Deutsche Revolution, Teil III

Printer-friendly version

Der verfrühte Aufstand

In diesem 3. Teil[i] wollen wir eine der schwierigsten Fragen des Arbeiterkampfes aufgreifen: die Bedingungen und der Zeitpunkt des Aufstands. Auch wenn die Erfahrung in Deutschland negativ ausging, liefert sie dennoch eine Reihe von wertvollen  Lehren für die zukünftigen revolutionären Kämpfe.

Im November 1918 hatte die Arbeiterklasse durch ihre Erhebung die Bourgeoisie in Deutschland gezwungen, den Krieg zu beenden. Um eine weitere Radikalisierung der Arbeiterklasse, um eine Wiederholung der Ereignisse in Rußland zu verhindern, hatte die Kapitalistenklasse die SPD[ii] als Speerspitze gegen die Arbeiterklasse in die Schlacht geschickt. Mit ausgefuchster politischer Sabotage versuchte die SPD mit Hilfe der Gewerkschaften, die Schlagkraft der Arbeiterräte zu untergraben.

Aber die herrschende Klasse setzte von Anfang an auch auf die Notwendigkeit einer militärischen Niederschlagung der Bewegung.

In Anbetracht  der explosiven Entwicklung, als es überall zu Meutereien der Soldaten und deren Überlaufen auf die Seite der aufständischen Arbeiter kam, war es für die Bourgeoisie nicht möglich, unmittelbar an Repression  zu denken. Die Bourgeoisie mußte zuerst politisch gegen die Arbeiterklasse vorgehen, um dann militärisch einen Sieg zu erringen. Welche politische Sabotage sie betrieb, haben wir in der letzten Internationalen Revue Nr. 18 näher hervorgehoben. Wir wollen uns hier mit der Aufstandsfrage befassen.

 * * *

Die Vorbereitungen für ein militärisches Vorgehen wurden jedoch vom ersten Tag an getroffen. Nicht die ‘rechten’ Parteien leiteten diese militärische Repression in den Weg, sondern die SPD, die sich noch als die ‘große Partei des Proletariats’ darstellte, und dies in engster Absprache mit den Militärs. Es waren die vielgepriesenen Demokraten, die als letztes Bollwerk zur Verteidigung des Kapitalismus auftraten. Sie sollten sich als der wirksamste Schutzwall des Kapitals herausstellen. Die SPD fing an, systematisch Freikorps aufzubauen, da reguläre Truppenteile unter dem ‘Infekt der Arbeiterkämpfe’ immer mehr der bürgerlichen Regierung die Gefolgschaft versagten. Freiwilligenverbände, die mit Sonderprämien geheuert wurden, sollten als militärische Handlanger dienen.

Die militärischen Provokationen vom 6. und 24. Dezember

Gerade ein Monat nach dem Beginn der Kämpfe gab die SPD in Absprache mit dem Militär Order, daß Soldaten am 6. Dezember in die Räume der Redaktion der „Roten Fahne“ eindringen. K. Liebknecht und Rosa Luxemburg sowie andere Spartakisten aber auch Mitglieder des Vollzugsrats sollten verhaftet werden. Gleichzeitig attackierten regierungstreue Truppen demonstrierende entlassene und desertierte Soldaten, 14 Demonstranten wurden getötet. Als Reaktion traten am 7. Dezember mehrere Betriebe in Streik, es wurden überall Vollversammlungen  in den Betrieben abgehalten. Am 8. Dezember gab es zum ersten Mal eine bewaffnete Demonstration von Arbeitern und Soldaten mit mehr als 150’000 Teilnehmern. In Städten des Ruhrgebietes wie Mülheim verhafteten Arbeiter und Soldaten Industrielle.

Aber gegenüber dieser militärischen Provokation riefen die Revolutionäre nicht zum Aufstand auf, sondern drängten auf eine massive Mobilisierung der Arbeiter. Die Spartakisten schätzten das Kräfteverhältnis so ein, daß die Bedingungen für den Sturz der bürgerlichen Regierung noch nicht vorhanden waren, daß die Arbeiterklasse dazu noch nicht ausreichend Kraft entwickelt hatte.[iii]

Der Reichsrätekongresses Mitte Dezember 1918 (16. - 21. Dezember)  verdeutlichte dies; die Bourgeoisie hatte sofort gemerkt, daß sie einen Punktesieg errungen hatte. Auf dem Reichsrätekongreß hatten die Delegierten unter dem Einfluß der SPD beschlossen, ihre Entscheidungen einer zu wählenden Nationalversammlung zu unterwerfen. Gleichzeitig wurde ein ‘Zentralrat’ gewählt, der ausschließlich aus SPD-Mitgliedern bestand und vorgab, im Namen der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands sprechen zu können. Nach diesem Kongreß spürte die Bourgeoisie, daß sie die politische Schwächung der Arbeiterklasse unmittelbar auch militärisch ausnutzen konnte. Am 24. Dezember zettelte sie die nächste militärische Provokation an. Freikorps und regierungstreue Truppen griffen revolutionäre Matrosen an. 11 Matrosen und mehrere Soldaten starben. Wieder große Empörung  unter den Arbeitern. Arbeiter der Daimler-Motoren-Gesellschaft und vieler Berliner Betriebe forderten die Bildung einer Roten Garde. Auch hier wieder machtvolle Demonstrationen am 25. Dezember zur Abwehr dieses Angriffes. Die Regierung mußte einen Rückzieher machen. Nach soviel Diskreditierung mußte auch die USPD[iv],  die bis dahin noch mit der SPD im Rat der Volksbeauftragten gesessen hatte, am 29. Dezember  aus der Regierung austreten.

Die Bourgeoisie gab jedoch nicht nach. Sie  strebte weiter danach, das immer noch bewaffnete Proletariat in Berlin zu entwaffnen und einen entscheidenden Schlag gegen die Arbeiterklasse  in Berlin zu führen.

Die SPD stachelte zum Mord an den Kommunisten an 

Um die Bevölkerung gegen die Arbeiterklasse anzuheizen, machte sich die SPD zum Sprachrohr einer gewaltigen Meuchelmordkampagne gegen die Arbeiterklasse und gegen die Spartakisten insbesondere:

„Wollt ihr Frieden? Dann sorgt Mann für Mann dafür, daß die Gewaltherrschaft der Spartakus-Leute ein Ende nimmt! Wollt ihr Freiheit? Dann macht die bewaffneten Tagediebe Liebknechts unschädlich! Wollt ihr hungern? Dann hört auf Liebknecht! Wollt ihr Sklaven der Entente werden? Liebknecht vermittelt es! Nieder mit der Diktatur der Anarchisten des Spartakus! Der rohen Gewalt dieser Verbrecherbande kann nur mit Gewalt begegnet werden!“ (Flugblatt des Bürgerrates von Groß-Berlin vom 29.12.1918) „Das schändliche Treiben Liebknechts und Rosa Luxemburgs beschmutzt die Revolution und gefährdet alle Errungenschaften. Keine Minute länger dürfen die Massen ruhig zusehen, wie diese Gewalttäter und ihr Anhang die Tätigkeit der republikanischen Behörden lahmlegen.... Mit Lüge, Verleumdung und Gewalt wollen sie alles niederreißen und niederschlagen, was sich ihnen entgegenzustellen wagt (...) Wir haben die Revolution gemacht, um den Krieg zu beenden! Spartakus will eine neue Revolution, um einen neuen Krieg anzufangen.“ (SPD-Flugblatt Januar 1919)

Die Spartakisten waren Ende Dezember aus der USPD ausgetreten und hatten sich am 31.12./1.1. mit den Genossen der IKD[v] zur KPD zusammengeschlossen. Damit hatte die Arbeiterklasse eine inmitten der Kämpfe geborene Kommunistische Partei an ihrer Seite, die sofort zur Zielscheibe der Angriffe der SPD, des Hauptverteidigers des Kapitals, wurde.

