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Internationale Revue 24

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13. Kongress der IKS

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Die gewachsene Verantwortung der Revolutionäre gegenüber der zugespitzten historischen Lage

Die IKS hat Ende März/Anfang April ihren 13. Kongress in einem historischen Augenblick abgehalten, wo sich die Geschichte beschleunigt, und wo der todgeweihte Kapitalismus eine der schwierigsten und gefährlichsten Phasen der modernen Geschichte durchläuft. Die Tragweite, die diese Periode kennzeichnet, ist vergleichbar mit denen der beiden Weltkriege, dem Entstehen der proletarischen Revolution 1917-1919 oder der großen Depression 1929. Der Ernst der Lage wird durch eine Verschärfung der Widersprüche auf allen Ebenen geprägt:

- Zuspitzung der imperialistischen Spannungen und Entfaltung des weltweiten Chaos,

- eine sehr fortgeschrittene und gefährliche Phase der Krise des Kapitalismus,

- Angriffe gegen die internationale Arbeiterklasse, wie es sie seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr gegeben hatte,

- ein beschleunigter Zerfall der bürgerlichen Gesellschaft.

Die IKS, die sich über die gewaltige Verantwortung bewusst ist, welche durch diese Lage auf den Schultern des Proletariats lastet, hat die Debatten ihres Kongresses darauf ausgerichtet, die Perspektiven mit der in dieser historischen Situation erforderlichen größtmöglichen Klarheit aufzuzeigen. Nur indem die Arbeiterklasse ihre Kampfbereitschaft und ihr Bewusstsein entfaltet, kann sie die revolutionäre Alternative aufzeigen, die einzig und allein dazu in der Lage ist, das Überleben der Menschheit zu garantieren. Aber die größte Verantwortung lastet auf den Schultern der Kommunistischen Linken, auf den Organisationen des proletarischen Lagers. Nur sie können die theoretischen und historischen Lehren sowie die marxistische Methode vermitteln, die für die revolutionären Minderheiten unabdingbar sind, welche heute im Entstehen begriffen sind, damit sie am Aufbau der zukünftigen Klassenpartei mitwirken können. In gewisser Hinsicht ist die Kommunistische Linke heute wie seinerzeit BILAN in den 30er Jahren[i] [1] dazu gezwungen, eine bislang noch nicht dagewesene, neue historische Situation zu begreifen. Diese Herausforderung verlangt sowohl eine weitreichende Übernahme der theoretischen und historischen Herangehensweise des Marxismus wie auch revolutionäre Kühnheit, um die neue Lage zu begreifen, die mit den Schemen der Vergangenheit nicht so einfach verstanden werden kann.

Diese Verantwortung hat die IKS auf ihrem 13. Kongress vor Augen gehabt, damit wir in der Lage sind, durch unsere Analysen, unsere Positionen und unsere Intervention zur proletarischen Antwort gegenüber der ganzen Tragweite der Weltlage am Vorabend des nächsten Jahrtausends beizutragen.

Die internationale Lage: eine sich verstärkende Tendenz zum Chaos

Die Debatten über die Analyse und Perspektiven der internationalen Situation waren die zentrale Achse unseres 13. Kongresses (siehe dazu die ”Resolution zur Internationalen Situation” – Internationale Revue Nr. 23). Und das durfte nicht anders sein. Kurz vor unserem Kongress war der neue Balkankrieg ausgelöst worden.[ii] [1] Der Kongress hob klar hervor, dass dieser neue Krieg das wichtigste Ereignis seit dem Zusammenbruch des Ostblocks Ende der 80er Jahre auf imperialistischer Ebene darstellte. Der jetzige Krieg und seine destabilisierenden Wirkungen auf europäischer Ebene und gar weltweit verdeutlichen erneut das Dilemma, vor dem heute die USA stehen. Die Tendenz des ”jeder für sich” und die immer deutlichere Formulierung der imperialistischen Ansprüche ihrer ehemaligen Verbündeten haben die USA zunehmend dazu gezwungen, ihre gewaltige militärische Überlegenheit zur Schau zu stellen und einzusetzen. Gleichzeitig kann diese Politik nur zu einer noch größeren Zuspitzung des schon vorhandenen weltweiten Chaos führen.

So unterstrich der Kongress, dass der Krieg im ehemaligen Jugoslawien der klarste Ausdruck einer neuen Etappe der Entfaltung der Irrationalität des Krieges im dekadenten Kapitalismus mit sich bringt, die direkt mit der Zerfallsphase des Systems verbunden ist. Dies bestätigt eine grundlegende These des Marxismus hinsichtlich der Entwicklung des Kapitalismus im 20. Jahrhundert, wonach in der Niedergangsphase des Kapitalismus der Krieg zu seiner Überlebensform geworden ist.

Solch eine Zuspitzung des Chaos, begleitet von einer ständigen Auseinandersetzung zwischen den Großmächten, wird durch die Beschleunigung der kapitalistischen Krise noch verschärft. Die Krise, die Ende der 60er Jahre wieder ausbrach, nachdem die Wiederaufbauperiode nach dem 2. Weltkrieg zum Abschluss kam, hat sich seitdem immer mehr vertieft. Anfang der 90er Jahre versuchte die Bourgeoisie dieses Phänomen zu vertuschen, als sie den Zusammenbruch des Ostblocks als den endgültigen Sieg des Kapitalismus über den Kommunismus verkaufen wollte. In Wirklichkeit war der Bankrott des Ostblocks eine Schlüsselphase der Vertiefung der kapitalistischen Weltkrise. Er hat den Bankrott eines bürgerlichen Krisenverwaltungssystems offenbart: des Stalinismus. Seitdem haben alle ”Wirtschaftsmodelle” eins nach dem anderen ins Gras gebissen, angefangen bei der zweiten und dritten Industriemacht der Erde: Japan und Deutschland. Ihnen folgten der Absturz der ”Tiger” und ”Drachen” Asiens und der ”Schwellenländer” Lateinamerikas. Der offene Bankrott Russlands hat die Unfähigkeit des ”westlichen Liberalismus” bloßgelegt, Osteuropa wieder auf die Beine zu bringen. Die Bourgeoisie hat diese Wirtschaftskatastrophe als besonders schmerzhaft dargestellt, die jedoch nur eine begrenzte, aufgrund von Besonderheiten nur konjunkturelle Erscheinung sei. In Wirklichkeit aber sind diese Länder in eine in jeder Hinsicht so brutale und zerstörerische Depression hineingerutscht wie die der 30er Jahre. Und dies ist nur das Vorspiel für eine neue, weltweite offene Rezession.

Hinsichtlich des Klassenkampfes hat unser Kongress hervorgehoben, dass die Arbeiterklasse historisch nicht geschlagen ist, auch wenn der Zerfall, der durch die Sackgasse hervorgerufen wird, in der der Kapitalismus steckt, ein großes Gewicht ausübt, und auch wenn die Arbeiterklasse einen historischen Rückschlag erlitten hat, der durch den Zusammenbruch des russischen Blocks 1989 auf  Bewusstseinsebene und hinsichtlich der  Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse eingetreten ist – wobei die Weltbourgeoisie den Zusammenbruch des russischen Blocks so dargestellt hat, als ob damit die Perspektive des Kommunismus gestorben sei. Obgleich die Zeit nicht zugunsten der Arbeiterklasse wirkt, da sie die Ausbreitung all der Zerfallserscheinungen einer verfaulenden Gesellschaft nicht verhindern kann, können wir am Ende dieses Jahrzehnts wieder Anzeichen einer ansteigenden Kampfbereitschaft feststellen. Um dieser entgegenzutreten, mussten die Gewerkschaften wieder anfangen, die Kampfbewegungen zu isolieren und zu sabotieren, und die Bourgeoisie muss erneut die Politik des black-outs der Kämpfe auf internationaler Ebene betreiben, um das ”schlechte Beispiel” von Arbeiterkämpfen nicht weiter zu verbreiten.

Aber trotz der Schwierigkeiten, die weiterhin auf der Arbeiterklasse aufgrund des Zerfalls der kapitalistischen Gesellschaft lasten, urteilte der 13. Kongress der IKS, dass es langfristig viele besonders günstige Faktoren für ein neues Entfalten des Bewusstseins der Arbeiterklasse gibt:

- das fortgeschrittene Stadium der Krise selber, die das Nachdenken innerhalb der Arbeiterklasse über die Notwendigkeit, dem System entgegenzutreten und es zu überwinden, fördert;

- der immer massivere, gleichzeitige und generalisierte Charakter der Angriffe, der die Notwendigkeit einer breiten, umfassenden Klassenreaktion aufwirft;

- der Krieg wird allgegenwärtig. Er zerstört die Illusionen über einen ”friedlichen” Kapitalismus. Der jetzige Balkankrieg, der in der Nähe der wichtigsten Zentren des Kapitalismus stattfindet, wird das Bewusstsein der Arbeiter wesentlich beeinflussen, da er die katastrophalen Perspektiven des Kapitalismus für die Menschheit entlarvt;

- die Verstärkung der Kampfbereitschaft einer unbesiegten Klasse, die mehr gegen die Verschlechterung ihrer Existenzbedingungen ankämpfen wird;

- eine neue Generation von Arbeitern wird sich in den Kampf einreihen, deren Kampfbereitschaft ungebrochen ist, und die aus den Erfahrungen der Kämpfe seit 68 lernen kann;

- das Auftauchen von Diskussionszirkeln oder von fortgeschrittenen Arbeiterkernen, die versuchen werden, sich die unmittelbare und historische Erfahrung der Arbeiterbewegung anzueignen. Auf dem Hintergrund solch einer Perspektive lastet auf den Schultern der Kommunistischen Linken eine viel größere Verantwortung als in den 30er Jahren. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Bourgeoisie sich voll der Gefahr bewusst ist, dass die Arbeiterklasse ihre Geschichte aufarbeitet, und sie deshalb eine Verleumdungskampagne gegen die Geschichte und die jetzige Rolle ihres Klassenfeindes angeleiert hat.

Besorgt über die Gefahr, die von der Arbeiterklasse ausgeht, hat die herrschende Klasse in 13 von 15 Ländern der Europäischen Union sowie in den USA die Sozialdemokratie die Regierungsgeschäfte übernehmen lassen. Sie beabsichtigt damit, die Wahlmystifizierung und die ”demokratische Alternative” aufzupäppeln, nachdem die Rechten jahrelang an der Regierung waren, insbesondere in Schlüsselländern wie Deutschland und Großbritannien. Aber darüber hinaus und vor allem besitzt die Linke den Vorteil gegenüber der Rechten, die notwendige Intensivierung der Angriffe gegen die Arbeiter auf eine geschicktere und weniger provozierende Art durchzusetzen.

Schlussendlich hat der 13. Kongress betont, wenn heute die linken Parteien die meisten Regierungen bilden, zeigt dies, in welchem Maße die Bourgeoisie sich der Gefahr bewusst ist, die von einer Arbeiterklasse ausgeht, welche ihre historische Rolle kennt, was für sie jeweils ein Anlass war, all diese präventiven Aktionen einzuleiten, um die aufsteigende Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse zu untergraben.

Die Aktivitäten der IKS werden durch die neue Periode geprägt

Der 13. Kongress der IKS hat eine Bilanz unserer Aktivitäten erstellt auf dem Hintergrund einer historisch noch nie dagewesenen Lage, die sich als besonders schwierig und gefährlich erweist, und wo die Großmächte ihr mörderisches Arsenal mitten im Herzen Europas einsetzen.

Der 13. Kongress zog eine sehr positive Bilanz unserer Aktivitäten. Das ist keine Selbstbeweihräucherung, sondern eine objektive und kritische Einschätzung unserer Aktivitäten. Der 12. Kongress hatte beschlossen, dass die IKS wieder ein Gleichgewicht ihrer Aktivitäten herstellen müsse, nachdem wir drei Jahre lang einen Kampf für die Wiederherstellung unseres Organisationsgewebes geführt hatten. Gemäß dem Mandat des 12. Kongresses wurde diese ”Normalisierung” unserer Aktivitäten konkretisiert durch:

- eine Öffnung hin zum proletarischen politischen Milieu und hin zu den Kontakten, während wir gleichzeitig den Kampf gegen die parasitären Gruppen und Elemente fortgesetzt haben;

- eine theoretisch-politische Verstärkung, die Entwicklung der Fähigkeit, unserer Propaganda eine historische Dimension zu verleihen, indem wir uns auf den Marxismus und die Erfahrung der Klasse stützen;

- eine Verstärkung des ”Parteigeistes”, weil wir nur so die revolutionäre Organisation verstärken können.

Die Verstärkung der Organisation wurde ebenso belegt durch die Fähigkeit der IKS, neue Militante in sieben territorialen Sektionen integrieren zu können (insbesondere in unserer Sektion in Frankreich). So widerlegt die numerische Verstärkung der IKS (die sich fortsetzen wird, wie durch die Wünsche weiterer Sympathisanten, die sich jüngst um eine Mitgliedschaft beworben haben) all die Verleumdungen des parasitären Milieus, das unsere Organisation beschuldigt, zu einer ”auf sich selbst zurückgezogenen Sekte” geworden zu sein. Im Gegensatz zu den Verleumdungen unserer Kritiker hat der Kampf unserer Organisation um die Verteidigung des Parteigeistes die Leute, die nach Klassenpositionen suchen, nicht abgeschreckt, sondern im Gegenteil ihre Annäherung und politische Klärung ermöglicht.

Die IKS hat eine ernsthafte und klare, auf einer langfristigen Sicht aufgebauten Intervention mit dem Ziel der Annäherung an die Gruppen des proletarischen politischen Milieus fortgesetzt. Diese Ausrichtung wurde auf die Kontakte und Sympathisanten erweitert, auf deren Sorgen und Fragestellungen wir ernsthaft und vertiefend eingehen müssen, und denen es möglich gemacht werden soll, ihr mangelndes Begreifen und Misstrauen gegenüber der Rolle der revolutionären Organisationen zu überwinden. Diese Orientierung der IKS ist nicht auf irgendeine grössenwahnsinnige Auffassung zurückzuführen, sondern eine historische Notwendigkeit, die erforderlich macht, dass die Arbeiterklasse und die revolutionären Minderheiten an ihrer Seite ihre Pflicht erfüllen.

Die Verteidigung des proletarischen Milieus verlangte ebenso einen Kampf gegen die Konteroffensive der parasitären Elemente. So haben wir zwei Broschüren mit dem Titel Die angebliche Paranoia der IKS veröffentlicht und eine öffentliche ”internationale” Diskussionsveranstaltung zur Verteidigung der Organisation  abgehalten. An dieser haben sich mehrere unserer Kontakte beteiligt. So hat die Organisation die Frage des politischen Parasitismus vertiefen können. Dazu haben wir die ”Thesen zum politischen Parasitismus” verabschiedet und veröffentlicht, die ein Instrument zum historischen und theoretischen Begreifen der Gruppen des Milieus darstellen. Die Verteidigung des proletarischen Milieus hieß ebenso, dass die IKS die Haltung verstärkt, Diskussionen und die Annäherung voranzutreiben,  wobei wir mit anderen Gruppen dieses Milieus gemeinsame Interventionen gegenüber den antikommunistischen Kampagnen, die die Bourgeoisie anlässlich des 80. Jahrestages der Oktoberrevolution entfaltete, durchgeführt haben. Diese Arbeit wurde ebenso konkretisiert durch die Interventionen gegenüber dem politischen Milieu, das sich in Russland entfaltet.

Der 13. Kongress beschloss, dass die Intervention gegenüber dem ”politischen Sumpf” entschlossener von der Organisation angegangen werden muss. Dieses unbestimmte ”Niemandsland” zwischen Bourgeoisie und Proletariat ist das unvermeidbare Durchgangslager aller Elemente der Klasse, die sich hin zu einer Bewusstwerdung entwickeln. Deshalb ist der ”politische Sumpf” eine besondere Zielscheibe der Aktivitäten der Parasiten, mit denen sozusagen ein Wettlauf um die Zeit stattfindet. Auch darf die Organisation nicht erwarten, dass die ”suchenden Elemente” uns ”entdecken”, um Interesse an uns zu finden. Im Gegenteil muss die Organisation sich an diese ”suchenden Elemente” wenden und den Kampf gegen die Bourgeoisie im Sumpf selber führen.

Diese Verstärkung unserer Auffassung vom proletarisch politischen Milieu ist ein Ergebnis der politischen und theoretischen Verstärkung. Der Kongress unterstrich, dass die politisch-theoretische Verstärkung nicht als ein ”abgesondertes” Feld, als ein ”eigenständiger” oder ”zusätzlicher” Aufgabenbereich aufgefasst werden soll. In der gegenwärtigen historischen Lage und ausgehend von den langfristigen Perspektiven der Aktivitäten der revolutionären Organisation ist die politisch-theoretische Verstärkung ein Aspekt, der unsere Aktivitäten, unser Nachdenken und unsere Entscheidungen inspirieren und deren Grundlage darstellen muss.

Die positive Bilanz unserer Aktivitäten stützt sich auf eine klarere Auffassung darüber, dass  Organisationsfragen gegenüber anderen Aspekten unserer Aktivitäten ausschlaggebend sind. Deshalb ist sich die IKS bewusst, dass wir unsere Anstrengungen und unseren Kampf für das Erlangen des ”Parteigeistes” fortsetzen müssen, insbesondere indem wir gegen die Auswirkungen der herrschenden Ideologie auf das militante Engagement ankämpfen müssen. Während der letzten 25 Jahre hat die IKS die Folgen des Bruchs der organischen Kontinuität mit den revolutionären Organisationen der Vergangenheit ertragen müssen. Obgleich wir eine positive Bilanz aus dieser Erfahrung ziehen, wissen wir, dass die Errungenschaften in diesem Bereich nie endgültig sind; vor allem in der Zeit des Zerfalls, wenn die Bemühungen der Organisation, mit Parteigeist zu funktionieren, von den Tendenzen der Gesellschaft des ”jeder für sich”, des Nihilismus, der Irrationalität ständig untergraben werden, was sich in der Organisation durch Phänomene wie Individualismus, Misstrauen, Demoralisierung, Immediatismus, Oberflächlichkeit äußert.

Der 13. Kongress hat die Orientierung der Aktivitäten der IKS (Presse, Vertrieb, öffentliche Diskussionsveranstaltungen und Permanenzen) in die Perspektive eingebettet, dass wir auf der einen Seite von einer Zunahme der zerstörerischen Auswirkungen des Zerfalls ausgehen, auf der anderen Seite aber auch eine Beschleunigung der Geschichte erwarten, die sich durch eine Zuspitzung der Krise des Kapitalismus und wiedererstarkende Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse äußert. Die IKS und mit uns das gesamte proletarische Milieu ist durch diesen Kongress besser gerüstet, um sich den historischen Herausforderungen zu stellen.      

IKS



[i] [1] Revue der Kommunistischen Linken Italiens in den 30er Jahren – siehe unsere Broschüre /Buch ”Die Italienische Kommunistische Linke”

[ii] [1] Siehe unser internationales Flugblatt, das in allen Ländern, wo es IKS-Sektionen gibt, sowie in Kanada, Australien und Russland verteilt wurde. Siehe ebenso den Artikel in dieser Ausgabe zur Intervention der anderen Gruppen des proletarischen politischen Milieus.

Entwicklung des proletarischen <br>Bewusstseins und der Organisation: 

  • Internationale Kommunistische Strömung [2]

Deutsche Revolution VIII

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Der Kapp-Putsch 1920

Die Rechten greifen an, die Demokratie fügt den Arbeitern die Niederlage bei

In der Internationalen Revue Nr. 19 haben wir aufgezeigt, dass die Arbeiterklasse 1919 nach dem Scheitern des Januaraufstands in einer Reihe von zerstreuten Kämpfen schwerwiegende Niederlagen hinnehmen musste. Mit der blutrünstigsten Gewalt schlug die herrschende Klasse in Deutschland gegen die Arbeiter zu.

1919 war der Spitze der revolutionären Welle überschritten. Und nachdem die Arbeiterklasse in Russland gegenüber dem Ansturm der konterrevolutionären Truppen, die die demokratischen Staaten gegen Russland organisiert hatten, isoliert blieb, wollte in Deutschland die Bourgeoisie die Arbeiterklasse, die durch die 1919 erlittenen Niederlagen angeschlagen war, weiter angreifen und vollständig auf den Boden werfen.

Die Arbeiterklasse sollte die Kosten des Krieges tragen

Nach dem Desaster des Krieges, als die Wirtschaft dabei war zusammenzubrechen, wollte die herrschende Klasse die Situation ausnutzen, um der Arbeiterklasse die ganzen Kosten des Krieges aufzubürden. In Deutschland waren zwischen 1913 und 1920 die Ernten in der Landwirtschaft und die industrielle Produktion um mehr als die Hälfte gefallen. Von der vorhandenen Produktion sollte noch ein Drittel an die Siegerländer abgeführt werden. In vielen Wirtschaftszweigen brach die Produktion weiter zusammen. Unterdessen schossen die Preise rasant in die Höhe; betrugen die Lebenshaltungskosten 1913 100 Einheiten, waren sie 1920 auf 1.100 Einheiten. Nach dem Hungern im Krieg stand jetzt wieder der Hunger im ‘Frieden’ auf dem Programm. Die Unterernährung dehnte sich weiter aus. Chaos und Anarchie der kapitalistischen Produktion, Verarmung und Hunger in den Reihen der Arbeiter herrschten überall.

Die Bourgeoisie setzt den Versailler Vertrag zur Spaltung der Arbeiterklasse ein

Gleichzeitig wollten die Siegermächte des Westens die deutsche Bourgeoisie als Verlierer des Krieges zur Kasse bitten. Zu dem Zeitpunkt bestanden jedoch große Interessensgegensätze zwischen den Siegermächten.

Während die USA daran interessiert waren, dass Deutschland als Gegenpol gegen England wirken könnte und sich deshalb gegen eine Zerschlagung Deutschlands stellten, wollte Frankreich die möglichst nachhaltigste militärische, wirtschaftliche und territoriale Schwächung und gar eine Zerstückelung Deutschlands. Im Versailler Vertrag (28. Juni 1919) wurde deshalb beschlossen, dass in Deutschland das Militär bis zum 10. April 1920 von 400.000 auf 200.000 Mann, bis 10. Juli auf 100.000 Mann reduziert werden solle. Von 24.000 Offizieren würden nur 4.000 in die neue republikanische Armee, die Reichswehr, übernommen werden. Die Reichswehr fasste diesen Beschluss als eine lebensgefährliche Bedrohung für sie auf und wollte sich mit allen Mitteln dagegen zur Wehr setzen. Unter allen bürgerlichen Parteien – von SPD über Zentrum bis zu den Rechten– herrschte Einigkeit, dass der Versailler Vertrag wegen nationalen Interessen verworfen werden sollte. Nur aufgrund des von den Siegermächten ausgeübten Zwangs beugten sie sich. Gleichzeitig benutzte die Bourgeoisie den Versailler Vertrag dazu, die schon im Krieg vorhandene Spaltung in der internationalen Arbeiterklasse noch weiter zu vertiefen: in Arbeiter der Siegermächte und der Verliererstaaten.

Vor allem große Teile des Militärs fühlten sich durch den Versailler Vertrag bedroht und wollten sofort ihren Widerstand organisieren. Erneut strebten sie einen Krieg mit den Siegermächten an. Dazu musste aber der Arbeiterklasse eine weitere entscheidende Niederlagen schnell beifügt werden.

Aber das Großkapital wollte die Militärs nicht an die Macht kommen lassen. Die SPD hatte bislang an der Spitze des Staates ganze Arbeit geleistet. Seit 1914 hatte sie die Arbeiterklasse gefesselt, in den revolutionären Kämpfen im Winter 1918/1919 die Sabotage und Repression organisiert. Das Kapital brauchte nicht die Militärs, um seine Herrschaft aufrechtzuerhalten, es hatte die Diktatur der Weimarer Republik und setzte weiter auf sie. So schossen von der SPD befehligte Polizeitruppen am 13. Januar 1920 auf eine Massendemo vor dem Reichstag. 42 Tote blieben auf der Strecke. In einer Streikwelle im Ruhrgebiet Ende Februar wurde von der ‘demokratischen Regierung’ die Todesstrafe gegen revolutionäre Arbeiter angedroht.

Als im Februar Teile des Militärs Putschbestrebungen in Gang setzten, wurden diese deshalb nur von wenigen Kapitalfraktionen gestützt. Vor allem der agrarische Osten bildete ihren Stützpunkt, da er besonders stark an einer Rückeroberung durch den Krieg verloren gegangener Gebiete interessiert war.

Der Kapp-Putsch Die Rechten greifen an ...

Dass ein Putschversuch in Vorbereitung war, pfiffen die Spatzen von den Dächern. Aber die SPD-geführte Regierung unternahm zunächst nichts gegen diese Bestrebungen. Am 13. März zog eine ‘Marine-Brigade’ unter dem Kommando des Generals von Lüttwitz in Berlin ein, umstellte das Regierungsgebäude und rief den Sturz der Ebert-Regierung aus. Nachdem Ebert die Generale Seeckt und Schleicher um sich versammelte, um mit ihnen die Niederschlagung des rechtsradikalen Putsches durch die SPD-geführte Regierung zu besprechen, weigerten sich die Militärs, denn wie der oberste Militärchef sagte: ‘Die Reichswehr will keinen ‘Bruderkrieg’ Reichswehr gegen Reichswehr zulassen’.

Die Regierung floh zunächst nach Dresden und dann nach Stuttgart. Zwar erklärte Kapp die bürgerliche Regierung für abgesetzt, aber sie wurde nicht einmal verhaftet. Vor ihrer Flucht nach Stuttgart konnte die Regierung noch einen Aufruf zum Generalstreik erlassen, der ebenfalls von den Gewerkschaften unterstützt wurde, und zeigte damit erneut, wie heimtückisch dieser linke Flügel des Kapitals gegen die Arbeiter vorzugehen verstand.

”Kämpft mit jedem Mittel um die Erhaltung der Republik. Lasst allen Zwist beiseite! Es gibt nur ein Mittel gegen die Diktatur Wilhelm II.:

- Lahmlegung jeden Wirtschaftslebens

- Keine Hand darf sich nicht mehr rühren

- Kein Proletarier darf der Militärdiktatur helfen

- Generalstreik auf der ganzen Linie

- Proletarier vereinigt Euch. Nieder mit der Gegenrevolution.

Die sozialdemokratischen Mitglieder der Regierung: Ebert, Bauer, Noske,

Der Parteivorstand der SPD– O. Wels”

Gewerkschaften und SPD traten sofort für den Schutz der bürgerlichen Republik ein – auch wenn sie dabei eine ‘arbeiterfreundliche Sprache’ benutzten.[i] [3] Kapp erklärte die Nationalversammlung für aufgelöst, kündigte Neuwahlen an und drohte jedem streikenden Arbeiter mit der Todesstrafe.

Die Reaktion der Arbeiterklasse:  Der bewaffnete Abwehrkampf

Die Empörung unter den Arbeitern war riesig. Ihnen war sofort klar, dass es sich um einen Angriff gegen die Arbeiterklasse handelte. Überall entflammte heftigster Widerstand. Natürlich ging es nicht darum, die für abgesetzt erklärte, verhasste Scheidemann-Regierung zu verteidigen, die vorher so blutig gegen die Arbeiterklasse gewütet hatte.

Von der Waterkant über Ostpreußen, Mitteldeutschland, Berlin, Baden-Württemberg, Bayern bis zum Ruhrgebiet, keine Großstadt, in der es nicht Demonstrationen gab, kein Industriezentrum, wo nicht die Arbeiter in den Streik traten und versuchten, Polizeistationen zu stürmen und sich zu bewaffnen. Keine Fabrik, wo es keine Vollversammlung gab, um über den Widerstand zu entscheiden. In den meisten Großstädten fingen die putschistischen Truppen oder die Reichswehr an, auf demonstrierende Arbeiter zu schießen. Dutzende von Arbeitern fielen am 13. und 14. März unter den Schüssen der Putschisten.

In den Industriezentren wurden Aktionsausschüsse, Vollzugsräte, Arbeiterräte gebildet. Die Arbeitermassen strömten auf die Straße.

Seit dem November 1918 war die Mobilisierung der Arbeiter noch nie so stark gewesen.

Überall bäumte sich die heftigste Wut der Arbeiter gegen die rechten Militärs gleichzeitig auf.

Am 13. März, dem Tag des Einmarsches der Kapp-Truppen in Berlin, reagierte die KPD-Zentrale in Berlin mit Abwarten. In einer ersten Stellungnahme riet die KPD-Zentrale noch vom Generalstreik ab, ”Das Proletariat wird keinen Finger rühren für die demokratische Republik ... Die Arbeiterklasse, die gestern noch in Banden geschlagen war von den Ebert-Noske, und waffenlos, .. ist in diesem Augenblick nicht aktionsfähig. Die Arbeiterklasse wird den Kampf gegen die Militärdiktatur aufnehmen in dem Augenblick und mit den Mitteln, die ihr günstig erscheinen. Dieser Augenblick ist noch nicht da ...” Doch die KPD-Zentrale täuschte sich. Die Arbeiter selber wollten nicht abwarten, sondern innerhalb von wenigen Tagen reihten sich mehr Arbeiter in diesen Abwehrkampf ein, als sich seit Beginn der revolutionären Welle in den vielen zerstreuten Bewegungen zuvor mobilisiert hatten. Überall hieß die Parole ‘Bewaffnung der Arbeiter’, ‘Niederschlagung der Putschisten’.

Während 1919 in ganz Deutschland zerstreut gekämpft worden war, hatte der Putsch an vielen Orten die Arbeiterklasse gleichzeitig mobilisiert. Dennoch kam es abgesehen vom Ruhrgebiet kaum zu Kontaktaufnahmen der Arbeiter in den verschiedenen Städten untereinander. Landesweit erhob sich der Widerstand spontan, ohne eine ihn zentralisierende Bewegung.

Das Ruhrgebiet, die größte Konzentration der Arbeiterklasse, war zentrale Zielscheibe der Kappisten gewesen. So wurde das Ruhrgebiet zum Zentrum des Abwehrkampfes. Von Münster aus wollten die Kappisten die Arbeiter im Ruhrgebiet einkesseln. Nur die Arbeiter im Ruhrgebiet bündelten ihre Kämpfe in mehreren Städten und bildeten eine zentrale Streikleitung. Überall werden Aktionsausschüsse gebildet. Es wurden systematisch bewaffnete Arbeiterverbände aufgestellt. Man spricht von 80.000 bewaffneten Arbeitern im gesamten Ruhrgebiet. Dies war die größte militärische Mobilisierung in der Geschichte der Arbeiterbewegung neben dem Abwehrkampf in Russland.

Obwohl der Widerstand der Arbeiter auf militärischer Ebene nicht zentral geleitet wurde, gelang es den bewaffneten Arbeitern, den Vormarsch der Kapp-Putschisten zu stoppen. In einer Stadt nach der anderen konnten die Putschisten verjagt werden. Diese Erfolge hatten die Arbeiter 1919 in den verschiedenen Erhebungen nicht verbuchen können. Am 20. März musste sich das Militär gar aus dem Ruhrgebiet ganz zurückziehen. Am 17. März war Kapp schon zurückgetreten, sein Putsch hatte keine 100 Stunden gedauert. Der Widerstand der Arbeiterklasse hatte ihn zu Fall gebracht.

Ähnlich der Entwicklung ein Jahr zuvor hatten sich die stärksten Widerstandszentren in Sachsen, Hamburg, Frankfurt und München gebildet.[ii] [3] Die machtvollste Reaktion der Arbeiter kam jedoch im Ruhrgebiet zustande.

Während in den anderen Orten Deutschlands die Bewegung nach dem Rücktritt Kapps und dem Scheitern des Putsches sofort wieder stark abflachte, war im Ruhrgebiet mit dem Rücktritt des Putschisten die Bewegung nicht zu stoppen. Viele Arbeiter glaubten, dass man jetzt weitergehen müsse.

Die Grenzen der Reaktion der Arbeiter

Während sich spontan und in Windeseile eine große Abwehrfront der Arbeiter gegen die blutrünstigen Putschisten erhoben hatte, war klar, dass die Frage des Sturzes der Bourgeoisie keineswegs auf der Tagesordnung stand, sondern es ging in den Augen der meisten Arbeiter nur um ein Zurückschlagen eines bewaffneten Angriffs.

Und welcher Schritt der erfolgreichen Abwehr des Putschistenangriffes hätte folgen sollen, war damals unklar.

Abgesehen vom Ruhrgebiet erhoben die Arbeiter in anderen Regionen kaum Forderungen, die der Bewegung der Klasse eine größere Dimension hätte geben können. Solange sich der Druck aus den Betrieben gegen den Putsch richtete, gab es eine einheitliche Linie unter den Arbeitern, aber sobald die putschistischen Truppen niedergeworfen wurden, trat die Bewegung auf der Stelle und suchte ein klares Ziel. Einen Teil des Militärs zurückschlagen, ihn in einer Gegend zum Rückzug zu zwingen, heißt noch nicht, die Kapitalistenklasse gestürzt zu haben,

An verschiedenen Orten gab es Versuche von anarcho-syndikalistisch-rätistischen Kräften, erste Maßnahmen in Richtung Sozialisierung der Produktion in Gang zu setzen, weil man glaubte, nachdem man in einer Stadt die rechtsradikalen Kräfte vertrieben hatte, die Tür zum Sozialismus öffnen zu können. So wurden vielerorts durch die Arbeiter eine Reihe von ‘Kommissionen’ gebildet, die dem bürgerlichen Staat Anweisungen geben wollten, was zu tun sei. Erste Maßnahmen der Arbeiter nach einer erfolgreichen ‘Schlacht’ auf dem Weg zum Sozialismus, erste winzige Ansätze einer Doppelmacht – als solche wurden sie dargestellt. Aber diese Auffassungen sind ein Zeichen der Ungeduld, die in Wirklichkeit von der dringendsten Aufgabe ablenkt. Solche Maßnahmen ins Auge zu fassen, nachdem man nur LOKAL ein günstiges Kräfteverhältnis aufgebaut hat, sind eine große Gefahr für die Arbeiterklasse, weil sich die Machtfrage zunächst für ein ganzes Land und in Wirklichkeit nur international stellt. Deshalb müssen solche Zeichen kleinbürgerlicher Ungeduld und des ‘sofort alles haben wollen’ bekämpft werden.

Während die Arbeiter wegen der Bedrohung durch die Militärs sich sofort militärisch mobilisierten, fehlte jedoch der unabdingbare Druck aus den Fabriken. Ohne den entsprechenden Impuls aus den Betrieben, ohne die Masseninitiative, die auf die Straße drängt und sich in Arbeiterversammlungen äußert, wo gemeinsam die Lage diskutiert wird und Entscheidungen getroffen werden, kann die Bewegung nicht wirklich von der Stelle kommen. Dazu ist aber die größtmögliche Eigeninitiative, das Bestreben nach der Ausdehnung und dem Zusammenschluss der Bewegung erforderlich, was wiederum mit einer tiefgreifenden Bewusstseinsentwicklung verbunden ist, wo die Feinde des Proletariats entlarvt werden.

Deswegen reicht nicht einfach die Bewaffnung und die entschlossene militärische Abwehrschlacht – die Arbeiterklasse selber muss ihr wichtigstes Geschütz auffahren: ihr Bewusstsein über ihre eigenen Rolle, ihre Fähigkeit, sich selbst zu organisieren, vorantreiben. Dazu stehen die Arbeiterräte an zentraler Stelle. Die Arbeiterräte und Aktionsausschüsse, die in den Abwehrkämpfen wieder spontan entstanden waren, waren jedoch noch zu schwach entwickelt, um der Bewegung als Sammelpunkt und als Speerspitze zu dienen.

Hinzu kam, dass die SPD von Anfang an alles unternahm, um gerade ihren Sabotagehebel gegen die Räte anzusetzen. Während die KPD den Schwerpunkt ihrer Intervention auf die Neuwahl der Arbeiterräte setzte, die Initiative in den Räten selber verstärken wollte, blockierte die SPD diese Versuche ab.

SPD und Gewerkschaften: Speerspitze bei der Niederschlagung der Arbeiterklasse

Im Ruhrgebiet saßen wiederum viele SPD-Vertreter in den Aktionsausschüssen und in der zentralen Streikleitung. So versuchte die SPD erneut wie zwischen November 1918 und Ende 1919 die Bewegung sowohl von Innen wie auch von Außen her zu sabotieren, um, sobald die Arbeiter entscheidend geschwächt waren, mit der Repression gegen sie vorzugehen.

Denn nachdem am 17. März Kapp zurückgetreten war und seine Truppen aus dem Ruhrgebiet am 20. März abzogen, und nachdem die ‘geflüchtete’ SPD-geführte Regierung um Ebert-Bauer wieder die Geschäfte übernommen hatte, konnte die Regierung und mit ihr das Militär ihre Kräfte neu gruppieren.

Wieder einmal kamen SPD und Gewerkschaften dem Kapital zu Hilfe. Sie verlangten das sofortige Ende der Kämpfe. Die Regierung stellte ein Ultimatum. Mit großer demagogischer Kunst wollten sie die Arbeiter zum Einstellen der Kämpfe bewegen. Ebert und Scheidemann riefen sofort zur Wiederaufnahme der Arbeit auf: ”Kapp und Lüttwitz sind erledigt, aber junkerliche und syndikalistische Empörung bedrohen noch immer den deutschen Volksstaat. Ihnen gilt der weitere Kampf, bis auch sie sich bedingungslos unterwerfen. Für dieses große Ziel ist die republikanische Front noch inniger und fester zu schließen. Der Generalstreik trifft bei längerer Dauer nicht nur die Hochverräter, sondern auch unsere eigene Front. Wir brauchen Kohlen und Brot zur Fortführung des Kampfes gegen die alten Mächte, deshalb Abbruch des Volksstreiks, dafür aber stets Alarmbereitschaft.”

Gleichzeitig bot die SPD politische Scheinkonzessionen an, mit deren Hilfe sie der Bewegung die Spitze brechen wollte. So versprach sie ”mehr Demokratie” in den Betrieben, einen ”entscheidenden Einfluss auf die Neuregelung der wirtschaftlichen und sozialen Gesetzgebung” und die Säuberung der Verwaltung von putschfreundlich gesinnten Kräften. Vor allem die Gewerkschaften legten sich ins Zeug, damit ein Waffenstillstand unterzeichnet wurde. Im sogenannten Bielefelder Abkommen wurden dann Konzessionen versprochen, die aber nur ein Vorwand sein konnten, um nach dem Bremsen der Bewegung um so heftiger die Repression zu organisieren

Gleichzeitig wurde wieder mit der ‘ausländischen Intervention’ gedroht. Sollte es zu einer weiteren Ausdehnung der Kämpfe kommen, würden ausländische Truppen – vor allem die USA – eingreifen. Lebensmittellieferungen aus Holland an die hungernde Bevölkerung wurden von den Militärs unterbunden.

So sollten SPD und Gewerkschaften wieder zum Drahtzieher der Repression gegen die Arbeiter werden. Dieselbe SPD, deren Minister einige Tage zuvor noch, am 13. März, zum Generalstreik gegen die Putschisten aufgerufen hatten, nahmen jetzt wieder die Zügel in die Hand für die Repression. Denn während die ‘Waffenstillstandsverhandlungen’ stattfanden, die Regierung scheinbare Konzessionen machte, war die volle Mobilisierung der Reichswehr in Absprache mit der SPD schon im Gange. So gingen viele Arbeiter von der fatalen Illusion aus, da man Regierungstruppen vor sich habe, die der ‘demokratische Staat’ der Weimarer Republik gegen die Putschisten geschickt habe, würden diese keine Kampfhandlungen gegen die Arbeiter unternehmen. So rief das Verteidigungskomitee in Berlin-Köpenick die Arbeiterwehren dazu auf, den Kampf einzustellen. Nach dem Einzug der ‘regierungstreuen Truppen’ wurden sofort Standgerichte gebildet, deren Wüten sich in nichts von dem blutrünstigen Vorgehen der Freikorps ein Jahr zuvor unterschied. Jeder, der im Besitz von Waffen war, wurde sofort erschossen. Tausende Arbeiter wurden misshandelt, gefoltert und erschossen und unzählige Frauen vergewaltigt. Man spricht von mehr als 1.000 ermordeten Arbeitern allein im Ruhrgebiet.

Es waren die Truppen des frisch gegründeten demokratischen Staates, die gegen die Arbeiterklasse geschickt wurden.

Und während die Schergen der Putschisten es nicht geschafft hatten, die Arbeiter zu Boden zu werfen, sollten dies die Henker der Demokratie bewerkstelligen.

Seit dem 1. Weltkrieg sind alle bürgerlichen Parteien reaktionär und Todfeinde der Arbeiterklasse

In der dekadenten Phase des Kapitalismus hat die Arbeiterklasse seitdem diese Erkenntnis immer wieder gewinnen müssen: Es gibt keine Fraktion der herrschenden Klasse, die weniger reaktionär oder der Arbeiterklasse gegenüber weniger feindselig eingestellt ist. Im Gegenteil: Die linken Kräfte, wie die SPD es wieder einmal unter Beweis stellen sollte, sind nur noch hinterlistiger und heimtückischer in ihren Angriffen gegen die Arbeiter.

Im dekadenten Kapitalismus gibt es keine Fraktion der Bourgeoisie, die noch irgendwie fortschrittlich und unterstützungswert wäre. Deshalb sollten die Illusionen über die Sozialdemokratie in Wirklichkeit mit dem Blut der Arbeiterklasse bezahlt werden. Bei der Niederschlagung der Bewegung gegen den Kapp-Putsch zeigte die SPD erneut ihre ganze heimtückische List, wie sie im Dienste des Kapitals handelt.

Einmal trat sie als ”radikaler Vertreter der Arbeiter” auf. Nicht nur schaffte sie es, die Arbeiter zu täuschen, sondern auch die Arbeiterparteien ließen sich durch die SPD Sand in die Augen streuen. Denn während die KPD laut und deutlich vor der SPD auf Reichsebene warnte, vorbehaltlos den bürgerlichen Charakter ihrer Politik aufzeigte, wurde sie vor Ort selber Opfer der Heimtücke der SPD. Denn in den verschiedenen Städten unterzeichnete die KPD mit der SPD Aufrufe zum Generalstreik:

In Frankfurt z.B. riefen SPD, USPD und KPD dazu auf: ”Nun gilt es den Kampf aufzunehmen, nicht zum Schutze der bürgerlichen Republik, sondern zur Aufrichtung der Macht des Proletariats. Verlaßt sofort die Betriebe und die Büros!”

In Wuppertal beschlossen die Bezirksleitungen von SPD, USPD und KPD den Aufruf: ”Der einheitliche Kampf muss geführt werden mit dem Ziel:

1. Erringung der politischen Macht durch die Diktatur des Proletariats, bis zur Festigung des Sozialismus auf der Grundlage des reinen Rätesystems.

2. Sofortige Sozialisierung der dazu reifen Wirtschaftsbetriebe.

Dieses Ziel zu erreichen, rufen die unterzeichneten Parteien (USPD, KPD, SPD) dazu auf, am Montag, den 15. März, geschlossen in den Generalstreik zu treten ...”

Die Tatsache, dass KPD und USPD die wahre Rolle der SPD hier nicht entblößten, sondern der Illusion einer möglichen Einheitsfront mit dieser Partei Vorschub leisteten, die die Arbeiterklasse verraten hatte und der soviel Blut an den Fingern wegen der von ihr organisierten Repression gegen die Arbeiter klebte, sollte für die Arbeiterklasse verheerende Auswirkungen haben.

Die SPD wiederum zog in Wirklichkeit alle Fäden der Repression gegen die Arbeiter. Sie sorgte sofort nach Rückzug der Putschisten mit Ebert an der Regierungsspitze dafür, dass die Reichswehr einen neuen Chef – von Seeckt – bekam, der sich als ausgekochter Militär einen Ruf als Henker der Arbeiterklasse verdient hatte. Mit grenzenloser Demagogie stachelte das Militär den Hass gegen die Arbeiter an: ”Während der Putschismus von rechts zerschlagen abtreten muss, erhebt der Putschismus von links aufs neue das Haupt (..). wir führen die Waffen gegen jeden Putsch.” So wurden die Arbeiter, die gegen die Putschisten gekämpft hatten, als die eigentlichen Putschisten beschimpft. ”Lasst euch nicht irremachen durch bolschewistische und spartakistische Lügen. Bleibt einig und stark. Macht Front gegen den alles vernichtenden Bolschewismus. Im Namen der Reichsregierung: von Seeckt und Schiffer.”

Das wirkliche Blutbad gegen die Arbeiter übte die Reichswehr aus, die von der SPD dirigiert wurde. Es rückte die ‘demokratische Armee’, die Reichswehr gegen die Arbeiter vor, die Kappisten hatten längst die Flucht ergriffen!

Die Schwäche der Revolutionäre – für die Arbeiterklasse fatal

Während die Arbeiterklasse sich mit großem Heldenmut dem Angriff der Militärs entgegenwarf und nach einer weiteren Orientierung für ihre Kämpfe suchte, hinkten die Revolutionäre selbst der Bewegung hinterher. So wurde das Fehlen einer starken Kommunistischen Partei zu einer der entscheidenden Ursachen des erneuten Rückschlags, den die proletarische Revolution in Deutschland erleiden sollte.

Wie wir in früheren Artikeln aufgezeigt haben, war die KPD durch den Ausschluss ihrer Opposition auf dem Heidelberger Parteitag im Oktober 1919 entscheidend geschwächt worden, und im März 1920 gab es in Berlin gerademal einige Hundert Mitglieder, die Mehrzahl der Mitglieder war ausgeschlossen worden.

Zudem lastete über der Partei das Trauma der verheerenden Fehler der Revolutionäre aus der blutigen Januarwoche 1919, als die KPD nicht geschlossen die Falle, die die Bourgeoisie für die Arbeiter aufgestellt hatte, aufdecken und die Arbeiter nicht daran hindern konnte, in diese zu laufen.

So schätzte die KPD jetzt am 13. März das Kräfteverhältnis falsch ein, denn sie meinte, es sei zu früh zum Zurückschlagen. Fest stand, dass die Arbeiterklasse gegenüber einer Offensive der Bourgeoisie nicht die Wahl des Zeitpunktes hatte, und die Abwehrbereitschaft der Arbeiter war groß. In dieser Lage war die Orientierung der Partei vollkommen richtig: ”Sofortiger Zusammentritt in allen Betrieben zur Neuwahl von Arbeiterräten. Sofortiger Zusammentritt der Räte zu Vollversammlungen, die die Leitung des Kampfes zu übernehmen und die über die nächsten Maßnahmen zu beschließen haben. Sofortiger Zusammentritt der Räte zu einem Zentralkongreß der Räte. Innerhalb der Räte werden die Kommunisten kämpfen: für die Diktatur des Proletariats, für die Räterepublik ...” (15. März 1920).

Aber nachdem die SPD nach dem 20. März die Zügel der Regierungsgeschäfte wieder in die Hand genommen hatte, erklärte die KPD-Zentrale am 21. März 1920:

”Für die weitere Eroberung der proletarischen Massen für den Kommunismus ist ein Zustand, wo die politische Freiheit unbegrenzt ausgenützt werden, wo die bürgerliche Demokratie nicht als die Diktatur des Kapitals auftreten könnte, von der größten Wichtigkeit für die Entwicklung in der Richtung zur proletarischen Diktatur.

Die KPD sieht in der Bildung einer sozialistischen Regierung unter Ausschluß von bürgerlich-kapitalistischen Parteien einen erwünschten Zustand für die Selbstbetätigung der proletarischen Massen und ihr Heranreifen für die Ausübung der proletarischen Diktatur.

Sie wird gegenüber der Regierung eine loyale Opposition treiben, solange diese Regierung die Garantien für die politische Betätigung der Arbeiterschaft gewährt, solange sie die bürgerliche Konterrevolution mit allen ihr zu Gebot stehenden Mitteln bekämpft und die soziale und organisatorische Kräftigung der Arbeiterschaft nicht hemmen wird” (21. März 1920, Zentrale der KPD).

Wenn die KPD der SPD gegenüber eine ‘loyale Opposition’ versprach, was erwartete sie von dieser? War es nicht die gleiche SPD gewesen, die während des Krieges und seit Beginn der revolutionären Welle alles unternommen hatte, um die Arbeiter zu täuschen, sie an den Staat zu binden und immer wieder kaltblütig die Repression organisiert hatte!

Indem die KPD-Zentrale diese Haltung einnahm, ließ sie sich auf das gefährlichste durch die Manöver der SPD täuschen.

Wenn die Avantgarde der Revolutionäre sich schon so irreführen ließen, war es nicht verwunderlich, dass unter den Massen der Arbeiter die Illusionen über die SPD noch größer waren!

Diese Politik der Einheitsfront ‘von unten’, die im März 1920 von der KPD-Zentrale schon praktiziert wurde, sollte dann von der Komintern Zug um Zug übernommen werden. Die KPD hatte damit einen tragischen Anfang gesetzt.

Für die aus der KPD im Oktober 1919 ausgeschlossenen Genossen sollten die Fehler der KPD-Zentrale dann der Anlass sein, nur kurze Zeit später, Anfang April 1920, in Berlin die KAPD zu gründen.

Wieder einmal hatte die Arbeiterklasse in Deutschland heldenhaft gegen das Kapital gekämpft. Während international die Kampfeswelle schon stärker abgeklungen war, hatte sich die Arbeiterklasse in Deutschland ein weiteres Mal den Angriffen des Kapitals entschlossen entgegengeworfen. Aber erneut musste die Arbeiterklasse ohne eine wirklich schlagkräftige Organisation an ihrer Seite auskommen.

Das Zögern und die politischen Fehler der Revolutionäre in Deutschland verdeutlichen, wie schwerwiegend die Unklarheit und das Versagen einer revolutionären Organisation ins Gewicht fällt.

Diese von der Bourgeoisie angezettelte Provokation nach dem Kapp-Putsch endete leider in einer neuen und schwerwiegenden Niederlage der Arbeiterklasse in Deutschland. Trotz des heldenhaften Mutes und der Entschlossenheit, mit der sich die Arbeiter in den Kampf stürzten, mussten die Arbeiter erneut ihre weiterhin bestehenden Illusionen über die SPD und die bürgerliche Demokratie teuer bezahlen. Durch die chronische Schwäche ihrer revolutionären Organisation politisch gehandikapt, durch die Politik und das heimtückische Vorgehen der Sozialdemokratie getäuscht, erlitten sie eine Niederlage und wurden schließlich nicht den Kugeln der rechtsextremen Putschisten ausgeliefert, sondern der sehr demokratischen Reichswehr, die unter dem Befehl der SPD-geführten Regierung stand.

Aber diese neue Niederlage des Proletariats in Deutschland war vor allem ein Schlag gegen die weltweite revolutionäre Welle, wodurch Sowjetrussland noch weiter in die Isolation geriet.

Dv



[i] [3] Die Frage ist bis heute ungeklärt, ob es sich nicht um eine gezielte Provokation gehandelt hat, wo es eine Absprache zwischen den Militärs und Regierung gab. Man kann keinesfalls als ausgeschlossen betrachten, dass die herrschende Klasse einen Plan hatte, um die Putschisten als provozierenden Faktor einzusetzen nach dem Konzept: die ‘Rechten’ locken die Arbeiter in die Falle, die ‘demokratische’ Diktatur schlägt dann zu!

[ii] [3] In Mitteldeutschland trat zum ersten Mal Max Hoelz in Erscheinung, der durch die Organisierung von bewaffneten Kampfverbänden der Arbeiter Polizei und Militär viele Gefechte lieferte, bei seinen Aktionen in Geschäften Waren beschlagnahmte und sie an Arbeitslose verteilte. Wir werden in einem späteren Artikel erneut auf ihn zurückkommen.

Theorie und Praxis: 

  • Deutsche Revolution [4]

Geschichte der Arbeiterbewegung: 

  • 1919 - Deutsche Revolution [5]

Internationale Revue 24 - Editorial

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Timor, Tschetschenien...Kapitalismus heisst Chaos und Barbarei

Nach Kosovo Osttimor, nach Timor Tschetschenien. Das Blut aus den einen Massakern ist noch nicht vertrocknet, da gibt es schon neue Blutbäder an anderen Orten der Erde. Gleichzeitig liegt der afrikanische Kontinent immer mehr in seinem Todeskampf: neben den chronischen Kriegen, die jeden Tag Eritrea,  Sudan, Somalia, Sierra Leone, Kongo und viele andere Länder mehr ausbluten, hat es wieder Massaker in Burundi sowie Zusammenstöße zwischen den beiden “befreundeten” Staaten Ruanda und Uganda gegeben, während gleichzeitig der Krieg in Angola wieder aufflammt. Von den Verheißungen des amerikanischen Präsidenten Bush, der genau vor 10 Jahren beim Zusammenbruch des Ostblocks versprach, es werde eine “neue Weltordnung des Friedens und des Wohlstands” geben, keine Spur. Der einzige Frieden, der im letzten Jahrzehnt weiter vorangeschritten ist, ist der der Friedhöfe.

Jeden Tag wird das Versinken der kapitalistischen Gesellschaft im Chaos, ihre Fäulnis immer deutlicher.

Timor und Tschetschenien: Zwei Ausdrücke der Zerfallserscheinungen des Kapitalismus

In Ost-Timor sind die Massaker (Tausende von Toten) und die Zerstörungen (in bestimmten Gebieten sind 80-90% der Häuser verbrannt) nichts Neues. Nachdem Portugal Ost-Timor im Mai 1975 in seine Unabhängigkeit entlassen hatte, waren eine Woche später die indonesischen Truppen einmarschiert, um es zur 27. Provinz Indonesiens zu erklären. Damals hatten die Massaker und Hungersnöte 200.000-300.000 Tote hinterlassen, und das bei einer Gesamtbevölkerungszahl von weniger als einer Million Menschen. Aber die Ereignisse in Ost-Timor sind keine bloße Neuauflage der Ereignisse von 1975. Damals gab es schon sehr viele, oft mörderische Konflikte (der Vietnamkrieg wurde erst 1975 beendet). Aber die systematische Ausrottung von Zivilbevölkerungen aufgrund ethnischer Zugehörigkeit war damals noch eine Ausnahme, während sie heute zur Regel geworden ist. Die Massaker an den Tutsis 1994 in Ruanda waren keine “afrikanische” Besonderheit, die auf die Unterentwicklung dieses Kontinentes zurückzuführen gewesen wären. Die gleiche Tragödie hat vor einigen Monaten im Herzen Europas, im Kosovo, stattgefunden. Und wenn es heute in Timor zur Wiederholung solcher barbarischer Taten kommt, dann muss man diese als einen Ausdruck der gegenwärtigen Barbarei des Kapitalismus und des Chaos verstehen, in das dieses System versinkt, und nicht als eine Besonderheit dieses Landes, das auf eine gescheiterte Entkolonialisierung vor 25 Jahren zurückzuführen wäre.

Die Tatsache, dass die gegenwärtige Phase sich deutlich von der vor dem Zusammenbruch des Ostblocks abhebt, wird in dem jetzigen Krieg klar deutlich, der heute Tschetschenien verwüstet. Vor 10 Jahren hatte die UdSSR innerhalb weniger Wochen ihren imperialistischen Block verloren, den sie zuvor vier Jahrzehnte lang mit eiserner Hand beherrscht hatte. Aber da dieser Zusammenbruch des Blocks an erster Stelle auf eine Wirtschaftskrise und eine katastrophale Politik seiner Führungsmacht zurückzuführen war, was wiederum zu einer völligen Lähmung der UdSSR führte, war das Auseinanderbrechen der UdSSR auch vorprogrammiert gewesen: die baltischen, kaukasischen, zentralasiatischen Republiken und selbst die Osteuropas (Ukraine und Weissrussland) wollten dem Beispiel Polens, Ungarns, Ostdeutschlands, der Tschecholoswakei usw. folgen. 1992 war das Spiel vorbei und Russland stand allein auf weiter Flur. Aber Russland selbst, das aus verschiedenen Nationalitäten zusammengesetzt ist, fing an, Opfer des gleichen Prozesses des Auseinanderbrechens zu werden, wie der Krieg in Tschetschenien zwischen 1994-96 vor Augen führte. Dieser Krieg, in dem mehr als 100.000 Tote auf beiden Seiten zu beklagen und die größten Städte zerstört worden waren, endete in einer russischen Niederlage und der Unabhängigkeit Tschetscheniens.

Der Einmarsch islamischer Truppen des tschetschenischen Chamil Bassajew und seiner Konsorten um den Jordanier Khattab im Monat August in Dagestan lieferten den Auftakt zu einem neuen Krieg in Tschetschenien. Dieser neue Krieg kristallisiert die Erscheinungen des kapitalistischen Zerfalls, welcher den gesamten Kapitalismus erfasst.[i] [6]

Einerseits ist er ein Ergebnis des Zusammenbruchs der UdSSR, der selbst wiederum der tiefstgreifende Ausdruck der Zerfallsphase der bürgerlichen Gesellschaft ist. Andererseits wird dadurch der Aufstieg des islamischen Fundamentalismus ersichtlich, der ebenso in vielen Ländern (Iran, Afghanistan, Algerien usw.) die Fäulnis des Systems zeigt, und deren Gegenstück in den entwickelten Staaten die Zunahme der Gewalt in den Städten, der Drogensucht und des Sektenwesens ist.

Wenn es darüber hinaus zutrifft, dass Bassajew und seine Clique – wie von vielen behauptet (dies ist gar ziemlich wahrscheinlich) – von dem Mafia-Milliardär Berezovski, der grauen Eminenz Jelzins finanziert werden, oder dass die Explosionen in Moskau im September auf die Machenschaften der russischen Geheimdienste zurückzuführen sind, dann wären dies nur weitere Erscheinungen des Zerfalls des Kapitalismus, die sich auch nicht auf Russland beschränken. Der Terrorismus wird von den bürgerlichen Staaten selber immer häufiger eingesetzt (und nicht nur von kleinen unkontrollierten Gruppen); zudem häuft sich immer mehr die Korruption. Auch wenn die russischen “Geheimdienste” nicht hinter den Attentaten steckten, wurden diese von der Staatsgewalt ausgenutzt, um den Fremdenhass in Russland zu schüren und den neuen Krieg gegen Tschetschenien zu rechtfertigen. Dieser Krieg wurde von allen Kreisen der politischen Klasse Russlands (mit Ausnahme von Lebed, der das Abkommen von Kassaviur im August 1996 mit Tschetschenien unterschrieb) gewollt, angefangen von den Stalinisten um Siuganow bis hin den zu den “Demokraten” des Bürgermeisters von Moskau. Obwohl breite Teile des politischen Apparates Russlands Klage führen über Korruption und Unfähigkeit der Jelzin-Clique, unterstützen sie deren Flucht nach vorne in ein Abenteuer, das die wirtschaftliche und politische Katastrophe nur noch verschlimmern kann. Das spricht dies Bände.

Der Zynismus und die Heuchelei der “Demokratien”

Vor einigen Monaten war die militärische Offensive der NATO-Verbände in Jugoslawien mit dem Feigenblatt der “humanitären Einmischung” verdeckt worden. Nur dank einer intensiven Medienpropaganda, die unaufhörlich Bilder vom Elend der kosovarischen Flüchtlinge und der Massengräber vermittelte, die nach dem Rückzug der serbischen Truppen aus dem Kosovo entdeckt worden waren, konnte gegenüber der Bevölkerung in den NATO-Staaten die Tatsache übertüncht werden, dass diese militärische Intervention als erste Konsequenz die Auslösung “ethnischer Säuberungen” der Milizen Milosevics gegen die Albaner in dieser Provinz zur Folge hatte.

Heute erreicht die Heuchelei mit den Ereignissen in Osttimor eine neue Stufe. Als diese Region 1975-76 von den Truppen Suhartos besetzt wurde, wobei ca. ein Drittel der Bevölkerung umgebracht wurde, hatten sich die Medien und die westlichen Regierungen noch wenig um diese Tragödie gekümmert. Auch wenn die Vollversammlung der UNO diese Annexion nicht anerkannte, unterstützen die westlichen Großmächte Suharto vorbehaltlos, da sie in ihm den Garanten der westlichen Ordnung in diesem Teil der Welt sahen.[ii] [7] Natürlich ragten die USA insbesondere durch ihre Waffenlieferungen und die Ausbildung der indonesischen Kampftruppen (welche die gegen die Unabhängigkeit kämpfenden Milizen organisierten, wobei sie aus den Reihen der timoresischen Gangster Leute rekrutierten) und durch ihre Unterstützung der Henker im Timor heraus. Aber sie waren nicht die einzigen, da Frankreich und Großbritannien auch ihre Waffenlieferungen fortsetzten (die Elitetruppen Indonesiens waren vom britischen “Secret Action Service” ausgebildet worden). Das Land, das heute als der “Retter” der Bevölkerung Osttimors dargestellt wird,  Australien, hatte damals als einziger Staat die Annexion Osttimors anerkannt (wofür es 1981 mit der Beteiligung an der Ausbeutung der Ölvorkommen an der Küste Timors belohnt wurde). Vor kurzem noch hat Australien ein Abkommen über militärische Zusammenarbeit unterzeichnet, das insbesondere gegen den Terrorismus gerichtet ist – zu denen natürlich die Unabhängigkeitsguerilla Osttimors zählte.

Heute bemühen sich alle Medien, die Barbarei zu entblößen, deren Opfer die Bevölkerung Osttimors wurde, nachdem diese mehrheitlich für die Unabhängigkeit gestimmt hatte. Und dieser Medienrummel hat natürlich die Zustimmung zum Eingreifen der UN-Interventionskräfte unter australischem Kommando erhöht. Wie im Kosovo ging die Kampagne zum “Schutz der Menschenrechte” der bewaffneten Intervention voraus.

Erneut brachten die Militärs die humanitären Organisationen (die ganze Heerschar von NGO) in ihrem Gepäck mit, womit die Lüge gerechtfertigt werden sollte, das bewaffnete Eingreifen verfolge kein anderes Ziel als die Verteidigung von Menschenleben (und sicherlich nicht die Verteidigung imperialistischer Interessen).

Aber die Massaker an den Albanern im Kosovo waren vorhersehbar (und von der NATO gewünscht, um im nachhinein ihre Intervention zu rechtfertigen). Das Massaker an der Bevölkerung Osttimors war nicht nur vorhersehbar, sondern offen von den Tätern, den pro-indonesischen Milizen, angekündigt worden. Trotz all der Warnungen hat die UNO ohne Bedenken die Vorbereitung des Referendums zur Unabhängigkeit vom 30. August unterstützt, womit die Bevölkerung Osttimors den angekündigten Massakern ausgeliefert wurde.

Als die Verantwortlichen der UNO befragt wurden, warum sie so sorglos gewesen waren, antwortete einer ihrer Verantwortlichen ganz ruhig: “Die UNO stellt nur die Summe ihrer Mitglieder dar.”[iii] [8] Und in der Tat wirkte der Verlust der Glaubwürdigkeit der UNO zugunsten der USA. Nach dem Ende des Kosovo-Krieges, wo eine von der NATO ausgelöste Bombardierung mit einer Verstärkung der UNO endete, die immer mehr der Kontrolle der USA entweicht, nachdem sich eine wachsende Zahl von Ländern, insbesondere Frankreich, der Vorherrschaft der USA entgegenstellt, suchten die USA nach einer Gelegenheit, um dieser Entwicklung gegenzusteuern.

Die Position der USA war übrigens mehrfach von den wichtigsten US-Führern herausgestrichen worden:

“Es kommt nicht in Frage, kurzfristig UNO-Truppen zu schicken, die Indonesier müssen selber wieder die Kontrolle über die verschiedenen Teile der Bevölkerung erlangen.” (Peter Burleigh, Stellvertretender US-Botschafter bei der UNO)[iv] [9] Das ließ sich leicht sagen, solange mehr als offensichtlich war, dass die Gegner der Unabhängigkeit im Solde der indonesischen Armee standen. “Auch wenn wir Belgrad bombardiert haben, brauchen wir jetzt nicht Dili bombardieren.” (Samuel Berger, Leiter des Nationalen Sicherheitsrates im Weißen Haus) “Osttimor ist nicht das Kosovo.” (James Rubin, Sprecher des Außenministeriums)[v] [10]

Diese Aussagen zeigen zumindest die Heuchelei und Doppelzüngigkeit Clintons, der einige Monate zuvor am Ende des Kosovokrieges herausposaunt hatte: “Ob Ihr in Afrika, Mitteleuropa oder woanders lebt, wenn jemand ein massives Verbrechen gegen die unschuldige Zivilbevölkerung begehen will, muss er wissen, dass wir ihn - wenn wir können – daran hindern werden.”[vi] [11]

Die die Intervention ablehnende Haltung der USA kann nicht nur durch den Willen der USA erklärt werden, der UNO das Maul zu stopfen. Abgesehen davon, dass die erste Weltmacht nicht die “Gefühle” ihres treuen Verbündeten in Jakarta verletzen wollte (mit dem sie noch am 25. August gemeinsame Manöver unter dem Motto “Humanitäre und Hilfsoperationen in Notfällen” durchgeführt hatten), wollten sie die Polizeioperation des indonesischen Staates unterstützen, als dieser durch die Milizen Massaker an der Zivilbevölkerung ausüben ließ. Auch wenn die indonesische Armee (die die wichtigsten Zügel der Macht in den Händen hält) wusste, dass sie in Osttimor nicht endgültig die Kontrolle aufrechterhalten konnte (deshalb stimmte sie dem Einsatz von Interventionstruppen der UNO zu), verfolgte sie mit den Massakern, die von ihr nach dem Referendum ausgeübt wurden, das Ziel, eine Warnung an all diejenigen auszusprechen, die in diesem gewaltigen Inselreich weiter Unabhängigkeitsbestrebungen zeigen würden. Die Bevölkerung in Nordsumatra, auf Sulawesi oder den Molukken, die durch nationalistische Bewegungen in Versuchung geraten könnte, sollte gewarnt werden. Und dieses Ziel der indonesischen Bourgeoisie wurde von den Bourgeoisien der anderen Staaten der Region (Thailand, Burma, Malaysia) voll mitgetragen, die auch mit Problemen ethnischer Minderheiten konfrontiert sind. Es wird ebenso von einem Teil der amerikanischen Bourgeoisie unterstützt, die über die Destabilisierung in der Region besorgt ist, nachdem die Lage schon in anderen Teilen der Welt so instabil geworden ist.

Bei der Operation “Wiederherstellung der Ordnung” in Osttimor – die unbedingt stattfinden musste, um nicht die in den letzten Jahren uns so stark eingetrichterte “humanitäre” Ideologie zu gefährden – haben die USA die Arbeit Australien übertragen. Damit ergab sich für sie der Vorteil, sich nicht direkt gegenüber Indonesien zu kompromittieren, wobei ihr treuester und solidester Verbündeter in der Region gleichzeitig an Stärke gewinnen konnte. Denn für Australien war dies auch eine gute Gelegenheit, seinen Bedürfnissen nach Verstärkung seiner imperialistischen Positionen in der Region nachzukommen (selbst auf Kosten eines vorübergehenden Streits mit Indonesien). Für die USA geht es als Weltmacht grundsätzlich darum, in dieser Region durch Stellvertreter eine starke Präsenz aufrechtzuerhalten, denn sie wissen, dass der allgemeine Trend der imperialistischen Spannungen in der heutigen geschichtlichen Situation die Gefahr in sich birgt, dass der Einfluss der anderen beiden Großmächte, die in der Region eine Rolle beanspruchen könnten, Japan und China, zunehmen könnte.

Diese gleiche geostrategische Sorge erklärt die gegenwärtige Haltung der USA und der anderen Großmächte gegenüber dem Tschetschenien-Krieg. In dieser Region wird die Zivilbevölkerung jeden Tag mehr durch die Bombardierung der russischen Luftwaffe abgeschlachtet. Die Zahl der Flüchtlinge übersteigt schon mehrere Hunderttausend, Zehntausende Familien obdachlos geworden,  und das auf dem Hintergrund des bald hereinbrechenden Winters. Gegenüber dieser seit Wochen andauernden “humanitären” Katastrophe äußern sich die westlichen Führer nicht. Clinton zeigte sich “besorgt” über die Lage in Tschetschenien und Laurent Fabius, Präsident der französischen Nationalversammlung, behauptet ganz unverblümt, dass man sich gegen alle Unabhängigkeitsbestrebungen innerhalb der Russischen Föderation wenden solle: “Frankreich unterstützt die territoriale Integrität der russischen Föderation  und verurteilt den Terrorismus, die Destabilisierungsversuche, den Fundamentalismus, die alle Gefahren für die Demokratie sind.”[vii] [12]

Obgleich die Medien weiter einen auf “humanitär” machen, gibt es eine Übereinkunft auch zwischen den Ländern, die oft anderswo aufeinanderprallen (wie Frankreich und die USA), Russland keine Schwierigkeiten zu machen und es ihm zu erlauben, weiter Massaker auszuüben. Tatsächlich sind alle Teile der westlichen Bourgeoisie daran interessiert, eine neue Zuspitzung des Chaos zu verhindern, in das das größte Land der Welt, das zwischen zwei Kontinenten liegt, immer mehr versinkt, und das im übrigen noch immer Tausende von Atomsprengköpfen besitzt.

An den beiden Enden des gewaltigen asiatischen Kontinentes, der der bevölkerungsreichste der Erde ist, steht die Weltbourgeoisie einem wachsenden Chaos gegenüber. Dieser Kontinent war schon im Sommer 1997 durch die brutalen Angriffe der Krise erschüttert worden, wodurch die politischen Verhältnisse in einigen Ländern destabilisiert wurden, wie im Falle Indonesiens besonders deutlich wurde (das zwar kein Teil des asiatischen Festlandes ist, aber in unmittelbarer Nähe liegt). Gleichzeitig sind andere, das Chaos beschleunigende Faktoren  hinzugekommen, insbesondere durch die Zuspitzung  traditioneller Konflikte wie der zwischen Indien und Pakistan Anfang 1999. Das langfristige Risiko, vor denen der gesamte asiatische Kontinent steht, ist die von  Explosion von Widersprüchen, wie zur Zeit im Kaukasus sichtbar, die Entwicklung einer ähnlichen Lage wie in Afrika, aber natürlich mit viel katastrophaleren Konsequenzen für die gesamte Welt.

Das sich immer weiter ausbreitende Chaos ruft natürlich große Sorgen unter allen Teilen der Weltbourgeoisie hervor, insbesondere unter den Führern der Großmächte. Aber diese Sorge bleibt hilflos. Die Absicht, ein Mindestmaß an Stabilität zu bewahren, gerät ständig in Konflikt mit den widersprüchlichen Interessen der verschiedenen nationalen Teile der herrschenden Klasse. So verhalten sich die fortgeschrittenen Länder, die “großen Demokratien” meisten als feuerlegende Feuerwehrleute, die eingreifen, um eine Lage zu “stabilisieren”, die sie selbst haben chaotisch werden lassen (wie man insbesondere im ehemaligen Jugoslawien erkennen konnte oder heute in Osttimor).

Aber das sich auf der imperialistischen Bühne ausdehnende Chaos ist nur ein Ausdruck des allgemeinen Zerfalls der bürgerlichen Gesellschaft. Dieser Zerfall hat seine Wurzeln in der Unfähigkeit der herrschenden Klasse auch nur irgendeine Lösung für die unüberwindbare Wirtschaftskrise zu finden – selbst ein Weltkrieg, in den sie 1914 und 1939 die Welt gestürzt hatte, ist heute nicht möglich. Dieser Zerfall äußert sich durch ein langsames Verfaulen der gesamten Gesellschaft. Und dieser Zerfall ist nicht beschränkt auf die rückständigen Länder, sondern er erfasst auch die großen bürgerlichen Metropolen. Dies belegen der schreckliche Eisenbahnunfall am 5. Oktober in London, Hauptstadt des ältesten kapitalistischen Zentrums der Welt (also keineswegs eines 3.Welt-Landes) wie auch der Unfall im AKW am 30. September in Tokaimura in Japan, einem Land, das den Ruf von “Qualität” und “technischer Makellosigkeit” genoss. Dieser Zerfall wird nur dann zu Ende gebracht werden können, wenn der Kapitalismus selber überwunden ist. Dies kann nur durch die Arbeiterklasse geschehen, wenn sie dieses System überwindet, das heute gleichbedeutend ist mit Chaos und Barbarei.

Fabienne (10/10/99)


[i] [13] Für eine vertiefte Analyse des Zerfalls des Kapitalismus siehe unseren Artikel in “Internationale Revue” Nr. 10 & 13.

[ii] [14] Der Staatsstreich Suhartos 1965 gegen Sukarno, der als den “sozialistischen” Ländern zu nahestehend bezichtigt wurde, wurde mit US-amerikanischer Hilfe durchgeführt. Die US-Regierung war besonders froh darüber, dass ihre Hilfe für die indonesische Armee “diese ermutigt hatte, gegen die Kommunistische Partei vorzugehen, als sich die Gelegenheit dazu bot.” (so die Aussage Mac Namaras, damaliger Chef des Pentagons).

[iii] [15] Le Monde, 16.9.1999

[iv] [16] Libération 5.9.1999

[v] [17] Le Monde 14.9.1999

[vi] [18] Le Monde 16.9.1999

[vii] [19] Le Monde 7.10.1999

Organisationsfrage: Sind wir "Leninisten" geworden? (Teil II)

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Im ersten Teil dieses Artikels sind wir auf die Anschuldigung eingegangen, dass wir ”Leninisten” geworden seien und unsere Position bezüglich der Organisationsfrage geändert hätten. Wir haben gezeigt, dass der ”Leninismus” nicht nur unseren Prinzipien und politischen Positionen widerspricht, sondern auch auf die Zerstörung der historischen Einheit der Arbeiterbewegung abzielt. Insbesondere verwirft er den Kampf der marxistischen Linken zuerst inner-, später außerhalb der II. sowie der III. Internationale. Er hetzt Lenin gegen Rosa Luxemburg, Pannekoek usw. auf. Der ”Leninismus” ist nichts anderes als die Negation des militanten Kommunisten Lenin und Ausdruck der stalinistischen Konterrevolution zu Beginn der 20er Jahre.

Wir haben auch festgehalten, dass wir uns immer auf den Kampf Lenins für den Parteiaufbau gegen die menschewistische und die ökonomistische Opposition bezogen haben. Wir haben auch daran erinnert, dass wir seine Fehler bezüglich der Organisation, insbesondere bezüglich ihres hierarchischen und militärischen Charakters, sowie auf theoretischer Ebene bezüglich der Frage des Klassenbewusstseins, das gemäß seiner Anschauung von außen in die Klasse hineingetragen wird, zurückgewiesen. Wir haben seine Fehler in den historischen Kontext gestellt, um ihre Dimension und wirkliche Bedeutung zu verstehen.

Welche Position nimmt die IKS zu Was tun? und Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück ein? Weshalb bekräftigen wir, dass diese zwei Werke von Lenin unersetzbare theoretische, politische und organisatorische Errungenschaften darstellen? Stellen unsere Kritiken, die bei erstrangigen Fragen ansetzen - insbesondere bezüglich der in Was tun? entwickelten Frage des Bewusstseins - unsere prinzipielle Übereinstimmung mit Lenin nicht in Frage?

Die Position der IKS zu Was tun?

”Es wäre falsch und eine Entstellung der Geschichte, wenn man den substituionistischen Lenin von Was tun? der klaren und gesunden Sichtweise einer Rosa Luxemburg oder eines Leo Trotzki (der in den 20er Jahren ein eiserner Verfechter der Militarisierung der Arbeit und der allmächtigen Diktatur der Partei wurde!) gegenüberstellen wollte.“[i] [20]

Wie man sieht, beginnt unsere Position zu Was tun? mit der Anwendung unserer Methode, die Geschichte der Arbeiterbewegung zu verstehen. Diese Methode stützt sich auf die Einheit und Kontinuität dieser Bewegung, wie wir dies im ersten Teil dieses Artikels dargestellt haben. Sie ist nicht neu und reicht bis zur Gründung der IKS zurück.

Was tun? gliedert sich in zwei große Teile. Der erste ist der Frage des Klassenbewusstseins und der Rolle der Revolutionäre gewidmet. Der zweite geht direkt zu Organisationsfragen über. Die Schrift stellt eine unversöhnliche Kritik der “Ökonomisten” dar, für die die Entwicklung des Klassenbewusstseins der Arbeiter ausschließlich von unmittelbaren Kämpfen ausgehen kann. Sie tendieren auch dazu, die aktive politische Rolle der revolutionären Organisationen zu unterschätzen, ja zu negieren: Deren Aufgabe sei lediglich die Unterstützung der ökonomischen Kämpfe. Als natürliche Konsequenz dieser Unterschätzung der Rolle der Revolutionäre widersetzen sich die “Ökonomisten” der Bildung einer zentralisierten und einheitlichen Partei, die in der Lage wäre, mit großer Kraft und einheitlicher Stimme zu allen ökonomischen und politischen Fragen zu intervenieren.

Lenins Text Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück  ist eine Ergänzung zu Was tun?. Er geht auf die Spaltung der SDAPR am 2. Kongress in Bolschewisten und Menschewisten ein.

Der Schwachpunkt von Was tun? liegt beim Klassenbewusstsein. Welche Haltung nahmen diesbezüglich andere Revolutionäre ein? Bis zum 2. Kongress stellte sich nur der “Ökonomist” Martinow dagegen. Erst nach dem Kongress kritisierten Plechanow und Trotzki die irrige Anschauung Lenins  über das von außen in die Arbeiterklasse hineingetragene Klassenbewusstsein. Sie waren die einzigen, die die von Lenin übernommene Position Kautskys ausdrücklich zurückwiesen, gemäß der der Sozialismus und der Klassenkampf des Proletariats ”nebeneinander entstehen, nicht auseinander (und) der Träger der Wissenschaft nicht das Proletariat ist, sondern die bürgerliche Intelligenz”.[ii] [21]

Die Antwort Trotzkis ist zwar richtig, aber auch sehr begrenzt. Vergessen wir nicht, dass wir uns im Jahr 1903 befinden und die Antwort von Trotzki Unsere politischen Aufgaben aus dem Jahr 1904 datiert. In Deutschland hat die Debatte über den Massenstreik kaum begonnen, und sie entwickelt sich kaum vor den Erfahrungen von 1905 in Russland. Trotzki weist die Position von Kautsky deutlich zurück und unterstreicht die in ihr enthaltene Gefahr des Substitutionismus. Doch obwohl Trotzki die Position Lenins zu den Organisationsfragen hart angreift, grenzt er sich in der Frage des Klassenbewusstseins nicht klar von Lenin ab. Er versteht und erklärt die Gründe hinter Lenins Position folgendermaßen:

”Als Lenin Kautsky die absurde Vorstellung bezüglich des Verhältnisses von ‘spontanem’ und ‘bewusstem’ Element in einer revolutionären Bewegung des Proletariats unterschob, zeichnete er damit mit groben und unsauberen Strichen ganz einfach die Aufgabe seiner Epoche.”[iii] [22]

Zugunsten Trotzkis muss man sagen, dass sich unter den Opponenten Lenins vor dem II. Kongress der SDAPR niemand gegen die Position Kautskys zum Bewusstsein erhoben hat. Am Kongress hat Martow, der Führer der Menschewiki, genau dieselbe Position wie Kautsky und Lenin vertreten: ”Wir sind der bewusste Ausdruck eines unbewussten Prozesses.”[iv] [23] Nach dem Kongress wird dieser Frage ein so geringes Gewicht zugemessen, dass die Menschewiki jegliche programmatische Divergenz verneinen und die Spaltung einzig auf Lenins organisatorische ”Hirngespinste” zurückführen: ”Mit meiner bescheidenen Intelligenz bin ich nicht unfähig zu verstehen, was mit ‘Opportunismus in Organisationsfragen’ losgelöst von jeder organischen Verbindung zu programmatischen und taktischen Ideen  gemeint sein soll.”[v] [24]

Die Kritik von Plechanow bleibt, wenn auch richtig, so doch ziemlich generell und gibt sich mit einem marxistischen Positionsbezug zufrieden. Sein Hauptargument bestand darin, dass es nicht wahr sei, dass ”die Intellektuellen ihre eigenen sozialistischen Theorien ‘völlig unabhängig vom spontanen Wachstum der Arbeiterbewegung ausgearbeitet’ haben - das geschah nie und konnte nie geschehen”[vi] [25].

Vor und während des Kongresses, als Plechanow noch einig mit Lenin war, beschränkte er sich auf eine theoretische Erörterung der Frage des Bewusstseins. Er griff aber die Debatten des II. Kongresses nicht auf und antwortete auch nicht auf die zentrale Frage: Welche Partei und welche Rolle für diese Partei? Einzig Lenin antwortete darauf.

Die zentrale Frage von Was tun?: Hebung des Bewusstseins in der Klasse

Lenin hatte in seiner Polemik gegen den “Ökonomismus” auf theoretischer Ebene eine zentrale Sorge: die Frage des Klassenbewusstseins und seine Entwicklung in der Arbeiterklasse. Lenin war mit den Erfahrungen des Massenstreiks und dem Auftauchen der ersten Sowjets 1905 in Russland schnell auf die Position Kautskys zurückgekommen. Im Januar 1917, vor dem Ausbruch der Russischen Revolution und während des Wütens des 1. Weltkriegs, griff Lenin auf den Massenstreik von 1905 zurück. Ganze Passagen über die "unlösbare Verflechtung von ökonomischem und politischem Streik" erscheinen wie von Rosa Luxemburg oder Trotzki verfasst.[vii] [26] Und sie geben einen guten Eindruck über die Revision seiner ursprünglichen Idee, die zu einem wesentlichen Teil der ”Überspannung des Bogens” in der Hitze der Polemik geschuldet war[viii] [27].

”Die wirkliche Erziehung der Massen kann niemals getrennt vom und außerhalb vom selbständigen politischen und besonders revolutionären Kampfe der Masse selbst geschehen. Erst der Kampf erzieht die ausgebeutete Klasse, erst der Kampf gibt ihr das Maß ihrer Kräfte, erweitert ihren Horizont, steigert ihre Fähigkeit, klärt ihren Verstand auf, stählt ihren Willen.” [ix] [28] Das ist weit entfernt von Kautskys Position.

Doch schon in Was tun? finden sich widersprüchliche Stellen über das Bewusstsein. Neben der falschen Position schreibt Lenin beispielsweise auch: ”Dies zeigt uns, dass das ‘spontane Element’ eigentlich nichts anderes darstellt als die Keimform der Bewusstheit.”[x] [29]

Diese Widersprüche sind Ausdruck der Tatsache, dass Lenin 1902 ebenso wie die übrige Arbeiterbewegung noch keine sehr klare und präzise Auffassung über das Klassenbewusstsein hatte[xi] [30]. Die Widersprüche in Was tun? und seine späteren Stellungnahmen zeigen, dass Lenin nicht besonders für die Position Kautskys eingenommen war. Es finden sich übrigens nur drei gut abgegrenzte Stellen in Was tun?, in denen Lenin schreibt, dass "das Bewusstsein von außen gebracht werden müsse". Und von diesen dreien hat eine überhaupt nichts mit Kautsky zu tun.

Lenin verwirft die Möglichkeit, ”dass man das politische Klassenbewusstsein der Arbeiter aus ihrem ökonomischen Kampf sozusagen von innen heraus entwickeln könne, d.h. ausgehend allein (oder zumindest hauptsächlich) von diesem Kampf, basierend allein (oder zumindest hauptsächlich) auf diesem Kampf”, und er setzt dem entgegen: ”Das politische Klassenbewusstsein kann dem Arbeiter nur von außen gebracht werden, das heißt aus einem Bereich außerhalb des ökonomischen Kampfes, außerhalb der Sphäre der Beziehungen zwischen Arbeitern und Unternehmern.”[xii] [31] Die Formulierung ist konfus, aber die Idee dahinter richtig, und diese stimmt nicht mit dem an anderer Stelle im Zusammenhang mit dem Bewusstsein verwendeten Wort "von außen" überein. Seine Gedanken sind an anderer Stelle noch viel präziser: ”Der politische Kampf der Sozialdemokratie ist viel umfassender und komplexer als der ökonomische Kampf der Arbeiter gegen die Unternehmer und die Regierung.”[xiii] [32]

Lenin verwirft ganz klar die von den Ökonomisten entwickelte Auffassung über das Klassenbewusstsein, wonach es das unmittelbare, direkte, mechanische und ausschließliche Produkt der ökonomischen Kämpfe sei.

Wir stimmen mit Was tun? im Kampf gegen den Ökonomismus überein. Wir erklären uns mit den kritischen Argumenten gegen den Ökonomismus einverstanden und betrachten sie bezüglich ihres politischen und theoretischen Inhalts auch heute noch als aktuell.

”Der Gedanke, dass das Klassenbewusstsein nicht mechanisch aus den ökonomischen Kämpfen hervorgeht, ist völlig richtig. Der Fehler von Lenin besteht aber im Glauben, dass man das Klassenbewusstsein ausgehend von den ökonomischen Kämpfen gar nicht entwickeln kann und dass es von außen durch eine Partei hineingetragen werden muss.”[xiv] [33]

Handelt es sich hier um eine neue Einschätzung der IKS? Nachstehend einige Zitate aus Was tun?, die wir 1989 in einer Polemik mit dem IBRP[xv] [34] verwendet haben, um zu unterstreichen, was wir auch heute sagen:

”Das sozialistische Bewusstsein der Arbeitermassen (ist) die einzige Grundlage, auf der der Sieg sichergestellt werden (kann). (...) die Partei (muss) immer die Möglichkeit haben, der Arbeiterklasse den Gegensatz zwischen ihren Interessen und denen der Bourgeoisie aufzuzeigen. (Das von der Partei erreichte Bewusstsein muss) in die Arbeitermassen in immer größerem Maße eingeflößt werden. (...) es ist notwendig, alles zu tun, um das Niveau der Bewusstheit der Arbeiter im allgemeinen zu heben. (...) die Aufgabe der Partei ist (es), die Funken politischen Bewusstseins, die der ökonomische Kampf in den Arbeitern entstehen lässt, auszunutzen, um die Arbeiter auf das Niveau des sozialdemokratischen (d.h. kommunistischen) politischen Bewusstseins zu heben”.[xvi] [35]

Für die Verleumder von Lenin künden die in Was tun? vorgestellten Auffassungen den Stalinismus an. Es gebe also, wird behauptet, zwischen Lenin und Stalin bezüglich der Organisationsfrage eine Verbindung[xvii] [36]. Wir haben diese Lüge auf historischer Ebene bereits im ersten Teil dieses Artikels widerlegt. Und wir weisen sie auch auf politischer Ebene, d.h. auch in Bezug auf die Frage des Klassenbewusstseins und die politische Organisation zurück.

Zwischen Was tun? und der Russischen Revolution gibt es eine Einheit und eine Kontinuität, jedoch bestimmt nicht mit der stalinistischen Konterrevolution. Diese Einheit und Kontinuität erstreckt sich über den ganzen revolutionären Prozess vom Massenstreik 1905 über den Februar bis zum Oktober 1917. Was tun? kündet bereits die Aprilthesen von 1917 an: ”In Anbetracht dessen, dass breite Schichten der revolutionären Vaterlandsverteidiger aus der Masse es zweifellos ehrlich meinen und den Krieg anerkennen in dem Glauben, dass er nur aus Notwendigkeit und nicht um Eroberungen geführt werde, in Anbetracht dessen, dass sie von der Bourgeoisie betrogen sind, muss man sie besonders gründlich, beharrlich und geduldig über ihren Irrtum, über den untrennbaren Zusammenhang von Kapital und imperialistischem Krieg aufklären. (...) Aufklärung der Massen darüber, dass die Sowjets der Arbeiterdeputierten die einzig mögliche Form der revolutionären Regierung sind (...).”[xviii] [37] Was tun? kündet auch den Oktoberaufstand und die Sowjetmacht an.

Die heutigen ”antileninistischen” Verleumder kümmern sich keinen Deut um diese Hauptsorge von Was tun?. Sie verfallen so einem Element des Stalinismus, das wir bereits im ersten Teil dieses Artikels denunziert haben. So wie Stalin militante Bolschewisten auf Fotos ausradieren ließ, so blenden sie das Wesentliche von Lenins Aussagen aus und beschuldigen uns, ”Leninisten”, d.h. Stalinisten, geworden zu sein.

Für die kritiklosen Anhänger Lenins wie beispielsweise die bordigistische Strömung sind wir hoffnungslose Idealisten, da wir auf der wichtigen Rolle des Klassenbewusstseins in der Arbeiterklasse im historischen und revolutionären Kampf der Arbeiterklasse beharren. Wer genau liest, was Lenin geschrieben hat, und wer sich in den tatsächlichen Diskussionsprozess sowie in die politischen Konfrontationen der damaligen Zeit vertieft, der wird erkennen, dass beide Anschuldigungen falsch sind.

Der Unterschied zwischen politischer Organisation und Einheitsorganisation in Was tun?

Was tun? enthält auf politischer und organisatorischer Ebene weitere wichtige Beiträge. Es handelt sich hauptsächlich um die von Lenin getroffene präzise Unterscheidung zwischen den Organisationen, die die Arbeiterklasse in ihren täglichen Kämpfen benötigt, den sogenannten Einheitsorganisationen, und den politischen Organisationen. Betrachten wir diese Errungenschaft vorerst auf politischer Ebene.

”Solche Zirkel, Verbände und Organisationen sind überall in möglichst großer Zahl und mit den mannigfaltigsten Funktionen erforderlich, aber es wäre unsinnig und schädlich, sie mit einer Organisation der Revolutionäre zu verwechseln, die Grenzen zwischen ihnen zu verwischen (...).” ”Die Organisation einer revolutionären sozialdemokratischen Partei muss unvermeidlich anderer Art sein als die Organisation der Arbeiter für den ökonomischen Kampf.”[xix] [38]

Auf dieser Ebene war die Unterscheidung noch keine Entdeckung für die Arbeiterklasse. Die internationale Sozialdemokratie, insbesondere die deutsche, war sich darüber bereits im klaren. Jedoch war Was tun? im Kampf jener Zeit gegen die russische Variante des Opportunismus, den Ökonomismus, sowie angesichts der speziellen Kampfbedingungen im zaristischen Russland gezwungen, weiter voranzuschreiten und eine neue Idee zu unterstreichen.

”Die Organisation der Revolutionäre muss vor allem und hauptsächlich Leute erfassen, deren Beruf die revolutionäre Tätigkeit ist (...). Hinter dieses allgemeine Merkmal der Mitglieder einer solchen Organisation muss jeder Unterschied zwischen Arbeitern und Intellektuellen, von den beruflichen Unterschieden der einen wie der anderen ganz zu schweigen, völlig zurücktreten. Diese Organisation muss notwendigerweise nicht sehr umfassend und möglichst konspirativ sein.”[xx] [39]

Halten wir hier kurz inne. Es wäre verfehlt, die in dieser Passage geäußerten Überlegungen auf die einzigartigen historischen Bedingungen der russischen Revolutionäre, insbesondere die Illegalität, Klandestinität und Repression zu reduzieren. Lenin stellte drei Punkte mit universellem und historischem Anspruch in den Vordergrund, deren Gültigkeit bis heute erhalten geblieben ist. Erstens ist die kommunistische Militanz ein freiwilliger und ernsthafter Akt (er verwendete das Wort "professionell", das in den Kongressdebatten auch von den Menschewiki gebraucht wurde), der den Militanten prägt und sein Leben bestimmt. Wir stimmen seit jeher mit dieser Auffassung über das militante Engagement überein, die jede dilettantische Sichtweise oder Haltung ausschließt.

Zweitens verteidigt Lenin eine Anschauung zum Verhältnis zwischen den militanten Kommunisten, die die Trennung von Arbeitern und Intellektuellen aufhebt[xxi] [40]. Heute würden wir von Führern und Geführten sprechen. Lenin überwand jegliche Sichtweise einer Hierarchie oder einer individuellen Überlegenheit in einer Kampfgemeinschaft in der Partei, in der revolutionären Organisation. Weiter widersetzte er sich jeglicher beruflichen oder korporativen Spaltung zwischen den Militanten. Er verwarf auch die Fabrikzellen, die später  während der Bolschewisierung im Namen des ”Leninismus” eingeführt wurden[xxii] [41].

Schließlich definierte er die Organisation, die "nicht sehr breit sein soll". Als erster sieht er das Ende der Periode der Massenparteien der Arbeiterklasse[xxiii] [42]. Gewiss begünstigten die Bedingungen in Russland diese Klarheit. Jedoch waren es die neuen Lebens- und Kampfbedingungen, die sich insbesondere im Massenstreik manifestierten, die auch die neuen Bedingungen für revolutionäre Aktivitäten bestimmten, ganz besonders den weniger breiten, minoritären Charakter der revolutionären Organisation in der Dekadenz des Kapitalismus, die mit dem Beginn des Jahrhunderts einsetzte.

”Doch wäre es (...) ‘Nachtrabpolitik’, wollte man glauben, dass irgendwann unter der Herrschaft des Kapitalismus fast die gesamte Klasse oder die gesamte Klasse imstande wäre, sich bis zu der Bewusstheit und der Aktivität zu erheben, auf der ihr Vortrupp, ihre sozialdemokratische Partei steht.”[xxiv] [43]

Rosa Luxemburg, Pannekoek und Trotzki gehörten zwar zu den ersten, die aus dem Auftauchen von Massenstreik und Arbeiterräten die Lehren zogen, sie blieben jedoch der Auffassung der Massenpartei verhaftet. Rosa Luxemburg kritisierte Lenin vom Standpunkt der Massenpartei aus[xxv] [44], und zwar so, dass sie selber in einen Fehler verfiel, als sie schrieb: ”Tatsächlich ist die Sozialdemokratie aber nicht mit der Organisation der Arbeiterklasse verbunden, sondern sie ist die eigene Bewegung der Arbeiterklasse.”[xxvi] [45] Sie war selber ein Opfer ihrer Positionierung auf der Seite der Menschewiki bezüglich der am II. Kongress der SDAPR auf dem Spiel stehenden Fragen. Sie glitt leider auf das Terrain der Menschewiki und der Ökonomisten ab und ließ die revolutionäre Organisation in der Klasse aufgehen[xxvii] [46]. Sie korrigierte ihren Fehler später, aber bezüglich der Unterscheidung zwischen Organisation der ganzen Arbeiterklasse und Organisation der Revolutionäre blieb Lenin der klarste. Er geht hier am weitesten.

Wer ist Parteimitglied?

Was tun? und Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück stellen also in der Arbeiterbewegung wesentliche politische Fortschritte dar. Die zwei Werke sind praktische politische Errungenschaften auf organisatorischer Ebene. Wie Lenin hat auch die IKS die Organisationsfrage immer als eine eigenständige politische Frage betrachtet. Die politische Organisation der Klasse unterscheidet sich von der Einheitsorganisation, was wiederum praktische Auswirkungen nach sich zieht: Die genaue Definition von Aufnahme und Zugehörigkeit zur Partei, d.h. die Definition des Militanten, seine Aufgaben, Pflichten und Rechte, kurz sein Verhältnis zur Organisation sind hier wichtig. Die Auseinandersetzung am II. Kongress der SDAPR um Artikel 1 der Statuten ist bekannt: Es ist der erste Zusammenstoß zwischen Bolschewiki und Menschewiki. Der Unterschied zwischen den beiden von Lenin und Martow vorgeschlagenen Formulierungen kann als völlig unbedeutend erscheinen:

Für Lenin gilt ”als Mitglied der Partei jeder, der ihr Programm anerkennt und die Partei sowohl in materieller Hinsicht als auch durch die persönliche Betätigung in einer der Parteiorganisationen unterstützt”. Für Martow gilt ”als Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands jeder, der ihr Programm anerkennt, die Partei in materieller Hinsicht unterstützt und ihr unter der Leitung einer ihrer Organisationen regelmäßig persönlichen Beistand leistet”.

Die Divergenz dreht sich um die Anerkennung des Parteimitglieds, um die Frage, ob die Mitgliedschaft - dies Lenins Auffassung - nur den militanten Parteimitgliedern, die von der Partei auch anerkannt werden, zugestanden werden soll, oder ob die auch formell nicht der Partei angehörigen Militanten, die in diesem oder jenem Augenblick oder bei irgendeiner Aktivität der Partei Unterstützung zukommen lassen oder sich selbst einfach als Sozialdemokraten bezeichnen, den Status eines Mitglieds erhalten sollen. Die Position Martows und der Menschewiki ist also viel lockerer, weniger restriktiv und auch weniger präzis als diejenige von Lenin.

Hinter dieser Differenz versteckt sich eine viel tiefschürfendere Frage, die am Kongress dann auch schnell aufgetaucht ist und mit der auch die heutigen Revolutionäre konfrontiert werden: Wer ist Parteimitglied oder, manchmal viel schwieriger, wer ist es nicht? Für Martow war klar: ”Wir sollten uns nur freuen, wenn jeder Streikende, jeder Demonstrant, der für seine Handlungen zur Verantwortung gezogen wird, sich für ein Parteimitglied erklären kann.”[xxviii] [47]

Die Auffassung von Martow tendiert zur Verwässerung, zur Auflösung der revolutionären Organisation oder der Partei in der Klasse. Er schloss sich hier den Ökonomisten an, die er zuvor an der Seite Lenins bekämpft hatte. Er führte zur Unterstützung seines Vorschlags eine Argumentation ins Feld, die die Idee einer einheitlichen, zentralisierten und disziplinierten Avantgardepartei mit einem klar definierten politischen Programm und mit einem noch präziser und strenger definierten Willen zur militanten und kollektiven Tat vollständig liquidierte. Diese Argumentation ebnete einer opportunistischen Politik und einer prinzipienlosen Rekrutierung von Militanten den Weg, die für die langfristige Entwicklung der Partei eine schwere Hypothek darstellten. Lenin hatte recht, als er sagte: ”Im Gegenteil, je stärker unsere Parteiorganisationen sein werden, denen wirkliche Sozialdemokraten angehören, je weniger Wankelmütigkeit und Unbeständigkeit es innerhalb der Partei geben wird, um so breiter, vielseitiger, reicher und fruchtbarer wird der Einfluss der Partei auf die sie umgebenden, von ihr geleiteten Elemente der Arbeitermassen sein. Man darf doch wirklich die Partei als Vortrupp der Arbeiterklasse nicht mit der ganzen Klasse verwechseln.”[xxix] [48]

Martows opportunistischer Vorschlag bezüglich der Organisationsfrage, der Rekrutierung, Aufnahme und Zugehörigkeit zur Partei stellte eine außerordentliche Gefahr dar, die am Kongress sehr schnell erkannt wurde. Axelrod intervenierte diesbezüglich: ”Man kann ein ehrliches und ergebenes Mitglied der sozialdemokratischen Partei sein und gleichzeitig völlig ungeeignet für die streng zentralisierte Kampforganisation.”[xxx] [49]

Wie kann man Parteimitglied, kommunistischer Militanter sein und gleichzeitig "ungeeignet für die zentralisierte Kampforganisation"? Eine solche Idee ist genauso absurd wie diejenige eines kämpfenden und revolutionären Arbeiters, der ungeeignet wäre für jegliche kollektive Handlung der Klasse. Jede kommunistische Organisation darf nur Militante akzeptieren, die in der Lage sind, sich der Disziplin und der Zentralisation des Kampfes zu unterwerfen. Wie könnte es auch anders sein? Dies hieße sonst zu akzeptieren, dass die Militanten die Organisationsbeziehungen und -entscheide sowie die Notwendigkeit des Kampfes nicht unbedingt respektieren. Es hieße den Begriff selber der kommunistischen Organisation ins Lächerliche zu ziehen, die ”der entschiedenste, immer weitertreibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder”[xxxi] [50] sein muss.

Der historische Kampf der Arbeiterklasse muss einheitlich, kollektiv und zentralisiert sein auf historischer Ebene und international. Die Kommunisten führen einen Kampf, der ein Abbild der Klasse darstellt und jegliche individualistische Anschauung ausschließt: historisch, international, permanent, geeint, kollektiv und zentralisiert.

”Während das kritische Bewusstsein und die freiwillige Initiative für die Individuen nur einen sehr beschränkten Wert haben, werden sie in der Kollektivität der Organisation vollständig verwirklicht.”[xxxii] [51] Wer unfähig ist, einen solchen zentralisierten Kampf zu führen, der ist auch nicht geeignet zur Militanz und kann ergo auch nicht als Parteimitglied anerkannt werden. ”.... dass die Partei nur solche Elemente aufnehme, die wenigstens ein Mindestmaß an Organisiertheit ermöglichen”[xxxiii] [52].

Diese ”Eignung” ist die Frucht der politischen und militanten Überzeugung der Kommunisten. Sie entwickelt sich in der Teilnahme am historischen Kampf der Arbeiterklasse und insbesondere innerhalb der organisierten politischen Minderheiten. Für jede konsequente und streng zentralisierte kommunistische Organisation stellen die Überzeugung und die praktische - nicht platonische - Fähigkeit jedes einzelnen neuen Militanten eine unabdingbare Bedingung für seine Aufnahme sowie einen konkreten Ausdruck seiner politischen Übereinstimmung mit dem kommunistischen Programm dar.

Auch heute noch ist die Definition eines Militanten und seine Qualität als Mitglied einer kommunistischen Organisation eine wesentliche Frage. Was tun? und Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück liefern Grundlagen und Antworten auf viele Organisationsfragen. Deshalb hat sich die IKS auch immer auf den Kampf der Bolschewiki am 2. Kongress bezogen, um mit Klarheit, Strenge und Entschlossenheit den Militanten als einen Genossen zu definieren, "der persönlich in einer der Organisationen der Partei teilnimmt", wie es Lenin verteidigte, und den Sympathisanten, den Weggefährten als denjenigen, der ”das Programm annimmt, die Partei materiell unterstützt und ihr die regelmäßige (oder unregelmäßige, fügen wir hinzu)  Hilfe zukommen lässt unter der Leitung einer ihrer Organisationen”, so wie Martow den Militanten definierte und welche Formulierung schließlich durch den 2. Kongress angenommen wurde. Ebenso haben wir immer den Grundsatz verteidigt: ”Willst du Parteimitglied sein, so darfst du auch die organisatorischen Beziehungen nicht nur platonisch anerkennen.”[xxxiv] [53]

All dies ist nichts Neues für die IKS. Bereits am ersten internationalen Kongress im Januar 1976 spielten diese Überlegungen bei der Annahme der Statuten eine Rolle.

Es wäre eine irrige Annahme, wenn man davon ausginge, dass diese Frage heute kein Problem mehr darstellte. Zuallererst ist die rätistische Strömung - auch wenn sie sich heute politisch eher ruhig verhält, ja sogar im Verschwinden begriffen ist[xxxv] [54], eine Erbin  des Ökonomismus und der Menschewiki bezüglich der Organisationsfragen. In einer Periode größerer Aktivität der Arbeiterklasse wird der Druck aus der rätistischen Ecke, ”sich selbst zu betrügen, die Augen zu verschließen vor der Fülle der Aufgaben, diese Aufgaben zu reduzieren (indem man vergisst, dass) es einen Unterschied gibt zwischen dem revolutionären Vortrupp und den Massen, die sich um ihn drehen”[xxxvi] [55], wieder Aufwind haben. Jedoch ist selbst das Proletarische Politische Milieu, das sich ausschließlich auf die Italienische Linke und auf Lenin bezieht, d.h. die bordigistische Strömung und das IBRP, weit von der praktischen Umsetzung der Methode Lenins und seinen politischen Gedanken zu Organisationsfragen entfernt. Man muss nur die Politik der prinzipienlosen Rekrutierung der bordigistischen PCI in den 70er Jahren betrachten. Diese aktivistische und immediatistische Politik hat schließlich die Explosion dieser Organisation 1982 beschleunigt. Die mangelnde Strenge des IBRP (das Battaglia Comunista in Italien und die CWO in Großbritannien umfasst) führt dazu, dass es manchmal Mühe hat zu entscheiden, wer Militanter der Organisation und wer lediglich ein Sympathisant mit engem Kontakt ist. Dies stellt natürlich ein großes Risiko dar.[xxxvii] [56] Der Opportunismus bezüglich der Organisationsfrage ist heute eines der gefährlichsten Gifte für das proletarische politische Milieu. Und leider ist die alte Leier von Teilen des Milieus über Lenin und die Notwendigkeit der ”starken und kompakten Partei” kein wirksames Gegengift.

Lenin und die IKS: die gleiche Auffassung über die Militanz

Was sagt Rosa Luxemburg in ihrer Polemik mit Lenin zur Frage des Militanten und seiner Zugehörigkeit zur Partei?

”Die Auffassung, die hier (d.h. in Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück) in eindringlicher und erschöpfender Weise ihren Ausdruck gefunden hat, ist die eines rücksichtslosen Zentralismus, dessen Lebensprinzip einerseits die scharfe Heraushebung und Absonderung der organisierten Trupps der ausgesprochenen und tätigen Revolutionäre von dem sie umgebenden, wenn auch unorganisierten, aber revolutionär-aktiven Milieu, andererseits die straffe Disziplin und die direkte, entscheidende und bestimmende Einmischung der Zentralbehörde in alle Lebensäußerungen der Lokalorganisationen der Partei.”[xxxviii] [57]

Auch wenn sie sich nicht ausdrücklich gegen die präzise Definition des Militanten von Lenin ausspricht, so zeigt doch der ironische Ton, wenn sie von der ”Absonderung der organisierten Trupps der Revolutionäre von dem sie umgebenden Milieu” spricht sowie ihr Stillschweigen über die politische Auseinandersetzung um den ersten Artikel des Statuts, dass Rosa Luxemburgs Anschauung zu diesem Zeitpunkt falsch ist und sie sich auf der Seite der Menschewiki positioniert. Sie bleibt eine Gefangene der Massenpartei und ihrem besten Beispiel: der deutschen Sozialdemokratie. Sie sieht das Problem nicht oder weicht ihm aus, indem sie ein Scheingefecht führt. Die Tatsache, dass sie sich nicht  zur Debatte um den ersten Artikel äußert, gibt Lenin recht, wenn er bekräftigt, dass sie ”bloße Worte wiederholt, ohne sich zu bemühen, ihren konkreten Sinn zu begreifen. Sie malt Schreckgespenster an die Wand, ohne erforscht zu haben, was dem Streit wirklich zugrunde liegt. Sie schreibt mir Gemeinplätze, allgemeine Prinzipien und Erwägungen, absolute Wahrheiten zu, sucht aber die relativen Wahrheiten totzuschweigen, die streng stimmte Tatsachen betreffen (...)”[xxxix] [58].

Die generellen Überlegungen von Rosa Luxemburg - auch wenn sie isoliert betrachtet richtig sind - antworten wie auch im Fall Plechanows und vieler anderer nicht auf die wirklichen politischen Fragen, die Lenin stellt. ”Eine berechtigte Sorge ist auch: auf dem kollektiven Charakter der Arbeiterbewegung zu beharren, auf der Tatsache, dass ‘die Befreiung der Arbeiter das Werk der Arbeiter selbst sein wird’, führt zu falschen praktischen Schlussfolgerungen” sagten wir zu diesem Thema bereits 1979[xl] [59]. Rosa Luxemburg geht nicht auf die politischen Errungenschaften des Kampfes der Bolschewiki ein.

Ohne die Debatte um den ersten Artikel wäre keine scharfe Unterscheidung zwischen der Gesamtheit der Arbeiterklasse und der Partei möglich. Ohne den von Lenin geführten Kampf um den ersten Artikel wäre diese Frage keine politische Errungenschaft allererster Wichtigkeit geworden, auf die sich auch die heutigen Kommunisten  stützen müssen, um ihre Organisation zu bilden. Sie sind nicht nur für die Aufnahme neuer Militanter, sondern vor allem auch für die Errichtung klarer, präziser und strenger Beziehungen zwischen den Militanten und der revolutionären Organisation wichtig.

Ist die Verteidigung der Position Lenins zum ersten Artikel des Statuts neu für die IKS? Haben wir unsere Position verändert?

”Um Mitglied der IKS zu sein, muss man (....) sich in die Organisation integrieren, sich aktiv an ihrer Arbeit beteiligen und die einem übertragenen Aufgaben erfüllen”, bekräftigt der Artikel unserer Statuten, der die Frage der Zugehörigkeit des Militanten zur IKS behandelt. Es ist klar, dass wir hier ohne jede Zweideutigkeit die Konzeption, den Geist, ja den Wortlaut, den Lenin am 2. Kongress der SDAPR vorgeschlagen hat, aufnehmen. Wir beziehen uns hier gewiss nicht auf Martow und Trotzki. Es ist schade, dass ehemalige Mitglieder der IKS, die uns heute des ”Leninismus” beschuldigen, ganz vergessen, wofür sie selbst seinerzeit gestimmt haben. Sie haben dies zweifelsohne mit Leichtigkeit und großer Unbekümmertheit und dem studentischen Nach-68er Enthusiasmus getan. Auf jeden Fall sind sie heute äußerst unehrlich, wenn sie die IKS des Positionswechsels bezichtigen und gleichzeitig von sich hören lassen, dass sie selbst der wahren, ursprünglichen IKS treu geblieben seien.

Die IKS an der Seite Lenins bezüglich der Statuten

Wir haben kurz unsere Auffassung über den militanten Revolutionär dargelegt und gezeigt, wessen Erbe sie ist. Zu einem großen Teil stammt sie aus den Beiträgen Lenins in Was tun? und Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück. Wir haben die Wichtigkeit unterstrichen, diese Errungenschaften so getreu und streng wie möglich in der täglichen militanten Praxis, mit Hilfe der Organisationsstatuten, umzusetzen. Wir sind diesbezüglich seit jeher Anhänger der Methode und der Lehren Lenins in Organisationsfragen. Der politische Kampf um die Fixierung von präzisen Regeln für die Beziehungen in der Organisation, d.h. für die Statuten, ist fundamental. Der Kampf für deren Respektierung ist selbstverständlich ebenso wichtig. Ohne die Befolgung würden die großen Deklarationen über die Partei nichts als Prahlerei bleiben.

Im Rahmen dieses Artikels können wir mangels Platz nicht näher auf unsere Auffassung über die Einheit der politischen Organisation eingehen und auch nicht aufzeigen, inwiefern der Kampf Lenins auf dem 2. Kongress gegen den Fortbestand der Zirkel ein bedeutender theoretischer und politischer Beitrag war. Aber wir möchten unterstreichen, wie wichtig es in der Praxis ist, die notwendige Einheit in die Organisationsstatuten zu übertragen.

”Der Edelanarchismus begreift nicht, dass ein formales Statut gerade notwendig ist, um die engen Zirkelbindungen durch eine breite Parteibindung zu ersetzen. Es war nicht nötig und nicht möglich, die Bindung innerhalb des Zirkels oder zwischen den Zirkeln in eine feste Form zu bringen, denn diese Bindung fußte auf Freundschaft oder auf einem nicht rechenschaftspflichtigen und nicht motivierten ‘Vertrauen’. Die Parteibindung kann und darf weder auf dem einen noch auf dem anderen fußen, sie muss sich stützen auf ein formelles, (vom Standpunkt des undisziplinierten Intellektuellen) ‘bürokratisch’[xli] [60] redigiertes Statut, dessen strenge Einhaltung uns allein vor dem Zirkeldünkel, den Zirkellaunen, den Zirkelmethoden jener Katzbalgerei bewahrt, die man den freien ‘Prozess’ des [xlii] [61]ideologischen Kampfes nennt.”[xliii] [62]

Ebenso verhält es sich mit der Zentralisierung der Organisation gegen jede föderalistische oder lokale Anschauung. Die Organisation ist auch keine Summe von Teilen, sprich von revolutionären autonomen Individuen. "Der internationale Kongress ist das souveräne Organ der IKS" (Statuten der IKS). Auch hier beziehen wir uns auf den Kampf Lenins und auf die praktische Umsetzung in den Organisationsstatuten.

”In der Zeit der Wiederherstellung der faktischen Einheit der Partei und des Aufgehens der veralteten Zirkel in dieser Einheit ist diese oberste Instanz unbedingt der Parteitag als das höchste Organ der Partei.”[xliv] [63]

Dasselbe gilt für das interne politische Leben: Der Beitrag Lenins betrifft auch und hauptsächlich die internen Debatten, die Pflicht - und nicht einfach nur das Recht -, alle Meinungsverschiedenheiten im Rahmen der gesamten Organisation auszudrücken. Wenn die Debatten geführt worden sind und der Kongress (der das souveräne Organ, die Generalversammlung der Organisation ist) Entscheide gefällt hat, so müssen sich alle Teile und alle Militanten der Gesamtheit fügen. Im Gegensatz zur häufig verbreiteten Idee eines diktatorischen Lenin, der danach trachtet, alle Debatten und das gesamte politische Leben der Organisation zu ersticken, hat er sich in Tat und Wahrheit gegen die menschewistische Vision des Kongresses als ”eines aufzeichnenden, kontrollierenden, aber nicht schöpferischen”[xlv] [64] gestellt.

Für Lenin und die IKS ist der Kongress ein ”Schöpfer”. Insbesondere verwerfen wir radikal die Idee von imperativen Mandaten für die Delegierten am Kongress, da dies den breitesten, dynamischsten und fruchtbarsten Debatten entgegenstehen würde und den Kongress genau zu einem ”Aufzeichner” reduzieren würde, wie es Trotzki 1903 wollte. Ein ”aufzeichnender” Kongress würde den Vorrang der Teile über das Ganze festschreiben, die Herrschaft der Mentalität ”jeder ist Herr im eigenen Haus”, von Lokalismus und Föderalismus. Ein ”aufzeichnender und kontrollierender” Kongress ist die Negation des souveränen Wesens des Kongresses. Wie Lenin sind wir dafür, dass der Kongress ein ”souveränes Organ” der Partei ist, der die Kompetenz zur Entscheidung und zur ”Schöpfung” hat. Der ”schöpferische” Kongress setzt Delegierte voraus, die nicht Gefangene von gebundenen Mandaten sind.[xlvi] [65]

Der Kongress als oberstes Organ impliziert auch seinen programmatischen, politischen  und organisatorischen Vorrang über alle Teile der kommunistischen Organisation.

”‘Der Parteitag ist die höchste Instanz der Partei’, und folglich verletzt die Parteidisziplin und das Parteistatut derjenige, der einen beliebigen Delegierten auf irgendeine Weise daran hindert, sich unmittelbar an den Parteitag zu wenden, und zwar in allen Fragen des Parteilebens, ohne jede Ausnahme. Die Streitfrage läuft also auf das Dilemma hinaus: Zirkelwesen oder Parteiprinzip? Einschränkung der Rechte der Parteitagsdelegierten im Namen eingebildeter Rechte oder Statuten verschiedener Kollektive und Zirkel oder vollständige, nicht nur in Worten, sondern in der Tat vollständige Auflösung aller unteren Instanzen und alten Grüppchen vor dem Parteitag.”[xlvii] [66]

Auch hier beziehen wir uns nicht nur auf den Kampf Lenins, sondern wir lassen diese Auffassung in die Organisationsregeln, d.h. in die Statuten unserer Organisation, einfließen und verstehen uns so als die Erben und als diejenigen, die diese Auffassung fortsetzen.

Die Statuten sind keine Ausnahmemaßnahmen

Wir haben gesehen, dass Rosa Luxemburg und Trotzki Lenin bezüglich des ersten Artikels der Statuten nicht antworteten. Sie vernachlässigten diese Frage vollständig, gleichsam verfuhren sie mit den Statuten im allgemeinen. Sie zogen es vor, auf einer abstrakten Ebene zu verharren. Und wenn sie dennoch geruhten, die Frage der Statuten zu berühren, so unterschätzten sie sie vollständig. Bestenfalls betrachteten sie die Statuten der politischen Organisation einfach als eine Sicherheitsabschrankung, die die Straße begrenzt und die nicht überschritten werden soll. Schlechtestenfalls handelt es sich aber für sie um Werkzeuge der Repression, um Ausnahmemaßnahmen, die nur mit ausserordentlichster Vorsicht angewendet werden dürfen. Diese Sichtweise der Statuten ist dieselbe wie diejenige des Stalinismus: Auch er sieht in den Statuten nur Repressionsmittel, allerdings ohne die "Vorsicht".

Für Trotzki hätte Lenins Formulierung von Artikel 1 ”die platonische Befriedigung (verschafft), das statutarisch sicherste Mittel gegen den Opportunismus entdeckt (zu haben). Kein Zweifel: Es handelt sich um eine einfältige, typisch verwaltungstechnische Methode, eine ernsthafte praktische Frage zu lösen.”[xlviii] [67]

Rosa Luxemburg antwortete Trotzki unwissentlich, als sie bekräftigte, dass im Falle einer bereits bestehenden Partei (also im Falle der deutschen sozialdemokratischen Massenpartei), ”auch eine strengere Durchführung des zentralistischen Gedankens im Organisationsstatut und die straffere Paragraphierung der Parteidisziplin als ein Damm gegen die opportunistische Strömung sehr zweckmäßig” sei[xlix] [68].

Sie ist im Falle Deutschlands also, d.h. allgemein, mit Lenin einverstanden. Im Falle Russlands aber beginnt sie "abstrakte Wahrheiten" zu verkünden (”so können opportunistische Verirrungen nicht von vornherein verhütet werden, sie müssen erst, nachdem sie in der Praxis greifbare Gestalt angenommen haben, durch die Bewegung selbst überwunden werden”), die überhaupt nichts aussagen und in der Realität ”von vornherein” den Verzicht auf einen Kampf gegen den Opportunismus in Organisationsfragen bedeuten. Sie verfehlte es jedoch im Falle Russlands nicht, sich über die Statuten als "Papiertiger" oder "Papierkrieger" lustig zu machen und sie als Ausnahmemaßnahmen zu betrachten:

”Das Parteistatut soll nicht etwa an sich eine Waffe zur Abwehr des Opportunismus sein, sondern bloß ein äußeres Machtmittel zur Ausübung des maßgebenden Einflusses der tatsächlich vorhandenen revolutionären proletarischen Majorität der Partei.”[l] [69]

Wir hatten bezüglich dieses Punktes immer Meinungsverschiedenheiten mit Rosa Luxemburg: ”Rosa fährt fort zu wiederholen, dass es an der Massenbewegung selber liege, den Opportunismus zu überwinden; die Revolutionäre hätten diese Bewegung nicht künstlich zu beschleunigen. (...) Rosa Luxemburg verstand nicht, dass die kollektive Natur der revolutionären Aktion etwas ist, dass ebenfalls geschmiedet wird.”[li] [70] In der Frage der Statuten sind und waren wir immer mit Lenin einverstanden.

Die Statuten als Lebensregel und Kampfwaffe

Für Lenin sind die Statuten weit mehr als einfache formelle Funktionsregeln, die man lediglich in Ausnahmesituationen konsultiert. Lenin definiert die Statuten gegen Rosa Luxemburg oder die Menschewiki als Grundlage des Verhaltens, als Geist, der die Organisation und ihre Militanten täglich beleben soll. Lenin begreift die Statuten als Waffen, die den einzelnen Teilen der Organisation und ihren Militanten Verantwortung gegenüber der Gesamtheit der politischen Organisation auferlegen, ganz im Gegensatz zur Auffassung der Statuten als Repressions- oder Zwangsmittel. Die Statuten verpflichten zur öffentlichen Darstellung von Meinungsverschiedenheiten und politischen Schwierigkeiten vor der Gesamtheit der Organisation.

Lenin fasst die Vertretung von Standpunkten, Schattierungen, Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten nicht als Recht der Militanten, gleichsam als Recht des Individuums gegenüber der Organisation auf, sondern als Pflicht und Verantwortung gegenüber der Partei und ihren Mitgliedern. Der militante Kommunist ist gegenüber seinen Kampfgenossen, der politischen Einheit und der Parteiorganisation verantwortlich. Die Statuten sind Werkzeuge der Einheit und der Zentralisierung der Partei, mit anderen Worten: Waffen gegen den Föderalismus, den Zirkelgeist, Vetternwirtschaft, gegen jegliche Form von Parallelleben und -diskussionen. Die Statuten sind für Lenin Ausdruck des politischen, organisatorischen und militanten Lebens und nicht lediglich äußere Grenzen und Regeln.

”Die strittigen Fragen innerhalb der Zirkel wurden nicht gemäß Statut entschieden, sondern durch Kampf und durch die Drohung, fortzugehen. (...) Als ich Mitglied eines bloßen Zirkels war (...), da durfte ich mich, wenn ich z.B. mit X nicht zusammenarbeiten wollte, zur Rechtfertigung einzig und allein auf mein Misstrauen berufen, über das ich keine Rechenschaft abzulegen und das ich nicht zu motivieren brauchte. Seitdem ich Mitglied der Partei bin, darf ich mich nicht nur auf mein unbestimmtes Misstrauen berufen, denn das würde jeder Art Launen und jeder Art Dünkel des alten Zirkelwesens Tür und Tor öffnen; ich muss mein ‘Vertrauen’ oder ‘Misstrauen’ mit formellen Argumenten begründen, d.h. mit dem Hinweis auf diese oder jene formell festgelegte Satzung unseres Programms, unserer Taktik, unseres Statuts; ich darf mich nicht auf ein willkürliches ‘Vertrauen’ oder ‘Misstrauen’ beschränken, sondern ich muss einsehen, dass über alle meine Entschlüsse und überhaupt über alle Entschlüsse jedes Teils der Partei vor der Gesamtpartei Rechenschaft abzulegen ist; ich muss den formell vorgeschriebenen Weg gehen, um meinem ‘Misstrauen’ Ausdruck zu geben, um die Ansichten und die Wünsche durchzusetzen, die sich aus diesem Misstrauen ergeben. Wir haben uns bereits vom Zirkelstandpunkt des willkürlichen ‘Vertrauens’ zum Parteistandpunkt erhoben, der die Einhaltung rechenschaftspflichtiger und formell vorgeschriebener Methoden verlangt, mittels deren das Vertrauen ausgedrückt und überprüft wird (...)”[lii] [71].

Die Statuten der revolutionären Organisation sind nicht einfache Ausnahmemaßnahmen. Sie sind eine Konkretisierung von Organisationsprinzipien der politischen Avantgarde der Arbeiterklasse. Als Produkt dieser Prinzipien sind sie gleichzeitig eine Waffe gegen den Opportunismus in Organisationsfragen sowie die Grundlage, auf der die revolutionäre Organisation aufbauen muss. Sie sind Ausdruck ihrer Einheit, ihrer Zentralisierung, ihres politischen und organisatorischen Lebens und schließlich ihres Klassencharakters. Sie sind die Regel und der Geist, die die Militanten täglich in ihren Beziehungen zur Organisation, in ihren Beziehungen zu anderen Militanten, in den ihnen anvertrauten Aufgaben, in ihren Rechten und Pflichten, in ihrem täglichen persönlichen Leben, das weder im Widerspruch zur militanten Tätigkeit noch zu den kommunistischen Prinzipien stehen darf, leiten.

Für uns ist die Organisationsfrage in der Tradition Lenins eine eigenständige politische Frage. Darüber hinaus ist sie eine fundamentale politische Frage. Die Annahme der Statuten und der permanente Kampf für ihre Respektierung und Anwendung steht im Zentrum des Verständnisses und des Kampfes für den Aufbau der politischen Organisation. Die Statuten sind auch eine eigenständige theoretische und politische Frage. Ist dies eine Entdeckung unserer Organisation? Eine Änderung unserer Position?

”Der einheitliche Charakter der IKS wird auch ausgedrückt durch die vorliegenden Statuten, die für die ganze Organisation gelten (...). Diese Statuten stellen eine konkrete Anwendung der Auffassung der IKS in Organisationsfragen dar. Als solche sind sie integrierender Bestandteil der Plattform der IKS.” (aus den Statuten der IKS)

Die kommunistische Partei wird auf den politisch-organisatorischen Errungenschaften Lenins errichtet

Im Kampf der Arbeiterklasse spielt Lenins Auseinandersetzung eine wichtige Rolle für die Errichtung ihres politischen Organs, das sich im März 1919 in der Gründung der Kommunistischen Internationale konkretisierte. Vor Lenin hatte bereits die I. Internationale eine ebenso wichtige Rolle gespielt. Nach Lenin stellte der Kampf der Italienischen Fraktion der Kommunistischen Linken für das eigene organisatorische Überleben einen weiteren wichtigen Augenblick dar.

Durch all diese unterschiedlichen Erfahrungen zieht sich ein roter Faden, eine prinzipielle, theoretische und politische Kontinuität in Organisationsfragen. Die heutigen Revolutionäre müssen ihre Tätigkeiten in diese Kontinuität und historische Einheit stellen.

Wir haben jetzt bereits eine Reihe unserer eigenen Texte zitiert, die klar und ohne Zweideutigkeit unsere Herkunft und unser Erbe in Organsationsfragen darlegen. Die Methode der Wiederaneignung der politischen und theoretischen Errungenschaften der Arbeiterklasse ist keine Erfindung der IKS. Wir haben sie von der Italienischen Fraktion der Kommunistischen Linken und ihrem Organ Bilan aus den 30er Jahren und von der Kommunistischen Linken Frankreichs und ihrem Organ Internationalisme in den 40er Jahren geerbt. Wir haben uns immer auf diese Methode bezogen und ohne sie würde die IKS in ihrer heutigen Form nicht bestehen.

”Der vollkommenste Ausdruck der Lösung des Problems, welche Rolle das bewusste Element, die Partei, für den Sieg des Sozialismus zu spielen berufen ist, wurde durch die Gruppe der russischen Marxisten in der alt[1] [72]en Iskra, insbesondere durch Lenin, geprägt, der in seinem bemerkenswerten Werk Was tun? 1902 eine grundsätzlich Definition der Parteifrage lieferte. Der Leninsche Begriff der Partei sollte der bolschewistischen Partei als Wirbelsäule dienen und einen der größten Beiträge dieser Partei im internationalen Kampf des Proletariats darstellen.”[liii] [73]

Tatsächlich kann sich die kommunistische Weltpartei von morgen nicht unter Vernachlässigung der prinzipiellen, theoretischen, politischen und organisatorischen Errungenschaften Lenins bilden. Die wirkliche und nicht nur deklamatorische Wiederaneignung seiner Errungenschaften sowie ihre strenge und systematische Anwendung unter den heutigen Bedingungen gehören zu den wichtigsten Aufgaben, die die heutigen kleinen kommunistischen Gruppen wahrnehmen müssen, wenn sie zum Prozess der Parteibildung beitragen wollen.

 

RL



[1] [74]



[i] [75] IKS-Broschüre Communist Organisations and Class Consciousness (Kommunistische Organisationen und Klassenbewusstsein), engl./frz./span., 1979

[ii] [76] Kautsky, zitiert nach Lenin in Was tun?, Lenin Werke Bd. 5 S. 394f.

[iii] [77] Trotzki in Unsere politischen Aufgaben, zit. nach Leo Trotzki, Schriften zur revolutionären Organisation, Rowohlt Taschenbuch Verlag, S. 34

[iv] [78] Aus den Protokollen des Kongresses von 1903 (aus dem Französischen übersetzt)

[v] [79] P. Axelrod, Über die Ursprünge und die Bedeutung unserer organisatorischen Meinungsverschiedenheiten, Brief an Kautsky, 1904

[vi] [80] G. Plechanow, Die Arbeiterklasse und die sozialdemokratischen Intellektuellen, 1904

[vii] [81] vgl. Massenstreik, Partei und Gewerkschaften (R. Luxemburg 1906) und 1905 (Trotzki 1908/09)

[viii] [82] vgl. den ersten Teil dieses Artikels in Internationale Revue Nr. 23

[ix] [83] Lenin, Ein Vortrag über die Revolution von 1905, Jan. 1917, Werke Bd. 23 S. 249

[x] [84] Lenin, Was tun?, Werke Bd. 5, S. 385

[xi] [85] Marx ist in seinen Werken viel klarer. Jedoch waren viele von ihnen sie zu jener Zeit unter den Revolutionären unbekannt, da sie nicht verfügbar oder nicht publiziert waren. Das Hauptwerk zur Frage des Bewusstseins, Die deutsche Ideologie, wurde beispielsweise erst 1932 veröffentlicht.

[xii] [86] Lenin, Was tun?, Werke Bd. 5 S. 436

[xiii] [87] a.a.O.

[xiv] [88] IKS-Broschüre Communist Organisations and Class Consciousness (Kommunistische Organisationen und Klassenbewusstsein), engl./frz./span., 1979

[xv] [89] Diesen Artikel (Internationale Revue Nr. 11) schrieb nicht die IKS, sondern die Genossen des Grupo Proletario Internacionalista, die später die IKS-Sektion in Mexiko bildete.

[xvi] [90] ”Klassenbewusstsein und Partei”, Internationale Revue Nr. 11, S. 32

[xvii] [91] Unter all den bürgerlichen Lügen zu dieser Frage, befindet sich auch diejenige von RV, einem ehemaligen Mitglied der IKS, der erklärt, "dass es eine wahrhafte Kontinuität und Kohärenz zwischen den Konzeptionen von 1903 und Taten wie dem Fraktionsverbot in der bolschewistischen Partei oder der Niederschlagung des Kronstädter Aufstands gebe" (RV, "Stellungnahme zur letzten Entwicklung der IKS", veröffentlicht in unserer Broschüre La prétendu paranoia du CCI (Die angebliche Paranoia der IKS, frz.).

[xviii] [92] Lenin, Aprilthesen, Werke Bd. 24 S. 4f.

[xix] [93] Lenin, Was tun?, a.a.O. S. 483 und 468

[xx] [94] a.a.O., Hervorhebung im Original

[xxi] [95] Hier soll nur kurz an das in der russischen Arbeiterklasse herrschende schwache schulische Niveau und den Analphabetismus erinnert werden. Dieser Umstand hinderte Lenin nicht daran, sie bei den Aktivitäten der Partei auf gleicher Ebene wie die Intellektuellen zu integrieren.

[xxii] [96] Siehe den ersten Teil dieses Artikels in der vorhergehenden Nummer.

[xxiii] [97] ”Er wandte sich auch ab von der sozialdemokratischen Auffassung der Massenpartei. Für Lenin setzten die neuen Kampfbedingungen voraus, dass es eine Avantgardepartei in der Form einer Minderheit gab, die auf die Umwandlung der wirtschaftlichen in politischen Kämpfe hinarbeiteten.” IKS-Broschüre Communist Organisations and Class Consciousness (Kommunistische Organisationen und Klassenbewusstsein), engl./frz./span., 1979

[xxiv] [98] Lenin, Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück, a.a.O. S. 258

[xxv] [99] ”Diese Militante, die durch die Schule der Sozialdemokratie gegangen war, entwickelte eine so bedingungslose Hingabe an den Massencharakter der revolutionären Bewegung, dass sich in ihren Augen die Partei allem anzupassen hatte, was diesen Charakter trug.” IKS-Broschüre Communist Organisations and Class Consciousness (Kommunistische Organisationen und Klassenbewusstsein), engl./frz./span., 1979

[xxvi] [100] Rosa Luxemburg, Organisationsfragen der russischen Sozialdemokratie, Gesammelte Werke Bd. 1/2, S. 429

[xxvii] [101] Der Leser wird bemerkt haben, dass diese Betrachtungsweise dem Substitionismus Tür und Tor öffnet. Die Partei stellt sich an die Stelle der Handlungen der Arbeiterklasse ... bis zur Ausübung der Staatsmacht in ihrem Namen oder aber zur Durchführung einer putschistischen Politik, wie dies die Stalinisten in den 20ern taten.

[xxviii] [102] Martow, zitiert von Lenin in Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück, a.a.O. S. 258f.

[xxix] [103] Lenin, Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück, Werke Bd. 7, S. 257

[xxx] [104] Protokoll des 2. Kongresses der SDAPR

[xxxi] [105] K. Marx/F. Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, MEW Bd. 4 S. 474

[xxxii] [106] Thesen über die Taktik der Kommunistischen Partei Italiens, Römer Thesen, 1922

[xxxiii] [107] Lenin, Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück, a.a.O. S. 255

[xxxiv] [108] Der Bolschewik Pawlowitsch, zitiert von Lenin in Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück, Werke Bd. 7 S. 272

[xxxv] [109] Siehe unsere Territorialpresse zur Einstellung von Daad en Gedachte, einer Publikation einer rätistischen holländischen Gruppe mit demselben Namen

[xxxvi] [110] Lenin, Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück

[xxxvii] [111] Wir haben die diesbezügliche Ungenauigkeit und den Opportunismus von BC in Italien gegenüber den Militanten der GLP bereits kritisiert (vgl. Weltrevolution Nr. 89). Es geht dabei nicht um ein isoliertes Beispiel. Kürzlich erschien auf der Website des IBRP ein Artikel mit dem Titel ”Sollen Revolutionäre in reaktionären Gewerkschaften arbeiten?”. In diesem nicht gezeichneten Artikel, dessen Autor ein Mitglied von CWO sein könnte, wird auf die Frage im Titel die Antwort gegeben: ”Materialisten, nicht Idealisten, müssen eine bejahende Antwort geben.” Zwei Argumente werden dafür vorgetragen: ”Es gibt viele kampfbereite Arbeiter in den Gewerkschaften”, und ”Kommunisten sollten nicht Organisationen geringschätzen, die Massen von Arbeitern vereinigen” (sic). Diese Position steht in diametralem Widerspruch zu derjenigen von BC an ihrem letzten Kongress (und somit vermutlich derjenigen des IBRP), wo sie die Idee vertrat, dass ”es keine wirkliche Vertretung der Arbeiterinteressen, sogar der unmittelbarsten, geben kann als außerhalb und gegen die Gewerkschaften”. Vor allem aber besteht das Problem darin, dass wir keine Ahnung haben, wer den Artikel schrieb: War es ein Militanter des IBRP oder ein Sympathisant? Und warum, unabhängig davon, gab es keine Stellungnahme zum Artikel, keine Kritik an ihm? Vergassen es die Genossen einfach? Oder war es Opportunismus im Zusammenhang mit der Rekrutierung eines neuen Militanten, der offenbar noch nicht vollständig mit der bürgerlichen Linken gebrochen hatte? Oder ist es schlicht und einfach eine Unterschätzung der Organisationsfrage? Noch einmal: Bei den Gruppen des IBRP riecht es da nach Martow. In der Zwischenzeit ist der Artikel aus der Website entfernt worden, ohne irgendeinen Kommentar.   

[xxxviii] [112] Rosa Luxemburg, Organisationsfragen der russischen Sozialdemokratie, a.a.O. S. 425

[xxxix] [113] Lenin, Antwort an Rosa Luxemburg, Werke Bd. 7, S. 484

[xl] [114] IKS-Broschüre Communist Organisations and Class Consciousness (Kommunistische Organisationen und Klassenbewusstsein), engl./frz./span.

[xli] [115] Ein weiteres Beispiel zur polemischen Methode Lenins, der die Beschuldigungen seiner Gegner aufgriff, um sie gegen sie selbst zu wenden (vgl. den ersten Teil dieses Artikels).

[xlii] [116]

[xliii] [117] Lenin, Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück, Werke Bd. 7 S. 397

[xliv] [118] a.a.O. S. 401

[xlv] [119] Trotzki, Bericht der sibirische Delegation

[xlvi] [120] Der Delegierte der Kommunistischen Partei Deutschlands, Eberlein, hatte an der internationalen Konferenz im März 1919 anfänglich das Mandat, sich gegen die Bildung einer III. Internationale zu stellen. Für alle Teilnehmer, insbesondere für die bolschewistischen Anführer wie Lenin, Trotzki, Sinowjew war klar, dass die Gründung der kommunistischen Internationale nicht ohne Beitritt der KPD stattfinden könne. Wenn nun Eberlein Gefangener des imperativen Mandats geblieben wäre, hätte die Internationale als Weltpartei der Arbeiterklasse nicht gegründet werden können.

[xlvii] [121] Lenin, Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück, Werke Bd. 7 S. 213

[xlviii] [122] Trotzki, Bericht der sibirischen Delegation

[xlix] [123] Rosa Luxemburg, Organisationsfragen der russischen Sozialdemokratie, a.a.O. S. 442

[l] [124] a.a.O. S. 442

[li] [125] IKS-Broschüre Communist Organisations and Class Consciousness (Kommunistische Organisationen und Klassenbewusstsein), engl./frz./span., 1979

[lii] [126] Lenin, Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück, a.a.O. S. 396ff.

[liii] [127] Internationalisme Nr. 4, 1945

Erbe der kommunistischen Linke: 

  • Die revolutionäre Organisation [128]

Wirtschaftskrise: I. Die 70er Jahre

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30 Jahre offene Krise des Kapitalismus

Die Reden der herrschenden Klasse über den ”guten Gesundheitszustand” und die ewige Existenz ihres Systems wurden durch die zahlreichen ökonomischen Erschütterungen in den letzten 30 Jahren in zunehmendem Maße als leeres Geschwätz entlarvt: die Rezessionen von 1974-75, 1980-82 und die besonders heftige von 1990-93; Börsenkräche wie jener vom Oktober 1987 oder der ”Tequila-Effekt” von 1994 etc. Indes stellt der anschwellende Strom schlechter Wirtschaftsnachrichten seit August 1997 - der Zusammenbruch der thailändischen Währung, das Debakel der asiatischen ”Tiger” und ”Drachen”, die brutale Entschlackung der weltweiten Aktienmärkte, der Bankrott Russlands, die angespannte Situation in Brasilien und anderen ”aufstrebenden” Volkswirtschaften Lateinamerikas und vor allem der ernste Zustand der zweitwichtigsten Volkswirtschaft der Welt, Japans - die ernsteste Episode in der historischen Krise des Kapitalismus dar. Dies bestätigt nachdrücklich die Analyse des Marxismus und demonstriert die Notwendigkeit des Sturzes des Kapitalismus durch die proletarische Weltrevolution.

Die Gestalt, die die Krise in den letzten 30 Jahren vor allem in den wichtigen Industrieländern angenommen hat, ist nicht mit jener brutalen Depression zu vergleichen, die sich in den 30er Jahren ereignet hatte. Was wir bisher gesehen haben, war ein langsamer und fortschreitender Abstieg in die Hölle der Arbeitslosigkeit und Armut durch aufeinanderfolgende Rezessionen. Die schlimmsten Verwüstungen haben sich dabei meist auf die Länder der Peripherie, in Afrika, Südamerika, Asien, konzentriert, die unwiderruflich in den Morast der Barbarei und Zerstörung gesunken sind.

Für die Bourgeoisie in den Hauptindustrieländern, wo die wichtigsten proletarischen Massen konzentriert sind, hat diese bis dahin unbekannte Form der historischen Krise des Kapitalismus den Vorteil, den Todeskampf des Kapitalismus zu verbergen und die Illusion zu schaffen, dass seine Erschütterungen nur vorübergehend sind und dass sie den zyklischen Krisen entsprechen, die typisch für das vorherige Jahrhundert waren und denen Perioden intensiver Entwicklung folgten.

Als eine Waffe im Kampf gegen solche Mystifikationen veröffentlichen wir eine Studie über die letzten 30 Jahre. Einerseits wird sie aufzeigen, dass der nur langsam eskalierende Rhythmus der Krise das Resultat der staatlichen Bemühungen gewesen ist, die Krise zu ”managen”, indem man sich den Gesetzen des kapitalistischen Systems entzog (besonders durch die Flucht in astronomisch hohe Schulden, die ohne Beispiel in der Menschheitsgeschichte sind), und andererseits wird sie zeigen, dass diese Politik nicht einmal im entferntesten eine Lösung für die unheilbare Krankheit des Kapitalismus ist. Der Preis für die Hinauszögerung der schlimmsten Auswüchse in den wichtigsten Ländern ist: immer explosivere Widersprüche und die Verschlimmerung des tödlichen Krebses des Weltkapitalismus.

Crash oder allmählicher Zusammenbruch?

Der Marxismus hat klar gemacht, dass der Kapitalismus keine Lösung für seine historische Krise vorweisen kann, eine Krise, die im Ersten Weltkrieg ihren Ausgangspunkt hat. Nichtsdestotrotz waren Form und Ursachen dieser Krise Objekt von Diskussionen unter den Revolutionären der Linkskommunisten gewesen (1). Besteht die Form aus jener deflationären Depression, die typisch war für die zyklischen Krisen der aufsteigenden Periode (zwischen 1820 und 1913)? Oder besteht sie nicht vielmehr aus einem Prozess fortschreitender Degeneration, in dem die gesamte Weltwirtschaft in einen immer kritischeren Zustand der Stagnation und Auflösung kollabiert?

In den 20er Jahren brachten einige Tendenzen in der KAPD die ”Theorie des Zusammenbruchs” auf, derzufolge die historische Krise des Kapitalismus die Form eines irreversiblen, brutalen Zusammenbruchs annehmen wird, was dem Proletariat die Notwendigkeit aufzwingen würde, die Revolution zu machen. Einige bordigistische Strömungen, die meinen, dass eine plötzliche Krise das Proletariat zwingen würde, in der revolutionären Tat Zuflucht zu suchen, drücken ebenfalls diese Sichtweise aus.

Wir können hier nicht in eine detaillierte Diskussion über diese Theorie eintreten. Jedoch sollte klar sein, dass die Entwicklung des Kapitalismus seit 1914 sie sowohl auf der politischen als auch auf der ökonomischen Ebene als falsch überführt hat. Die historische Erfahrung hat bestätigt, dass die Bourgeoisie imstande ist, Berge zu versetzen, um einen spontanen und plötzlichen Zusammenbruch ihres Produktionssystems zu verhindern. Die Frage, worin die historische Krise des Kapitalismus mündet, ist nicht strikt ökonomisch, sondern vor allem und im wesentlichen politisch, abhängig von der Entwicklung des Klassenkampfes:

 *Wird das Proletariat seinen Kampf zur Durchsetzung seiner revolutionären Diktatur entfalten, welche die Menschheit aus der gegenwärtigen Patsche helfen und zum Kommunismus als neuer Produktionsweise führen wird, die die unlösbaren Widersprüche des Kapitalismus überwindet und löst?

 *Wird das Überleben des Systems die Menschheit in die Barbarei und endgültige Zerstörung stoßen, sei es durch einen allgemeinen Weltkrieg, sei es durch die langsame Agonie einer fortschreitenden und systematischen Zersetzung (2).

Die Bourgeoisie hat auf die permanente Krise ihres Systems mit der allgemeinen Tendenz zum Staatskapitalismus geantwortet. Der Staatskapitalismus ist nicht nur eine ökonomische Antwort, sondern auch eine politische, gleichermaßen notwendig zur Ausführung eines imperialistischen Krieges wie zur Konfrontation des Proletariats. Vom ökonomischen Standpunkt aus richten sich die Bemühungen des Staatskapitalismus nicht so sehr darauf, diese Krise zu überwinden und zu lösen, sondern vielmehr darauf, sie zu managen und hinauszuzögern (3).

So wie die internationale revolutionäre Welle des Proletariats zwischen 1917 und 1923 die Bedrohung ihres Systems auf der entscheidenden politischen Ebene deutlich gemacht hat, so demonstrierte die brutale Depression von 1929 der Bourgeoisie die großen Gefahren, die ihre historische Krise auf ökonomischer Ebene barg. Die Bourgeoisie gab an keiner der beiden Fronten auf. Sie entwickelte eine totalitäre Form ihres Staates, damit er als Verteidigungsbollwerk gegen die proletarische Bedrohung und gegen die wirtschaftlichen Widersprüche seines Ausbeutungssystems dienen kann. Dieser totalitäre Staat drückte sich auf ökonomischer Ebene als allgemeine Tendenz zum Staatskapitalismus aus, der verschiedene Formen annahm: nazistische, stalinistische und ”demokratische”.

In den letzten 30 Jahren, die ebenso vom offenen Wiederauftreten der historischen Krise des Kapitalismus sowie von der Wiedergeburt des proletarischen Kampfes gekennzeichnet waren, sahen wir, wie die Bourgeoisie ihre staatlichen  Mechanismen des Krisenmanagements perfektionierte und ausweitete, um eine abrupte und unkontrollierte Explosion zumindest in den Hauptindustrieländern (Europa, Nordamerika, Japan), dort wo der historische Ausgang der unheilbaren Krise des Kapitalismus bestimmt wird,  zu vermeiden (4).

Die Bourgeoisie hat jeden denkbaren Trick an ihren eigenen ökonomischen Gesetzen ausprobiert, um eine Wiederholung der Erfahrung von 1929, mit einem katastrophalen Fall der Weltproduktion um 30% in weniger als drei Jahren und einer Explosion der Arbeitslosigkeit von 4 auf 28% in derselben Persiode, zu vermeiden. Sie hat nicht nur zahllose ideologische Kampagnen vom Stapel gelassen, die den Zweck verfolgten, das Ausmaß der Krise und ihre wahren Ursachen zu verbergen, sie hat sich auch die Künste ihrer ”Nationalökonomie” zunutze gemacht, um den Anschein eines Wirtschaftsgefüges aufrechtzuerhalten, das funktioniert, Fortschritte macht und auch ein bisschen Zukunft hat.

Bei ihrer Gründung stellte unsere Strömung fest, dass ”in bestimmten Augenblicken das Zusammenfließen einiger dieser Indikatoren einen massiven Konjunktureinbruch in bestimmten nationalen Kapitalien wie Großbritannien, Italien, Portugal oder Spanien auslösen könnte. Dies ist eine Möglichkeit, über die wir nicht hinwegsehen. Dennoch könnte sich, obwohl solch ein Kollaps der Weltwirtschaft einen irreparablen Schaden versetzen würde (britische Auslandsguthaben und -investitionen betragen allein bis zu 20 Milliarden Pfund Sterling), das kapitalistische Weltsystem weiterschleppen, solange es in einigen fortgeschrittenen Ländern wie den USA, Deutschland, Japan und den osteuropäischen Ländern als Produktionsweise aufrechterhalten wird. All diese Ereignisse tendieren natürlich dahin, das gesamte System zu verschlingen, und Krisen sind heute unvermeidlich Weltkrisen. Aber aus den Gründen, die wir oben hervorgehoben haben, haben wir Anlass zu glauben, dass die Krise sich in die Länge ziehen wird - voller Erschütterungen und in steilen Berg- und Talfahrten, aber eher einem Schneeballeffekt ähnelnd als einem jähen, steilen Fall. Selbst der Ruin einer nationalen Wirtschaft würde nicht notwendigerweise all die Kapitalisten dazu treiben, sich selbst aufzuhängen, wie Rosa Luxemburg in einem etwas anderen Zusammenhang bemerkte. Damit dies passiert, muss die Personifizierung des nationalen Kapitals, der Staat, von niemand anderem als dem revolutionären Proletariat erdrosselt werden.” (5)

In ähnlicher Weise haben wir nach den gewaltsamen ökonomischen Ereignissen in den 80er Jahren darauf hingewiesen, dass ”die kapitalistische Maschinerie noch nicht vollständig kollabiert ist. Trotz der Rekordzahl von Bankrotten, trotz der immer häufigeren und ernsthafteren Risse im System funktioniert die Profitmaschine weiterhin, indem sie neue, gigantische Reichtümer konzentriert - das Produkt des Gemetzels unter verschiedenen Kapitalien -, und rühmt mit zynischer Arroganz die Wohltaten des 'Liberalismus'.” (6)

Eine herrschende Klasse begeht keinen Selbstmord oder schließt den Laden und übergibt den Schlüssel an die Klasse, die sie ersetzen soll. Wir können dies bei der feudalen Klasse sehen, die erst nach heftigem Widerstand einen Pakt mit der Bourgeoisie schloss, der ihr einen Platz in der neuen Ordnung einräumte. Dies wird bei der Bourgeoisie noch weniger der Fall sein, die sehr gut weiss, dass sie von der neuen, vom Proletariat repräsentierten Ordnung nichts anderes als ihr eigenes Verschwinden erwarten kann.

Sowohl für die Mystifizierung und Niederringung des Proletariats als auch dafür, ihr ökonomisches System am Laufen zu halten, ist es notwendig, dass die Angehörigen der Bourgeoisie nicht demoralisiert werden und das Handtuch werfen. Dies bedeutet, dass der Staat um jeden Preis das Wirtschaftsgefüge aufrechtzuerhalten hat, dass er ihm den bestmöglichen Anschein von Normalität und Effektivität verleiht, um ein Minimum an Vertrauen und Glaubwürdigkeit der Wirtschaft sicherzustellen.

Auf alle Fälle ist die Krise der beste Verbündete des Proletariats bei der Erfüllung seiner revolutionären Mission. Jedoch handelt es sich nicht um etwas Spontanes oder Mechanisches, sondern findet durch die Entwicklung seines Kampfes und seines Bewusstseins statt. Wenn das Proletariat seine Reflexionen über die Ursachen der Krise entwickeln soll, dann müssen die Gruppen der Linkskommunisten einen zähen und hartnäckigen Kampf führen, um die Realität des Todeskampfes des Kapitalismus aufzuzeigen und alle Bemühungen des Staatskapitalismus zu entlarven, die die Krise verlangsamen, verstecken, von den Nervenzentralen des Weltkapitalismus weg- und zu den eher peripheren Regionen hinlenken sollen, wo das Proletariat ein geringeres gesellschaftliches Gewicht besitzt.

Das Krisenmanagement

Der Begriff des ”Krisenmanagements”, um die Ausdrucksweise des Berichts unseres vorletzten Internationalen Kongresses (7) zu gebrauchen, ist von entscheidender Natur. Seit 1967 hat der Weltkapitalismus auf das offene Wiederauftreten seiner historischen Krise mit einer Politik des Krisenmanagements geantwortet, was für das Verständnis sowohl des Verlaufs der wirtschaftlichen Entwicklung innerhalb dieser Periode als auch des Erfolges wichtig ist, den die Bourgeoisie bis jetzt dabei hatte, Ausmaß und Umfang der Krise vor dem Proletariat zu verschleiern.

Diese Politik des Krisenmanagements bildet den vollendetsten Ausdruck für die allgemeine historische Tendenz zum Staatskapitalismus. In der Realität der letzten 30 Jahre haben die westlichen Staaten eine Praxis der Manipulation des Wertgesetzes, der massiven und allgegenwärtigen Verschuldung, des autoritären staatlichen Eingriffs gegenüber den wirtschaftlich Handelnden und in den Produktionsprozess, der Tricks im Umgang mit Geld, dem Aussenhandel und den öffentlichen  Schulden entwickelt, die die staatlichen Planungsmethoden der stalinistischen Bürokratien wie ein Kinderspiel aussehen lässt. All das Geschnatter der westlichen Bourgeoisie über ”Marktwirtschaft”, das ”Spiel der freien Marktkräfte”, die ”Überlegenheit des Liberalismus” und ähnliches ist in Wahrheit eine enorme Mystifikation. In den letzten 70 Jahren gab es, wie die Linkskommunisten hervorgehoben haben, keine zwei ”Wirtschaftssysteme”, von denen das eine eine ”Planwirtschaft” und das andere eine ”freie Wirtschaft” wäre, sondern nur eines: den Kapitalismus, welcher in seinem in die Länge gezogenen Todeskampf durch einen immer entwickelteren und totalitäreren Staatsinterventionismus gestützt wird.

Diese Staatsintervention beim Krisenmanagement, die danach strebt, sich der Krise anzupassen und sie zu verzögern, hat den Hauptindustrieländern ermöglicht, einen brutalen Zusammenbruch, eine allgemeine Desintegration des Systems zu verhindern. Jedoch hat dies weder die Krise gelöst noch irgendeinen ihrer schlimmsten Ausdrücke wie die Arbeitslosigkeit oder die Inflation beseitigt. Die einzige Errungenschaft der 30 Jahre des ”Krisenmanagements” ist eine Art organisierter Marsch in den Abgrund, die Möglichkeit eines kontrollierten Absturzes durch aufeinanderfolgende Rezessionen, dessen einziges reales Resultat darin besteht, das Leiden, die Unsicherheit und Verzweiflung der Arbeiterklasse und der übergroßen Mehrheit der Weltbevölkerung auf unbestimmte Zeit zu verlängern. Einerseits ist die Arbeiterklasse der großen Industriezentren einer systematischen Politik der allmählichen aber fortschreitenden Kürzung ihrer Löhne, der Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen und Problemen des eigentlichen Überlebens ausgesetzt. Andererseits ist das elende Leben der großen Mehrheit der Weltbevölkerung in den riesigen Peripherien, die die Nervenzentralen des Kapitalismus umgeben, in eine Situation der Barbarei, des Hungers und des Todes eingemündet, die getrost als größter, jemals von der Menschheit erlittener Genozid eingeordnet werden kann.

Diese Politik des Krisenmanagements jedoch ist die einzige Möglichkeit für die Gesamtheit des Weltkapitalismus, die einzige, die ihn am Laufen halten kann, selbst wenn der Preis dafür ist, immer größere Teile ihres eigenen Wirtschaftsorganismus in den Abgrund fallen zu lassen. Die wichtigsten und entscheidenden Länder konzentrieren aus imperialistischen und ökonomischen Gründen, aber vor allem wegen der Klassenkonfrontation all ihre Bemühungen darauf, die Krise auf die schwächeren Länder abzuwälzen, die mit weniger Ressourcen gegen ihre verheerenden Auswirkungen und einer geringeren Bedeutung im Kampf gegen das Proletariat versehen sind. So brachen in den 80er Jahren ein großer Teil Afrikas, ein gutes Stück Süd- und Lateinamerikas und eine Reihe asiatischer Länder zusammen. Seit 1989 waren die Länder Osteuropas, Zentralsiens etc. drangewesen, die bis dahin unter der Vorherrschaft jenes Riesen auf tönernen Füßen, Russland genannt, gestanden haben. Nun sind die ehemaligen asiatischen ”Drachen” und ”Tiger” dran, die wie im Fall Indonesiens mit dem brutalsten und rasantesten Sturz einer nationalen Wirtschaft seit 80 Jahren konfrontiert sind.

Wir haben eine Menge Sprüche von Politikern, Gewerkschaftsführern und ”Experten” von ”Wirtschaftsmodellen” über die ”geeignete Wirtschaftspolitik” und ”Krisenlösungen” gehört. Die triste Realität der Krise in den letzten 30 Jahren hat diese Sprüche als das entlarvt, was sie sind: unaussprechliche Dummheit oder gewöhnliche Tricks von Quacksalbern. Vom ”schwedischen Modell einer sozialen Marktwirtschaft” hört man schon lange nichts mehr, das ”japanische Modell” wurde schleunigst aus den Werbekatalogen zurückgezogen, das ”deutsche Modell” diskret dem Museum überschrieben, und die immer wieder aufgelegte, zerkratzte Platte vom ”Erfolg” der asiatischen ”Drachen” und ”Tiger” ist innerhalb einiger Monate aus dem ideologischen Musikautomaten genommen worden. Praktisch besteht die einzig mögliche Politik aller Regierungen, mögen sie links, rechts, diktatorisch oder ”demokratisch”, ”liberal” oder ”interventionistisch” sein, im Krisenmanagement, im kontrollierten und so langsam wie möglich gestalteten Abstieg ins Inferno.

Die Politik des Krisenmanagements und der Krisenbegleitung hat keinesfalls den Effekt, den Weltkapitalismus in einer statischen Position zu halten, wo die brutalen Gegensätze des Regimes der Ausbeutung ständig gezügelt und eingeschränkt bleiben. Solche ”Stabilität” ist wegen der Natur des Kapitalismus selbst, der Dynamik seiner inneren Widersprüche, die ihn unablässig dazu drängt, nach der Verwertung von Kapital zu trachten und um die Neuaufteilung des Weltmarktes zu streiten,  unmöglich. Aus diesen Gründen hat die Politik der Linderung und Verlangsamung der Krise den perversen Effekt, die Widersprüche des Kapitalismus zu verschärfen, zu vertiefen und gewaltsamer zu machen. Der ”Erfolg” der Wirtschaftspolitik des Kapitalismus in den letzten 30 Jahren kann darauf reduziert werden, das Schlimmste der Krise vermieden zu haben, währenddessen jedoch der Umfang der Zeitbombe zugenommen hat, sie also noch explosiver, gefährlicher und zerstörerischer geworden ist:

*30 Jahre der Verschuldung haben die allgegenwärtige Zerbrechlichkeit der Finanzmechanismen erhöht, was ihren Gebrauch beim Krisenmanagement schwieriger und gefährlicher gemacht hat.

*30 Jahre der allgemeinen Überproduktion bedeuteten sukzessive Amputationen am industriellen und landwirtschaftlichen Organismus der Weltwirtschaft, was den Marktumfang eingeschränkt und diese Überproduktion sehr viel ernster und drückender gemacht hat.

*30 Jahre des Hinauszögerns und der Dosierung der Arbeitslosigkeit bedeuten, dass sie heute sehr viel ernster ist und eine endlose Kette von Entlassungen, Gelegenheitsarbeiten, Unterbeschäftigung etc. verursachte.

All die Tricksereien des Kapitalismus mit seinen eigenen ökonomischen Gesetzen bedeuten, dass die Krise nicht die Form eines plötzlichen Zusammenbruchs der Produktion angenommen hat, wie es in den zyklischen Krisen des aufstrebenden Kapitalismus im letzten Jahrhundert passiert war oder wie wir in der Depression von 1929 sahen. Trotzdem hat die Krise eine ausgedehntere Form angenommen, ist zerstörerischer für die Lebensbedingungen des Proletariats und die gesamte Menschheit geworden: ein Abstieg über aufeinanderfolgende, immer brutalere Etappen bis hinab zur Situation einer immer allgemeineren Stagnation und Zersetzung.

Die Erschütterungen, die seit August 1997 stattgefunden haben, markieren eine neue Etappe auf dem Weg in den Abgrund. Wir dürfen keinen Zweifel daran haben, dass dies die schlimmste Periode in den letzten 30 Jahren ist, der größte Schritt, den der Kapitalismus auf seinen Abstieg gemacht hat. Um ihre Auswirkungen auf die Lebensbedingungen des Proletariats und hinsichtlich der Verschlimmerung der kapitalistischen Krise besser zu begreifen, erscheint es uns notwendig, auf die gesamte Periode einzugehen.

In International Review, Nr. 8 (im Artikel ”The international political situation”) zeigten wir, dass die Politik des Kapitalismus, ”die Krise zu managen und zu begleiten”, drei Achsen hat: Diese bestehen in der ”Abwälzung der Krise auf andere Länder, auf die Mittelschichten und auf das Proletariat”. Diese drei Achsen haben die Politik des Krisenmanagements gekennzeichnet und sind auf den verschiedenen Stufen des Zusammenbruchs des Systems bestimmt worden.

Die Politik der 70er Jahre

Die Entwertung des Pfund Sterling 1967 war eines der ersten deutlichen Anzeichen einer neuen offenen Krise des Kapitalismus nach den Jahren relativer Prosperität, die aufgrund des Wiederaufbaus der Weltwirtschaft nach der beträchtlichen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg geherrscht hatte. Es gab den ersten Schock der Arbeitslosigkeit, die in manchen europäischen Ländern auf bis zu 2% anstieg. Die Regierungen antworteten mit einer Politik der öffentlichen Ausgaben, die schnell die Situation bereinigte und eine Erholung der Produktion zwischen 1969 und 1971 erlaubte.

1971 nahm die Krise die Form gewaltiger Währungsturbulenzen an, die sich um die Hauptwährung der Welt konzentrierten: den Dollar. Die Nixon-Regierung war in der Lage, das Problem zeitweise hinauszuzögern, aber dies hatte ernste Konsequenzen für die künftige Entwicklung des Kapitalismus: Es demontierte das Bretton-Woods-Abkommen, das 1944 angenommen worden war, um seitdem die Weltwirtschaft zu regulieren.

Bretton Woods selbst hatte endgültig den Goldstandard abgeschafft und ihn durch den Dollarstandard ersetzt. Schon zu jener Zeit markierte dies einen Schritt zur Schwächung des Weltwährungssystems und zur Stimulierung öffentlicher Schulden. In seiner aufstrebenden Periode hatte der Kapitalismus die Währungen an die Gold- und Silberreserven gebunden, was eine mehr oder weniger kohärente Verbindung zwischen der Ausweitung der Produktion und den Geldmengen in der Zirkulation hergestellt und eine Flucht in den Kredit verhindert oder zumindest abgemildert hatte. Die mit dem Dollar verbundenen Währungen eliminierten diesen Kontrollmechanismus und führten, abgesehen vom beträchtlichen Vorteil, der dadurch dem amerikanischen Kapitalismus gegenüber seinen Konkurrenten geschenkt wurde, ein beträchtliches Währungsrisiko und eine Kreditunsicherheit ein.

Diese Bedrohung blieb verborgen, solange der Wiederaufbau den Platz für den Absatz einer kontinuierlich expandierenden Produktion schuf. Als 1967 der Spielraum für Manöver jedoch dramatisch eingeschränkt wurde, explodierte das Ganze. Die Abschaffung des Dollarstandards und seine Ersetzung durch Sonderziehungsrechte des IWF erlaubten es jedem Staat, seine Währung ohne jegliche Garantie ausser ihrer selbst auszugeben.  Die Bedrohung durch Instabilität und unkontrolliertes Schuldenwachstum wurde immer fühlbarer und gefährlicher.

Der ”Boom” von 1972/73 verbarg diese Probleme nicht nur, er brachte auch eine dieser Illusionen mit sich, welche der Kapitalismus dazu benutzte, seine Todeskrise zu verkleiden: In diesen beiden Jahren erreichte die Produktion Rekordausmaße. Dies beruhte im wesentlichen auf der Entfesselung des Konsums.

Betrunken von seinem flüchtigen ”Erfolg”, prahlte der Kapitalismus mit der Überwindung der Krise und der Widerlegung der Behauptung des Marxismus über die Todeskrise des Systems. Diese Proklamationen wurden schon bald durch die sogenannte ”Ölkrise” von 1974/75 demaskiert, der schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg: Der Produktionsstand in den Industrieländern fiel um 2 bis 4%.

Die Antwort auf diese neue Erschütterung beruhte auf zwei Achsen:

*auf dem bemerkenswerten Wachstum öffentlicher Defizite in den Industrieländern, besonders in den Vereinigten Staaten;

*aber vor allem auf dem enormen Wachstum der Verschuldung in der Dritten Welt und den Ländern des Ostens. Die Jahre zwischen 1974 und 1977 erblickten das, was später als die größte Welle des Geldverleihens in die Geschichte einging: 78 Milliarden Dollar wurden Ländern der Dritten Welt verliehen, nicht eingeschlossen jene, die zum russischen Block gehörten. Um sich ein Bild von dem unerhörten Ausmaß der Kreditvergabe zu machen, muss man sie nur mit jenen Krediten vergleichen, die zwischen 1948 und 1953 im Rahmen des Marshall-Plans an die europäischen Länder vergeben wurden: Insgesamt betrugen sie 15 Milliarden Dollar, was für damalige Zeiten bereits ein Rekord war.

Diese Maßnahmen bewirkten eine Erholung der Produktion, obgleich diese niemals den Umfang von 1972/73 erreichte. Jedoch war der Preis dafür die Explosion der Inflation, welche in manchen zentralen Ländern 20% überschritt (in Italien erreichte sie 30%). Die Inflation ist ein charakteristischer Zug des dekadenten Kapitalismus (8), zurückzuführen auf die immense Masse an unproduktiven Ausgaben, die das System erfordert, um zu überleben: Kriegsproduktion, Aufblähung des Staatsapparates, gigantische finanzielle Kosten, Werbung, etc. Diese Kosten sind unvergleichlich größer als die Kosten der Zirkulation und des Wachstums, die typisch für die aufsteigende Periode waren. In der Mitte der 70er Jahre wurde diese permanente und strukturelle Inflation jedoch aufgrund der Anhäufung öffentlicher Defizite, die durch die unkontrollierte Ausgabe von Geld ohne Gegenwert bewirkt wurden, zu einer galoppierenden Inflation.

Die Entwicklung der Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte der 70er Jahre schwankte zwischen Erholung und Depression. Jede Bemühung, die Wirtschaft wiederzubeleben, führte zu einem Ausbruch der Inflation (welche die Kapitalisten ”Überhitzung” nannten), was bedeutete, dass die Regierungen das ”Einfrieren” des Wachstums durch steigende Zinssätze, plötzliche Reduzierungen der Geldmengen in der Zirkulation etc. durchsetzen mussten, was in die Rezession führte. Dies demonstrierte deutlich die allgemeine Sackgasse der kapitalistischen Ökonomie, zurückzuführen auf die Überproduktion.

Die Bilanz der 70er Jahre

Nach dieser kurzen Beschreibung der ökonomischen Entwicklung während der 70er Jahre können wir einige Schlüsse auf zwei Ebenen ziehen:

- die wirtschaftliche Situation;

- die Senkung des Lebensstandards der Arbeiterklasse.

Die allgemeine wirtschaftliche Lage

1. Das Produktionsniveau war hoch. Die durchschnittliche Höhe der Produktionssteigerung während dieser Dekade in den 24 Ländern der OECD betrug 4,1%. Während des Booms von 1972/73 erreichte sie 8% und gar 10% in Japan. Trotzdem ist es nicht schwer, im Vergleich zu den vorherigen Jahrzehnten die klare Tendenz nach unten zu erkennen:

Durchschnittliche Zuwachsraten der Produktion in den Ländern der OECD:

1960-70    -    5,6%                   

1970-73    -    5,5%                   

1976-79    -    4,0%

2. Die massive Kreditvergabe an die ”Dritte Welt” erlaubte die Ausbeutung und Einverleibung der letzten, wenn auch sehr kleinen vor-kapitalistischen Überbleibsel in den Weltmarkt. Wir können also sagen, dass der Weltmarkt eine sehr begrenzte Expansion erlebte, so wie während der Wiederaufbauperiode nach 1945.

3. Der ganze produktive Sektor, inklusive der traditionellen Bereiche wie Schiffbau, Kohleförderung, Eisen und Stahl, die zwischen 1972 und 1978 eine große Expansion erfuhren, wuchs. Jedoch war diese Ausweitung ihr Schwanengesang: Von 1978 an führten die Zeichen einer wachsenden Marktsättigung zur berüchtigten ”Restrukturierung” (ein Euphemismus, der die massiven Entlassungen verhüllte), die 1979 begann und dem folgenden Jahrzehnt ihren Stempel aufdrückte.

4. Die Erholungsphasen wirkten sich auf die Weltwirtschaft mehr oder weniger ausgeglichen aus. Von ein paar Ausnahmen abgesehen (ein wichtiges Beispiel war der Produktionsrückgang in Argentinien, Chile, Uruguay), profitierten alle Länder vom Produktionswachstum. Es gab keine Länder, die von der Erholung ”abgenabelt” wurden, so wie es später in den 80er Jahre geschah.

5. Die Rohstoffpreise hielten die Steigerungstendenzen aufrecht, die ihren Höhepunkt mit dem spekulativen Ölboom (zwischen 1972 und 1977) erreichten, um sich danach in ihr Gegenteil zu verkehren.

6. Die Rüstungsproduktion hob im Verhältnis zu den 60er Jahren ab und wuchs von 1976 an spektakulär.

7. Ab 1975 beschleunigten sich die Schuldenraten stark, obwohl sie im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte, winzig waren. Sie waren charakterisiert durch:

- ein ziemlich moderates Wachstum in den zentralen Ländern (obgleich es ab 1977 einen spektakulären Anstieg in den Vereinigten Staaten während der Carter-Administration gab);

- einen massiven Anstieg andererseits in den Ländern der ”Dritten Welt”.

Schulden der ”unterentwickelten” Länder

(Quelle: Weltbank)

1970     -     $ 70 Mia                   

1975     -     $ 170 Mia                   

1980     -     $ 580 Mia

8. Das Bankensystem war solide: Die Kreditvergabe (für Konsum und Investitionen, an Familien, Geschäfte und Institutionen) wurde einer Reihe sehr rigoroser Kontrollen und Garantien unterworfen.

9. Die Spekulation war noch ein begrenztes Phänomen, obwohl die fiebrige Ölspekulation (die berühmten Petrodollars) Vorbote einer Tendenz zu ihrer Verallgemeinerung im darauffolgenden Jahrzehnt war.

Die Lage der Arbeiterklasse

1. Die Arbeitslosigkeit blieb relativ beschränkt, auch wenn sie ab 1975 stetig wuchs. In den 24 OECD-Ländern gab es 1968 7 Millionen Arbeitslose; 1979 war ihre Zahl auf 18 Millionen gestiegen.

2. Es gab erhebliche nominale Lohnsteigerungen (diese erreichten 20-25%), und in Ländern wie Italien wurden gleitende, inflationsgebundene Löhne eingeführt. Diese Lohnsteigerungen täuschten darüber hinweg, dass insgesamt gesehen die Löhne gegenüber der galoppierenden Inflation an Boden verloren.

3. Dauerarbeitsplätze überwogen deutlich, und in den meisten Ländern gab es ein starkes Wachstum der Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst.

4. Die Sozialausgaben, Beihilfen, das soziale Sicherheitssystem, Haushalts-, Kranken- und Erziehungsgeld - alles erlebte eine erhebliche Steigerung.

5. In diesem Jahrzehnt war der Verfall der Lebensbedingungen zwar real, aber ziemlich mild. Die Bourgeoisie, wachsam geworden durch die historische Wiedergeburt des Klassenkampfes und beträchtlichen Spielraum für Manöver auf dem wirtschaftlichen Terrain auskostend, zog es vor, ihre Angriffe mehr auf die schwächsten Bereiche des nationalen Kapitals als auf die Arbeiterklasse zu konzentrieren. Die 70er Jahre waren ”Jahre der Illusionen”, gekennzeichnet von der politischen Dynamik der ”Linken an der Macht”.

Im nächsten Teil dieses Artikels werden wir eine Bilanz der 80er und 90er Jahre ziehen, was uns erlauben wird, einerseits die gewaltige Verschlimmerung der Wirtschaftslage und der Lage der Arbeiterklasse zu bewerten, andererseits die düsteren Perspektiven des weiteren Abstiegs zum Inferno besser zu begreifen, die die im August 1997 eröffnete Periode umfassen.

Adalen

Anmerkungen:

1 Es gibt im wesentlichen zwei Theorien über die Krisenursache: die Sättigung des Weltmarktes und der tendenzielle Fall der Profitrate. Siehe dazu die Artikel in International Review Nr. 13, 16, 23, 29, 30, 76 und 83.

2  s. International Review Nr. 62 ”The decomposition of capitalism”

3  s. International Review Nr. 21 ”On state capitalism” und International Review Nr. 23 ”The proletariat in decadent capitalism”

4  s. International Review Nr. 31 ”The proletariat in Western Europe at the centre of the class struggle”

5  s. den Artikel über die internationale Lage in International Review Nr.1

6  s. International Review Nr. 56

7  s. den Bericht, den wir in der Internationalen Revue Nr. 21 veröffentlichten

8  s. unsere Broschüre Die Dekadenz des Kapitalismus

Über den Aufruf der IKS zu einer Stellungnahme gegen den Krieg in Serbien: Die kriegerische Offensive der Bourgeoisie erfordert

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Der Krieg in Serbien hat die vermeintlichen Revolutionäre entlarvt und die grundlegende Einheit der wirklich internationalistischen Gruppen aufgezeigt.

Kriege und Revolutionen sind bedeutende historische Ereignisse, die das Lager der herrschenden Klasse von dem der Revolutionäre abgrenzen und gleichzeitig ein Prüfstein für die Klassennatur politischer Kräfte sind. Dies galt auch für den Ersten Weltkrieg, der den Verrat der Sozialdemokratie auf internationaler Ebene ans Licht brachte, den Tod der Zweiten Internationale bedeutete und eine Minderheit auftauchen ließ, welche die neuen kommunistischen Parteien der Dritten Internationale gründeten. Es galt ebenso für den Zweiten Weltkrieg, der die Integration der verschiedenen stalinistischen Parteien in die Verteidigung des bürgerlichen Staates durch ihre Unterstützung der imperialistischen ”demokratischen” Front gegen den ”Faschismus” bestätigte und die verschiedenen trotzkistischen Gruppierungen dazu brachte, die Arbeiterklasse zur Verteidigung des russischen ”Arbeiterstaates” gegen die Aggression der nazi-faschistischen Diktatur aufzurufen. Andererseits aber tauchte damals der mutige Widerstand einer winzigen Minderheit von Revolutionären auf, die ihr Lager in dieser schrecklichen historischen Prüfung aufrecht erhalten konnten. Heute sind wir noch nicht mit der Gefahr eines dritten Weltkrieges konfrontiert, da die Bedingungen dazu nicht vorhanden sind, und wir gehen auch nicht davon aus, dass sich dies in nächster Zukunft ändern wird. Dennoch ist die militärische Intervention in Serbien das bedeutendste Ereignis seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, und sie hat eine Polarisierung der politischen Kräfte um die zwei Hauptklassen der Gesellschaft hervorgerufen: das Proletariat und die Bourgeoisie.

Die verschiedenen linken Gruppierungen haben ihren bürgerlichen Charakter entweder durch die Unterstützung der NATO-Angriffe oder die Verteidigung Serbiens1 [129] einmal mehr  bestätigt. Doch auf der anderen Seite können wir mit tiefer Zufriedenheit feststellen, dass die wichtigsten revolutionären politischen Gruppen alle eine gradlinige internationalistische Position eingenommen haben, welche die folgenden Grundsätze unterstützt:

1. Der gegenwärtige Krieg ist ein imperialistischer Krieg (wie alle Kriege heutzutage) und die Arbeiterklasse hat in der Unterstützung der einen oder anderen Seite nichts zu gewinnen:

”Welches Lager man auch betrachtet - ob amerikanisch oder serbisch, italienisch oder französisch, russisch oder englisch - es sind immer die inner-imperialistischen Konflikte, hervorgerufen durch die Widersprüche der bürgerlichen Ökonomie (...). Kein Mensch, kein Soldat für den imperialistischen Krieg: offener Kampf gegen die eigene nationale Bourgeoisie, serbisch oder kosovarisch, italienisch oder amerikanisch, deutsch oder französisch.” (Il Programma comunista, Nr. 4, 30. April 1999)

”Für die wirklichen Kommunisten ist die Unterstützung dieses oder jenes Imperialisten, auch die Unterscheidung zwischen Schwächeren und Stärkeren, opportunistisch und unehrenhaft, da bei zwei Schlechten den weniger Schlimmen zu suchen, falsch ist. Jegliche Unterstützung für diese oder jene imperialistische Front ist eine Unterstützung des Kapitalismus. Es ist ein Verrat an allen Erfahrungen der Befreiung der Arbeiterklasse und an der Sache des Sozialismus.

Der einzige Weg, der Logik des Krieges zu entfliehen, geht über die Wiederaufnahme des Klassenkampfes im Kosovo sowie im Rest Europas, den Vereinigten Staaten oder in Russland.” (Flugblatt des IBRP, ”Kapitalismus heißt Imperialismus, Imperialismus heißt Krieg”, 25. März 1999)    

   

2. Der Krieg in Serbien, weit davon entfernt humanitäre Ziele für irgendeinen Bevölkerungsteil zu verfolgen, ist das direkte Resultat der imperialistischen Zusammenstöße auf Weltebene:

”Die Drohungen und der Druck auf die Türkei, sowie auch der Krieg gegen den Irak, haben die Repression und Massaker an den Kurden nicht gestoppt; wie auch die Drohungen und der Druck gegen Israel die Repression und die Massaker an den Palästinensern nicht gestoppt haben. Die UNO-Missionen, die sogenannten Eingreiftruppen, die Embargos, hatten gestern den Krieg in Ex-Jugoslawien zwischen Serbien und Kroatien, innerhalb Kroatiens, zwischen Serbien und Bosnien, alle gegen alle, nicht verhindern oder stoppen können. Und die militärische Intervention der westlichen Bourgeoisien, von der NATO gegen Serbien organisiert, wird die ”ethnischen Säuberungen” gegen die Kosovari nicht verhindern, so wie sie die Bombardierung Belgrads und Pristinas nicht verhindert haben.

Die humanitären Missionen der UNO (...) haben vielmehr das Terrain zu Repression und schrecklicheren Massakern ”vorbereitet”. Es ist der Beweis, dass die humanitäre und pazifistische Vision und Aktion in Wirklichkeit nur eine ohnmächtige Illusion ist.” (”Der wirkliche Widerstand gegen die militärischen Interventionen und den Krieg ist der Klassenkampf des Proletariats, seine Reorganisierung auf dem internationalistischen Klassenterrain gegen alle Formen der bürgerlichen Unterdrückung und den Nationalismus”, Beilage zu Il comunista Nr. 64-65, April 1999).                

3. Dieser Krieg ist trotz einer angeblichen Fassade der Einheit ein Konflikt zwischen den imperialistischen Mächten innerhalb der NATO und im speziellen zwischen den USA auf der einen und Deutschland und Frankreich auf der anderen Seite:

”Der feste Wille der USA, durch die direkte Intervention gegen Serbien einen Kriegsgrund zu finden, ist schon während der Verhandlungen von Rambouillet hervorgetreten: diese Verhandlungen, weit davon entfernt eine friedliche Lösung für die unentwirrbare Kosovo-Frage zu suchen, diente im Gegenteil dazu, die Verantwortung für den Krieg der jugoslawischen Regierung zuzuschieben. (...) Das wahre Problem für die USA waren ihre eigenen Verbündeten und Rambouillet diente dazu, Druck auf sie auszuüben und ihnen die NATO-Intervention aufzuzwingen (...).” (Il Partito comunista, Nr. 266, April 1999)

”Um die Konsolidierung eines neuen imperialistischen Blockes zu verhindern, der fähig wäre, sich dem Stärksten zu widersetzen, drängten die USA auf eine Ausdehnung der NATO in Richtung Balkan sowie Osteuropa (...) Sie beabsichtigten (...), und dies ist vielleicht der wichtigste Aspekt, den europäischen Ansprüchen, eine selbständige imperialistische Rolle zu spielen, einen harten Schlag zuzufügen.

Die Europäer ihrerseits machten gute Mine zum bösen Spiel, indem sie die militärische Aktion der NATO unterstützten, dies jedoch nur, um nicht das Risiko einzugehen, aus einer derart wichtigen Region komplett ausgeschlossen zu sein.” (Flugblatt des IBRP, ”Kapitalismus heißt Imperialismus, Imperialismus heißt Krieg”, 25. März 1999)   

4. Wie schon immer zeigt der Pazifismus einmal mehr, dass er nicht ein Instrument des Kampfes der Arbeiterklasse und der Zivilbevölkerung gegen den Krieg ist, sondern ein von den linken Parteien gebrauchtes Mittel, um die Arbeiterklasse einzuschläfern. Dies wird durch die Rolle der Linken als Kriegstreiber für die zukünftigen Schlächtereien bestätigt:

”Das verlangt die Überwindung aller pazifistischen und reformistischen Illusionen, die entwaffnen und sich gegen die Ziele und Methoden des Kampfes der Klasse wenden, die immer zur proletarischen Tradition gehörten (...)” (Il Programma comunista, Nr. 4, 30. April 1999)    

”Die bunte Front (...) richtet den gleichen pazifistischen Appell an alle, deren sich das Kapital bedient, um Krieg zu führen: die Verfassung, die Vereinten Nationen, die Regierungen (...). Und schlussendlich, um das Ganze noch lächerlicher zu machen, bittet man dieselben Regierungen, die Krieg führen, nett zu sein und für den Frieden zu arbeiten.” (Battaglia Comunista, Nr. 5, Mai 1999)      

Unser Aufruf an das politische proletarische Milieu

Wie man feststellen kann, existiert unter den verschiedenen Organisationen des politischen revolutionären Milieus eine volle Übereinstimmung über die grundsätzlichen Fragen zum Konflikt auf dem Balkan. Natürlich gibt es auch Divergenzen, die in einer unterschiedlichen Herangehensweise in der Analyse des Imperialismus in der gegenwärtigen Phase und des Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen liegen. Aber ohne diese Divergenzen zu unterschätzen betrachten wir die gemeinsamen Aspekte als viel wichtiger und bedeutsamer als diejenigen, welche bezüglich der momentanen Begebenheiten unterschiedlich sind. Auf dieser Grundlage haben wir am 29. März 1999 an alle diese Gruppen[i] [129] einen Appell für eine gemeinsame Initiative gegen den Krieg gerichtet:

”Genossen,

(...) Heute sind die Gruppen der Kommunistischen Linken die einzigen, welche die klassischen Positionen der Arbeiterbewegung verteidigen. Nur diejenigen Gruppen, die sich auf diese Strömung berufen, die als einzige während des Zweiten Weltkrieges keinen Verrat begangen hat, sind fähig auf all die Fragen, die sich heute für die Arbeiterklasse stellen, eine Antwort zu geben. Ihre Pflicht ist es, so breit als möglich in der Arbeiterklasse zu intervenieren, um die Flut von Lügen, die von den verschiedenen Teilen der Bourgeoisie verstreut werden, zu denunzieren und die internationalistischen Prinzipien zu verteidigen, die uns die Kommunistische Internationale und ihre linken Fraktionen als Erbe überlassen haben. Die IKS ihrerseits hat bereits ein Flugblatt herausgegeben, von dem wir Euch hier eine Kopie zukommen lassen. Wir denken jedoch, dass die Wichtigkeit der Ereignisse es erfordert, dass alle Gruppen, welche eine internationalistische Position verteidigen, eine gemeinsame Stellungnahme zur Bekräftigung der proletarischen Klassenprinzipien und gegen die kriegerische kapitalistische Barbarei veröffentlichen und verteilen. Zum ersten Mal seit mehr als einem halben Jahrhundert führen die imperialistischen Hauptgangster den Krieg in Europa selber, d.h. auf dem Schlachtfeld der beiden Weltkriege und gleichzeitig in dem weltweit größten Ballungsgebiet der Arbeiter. Dies zeigt den ganzen Ernst der Lage auf. Damit fällt den Kommunisten die Verantwortung zu, ihre Kräfte zu vereinen, um die Stimme der internationalistischen Prinzipien so laut wie möglich zu erheben und um mit unseren geringen Kräften diesen Prinzipien soviel Widerhall wie möglich zu verschaffen.

Es ist der IKS klar, dass eine solche Stellungnahme in einigen Punkten anders sein wird als das Flugblatt, das wir selbst veröffentlicht haben, weil wir wissen, dass innerhalb der Kommunistischen Linken Meinungsverschiedenheiten bezüglich gewisser Aspekte der Analyse über die Weltlage bestehen. Dennoch sind wir fest davon überzeugt, dass die Gesamtheit der Gruppen der Kommunistischen Linken ein Dokument zur Bestätigung der grundlegenden Prinzipien des Internationalismus  erstellen können ohne ihre eigenen Prinzipien abzuschwächen. Deshalb schlagen wir Euch vor, dass sich unsere Organisationen so schnell wie möglich treffen um einen Appell gegen den imperialistischen Krieg, gegen die Lügen der Bourgeoisie, gegen alle Kampagnen des Pazifismus und für eine proletarische Perspektive zur Überwindung des Kapitalismus zu verfassen.

Mit diesem Vorschlag knüpfen wir an die Politik der Internationalisten und im besonderen derjenigen Lenins auf den Konferenzen von Zimmerwald und Kienthal 1915 und 1916 an. Eine Politik, die fähig war, bestehende Meinungsverschiedenheiten zwischen verschiedenen Teilen der europäischen Arbeiterbewegung zu überwinden oder beiseite zu lassen um die proletarische Perspektive gegen den imperialistischen Krieg hervorzuheben. Wir sind offen für jede andere Initiative Eurer Organisation, gegenüber jeglichem Vorschlag, der es erlaubt, dem proletarischen Standpunkt gegen die kriegerische Barbarei und gegen die Lügen der herrschenden Klasse Gehör zu verschaffen (...)

Mit kommunistischen Grüßen

IKS”                                

                   

Die Antworten auf unseren Aufruf

Leider entsprachen die Antworten auf unseren Aufruf nicht der Dringlichkeit der Situation und unseren Erwartungen. Zwei der bordigistischen Gruppen, Il Comunista-Le Prolétaire und Il Partito Comunista haben trotz eines zweiten Briefes vom April 1999 mit der Anfrage um eine Antwort bisher auf unseren Aufruf nicht geantwortet. Die dritte bordigistische Gruppe, Programma Comunista, hatte eine schriftliche (negative) Antwort versprochen, doch wir haben nichts erhalten. Das IBRP letztlich erwies uns die Ehre einer freundschaftlichen ablehnenden Antwort auf unsere Einladung. Es liegt auf der Hand, dass wir das Scheitern dieses Aufrufes nur bedauern können. Abgesehen davon bestätigt es offenbar einmal mehr die Schwierigkeiten, in denen sich das von der starken sektiererischen Erstarrung aus dem konterrevolutionären Klima seiner Wiederformierung geprägte proletarische politische Milieu befindet. Im jetzigen Zeitpunkt angesichts der Probleme des Krieges ist es jedoch nicht unser Anliegen, die Reibungen im proletarischen politischen Milieu mit einer Polemik über die Unverantwortlichkeit, die eine negative Antwort bzw. das Stillschweigen auf unseren Aufruf darstellen, weiter zu nähren, sondern wir wollen vor allem die Argumente für die Notwendigkeit und das Interesse der Arbeiterklasse für eine gemeinsame Stellungnahme aller internationalistischen Gruppen unterstreichen. Wir wollen in diesem Rahmen die ablehnenden Argumente des IBRP (das uns als einzige Organisation geantwortet hat!) überprüfen, welche sie schriftlich und in direkten Treffen mit uns vorgebracht haben. Dies in Anbetracht dessen, dass viele der Argumente des IBRP mit größter Wahrscheinlichkeit denjenigen gleichkommen, mit denen uns die bordigistischen Gruppen geantwortet hätten. Damit hoffen wir mit dem Blick auf alle Genossen und politischen Gruppierungen der Arbeiterklasse unseren Vorschlag zu einer gemeinsamen Stellungnahme voranzubringen und so in Zukunft ein besseres Resultat zu erzielen.

Ist es wahr, dass eine gemeinsame Stellungnahme des proletarischen-politischen Milieus zwangsläufig ein "tiefes politisches Niveau" hat?

Das erste Argument des IBRP besteht in der Behauptung, die Positionen der verschiedenen Gruppen seien allzu unterschiedlich, so dass jegliche gemeinsame Stellungnahme ein "sehr tiefes politisches Niveau" aufweisen würde und deshalb kaum förderlich wäre "der Barbarei und den Lügen der Bourgeoisie den proletarischen Standpunkt entgegenzuhalten" (Antwortbrief des IBRP auf unseren Aufruf).

Sich auf diese Behauptung stützend fügen sie an:

"Es ist wahr, dass die Gruppen der Kommunistischen Linken heute die Einzigen sind, welche die klassischen Positionen der Arbeiterbewegung verteidigen. Doch es ist ebenfalls wahr, dass jede dieser Strömungen dies in einer radikal unterschiedlichen Art und Weise tut. Wir wollen auf die spezifischen Unterschiede, die jeder aufmerksame Betrachter leicht erkennen kann, hier nicht eingehen, doch wir wollen an dieser Stelle unterstreichen, dass diese Differenzen große Gräben zwischen den Kräften aufzeigen, die sich auf die Kommunistische Linke berufen (...)" (a.a.O.).

Wir haben zuvor gerade das Gegenteil aufgezeigt. Die Zitate zu Beginn dieses Artikels könnten unter den verschiedenen politischen Gruppen leicht ausgetauscht werden, ohne dass dadurch eine politische Verunstaltung entstehen würde, und als Ganzes bilden sie die grundlegenden politische Elemente für eine mögliche gemeinsame Stellungnahme, die für die Arbeiterklasse heute von großer Bedeutung wäre.    

Weshalb spricht das IBRP von "radikalen Differenzen", die jeglichen Versuch einer gemeinsamen Initiative fruchtlos machen würden? Weil das IBRP die Grundsatzpositionen (die defätistische Haltung gegenüber dem Krieg) und die politischen Analysen über die gegenwärtige Periode (die Gründe des Krieges in Serbien, das Kräfteverhältnis zwischen Bourgeoisie und Proletariat ...) auf dieselbe Ebene stellt. Wir unterschätzen die Wichtigkeit dieser aktuellen Divergenzen im proletarischen-politischen Milieu bezüglich der Analyse gewiss nicht. Wir werden in einem künftigen Artikel auf diese Fragen eingehen sowie auf unsere Kritik an der ökonomistischen Position, wie sie vor allem von Battaglia Comunista und Il Partito  verfochten wird. Heute müssen wir aber feststellen, dass das größte Problem in der Unterschätzung des IBRP und der anderen angeführten Gruppen über das Echo besteht, auf welches eine solche gemeinsame Stellungnahme stoßen könnte.

Nicht umsonst ist das IBRP durch die Verwerfung dieser Möglichkeit auf den Abweg geraten, die Bedeutung der Konferenzen von Zimmerwald und Kienthal gewaltig zu unterschätzen.

Die Bedeutung der Konferenzen von Zimmerwald und Kienthal                    

"Aus folgendem Grund hat die in Eurem Brief/Aufruf enthaltene Bezugnahme auf die Konferenzen von Zimmerwald keine Bedeutung in der heutigen historischen Situation. Zimmerwald und Kienthal waren keine Initiativen der Bolschewiki oder Lenins sondern der italienischen und schweizerischen Sozialisten, welche darin eine Mehrheit der "radikalen" Tendenzen innerhalb der Parteien der Zweiten Internationale zusammenführten. Lenin und die Bolschewiki nahmen daran Teil um den Bruch mit der Zweiten Internationale voranzutreiben, doch:

a) der Bruch fand damals nicht statt, denn Lenin befand sich in Wirklichkeit auf beiden Konferenzen in einer absoluten Minderheit;

b) war es nicht das Zimmerwalder Manifest, welches "klar die proletarische Perspektive gegenüber dem imperialistischen Krieg aufzeigte", sondern vielmehr die Motion Lenins, welche von der Konferenz verworfen wurde. Die Teilnahme der Bolschewiki an den Konferenzen von Zimmerwald und Kienthal als Modell für die gegenwärtige Situation darzustellen ist sinnlos." (Antwortbrief des IBRP auf unseren Aufruf)

In diesem Abschnitt beginnt das IBRP mit der Wiederholung von Tatsachen wie der, dass die Konferenzen eine Initiative der italienischen und schweizerischen Sozialisten und nicht der Bolschewiki war, dass Lenin daran mit der Absicht teilnahm, den Bruch mit der Zweiten Internationale voranzutreiben und Lenin, als Konsequenz davon, auf beiden Konferenzen schlussendlich in der Minderheit blieb. Und der Abschnitt endet damit, diejenigen zu verfluchen, welche diese "Konferenzen von Zimmerwald und Kienthal als Modell für die gegenwärtige Situation darstellen".

Das IBRP hat nicht verstanden, offenbar durch Unachtsamkeit bei der Lektüre unseres Aufrufes, was wir ebenfalls hervorgehoben haben: ”Mit diesem Vorschlag knüpfen wir an die Politik der Internationalisten, und im besonderen derjenigen Lenins, auf den Konferenzen von Zimmerwald und Kienthal 1915 und 1916 an. Eine Politik, die fähig war (...) die proletarische Perspektive gegen den imperialistischen Krieg hervorzuheben.” Das wirkliche Problem besteht darin, dass das IBRP selbst die Geschichte unserer Klasse zu ignorieren scheint. Während es wahr ist, dass die Bolschewiki, zur damaligen Zeit auf dem "linken Flügel der Arbeiterbewegung", immer versucht haben die Ergebnisse dieser Konferenzen so weit als möglich vorwärtszutreiben, so hatten sie nie die Absicht abseits zu stehen, da sie die Notwendigkeit erkannten, in einem Moment der besonders intensiven und entscheidenden politischen Klärung wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Kräfte zu sammeln. Lenin selbst leistete dazu eine wichtige Arbeit, indem er die sogenannte "Zimmerwalder Linke" animierte, den Schmelztiegel der politischen Kräfte, aus denen die Dritte Internationale geschmiedet wurde. Und noch einmal zur Tatsache, dass "Zimmerwald und Kienthal keine Initiative der Bolschewiki war", hier die Gedanken der revolutionären Zimmerwalder Linken:

”Das von der Konferenz angenommene Manifest stellt uns nicht ganz zufrieden. Es enthält keine Charakteristik weder des offenen noch des unter radikalen Phrasen versteckten Opportunismus - des Opportunismus, der an dem Zusammenbruch der Internationale nicht nur die Hauptschuld trägt, sondern diesen Zusammenbruch auch noch verewigen will. Das Manifest enthält keine klare Charakteristik der Mittel für den Kampf gegen den Krieg. (...)

Wir stimmen für das Manifest, weil wir es als einen Kampfaufruf betrachten, und in diesem Kampf wollen wir mit der übrigen Internationale Hand in Hand gehen. (...)”

(Erklärung der Zimmerwalder Linken auf der Konferenz von Zimmerwald. Unterschrieben von Lenin, Sinowjew, Radek, Nerman, Höglund und Winter. Aus: Jules Humbert-Droz, ”Der Krieg und die Internationale”, Europa Verlag 1964, S. 148-149)

Und hier die Worte Sinowjews nach der Kienthaler Konferenz:

”Wir, die Zimmerwalder haben jetzt den Vorzug, dass wir uns schon international zusammengefunden haben, während die Sozialpatrioten es noch nicht können. Diesen Vorzug sollen wir ausnützen, um den Kampf gegen den Sozialpatriotismus zu organisieren (...).   

Im ganzen ist die Resolution ein Schritt vorwärts. Wer diese Resolution mit dem Projekt der Zimmerwalder Linken im September 1915 und mit den Schriften der deutschen, holländischen, polnischen und russischen Linksradikalen vergleichen wird, der wird zugestehen müssen, dass unsere Ideen in den Grundzügen jetzt von der Konferenz angenommen sind. (...)

Alles in allem war die zweite Zimmerwalder Konferenz zweifellos ein Schritt vorwärts. Das Leben wirkt in unserem Sinne. (...)

Die zweite Zimmerwalder Konferenz wird politisch und historisch noch ein Schritt vorwärts auf dem Weg zur Dritten Internationale sein. (Sinowjew, ebenda, S. 215-217)  

                              

Zusammengefasst waren Zimmerwald und Kienthal zwei entscheidende Etappen im Kampf der Revolutionäre zur Zusammenführung der revolutionären Kräfte und ihrer Trennung von den sozialpatriotischen Verrätern im Hinblick auf die Gründung der Dritten Internationale. Die Bolschewiki und Lenin verstanden die Bedeutung des Manifestes von Zimmerwald für die isolierten und in den Schützengräben verstreuten Arbeiter: Es zeigte den Weg aus der Hölle auf. Dies versteht das IBRP leider nicht. Es gibt Momente in der Geschichte, in denen ein Voranschreiten der Revolutionäre wichtiger ist als tausend noch so klare politische Programme, muss man in Anlehnung an Marxens Worte sagen.

Was bleibt?

Bezüglich des IBRP gibt es noch etwas wichtiges anzufügen: Diese Organisation hat noch vor einigen Monaten und im Verlauf der letzten Jahre mit uns eine Reihe von gemeinsamen Initiativen unternommen. Hier die wichtigsten:

- Die koordinierte Teilnahme, und zum Teil gemeinsame Interventionen im Namen beider Organisationen, auf der zweiten Konferenz über das politische Erbe Trotzkis, welche in Moskau vom dortigen trotzkistischen oder halb-trotzkistischen Milieu organisiert wurde.

- Eine gemeinsame öffentliche Veranstaltung in London über die Russische Revolution mit einer gemeinsamen Einführung im Namen beider Gruppen, einem gemeinsamen Präsidium und einem Artikel, der über diese Veranstaltung Bilanz zog und von beiden Gruppen geschrieben und in der jeweiligen englischsprachigen Presse (Workers Voice und World Revolution) veröffentlicht wurde.

- Eine koordinierte Intervention zwischen den zwei Gruppen in einer Konfrontation mit parasitären Gruppen in Großbritannien.

Doch nun weist das IBRP jede Initiative dieser Art zurück. Als wir die Genossen von Battaglia Comunista darum anfragten, antworteten sie uns, dass es möglich war zur Russischen Revolution zusammenzuarbeiten, da ”die Lehren darüber schon vor langer Zeit gezogen wurden”. Es scheint sich hier um eine gefestigte Analyse über Ereignisse der Vergangenheit zu handeln, während der Krieg ein anderes Problem, ein Problem der heutigen Zeit sei, das Auswirkungen auf die Perspektive habe. Auch wenn wir die Tatsache beiseite lassen, dass die öffentliche Diskussionsveranstaltung zur Russischen Revolution sowie auch die Intervention auf den Konferenzen in Russland sich nicht auf die Vergangenheit beschränkten, sondern Bezug zur Aktualität und Zukunft der Arbeiterbewegung hatten, so ist es kurios, wenn die Diskussion über den Oktober 1917 als ein Element der politischen Archäologie statt als ein Instrument zur Schärfung der Intervention in der Arbeiterklasse von heute dargestellt wird. Noch einmal zusammengefasst: Die Argumente des IBRP sind nicht nur ungültig, sondern falsch.

Dieser Schwenker des IBRP ist aus der Nähe betrachtet kein großes Rätsel. Es stimmt mit dem überein, was die Genossen in den Schlussfolgerungen ihrer ”Resolution über die internationale Arbeit” des 6. Kongresses von Battaglia Comunista, der vom gesamten Büro angenommen wurde, schrieben und in der Antwort auf unseren Aufruf erwähnt ist:

”Es ist jetzt ein anerkanntes Prinzip unserer politischen Führungslinie, dass, außer unter sehr außergewöhnlichen Umständen, alle neuen internationalen Konferenzen  und Treffen, die vom Büro und seinen Organisationen abgehalten werden, sich vollständig in eine Richtung zur Festigung, Stärkung und Ausweitung der revolutionären Tendenzen des Weltproletariates einfügen müssen. Das Internationale Büro für die Revolutionäre Partei und die dazugehörigen Organisationen folgen diesem Prinzip. (...) Und es ist in diesem Rahmen und aufgrund aller anderen Dokumente des Büros klar, das wir mit ”revolutionären Tendenzen des Weltproletariates” all diejenigen Kräfte meinen, welche die internationale Partei des Proletariates aufbauen wollen. Und - wegen der gegenwärtigen politischen Methoden Eurer und der anderen Organisationen - denken wir nicht, dass Ihr ein Teil davon sein könnt.”

Hinter diesen Zeilen, lässt man den ersten Teil, mit dem wir einverstanden sind, beiseite (”alle neuen internationalen Konferenzen  und Treffen (...) sich vollständig in eine Richtung zur Festigung, Stärkung und Ausweitung der revolutionären Tendenzen des Weltproletariates einfügen müssen”), versteckt sich die Idee, dass das Büro heute die einzige glaubwürdige Organisation innerhalb der Kommunistischen Linken sei (wir wundern uns woher eine solche in der Arbeiterbewegung neuartige Behauptung wohl herkommt. Vielleicht hat das IBRP, dem Papste gleich, ein Abkommen mit dem Himmel abgeschlossen). Dies alles weil die IKS ”idealistisch” und die Bordigisten ”sklerotisch” seien: ”(...) wegen der gegenwärtigen politischen Methoden Eurer und der anderen Organisationen - denken wir nicht, dass Ihr ein Teil davon sein könnt”,- der ”internationalen Partei des Proletariates”. Somit scheint es also besser, mit Rücksicht auf seine Schwesterorganisationen dem eigenen Weg zu folgen und keine Zeit für Konferenzen oder gemeinsame Initiativen zu verschwenden, die so oder so nur sterile Resultate erzielten.

Dies ist die einzige klare Position des IBRP zu der ganzen Frage, doch sie ist absolut nicht gradlinig oder zumindest auf trügerischen  Argumenten aufgebaut.

Wir werden auf diese Frage zurückkommen. Was uns betrifft, sind wir sicher, dass die Partei durch die Konfrontation und die politische Klärung entstehen wird, die sich unter den bestehenden revolutionären Organisationen abspielen muss.

Ezechiele, 31. Mai 1999        

                                            



1 [129] In unseren jeweiligen territorialen Presseorganen vom April, Mai und Juni 1999 ist die Denunzierung dieser angeblich revolutionären Gruppierungen, die in verschiedenen Ländern auftreten, nachzulesen.

 

[i] [129] Internationales Büro für die revolutionäre Partei (Partito Comunista Internazionalista, welche Battaglia Comunista in Italien publiziert und die Communist Workers Organisation, welche Revolutionary Perspectives in Großbritannien publiziert); Partito Comunista Internazionale (welche Il Comunista in Italien und Le Prolétaire in Frankreich publiziert); Partito Comunista Internazionale (welche Il Partito Comunista herausgibt); Partito Comunista Internazionale (welche Il Programma Comunista in Italien, Cahiers Internationalistes in Frankreich und Internationalist Papers in Großbritannien veröffentlicht)

Theoretische Fragen: 

  • Internationalismus [130]

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