irreführend. Die Mystifikation der bürgerlichen Demokratie geht auf eine falsche Analyse derjenigen zurück, die fest an Begriffe wie „Staatsbürgerschaft“ glauben. In der Tat, in einer Klassengesellschaft ist die einzig wahre Demokratie, d.h. die Herrschaft des Proletariats, nur durch eine proletarische Revolution zu erreichen. Diese Behauptung bedeutet nicht, dass die Revolution nahe ist oder wir uns ihr nähern; sie erfordert die bewusste Intervention des Proletariats. Mit Illusionen über die Arbeit in bürgerlichen Parlamenten werden die Arbeiter jedoch nicht emanzipiert.
Diese Analyse zielt nicht darauf ab, die Arbeiterklasse in Israel/Palästina aufzurufen, ihre Stimmzettel zu zerreissen, sondern sich in einer einheitlichen revolutionären Partei auf der Grundlage eines kommunistischen Programms zu organisieren. Der einzige Weg, den Kapitalismus sowie Nationalismus und Kriege loszuwerden, führt über die Revolution. Die Arbeiter haben kein Vaterland und müssen daher vereint werden, um ihre Zukunft in einer kommunistischen Gesellschaft aufzubauen.
DS
Das Ausmaß der Mobilisierung der "Gelbwesten" zeugt von der gewaltigen Wut im Innern der Gesellschaft, besonders in der Arbeiterklasse über die Austeritätspolitik der Macron-Regierung.
Den offiziellen Daten der Bourgeoisie zufolge ist das durchschnittliche Jahresnettoeinkommen zwischen 2008 und 2016 um 440 Euro gesunken. Dies ist nur ein kleiner Teil der Angriffe gegen die Arbeiterklasse. Denn hinzu kamen allgemeine Steuererhöhungen in verschiedenen Bereichen, der Anstieg der Arbeitslosigkeit, die Verschärfung und Ausdehnung der prekären Arbeitsbedingungen auch im Bereich des öffentlichen Dienstes, die Inflation insbesondere bei den Grundnahrungsmitteln, der Anstieg der Mieten usw. Die Verarmung schreitet unaufhaltsam voran, und damit verbunden nehmen die Zukunftsängste um unsere Kinder zu. Am härtesten sind von dieser zunehmenden Misere die Beschäftigten, ob fest oder prekär beschäftigt, die Arbeitslosen und die Rentner betroffen, denen am Ende des Monats oft das Geld ausgeht.
Die Medien und die Regierung haben die Verwüstungen und gewalttätigen Auseinandersetzung auf den Champs-Élysées in den Vordergrund gestellt, um den Eindruck zu erwecken, jeder Abwehrkampf gegen steigende Lebenshaltungskosten und die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen könnte nur zu Chaos und Anarchie führen.
Die im Dienst der Bourgeoisie stehenden Medien, die darauf spezialisiert sind, alles zu vermischen, wollen uns glauben machen, die „Gelbwesten“ seien "Extremisten“, die sich mit den Bullen herumschlagen wollen, während uns in Wirklichkeit diese Kräfte der Repression angreifen und provozieren! In Paris wurden am 24. November unaufhörlich Tränengasgranaten auf die Demonstranten geschossen, genauso wie die Bürgerkriegspolizei CRS auf Gruppen von Männern und Frauen einprügelten, die friedlich auf den Champs-Élysées marschierten.
Trotz der legitimen Wut vieler Arbeiter, die nicht mehr über die Runden kommen, hat diese Bewegung als solche keine Perspektive und sie ist nicht dazu in der Lage, die Regierung und die Arbeitgeber zur Zurücknahme der Angriffe zu zwingen.
Ein Teil der Arbeiterklasse ist in Wirklichkeit ins Schlepptau von Kleinunternehmern und ‚selbständigen‘ Unternehmern (LKW-, Taxi-, Krankenwagenfahrern) geraten, die wütend sind über die Steuererhöhungen und den Anstieg der Treibstoffpreise. Sie kämpfen mit völlig unwirksamen Mitteln, die nur in Sackgassen führen können (wie z.B. die von Priscillia Ludosky eingereichte Petition, die Straßenblockaden und die Besetzung von Kreisverkehren, wie Éric Drouet sie propagiert). Dies ist kein Zufall. Unter den acht Sprechern der "Gelbwesten“, die am 26. November ernannt wurden, gibt es eine erdrückende Mehrheit von Kleinunternehmern und selbständige Unternehmer.
Aber noch schlimmer, die Initiatoren der Bewegung haben die Arbeiter hinter die bürgerliche Ideologie des Nationalismus und der „Bürgergesellschaft“ locken können. Ein Teil der ärmsten Arbeiter hat sich vor den Karren der „Bürger Frankreichs“ spannen lassen, weil sie von „denen da Oben“ verachtet und nicht gehört werden, anstatt als Mitglied der Arbeiterklasse gesehen zu werden. Die Bewegung der "Gelbwesten" ist daher sehr deutlich eine zwischen den Klassen lavierende Bewegung, wo alle Klassen und Zwischenschichten zusammenströmen, obwohl sie gar nicht die gleichen Interessen haben. So kommen Proletarier (Arbeiter, Arbeitslose, prekär Beschäftigte, Rentner) und Kleinbürger (Handwerker, Freiberufliche, Kleinunternehmer, durch eine hohe Steuerlast in den Ruin getriebene Landwirte) zusammen. Die ärmsten Arbeiter haben sich gegen ihre wachsende Verarmung mobilisiert, gegen die Armut, anhaltende ökonomische Angriffe, Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, während die Kleinunternehmer lediglich gegen die Benzinpreiserhöhungen und Steuererhöhungen protestieren. Nur durch die Steuererhöhungen getrieben, wird die Wut der Kleinbürger vor allem durch die Tatsache bestimmt, dass die Regierung sie im Regen stehen lässt, da Macron die Großunternehmer begünstigt hat, insbesondere durch die Abschaffung der Vermögenssteuer. Die überwiegende Anzahl der Kleinunternehmer ist nicht an einer Lohnerhöhung, insbesondere nicht an der Erhöhung des Mindestlohns (SMIC) interessiert.
Die Kleinunternehmen nutzen insofern die Wut der Arbeiter in „Gelbwesten“ aus, um auf die Regierung Druck auszuüben und diese zum Nachgeben zu zwingen – nämlich die Steuererhöhungen rückgängig zu machen. Deshalb hat Marine Le Pen, die die Bewegung von Anfang an medienwirksam unterstützt hat, im Scheinwerferlicht der Medien betont, dass sie gegen eine Erhöhung des Mindestlohns ist, um die kleinen und mittleren Betriebe nicht zu benachteiligen!
Diese "Bürger"-Revolte ist eine Falle, bei der die meisten Parteien des politischen Apparats der Bourgeoisie natürlich als "Unterstützer" mitmischen. Von Marine Le Pen über Olivier Besancenot, über Mélenchon und Laurent Wauquiez (und sogar Brigitte Bardot), alle sind zur Stelle, um diese klassenübergreifende Bewegung und deren nationalistisches Gift zu unterstützen. Die Arbeiter müssen das Bündnis all dieser gegen das Programm Macrons gerichteten Cliquen verwerfen. Diese Kleinbürger manipulieren den Zorn der "Gelbwesten", um bei den Wahlen eine größtmögliche Zahl an Stimmen einzuheimsen und das nationale Kapital zu verteidigen, indem sie sich hinter der Nationalfahne Frankreichs, der Trikolore, sammeln und die Ausbeuter unterstützen.
Wenn alle diese Parteien die "Gelbwesten" nutzen um Macron zu schwächen, wissen sie, dass diese Bewegung den Kampf des Proletariats gegen seine Ausbeutung und Unterdrückung nicht im Geringsten verstärkt.
In dieser sogenannten "unpolitischen" und "außergewerkschaftlichen" Bewegung werden überhaupt keine Kampfmethoden des Proletariats angewandt. Es gibt keinen Aufruf zu Streiks und deren Ausdehnung auf alle Bereiche der Wirtschaft. Kein Aufruf zu souveränen Vollversammlungen in den Betrieben, damit die Beschäftigten gemeinsam über die Aktionen diskutieren und nachdenken, die ergriffen werden müssen, um den Kampf gegen die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen zu führen, über vereinigende Forderungen sowie die Zukunft zu diskutieren und nachzudenken. Dabei können nur diese Methoden des Klassenkampfes die Angriffe abschwächen und die Regierung und die Arbeitgeber zum Zurückweichen zwingen.
Der Kampf der Arbeiter ist nicht der Kampf "aller Armen“ gegen die „Reichen". Es ist der Kampf einer ausgebeuteten Klasse, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft lebt, gegen die Kapitalistenklasse, die ihre Profite macht durch die Ausbeutung der Arbeitskraft. Diese Ausbeutung liegt an der Wurzel der wachsenden Verarmung der Arbeiterklasse.
Die Arbeiterklasse muss ihre Lebensbedingungen auf ihrem eigenen Klassenterrain als autonome Klasse verteidigen, die unabhängig ist von den anderen Klassen und sozialen Schichten wie z.B. dem Kleinbürgertum. Wenn sich die Arbeiterklasse als autonome Klasse behauptet, indem sie einen massiven Kampf entwickelt, kann sie einen immer größeren Teil der Gesellschaft in ihren Bann ziehen. Aber das geht nur, indem sie ihre eigenen Methoden des Kampfes, ihren eigenen vereinigenden Slogans und schließlich ihr eigenes revolutionäres Projekt der Umwälzung der Gesellschaft ein- und umsetzt.
Im Jahr 1980 entfaltete sich in Polen eine riesige Massenbewegung von den Danziger Werften ausgehend, nachdem die Preise für Grundnahrungsmittel brutal erhöht worden waren. Um der Regierung entgegentreten zu können, hatten sich die Arbeiter zusammengeschlossen, sie hatten sich städteübergreifend als Klasse gegen die „rote“ Bourgeoisie und ihren stalinistischen Staat organisiert. Die anderen Bevölkerungsteile beteiligten sich an dem massiven Kampf der ausgebeuteten Klasse. Wenn das Proletariat seinen Kampf als eigenständige Klasse entwickelt, stehen die Vollversammlungen mit massiver Beteiligung im Vordergrund, die gleichzeitig souverän sind und allen am Kampf Beteiligten offenstehen. Dann gibt es keinen Platz für Nationalismus. Im Gegenteil, dann schlagen die Herzen für die internationale Solidarität, denn "die Proletarier haben kein Vaterland“, wie die Arbeiterbewegung schon von Anfang an seit dem 19. Jahrhundert verkündet hat. Die Arbeiter müssen sich also weigern, die Marseillaise zu singen und Fahnen wie die Trikolore zu schwenken, die die Fahne der Versailler war, die 30.000 Proletarier während der Pariser Kommune 1871 ermordeten.
Heute wollen die Arbeiter ihre tiefgreifende Wut zum Ausdruck bringen, aber sie wissen nicht, wie man effektiv kämpft, um ihre Lebensbedingungen gegen die zunehmenden Angriffe der Bourgeoisie und ihrer Regierung zu verteidigen.
Viele pensionierte Arbeiter haben ihre eigenen früheren Erfahrungen vergessen, wissen nicht mehr, wie man sich zusammenschließt und sich organisiert, ohne auf die Anweisungen der Gewerkschaften zu warten – d.h. so zu handeln wie im Mai 1968. Junge Arbeiter verfügen noch nicht über ausreichend Erfahrung im Klassenkampf und stoßen auf große Schwierigkeiten, die Fallen der Verteidiger des kapitalistischen Systems zu durchschauen.
Viele Arbeiter in "Gelbwesten" werfen den Gewerkschaften „Untätigkeit“ vor und dass sie nicht ihre „Aufgabe erfüllen“. Aus diesem Grund hat die CGT aus Konkurrenzverhalten zu den „Gelbwesten“ versucht, Boden gut zu machen, indem sie zu einem neuen "Aktionstag" für den 1. Dezember aufgerufen hat, d.h. wenn die „Gelbwesten" auf den Champs-Élysées zusammenkommen wollen. In Anbetracht des Misstrauens gegenüber den Gewerkschaften kann man davon ausgehen, dass die CGT und die anderen Gewerkschaften weiterhin "ihren dreckigen Job machen" (in Komplizenschaft mit den Trotzkisten der NPA und "Lutte Ouvrière"): kontrollieren, spalten, zersplittern, sabotieren und die Kampfbereitschaft zermürben, um die spontanen und nach Einheit strebenden Bewegungen der Arbeiter auf ihrer Klassengrundlage zu verhindern.