Die KPD erkannte, daß die Aktivität der breitesten Arbeitermassen erforderlich war, um dieser Taktik des Kapitals gegenüberzutreten. „Nach der ersten Phase der Revolution, der des vorwiegend politischen Kampfes, kommt eine Phase des verstärkten, gesteigerten, in der Hauptsache ökonomischen Kampfes“ (Luxemburg auf dem Gründungsparteitag der KPD). Die SPD-Regierung wird mit den „emporlodernden Flammen des ökonomischen Klassenkampfes nicht fertig werden“ (ebenda). Deshalb sollte das Kapital mit der SPD an seiner Spitze versuchen, eine weitere Verschärfung der Kämpfe dadurch zu verhindern, indem militärische Aufstände der Arbeiter angezettelt werden sollten. Durch eine frühzeitige Schwächung der Arbeiter in einer militärischen Niederschlagung - insbesondere in Berlin - sollte so schnell ein Zentrum  der Arbeiterklasse getroffen werden, um dann schrittweise gegen den Rest der Klasse vorzugehen.

Die Falle des verfrühten Aufstands in Berlin

Ende Dezember hatte die Bourgeoisie die in Berlin stationierten Truppen neu organisiert. Mehr als 10’000 Mann starke Stoßtruppen standen ihr jetzt um Berlin zur Verfügung. Insgesamt hatte sie über 80’000 Soldaten um Berlin zusammengezogen. Anfang Januar wollte die Bourgeoisie erneut gegen die Arbeiter militärisch losschlagen. Am 4. Januar wurde der Polizeipräsident von Berlin, der im November von den Arbeitern ernannt worden war, Eichhorn, von der bürgerlichen Regierung entlassen. Dies sollte  sofort als Herausforderung der revolutionären Arbeiterschaft empfunden werden. Am Abend des 4. Januar versammelten sich die revolutionären Obleute[vi] zu einer Sitzung, an der auch Liebknecht und Pieck im Namen der frisch gegründeten KPD teilnahmen. Es wurde ein ‘provisorischer Revolutions-Ausschuß’ gegründet, der sich auf den Kreis der Obleute stützte. Gleichzeitig gab es weiterhin den ‘Vollzugsrat’, der in der Zwischenzeit um einen ‘Zentralrat’ ergänzt worden war, und die beide unter der Vorherrschaft der SPD standen.

 Für Sonntag, den 5. Januar, rief der revolutionäre Aktionsausschuß zu einer Protestkundgebung auf. Ca. 150’000 Menschen versammelten sich nach einer Demonstration vor dem  Polizeipräsidium. Am Abend des 5. Januar besetzten einige Demonstranten - vermutlich aufgewiegelt durch Provokateure, jedenfalls ohne das Wissen und die Zustimmung des Aktionsausschusses  - die Gebäude der SPD-Zeitung Vorwärts und  anderer Verlage.

Aber die Bedingungen für einen Sturz der Regierung waren nicht vorhanden. So schrieb die KPD Anfang Januar 1919 in einem Flugblatt: „Würden die Berliner Arbeiter heute die Nationalversammlung auseinanderjagen, würden sie die Scheidemann-Ebert ins Gefängnis werfen, während die Arbeiter des Ruhrgebietes, Oberschlesiens, die Landarbeiter Ostelbiens ruhig bleiben, so würden die Kapitalisten morgen Berlin durch Aushungerung unterwerfen können. Der Angriff der Arbeiterklasse auf das Bürgertum, der Kampf um die Macht der Arbeiter- und Soldatenräte müssen das Werk des gesamten arbeitenden Volkes im ganzen Reiche werden. Nur wenn der Kampf der Arbeiter in Stadt und Land überall jeden Tag sich verschärft, zunimmt, wenn er zum reißenden Strome wird, der ganz Deutschland durchbraust, die Welle der Ausbeutung und Unterdrückung hinwegschwemmt, nur dann wird die Regierung des Kapitalismus, wird die Nationalversammlung gesprengt und auf ihren Ruinen die Regierung der Arbeiterklasse errichtet werden, die im weiteren Kampf gegen die Bourgeoisie das Proletariat zum vollen Siege führen wird. Deswegen darf unser Kampf gegen die Nationalversammlung weder in passiver Abstinenz, in einfacher Stimmenthaltung, noch in bloßer Störung der Wahlen, noch in dem bloßen Versuch der Auseinanderjagung der Nationalversammlung bestehen, es gilt, in diesem Kampfe Machtpositionen zu erobern. ... Arbeiter und Arbeiterinnen, Soldaten und Matrosen! Ruft überall Versammlungen ein und klärt die Volksmassen über den Schwindel der Nationalversammlung auf... In jeder Werkstatt, in jedem Truppenteil. seht Euch in jeder Stadt Euren Arbeiter- und Soldatenrat an, prüft, ob er wirklich gewählt worden ist, ob in ihm Vertreter des kapitalistischen Systems, Verräter der Arbeiterklasse, wie die Scheidemänner, oder haltlos hin- und herschwankende Gestalten, wie die Unabhängigen, sitzen. Dann klärt die Arbeiter auf, und setzt die Wahl von Kommunisten durch... Wo ihr die Mehrheit in den Arbeiterräten habt, da sorgt, daß diese Arbeiterräte mit ebensolchen Arbeiterräten in der Provinz in Verbindung treten... ..  Verschleißt euch nicht in Euren Versammlungssälen, geht hinaus... klärt die anderen Arbeiter auf...

Wenn dieses Programm verwirklicht wird... wird Deutschland als Räterepublik zusammen mit der Räterepublik der russischen Arbeiter die Arbeiter Englands, Frankreichs, Italiens unter die Fahne der Revolution ziehen.“ (aus einem Flugblatt  der KPD, Anfang Januar 1919 verteilt). Aus dieser Einschätzung geht hervor, daß sich die KPD darüber im klaren war, daß der Umsturz der Kapitalistenklasse noch nicht unmittelbar möglich war. Der Aufstand stand noch nicht auf der Tagesordnung.

Nach der riesigen Massendemonstration vom 5. Januar gab es am gleichen Abend erneut eine Sitzung der Obleute mit Beteiligung von Delegierten der USPD; KPD,  und Vertretern der Garnisonstruppen. Unter dem Eindruck der machtvollen Demonstration versuchte man die Stimmung auszuloten. Von einer kampfbereiten Stimmung wurde bei den Truppen berichtet. Die  Anwesenden wählten einen Aktionsausschuß aus 33 Mitgliedern, an dessen Spitze als Vorsitzender Ledebour (USPD), Scholze für die revolutionären Obleute, und Liebknecht für die KPD traten. Für den darauffolgenden 6. Januar beschloß man den Generalstreik und eine erneute Demonstration.

Der Aktionsausschuß verteilte ein Flugblatt mit der Parole: ‘Auf zum Kampf um die Macht des revolutionären Proletariats’, Nieder mit der Regierung Ebert-Scheidemann’.

Soldaten kamen und erklärten dem Aktionsausschuß ihre Solidarität. Eine Soldatendelegation versicherte, sie werde sich auf die Seite der revolutionären Arbeiterschaft stellen, wenn man die vorhandene Ebert-Scheidemann-Regierung für abgesetzt erkläre. Liebknecht für die KPD und Scholz für die revolutionären Obleute unterschrieben daraufhin ein Dekret, die Regierung sei abgesetzt, der Revolutionsausschuß habe die Regierungsgeschäfte übernommen. Am 6. Januar demonstrierten - ca. 500.000 auf der Straße, in allen Stadtteilen fanden Demonstrationen und Versammlungen statt, die Arbeiter der Großbetriebe forderten Waffen. Die KPD forderte die Bewaffnung der Arbeiter und die Entwaffnung der Konterrevolutionäre.

Während jedoch diese Parole „Nieder mit der Regierung“ vom Aktionsausschuß ausgegeben worden war, unternahm der Ausschuß selber keine ernsthaften Versuche, um diese Ausrichtung umzusetzen. In den Betrieben wurden keine Kampftruppen aufgestellt, es wurde nicht versucht, die Staatsgeschäfte in  die Hand zu nehmen, die alte Regierung zu lähmen. Der Aktionsausschuß besaß nicht nur keinen Aktionsplan, er wurde gar am 6. Januar von Marinesoldaten aufgefordert, ein Gebäude, wo er tagte, zu verlassen - was er tat!

Die demonstrierenden Arbeitermassen warteten in den Straßen auf Anweisungen, während die Führer ratlos tagten. Während die Führung des Proletariats wankte und schwankte, abwartete, zögerte, selbst keinen Plan hatte, erholte sich die SPD-geführte Regierung schnell vom Schock des ersten Widerstands der Arbeiterklasse. Sobald sich die Schwäche der Revolutionäre und der Mangel an Führung offenbarte, straffte sich auf der Gegenseite die Entschlossenheit und von allen Seiten wuchsen ihr jetzt Hilfskräfte zu. Die SPD rief zu Streiks und  Demos zur Unterstützung der Regierung auf. Es war die Partei der ‘Demokratie’, die die gewaltigste Hetze gegen die Kommunisten startete: „Wo Spartakus herrscht, ist jede persönliche Freiheit und Sicherheit aufgehoben. Dem deutschen Volke und insbesondere der deutschen Arbeiterschaft drohen die schlimmsten Gefahren. Wir wollen uns nicht länger von Irrsinnigen und Verbrechern terrorisieren lassen. Es muß endlich Ordnung in Berlin geschaffen und der ruhige Aufbau des neuen revolutionären Deutschland gesichert werden. Wir fordern euch auf, zum Protest gegen die Gewalttaten der Spartakusbanden die Arbeit einzustellen und sofort vor dem Haus der Reichsregierung zu erscheinen.

Arbeiter, Soldaten, Genossen!... Ihr müßt jetzt bereit sein, Euch mit Eurer ganzen Person für die revolutionäre Ordnung einzusetzen. Zu diesem Zweck fordern wir Euch auf, eine freiwillige republikanische Schutzwehr zu bilden. Bringt Eure Partei- und gewerkschaftliche Legitimation mit. Nähere Anweisungen werden Euch gegeben. Wir dürfen nicht eher ruhen, als bis die Ordnung in Berlin wieder hergestellt und dem ganzen Volke der Genuß der revolutionären Errungenschaften gesichert ist. Nieder mit den Mördern und Verbrechern. Hoch die sozialistische Republik - Vorstand der SPD, 6. Januar 1919.“ Die Arbeitsstelle Berliner Studenten schrieb: „Ihr bürgerlichen kommt heraus aus Euren Häusern und stellt Euch Schulter an Schulter mit den Mehrheitssozialisten! Höchste Eile tut not!“ (Flugblatt vom 7./8. Januar). „Die Reichsregierung hat mir die Führung der republikanischen Soldaten übertragen. Ein Arbeiter steht also an der Spitze der Macht der sozialistischen Republik. Ihr kennt mich und meine Vergangenheit in der Partei. Ich bürge Euch dafür, daß kein unnützes Blut vergossen wird. Ich will säubern, nicht vernichten. Die Einigkeit der Arbeiterklasse muß gegen Spartakus stehen, wenn Demokratie und Sozialismus nicht untergehen sollen.“ (Noske 11. Januar 1919). Der Zentralrat, der vom Reichskongreß „ernannt“ worden war und vor allem von der SPD beherrscht wurde, erklärte: „..eine kleine Minderheit ist bestrebt, eine brutale Gewaltherrschaft zu errichten. Das verbrecherische, alle Errungenschaften der Revolution gefährdende Treiben bewaffneter Banden hat uns genötigt, der Reichsleitung (Reichsregierung) außerordentliche Vollmachten zu erteilen, damit in Berlin endlich einmal die Ordnung ...wiederhergestellt werden kann. Alle Meinungsverschiedenheiten im einzelnen müssen jetzt zurückgestellt werden hinter dem Ziel... das ganze werktätige Volk vor neuem furchtbaren Unglück zu bewahren. Es ist die Pflicht aller Arbeiter- und Soldatenräte, uns und die Reichsleitung (die Regierung) dabei mit allen Mitteln zu unterstützen... - Der Zentralrat der deutschen sozialistischen Republik“ (Extrablatt Vorwärts, 6. Januar 1919). Im Namen der Revolution und der Interessen der Arbeiterklasse trat die SPD (mit ihren Komplizen) nun auf und bereitete sich darauf vor, die Revolutionäre zu massakrieren. Mit der spitzfindigsten Doppelzüngigkeit rief sie die Arbeiterräte dazu auf, sich hinter die Regierung zu stellen, um nun gegen die ‘bewaffneten Banden’ vorzugehen. Die SPD selbst stellte eine militärische Abteilung auf, die in Kasernen Waffen erhielt, und man ernannte Noske zum Chef der Repressionstruppen.  „Einer muß der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht“.

Schon am 6. Januar kam es  zu vereinzelten Gefechten, während die Regierung um Berlin immer mehr Truppen zusammenzog, tagte am Abend des 6. Januar der Berliner Vollzugsrat. Der Berliner Vollzugsrat, von SPD und USPD beherrscht,  schlug dem revolutionären Aktionsausschuß Verhandlungen zwischen den revolutionären Obleuten und der SPD-Regierung vor, zu deren Sturz der Aktionsausschuß  gerade erst aufgerufen hatte. D.h. anstatt an der Spitze der Bewegung gegen die Regierung zu stehen, setzte sich der Vollzugsrat zwischen zwei Stühle. Der Vollzugsrat wollte als ‘versöhnende Kraft’ auftreten, indem das Unversöhnliche versöhnt wurde. Dieser Schritt des Vollzugsrates brachte die bis dahin abwartenden und zögernden Soldaten ganz ins Schwanken. Die Matrosen erklärten, sie wollten sich nunmehr ‘neutral’ verhalten.  Jedes Schwanken kann schnell zu einem Vertrauensverlust in die Fähigkeit der Arbeiterklasse selbst, vor allem aber zu Mißtrauen gegenüber den politischen Organisationen der Arbeiterklasse führen. Die SPD schaffte es so, die Arbeiterklasse zutiefst zu schwächen. Gleichzeitig setzte sie Provokateure ein (wie sich später herausstellte), die die Arbeiter zu Zusammenstößen trieb. So wurden am 7. Januar verschiedene Zeitungsredaktionen besetzt.

Die Leitung der KPD hatte gegenüber den Unternehmungen in Berlin und dem von den revolutionäre Obleuten gefaßten Beschluß auf Eroberung der politischen Gewalt eine klare Position: Ausgehend von der Einschätzung der Lage auf dem Gründungsparteitag der KPD, hielt die KPD den Zeitpunkt für einen Aufstand für verfrüht.

Am 8. Januar schrieb die ‘Rote Fahne’: „Heute gilt es also, die Arbeiter- und Soldatenräte neu zu wählen, den Vollzugsrat neu zu besetzen unter der Losung: Hinaus mit den Ebert und Anhängern! Heute gilt es, die Erfahrungen der letzten 8 Wochen in den A- und S-Räten zum Ausdruck zu bringen, solche A- und S-Räte zu wählen, die der Auffassung, den Zielen und Bestrebungen der Massen entsprechen. Es gilt mit einem Wort, die Ebert-Scheidemann vor allem in den Fundamenten der Revolution, in den A- und S-Räten zu schlagen. Dann, aber erst dann werden die Berliner Massen und ebenso die Massen im ganze Reiche in den A- und S-Räten revolutionäre Organe haben, die ihnen in allen entscheidenden Momenten wirkliche Führer, wirkliche Zentren der Aktion, der Kämpfe und Siege abgeben werden“ (Rote Fahne, 8. Januar). Die Spartakisten drängten somit die Arbeiterklasse zu einer Intensivierung des Druckes vor allem in den Arbeiterräten, indem die Kämpfe auf ihrem eigenen Boden in den Fabriken geführt werden sollten und indem Ebert, Scheidemann & Co. davongejagt werden. Indem der Druck in den Räten erhöht würde, könnte die Bewegung einen neuen Anschub erhalten, um die Schlacht um die Machtergreifung anzutreten.

Am 8. Januar übten Rosa Luxemburg und Leo Jogiches scharfe Kritik am Aufruf zum unmittelbaren Sturz der Regierung, der vom Revolutionsausschuß aufgestellt wurde, aber auch und vor allem daran, daß dieser wegen seiner zögernden und kapitulantenhaften Haltung unfähig war, die Bewegung der Klasse zu leiten. Insbesondere warfen sie K. Liebknecht vor, auf eigene Faust zu handeln, sich durch seinen Enthusiasmus und seine Ungeduld hinreißen zu lassen, anstatt sich an die Beschlüsse der Partei zu halten und sich auf das Programm und die Einschätzung der Partei zu stützen und daran zu halten.

Diese Situation zeigte, daß es weder an einem  Programm noch an politischen Analysen der Lage mangelte, sondern an der Fähigkeit der Partei, als Organisation ihre politische Führungsrolle der Arbeiterklasse zu übernehmen. Die erst wenige Tage alte KPD hatte nicht den Einfluß und noch weniger die Solidität und den organisatorischen Zusammenhalt, den insbesondere die Bolschewistische Partei 1917 in Rußland hatte. Diese Unreife der KPD war der Grund für die Zerstreuung in ihren Reihen, die später eine schwere und dramatische Bürde darstellen sollte.

In der Nacht vom 8. auf den 9. Januar überfielen Regierungstruppen  Arbeiter. Der Aktionsausschuß, der das Kräfteverhältnis noch immer nicht richtig einschätzte, drängte auf ein Losschlagen gegen die Regierung, obwohl diese selbst im Aufwind war: „Auf zum Generalstreik, auf zu den Waffen... Es gibt keine Wahl! Es muß gekämpft werden bis aufs Letzte“. Dem Aufruf folgten viele Arbeiter, warteten jedoch erneut vergeblich auf präzise  Anweisungen des Ausschusses, was konkret zu tun sei. Nichts geschah, um die Massen zu organisieren, die Verbrüderung der revolutionären Arbeiter mit den Truppen herbeizuführen... Die Regierungstruppen marschierten unterdessen in Berlin ein und lieferten den bewaffneten Arbeitern tagelang heftige Straßenkämpfe. Bei immer wieder aufflammenden Zusammenstößen in verschiedenen Stadtteilen Berlins wurden unzählige Arbeiter erschossen und verletzt. Die Kämpfe dauerten nahezu eine Woche. Am 13. Januar wurde von der USPD-Führung der Generalstreik als beendet erklärt. Am 15. Januar wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von den Schergen des sozialdemokratisch geführten Regimes ermordet! Die Kampagne ‘Tötet Liebknecht’ war ‘erfolgreich’ abgeschlossen. Die KPD war ihrer besten Führer beraubt!

Während die frisch gegründete KPD das Kräfteverhältnis für richtig eingeschätzt hatte und vor einem Aufstand gewarnt hatte, hatte der von den revolutionären Obleuten dominierte Aktionsausschuß die Lage falsch eingeschätzt. Es ist deshalb eine Geschichtsverfälschung von einer sog. ‘Spartakuswoche’ zu reden. Die Spartakisten hatten sich gegen überstürzte Schritte ausgesprochen. Der Bruch der Parteidisziplin durch Liebknecht und Pieck darf nicht das Bild entstehen lassen, der Spartakusbund hätte diese Kämpfe angezettelt. Es war das überstürzte, vor Ungeduld brennende und letztendlich kopflose Verhalten der revolutionären Obleute, die für das Fiasko verantwortlich sind. Die KPD besaß zu dem Zeitpunkt nicht die Kraft, die Bewegung zurückzuhalten - so wie es im Juli 1917 die Bolschewiki geschafft hatten. Der spätere Polizeichef gab dies zu: „Ein Erfolg der Spartakusleute war von vornherein ausgeschlossen, da wir sie durch unsere Vorbereitungen zum früheren Zuschlagen genötigt haben. Ihre Karten wurden früher aufgedeckt, als sie es wünschten, und wir waren daher in der Lage, ihnen entgegenzutreten“ (Polizeipräsident Ernst (SPD), der den alten abgelöst hatte). Die Bourgeoisie verspürte jedoch sofort, daß nach ihrem militärischen Erfolg sie diesen weiter ausbauen mußte. In einer Welle blutiger Repression wurden tausende Berliner Arbeiter, Kommunisten ermordet, mißhandelt und gefangengenommen. Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht war keine Ausnahme, sondern die wilde Entschlossenheit der Bourgeoisie, ihre Todfeinde, die Revolutionäre, auszulöschen. Am 19. Januar triumphierte dann die Demokratie - die Wahlen zur Nationalversammlung fanden statt. Die Regierung hatte unter dem Druck der Arbeiterkämpfe ihren Sitz nach Weimar verlegt. Die deutsche Demokratie, die Weimarer Republik, wurde nach und erst dank dem Massaker an der Arbeiterklasse geboren.Der Aufstand - nur eine Frage der Partei? Hinsichtlich der Frage des Aufstands stützte sich  die KPD klar auf die Positionen des Marxismus und insbesondere auf die Aussagen von F. Engels nach der Erfahrung von 1848:Nun ist der Aufstand eine Kunst. Der Aufstand ist eine Rechnung mit höchst unbestimmten Größen, deren Wert sich jeden Tag ändern können; die Kräfte des Gegners haben alle Vorteile der Organisation, der Disziplin und der hergebrachten Autorität auf ihrer Seite; kann man ihnen nicht mit starker Überlegenheit entgegentreten, so ist man geschlagen und vernichtet. Zweitens, hat man einmal den Weg des Aufstands beschritten, so handle man mit der größten Entschlossenheit und ergreife die Offensive. Die Defensive ist der Tod jedes bewaffneten Aufstands; er ist verloren, noch bevor er sich mit dem Feinde gemessen hat. Überrasche deinen Gegner, solange seine Kräfte zerstreut sind, sorge täglich für neue, wenn auch noch so kleine Erfolge; erhalte dir das moralische Übergewicht, das der Anfangserfolg der Erhebung dir verschafft hat; ziehe so die schwankenden Elemente auf deine Seite, die immer dem stärksten Antrieb folgen und sich immer auf die sichere Seite schlagen; zwinge deine Feinde zum Rückzug, noch ehe sie ihre Kräfte gegen dich sammeln können...’ (Engels in ‘Revolution und Konterrevolution in Deutschland’, 1848, geschrieben 1851, in MEW Bd 8, S. S. 95). Die Spartakisten hatten die gleiche Herangehensweise gegenüber der Aufstandsfrage wie Lenin im April 1917. „Um erfolgreich zu sein, darf sich der Aufstand nicht auf eine Verschwörung, nicht auf eine Partei stützen, er muß sich auf die fortgeschrittenste Klasse stützen. Dies zum ersten. Der Aufstand muß sich auf den revolutionären Aufschwung des Volkes stützen. Dies zum zweiten. Der Aufstand muß sich auf einen solchen Wendepunkt in der Geschichte der anwachsenden Revolution stützen, wo die Aktivität der vordersten Reihen des Volkes am größten ist, wo die Schwankungen in den Reihen der Feinde und in den Reihen der schwachen, halben, unentschlossenen Freunde der Revolution am stärksten ist. Dies zum dritten. Durch diese drei Bedingungen eben unterscheidet sich der Marxismus in der Behandlung der Frage des Aufstands vom Blanquismus“ (Lenin, Marxismus und Aufstand, Brief an das ZK der SDAPR, geschrieben 13. Sep. 1917, in Werke Bd. 26, S. 4). Wie stand es im Januar 1919 konkret um die von Lenin genannten Kriterien?Der Aufstand stützt sich auf den revolutionären Aufschwung der Klasse Die Analyse der KPD auf ihrem Gründungskongreß war: Die Klasse ist noch nicht reif für den Aufstand. Nach der anfänglich von Soldaten dominierten Bewegung hätte jetzt ein neuer Schub aus den Betrieben, neuer Druck aus den Versammlungen und Demonstrationen der Arbeiter kommen müssen. Dies hätte der Bewegung Auftrieb und mehr Selbstvertrauen geben müssen. Wenn der Aufstand kein Putschversuch seitens einiger verzweifelter und ungeduldiger Elemente sein sollte, sondern sich auf den ‘revolutionären Aufschwung der Arbeiterklasse’ stützen mußte, wäre diese Intensivierung des Kampfes notwendig gewesen.  Zudem hatten die Arbeiterräte im Januar noch lange nicht die Zügel in der Hand, war die Doppelmacht durch die Arbeiterräte aufs heftigste von der SPD sabotiert worden. Wie im letzten Artikel dargestellt, war der Reichsrätekongreß Mitte Dezember ein Sieg der Bourgeoisie gewesen, und  es war noch zu keiner Neubelebung der Arbeiterräte gekommen. Die Einschätzung des Kräfteverhältnisses, der Dynamik der Entwicklung, die die KPD hatte, war realistisch. Manche meinen, die Partei solle die Macht ergreifen. Aber dann soll man erklären, wie eine noch so starke Partei das machen kann, wenn große Teile der Arbeiterklasse ihr Bewußtsein noch nicht ausreichend entwickelt haben, noch zögerlich sind und schwanken, wenn die Arbeiterklasse noch nicht einmal ausreichend starke Arbeiterräte gebildet hat, die sich dem bürgerlichen Regime entgegenstellen können. Aus unserer Sicht steckt dahinter ein grundsätzliches Verkennen der fundamentalsten Charakteristiken einer proletarischen Revolution und des Aufstandes, der, wie Lenin an erster Stelle hervorhob, ‘keine Verschwörung der Partei sein kann, sondern sich auf die fortgeschrittenste Klasse stützen muß’. Es sei denn, man hat eine blanquistische, putschistische  Auffassung? Selbst im Oktober 1917 bestanden die Bolschewiki nachdrücklich darauf, daß nicht die Bolschewistische Partei die Macht ergreift, sondern der Petrograder Sowjet. Der Aufstand ist keine Frage der ‘Deklaration von Oben’, der dann die Massen folgen müssen, sondern die Massen selber müssen vorher genügend Eigeninitiative und Kontrolle über ihre Kämpfe entwickelt haben, daß sie im Moment des Aufstands tatsächlich den Anweisungen und Orientierungen der Räte und der Partei bewußt folgen. Deshalb ist ein proletarischer Aufstand kein Putsch oder ein Handstreich - wie die bürgerlicher Ideologen es sich nur vorstellen können,  sondern das Werk der Arbeiterklasse selbst. Denn, damit das Proletariat das Joch des Kapitalismus abschüttelt, reichen nicht allein der Wille und die Entschlossenheit der Revolutionäre, d.h. des klarsten und entschlossensten Teils der Klasse. „...das aufständische Proletariat kann nur auf seine zahlenmäßige Stärke, seine Geschlossenheit, seine Kader, seinen Stab rechnen“ (Trotzki, Geschichte der russischen Revolution, Die Kunst des Aufstands, S. 833). Dieser Reifegrad war aber in der Klasse im Januar in Deutschland noch nicht erreicht.Die zentrale Rolle der Kommunisten  Die Kommunisten erkannten deshalb im Januar ihre Aufgabe, die Arbeiterklasse durch  unermüdliche ‘Aufklärungsarbeit’ weiter voranzudrängen. Nichts anderes als das hatte Lenin in seinen Aprilthesen im April 1917 betont: „Es scheint, als sei das ‘bloß’ propagandistische Arbeit. In Wirklichkeit ist es im höchsten Grade praktische revolutionäre Arbeit, denn man kann eine Revolution nicht vorwärtstreiben, die zum Stillstand gekommen, die in Redensarten versandet ist, die ‘auf der Stelle tritt’ nicht etwa äußerer Hindernisse wegen, nicht weil die Bourgeoisie Gewalt gegen sie anwendet, sondern weil die Massen in blinder Vertrauensseligkeit befangen sind. Nur durch den Kampf gegen diese blinde Vertrauensseligkeit ... können wir uns von der grassierenden revolutionären Phrase befreien und wirklich sowohl das Bewußtsein des Proletariats als auch das Bewußtsein der Massen sowie ihre kühne, entschlossene Initiative ...vorantreiben.“ (Lenin, Die Aufgaben des Proletariats in unserer Revolution“,  Bd 24, S. 47)

Wenn der Siedepunkt dann erreicht ist, muß gerade die Partei ‘den Moment für das Angriffssignal richtig erfassen’ (Trotzki) können, um die Klasse zum richtigen Zeitpunkt zum Aufstand zu drängen. Die Klasse muß ‘über sich eine weitblickende, feste und sichere Leitung (in Form der Partei) fühlen’. (Trotzki).

Im Gegensatz zu den Bolschewiki im Juli 1917 hatte die KPD im Januar 1919 noch längst nicht soviel Gewicht, daß sie den Lauf der Kämpfe entscheidend hätte mitbestimmen können. Es reicht nicht, daß die Partei eine richtige Position hat, sie muß auch ein entsprechendes Gewicht in der Klasse haben. Und weder die verfrühte Aufstandsbewegung in Berlin noch weniger die darauf folgende blutige Niederlage ermöglichten es, dieses Gewicht aufzubauen. Die Bourgeoisie dagegen schaffte es, die revolutionäre Vorhut zu schwächen, indem ihre besten Militanten umgebracht wurden und ihr Hauptinterventionsinstrument in der Klasse, ‘Die Rote Fahne’ zum Schweigen gebracht wurde. In einer Zeit, als die breitest mögliche Intervention der KPD erforderlich war, stand die KPD wochenlang ohne Presse da. Das Drama der zersplitterten Kämpfe  International traten in diesen Wochen die Arbeiter in mehreren Ländern dem Kapital entgegen. Während in Rußland die Offensive der konterrevolutionären Weißen Truppen gegen die Arbeitermacht sich verstärkte, hatte das Kriegsende  gleichzeitig zu einer  Beruhigung in den ‘Siegerländern’ an der Klassenfront geführt. In England und Frankreich gab es zwar auch eine Reihe von Streiks, aber die Kämpfe schlugen nicht die radikale Richtung ein wie in Deutschland und Rußland. Die Arbeiter in Deutschland und in Mitteleuropa schlugen sich relativ abgeschnitten vom Rest der Klasse in den anderen Industriezentren. Im März errichteten die Arbeiter in Ungarn eine Räterepublik, die nach wenigen Wochen von konterrevolutionären Truppen niedergemetzelt wurde.Nachdem sie den Arbeiteraufstand in Berlin niedergeschlagen hatte, betrieb die Bourgeoisie eine Politik des Versuchs der Auflösung der Soldatenräte; sie wollte eine Bürgerkriegsarmee aufstellen. Darüber hinaus strebte sie die systematische Entwaffnung der Arbeiterklasse an. Aber die Kampfbereitschaft der Arbeiter flammte  immer noch an vielen Orten auf. Die Schwerpunkte einer Reihe von Kämpfen sollten in den nächsten Monaten zerstreut in ganz Deutschland liegen, wobei es in nahezu jeder großen Stadt zu heftigen Zusammenstößen zwischen Kapital und Arbeit kam, die aber isoliert voneinander blieben. Bremen im Januar ... Am 10. Januar rief in Bremen der Arbeiter- und Soldatenrat aus Solidarität mit den Berliner Arbeitern die Republik aus. Er verkündete die Entfernung der SPD-Mitglieder aus dem Arbeiterrat, Bewaffnung der Arbeiter, Entwaffnung der bürgerlichen Elemente. Der Arbeiter- und Soldatenrat ernannte eine Räteregierung, die ihm gegenüber rechenschaftspflichtig war. Am 4. Februar hatte die Reichsregierung ausreichend Truppen vor Bremen versammelt, um die isoliert gebliebene Stadt mit ihrem Arbeiter- und Soldatenrat anzugreifen. Am gleichen Tag noch fiel Bremen in die Hände der Bluthunde. Das Ruhrgebiet im Februar ... Auch  im Ruhrgebiet, der größten Konzentration von Arbeitern, flammte die Kampfbereitschaft nach Beendigung des Krieges weiter auf. Noch vor dem Krieg hatte es 1912 eine längere Streikwelle gegeben, dann reagierten die Arbeiter im Juli 1916, im Januar 1917, Januar 1918, August 1918 mit großen Streiks gegen den Krieg. Im November 1918 befanden sich die dort entstandenen Arbeiter- und Soldatenräte meist noch unter dem Einfluß der SPD. Vor allem ab Januar und Februar 1919 brachen viele wilde Streiks aus. Streikende Belegschaften zogen zu Nachbarzechen und bewogen sie zum Anschluß. Da kam es oft zu gewalttätigen Zusammenstößen mit  Arbeiterräten, die in dieser Phase noch von der SPD beherrscht wurden. Die KPD trat für folgende Orientierung ein: „Die Machtergreifung durch das Proletariat und die Durchführung des Sozialismus hat zur Voraussetzung, daß die überwiegende Mehrheit des Proletariats sich zum Willen hindurchringt, die Diktatur zu ergreifen. Wir glauben nicht, daß dieser Augenblick schon gekommen ist. Wir glauben, daß die Entwicklung der nächsten Wochen und Monate erst das Proletariat als Gesamtheit zu der Auffassung wird heranreifen lassen, daß nur in seiner Diktatur sein Heil liegt. Die Regierung Ebert-Scheidemann lauert auf die Gelegenheit, diese Entwicklung im Blut zu ersticken. Wie in Berlin, wie in Bremen wird sie versuchen, Revolutionsherde einzeln zu ersticken, um so der allgemeinen Revolution zu entgehen. Das Proletariat hat die Pflicht, diese Provokationen zuschaden zu machen, indem es vermeidet, in bewaffneten Aufständen den Henkern Opfer freiwillig anzubieten. Es gilt vielmehr, bis zu dem Augenblick der Machtergreifung die revolutionäre Energie der Masse in Demonstrationen, in Versammlungen, in Propaganda, Agitation und Organisation aufs höchste zu steigern, die Massen in immer größerem Umfang zu gewinnen und die Geister bereit zu machen für die kommende Stunde. Vor allem ist überall auf die Neuwahl der Arbeiterräte zu dringen unter der Parole: Heraus mit den Ebert-Scheidemännern aus den Arbeiterräten! Heraus mit den Henkern!“ (Aufruf der Zentrale der KPD vom 3. Februar 1919 zur Neuwahl der Arbeiterräte) Am 6. Februar tagten die Delegierten von 109 Arbeiter- und Soldatenräten des Ruhrgebiets und forderten die Sozialisierung der Produktionsanlagen. Hinter der Sozialisierungsforderung stand die wachsende Erkenntnis der Arbeiter, daß die Kontrolle über die Produktionsmitteln nicht in den Händen des Kapitals bleiben durfte. Solange jedoch die Arbeiter noch nicht die politische Macht in den Händen halten, noch nicht die bürgerliche Regierung gestürzt ist, kann sich diese Forderung als Bumerang erweisen. Denn wenn es vorher keinen politischen Sturz der Bourgeoisie gegeben hat, dann sind alle Sozialisierungsmaßnahmen ohne politische Macht in den Händen der Arbeiter nicht nur Sand in den Augen, sondern auch ein Mittel, um den Kampf abzuwürgen. So versprach die SPD ein  Sozialisierungsgesetz, mit dem eine staatliche Scheinkontrolle unter ‘Mitwirkung der Arbeiterschaft’ angeboten werden sollte. „Die AR werden als wirtschaftliche Interessensvertretung grundsätzlich anerkannt und in der Verfassung verankert. Wahl und Aufgaben werden durch ein sofort zu veranlassendes besonderes Gesetz geregelt.“ (Gesetzestext). Gleichzeitig sollten die Arbeiterräte in Betriebsräte umgewandelt werden. Ihre Funktion sollte nunmehr sein:  kontrollierend und mitbestimmend im Wirtschaftsprozeß mitzuwirken.   Das Ziel dieses Vorgehens war: Abstumpfung der Arbeiterräte, ihre Integration in den Staat. Sie sollten nicht mehr als Organ der Doppelmacht gegen den kapitalistischen Staat wirken, sondern der Regelung der kapitalistischen Produktion dienen. Diese Mystifizierung läßt den Glauben aufkommen, man könne jetzt sofort ‘in seiner Fabrik’ mit der Umwälzung der Produktion beginnen, die Arbeiter werden leicht auf die lokalen, fabrikspezifischen Bedingungen fixiert - anstatt in dieser Phase für die internationale Ausdehnung und Vereinigung der Kämpfe  einzutreten.. Diese Taktik, die zum ersten Mal von der deutschen Bourgeoisie ansatzweise eingesetzt wurde, äußerte sich dann in  Betriebsbesetzungen. In den Kämpfen in Italien 1919/1920 sollte sie von der Bourgeoisie dort mit großen Erfolg eingebracht werden. Ab dem 10. Februar waren die Truppen, die vorher in Berlin und Bremen ihr Blutbad angerichtet hatten, im Anmarsch aufs Ruhrgebiet.  Die Arbeiter- und Soldatenräte des gesamten Industriegebietes beschlossen, den Generalstreik und den bewaffneten Kampf gegen die Freiwilligenkorps aufzunehmen. Überall erscholl der Ruf ‘Heraus aus den Betrieben’. Es gab eine Unmenge von militärischen Zusammenstößen. Und wieder das gleiche Bild: Die SPD rief zur Beendigung der Streiks auf. Wieder bildete sie militärische Abteilungen zum Kampf gegen streikende Arbeiter. Die Rage der Arbeiter war oft so groß, daß SPD-Gebäude angegriffen wurden. So am 22. Februar in Mülheim-Ruhr. Dort beschossen Kommunisten eine SPD-Versammlung mit Maschinengewehrfeuer. In Gelsenkirchen, Dortmund, Bochum, Duisburg, Oberhausen, Wuppertal, Mülheim-Ruhr und Düsseldorf standen bewaffnete Arbeiter und Soldaten in größerer Anzahl. Aber auch hier fehlte es wie zuvor schon in Berlin an  Leitung und Organisation. Während der gesamte Staatsapparat mit der SPD an der Spitze zentralisiert gegen die Arbeiter vorgehen konnte, gab es keine einheitliche, die Kraft der Arbeiter steuernde Leitung. Bis zum 20. Februar streikten über einen Monat lang ca. 150’000 Arbeiter. Am 25. Februar wurde die Wiederaufnahme der Arbeit beschlossen, der bewaffnete Kampf eingestellt. Wieder konnte die Bourgeoisie ihre Repression ungehindert ausüben. Freikorps besetzten im Ruhrgebiet eine Stadt nach der anderen. Dennoch kam es Anfang April wieder zu einem Generalstreik. Am 1. April streikten 150’000, am 10. April 300’000 und Ende April war die Zahl der Streikenden wieder gefallen auf 130’000. Ab Mitte April erneut Repression und Jagd auf Kommunisten. Gleichzeitig standen in Württemberg, Braunschweig, Berlin, Frankfurt, Danzig, Mitteldeutschland große Massen im Streik. Das Ruhrgebiet war für die Bourgeoisie eine Priorität, es mußte zur Ruhe gebracht werden. Mitteldeutschland im Februar und März .. Als Ende Februar die Bewegung im Ruhrgebiet abgeflacht war, die Truppen dort die Oberhand gewonnen hatten, tauchte auch das Proletariat in Mitteldeutschland wieder auf der Bühne auf. Während die Bewegung sich im Ruhrgebiet auf Kohle und Stahl beschränkt hatte, erfaßte sie in Mitteldeutschland die ganze Industrie-Arbeiterschaft und den Transportbereich. In nahezu allen Städten und größeren Betrieben beteiligten sich die Arbeiter an der Bewegung. Am 24. Februar wurde ein Generalstreik ausgerufen,  d.h. 3 Tage nach Ende der Bewegung im Ruhrgebiet. Sofort erließen die Arbeiter- und Soldatenräte einen Aufruf an Berlin, daß es sich anschließen sollte. Auch hier lag der KPD nichts an einer überstürzten Aktion: „solange die Revolution noch nicht ihre zentralen Aktionsorgane hat, müssen wir die an Tausende Punkte ansetzende lokale Aktion der Räteorganisation entgegensetzen“ (Flugblatt der Zentrale der KPD). Verstärkung des Drucks aus den Betrieben! Intensivierung der ökonomische Kämpfe und Erneuerung der Räte! Weitergehende Forderungen nach dem Sturz der Regierung wurden nicht erhoben. Auch hier schaffte es die Bourgeoisie jedoch mit einem Abkommen über die angestrebte Sozialisierung der Bewegung die Spitze zu brechen. Am 6./7. März wurde die Arbeit wieder aufgenommen.  Bei allen militärischen Unternehmungen... ist rechtzeitig Fühlung mit den regierungstreuen führenden SPDlern zu nehmen“ Wieder Berlin im März ... Nachdem die Bewegung im Ruhrgebiet und in Mitteldeutschland ihrem Ende zuneigte, trat am 3. März das Proletariat in Berlin in einen Generalstreik. Die Orientierung war: Verstärkung der Arbeiter- und Soldatenräte, Freilassung aller politischer Gefangenen, Bildung einer revolutionären Arbeiterwehr, Kontaktaufnahme mit Rußland. Die rapide Verschlechterung der Lage der Bevölkerung nach dem Krieg, explodierende Preise, aufkommende Massenarbeitslosigkeit nach der Demobilisierung trieben die Arbeiter zu verstärkten Abwehrkämpfen. Auch in Berlin traten die Kommunisten dafür ein, durch eine Neuwahl in den Arbeiterräten eine größere Druckwelle gegen die Regierung nach den Wahlen zur bürgerlichen Nationalversammlung aufzubauen.  Die Bezirksleitung Groß-Berlin der KPD schrieb: „Glaubt ihr, eure revolutionären Ziele mit dem Stimmzettel zu erreichen? .... Wollt ihr die Revolution weitertreiben, dann setzt eure ganze Kraft ein für die Arbeit in den A.- und S.-Räten. Sorgt dafür, daß sie ein wirkliches Instrument der Revolution werden. Sorgt für Neuwahlen zu den Arbeiter-  und Soldatenräten.“ Die SPD stemmte sich jedoch gegen Neuwahlen zu den Arbeiterräten und zum Vollzugsrat. Auch hier wieder Sabotage der Kämpfe mit politischen und - wie wir sehen werden- mit militärischen Mitteln.  Als die Berliner Arbeiter Anfang März in den Streik traten, übernahm der Vollzugsrat die Leitung des Streiks. Wieder wurde der Vollzugsrat aus Delegierten der SPD und USPD zusammengesetzt. Die KPD wollte nicht mit der SPD in einer Streikleitung sitzen. ‘Die Vertreter dieser Politik in die Streikleitung zu übernehmen, bedeutet den Verrat an dem Generalstreik und an der Revolution.’ Wie  es heute immer wieder die Sozialdemokraten und Stalinisten und andere Vertreter der extremen Linken tun, schaffte es die SPD, sich dank der Leichtgläubigkeit der Arbeiter aber auch durch alle möglichen Tricks und Täuschungsmanöver in die Streikleitung einzuschleichen. Die KPD ließ sich nicht von einer Bloßstellung dieser Henker der Arbeiterklasse abbringen. Die Regierung verbot die Veröffentlichung der ‘Roten Fahne’, während die SPD ihre Zeitung ‘Vorwärts’ weiter drucken lassen konnte. Die Konterrevolutionäre konnten ungehindert sprechen, die Revolutionäre sollten zum Schweigen verurteilt werden! Aus Vorsicht vor Angriffen konterrevolutionären Truppen im Streik, bei Demonstrationen warnte die „Rote Fahne“: „Laßt die Arbeit ruhen! Bleibt vorläufig in den Betrieben. Versammelt Euch in den Betrieben. Klärt die Zaghaften und Zurückgebliebenen auf! Laßt euch nicht in unnütze Schießereien ein, auf die der Noske nur lauert, um neues Blut zu vergießen!“

Frühzeitig jedoch schon initiierte die Bourgeoisie Plünderungen, die als offizielle Rechtfertigung für den Einsatz des Militärs dienten. Noske-Soldaten zerstörten als allererstes die Redaktionsräume  der „Roten Fahne“. Führende KPD-Mitglieder wurden wieder in Haft genommen, Leo Jogiches erschossen. Gerade weil die ‘Rote Fahne’ die Arbeiterklasse vor den Provokationen der Bourgeoisie gewarnt hatte, wurde die ‘Rote Fahne’ zur sofortigen Zielscheibe der konterrevolutionären Truppen.

Die Repression in Berlin begann am 4. März. Ca. 1.200 Arbeiter wurden erschossen, wochenlang wurden Leichen in der Spree ans Ufer gespült. Wer ein Bild von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht besaß, wurde verhaftet. Wir betonen erneut: Nicht Faschisten zeichneten für diese blutrünstige Repression verantwortlich, sondern die SPD! Als am 6. März der Generalstreik in Mitteldeutschland abgebrochen wurde, wurde er auch in Berlin am 8. März beendet. In Sachsen, Baden, Bayern, überall gab es zu diesem Zeitpunkt gleichzeitig Generalstreiks, aber der Funken zwischen diesen Bewegungen sprang nicht über. Die bayrische Räterepublik im April Aber auch in Bayern erhob die Arbeiterklasse die Stirn. Am 7. April versuchten SPD und USPD die ‘Gunst der Massen durch eine pseudo-revolutionäre Aktion zu gewinnen’ (Léviné). Wie im Januar in Berlin hatte die KPD erkannt, daß überhaupt kein für die Arbeiter günstiges Kräfteverhältnis vorhanden war. Sie stellte sich gegen die Ausrufung der Bayrischen Republik! Aber die Kommunisten in Bayern riefen die Arbeiter dazu auf, einen „wirklich revolutionären Rat“ zu wählen zur Erkämpfung und Durchführung der wirklichen kommunistischen Räterepublik. Léviné trat am 13. April an die Spitze einer neuen Räteregierung, die auf ökonomischer, politischer und militärischer Ebene energische Maßnahmen gegen die  Bourgeoisie ergriff. Trotzdem war diese Bildung eines ‘revolutionären Aktionsausschusses’ ein schwerwiegender Fehler der Revolutionäre in Bayern und widersprach dem Beschluß der Partei. Vom Rest Deutschlands vollkommen abgeschnitten, wurde von der Bourgeoisie eine umfassende Konteroffensive gegen die Bayrische Republik gestartet. Die Lebensmittelzufuhren nach München wurden abgebrochen, Truppen von über 100’000 Mann wurden um München zusammengezogen. Am 27. April wurde der Vollzugsrat in München gestürzt. Wieder schlug der blutige Arm der  Repression zu. Tausende Arbeiter wurden in den Kämpfen standrechtlich erschossen und anderswie umgebracht. Erneut setzte eine Kommunistenjagd ein, und Léviné wurde zum Tode verurteilt. * * * Gerade die heutigen Generationen von Arbeitern können sich kaum vorstellen, was eine mächtige Welle von Arbeiterkämpfen - nahezu gleichzeitig - in den größten Arbeiterkonzentrationen bedeutet, welch riesiger Druck dadurch auf das Kapital entsteht..... Die Arbeiterklasse in den Hochburgen des Kapitalismus hatte bewiesen, daß sie gegenüber einer der erfahrensten Bourgeoisien  ein Kräfteverhältnis aufbauen konnte, das zum Sturz des Kapitals hätte führen können. Diese Erfahrung zeigt, daß die revolutionäre Bewegung nicht auf die Arbeiterklasse im angeblich rückständigen Rußland reduziert war, sondern die Arbeiterklasse in höchst entwickelten Industrieländern sich daran massiv beteiligte.Eine Welle revolutionärer Kraft kam in diesen Monaten zerstreut, zersprengt zur Entfaltung. Diese Kraft, die zusammengefaßt und vereinigt ausgereicht hätte zum Sturz der Regierung. Aber diese gewaltige Kraft ging verloren, die Regierung konnte sie stückweise zerschlagen und vernichten, die Berliner Januaraktion hatte der Revolution den Kopf abgeschlagen und das Rückgrat gebrochen, Richard Müller, ein Führer der revolutionären Obleute, die sich über lange Zeit durch ihre großen Schwankungen und Zögerungen auszeichneten, kann nicht umhin festzustellen: „Wenn es nicht zur Niederschlagung der Kämpfe im Januar in Berlin gekommen wäre, dann hätte die Bewegung woanders im Frühjahr weiter Auftrieb erhalten können, und die Frage der Macht wäre näher in Reichweite gerückt, aber die militärische Provokation hatte der Bewegung gewissermaßen schon den Wind aus den Segeln genommen. Die Januaraktion hat Argumente geliefert für die Hetze, für einen Lügenfeldzug, für die Schaffung einer Atmosphäre des Bürgerkrieges ...“ Ohne diese Niederlage hätte das Berliner Proletariat die Kämpfenden in den anderen Teilen Deutschlands unterstützen können. Aber diese  Schwächung dieses zentralen Teils der Revolution ermöglichte es den Kräften des Kapitals in eine Offensive einzutreten und überall die Arbeiter in verfrühte und zerstreute militärische Auseinandersetzungen zu locken. Die Arbeiter wiederum schafften es nicht, selbst eine breite, vereinte und zentralisierte Bewegung auf die Beine zustellen, eine Doppelmacht im ganzen Lande aufzubauen, die eine Zentralisierung durch die Verstärkung der Räte ermöglicht hätte. 

 

Nur der Aufbau solch eines Kräfteverhältnisses ermöglicht es, einen Anlauf zum Aufstand zu machen, der die größte Überzeugung und die Koordination aller Handlungen erfordert. Und diese Dynamik kann sich nicht ohne die klare und entschlossene Intervention einer politischen Partei innerhalb der Bewegung entfalten. Nur so kann die Arbeiterklasse siegreich diesen historischen Kampf gewinnen.

Die Niederlage der Revolution in Deutschland in den ersten Monaten des Jahres 1919 war nicht nur auf die Geschicklichkeit der deutschen Bourgeoisie zurückzuführen. Sie war nur möglich dank des gemeinsamen Vorgehens der internationalen Kapitalistenklasse. Während die Arbeiterklasse in Deutschland dem Kapital zersplitterte Kämpfe lieferte, standen die Arbeiter in Ungarn im März dem Kapital in revolutionären Auseinandersetzungen gegenüber. Am 21. März 1919 wurde in Ungarn die Räterepublik ausgerufen - die jedoch im Sommer von konterrevolutionären Truppen niedergemetzelt wurde. Sicher stand die internationale Kapitalistenklasse geschlossen hinter dem Kapital in Deutschland. Während sie sich zuvor 4 Jahre im Krieg auf das heftigste bekämpft hatte, trat  sie nun vereint der Arbeiterklasse gegenüber. Lenin meinte, daß sich die Ententemächte „mit den deutschen Paktierern auf jede Weise verständigten, um die deutsche Revolution zu erwürgen“ (Lenin, 9. Parteitag der KPR, Werke Bd. 30, S. 441). Das Proletariat tritt seitdem in keinem Teil der Welt einer gespaltenen Kapitalistenklasse gegenüber, sondern jedesmal, wenn sich die Arbeiterklasse anfängt zusammenzuschließen, steht die Front des Kapitals schon geschlossen!

Wenn die Arbeiterklasse  in Deutschland es geschafft hätte, die Macht zu ergreifen, wäre der kapitalistische Staudamm auch international gebrochen, die Revolutionäre in Rußland nicht isoliert geblieben.

Als die 3. Internationale im März 1919 in Moskau gegründet wurde, d.h. zu einem Zeitpunkt, als in Deutschland die Kämpfe voll entflammt waren, schien diese Perspektive den Kommunisten in greifbare Nähe gerückt. Aber die Niederlage der Arbeiter in Deutschland sollte den Niedergang der internationalen revolutionären Welle und insbesondere der russischen Revolution einläuten. Es war die Bourgeoisie mit der SPD an ihrer Spitze, die durch ihre konterrevolutionären Aktionen die Revolution in Rußland entscheidend isolierte, ihre Entartung möglich mache und so zum Geburtshelfer des Stalinismus wurde.           DV.


[i] Siehe die beiden vorherigen Artikel in Int. Revue Nr. 17 und 18.

[ii] Die SPD war die größte Arbeiterpartei vor 1914; im August 1914 verriet die Führung der SPD - mit der Reichstagsfraktion und den Gewerkschaftsführern an der Spitze - alle internationalistischen Prinzipien der Partei. Die Führung schloß sich voll dem Lager des nationalen Kapitals als Rekrutierungskraft für das imperialistische Abschlachten an. [iii] Zu welchem unverantwortlichen Verhalten man sich hinreißen lassen kann, wenn man keine klare Analyse hat, zeigte 1980 die CWO. Sie forderte zur Zeit der Massenkämpfe in Polen: ‘Revolution Now’! [iv] Die „Unabhängige Sozialistische Partei Deutschlands“ war eine zentristische Abspaltung von der SPD, welche deren offensichtlichsten bürgerlichen Auffassungen zwar verwarf, jedoch unfähig war, eine klare internationalistische, kommunistische Haltung einzunehmen. 1917 war der Spartakusbund der USPD mit der Absicht beigetreten, so seinen Einfluss in der Arbeiterklasse, welche durch die Politik der SPD zunehmend angewidert war, zu verstärken.

[v] „Internationale Kommunisten Deutschlands“. Vor dem 23. November 1918, als sie in Bremen beschlossen, das Wort Sozialisten durch Kommunisten zu ersetzen, auch bekannt als „Internationale Sozialisten Deutschlands“. Diese Gruppe war kleiner als der Spartakusbund und besaß auch weniger Einfluss, teilte jedoch deren revolutionäre internationalistische Positionen. Die IKD waren Mitglied der Zimmerwalder Linken und stand der Internationalen Kommunistischen Linken sehr nahe, vor allem der Holländischen Linken (Pannekoek und Gorter gehörten vor dem Krieg zu ihren Theoretikern) und der Russischen Linken (Radek war einer ihrer Genossen). Ihre Ablehnung der Gewerkschaften und des Parlamentarismus stand am Gründungsparteitag der KPD gegenüber der Position von Rosa Luxemburg in der Mehrheit.

 

[vi] Die Revolutionären Obleute waren ursprünglich zum grössten Teil in Betrieben gewählte Gewerkschaftsdelegierte, welche mit den sozialchauvinistischen Gewerkschaftsführungen gebrochen hatten. Sie waren ein direktes Produkt des Widerstandes der Arbeiterklasse gegen den Krieg und gegen den Verrat der Gewerkschaften und sog. “sozialistischen“ Parteien. Leider führte ihr Kampf gegen die Gewerkschaftsführungen zu einem generellen Misstraunen gegenüber zentralisiertem Handeln, und sie entwickelten lokalistische und auf Betriebe reduzierte Standpunkte. Sie waren in politischen Fragen oft sehr schwankend und neigten zu Auffassungen der USPD. <p <div

Theorie und Praxis: 

Geschichte der Arbeiterbewegung: