Internationale Revue 28 - Editorial

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In New York wie überall auf der Welt sät der Kapitalismus Tod.

Wir wissen nun, dass die Attentate von New York mehr als 6‘000 Tote verursacht haben. Abgesehen von dieser unglaublichen Zahl stellt die Zerstörung des World Trade Centres einen Wendepunkt in der Geschichte dar, dessen Ausmaß wir noch nicht voll erfassen können. Es handelt sich um den ersten Angriff auf US-Territorium seit Pearl Harbour 1941, die erste Bombardierung auf dem US-amerikanischen Kontinent in seiner Geschichte, die erste Bombardierung einer Metropole der entwickelten Industriestaaten seit dem 2. Weltkrieg. Wie die Medien sagen, handelt es sich um eine wirkliche Kriegshandlung. Und wie alle Kriegshandlungen ist es ein schreckliches Verbrechen, das gegen eine wehrlose Zivilbevölkerung verübt wurde. Wie immer ist die Arbeiterklasse Hauptopfer dieser Kriegshandlungen. Die Sekretärinnen, das Reinigungs- und Unterhaltungspersonal, die Büroangestellten, die den Hauptteil der Getöteten ausmachten, gehören zu uns.

Und wir verwehren der heuchlerischen Bourgeoisie und den ihr ergebenen Medien den Anspruch darauf, wegen der ermordeten Arbeiter Trauer zu zeigen. Die herrschende Kapitalistenklasse ist schon verantwortlich für so viele Massaker und so viele Gemetzel: das schreckliche Abschlachten des 1. Weltkriegs, das noch größere Abschlachten des 2. Weltkriegs, als zum ersten Mal die Zivilbevölkerung zur Hauptzielscheibe wurde. Erinnern wir uns, zu was die herrschende Klasse fähig war: Sie hat London, Dresden, Hamburg, Hiroshima, Nagasaki bombardiert und Millionen Tote in den KZs der Nazis und im Gulag des Stalinismus hinterlassen.

Erinnern wir uns an die Hölle der Bombardierungen der Zivilbevölkerung und der flüchtenden irakischen Armee während des Golfkrieges 1991 und der Hunderttausenden von Toten. Erinnern wir uns an die alltäglichen und noch fortdauernden Massaker in Tschetschenien, die in Komplizenschaft mit den Demokratien des Westens verübt werden. Erinnern wir uns an die Komplizenschaft des belgischen, französischen und amerikanischen Staates während des Bürgerkriegs in Algerien, an die schrecklichen Pogrome in Ruanda.

Erinnern wir uns auch an die afghanische Bevölkerung, die heute durch amerikanische Bomben terrorisiert wird und die schon mehr als 20 Jahre an ununterbrochenem Krieg leidet, der zur Flucht von 2 Millionen Menschen in den Iran, von 2 Millionen nach Pakistan, mehr als einer Million Toten geführt hat. Die Hälfte der Bevölkerung ist von Nahrungsmittellieferungen der UNO und anderer NGOs abhängig.

Dies sind nur einige Beispiele von vielen für das Wüten eines Kapitalismus, der immer mehr in einer unüberwindbaren Wirtschaftskrise versinkt und unwiderruflich im Niedergang steckt. Der Kapitalismus steckt in einer verzweifelten Lage.

Die Bombenangriffe von New York sind kein Angriff „gegen die Zivilisation“, sondern sie sind im Gegenteil der Ausdruck dieser bürgerlichen „Zivilisation“.

Heute tritt diese unendlich heuchlerische herrschende Klasse mit blutbeschmierten Händen vor uns - ein Blut, das von den Arbeitern und den anderen Ausgebeuteten stammt, die durch ihre Bomben umgekommen sind - und wagt vorzugeben, sie trauere über die Toten, obwohl sie selbst für den Tod dieser Menschen verantwortlich ist.

Die gegenwärtigen Kampagnen der westlichen Demokratien gegen den Terrorismus sind besonders heuchlerisch. Nicht nur, weil das zerstörerische Wüten unter der Zivilbevölkerung durch den staatlichen Terror dieser Demokratien viel tödlicher ist als die schlimmsten Attentate (Millionen von Toten in den Kriegen in Korea und Vietnam – um nur einige zu nennen). Nicht nur weil diese Demokratien sich unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Terrorismus unter anderem mit Russland zusammenschließen, obwohl sie häufig dessen Kriegsverbrechen gegen die Bevölkerung in Tschetschenien angeprangert haben. Nicht nur weil sie nie gezögert haben, mittels Staatsstreichen und blutiger Diktaturen ihre eigenen Interessen durchzusetzen (wie die USA im Falle Chiles z.B.). Sie sind auch Heuchler, weil sie nie davor zurückgeschreckt haben, terroristische Mittel einzusetzen oder das Leben von Zivilisten zu opfern, solange diese Methoden auch nur vorübergehend ihren Interessen dienten. Erinnern wir uns einiger Beispiele aus der jüngsten Geschichte:

In den 80er Jahren schossen russische Flugzeuge eine Boeing der Korean Airlines über dem Luftraum der UdSSR ab. Im Nachhinein fand man heraus, dass das Abweichen von der Flugroute durch den US-Geheimdienst eingefädelt worden war, um so die Reaktion der Russen gegenüber dem Eindringen eines Flugzeuges in ihren Luftraum zu testen.

Während des Iran-Irak-Krieges schossen die USA ein iranisches Linienflugzeug über dem Persischen Golf ab. Der iranische Staat sollte gewarnt werden, sich ruhig zu verhalten, und davon abgeschreckt werden, einen Krieg am Golf auszulösen.

Während französischen Atomwaffenversuchen in Mururoa im Pazifik hat Frankreich Agenten seines Geheimdienstes nach Neuseeland geschickt, um das Greenpeace-Schiff Rainbow Warrier in die Luft zu jagen und zu versenken.

Das Attentat im Bahnhof von Bologna, bei dem in den 70er Jahren ca. 100 Menschen ihr Leben verloren, wurde lange Zeit den Roten Brigaden in die Schuhe geschoben, bis man schließlich herausfand, dass der italienische Geheimdienst am Werk gewesen war. Dieser Geheimdienst war zutiefst verbunden mit Mafia-Aktivitäten um das Netz Gladio, das von den USA in ganz Europa aufgebaut worden war und das im Verdacht steht, an einer Reihe von mörderischen Attentaten in Belgien beteiligt gewesen zu sein.

Während des Bürgerkrieges in Nicaragua lieferte die Reagan-Regierung Waffen und Geld an die „Contras“. Es handelte sich um eine Geheimaktion, die gegenüber dem US-Kongress verschwiegen und durch den Waffenverkauf an den Iran (auch illegal) sowie den Drogenhandel finanziert wurde.

Der sehr demokratische Staat Israel setzt auch heute noch seine Politik der Attentate und des Mordens in den Gebieten Palästinas gegen die Führer der Fatah, Hamas usw. fort1.

Wir können nicht mit Sicherheit behaupten, dass heute Osama Bin Laden wirklich verantwortlich ist für die Angriffe auf das World Trade Centre, wie dies der US-Staat behauptet. Aber wenn diese Hypothese sich als richtig herausstellt, dann ist nur ein Kriegsherr der Kontrolle seiner alten Herren entwichen. Bin Laden ist nicht einfach ein fanatischer, islamisierter Terrorist. Im Gegenteil – seine Karriere fing an, als er ein Teil der US-imperialistischen Kette im Krieg gegen die UdSSR in Afghanistan war. Aus einer stinkreichen saudischen Familie stammend, die von der Königsfamilie um Bin Saoud unterstützt wurde, wurde Bin Laden 1979 in Istanbul von der CIA rekrutiert. „Der Afghanistankrieg war soeben ausgebrochen und Istanbul war eine Durchgangsstelle, die die Amerikaner ausgewählt hatten, um von dort Freiwillige an die afghanische Guerrillafront zu schicken. Zunächst für die Logistik verantwortlich, wurde Bin Laden zum Finanzvermittler des Waffenhandels, der jeweils von den USA und Saudi-Arabien mit einem gleichen Anteil von ca. 1,2 Mrd. $ pro Jahr finanziert wurde. 1980 traf Bin Laden in Afghanistan ein, wo er praktisch bis zum Abzug der Russen 1989 verblieb. Er hatte die Aufgabe, die Mittel unter den verschiedenen Fraktionen des Widerstands zu verteilen, d.h. er nahm eine höchst politische Schlüsselrolle ein. Damals unterstützten ihn die USA und Saudi-Arabien vollständig, wobei sein Freund, der Prinz Turki Bin Faycal, der Bruder des saudischen Königs und Chef der saudischen Geheimdienste sowie dessen Familie eine entscheidende Rolle spielten. Er beteiligte sich an Geldwäsche zur Umwandlung von schmutzigem in sauberes Geld und umgekehrt.“ (Le Monde 15.9.2001). Dieser gleichen Zeitung zufolge habe Bin Laden ebenso ein Netz für den Opiumhandel aufgebaut - zusammen mit seinem Freund Gulbuddin Hekmatyar, einem Taliban-Führer, der auch von den USA unterstützt wurde. Diese und jener beschuldigen sich heute gegenseitig „der große Teufel“ und „der Welt führender Terrorist“ zu sein, als ob sie unversöhnliche Feinde wären; tatsächlich aber sind sie die treuen Verbündete von gestern.2

Der allgemeine Rahmen

Aber abgesehen von dem Ekel, den die Anschläge von New York und die Heuchelei der Bourgeoisie hervorrufen, müssen die Revolutionäre und die Arbeiterklasse die Gründe dieses Massakers begreifen, wenn wir keine einfache Zuschauer sein wollen, die die Ereignisse mit Schrecken verfolgen. Gegenüber den bürgerlichen Medien, die behaupten, verantwortlich seien die islamischen „Fundamentalisten“, die „Schurkenstaaten“, die „Fanatiker“, entgegnen wir: Der wahre Verantwortliche ist das ganze kapitalistische System.

Aus unserer Sicht trat der Kapitalismus zu Beginn des letzten Jahrhunderts auf der ganzen Welt in sein Niedergangsstadium ein3. In den Jahren um 1900 schloss der Kapitalismus seine historische Aufgabe ab: Die Einverleibung des gesamten Erdballs in einen einzigen Weltmarkt, die Auslöschung des Einflusses früherer Machtstrukturen (feudaler, Stammesgesellschaften usw.) lieferten die materiellen Grundlagen dafür, dass zum ersten Mal in der Geschichte eine wirkliche Menschengemeinschaft errichtet wird. Wenn die Produktivkräfte diesen Entwicklungsstand erreicht hatten, bedeutete dies, dass die kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu einer Fessel für ihre weitere Entwicklung geworden sind. Seitdem kann der Kapitalismus kein fortschrittliches System mehr sein; statt dessen ist er zu einer Fessel für die Gesellschaft geworden.

Die Dekadenz einer Gesellschaft eröffnet nie einfach einen Zeitraum des Zerfalls oder der Stagnation. Im Gegenteil – der Konflikt zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen kann nur ein gewalttätiger sein. Dies belegt die Geschichte zur Zeit des Niedergangs der römischen Sklavengesellschaft, die geprägt war von gesellschaftlichen Erschütterungen, Kriegen im Innern und nach Außen, die Invasion von Barbaren, bis die Reifung neuer Produktionsverhältnisse, der Feudalismus, den Durchbruch einer neuen Gesellschaftsform ermöglichte. Der Niedergang des Feudalismus war ebenso von zwei Jahrhunderten zerstörerischer Kriege bis zum Beginn der bürgerlichen Revolutionen geprägt (insbesondere in England im 17. Jahrhundert, Frankreich im 18. Jahrhundert), wodurch die Macht der Feudalherren und der absoluten Monarchen gebrochen und ein Zeitraum kapitalistischer Herrschaft eröffnet wurde.

Die kapitalistische Produktionsform ist die dynamischste der ganzen Menschengeschichte, da sie nur durch eine ständige Umwälzung der vorhandenen Produktionsformen und - wichtiger noch – eine ständige Erweiterung ihres Handlungsraumes überleben kann. Weniger noch als bei den früheren Gesellschaften konnte ihr Niedergang ein Zeitraum des Friedens sein. Materiell wurde der Beginn des Niedergangs des Kapitalismus durch zwei gewaltige und entgegengesetzte Ereignisse geprägt: den Ersten Weltkrieg und die proletarische Revolution in Russland 1917.

Seit dem Ersten Weltkrieg konnten die Zusammenstöße zwischen den imperialistischen Großmächten keine begrenzten Kriege mehr sein oder beschränkt bleiben auf entfernt gelegene Länder wie während der Eroberung der Kolonien. Von 1914 an wurden die imperialistischen Konflikte zu unglaublich mörderischen, zerstörerischen Konflikten mit weltweiter Ausstrahlung.

In der Oktoberrevolution 1917 gelang es dem russischen Proletariat zum ersten Mal in der Geschichte, die Kapitalistenherrschaft zu zerschlagen; die Arbeiterklasse stellte ihr revolutionäres Wesen unter Beweis und zeigte, dass sie dazu in der Lage ist, die Barbarei des Krieges zu beenden und das Tor zur Bildung einer neuen Gesellschaft aufzustoßen.

In ihrem Manifest, das die 3. Internationale verfasst hatte, um dem Proletariat auf dem Weg zur Weltrevolution die Richtung zu weisen, erklärte sie, dass der durch den Krieg eröffnete Zeitraum der des kapitalistischen Niedergangs ist, die „Periode der Kriege und der Revolutionen“, oder wie Marx im Kommunistischen Manifest gesagt hatte, bestand die Alternative im Sieg der Revolution einerseits und dem gemeinsamen Ruin der sich bekämpfenden Klassen andererseits. Die Revolutionäre der Kommunistischen Internationale fassten entweder diesen Sieg ins Auge oder den Abstieg der gesamten menschlichen Zivilisation in die Hölle.

Sie konnten sich sicher nicht den Horror des 2. Weltkriegs ausmalen, die KZs, die Atombombenabwürfe usw. Und noch weniger konnten sie sich die noch nie da gewesene historische Lage von heute vorstellen.