Vergessen wir nicht all die gewerkschaftlichen Manöver der Sabotage von Kämpfen, wie wir sie wieder gesehen haben bei dem ‚Nadelstich‘-Streik bei der SNCF unter Führung der Gewerkschaften. Vergessen wir nicht die vielen "Aktionstage", die wirkungslos blieben und mit ihren vielen spaziergangsähnlichen Demonstrationen nur in der Zerstreuung und Spaltung endeten, so wie am 9. Oktober, oder als eine Woche später die Rentner auf die Straße gingen, und dann wurde drei Tage später im Erziehungswesen gestreikt.
Die tiefe Unzufriedenheit vieler Arbeiter gegenüber den Gewerkschaften wurde von denjenigen, die die Bewegung der „Gelbwesten“ ins Leben gerufen haben, wieder eingefangen. Sie konnten dabei auf die Unterstützung aller bürgerlichen politischen Parteien bauen.
Die Botschaft, die alle heuchlerischen Anhänger der Arbeiter in den „Gelbwesten“ vermitteln wollen, lautet: Die Kampfmethoden der Arbeiterklasse (Streiks, Massendemonstrationen, Vollversammlungen mit gewählten und jederzeit abwählbaren Delegierten, Streikkomitees …) führten zu nichts. Man müsse deshalb nun den Kleinunternehmern vertrauen, damit andere Methoden eines angeblich radikalen Kampfes, der zu einem Sammelbecken werden könne, gefunden werden, wo sich alle „Bürger“ aus „ganz Frankreich“ gegen den „Diktator“ und „Präsidenten der Reichen, Macron“ zusammenschließen.
Die Arbeiterklasse kann ihren Kampf nicht delegieren und ihn in die Hände anderer legen, weder in die Hände von gesellschaftlich reaktionären Schichten noch in die der Parteien, die behaupten, sie zu unterstützen. Auch dürfen sie nicht den Gewerkschaften vertrauen, die sich als ihre Freunde ausgeben. All diese Kräfte besetzen und kontrollieren den Kampfring, um die Arbeiter daran zu hindern, massiv den Kampf aufzunehmen und einen eigenständigen, solidarischen und vereinten Kampf gegen die Angriffe der Herrschenden zu führen, bei dem Widerstand geleistet wird gegen „das zu teure Leben“, die Arbeitslosigkeit und prekäre Arbeitsbedingungen, die Verdichtung der Arbeit, die Lohn- und Rentenkürzungen usw. Um ihren Kampf zu entfalten und ein Kräfteverhältnis aufzubauen, das die Angriffe der Herrschenden aufhält und sie zum Nachgeben zwingt, darf die Arbeiterklasse nur auf ihre eigene Kraft bauen. Sie muss ihre eigene Klassenidentität wiederfinden, anstatt sich im „französischen Volk“ aufzulösen. Sie muss das Vertrauen in ihre eigenen Stärken zurückgewinnen, indem sie den Kampf auf ihrer eigenen Klassengrundlage führt und dabei alle Barrieren zwischen den Branchen, den Betrieben und Ländern überwindet.
Um sich auf zukünftige Kämpfe vorzubereiten, müssen alle kämpferischen Arbeiter, die sich der Notwendigkeit des proletarischen Kampfes bewusst sind, versuchen zusammenzukommen, um zusammen zu diskutieren, die Lehren der letzten sozialen Bewegungen zu ziehen und sich wieder die Geschichte der Arbeiterbewegung aneignen. Sie dürfen den Gewerkschaften nicht das Feld überlassen und sich auch nicht durch die falschen Mobilisierungen durch die Populisten und die Vertreter der kleinbürgerlichen Schichten im Namen der „Bürger“ und des „Volkes“ einschläfern lassen.
Trotz aller Schwierigkeiten des Proletariats, die Zukunft liegt weiterhin im Klassenkampf.
Révolution Internationale
Sektion der Internationalen kommunistischen Strömung in Frankreich
29. November 2018
(Wir organisieren in Kürze Diskussionsveranstaltungen zum Thema „Geldwesten“ - warum die Arbeiterklasse ihre Klassenautonomie verteidigen muss!“ Nähere Angaben siehe unsere Webseite.)
Artikel von unserer Sektion in Frankreich Révolution Internationale, während den Ereignissen geschrieben:
Präsident Emmanuel Macron brach sein Schweigen, indem er am 10. Dezember um 20.00 Uhr auf allen Fernsehsendern zu den Franzosen sprach: "Französische Frauen und Franzosen, hier sind wir gemeinsam am Treffpunkt unseres Landes und der Zukunft. Die Ereignisse der letzten Wochen (...) haben legitime Forderungen mit einem Ausbruch inakzeptabler Gewalt vermischt. (....) Diese Gewalt wird nicht nachsichtig sein. Es gibt keinen Zorn, der es rechtfertigt, einen Polizisten, einen Gendarm anzugreifen, ein Unternehmen oder öffentliche Gebäude zu beschädigen. (...) Wenn Gewalt ausbricht, hört die Freiheit auf. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, dass sich eine ruhige und republikanische Ordnung durchsetzt. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um dies zu erreichen. (....) Ich habe der Regierung die strengsten Anweisungen dazu gegeben.
Aber zu Beginn all dessen vergesse ich nicht, dass es Wut und Empörung gibt. Und diese Empörung, viele von uns, viele Franzosen können sie teilen (...) Aber diese Wut ist tiefer, ich empfinde sie in vielerlei Hinsicht als fair, und sie kann unsere Chance sein (...) Es sind vierzig Jahre des Unbehagens, die wieder auftauchen.
Wir waren wahrscheinlich in den letzten anderthalb Jahren nicht in der Lage, eine schnelle und starke Antwort darauf zu geben. Ich übernehme meinen Teil der Verantwortung. Ich weiß, dass ich in der Vergangenheit einige von euch mit meinen Worten verletzt habe. (....) Wir werden nicht zum normalen Verlauf unseres Lebens zurückkehren, wie in der Vergangenheit allzu oft in Krisenzeiten. Wir befinden uns in einem historischen Moment in unserem Land. Ich möchte auch, dass wir die Nation in Übereinstimmung mit sich selbst und ihrer tiefen Identität bringen. Dass wir das Problem der Einwanderung angehen."
Keine "republikanische Strafverfolgung" rechtfertigt in der Tat, dass Polizisten Flashballs auf Minderjährige (ohne Helm oder Schild) schießen, auf Jugendliche und Schüler, deren körperliche Verletzungen viel schwerer wiegend sind als die der Polizisten, die am Samstag, den 1. Dezember, vor dem Grab des unbekannten Soldaten angegriffen wurden. Keine "republikanische Strafverfolgung" rechtfertigt es, dass die Polizei Tränengasgranaten gegen Demonstranten feuert, die friedlich auf der Avenue des Champs-Élysées laufen; Demonstranten, unter denen es ältere Menschen gab (und viele von ihnen waren Frauen). Keine "republikanische Strafverfolgung" rechtfertigt die Verkrüppelung von Teenagern, wenn deren Hände durch die Explosion einer offensiven Granate abgerissen werden (einer Waffe, die in anderen europäischen Ländern nicht verwendet wird).
Wenn Polizeigewalt gegen Jugendliche entfesselt wird, kann sie nur zu Unruhen in den Städten führen (wie 2005); sie kann nur das soziale Chaos verschärfen. Gewalt kann nur Gewalt erzeugen! Auf Teenager zu schießen, ist ein Verbrechen. Wenn die Beamten der Polizei der "republikanischen Ordnung" Kinder töten (wie es bei diesem schwer verwundeten Gymnasiasten in einer Gemeinde in Loiret fast der Fall war), bedeutet das, dass diese republikanische Ordnung der Menschheit keine Zukunft zu bieten hat! Diese den Tod an Kindern in Kauf nehmende Polizeigewalt ist verabscheuungswürdig und abscheulich! "Ruhe" und "sozialer Frieden" werden sicherlich nicht mit Einschüchterung und Drohungen wiederhergestellt werden.
Die Rede des Präsidenten der Republik richtet sich nur an "französische Männer und Frauen", während viele Arbeiter_innen, die ihre Steuern zahlen, nicht "Französinnen oder Franzosen" sind. Unsere Vorfahren waren nicht "Gallier", sondern Afrikaner (auch wenn das der Gallierin Madame Le Pen nicht gefällt!): Afrika ist die Wiege der menschlichen Gattung, wie Wissenschaftler, Anthropologen und Primatologen wissen. Nur die Kirchen behaupten noch immer, dass Gott den Menschen erschaffen hat. Wie der Philosoph Spinoza sagte: "Unwissenheit ist kein Argument".
Alle Konjunkturindikatoren liegen wieder im roten Bereich. Zehn Jahre nach der Finanzkrise 2008, die die Staatsverschuldung weiter verschärfte, droht wieder eine neue Finanzkrise mit dem Risiko eines neuen Börsencrashs. Aber jetzt rebelliert das "Volk"! Weil es das "Volk" war, das von allen Regierungen mit Sparplänen in allen Ländern für die Krise 2008 zur Kasse gebeten wurde. Die Arbeiter_innen mussten zusätzliche Opfer hinnehmen, um "alle gemeinsam" aus der Krise herauszukommen (seit 2008 beträgt der durchschnittliche Kaufkraftverlust der Arbeiter_innen 440 Euro pro Haushalt). Der Staat musste uns vor dem Risiko einer Reihe von Bankenpleiten "schützen", bei denen das "Volk" seine kleinen Ersparnisse hinterlegt hat, um im hohen Alter überleben zu können. Diese Opfer, insbesondere bei der Kaufkraft der Haushalte, sollten das Wachstum wiederherstellen und die Arbeitsplätze schützen.
Nach zehn Jahren Opfer, um Banken vor dem Bankrott zu bewahren und das Haushaltsdefizit des Nationalstaates zu aufzufangen, ist es normal, dass das "Volk" nicht mehr über die Runden kommt und empört ist, die "Reichen" im Luxus leben zu sehen, während die "Armen" nicht mehr genug Geld haben, um den Kühlschrank zu füllen oder an Weihnachten Spielzeug für ihre Kinder zu kaufen.
Der Präsident hat daher völlig Recht, wenn er den "wirtschaftlichen und sozialen Notstand" ausruft. Er braucht unbedingt neue "soziale Feuerwehrleute", um das "Feuer" des Klassenkampfes zu löschen, denn die großen Gewerkschaftsverbände haben ihre schmutzige Arbeit sorgfältig verrichtet, um die Kämpfe der Arbeiter zu sabotieren, um der Regierung und den Arbeitgebern zu helfen, ihre Angriffe auf unsere Lebensbedingungen durchzusetzen. Die "Reichen" sind diejenigen, die Arbeitskraft der "Armen" für Profit, Mehrwert und zur Aufrechterhaltung ihrer Privilegien ausbeuten. Das hat Karl Marx 1848 im "Manifest der Kommunistischen Partei"[1] deutlich gemacht.
Um die Krise der Exekutive zu überwinden und den "Dialog" zu eröffnen, kündigte "unser" Präsident folgende Maßnahmen an: Erhöhung des Mindestlohns um 100 Euro pro Monat, Aufhebung der Erhöhung der CSG (Sozialabgaben) für Rentner, die weniger als 2.000 Euro pro Monat erhalten, Steuerbefreiung für Überstunden. Er bat auch die Chefs, die es können, ihren Mitarbeitern Jahresabschlussboni zu zahlen (die ebenfalls steuerfrei sind). "Unser Präsident der „Republik in Bewegung" (République en Marche) hat daher "einen Schritt nach vorne" gemacht. Die zu ziehende Lehre wäre daher, dass nur "moderne" (und nicht "altmodische") Kampfmethoden wie die der "Gelbwesten" sich auszahlen und die Regierung zum „Nachgeben“ zwingen können!
Wir unsererseits bleiben "Nerds", die davon überzeugt sind, dass Boulespiel-Kugeln und andere Geschosse zur Bekämpfung intensiver Tränengasbombardierungen völlig wirkungslos sind und nur zur Eskalation von Gewalt, sozialem Chaos und zur Stärkung des Polizeistaats beitragen können. Der proletarische Klassenkampf ist keine Schleuder. Die Hauptwaffen des Proletariats bleiben seine Organisation und sein Bewusstsein. Denn "wenn die Theorie die Massen ergreift, wird sie zur materiellen Kraft", sagte Karl Marx. Im Gegensatz zur Bewegung der "Gelbwesten" beziehen wir uns bei den "Galliern" nicht auf die Französische Revolution von 1789 (mit ihrer Guillotine, ihrer Trikolore und ihrer Nationalhymne), sondern auf die Pariser Kommune von 1871.
Seit dem "Schwarzen Samstag" vom 1. Dezember haben uns die Medien einen echten Live-Thriller auf allen Fernsehbildschirmen und sozialen Netzwerken vorgeführt: Wird der "Präsident der Reichen", Emmanuel Macron, unter dem Druck der Bewegung "Gelbwesten" endlich "einen Rückzieher" machen? Wird er der Entschlossenheit der "Gelbwesten", die an den Straßenkreiseln lagern, nachgeben und den Losungen von Éric Drouet, einer führenden Persönlichkeit und Initiatorin der Bewegung, folgen?
Der Marsch der "Gelbwesten" auf den Champs-Élysées am Samstag, den 1. Dezember, war zu einem wahren städtischen Guerillakrieg geworden, der sich in einen Aufstand mit halluzinatorischen Gewaltszenen unter dem Arc de Triomphe wie auf den Straßen Kléber und Foch im 16. Arrondissement verwandelte. Schon zwei Wochen zuvor, am 17. November, hatten die "Polizeikräfte" nicht gezögert, Tränengas einzusetzen und Gruppen von "Bürgern", Männern und Frauen in Gelbwesten, anzugreifen, die ruhig auf den Champs-Élysées marschierten und dabei die Marseillaise sangen und die Trikolore schwenkten. Diese polizeilichen Provokationen konnten die Wut der Bürger in "Gelbwesten" gegen den „Bürger in Anzug und Krawatte“ des Elysée-Palastes nur schüren. Die Forderung nach "Akt III" der "Gelbwesten" hat somit zu einer Nachahmung unter den deklassierten Elementen des französischen "Volkes" geführt. Organisierte Banden von professionellen Randalierern, schwarzen Blöcken, rechtsextremen Handlangern, "Anarchisten" und anderen mysteriösen, nicht identifizierten "Randalierern" nutzten die Gelegenheit, um auf der "schönsten Allee der Welt" ein Chaos anzurichten.
Aber was das Pulver in Brand setzte, war ein Fehler in der "Strategie" des Innenministeriums zur Aufrechterhaltung der Ordnung: die Einrichtung einer "Fan-Zone" auf Seiten der Champs-Élysées zum Schutz der schönen Viertel der Reichen. Nach dem "Schwarzen Samstag" räumte Innenminister Christophe Castaner seinen Fehler ein: "Wir haben einen Fehler gemacht!“ Ein weiterer Fehler wurde ebenfalls anerkannt: die mangelnde Mobilität der CRS und Gendarmen, die von der Situation (trotz ihrer Wasserwerfer und des unaufhörlichen Feuerns von Tränengasgranaten) völlig überwältigt, ja in Angst und Schrecken gerieten, als einer von ihnen verprügelt und sie selbst mit allen möglichen Wurfgegenständen beworfen wurden. Die Medien wiederholten diese groteske Szene während der ganzen Woche im Fernsehen, bei der die CRS gezwungen waren, sich vor den Gruppen von "Gelbwesten" um den Arc de Triomphe zurückzuziehen. Die aufgezeichneten Kommentare, die selten von den Medien ausgestrahlt wurden: "Nächsten Samstag kommen wir mit Waffen zurück", sowie der Zorn der Ladenbesitzer und Bewohner der Nobelbezirke über die Fahrlässigkeit der Polizeikräfte, wurden von der Regierung und der gesamten politischen Klasse deutlich vernommen. Die Gefahr, dass die Französische Republik im sozialen Chaos versinkt, wurde durch die Bereitschaft eines Teils der Bevölkerung des 16. und 8. Arrondissements weiter verstärkt, sich selbst zu verteidigen, wenn die Polizei sie bei der für Samstag, den 8. Dezember geplanten vierten "Demonstration" der "Gelbwesten" (Akt IV mit dem kindischen Slogan: "Alle auf zum Elysée!") nicht vor der Spirale der Gewalt schützen könnte.
Der dramatischste Aspekt bei der Krise der Exekutive ist der Verlust der Glaubwürdigkeit des "Staates als Beschützer" und seines "Strafverfolgungsapparates". Diese Schwäche des Apparates um Macron (und die Unterschätzung des Ausmaßes der Unzufriedenheit, die im Innern der Gesellschaft zu spüren ist) verlieh nicht nur "radikalen" Gelbwesten Auftrieb, sondern auch all denen, die "Polizisten verprügeln" wollen, um angesichts der Perspektivlosigkeit überall Feuer zu legen, besonders bei den jüngeren Generationen, die mit Arbeitslosigkeit und Unsicherheit konfrontiert sind. Viele junge Menschen, die die Universität mit Abschluss in der Tasche verlassen, finden keinen Job und sind gezwungen, irgendwelche Jobs zu machen, um zu überleben.
Angesichts der Gefahr, die Kontrolle über die Situation zu verlieren und die Regierung den Kopf verliert, beschloss Präsident Macron, nachdem er den Schaden (auch in Bezug auf die "Moral der Einsatzkräfte" der CRS, die von der städtischen Guerilla schockiert waren, auf die sie nicht vorbereitet waren) gesehen hatte, sich in seinem Bunker des Elysées einzusperren, um "nachzudenken", indem er die gesamte politische Klasse ins Boot holte und seinen Premierminister Edouard Philippe, unterstützt von Innenminister Christophe Castaner, vorschickte.
Abgesehen von dem dünkelhaften Auftreten des jüngsten Präsidenten der Französischen Republik wirkte er auch wie ein Feigling, der sich hinter seinem Premierminister "versteckt" und sich nicht in der Lage sieht, aus dem Schatten zu treten, um "mit seinem Volk zu sprechen". Die Medien verbreiteten sogar das Gerücht, dass Emmanuel Macron Edouard Philippe oder sogar den Innenminister als "Blitzableiter" benutzen würde, d.h. sie für seine eigenen Fehler verantwortlich machen würde.
In der gesamten politischen Klasse wurde nach dem "Schwarzen Samstag" Jupiter Macron als der Sündenbock und der einzige Verantwortliche für das soziale Chaos bezeichnet. Der "Brandstiftende Präsident" soll mit seiner "Erbsünde" das Feuer gelegt haben: der Abschaffung der Vermögenssteuer und seiner arroganten und provozierenden Haltung. Die Ankündigung der jüngsten Sparmaßnahmen (Erhöhung der Kraftstoff-, Gas- und Stromsteuer) wäre nur der Funke gewesen, der das Pulver in Brand gesetzt hätte. Von der extremen Rechten bis zur extremen Linken protestierten alle bürgerlichen Cliquen lauthals und versuchten, sich von ihrer Mitschuld freizusprechen. Alle Cliquen des bürgerlichen politischen Apparats, der die Bürgerbewegung der "Gelbwesten" feige "unterstützte", ließen den kleinen Präsidenten fallen und forderten ihn auf, endlich die Rufe des "Volkes" zu hören, das nicht mehr über die Runden kommen kann. Einige haben ein Referendum gefordert, andere die Auflösung der Nationalversammlung. Alle riefen den Präsidenten auf, seine Verantwortung zu übernehmen. Auch die Staatsoberhäupter anderer Länder (Trump, Erdogan, Putin...) begannen, auf den jungen Präsidenten der Französischen Republik rote Kugeln zu schießen, indem sie ihm eine Narrenkappe aufsetzten, weil sie zu viel Unterdrückung gegen sein Volk gezeigt hatten. Es ist wirklich das Krankenhaus, das sich über die Nächstenliebe lustig macht, die Entfesselung der Haltung des „Jeder für sich“ und Gott für alle!
Bereits am Dienstag, den 3. Dezember, kündigte der Premierminister drei Maßnahmen an, um aus der Krise herauszukommen, soziale Spannungen "abzubauen" und die Eskalation der Gewalt zu verhindern: eine sechsmonatige Aussetzung der Kraftstoffsteuer, eine dreimonatige Aussetzung der Erhöhung der Gas- und Strompreise und eine Reform der technischen Überwachung von Fahrzeugen, die im Namen des "ökologischen Übergangs" viele von ihnen zum Verschrotten ihrer Fahrzeug verurteilten. Aber dieser "Trick" verschärfte nur die Wut der beschäftigten Armen in den Reihen der „Gelbwesten“. Die Leute ließen sich nicht hinters Licht führen: "Macron versucht, uns zu verarschen!" "Er denkt, wir sind dumm!" Sogar die PCF rief: "Wir sind keine Tauben, denen wir Krümel geben!" Ein Brand kann nicht mit einer Gießkanne (oder Wasserwerfern) gelöscht werden.
Angesichts des Aufschreis, der durch diese "Ankündigung" ausgelöst wurde, trat Premierminister Edouard Philippe am nächsten Tag mit bemerkenswerter Gelassenheit auf, um mit dem französischen "Volk" zu sprechen und anzukündigen, dass schließlich die Erhöhungen der Kraftstoffsteuern nicht ausgesetzt, sondern einfach aufgehoben würde. Nach der Ankündigung des jüngsten "Ausweichmanövers" der Regierung (Steuerbefreiung für Überstundenzuschläge) sagte Benoit Hamon, die „Rechnung geht nicht auf“. Die Regierung hatte keine andere Wahl, als weitere Zugeständnisse zu machen um die Geister zu „beruhigen“ und zu verhindern, dass sich der städtische Guerillakrieg auf den Champs-Élysées noch weiter verschärft, obwohl diese Gewalt die Bewegung der "Gelbwesten" nicht diskreditieren konnte.
Seit dem "schwarzen Samstag" geht die Regierung mit Zuckerbrot und Peitsche vor. Diese kleinen diplomatischen Zugeständnisse wurden von einem gigantischen Medienhype um den "außergewöhnlichen" Einsatz der Polizei für den "Akt IV" der "Gelbwesten" am Samstag, den 8. Dezember, begleitet. Um der bürgerlichen "Demokratie" nicht zu schaden, hat die Regierung die Kundgebung nicht verboten. Es ging auch nicht darum, den Ausnahmezustand auszurufen (wie von bestimmten Teilen des politischen Apparats ins Auge gefasst und sogar gefordert).
Nachdem das "Problem" mit allen für die innere Sicherheit zuständigen hohen Beamten besprochen wurde, versuchte unser nachsichtige Minister für innere Angelegenheiten, "alle" zu beruhigen, indem er ankündigte, dass in Zusammenarbeit mit dem Justizministerium eine andere Strategie der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung entwickelt worden sei. Die Polizei sollte sich nicht mehr in der Hauptstadt und im ganzen Land zurückziehen. Der Ausnahmezustand sei nicht erforderlich: Es gäbe keine "unmittelbare Gefahr" für die Republik.
Was in den schönen, reichen Stadtteilen von Paris passiert ist, insbesondere die Plünderungen, ähnelt eher den Hungerunruhen, wie sie 2001 in Argentinien, und den Aufständen in den Vorstädten, wie sie 2005 in Frankreich stattgefunden haben. Der Slogan "Macron tritt zurück“ ähnelt ähnlichen Parolen im arabischen Frühling 2011, die in den sozialen Netzwerken kursierten. Deshalb lesen wir auch auf den Plakaten: "Macron - Rücktritt!".
Aber auch trotz dieses außerordentlichen gewaltigen Aufmarsches der Polizeikräfte gelang es nicht, "alle" zu beruhigen, so dass der Innenminister geduldig auf Fernsehbildschirmen erklären musste, dass es sich bei den Räumfahrzeugen der Gendarmerie nicht um Panzer handelt, sondern nur um Fahrzeuge, die dazu bestimmt sind, Barrikaden zu räumen und die Polizei in ihrem Einsatz zu schützen. Ziel eines solchen Einsatzes sei es, Todesfälle sowohl bei Demonstranten als auch bei der Polizei zu vermeiden, obwohl es viele Verletzungen und 1.723 Festnahmen gab (ganz zu schweigen von Sachschäden).
Der Präsident hat daher viel „nachgedacht“ mit Unterstützung seines engen Kreises von "Spezialisten" und "Beratern" und, hinter den Kulissen, unter Mitwirkung all der „Pufferorganisationen“ und den professionellen Sozialfeuerwehrleuten der Gewerkschaften. Der von der CGT ausgerufene unbefristete LKW-Fahrerstreik wurde 48 Stunden später abgesagt, da die Verkehrsministerin den LKW-Fahrern sofort garantierte, dass die Vergütung der Überstunden aufrechterhalten bliebe, noch bevor von ihnen der Streik ausgerufen wurde!
Der Präsident der Republik stand vor einem chinesischen "Rätsel". Indem er in Anbetracht des „Protestes aus dem Volk“ zu einigen Konzessionen (die zu spät gemacht wurden) gezwungen wurde, hat er die Büchse der Pandora geöffnet: Es bestand die Gefahr, dass das ganze "Volk" auf den Plan gerufen wird, wie wir auch bei den massiven Demonstrationen von Gymnasiasten (ohne "Gelbwesten" oder Trikolore) gegen die Reform des Abiturs und des Parcours Sup (Zulassungsbedingungen zur Uni) gesehen haben. Aber falls Emmanuel Macron sich weiterhin weigerte, Zugeständnisse zu machen, riskierte er eine größere Welle von Demonstranten in "Gelbwesten", die seinen Rücktritt forderten.
Wie wird die Regierung nun die Büchse der Pandora schließen? Die Regierung stand vor einem weiteren Dilemma, das sie schnell lösen musste, um die Gefahr einer Spirale von Gewalt mit Todesfällen während der Demonstration am 8. Dezember einzudämmen. Nach den Angriffen gegen die CRS, die vor dem Arc de Triomphe zum Rückzug gezwungen wurde, galt es vor allem zu zeigen, dass "der Staat wieder über das Gewaltmonopol verfügt“ und die Glaubwürdigkeit des "schützenden" und die "nationale Einheit garantierenden" Apparates wiederherstellt. Die Macron-Regierung konnte es nicht riskieren, den französischen demokratischen Staat als eine einfache Bananenrepublik der "Dritten Welt" erscheinen zu lassen, die nur mit einer starken Militärjunta an der Macht überleben kann.
Mit diesem Fokus auf den "Tag X" und das Problem der Gewalt sollte sichergestellt werden, dass die Regierung nicht bei einem der zentralen Themen "zurückweichen" sollte: den Lohnerhöhungen. Vor allem aber blieb der "Präsident der Reichen" bei der Abschaffung der Vermögenssteuer, die als tiefgreifende Ungerechtigkeit angesehen wurde, "standhaft". Es kommt nicht in Frage, "das wieder zurückzunehmen, was wir seit 18 Monaten getan haben", so der Präsident, wie er in den Medien widergegeben wurde.
Dies ermöglichte es Marine Le Pen, am Vorabend des 8, Dezembers eine neue Erklärung abzugeben, um noch einmal über Macron zu sprechen, "diesem kaltblütigen Mann", der zeigt, dass er "über kein Mitgefühl für die Menschen verfügt". Das ist reine Heuchelei! Kein Staatsoberhaupt hat "Mitgefühl für das Volk". Wenn Madame Le Pen (die eines Tages "Staatsoberhaupt" werden will) ein solches "Mitgefühl für die Menschen" hat, warum hat sie dann vor den Fernsehern gesagt, dass sie nicht für eine Erhöhung des Mindestlohns ist, um die Firmeninhaber der kleinen und mittleren Unternehmen (PME), die zu ihrer Wählerschaft gehören, nicht zu bestrafen? Alle diese bürgerlichen Parteien, die die "Gelbwesten" unterstützen und ihre ganze Aufmerksamkeit auf Macrons verabscheuungswürdige Persönlichkeit richten, wollen uns glauben machen, der Kapitalismus werde von diesem oder jenem Individuum personifiziert, wobei tatsächlich das Weltwirtschaftssystem zerstört werden muss. Dies kann nicht innerhalb von wenigen Tagen erfolgen, wenn man bedenkt, wie lang der Weg dahin noch ist (wir glauben nicht an den Mythos, dass wir am Vorabend solch eines Schrittes stehen). Macrons Rücktritt und seine Ablösung durch einen „Kasperle-Joker" wird das wachsende Elend der Proletarier nicht ändern. Die Armut wird sich aufgrund der Erschütterungen der Weltwirtschaftskrise, deren Ende nicht in Sicht ist, weiter verschärfen.
Die klassenübergreifende Bewegung der "Gelbwesten" konnte nur zwischen "Extremisten" und "Gemäßigten" gespalten werden. Éric Drouet, der Initiator der Bewegung in den sozialen Netzwerken, dachte, er könne mit den verschiedenen "Akten" ein Theaterstück aufführen. Im Fernsehen erklärte er deutlich, dass sein Aufruf zum "Akt IV" am Samstag, den 8. Dezember, die "Gelbwesten" dazu bringen würde, zum Elysée-Palast zu ziehen und eine Debatte mit dem "König" Macron zu führen. Dieser kleine größenwahnsinnige Abenteurer stellte sich vielleicht vor, dass die "Gelbwesten" der Republikanischen Garde, die den Präsidentenpalast schützt, standhalten könnten. Man betritt die Elysée nicht wie in einem alten Gebäude, in dem es keinen Hausmeister oder Digitalcode gibt! Nachdem die Vorbereitungen getroffen waren, sollte der "König" den Anführern der "sans culottes" den Hintern versohlen können.
Am Vorabend der Demonstration am 8. Dezember wurde berichtet, dass diesem jungen LKW-Fahrer eine gerichtliche Untersuchung wegen "Aufstachelung zu einem Verbrechen" bevorstünde, was ihn fünf Jahre Gefängnis kosten könnte! Eric Drouets abenteuerliche und aktivistische Methoden (und seiner virtuellen "Freunde") sind typisch für das Kleinbürgertum. Sie zeigen die Verzweiflung der "mittleren" sozialen Schichten (die sich zwischen den beiden grundlegenden Klassen der Gesellschaft befinden: der Bourgeoisie und dem Proletariat), die ebenfalls von der Verarmung betroffen sind.
Die Regierung hat auch versucht, die Kontrolle über die Situation zurückzugewinnen, indem sie ein Kollektiv von "freien Gelbwesten" gründete, die sich von den "Radikalen" unterschieden haben, die sich hinter der Fahne des "schlechten Bürgers" Éric Drouet versammelt hatten. Die drei Hauptvertreter dieses "Kollektivs" der "gemäßigten" Gelbwesten distanzierten sich von ihren "Kameraden", nachdem sie am "Schwarzen Samstag" teilgenommen hatten. Wer sind diese drei neuen ‚Sterne‘ in einer "Gelbweste"?
- ein Schmied, Christophe Chalençon, der den Rücktritt der Regierung gefordert und die Ernennung von General De Villiers zum Premierminister vorgeschlagen hatte (nachdem er am 28. Juni 2015 auf Facebook angekündigt hatte, dass er gegen Einwanderer ist und einen Beitritt zur Front Nationalen in Betracht gezogen hatte, bevor er "Macron-Anhänger" und dann ein unglücklicher Verlierer als Kandidat bei den letzten Parlamentswahlen wurde) !
- eine Frau, Jacline Mouraud, liberale Hypno-Therapeutin und Akkordeonspielerin;
- ein dynamischer Manager und den Rechtsextreme nahestehend: Benjamin Cauchy.
Diese "freien Gelbwesten" sind königlicher geworden als der König. Während die Regierung die Demonstration vom 8. Dezember in Paris nicht verboten hatte, rief das selbsternannte Triumvirat die "Gelbwesten" auf, nicht teilzunehmen (um nicht das "Spiel der Regierung" zu spielen!). Diese drei Sprecher der Bewegung wurden (zusammen mit vier weiteren) vom Premierminister als bevorzugte Gesprächspartner für die "freien Gelbwesten" empfangen. Sie zeigten ihre weißen Pfoten als "gute Bürger", verantwortungsbewusst, dialogbereit und bereit, mit der Regierung zusammenzuarbeiten, damit "wir miteinander reden können". Wie Jacline Mouraud nach einem Treffen mit Edouard Philippe im Matignon sagte: Der Premierminister "hörte uns zu", räumte ein, dass die Regierung Fehler gemacht habe und "wir konnten über alles reden".
Wir haben auch im Fernsehen nach dem "schwarzen Samstag "Gelbwesten" gesehen, die behaupteten, die CRS jetzt vor "Randalierern" schützen zu wollen. Es steht die Welt auf dem Kopf! Auf den Fernsehbildschirmen wurde auch das erbärmliche Spektakel einer Gruppe von "Gelbwesten" gezeigt, die der Polizei von Fréjus und der Gendarmerie Croissants anboten, um mit diesen „gut Freund“ zu sein. Der Gendarm, der sie begrüßte, war erstaunt, diese "Gelbwesten" beschämt und reuevoll zu hören wie sie für die Gewalt des "schwarzen Samstags" entschuldigten: "Wir hätten uns gewünscht, dass ihr bei uns wärt, aber da das nicht möglich ist, wollten wir euch (mit Croissants) sagen, dass wir bei euch sind und wir auch für euch kämpfen". Dass Demonstranten in einer sozialen Bewegung versuchen, die Repressionskräfte zu demoralisieren oder sie sogar aufzufordern, die Seiten zu wechseln, ist eine richtige Vorgehensweise, wie viele Beispiele in der Geschichte bestätigt haben. Aber wir haben noch nie gesehen, wie sich die Unterdrückten bei den Unterdrückern entschuldigen! Hat sich die Polizei jemals für die vielen ‚Fehler‘ entschuldigt, die sie begangen hat, wie z.B. einen jungen Gymnasiasten in der Region Loiret mit Hartgummigeschossen schwer verletzt zu haben, ganz zu schweigen vom Tod von zwei Kindern, die die Unruhen in den Vororten im Herbst 2005 ausgelöst haben?
Es war dieses Vorgehen der Polizei, das den Hass auf die Polizisten und den Wunsch der Jugendlichen verstärkt hat, "die Polizisten zu verprügeln", indem sie nicht nur den Müll, sondern auch die Schulen in Brand gesetzt haben. In diesen Aufständen der Verzweiflung wurde die Idee deutlich, dass es "keinen Sinn macht, zur Schule zu gehen", um einen Beruf zu finden, da Papa arbeitslos ist und Mama putzen gehen muss, um genügend zu essen zu haben. In einigen verarmten Stadtteilen von Paris entwickelt sich weiterhin eine Art Schwarzmarkt mit allen möglichen Produkten, z.B. Diebesgut und inzwischen auch geplünderte Waren. Ganz zu schweigen von diesen Migrantenkindern, die auf der Straße in der "Goutte d'Or" (sic!) (Goldener Tropfen) des Ghettos des 18. Pariser Arrondissements leben, ohne Familie, die nicht in die Schule gehen können und die echte "Straffällige" sind (aber es ist nicht "genetisch" bedingt, wie der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy meinte).
Während einige Bereiche der verarmten Kleinbourgeoisie sich in Gewalttaten stürzen, haben andere nun die Hände an der Hosennaht. Letztendlich wechselte diese instabile und opportunistische soziale Zwischenschicht unter den gegenwärtigen Umständen nicht auf die Seite des Proletariats, wie es zu anderen Zeiten in der Geschichte möglich war, sondern auf die Seite der Großbourgeoisie.
Gerade weil die Bewegung der Gelbwesten klassenübergreifend ist, wurde sie nicht nur durch das ideologische Gift des patriotischen Nationalismus, sondern auch durch den ekelhaften Gestank der populistischen, ausländerfeindlichen Ideologie infiltriert. Tatsächlich steht auf der Liste (à la Prévert!) der "42 Forderungen" der "Gelbwesten" die der Rückführung illegaler Einwanderer an die Grenzen! Deshalb erlaubte sich "unser" Präsident in seiner Rede am 10. Dezember, den "Gelbwesten"-Mitgliedern oder Anhängern des Front National von Marine Le Pen (ex-FN) eine kleine Freude zu machen, indem er das Thema Einwanderung anschnitt (obwohl diese Partei seit Beginn der Bewegung 4% an Umfragen gewonnen hat).
Diese "Volksrevolte" all dieser "armen" Menschen im "arbeitenden Frankreich", die nicht mehr "über die Runden kommen" können, ist als solche keine proletarische Bewegung, trotz ihrer "soziologischen" Zusammensetzung. Die überwiegende Mehrheit der "Gelbwesten" sind in der Tat bezahlte, ausgebeutete, prekäre Arbeiter, von denen einige nicht einmal den Mindestlohn erhalten (ganz zu schweigen von Rentnern, die nicht einmal das Recht auf das "Mindesteinkommen im Rentenalter" haben). Diese armen Arbeiter, die in Randgebieten oder ländlichen Gebieten leben, ohne öffentliche Verkehrsmittel, um zur Arbeit zu kommen oder ihre Kinder zur Schule zu begleiten, sind gezwungen, ein Auto zu benutzen. Sie waren daher die ersten, die von der Erhöhung der Kraftstoffsteuern und der Reform der technischen Überwachung ihrer Fahrzeuge betroffen waren.
Diese zahlenmäßig kleine und verstreute Gruppe des Proletariats in ländlichen und peripheren Gebieten hat keine Erfahrung mit dem Klassenkampf. Die überwiegende Mehrheit von ihnen sind größtenteils "erstmalige Teilnehmer an Demonstrantionen", die noch nie die Möglichkeit hatten, an Streiks, Hauptversammlungen oder Straßendemonstrationen teilzunehmen. Deshalb nahmen ihre ersten Erfahrungen mit Demonstrationen in großen städtischen Ballungszentren, insbesondere in Paris, die Form einer ungeordneten Massenbewegung an, die blind und ohne Kompass umherwanderte und zum ersten Mal in vivo die Polizeikräfte mit ihren Tränengasgranaten, Wasserwerfern, Flashball-Waffen und Gendarmerieräumfahrzeugen entdeckte. Haben sie auch diesen Scharfschützen mit einem Scharfschützengewehr gesehen, der am "Schwarzen Samstag" auf dem Dach eines Gebäudes postiert war? (er wurde von der Agentur Reuters gezeigt)
Der völlig legitime Ausbruch der Wut der "Gelbwesten" gegen das Elend ihrer Lebensbedingungen wurde in einem interklassistischen Sammelsurium von angeblich freien individuellen Bürgern ertränkt. Ihre Ablehnung der "Eliten" und der Politik "im Allgemeinen" macht sie besonders anfällig für das Eindringen der reaktionärsten Ideologien, einschließlich der der extrem fremdenfeindlichen Rechten. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts hat eindrucksvoll gezeigt, dass es die "Zwischenschichten“ (zwischen Bourgeoisie und Proletariat) waren, insbesondere die Kleinbourgeoisie, die das Fundament des faschistischen und nationalsozialistischen Regimes bildeten (mit Unterstützung der Lumpenproletarier, die hasserfüllt und rachsüchtig waren und geblendet wurden von Vorurteilen und Aberglauben, die in den 1930er Jahren Hochkonjunktur hatten).
Nur in Augenblicken massiver und vorrevolutionärer Kämpfe, in denen sich das Proletariat offen als autonome, unabhängige Klasse mit eigenen Kampf- und Organisationsmethoden, eigener Klassenkultur und Moral auf der gesellschaftlichen Bühne behauptet, kann die Kleinbourgeoisie (und selbst einige aufgeklärte Elemente der Bourgeoisie) ihren Kult des Individualismus und "Bürgers" aufgeben, ihren reaktionären Charakter verlieren, indem sie sich hinter die Perspektive des Proletariats stellt, der einzigen Klasse in der Gesellschaft, die der Menschheit eine Zukunft bieten kann.
Die Bewegung der "Gelbwesten" kann aufgrund ihrer interklassischen Natur keine Perspektive bieten. Sie konnte nur die Form eines verzweifelten Aufbegehrens in den Straßen der Hauptstadt annehmen, bevor sie in verschiedene Tendenzen zerbrach, die der Radikalen, der "Freunde" von Eric Drouet und die der Gemäßigten des "Kollektivs der freien Gelbwesten". Indem sie die gelbe Weste anziehen, stehen die armen Proletarier, die sich den Losungen des Kleinbürgertums verschrieben haben, heute wie die Dummen und Betrogenen da. Sie wollten nicht, dass Vertreter hinter ihrem Rücken mit der Regierung verhandeln (wie es die Gewerkschaften immer getan haben): Die Regierung lehnte jede Aufzeichnung von Gesprächen mit den "Sprechern" der "Gelbwesten" ab.
Jetzt haben sie Vertreter (die sie nicht gewählt haben): insbesondere das "Kollektiv der freien Gelbwesten". Diese informelle, unorganisierte Bewegung, die von sozialen Netzwerken initiiert wurde, begann sich nach dem 1. Dezember zu strukturieren. Die wichtigsten selbsternannten Vertreter dieser angeblich unpolitischen Bewegung haben erwogen, eine Liste für die Europawahlen vorzulegen. Hier kommt also die Kleinbourgeoisie in einer "gelben Weste", die davon träumt, in der oberen Liga spielen zu können!
Noch bevor die "öffentliche Ordnung" wieder hergestellt war, wurde die Idee der Abhaltung von "pädagogischen" Konferenzen in der Provinz zum Thema "ökologischer Wandel" eingebracht (von Emmanuel Macron selbst). Die Bürger des Landes werden ihre Ideen in diese umfassende demokratische Debatte einbringen können, die dazu beitragen sollte, die Republik nach einer Zeit des Staus und der Blockade auf Regierungsseite wieder auf Trab zu bringen. Diese so genannte unpolitische Bürgerbewegung ist voll von Gewerkschaftern, Mitgliedern politischer Organisationen und allen möglichen undurchsichtigen Personen. Jeder kann die gelbe Weste tragen (einschließlich der Randalierer). Die Mehrheit der Bürger in "Gelbwesten" sind potentielle Wähler von Jean-Luc Mélenchon oder Marine Le Pen. Ganz zu schweigen von den Trotzkisten, insbesondere Olivier Besancenots NPA und Lutte Ouvrière. Diese trotzkistischen Organisationen erzählen uns immer die gleiche Geschichte: "Man muss das Geld aus den Taschen der Reichen nehmen". Das Proletariat ist keine Klasse von Taschendieben! Das Geld in den "Taschen der Reichen" ist das Ergebnis der Ausbeutung der Arbeit der "Armen", d. h. der Proletarier. Es geht nicht darum, den Reichen "die Taschen zu leeren", sondern heute darum zu kämpfen, diesem wirklichen Diebstahl, den kapitalistische Ausbeutung bedeutet, entgegenzutreten und dabei die Kräfte zu bündeln, um die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abzuschaffen.
Während des „Marsches für den Klimaschutz“ in Paris am 8. Dezember beteiligten sich viele "Gelbwesten" mit der Demonstration der "Grünwesten" mit dem Bewusstsein besonders bei jungen Demonstranten, dass "das Ende des Monats und das Ende der Welt" (d.h. Schwierigkeiten, materiell über die Runden zu kommen und die Gefahr der Zerstörung des Planeten),"alles miteinander verbunden ist." Bei dem Marsch der "Gelbwesten" beschlossen einige, ihre Westen und Wählerkarten in Brand zu setzen. Es ist wahr, dass die ökonomischen Probleme und die Gefahr der Zerstörung des Planeten miteinander verbunden sind. Es sind zwei Seiten derselben Medaille, die eines Systems, das auf dem Profit einer kleinen Minderheit und nicht auf den Bedürfnissen der Menschheit basiert.
Nach dem "Schwarzen Samstag" erwähnte eine nationale Polizeigewerkschaft einen "unbefristeten Streik" von Polizisten, die auch die gelbe Uniform tragen wollen! Sie können nicht mehr über die Runden kommen und haben genug von den "untragbaren Arbeitsbedingungen", dem Burn-out durch Stress und der Angst, durch eine Petanque-Kugel auf dem Kopf erwischt zu werden. Die Regierung musste daher Mittel freigeben, um ein Weihnachtsgeld für CRSs und andere Berufsgruppen, die für die -Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig sind, bereitzustellen. Die Regierung wird neue Arbeitsplätze in diesem völlig unproduktiven Sektor schaffen und damit die Defizite weiter erhöhen müssen, um die Ordnung in einer zerfallenden Gesellschaft aufrechtzuerhalten, in der sich die sozialen Spaltungen aufgrund der sich verschlechterten Lebensbedingungen und verstärkter Unterdrückung nur noch mehr verschärfen können. Jeder weiß, dass die gallischen Polizisten kein Federlesen machen: Sie schlagen zuerst zu und „reden“ dann!
Was die Regierung und die gesamte bürgerliche Klasse beunruhigte, war die Tatsache, dass trotz des gewaltsamen Eskalation seitens der „Gelbwesten“ am "Schwarzen Samstag" die Beliebtheit ihrer Bewegung nicht nachließ: Nach dem 1. Dezember zeigten Umfragen, dass 72% der französischen Bevölkerung weiterhin die "Gelbwesten" unterstützen (obwohl 80% die Gewalt verurteilen und 34% sie verstehen). Die "Gelbwesten" sind sogar zum Weltstar geworden: In Belgien, Deutschland, den Niederlanden, Bulgarien und sogar im Irak, in Basra wurde die gelbe Weste getragen! Was die ägyptische Regierung betrifft, so hat sie beschlossen, den Verkauf von Gelbwesten aus Angst vor "Ansteckung" einzuschränken; um eine zu kaufen, braucht man eine polizeiliche Genehmigung!
Diese Popularität ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die gesamte Arbeiterklasse, die die Mehrheit der "Menschen" ausmacht, die Wut, Empörung und die wirtschaftlichen Forderungen der "Gelbwesten" gegen die hohen Lebenshaltungskosten, gegen soziale und steuerliche Ungerechtigkeiten teilt. Nachdem er beim ehemaligen linken Präsidenten François Hollande gelernt hatte, erklärte unser Staatspräsident in seinem hölzernen Stil eine Theorie, die für das "Volk" völlig unverständlich war: die Theorie des "Abfließens". Diese "Theorie" besagt: Je mehr Geld die "Reichen" haben, desto mehr können sie es an die "Armen" "fließen" lassen. Das ist das Argument der Gönnerinnen, die die Armen von ihrer Großzügigkeit profitieren lassen, indem sie ein wenig von ihrer Beute abziehen. Was man vergessen hat zu sagen, ist, dass der Reichtum der Reichen nicht vom Himmel fällt. Er stammt aus der Ausbeutung der Proletarier.
Diese „Macronsche“ Theorie wurde durch die Abschaffung der Vermögenssteuer konkretisiert: Diese Steuerspende würde es den "Reichen" (eigentlich der Großbourgeoisie) ermöglichen, das an sie zurückgegebene Geld so zu verwenden, dass sie Investitionen tätigen, die letztlich Arbeitsplätze schaffen, die Arbeitslosigkeit verringern und damit den Proletariern zugute kommen. Demnach wäre es also im Interesse der Arbeiterklasse, dass die Reichtumssteuer (ISF) abgeschafft wurde! Die "Armen" in Gelbwesten haben trotz ihres "Analphabetentums" der "aufsässigen Gallier" genau verstanden, dass der „Macronismus“ versucht, sie zu "verarschen" (wie eine im Fernsehen interviewte Rentnerin in „Gelbwesten“ sagte). Bis die Abschaffung der Reichtumssteuer den Proletariern zugutekommt, müssen sie immer noch gezwungen werden, den Gürtel enger zu schnallen, während die Kapitalistenklasse weiterhin im Luxus schwelgt. Es ist nicht verwunderlich, dass wir bei der Demonstration am 8. Dezember auf einem Plakat lesen konnten: "Auch wir wollen die ISF bezahlen! Gib das Geld zurück!"
Trotz der allgemeinen Wut aller "Menschen" des "arbeitenden Frankreichs" will die überwiegende Mehrheit der Proletarier nicht an den Protesten der "Gelbwesten" teilnehmen, auch wenn sie vielleicht Sympathie für ihre Mobilisierung haben. Sie erkennen sich nicht in den Kampfmethoden einer Bewegung wieder, die von Marine Le Pen und der gesamten Rechten unterstützt wird. Sie erkennen sich nicht in der ziellosen und sinnlosen Gewalt der schwarzen Blöcke, den Morddrohungen, der pogromistischen Mentalität, den fremdenfeindlichen und homophoben verbalen Aggressionen einiger "Gelbwesten" wieder.
Die Popularität dieser Bewegung, auch nach der Gewalt des "Schwarzen Samstags", ist ein Zeichen für die immense Wut, die im Innern der Gesellschaft brodelt. Aber vorerst ist die überwiegende Mehrheit der Proletarier (Arbeiter in der Industrie, im Transportwesen oder Logistik, Gesundheits- oder Bildungswesen, kleine Beamte in Verwaltungen oder Sozialdiensten...) immer noch gelähmt durch die Schwierigkeit, ihre Klassenidentität wiederherzustellen, d.h. das Bewusstsein, dass sie derselben sozialen Klasse angehören, die unter derselben Ausbeutung leidet. Die überwiegende Mehrheit hat genug von wirkungslosen "Aktionstagen", Gewerkschaftsaufrufen zu Rundgängen und anderen "Nadelstich"-Streiks, wie dem Bahnarbeiterstreik im vergangenen Frühjahr. Solange das Proletariat nicht den Weg zurück zu seinen Kampf gefunden und seine Unabhängigkeit als autonome Klasse bekräftigt, sein Bewusstsein entwickelt hat, kann die Gesellschaft nur weiterhin im Chaos versinken. Sie kann nur durch die bestialische Entfesselung von Gewalt weiter verrotten.
Die klassenübergreifende Bewegung der "Gelbwesten" hat deutlich eine Gefahr offenbart, vor der auch das Proletariat in Frankreich wie in anderen Ländern steht: den Aufstieg des Populismus der extremen Rechten. Diese "Gelbwesten"-Bewegung kann die Partei von Marine Le Pen, dem wichtigsten und führenden Unterstützer der Bewegung, insbesondere bei den bevorstehenden Europawahlen nur in deren Wahlkampf begünstigen. M. Le Pen setzt sich für den "hexagonalen Protektionismus" (d.h. Protektionismus Frankreichs) ein: Die Grenzen müssen für ausländische Waren und insbesondere für dunkelhäutige "Ausländer" geschlossen werden, die vor absoluter Armut und kriegerischer Barbarei in ihren Herkunftsländern fliehen. Die Partei von Marine Le Pen hatte bereits angekündigt, dass die Regierung bei der Einwanderung "sparen" muss, um die Kaufkraft der Franzosen zu erhöhen. Die Front National wird ein weiteres Argument finden können, um Migranten abzulehnen: Unsere "Menschen", die nicht über die Runden kommen können, können "nicht alle Elendigen der Welt aufnehmen“ (wie der sozialistische Premierminister Michel Rocard am 3. Dezember 1989 in der Sendung von Anne Sinclair „7 sur 7" sagte) !
Ausländerfeindliche verbale Angriffe, die Denunzierung illegaler Migranten, die in einem Tankwagen versteckt waren (weil wir immer noch mit unseren Steuern für diese "Arschlöscher" bezahlen werden, sagt eine "Gelbweste"!), die Forderung einiger "Gelbwesten", illegale Migranten über "unsere" Grenzen hinaus zurückzubringen, darf nicht bagatellisiert werden! Das Mitgefühl, das jeder für diese soziale Bewegung empfindet, darf das Proletariat und seine klarsten Elemente nicht blenden.
Um seine Klassenidentität wiederzufinden und zu seiner eigenen revolutionären Perspektive zu gelangen, darf das Proletariat in Frankreich wie auch anderswo nicht den "alten" Schlachtruf der Arbeiterbewegung über Bord werfen (oder unter der Trikolore begraben): "Die Proletarier haben kein Vaterland. Arbeiter aller Länder, vereinigt euch!".
Inmitten der Atmosphäre von Gewalt und nationalistischer Hysterie, die das soziale Klima in Frankreich verpestet, ist nach dem "Schwarzen Samstag" dennoch ein kleiner Hoffnungsschimmer aufgetreten. Dieser kleine Schimmer sind die armen Studenten, die zu Gelegenheitsarbeiten gezwungen sind, indem sie in ihren Mobilisierungen und Vollversammlungen die Forderung nach der Rücknahme der Erhöhung der Studiengebühren für ihre ausländischen Kommilitonen, die nicht zur EU gehören, erhoben haben. An der Fakultät von Paris Tolbiac stand auf einem Schild: "Solidarität mit Ausländern". Dieser Slogan, gegen die nationalistische Flutwelle der "Gelbwesten", zeigt dem Proletariat den Weg in die Zukunft.
Dank ihrer vielen Ideen konnten Studenten, die gegen den „Ersten Arbeitsvertrag“ (CPE) der Regierung von Dominique de Villepin kämpften, 2006 spontan die Methoden des Proletariats wiederfinden. Sie haben sich damals so organisiert, dass sie nicht von den kleinen "Randalierern" der Vororte angegriffen wurden. Sie weigerten sich, in die Spirale der Gewalt hineingezogen zu werden, die den Terror des Staates nur verstärken kann.
Angesichts der Gefahr des sozialen Chaos im Herzen Europas gehört die Zukunft heute mehr denn je dem Klassenkampf der jüngeren Generationen von Proletariern. Es liegt an diesen neuen Generationen, die Fackel des historischen Kampfes der ausgebeuteten Klasse zu übernehmen, die den gesamten Reichtum der Gesellschaft produziert. Nicht nur materieller Reichtum, sondern auch kultureller Reichtum. Wie Rosa Luxemburg sagte, ist der Kampf des Proletariats nicht nur eine Frage von "Messern und Gabeln", um den Magen zu füllen.
Die Proletarier in Frankreich sind keine „sans-culottes“. Sie müssen weiterhin ein Beispiel für alle ihre Klassengenossen/Innen in anderen Ländern geben, wie es ihre Vorfahren während der Tage im Juni 1848, in der Pariser Kommune 1871 und im Mai 1968 taten. Es ist der einzige Weg, ihre Würde wiederzuerlangen, weiterhin aufrecht zu gehen, um weit in die Zukunft zu schauen, und nicht auf allen Vieren wie die wilden Tiere, die uns das Gesetz des Dschungels aufzwingen wollen.
Angesichts der Gefahr eines sozialen Chaos, das durch die "heilige Allianz" aller Ausbeuter und Randalierer verursacht wird:
Arbeiter aller Länder, vereinigt euch!
Marianne, 10. Dezember 2018
[1] In diesem Werk gibt es auch ein Kapitel mit dem Titel "Bourgeois und Proletarier".
Unter den "Gelbwesten" sind Gewerkschaften nicht beliebt. Trotz der unzähligen und oft vergeblichen Versuche von CGT oder Solidaire, die Bewegung zu "unterstützen", war die Feindseligkeit der „Gelbwesten“ gegenüber diesen Organisationen eine Tatsache. Aber anstatt dass sich jetzt eine Antwort der Arbeiterklasse gegenüber der systematischen Sabotage ihrer Kämpfe entwickelt, wurde die tiefe Unzufriedenheit der Bürger in "Gelben Westen" gegenüber den Gewerkschaften völlig verwechselt mit der reaktionären Ideologie derjenigen, die diese Bewegung ins Leben gerufen haben: kleine Unternehmer, Händler, Handwerker und andere Leute aus den Zwischenschichten, die infolge ihrer Verblendung und Verarmung einen rachsüchtigen Hass auf das „Fürsorgewesen“ und die Gewerkschaften entwickelt haben, welche aus ihrer Sicht die so genannten Privilegien von Privatangestellten und, noch schlimmer, von Beamten verteidigen würden, die von einer Art besonderen "Schutzstatus" profitieren und kein "Risiko" eingehen würden, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Rechte und die extreme Rechte diese "gewerkschaftsfeindliche" Bewegung von Anfang an unterstützen.
Im Gegensatz zu dem, was kleine Unternehmer in Gelbwesten denken, sind Gewerkschaften nicht die Feinde des Privateigentums und der Ausbeutung. Im Gegenteil, seit dem Ersten Weltkrieg und mit dem Eintritt des Kapitalismus in seine Dekadenz sind die Gewerkschaften zu echten Wachhunden des bürgerlichen Staates geworden; zu Organen, die darauf abzielen, die Kampfbereitschaft der Arbeiter zu kontrollieren, jeden Kampf zu spalten und zu untergraben, um zu verhindern, dass die ausgebeutete Klasse ihren Kampf in die eigenen Hände nimmt und sich so gegen ihre Ausbeuter zur Wehr setzt. [1]
Die Bewegung der "Gelbwesten" entfaltete sich am Ende eines Jahres (nach so vielen anderen!) der systematischen Sabotage der Kämpfe, die durch unzählige kleine Streiks gekennzeichnet waren, die die Gewerkschaften voneinander isolierten, indem sie viele wirkungslose und demoralisierende "Aktionstage" abhielten. Die Spaltung in Berufsgruppen und die damit verbundene Zersplitterung wird mittlerweile von vielen Arbeitern hinterfragt: Sollten wir angesichts der Angriffe der Regierung nicht alle gemeinsam kämpfen? Deshalb haben die Gewerkschaften während der Streiks gegen die Reform der „Beschäftigungsbedingungen“ der Eisenbahner im Mai vorgetäuscht, dass sie für eine "Konvergenz der Kämpfe" eintreten, wobei aber in Wirklichkeit jeder Bereich, jede Branche, jede Niederlassung, jedes Unternehmen sorgfältig aufgespalten und hinter "seiner" Fahne und "seinem" Slogan mobilisiert wurde. Die Lautsprecheranlagen der Gewerkschaften waren so ohrenbetäubend laut eingestellt, dass jegliche Diskussion auf den Kundgebungen verhindert wurde. Vor allem mit der „Nadelstichtaktik“ der bei der SNCF durchgeführten Streiks erschöpften die Gewerkschaften die Streikenden in einem langen und wirkungslosen Kampf, der von den anderen Teilen der Arbeiterklasse abgeschnitten war. Gleichzeitig stellten sie die Eisenbahner als den kampfbereitesten Teil der Klasse dar, der in der Lage gewesen sei, die Regierung allein zurückzudrängen. So sollte die gesamte Arbeiterklasse stärker demoralisiert werden. Die CGT verfolgte auch das Ziel der Isolierung und Demoralisierung, als sie ihren "Solidaritätsfonds" einrichtete, der nichts anderes war als ein Aufruf zum Kampf in der Form von Stellvertreteraktionen, und dass man selbst nicht zu kämpfen brauche und die anderen allein lassen könne.
Wegen der gewerkschaftlichen Sabotage der Arbeiterkämpfe war die Arbeiterklasse nicht dazu in der Lage, sich den Angriffen der Macron-Regierung wirksam entgegenzustellen. Weil die Arbeiterklasse gewissermaßen gelähmt ist und große Schwierigkeiten hat, den gewerkschaftlichen Rahmen zu durchbrechen, konnte die klassenübergreifende Bürgerbewegung der „Gelbwesten“ auftauchen und die ganze Bühne beherrschen. Diese vorübergehende Ersetzung des Klassenkampfes durch die „Revolte des Volkes“, die durch die „Gelbwesten“ zum Ausdruck gebracht wird, musste unausweichlich die Desorientierung der Arbeiterklasse verschärfen und ihr Bewusstsein weiter trüben. Aufgrund dieser politischen Schwächung des Proletariats können die Gewerkschaften, die CGT an ihrer Spitze, weiterhin Aufrufe starten zu wirkungslosen Aktionstagen.
Was die "radikale" Linke des bürgerlichen politischen Apparats betrifft, so hat sie das ganze Jahr über unaufhörlich ihr benebelndes Gift mit Hilfe eines von den Stalinisten übernommenen Slogans verstreut: "Geld gibt es genug in den Taschen der Arbeitgeber!" So ist es nicht verwunderlich, dass Spruchbänder wie "Macron, gib uns das Geld zurück" überall dort präsent waren, wo eine Gruppe von "Gelbwesten" mobilisiert wurde. Ja, es gibt Geld "in der Tasche" von Arbeitgebern, Aktionären und Staatskassen. Wäre es aber ausreichend, den Reichtum "umzuverteilen", um alles besser zu machen? Was für eine Irreführung! Das Problem ist nicht die "gerechte" Verteilung des Reichtums, sondern die Ausbeutung der Arbeitskraft, die Existenz selbst von Waren, Geld und Privateigentum. Das Problem ist die Existenz einer Klasse, die von einer ausbeutenden Klasse ausgebeutet wird. Wie Marx und Engels bereits im Manifest der Kommunistischen Partei über die "bürgerlichen Sozialisten" schrieben: „Eine [...] weniger systematische, nur mehr praktische Form des [bürgerlichen] Sozialismus suchte der Arbeierklasse jede revolutionäre Bewegung zu verleiden, durch den Nachweis, wie nicht diese oder jene politische Veränderung, sondern nur eine Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse, der ökonomischen Verhältnisse ihr von Nutzen sein könne. Unter Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse versteht dieser Sozialismus aber keineswegs Abschaffung der bürgerlichen Produktionsverhältnisse, die nur auf revolutionärem Wege möglich ist, sondern administrative Verbesserungen, die auf dem Boden dieser Produktionsverhältnisse vor sich gehen, also an dem Verhältnis von Kapital und Lohnarbeit nichts ändern, sondern im besten Fall der Bourgeoisie die Kosten ihrer Herrschaft vermindern und ihren Staatshaushalt vereinfachen.“[2]
Durch die Unterstützung der "Gelbwesten"-Bewegung und die Aufforderung an die Gymnasiasten, sich daran zu beteiligen, trieben die Parteien der "radikalen Linken" (Besancenot unterstützte die Bewegung bei ihrem Auftritt in der Fernsehsendung von Laurent Ruquier) sie bewusst in die Falle, wo sie von den Polizisten verprügelt wurden.
Seit 1914 entsprechen die Gewerkschaften nicht mehr den Bedürfnissen des Proletariats und sind ein Teil des Räderwerks des kapitalistischen Staates, ja zu Kontrollorganen für die Eindämmung und Abwürgung der Kämpfe und zur Polizei in den Betrieben geworden. Schon im Ersten Weltkrieg haben sich die Gewerkschaften in einem „Burgfrieden“ bei der Kriegsmobilisierung auf die Seite ihres jeweiligen Nationalstaates gestellt. Während der deutschen Revolution 1918-1919 arbeiteten sie Hand in Hand mit der Sozialdemokratischen Partei überall daran, Streiks zu brechen und das Proletariat daran zu hindern, seinen revolutionären Kampf zu entwickeln, indem sie alles taten, um die Spaltung zu säen und die Einheit der Arbeiterklasse zu zerstören.
Im Jahr 1979 betrieben die Gewerkschaften in Frankreich angesichts des Ausbruchs von Streiks in vielen Branchen, insbesondere in der Stahlindustrie, eine geschickte Spaltungs- und Isolierungstaktik. Sie hatten zunächst dafür gesorgt, dass die Arbeit in anderen Bereichen (Post, Krankenhäuser, Banken, usw.) wieder aufgenommen wurde, bevor sie unter dem Druck der Arbeiter den Sternmarsch der Stahlarbeiter nach Paris am 23. März organisierten, der zusammen von Polizei und Gewerkschaften sabotiert wurde.
1983 gelang es den Gewerkschaften in Belgien, jede Vereinigung zwischen den Beschäftigten des öffentlichen und des privaten Sektors auf die gleiche Weise zu verhindern, indem sie dank der alten Taktik der Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Gewerkschaften diese spalteten und gleichzeitig Demonstrationen nach Branchen, Regionen, Unternehmen und Werken organisierten – jeweils fein säuberlich voneinander getrennt.
Ein weiteres Beispiel: 1986 stellten die trotzkistischen Organisationen Lutte Ouvrière und die Vorgängerorganisation der NPA (LCR) in Frankreich angesichts des Verlustes der Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften während des Kampfes der Eisenbahner der SNCF sofort die Falle der "Basisgewerkschaften" auf, die dann die gleiche schmutzige Arbeit verrichteten wie die traditionellen Gewerkschaften, indem sie die Eisenbahner in dem Unternehmen oder einer Branche von den anderen trennten, um eine Ausweitung des Kampfes zu verhindern. Dabei wurden immer wieder „Ordnungskräfte“ eingesetzt, die den Zugang zu den Vollversammlungen für die Leute blockierten, die nicht bei der SNCF beschäftigt waren.
Seit mehr als einem Jahrhundert wird das Proletariat von den Methoden und der Ideologie der sogenannten "Freunde" der Arbeiterklasse gefesselt, nämlich den Gewerkschaften und den linken und linksextremen Parteien des politischen Apparats der Bourgeoisie. So hat die Bewegung der "Gelbwesten" trotz einer fast einhelligen Ablehnung der Gewerkschaften nur all die Sackgassen wieder eingesetzt, in welche die Gewerkschaften, insbesondere die CGT, seit Jahrzehnten die Kämpfe der Arbeiter immer wieder stürzen: Straßensperren oder angeblich strategische Standorte mit den altbekannten brennenden Reifen und anderen angeblichen Sperren. Diese Blockaden dienen keinem anderen Zweck als der Aufspaltung der Proletarier zwischen denen, die kämpfen, und denen, die gezwungen sind, zur Arbeit zu gehen. Sie sind nur ein Mückenstich auf die Elefantenhaut des Kapitalismus, und diese Methoden haben nie eine echte Bedrohung für die Regierung und noch weniger für den Staat dargestellt.
Die permanente Sabotage der Gewerkschaften hat nur den Weg bereitet für die Ablenkung der Kampfbereitschaft eines Teils der ausgebeuteten Klasse in die Sackgasse des "Bürgerpatriotismus" der "Gelbwesten". Dank ihrer guten und loyalen Dienste konnten die Bourgeoisie, ihr Staat und ihre Regierung bisher die Arbeiterklasse lähmen und den "sozialen Frieden" wahren, um die Ordnung des Kapitals zu verteidigen. Diese Ordnung kann nur dann immer mehr Elend, Ausbeutung, Unterdrückung, soziales Chaos und Barbarei hervorrufen, wenn das Proletariat zulässt, dass sein Kampf von den Gewerkschaften und dem Kleinbürgertum vereinnahmt wird.
EG, 18. Dezember 2018.
[1] Siehe die IKS- Broschüre: Gewerkschaften gegen die Arbeiterklasse.
[2] Während ein "bürgerlicher Sozialist" wie Proudhon trotz seiner politischen Fehler und reformistischen Vorstellungen sich dadurch auszeichnete, ein aufrichtiger Kämpfer der Arbeiterklasse gewesen zu sein, sind die linken Parteien NPA und LO nur Organisationen der extremen Linken des Kapitals, deren Aufgabe es ist, die Arbeiterklasse zu mystifizieren, ihre Kämpfe zu kontrollieren und sie an das bürgerliche und reformistische Terrain der Wahlen zu fesseln.
Der Volksaufstand der „Gelbwesten“ ist kein Teil des Kampfes der Arbeiterklasse. Im Gegenteil, diese klassenübergreifende Bewegung konnte nur entstehen und die gesamte gesellschaftliche Bühne mehrere Wochen lang besetzt halten aufgrund der Leere, welche aufgrund der Schwierigkeiten der Arbeiterklasse entstanden ist, sich massiv in den Kampf gegen die ökonomischen Angriffe der Regierung und der Arbeitgeber auf ihrem eigenen Klassenboden, mit ihren eigenen Kampfmethoden einzubringen.
An der Revolte der „Gelbwesten“ haben sich die periphersten und unerfahrensten Teile der Arbeiterklasse, die in ländlichen Gebieten und im Einzugsgebiet der Vororte der Großstädte leben, beteiligt. Sie wurden für Parolen eingespannt, die auch von Kleinunternehmern und Handwerkern vertreten werden. Die Tatsache, dass viele der ärmsten Lohnempfänger in der klassenübergreifenden Bewegung mitgewirkt haben, die in den sozialen Netzwerken initiiert wurde, hat sie besonders anfällig für die reaktionärsten antiproletarischen Ideologien gemacht: den patriotischen Nationalismus, den Populismus der extremen Rechten (mit seinem ausländerfeindlichen Programm und der Aufforderung „Frankreich stark zu machen“) und schließlich die Forderung nach dem Referendum über die Bürgerinitiative (RIC). Es ist kein Zufall, dass die Bewegung Rassemblement National von Marine Le Pen (wie auch das gesamte rechte Lager) die „Gelbwesten“ von Anfang an unterstützt hat!
Das Proletariat hat nichts zu gewinnen, wenn es sich dieser Bewegung der „französischen Bürger“ anschließt, die Trikolore verteidigt und die Marseillaise singt. Die Arbeiterklasse kann nur noch mehr von ihrer Identität als revolutionäre Klasse verlieren, wenn sie hinter den perspektivlosen und verarmten sozialen Schichten hinterherläuft, die durch die Erhöhung der Kraftstoffsteuern und den Rückgang der Kaufkraft bei den Kleinunternehmern, Handwerkern, Bauern usw. umgetrieben sind.
Diese Bewegung der „Gelbwesten“ ist bestenfalls der sichtbarste und spektakulärste Ausdruck der gewaltigen Wut, die in der Bevölkerung und insbesondere in der gesamten ausgebeuteten Klasse angesichts der hohen Lebenshaltungskosten und der von der Macron-Regierung veranlassten Sparmaßnahmen aufkocht. Sie ist bestenfalls nichts anderes als ein Vorbote der zukünftigen Klassenkämpfe des Proletariats.
Weil der Volksaufstand der „Gelbwesten“ die widerwärtigen Merkmale des Zerfalls der kapitalistischen Gesellschaft in sich trägt (fremdenfeindliche Vorurteile, Angst vor der Invasion von Migranten, die kommen, „das Brot der Franzosen zu essen“ und „von unseren Steuergeldern zu profitieren“ ...), stellt er einen Aufruf an die Verantwortung des Proletariats angesichts des Ernstes der Herausforderungen der aktuellen historischen Situation dar.
Wenn es der ausgebeuteten Klasse nicht gelingt, ihre Schwierigkeiten zu überwinden und wieder auf der gesellschaftliche Bühne in Erscheinung zu treten und den Kampf mit ihren eigenen Orientierungen (einschließlich der Solidarität mit Einwanderern), ihren eigenen Kampfmethoden (einschließlich massiver und souveräner Vollversammlungen) zu führen; wenn sie es nicht schafft, sich dem gewerkschaftlichen Würgegriff zu entwinden, kann die Gesellschaft nur im Chaos und weiter in ihrem Fäulnisprozess versinken – mit der Folge einer grenzenlosen Armut und unerbittlicher Unterdrückung für die Ausgebeuteten.
Nur wenn sich die proletarische Klasse im Kampf als eigenständige und unabhängige Klasse erkennt, kann sie die anderen nicht-ausbeutenden sozialen Schichten in ihren Kampf gegen den Kapitalismus integrieren. Dieses Phänomen der „Inklusion“ kann sich nur dann entwickeln, wenn das Proletariat die Führung in einer gewaltigen Bewegung gegen Ausbeutung und Elend übernimmt und dazu in der Lage ist, jede Ideologie und jede Kampfmethode resolut zu verwerfen, die sich gegen die von der Arbeiterbewegung geerbten proletarischen Prinzipien richten.
Die Ablehnung des Nationalismus und die Bekräftigung des Internationalismus sind der Grundstein, der den Weg für die Politisierung der zukünftigen Kämpfe des Proletariats bereiten muss.
Die klassenübergreifende, nationalistische und reformistische Bewegung der „Bürger“ in „Gelbwesten“ ist eine Sackgasse; sie kann der Gesellschaft keine Perspektive eröffnen. Nur der revolutionäre Klassenkampf des Proletariats ist die Zukunft der Menschheit. Das Endziel des Klassenkampfes der Ausgebeuteten ist weder eine „gerechtere“ Verteilung des Reichtums noch eine Verbesserung der bürgerlichen Demokratie, sondern die Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und die Diktatur des Kapitals in allen Ländern der Welt.
Gegen alle Formen des Nationalismus, gegen Fremdenfeindlichkeit und die Mentalität, „Herr im eigenen Haus“ sein zu wollen.
ES LEBE DER INTERNATIONALISTISCHE KLASSENKAMPF DES PROLETARIATS!
Révolution Internationale, 31.12.2018
Von Anfang an bezeichnete sich die Bewegung der „Gelben Westen“ als „unpolitisch“. Es gab keine offizielle Vertretung, keine Form dessen, was die Bourgeoisie „Vermittlungsorgane“ nennt (Parteien oder Gewerkschaften), die das Recht gehabt hätten, sich zu Sprechern der Bewegung zu erklären. Keine Form der traditionellen Repräsentation hat sich dabei wirklich einem Risiko ausgesetzt. Als der Premierminister nach „Gesprächspartnern“ suchte, sah er sich mit einer Leerstelle konfrontiert – schnell besetzt von einigen selbsternannten Personen, deren Westen nicht mehr anerkannt wurden und die Einschüchterungen oder gar ernsthaften Drohungen ausgesetzt waren. Als sich „Gelbe Westen“ zunehmend am Fernsehen ausdrückten, wagten sie es meist nicht, über einige wenige Aussagen „im eigenen Namen“ hinauszugehen.
Wie lässt sich dieses Misstrauen erklären? Total angewidert von jahrzehntelangem Lügen der offiziellen bürgerlichen Parteien, von Versprechungen, die nie eingehalten wurden und dafür sehr reale Angriffe zur Folge hatten, von allen Arten von Affären und zunehmender Korruption, ganz zu schweigen von der hölzernen Zunge von Demagogen und der Kälte von Technokraten, fühlte sich dieser Teil der Bevölkerung, aus dem die „Gelben Westen“ bestehen, nicht nur in die Armut abgedrängt, sondern auch verachtet. Durch eine fast instinktive Ablehnung von „Politikern“ halten die „Gelben Westen“ schließlich die Illusion aufrecht, dass sie nicht von einer politischen „Voreingenommenheit“ animiert werden, und sehen sich nur als einfache „Bürger“, die von Armut und Steuern aller Art überwältigt sind. Sie würden nur versuchen, sich zu verteidigen und ihre Wut auszudrücken. In den Reihen der „Gelben Westen“ wird in der Regel schon hinter dem geringsten Hinweis auf eine politische Idee sofort die Absicht vermutet, sie für fremde Interessen zu vereinnahmen. Das ist es, was wir zum Beispiel in den Worten eines der Sprecher der Bewegung in Obernai, Dominique Balasz (Peugeot-Mitarbeiter), über die Politiker, die versuchen, ihnen den Hof zu machen (FO, France insoumise, Rassemblement national usw.), deutlich hören können: „Sie können kommen, aber wir zeigen kein Etikett, Gelbe Westen sind unpolitisch.“ Mit anderen Worten, wir werden uns nicht „täuschen“ lassen, sie können immer „reden“.
Doch trotz der weit verbreiteten „unpolitischen“ Illusion in der Bewegung ist sie in Wirklichkeit – sehr politisch! Hinter all den gelben Rittern des „Apolitismus“ verbirgt sich in der Tat eine „heilige Einheit“, die die bürgerliche „Staatsbürgerschaft“ respektiert und per Definition sehr konformistisch und an die Werte des Kapitalismus gebunden ist. Hinter dem dargestellten „Apolitismus“ verbergen sich traditionell die konservativsten Vorstellungen der Rechten und der extremen Rechten. Die Parolen, die die verschiedenen Forderungen nach „Kaufkraft“ begleiten, konzentrieren sich in der Tat stark auf Fragen der politischen Macht: „Macron – Rücktritt!“, „Auflösung der Versammlung“, „Das Volk will, dass das Regime fällt“ etc.
Wer kann ernsthaft behaupten, dass diese Parolen „unpolitisch“ seien? In Wirklichkeit gibt es in der bunt zusammengewürfelten und klassenübergreifenden Bewegung der „Gelben Westen“ nicht nur eine, sondern ganz unterschiedliche politische Ausdrucksformen, ein echtes Kaleidoskop, das die vielfältigen Nuancen widerspiegelt, die aus den Zwischenschichten kommen, insbesondere dem Kleinbürgertum, und in die sich viele Arbeiter verloren haben, die aufgrund der Leere, die die Arbeiterklasse hinterlassen hat, auf ihr Bürger-Dasein reduziert werden – Bürger, die an der „Nation“ hängen.
Während einige „Gelbe Westen“ leidenschaftliche Verfechter der bürgerlichen Demokratie sind und – wie sie es am 13. Dezember in Versailles symbolisch getan haben – zur gesetzlichen Einführung des „Referendums über eine Bürgerinitiative“ aufrufen (das berühmte „RIC“, welches nach Macrons Rede auf zahlreichen Plakaten an den Kreiseln aufgetaucht ist), propagieren andere, wie Maxime Nicolle, alias „Fly Rider“, alle Arten von nebligen und reaktionären Theorien, die für die extreme Rechte typisch sind: nationalistische Visionen oder die Art und Weise, den jüngsten „Marrakesch-Pakt“ zur Migration zu kritisieren, etc.
Tatsächlich ist es offensichtlich, dass aus der Bewegung selbst Leute hervorgegangen sind, die sich schon durch ihre Art zu reden und zu handeln in ihrer Rolle als Auszubildende im Politikgeschäft üben!
Von Eric Drouet, dem Sans-Culotte, der zu einer Invasion des Palastes des republikanischen Monarchen aufruft, über Christophe Chalençon und seine als rechtsextrem bezeichneten Reden bis hin zu Jacline Mouraud, der Hypnotherapeutin-Akkordeonistin, deren „aufrührerische“ Reden dem Ruf nach „Achtung vor den Institutionen der 5. Republik, der öffentlichen Ordnung, den Gütern und Menschen“ gewichen sind! Von nun an fühlen sich all diese Leute wohl wie die Fische im Wasser im medienpolitischen Aquarium und wollen sogar Listen für die Europawahlen zusammenstellen. „Wir wollen in die politische Arena eintreten“, sagte Hayk Shahinyan. „Ohne Struktur werden wir nie gehört werden. Wir müssen Institutionen respektieren und in die Politik investieren“, sagt die hypnotisierende Akkordeonistin. Diese Entwicklung, die auf die Fragmentierung der „Gelben Westen“ zurückzuführen ist, wird vom gesamten Staatsapparat aktiv gefördert, der dies als eine gute Möglichkeit sieht, einen wahrscheinlichen neuen Durchbruch des Rassemblement national zu verhindern.
Eines ist sicher, der so genannte „Apolitismus“ hat leider keine andere Wirkung, als die mobilisierten Arbeiter zu enteignen und sie zu einem formlosen Magma zu verdünnen, das vom proletarischen Lumpen bis zum kleinen Boss reicht und sie ihrer Klassenautonomie und ihrer eigenen Kampfmittel beraubt. Da es sich nicht um eine Arbeiterbewegung handelt, konnte dieser Protest nur in Form von Posten, Ansammlungen, gewalttätigen und blinden Ausbrüchen, Stadtguerilla, Einbrüchen und Plünderungen vor dem Hintergrund nationalistischer Lieder und manchmal sogar fremdenfeindlicher Äußerungen erfolgen. Dass eine solche Bewegung reaktionäre und fremdenfeindliche politische Äußerungen der schlimmsten Art, insbesondere patriotische und nationalistische Lieder auf den Champs-Élysées, hinnehmen kann, ohne sich von ihnen zu distanzieren oder sie ausdrücklich abzulehnen, zeugt vom moralischen Schandfleck, den eine solche Bewegung über ihren legitimen Zorn hinaus vermitteln kann. Auch wenn die Zeit heute völlig anders ist, darf das Proletariat nicht vergessen, dass sich der Faschismus in den 1930er Jahren im Namen des „Apolitismus“ durchgesetzt hat.
In einem Kontext, in dem die Arbeiterklasse gegenwärtig ihre Klassenidentität verloren hat, ohne eine Niederlage erlitten zu haben, stellen solche ekelhaften Gerüche eine große Gefahr dar: die der Spaltung zwischen den Fraktionen, die den schlimmsten nationalistischen und fremdenfeindlichen Lockrufen erliegen, und denen, die die demokratische Ideologie akzeptieren, d.h. die heuchlerische Maske der kapitalistischen Diktatur, einem System, das nichts anderes mehr anzubieten hat als zunehmende Barbarei.
In Wirklichkeit braucht die Arbeiterklasse eine echte Politisierung ihres Kampfes! Sie muss sich wieder mit ihren eigenen Methoden des Kampfes, ihrem eigenen revolutionären politischen Projekt verbinden. Wie wir über die Bewegung der „Indignados“ in Spanien gesagt haben: „Ja, wir müssen uns für „Politik“ interessieren! Die Konfrontation mit politischen Ideen in Vollversammlungen ist der einzige Weg, unsere falschen Freunde zu entlarven, ihre Fallen zu vereiteln und unsere Kämpfe nicht von „spezialisierten“ Politikern in Verhandlungen und Intrigen vereinnahmen zu lassen. In der politischen Konfrontation und der Debatte, insbesondere innerhalb souveräner Versammlungen, können die Ausgebeuteten im Kampf zwischen politischen Gruppen unterscheiden, die ihre Interessen wirklich vertreten, und solchen, die die Rolle der „Wächter des Kapitals“ spielen. Der Kampf der ausgebeuteten Klasse gegen die ausbeuterische Klasse ist immer ein politischer Kampf. Nur in diesem Kampf, durch eine möglichst breite Debatte, können die Ausgebeuteten ein Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten aufbauen, angesichts der Schande des Kapitals und seiner Politiker auf allen Seiten. In diesem politischen Kampf, auf der Straße und in massenhaften Versammlungen, können sie ihre Klassenidentität zurückgewinnen, ihre Solidarität, ihre Einheit entwickeln und das Vertrauen in ihre eigene Stärke zurückgewinnen“ (siehe Révolution internationale Nr. 424 Juli-August 2011). Dies kann natürlich nur durch einen wirklich autonomen Kampf erreicht werden, der sich deutlich von anderen Schichten der Gesellschaft unterscheidet. Das Proletariat darf sich daher nicht auf den Holzweg der Stadtguerilla-Praktiken ziehen lassen, die von den nationalistischen Slogans des hasserfüllten und empörten Kleinbürgertums geprägt sind, sondern muss sich im Gegenteil öffnen hin zu einer massiven Bewegung mit internationaler Ausrichtung, zu einer einheitlichen Bewegung, deren Perspektive die bewusste Abschaffung der kapitalistischen Verhältnisse ist. Ein historischer und globaler Kampf, dessen politisches Ziel die Abschaffung der sozialen Klassen und die Wiedervereinigung der Menschheit ist.
WH, Januar 2019