So wie der Erste Weltkrieg den Eintritt des Kapitalismus in seinen Niedergang eröffnete, stellte der Zusammenbruch des russischen Blocks 1989 dessen Eintritt in eine neue Phase dieses Niedergangs dar: den seines Zerfalls. Der Dritte Weltkrieg, der seit dem Zweiten Weltkrieg seit 1945 vorbereitet wurde, fand nicht statt. Seit dem Mai 1968 in Frankreich, d.h. dem massivsten Streik in der Geschichte, und einer Reihe von Arbeiterkämpfen, die die großen kapitalistischen Staaten bis Ende der 80er Jahre erschüttert haben, wurde deutlich, dass die Arbeiterklasse, insbesondere die Arbeiterklasse im Zentrum des kapitalistischen Systems, nicht bereit war, wie 1914 oder wie 1939 in einem neuen Krieg verheizt zu werden. Aber während die Arbeiterklasse sich implizit dem Krieg verweigerte, hat sie es dennoch nicht geschafft, eine Bewusstseinsstufe zu erreichen, die ihrer eigentlichen Stellung in der kapitalistischen Gesellschaft und ihrer historischen Rolle als Totengräber des Kapitalismus entspricht. Eine der auffallenden Ausdrücke dieser Schwierigkeit zeigt sich in der Unfähigkeit der heutigen kommunistischen Gruppen, etwas anderes als kleine, zerstreute Gruppen zu sein, ohne ein bedeutendes Echo in der Arbeiterklasse.

Die Gefahr eines Weltkrieges zwischen den beiden imperialistischen Blöcken ist verschwunden, aber die Menschheit ist weiterhin bedroht. Die Fäulnis des Kapitalismus ist nicht einfache eine Phase, der andere folgen werden. Sie ist die Endphase des Niedergangs, die nur zu einem der beiden „Wege“ führen kann: entweder proletarische Revolution und Übergang zu einer neuen Form menschlicher Gesellschaft, oder der immer schnellere Abstieg in eine grenzenlose Barbarei, mit der viele unterentwickelte Staaten jetzt schon konfrontiert sind und die jetzt zum ersten Mal auch im Herzen der bürgerlichen Gesellschaft zugeschlagen hat. Vor dieser Wahl steht die Gesellschaft jetzt.

Das Auseinanderbrechen des russischen Blocks hat die imperialistischen Rivalitäten nicht aus der Welt geschafft; im Gegenteil: Die imperialistischen Ambitionen nicht nur der alten europäischen Großmächte können jetzt ungehindert walten, sondern auch die der zweitrangigen Regionalmächte, bis hin zu den kleinsten Ländern und den jämmerlichsten Kriegsherren.

1989 kündigte uns Präsident Bush das Ende des Konfliktes mit dem „Reich des Bösen“ an und versprach uns einen neuen Zeitraum des Friedens und des Wohlstands. 2001 wurden die USA zum ersten Mal in der Geschichte in ihrem Herzen getroffen, und der Sohn Bushs, der mittlerweile Präsident geworden ist, kündigte danach einen „Kreuzzug des Guten gegen das Böse“ an, ein Kreuzzug, der bis „zur weltweiten Auslöschung all der terroristischen Gruppen“ dauern werde. Am 16. September wiederholte Donald Rumsfeld, US-Verteidigungsminister, dass es sich um „lange, breitgefächerte Anstrengungen“ handelte, die „nicht nur Tage oder Wochen dauern werden, sondern Jahre“ (Le Monde, 18. 9.01). So stehen wir vor einem Krieg, dessen Ende selbst die herrschende Klasse nicht absehen kann. Keiner redet mehr euphorisch über die hinter uns liegenden zehn Jahre amerikanischen „Wohlstands“, sondern man wird sich bewusst über das, was Winston Churchill 1940 dem englischen Volk angekündigt hatte: „Blut, Schweiß und Tränen“.

Die Lage, vor der wir heute stehen, bestätigt in jedem Punkt das, was wir in unserer Resolution zur internationalen Situation auf dem 14. Kongress der IKS im Frühjahr dieses Jahres schrieben:

Das Auseinanderbrechen der alten Blockstrukturen und der Blockdisziplin ließ der Entfaltung der nationalen Rivalitäten auf einem bislang nie gekannten Niveau freien Lauf und brachte einen wachsenden chaotischen Kampf des Jeder-gegen-jeden mit sich - von den Großmächten der Welt bis hin zu den finstersten örtlichen Warlords. Das äußerte sich in einer Zunahme lokaler und regionaler Kriege, in denen die Großmächte ständig Vorteile für sich herausschlagen wollen (...)

Die für die gegenwärtige Phase des kapitalistischen Zerfalls charakteristischen Kriege sind nicht weniger imperialistisch als die Kriege in den früheren Phasen der Dekadenz, aber sie haben an Ausmaß zugenommen, sind weniger kontrollierbar und schwieriger auch nur vorübergehend zu beenden. (...) Die kapitalistischen Staaten sind alle Gefangene einer Logik, die sich ihrer Kontrolle entzieht und die selbst im kapitalistischen Sinne immer weniger Sinn macht, und deshalb ist die Lage, vor der die Menschheit steht, so gefährlich und instabil.“ (vgl. Weltrevolution Nr. 106)

Wem nützt das Verbrechen?

Zum Zeitpunkt, als wir diesen Artikel verfassen, hat niemand – kein Staat, keine Terroristengruppe – die Verantwortung für die Attentate übernommen. Dabei liegt es auf der Hand, dass dazu eine lange Vorbereitung und großer Materialeinsatz erforderlich war; die Debatte unter den „Experten“ hat begonnen, ob dies nur die Tat einer Terroristengruppe sein konnte oder allein das Ausmaß der Angriffe die Beteiligung von Geheimdiensten irgendeines Staates erforderlich machte. All die öffentlichen Erklärungen der US-Behörden weisen mit dem Finger auf die Organisation al-Kaida Osama Bin Ladens, aber sollen wir diese Erklärungen notwendigerweise für bare Münze nehmen?4

In Ermangelung wirklich konkreter Beweise und aufgrund des geringen Vertrauens, das wir den bürgerlichen Medien schenken können, müssen wir der alten Detektivmethode treu bleiben und den Beweggrund für das Verbrechen finden. Wem nützt das Verbrechen?

Hätte eine andere Großmacht geneigt sein können, diesen Schlag zu wagen? Hätte ein europäischer Staat oder Russland oder China, - d.h. ein Staat, der durch die US-Supermacht verletzt worden ist, aber seine eigenen Ambitionen verdunkelt - geneigt sein können, den USA einen Schlag ins Herzen zu versetzen und damit das Ansehen dieser Supermacht auf der Welt zu untergraben? Diese These scheint uns a priori als unmöglich, da das Resultat der Attentate auf internationaler Ebene vorhersehbar war: Die USA mussten ihre Vorherrschaft erneut behaupten und ihre Entschlossenheit zeigen, militärisch überall gegen jeden loszuschlagen und ihre Fähigkeit unter Beweis stellen, alle Staaten der Erde – ob sie wollen oder nicht - hinter sich zu scharen.

Dann gibt es die sogenannten „Schurkenstaaten“ wie Irak, Iran, Libyen usw. Die Vermutung, dass sie beteiligt waren, erscheint uns zumindest unwahrscheinlich. Abgesehen von der Tatsache, dass diese Staaten in der Regel weniger „Schurken“ sind als von ihnen behauptet wird (die iranische Regierung z.B. unterstützt eher die Allianz mit den USA), liegt es auf der Hand, dass sie ein großes Risiko eingehen würden, wenn ihre Mittäterschaft aufgedeckt würde. Sie würden das Risiko der vollständigen militärischen Zerstörung auf sich nehmen, und der Vorteil solch einer Aktion erscheint für sie sehr ungewiss.

Im Nahen Osten beschuldigen die Palästinenser und der israelische Staat sich gegenseitig der terroristischen Umtriebe. Wir schließen sofort eine palästinensische Beteiligung aus: Arafat und seine Konsorten wissen genau, dass nur die USA Israel daran hindern können, die Missgeburt ihres Staates zu zerstören; und aus ihrer Sicht sind die Anschläge in New York ein totales Desaster, das „alles Arabische“ sofort in Misskredit geraten lässt. Die gleiche Herangehensweise – aber mit umgekehrten Vorzeichen, um der Welt und vor allem den USA aufzuzeigen, dass man den „Terroristen“ Arafat auslöschen muss – könnte jetzt angewendet werden mit der Frage nach einer israelischer Beteiligung: Der israelische Geheimdienst Mossad wäre sicherlich von seinen organisatorischen Fähigkeiten her dazu in der Lage, solche Angriffe durchzuführen, aber es ist kaum vorstellbar, dass der Mossad solch einen Schritt ohne die Zustimmung des US-Staates wagen würde.

Die US-Beschuldigungen sind vielleicht gerechtfertigt: Diese Attentate seien das Werk einer Gruppe, d.h. eines Teils dieser nebulösen Menge von Terroristengruppen, die es zuhauf im Nahen Osten und in anderen Teilen der Welt gibt. Dann wäre es viel schwerer, das Motiv zu erhellen, denn diese Gruppen haben keine leicht erkennbaren staatlichen Interessen. Aber man kann hinzufügen: Selbst wenn die Gruppe al-Kaida beteiligt wäre, würde das nicht viel zur Klärung beitragen: Der Zerfall der kapitalistischen Weltwirtschaft wird seit Jahren geprägt von dem Aufblühen einer gewaltigen Schattenwirtschaft, die sich auf den Drogenhandel, die Prostitution, Waffen- und Flüchtlingshandel stützt. So hat das finstere islamische Regime der Taliban Afghanistan nicht daran gehindert, zum Hauptlieferanten für Opium und Heroin zu werden – im Gegenteil. In Russland hat der Geschäftsmann Berezowski, ein enger Freund Jelzins, nie ein Hehl aus seinen Geschäftsverbindungen zur tschetschenischen Mafia gemacht. In Lateinamerika finanzieren sich linksextreme Guerrillagruppen wie die kolumbianische FARC durch den Verkauf von Kokain. Überall manipulieren die Staaten diese Gruppen gemäß ihrer eigenen Interessen. Und das zumindest seit dem 2. Weltkrieg, als die US-Armee den Mafia-Boss Lucky Luciano aus dem Gefängnis ließ, um den USA bei der Landung ihrer Truppen in Sizilien behilflich zu sein. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass gewisse Geheimdienste auf eigene Faust gehandelt haben, unabhängig vom Willen ihrer Regierungen.

Die letzte Hypothese mag als „wahnsinnigste“ erscheinen: Die US-Regierung oder ein Teil von ihr - innerhalb der CIA zum Beispiel - hätte vielleicht die Attentate mit vorbereitet, sie hervorgerufen und sie stattfinden lassen ohne einzugreifen. Es stimmt, dass der Schaden, der für die weltweite Glaubwürdigkeit der USA und auch auf wirtschaftlicher Ebene entstanden ist, zu groß erscheint, um sich eine solche Vermutung überhaupt vorzustellen.

Bevor man sie jedoch verwirft, sollte man den weiter reichenden Vergleich mit dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour (dieser Vergleich wird übrigens in der Presse oft gezogen) ziehen und einen Blick auf die Geschichte werfen.

Am 8. Dezember 1941 griffen japanische Marine- und Flugzeugverbände den US-Stützpunkt in Pearl Harbour auf Hawaii an, wo nahezu die gesamte US-Flotte des Pazifiks vor Anker lag. Die für die Sicherheit auf dem Stützpunkt verantwortlichen Militärs waren durch diesen Angriff völlig überrascht, und der Angriff richtete großen Schaden an: Die meisten vor Anker liegenden Schiffe sowie mehr als die Hälfte der Flugzeuge wurden zerstört; man beklagte 4‘500 Tote und Verletzte auf amerikanischer Seite im Vergleich zu 30 verlorenen Flugzeugen auf japanischer Seite. Während bis zum damaligen Zeitpunkt die Mehrheit der US-Bevölkerung gegen einen Kriegseintritt der USA gegen die Achsenmächte war und die isolationistischen Bereiche der US-Bourgeoisie, die im Komitee „Amerika zuerst“ zusammengeschlossen waren, eine große Rolle spielten, brachte der „heuchlerische und feige“ Angriff der Japaner jeglichen Widerstand gegen einen Kriegseintritt zum Schweigen. Präsident Roosevelt, der von Anfang an für den Kriegseintritt war und seit geraumer Zeit für eine militärische Unterstützung Englands eintrat, erklärte: „Wir müssen feststellen, dass der moderne Krieg, so wie er von den Nazis geführt wird, eine widerwärtige Angelegenheit ist. Wir wollten nicht in den Krieg eintreten. Jetzt sind wir am Krieg beteiligt und wir werden mit all unseren Kräften kämpfen.“ Er vermochte es, eine lückenlose nationale Einheit um seine Politik herzustellen.

Nach dem Krieg wurde auf Betreiben der Republikaner eine umfassende Untersuchung angestellt, die aufklären sollte, warum das US-Militär so stark von den japanischen Angriff überrascht worden war. Diese Untersuchung brachte deutlich ans Tageslicht, dass höchste politische Stellen die Verantwortung für den japanischen Angriff und dessen Erfolg trugen. Einerseits hatten sie während der japanisch-amerikanischen Verhandlungen, die zu diesem Zeitpunkt stattfanden, für Japan unannehmbare Bedingungen aufgestellt, insbesondere ein Embargo für Öllieferungen an Japan. Andererseits hatten sie, obwohl sie über die japanischen Vorbereitungen (insbesondere durch Entschlüsselung des Nachrichtenkodes des japanischen Generalstabs) voll im Bild waren, die Leitung des Militärstützpunktes in Pearl Harbour nicht unterrichtet. Roosevelt hatte gar den Admiral Richardson getadelt, der sich der Bündelung der gesamten Pazifikflotte in dieser Basis widersetzt hatte. Man muss allerdings bemerken, dass die drei Flugzeugträger (d.h. bei weitem die wichtigsten Kriegsschiffe), die dort normalerweise stationiert waren, den Hafen einige Tage zuvor verlassen hatten. Tatsächlich stimmen heute die meisten ernsthaften Historiker darin überein, dass die US-Regierung Japan provoziert hatte, um den Kriegseintritt der USA in den 2. Weltkrieg zu rechtfertigen und die Unterstützung der US-Bevölkerung und aller Teile der Bourgeoisie zu erlangen.

Es ist heute schwierig zu sagen, wer der Verantwortliche für die Attentate in New York ist; insbesondere ist es schwierig zu behaupten, dass es sich um eine Neuauflage des Angriffs auf Pearl Harbour handelt. Was wir dagegen mit Sicherheit sagen können, ist, dass die USA als allererste davon profitieren, womit sie eindrucksvoll unter Beweis stellen, wie sie aus dem Schlag gegen sie Kapital schlagen können.

Wie die USA Nutzen aus der Lage ziehen

The Economist fasste es sehr knapp zusammen: „Die von den USA zusammengestellte Koalition ist sehr außergewöhnlich. Diese Allianz umfasst Russland, die NATO-Länder, Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan, Saudi-Arabien und die anderen Golfstaaten, schweigende Zustimmung Irans und Chinas – das wäre vor dem 11. September nicht denkbar gewesen.“

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte hat die NATO den Bündnisfall gemäß Artikel 5 erklärt, wonach alle Mitgliedsstaaten gezwungen sind, einem von Außen angegriffenen Mitgliedsstaat Hilfe zu leisten. Noch außergewöhnlicher ist, dass der russische Präsident Putin seine Zustimmung zur Benutzung russischer Stützpunkte für „humanitäre Operationen“ (die sicherlich ebenso „humanitär“ sind wie die Bombardierung des Kosovos) gegeben und gar logistische Hilfe angeboten hat. Russland stellt sich nicht dagegen, dass Tadschikistan und Usbekistan es den USA erlaubt haben, ihre Flughäfen für militärische Operationen der USA gegen Afghanistan zu benutzen. Amerikanische und britische Truppen befinden sich wohl schon vor Ort und leisten der Nordallianz Hilfe, die als einzige afghanische Gruppe noch gegen die Taliban-Regierung aufmarschieren kann.

Offensichtlich geschieht all dies nicht ohne Hintergedanken. Russland, um damit zu beginnen, beabsichtigt aus der gegenwärtigen Situation einen Vorteil zu erringen, indem es jede Kritik an seinem blutigen Krieg in Tschetschenien zum Verstummen bringt und die Versorgung der Rebellen aus Afghanistan (die bestimmt nicht ohne Mitwirkung des ISI, des pakistanischen Geheimdienstes, zustande kam) unterbindet. Usbekistan begrüßt die Ankunft US-amerikanischer Truppen als Druckmittel gegen Russland, den lästigen Grossen Bruder.

Was die europäischen Staaten betrifft, so schliessen sich diese nicht aus freien Stücken den USA an, und jeder versucht, möglichst seine Handlungsfreiheit zu erhalten. Im Moment erklärt einzig die britische Bourgeoisie eine totale, auch militärische Solidarität mit den USA mit der Präsenz von 20‘000 Soldaten im Persischen Golf (dem größten Kontingent seit dem Falklandkrieg) und der Entsendung der Eliteeinheit SAS nach Usbekistan. Auch wenn die englische Bourgeoisie in den letzten Jahren gegenüber den USA mit ihrer Unterstützung für eine europäische schnelle Eingreiftruppe, die unabhängig von den USA agieren kann, und der Zusammenarbeit mit den französischen Seestreitkräften eine gewisse Distanz aufgebaut hat, so ist sie durch ihre eigene Geschichte im Nahen Osten und ihren historischen und vitalen Interessen in dieser Region gezwungen, sich heute hinter die USA zu stellen. England spielt wie alle anderen sein eigenes Spiel, und in der jetzigen Situation beinhaltet dies eine treue Zusammenarbeit mit Amerika. So drückte es Lord Palmerston schon im 19. Jahrhundert aus: „Wir haben keine ewigen Verbündeten und keine dauernden Feinde. Unsere Interessen sind permanent, und es ist unsere Pflicht, diese aufrecht zu erhalten.“ (zitiert aus Kissinger, Die Diplomatie) Lord Robertson, der aktuelle NATO-Generalsekretär konnte es sich nicht verkneifen, die Selbständigkeit jedes Mitgliedslandes zu betonen: „Es ist klar, dass für jeden Staat eine würdevolle moralische Verpflichtung besteht, Hilfe zu leisten. Diese wird einmal davon abhängen, was das angegriffene Land entscheidet, und auch von der Art, wie die Mitgliedsländer an dieser Operation teilnehmen können.“ (Le Monde, 15.9.2001) Frankreich ist da noch nuancierter: Für Alain Richard, den Verteidigungsminister, können die Prinzipien „der gegenseitigen Unterstützung (der NATO) gut angewandt werden“, doch „jede Nation macht dies mit den für sie passenden Mitteln“, und wenn „die militärische Aktion notwendig ist, um die terroristische Bedrohung einzudämmen, dann gibt es nichts anderes“. „Solidarität bedeutet nicht Blindheit“, fügte Henri Emmanuelli, ein Führer der Sozialdemokratischen Partei an.5 Präsident Chirac setzte bei seinem Besuch in Washington das Tüpfchen aufs I: „Die militärische Zusammenarbeit kann selbstverständlich in Erwägung gezogen werden, doch nur in dem Maße, wie wir uns zuvor über die Ziele und Modalitäten einer Aktion, deren Ziel die Ausschaltung des Terrorismus ist, absprechen.“ (zitiert aus Le Monde, 15. und 20.9.2001).

Es gibt einen Unterschied zwischen der heutigen Situation und derjenigen des Golfkrieges von 1990/91. Vor 11 Jahren schloss die von den USA einberufene Allianz die militärischen Kräfte verschiedener europäischer und arabischer Staaten (vor allem Saudi-Arabien und Syrien) zusammen. Heute sind die USA gewillt, auf der militärischen Ebene alleine vorzugehen. Dies zeigt auf, wie sehr ihre diplomatische Isolation wie auch das Misstrauen gegenüber ihren „Alliierten“ seit jenem Krieg zugenommen haben. Die USA werden diese sicher dazu verpflichten, sie zu unterstützen, insbesondere indem sie versuchen werden, sich deren nachrichtendienstliche Netze dienstbar zu machen, doch werden die USA keine Fessel bei der militärischen Aktion dulden.

Es gilt noch einen anderen Vorteil hervorzuheben, den die herrschende Fraktion der US-amerikanischen Bourgeoisie auf der innenpolitischen Ebene aus der heutigen Lage zieht. Es gab schon immer eine „isolationistische“ Tendenz innerhalb der amerikanischen Bourgeoisie, die davon ausgeht, dass ihr Land durch die Weltmeere genügend abgeschirmt und genug reich sei, um sich nicht in die Angelegenheiten der Welt einmischen zu müssen. Es war diese Fraktion, die sich gegen den Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg stemmte und die von Roosevelt nach dem Angriff auf Pearl Harbour zum Schweigen gebracht wurde. Es ist klar, dass diese Fraktion heute nichts zu sagen hat, und der Kongress bewilligte 40 Milliarden Dollar mehr für den „Kampf gegen den Terrorismus“, von denen 20 Milliarden ausschließlich dem Präsidenten zu Verwendung bereit stehen. Dies bedeutet eine enorme Verstärkung der zentralen Staatsmacht

Weshalb Afghanistan?

Mit einer außerordentlichen Schnelligkeit hat die Polizei und der amerikanische Geheimdienst einen Urheber des Attentats präsentiert: Osama Bin Laden und seine Taliban-Freunde.6 Und bevor auch nur ein einziger konkreter Beweis vorlag, hat der amerikanische Staat sein Ziel und seine Absicht bekannt gegeben: dem Taliban-Regime den Garaus zu machen. Zum Zeitpunkt, als wir diesen Artikel schreiben (und es ist sicher, dass sich die Situation dramatisch weiterentwickelt, bis diese Zeitschrift die Druckerei verlässt) kündigt die Presse die Präsenz von fünf amerikanischen und britischen Transportflugzeugen in der Region, die Landung von US-Flugzeugen in Usbekistan und einen vorgesehenen Angriff in den nächsten 48 Stunden an. Wenn man einen Vergleich anstellt mit den sechs Monaten Vorbereitungszeit vor der Attacke gegen den Irak 1991, so kann man sich wahrlich fragen, ob das alles nicht schon vorher geplant war. In jeden Fall ist es für die amerikanische Bourgeoisie entscheidend, ihre eigene Ordnung in Afghanistan durchzusetzen. Und das offensichtlich nicht um die reiche Wirtschaft oder die Märkte diese ausgebluteten Landes zu erobern. Weshalb also Afghanistan?

Dieses Land ist auf der ökonomischen Ebene nie von Interesse gewesen, doch genügt ein Blick auf die Landkarte, um seine strategische Wichtigkeit zu verstehen, die es seit mehr als zwei Jahrhunderten hat. Seit der Bildung des Raj (dem britischen Reich in Indien) und während des gesamten 19. Jahrhunderts war Afghanistan ein Ort der Konfrontation zwischen dem britischen und dem russischen Imperialismus in dem, was damals „das Große Spiel“ hieß. Großbritannien beobachtete mit Besorgnis das Vorrücken des russischen Imperialismus in Richtung der Emirate von Taschkent, Samarkand und Bukhara und noch mehr gegenüber seinen Jagdgründen in Persien (dem heutigen Iran). Großbritannien nahm nicht ohne Grund an, dass das Ziel der zaristischen Armeen die Eroberung Indiens sei, aus dem es enorme Profite und ein großes Prestige herausschlug. Deshalb unternahm es zwei militärische Feldzüge in Afghanistan (der erste endete in einer bitteren Niederlage mit dem Verlust von 16‘000 Mann und einem einzigen Überlebenden).

Das 20. Jahrhundert machte den Nahen Osten mit der Entdeckung von riesigen Ölreserven in dieser Region, mit der Abhängigkeit der Wirtschaft der entwickelten Länder und vor allem deren Armeen vom Öl, zu einem strategisch noch wichtigeren Gebiet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Afghanistan für die militärischen Pläne der beiden großen imperialistischen Blöcke zur Drehscheibe in der Region. Die USA vereinigten die Türkei, Iran und Pakistan in der CENTO (Central Treaty Organisation), der Iran war gespickt mit amerikanischen Abhörstationen, und die Türkei wurde eine der stärksten militärischen Mächte des Nahen Ostens. Pakistan wurde von den USA unterstützt als Bollwerk gegen Indien, welches gegenüber den russischen Ansprüchen sehr offen war.

Die islamische „Revolution“ im Iran entriss dieses Land dem Einfluss der USA. Russlands Invasion in Afghanistan 1979, das die Schwäche der USA zu seinen Gunsten nutzen wollte, bedeutete für die ganze Strategie des amerikanischen Blocks ein große Gefahr, und zwar nicht nur im Nahen und Mittleren Osten, sondern in ganz Asien. Da sie die russischen Stellungen nicht direkt angreifen konnten (vor allem wegen dem spektakulären Wiederaufflammen von Arbeiterkämpfen, ausgelöst durch den Massenstreik in Polen) reagierten die USA mittels einer auf die Beine gestellten Guerilla. Seit diesem Zeitpunkt haben die USA zusammen mit dem pakistanischen Staat und seinem ISI als Handlangern mit den modernsten Waffen die zweifellos rückständigste „Befreiungsbewegung“ auf der ganzen Welt unterstützt. Und um auch ihre Finger mit im Spiel zu haben beeilten sich die Geheimdienste Großbritanniens und Frankreichs, der Nordallianz von General Massud ihre Hilfe anzubieten.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben zwei neue Ereignisse die strategische Bedeutung Afghanistans verstärkt. Einerseits förderten das Auseinanderfallen Russlands und das Auftauchen neuer unbeständiger Staaten (Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisien, Turkmenistan, Armenien, Aserbaidschan und Georgien) den Appetit zweitrangiger imperialistischer Mächte: Die Türkei versuchte mittels Allianzen in den neuen Türkei-freundlichen Staaten Fuß zu fassen; Pakistan setzte auf das Taliban-Regime, um seinen Einfluss zu vergrößern und um Rückendeckung im Kaschmir-Krieg gegen Indien zu erhalten; und letzten Endes darf auch der Versuch Russlands, von neuem seine militärische Präsenz in der Region aufzubauen, nicht vergessen werden. Andererseits zieht die Entdeckung neuer wichtiger Ölreserven rund ums Kaspische Meer und vor allem in Kasachstan die großen westlichen Erdölkonzerne an.

Wir können an dieser Stelle nicht alle imperialistischen Rivalitäten und Konflikte genau beleuchten, welche diese Region seit 19897 erschüttern. Doch um ein Bild des Pulverfasses zu bekommen, welches Afghanistan umgibt, genügt es, einige dieser Konflikte und Gegnerschaften aufzulisten:

Die absurden Grenzen, die durch das Auseinanderfallen der UdSSR entstanden sind, bringen es mit sich, dass die reichste und bevölkertste Region - das Fergana-Tal – aufgeteilt ist zwischen Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisien, und zwar so, dass keiner dieser Staaten über eine direkte Route zwischen der Hauptstadt und seinem bevölkerungsreichsten Teil besitzt.

Nach einem fünfjährigen Bürgerkrieg sind die Islamisten der „Tadschikischen Vereinigten Union“ in die Regierung eingetreten; dennoch muss man sich bewusst sein, dass sie ihre Verbindungen zur islamischen Bewegung in Usbekistan (der stärksten Guerillabewegung) nicht abgebrochen haben, vor allem weil letztere tadschikisches Gebiet passieren muss, um Usbekistan von ihren Basen in Afghanistan aus anzugreifen:

Usbekistan ist das einzige Land, welches die Präsenz russischer Truppen auf seinem Territorium zurückgewiesen hat, und steht deshalb unter dem Druck Russlands.

Pakistan unterstützt seit jeher die Taliban, dies auch mit einer Beteiligung von 2000 Soldaten an den letzten Offensiven gegen die Nordallianz. Es erhofft sich damit, eine „strategische Vertiefung“ in der Region gegenüber Indien und Russland zu schaffen, nicht zu sprechen vom lukrativen Heroinhandel, der zum größten Teil via Pakistan läuft und von den Generälen des ISI kontrolliert wird.

China, welches seine eigenen Probleme mit den Uigur-Separatisten in Xinjiang hat, versucht, seinen Einfluss in der Region auch durch die Shanghai-Coorporation-Organisation, welche die oben aufgeführten, nach dem Auseinanderbrechen der UdSSR entstandenen Staaten (mit Ausnahme von Turkmenistan, das von der UNO als neutral anerkannt wurde) und Russland umfasst, zu verstärken. Gleichzeitig will China mit den Taliban gut Freund bleiben und schickte sich an, einen Industrie- und Handelsvertrag mit ihrer Regierung abzuschließen.

Natürlich stehen die USA nicht abseits. Sie haben der wenig anerkannten usbekischen Regierung bereits Hilfe zukommen lassen: „Das US-Militär kennt das usbekische Militär und die Luftwaffenstützpunkte von Taschkent gut. Amerikanische Verbände haben an Manövern mit Truppen aus Usbekistan, Kasachstan und Kirgisien teilgenommen, als Teil der Centrazbat-Übungen im Rahmen des NATO-Programms „Partnerschaft für den Frieden“. Mehrere dieser Übungen fanden auf der Militärbasis von Chirchik, in der Nähe von Taschkent statt. Usbekistan hat sich seit seiner Unabhängigkeit 1991 auch aktiv um US-Unterstützung bemüht, oft auf Kosten seiner Verbindungen zu Russland (...) Anlässlich einer Reise der damaligen Staatssekretärin Albright in dieser Region im Jahre 2000 haben die USA Usbekistan militärisches Material für mehrere Millionen Dollar versprochen, und amerikanische Spezialeinheiten haben usbekische Truppen im Anti-Terror- und Gebirgskampf geschult.“.

Die USA intervenieren also in einem wahren Pulverfass, angeblich um dort den „dauerhaften Frieden“ einzuführen. Heute können wir nicht genau voraussagen, was das Resultat der ganzen Sache sein wird. Doch die Geschichte des Golfkrieges zeigt uns, dass heute, zehn Jahre nach Ende des Krieges:

die Region keinen Frieden kennt, solange Zusammenstöße zwischen Israelis und Palästinensern, zwischen Kurden und Türken, zwischen Regierungen und fundamentalistischen Guerillas sich zuspitzen, sowie auch die wöchentlichen Bombardierungen des Iraks durch amerikanische und britische Flugzeuge anhalten;

die US-Truppen sich in der Region fest auf ihren neuen Basen in Saudi-Arabien installiert haben und diese Präsenz selbst zu einer Quelle der Instabilität wird (antiamerikanisches Attentat in Dahran).

Wir können aber mit Sicherheit voraussagen, dass die in Afghanistan geführte Intervention keinen Frieden, keine Freiheit, keine Gerechtigkeit und keine Stabilität bringen wird, sondern einzig und allein mehr Krieg und Elend, so dass das Feuer des Hasses und die Hoffnungslosigkeit der Bevölkerung noch stärker geschürt werden, dieselbe Hoffnungslosigkeit, von welcher die Kamikazepiloten am 11. September beseelt waren.

Die Krise und die Arbeiterklasse

Nur einige Tage vor dem Attentat auf New York kündigte Hewlett-Packard die Übernahme von Compaq an. Diese Fusion wird 14'500 Stellen kosten. Das ist nur ein Beispiel unter vielen für die Vertiefung der Krise, die immer mehr zu- und immer stärker auf die Arbeiter einschlägt.

Nur einige Tage nach dem Anschlag kündigten United Airlines, US Air und Boeing Zehntausende von Entlassungen an. Seither sind ihrem Beispiel diverse Fluggesellschaften und Flugzeugproduzenten in der ganzen Welt gefolgt (Bombardier Aircraft, Air Canada, Scandinavian Airlines, British Airways und Swissair, um nur die letzten paar zu erwähnen).

Darüber hinaus behauptet die Bourgeoisie, ohne dabei rot zu werden, dass der Anschlag auf das World Trade Centre verantwortlich sei für die neue Krise, die nun über die Arbeiterklasse hereinbricht8. Die Erklärung scheint einen Anstrich von Wahrheit zu haben, da sich doch an der Börse aufgrund des Krachs nach dem 11. September 6,6 Billionen Dollar in Luft auflösten. Doch die Krise war schon vorher eine Tatsache, die Bosse nützten nur die Situation aus. Nach den Aussagen von Leo Mullin, dem CEO von Delta Airlines, wurde „die Sonderliquidität aufgrund des Geschäftsverlusts, der nur durch die Ereignisse vom 11. September verursacht wurde, berechnet, auch wenn der Kongress eine allgemeine Finanzspritze für die Industrie beschlossen hat (...) Die Nachfrage sinkt, während die laufenden Kosten steigen. Delta erleidet deshalb einen Abfluss von Mitteln.“ (Le Monde).

Die kapitalistische Welt ist schon voll von der Rezession erfasst, die sich natürlich zuerst in Angriffen auf die Arbeiterklasse ausdrückt. In den Vereinigten Staaten hat die Zahl der Arbeitslosen zwischen Januar und August 2001 um mehr als eine Million zugenommen. Riesenunternehmen wie Motorola und Lucent, die kanadische Nortel, die französische Alcatel, die schwedische Ericsson haben Zehntausende von Arbeitern entlassen. In Japan ist die Arbeitslosenrate in diesem Jahr von 2% auf 5% angestiegen9. Die haarsträubende Beschleunigung, mit der neue Entlassungswellen angekündigt werden (57‘000 zwischen 17. und 21. September in den USA) zeigt, wie die Bosse den Vorwand der Anschläge benutzten, um die Entlassungspläne, die sie schon seit Monaten vorbereitet hatten, in die Tat umzusetzen.

Die Arbeiterklasse bezahlt nicht nur für die Krise, sondern auch für den Krieg, und zwar nicht nur in den Vereinigten Staaten, wo sich die Rechnung bereits auf mindestens 40 Milliarden Dollar beläuft. In Europa sind sich alle Regierungen darin einig, dass sie ihre Anstrengungen im Hinblick auf die Bildung einer schnellen Eingreiftruppe, die den europäischen Mächten die unabhängige Intervention erlauben würde, erhöhen wollen. In Deutschland hat man 20 Milliarden DM für die militärische Aufrüstung noch nicht im Bundesbudget unterbringen können. Zweifellos wird man aber bald einen Platz dafür finden, und auch diese Rechnung werden die Arbeiter bezahlen müssen.

Die Solidarität des Burgfriedens ist entschieden eine Einbahnstraße, nämlich von den Arbeitern zur herrschenden Klasse! Und der Zynismus dieser herrschenden Klasse, die den Tod von Arbeitern als Vorwand für Stellenabbau benützt, kennt keine Grenzen.

Heute wie seit eh und je ist die Arbeiterklasse das erste Opfer des Krieges.

Ein Opfer mit dem eigenen Leib, aber vor allem auch in seinem Bewusstsein. Die Arbeiterklasse ist die einzige gesellschaftliche Kraft, die diesem System, das verantwortlich ist für den Krieg, ein Ende bereiten kann; die herrschende Klasse dagegen bedient sich des Kriegs, um zum Burgfrieden und der nationalen Einheit aufzurufen. Zur Einheit der Ausgebeuteten mit ihren Ausbeutern. Zur Einheit derer, die zuallererst unter dem Kapitalismus leiden, mit denen, die daraus ihre Genüsse befriedigen und ihre Privilegien ziehen.

Die erste Reaktion der Proletarier von New York, einer der größten Arbeiterstädte der Welt, war nicht diejenige eines rachedurstigen Chauvinismus. Zunächst gab es eine spontane Reaktion der Solidarität gegenüber den Opfern, wie dies mit den Schlangen von Blutspendern oder den Tausenden von individuellen Hilfeleistungen und Trostspenden bewiesen wurde. In den Arbeiterquartieren, wo man dann über die Toten trauerte, die nicht beerdigt werden konnten, stand auf Transparenten: „Hassfreie Zone“, „Zusammen zu leben ist die einzige Art, die Toten zu ehren“, „Krieg ist nicht die Antwort“. Es ist klar, dass diese Parolen von demokratischem und pazifistischem Geist durchdrungen sind. Ohne eine Kampfbewegung, die fähig ist, den kapitalistischen Angriffen einen starken Widerstand entgegen zu setzen, und vor allem ohne revolutionäre Bewegung, die fähig ist, sich in der Arbeiterklasse Gehör zu verschaffen, wird diese spontane Solidarität erbarmungslos weggefegt durch die gewaltige Patriotismuswelle, die die Medien seit den Attentaten in Bewegung gesetzt haben. Für diejenigen, die versuchen, sich der Kriegslogik zu entziehen, breitet der Pazifismus seine Arme aus, der immer der erste Kriegstreiber ist, wenn sich das „Vaterland in Gefahr“ befindet. So kann man beispielsweise auf einer pazifistischen Website folgende Erklärung (eines Einzelnen) lesen. „Wenn eine Nation angegriffen wird, muss der erste Entscheid sein, ob man kapituliert oder kämpft. Ich denke, dass es da keinen Mittelweg gibt: Entweder kämpft ihr, oder ihr kämpft nicht, und nichts zu tun heißt zu kapitulieren.“ (Willamette Week Online) Für die Grünen ist „die Nation heute geeint: Wir wollen nicht als uneinig mit der Regierung erscheinen.“ (Alan Metrick, Sprecher von Natural Resources Defence Council, 530‘000 Mitglieder, zitiert in Le Monde, 28. September 2001):

„Der Weltfriede kann weder durch internationale Schiedsgerichte kapitalistischer Diplomaten noch durch diplomatische Abmachungen über ‚Abrüstung‘, (...) und dergleichen utopische oder in ihrem Grunde reaktionäre Projekte gesichert werden. Imperialismus, Militarismus und Kriege sind nicht zu beseitigen und nicht einzudämmen, solange die kapitalistischen Klassen unbestritten ihre Klassenherrschaft ausüben. Die einzige Sicherung und die einzige Stütze des Weltfriedens ist der revolutionäre Wille und die politische Aktionsfähigkeit des internationalen Proletariats.“

Das schrieb Rosa Luxemburg 1915 (Leitsätze über die Aufgaben der internationalen Sozialdemokratie) mitten in einer der dunkelsten Zeiten, die die Menschheit bis dahin gekannt hatte, während sich die Proletarier der am meisten entwickelten Länder auf den Schlachtfeldern des imperialistischen Krieges massakrierten. Auch heute ist die Zeit eine schwierige, sowohl für die Arbeiter im allgemeinen als auch für die Revolutionäre im besonderen, die das Banner der kommunistischen Revolution, koste es, was es wolle, hoch halten. Aber wir sind mit Rosa Luxemburg davon überzeugt, dass die Alternative Sozialismus oder Barbarei heißt und dass die Arbeiterklasse die einzige gesellschaftliche Kraft bleibt, die fähig ist, der Barbarei zu widerstehen und den Sozialismus zu errichten. Mit Rosa Luxemburg behaupten wir, dass die Beteiligung der Arbeiter am Krieg nicht bloß „ein Attentat (...) auf die bürgerliche Kultur der Vergangenheit (ist), sondern auf die sozialistische Kultur der Zukunft, ein tödlicher Streich gegen diejenige Kraft, die die Zukunft der Menschheit in ihrem Schoß trägt und die allein die kostbaren Schätze der Vergangenheit in eine bessere Gesellschaft hinüberretten kann. Hier enthüllt der Kapitalismus seinen Totenschädel, hier verrät er, dass sein historisches Daseinsrecht verwirkt, seine weitere Herrschaft mit dem Fortschritt der Menschheit nicht mehr vereinbar ist. (...) Der Wahnwitz wird erst aufhören und der blutige Spuk der Hölle wird verschwinden, wenn die Arbeiter (...) endlich aus ihrem Rausch erwachen, einander brüderlich die Hand reichen und den bestialischen Chorus der imperialistischen Kriegshetzer wie den heiseren Schrei der kapitalistischen Hyänen durch den alten mächtigen Schlachtruf der Arbeit überdonnern: Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“

Jens, 3. Oktober 2001


1 Es sei hinzugefügt, dass alle Staaten Geheimdienste unterhalten, die jeweils Abteilungen für „schmutzige Angelegenheiten“ haben, und wenn sie nicht ihre eigenen Killer beschäftigen, immer bereit sind, auf die Dienste von anderen, unabhängig Handelnden zurückzugreifen.

2 Den Enthüllungen von Robert Gates (ehemaliger CIA-Chef) zufolge haben die USA nicht nur auf die russische Invasion Afghanistans reagiert, sondern sie haben sie absichtlich hervorgerufen, indem sie der damaligen pro-sowjetischen Opposition in Kabul unter die Arme griffen. Zbigniew Brzezinski (ehemaliger Berater Präsident Carters) sagte 1998 in einem Interview mit dem Nouvel Observateur: „Diese geheime Operation war eine exzellente Idee. Sie machte es möglich, die Russen in die afghanische Falle zu locken; erwarten Sie, dass ich das bedauere? An dem Tag, als die Sowjets offiziell die Grenze überschritten, schrieb ich Präsident Carter im wesentlichen: ‚Jetzt haben wir die Gelegenheit, der UdSSR ihren Vietnamkrieg aufzuzwingen (...) Wer ist wichtiger für die Geschichte der Welt? Die Taliban oder der Zusammenbruch des Sowjetreiches?‘“ (zitiert in Le Monde Diplomatique, Sept. 2001).

 

3 Siehe unsere Broschüre „Die Dekadenz des Kapitalismus“.

4 Erinnern wir uns an den Lockerbie-Prozess gegen die Agenten des libyschen Geheimdienstes. Die USA und Großbritannien haben steif und fest behauptet, dass die Libyer verurteilt werden müssten, auch nachdem klar geworden war, dass die Verantwortlichen eher auf syrischer Seite zu suchen waren. Aber damals streckten die USA gegenüber Syrien die Hand aus, um zu versuchen, es am Friedensprozess zwischen Israel und Palästina zu beteiligen.

5 Nebenbei sei bemerkt, dass die sogenannte Kommunistische Partei Frankreichs keine derartigen Gefühlsregungen zeigte: Am 13. September hielt der nationale Rat des PCF eine zweiminütige Schweigeminute ein, „um dem ganzen amerikanischen Volk, der Gesamtheit der Bürgerinnen und Bürger dieses großen Landes und der Regierung, die sie sich gegeben haben, die Solidarität auszudrücken“. Oder was soll man sagen zum Titel von Lutte Ouvrière: „Man kann den Krieg nicht an allen vier Ecken der Welt aufrechterhalten, ohne dass es einem eines Tages selbst trifft“. Mit anderen Worten: „Getötete amerikanische Arbeiter, das stopft euch die Fresse“.

6 Bezüglich dieser Schnelligkeit tun sich einige Fragen auf: ein Mietwagen mit arabischen Flughandbüchern wurde nur wenige Stunden nach dem Attentat entdeckt, auch wenn die Kamikaze-Piloten seit Monaten, wenn nicht sogar seit Jahren in den USA gewohnt hatten; der Bericht über ein in den Trümmern des World Trade Centers gefundenen Passes, der einem der Terroristen gehörte und offenbar nicht einmal durch die Explosion von einigen hundert Tonnen Kerosin zerstört wurde...  

7 Wir gehen hier nicht im Besonderen auf die dauernden Konflikte um den Bau von neuen Pipelines zum Transport des Erdöls vom Kaspischen Meer zu den hochentwickelten Ländern ein, bei denen Russland versucht, eine Linie durch Tschetschenien und Russland bis nach Novorossiysk an der russischen Schwarzmeerküste zu errichten und die US-Regierung dagegen die Route Baku-Tiflis-Ceyhan (also Aserbaidschan-Georgien-Türkei) bevorzugt, welche Russland komplett umgeht. Es sei hier lediglich bemerkt, dass die US-Regierung ihre bevorzugte Route zum Nachteil der großen Erdölkonzerne erzwingen musste, welche diese als wirtschaftlich uninteressant bezeichneten.    

8 Wie sie es schon 1974 tat, als die Krise angeblich durch den Anstieg der Ölpreises verursacht wurde, welche Erklärung dann auch wieder 1980 herhalten musste. Und was die Krise von 1990-93 betrifft, so sei sie die Folge des Golfkriegs gewesen ...

9 Anzufügen bleibt, dass zwar diese Rate im Vergleich zu beispielsweise Frankreich als niedrig erscheint, dies aber nur den Erfolg des japanischen Staates nicht im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, sondern in der Zahlenschieberei unter Beweis stellt.

Aktuelles und Laufendes: 

Theoretische Fragen: