Gespeichert von Weltrevolution am
Um auch diese „Wahlunwilligen“ für das scheindemokratische Ritual des Staates zu mobilisieren, werden verschiedene „radikale Alternativen“ aufgestellt, um auch den letzten „Bürger“ wenigstens zur „Protestwahl“ zugunsten einer PDS oder DVU zu bewegen. Denn für den Erhalt des Ausbeutersystems ist es weniger wichtig, wer gewählt wird - Hauptsache es wird gewählt. Die Parlamentswahlen gehören zu den wichtigsten Mitteln, um die zerstörerische Herrschaft einer winzigen Minderheit von Kapitalisten über den Rest der Menschheit zu legitimieren. Indem die Ausgebeuteten und Entrechteten, allen voran die Mitglieder der Arbeiterklasse, sich an den Wahlen beteiligen, verleihen sie dem totalitären kapitalistischen Staat den demokratischen Anstrich, den er braucht.
Trotzkisten und Anarchisten: Fallensteller
Freilich: nicht jeder, der am Wahltag Zuhause bleibt, tut dies aus Skepsis, gar Ablehnung gegenüber diesem Gesellschaftssystem, sondern oft aus Passivität und Depolitisierung. Gefährlich hingegen sind die Strömungen innerhalb der Arbeiterklasse, welche von der Wahlurne aus dem Gefühl heraus fernbleiben, daß die bürgerlichen Parteien „alle unter einer Decke stecken“, und daß die Angriffe der Herrschenden unabhängig vom Wahlausgang erfolgen. Am gefährlichsten für die bürgerliche „Ordnung“ sind die kleinen Minderheiten, politisch suchender Leute innerhalb der Arbeiterklasse, welche aus einer klassenkämpferischen Haltung heraus die Teilnahme an den Wahlen verweigern. Um dieser gefährlichen Einstellung in der Arbeiterklasse - die heute erst von Minderheiten vertreten wird - zu begegnen, verfügt der Kapitalismus über besonders radikale Laufburschen: die extreme Linke, die Trotzkisten und Anarchisten.
Die Trotzkisten übernehmen dabei die Aufgabe, den nach revolutionärer Orientierung suchenden politischen Minderheiten der Arbeiterklasse vorzugaukeln, die „kritische“ Teilnahme an den bürgerlichen Wahlen gehöre unerschütterlich zu den Prinzipien des revolutionären Marxismus. Sie verfälschen dabei die Geschichte, indem sie ihre niederträchtigen bürgerlichen Wahlmanöver als die Fortsetzung der revolutionären Traditionen der Arbeiterbewegung hinstellen. Wer sich gegenüber dieser sogenannten „Taktik“ aber sträubt, wird in die Arme der Anarchisten getrieben. Denn die Vertreter des Anarchismus wie z.B. der FAU beteiligen sich nicht an den Wahlen: aber nicht zugunsten einer proletarischen Politik, sondern weil sie die „Politik“ überhaupt, und somit auch die Klassenpolitik des Proletariats ablehnen.
Es handelt sich hierbei objektiv um eine politische Arbeitsteilung zwischen Trotzkisten und Anarchisten, um die Arbeiter vor die falsche Alternative entweder „kritische“ trotzkistische Wahlbeteiligung oder anarchistisch, entpolitisierende „Enthaltsamkeit“.
Die marxistische Haltung zu den Wahlen
Vor dem 1. Weltkrieg beteiligten sich die Marxisten, im Gegensatz zu den Anarchisten, an den bürgerlichen Wahlen. Sie beteiligten sich aber nicht etwa deshalb daran, weil der Parlamentarismus sowie die Wahlbeteiligung „ewige proletarische Wahrheiten“ wären, (wie der heutige Trotzkismus glauben machen will) sondern weil damals der Kapitalismus noch ein aufsteigendes, historisch fortschrittliches Gesellschaftsystem war, und deshalb die proletarische Revolution noch nicht möglich war. Möglich war damals dagegen der Kampf um dauerhafte Reformen innerhalb eines expandierenden Systems, sowie die Vorbereitung des Proletariats auf die künftige Revolution. Die marxistische Wahlbeteiligung war kein Selbstzweck, sondern diente diesem Ziele.
„Jeder Kommunist kennt heute die Gründe, weshalb diese Kampfmethoden während jener Zeit notwendig und nützlich waren“, schrieb Anton Pannekoek 1920 in Weltrevolution und kommunistische Taktik. „Wenn die Arbeiterklasse mit dem Kapitalismus emporkommt, ist sie noch nicht imstande und kann nicht einmal den Gedanken fassen, die Organe zu schaffen, durch die sie die Gesellschaft beherrschen und regeln könnte. Sie muss sich zuerst geistig zurechtfinden und den Kapitalismus und seine Klassenherrschaft begreifen lernen. Ihre Vorhut, die sozialdemokratische Partei, muss durch ihre Propaganda das Wesen der Regierung enthüllen und durch das Aufstellen der Klassenforderungen den Massen ihre Ziele zeigen. Dazu war es notwendig, dass ihre Wortführer in die Parlamente, die Zentren der Bourgeoisherrschaft, eindrangen, dort ihre Stimme erhoben und sich an den politischen Parteikämpfen beteiligten.“ (1)
Die stalinistischen und trotzkistischen Verfälscher der Geschichte tun so, als ob diese Bedingungen immer noch gelten würden. In der Einleitung zu den Leitsätzen des 2. Weltkongresses der Kommunistischen Internationalen, (übrigens von Trotzki selbst 1920 verfaßt) wurde allerdings das exakte Gegenteil behauptet: „Gegenwärtig kann das Parlament für die Kommunisten auf keinen Fall ein Schauplatz des Kampfes um Reformen, um Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse sein, wie das in gewissen Augenblicken der vergangenen Periode der Fall war. Der Schwerpunkt des politischen Lebens hat sich vollkommen aus dem Parlament verschoben, und zwar endgültig“. (...) Die unmittelbare historische Aufgabe der Arbeiterklasse besteht deshalb darin, diesen Apparat den Händen der Bourgeoisie zu entreißen, sie zu zerbrechen, zu vernichten, und an ihre Stelle neue, proletarische Machtorgane zu setzen.“ (2)
Während der Trotzkismus heute zur Wahl Schröders oder Gysis, ja zur Verteidigung der bürgerlichen Demokratie „gegen Rechts“ aufruft, rief die Kommunistische Internationale 1920 zur Vernichtung dieser Demokratie und ihres Parlaments auf, da sie nichts als Feigenblätter der Diktatur des Kapitals sind. Das ist der ganze Unterschied zwischen bürgerlicher und proletarischer Politik.
Die Anarchisten hingegen hielten damals, halten heute die Kriegserklärung der Kommunistischen Internationalen für eine Bankrotterklärung gegenüber der Parlaments- und Wahlbeteiligung der Marxisten vor dem 1. Weltkrieg. Der Anarchismus mit seiner moralischen, unhistorischen Herangehensweise ist unfähig zu begreifen, dass eine Politik, welche in der aufsteigenden Phase des Kapitalismus richtig war, in der Dekadenzphase dieses Systems nach 1914 ihre Gültigkeit verliert. Wie die Leitsätze von 1920 feststellen: „Die Stellung der III. Internationale zum Parlamentarismus wird nicht durch eine neue Doktrin, sondern durch die Änderung der Rolle des Parlamentarismus selbst bestimmt. In der vergangenen Epoche hat das Parlament als Instrument des sich entwickelnden Kapitalismus in gewissem Sinne eine historisch fortschrittliche Arbeit geleistet. Aber unter den gegenwärtigen Verhältnissen, unter dem zügellosen Imperialismus, ist das Parlament zu einem Werkzeug der Lüge, des Betruges, der Gewalttat und des entnervenden Geschwätzes geworden.“ (3)
Während Trotzkisten und Anarchisten mit a-historischen bürgerlichen Phrasen um sich werfen, arbeitete die Kommunistische Internationale also noch 1920 mit der revolutionären Methode des historischen Materialismus, mit der marxistischen Theorie. War das Parlament in der aufsteigenden Phase des Kapitalismus ein wirkliches Machtinstrument und politisches Forum der herrschenden Klasse, brach mit dem 1. Weltkrieg das Zeitalter des Staatskapitalismus und des bürgerlichen Totalitarismus an. Während die wirklichen politischen Entscheidungen damit nicht mehr vom gesetzgebenden Parlament, sondern hinter den Kulissen von den ausführenden („exekutiven“) Staatsorganen getroffen werden, wurde dennoch die Hülle der bürgerlichen Demokratie mit ihrem parlamentarischen Herzstück als Attrappe, als Täuschung gegen die Arbeiterklasse stehengelassen. „Die Bourgeoisie stützt sich in erster Linie auf den Exekutivapparat des Staates, der ihr auch dazu dient, sich die Mehrheiten in den gewählten Institutionen zu sichern.“ (Thesen der kommunistischen wahlboykottierenden Fraktion der sozialistischen Partei Italiens - Mai 1920).
Bürgerliche Demokratie: Waffe des Kapitals
Als die Kommunistische Internationale im März 1919 gegründet wurde, auf dem Höhepunkt der revolutionären Nachkriegswelle, bildeten die Kommunisten in den meisten Ländern eine kleine Minderheit im Vergleich zu den Massenparteien und Gewerkschaften der im Weltkrieg auf die Seite des Imperialismus übergewechselten Sozialdemokratie. Anstatt deswegen zu zögern, den vollständigen Bruch mit der Sozialdemokratie und ihren politischen Positionen zu vollziehen, besannen sich die Kommunisten bei der Gründung der Internationale auf die Erfahrung der Bolschewiki während der russischen Revolution, welche Lenin bereits im Frühjahr 1917 in seinen „Aprilthesen“ so formulierte: „Es kommt nicht auf die Zahl an, sondern auf den richtigen Ausdruck der Ideen und der Politik des wirklich revolutionären Proletariats.“ Wie Lenin während des Weltkriegs stets wiederholte „Besser zu zweit bleiben, wie Liebknecht - und das heißt beim revolutionären Proletariat bleiben.“
Somit bildeten die von Lenin verfaßten Thesen über bürgerliche Demokratie und Diktatur des Proletariats - die eine glänzende Verwerfung der gerade von der Sozialdemokratie verbreiteten Illusionen über die bürgerliche Demokratie und den Parlamentarismus waren- das Hauptwerk der neugegründeten Internationalen. Und in den zwei wichtigsten Zentren der damaligen Revolution in Westeuropa, in Deutschland und Italien, eroberte rasch die Position, die die Wahlbeteiligung ablehnte, die Mehrheit unter den Kommunisten. Der Gründungsparteitag der KPD Ende 1918 lehnte mit großer Mehrheit die Teilnahme an den Parlamentswahlen ab, welche von der konterrevolutionären Sozialdemokratie einberufen wurden, um die revolutionären Arbeiterräte in Deutschland zu zerstören. Und tatsächlich: enthüllten gerade die revolutionären Kämpfe des Jahres 1919 in Europa, daß der bürgerliche Parlamentarismus seinen fortschrittlichen Charakter verloren hatte und endgültig konterrevolutionär geworden war. Neben der raschen Beendigung des Weltkriegs war es die Waffe der bürgerlichen Demokratie im allgemeinen, und der Parlamentswahlen im besonderen, welche entscheidend zur Niederlage der Revolution in Deutschland, Italien und im ehemalig österreichisch-ungarischen Reich führten.
Die Frage des Parlamentarismus auf dem 2. Kongress der Komintern 1920
Als diese Frage auf dem 2. Weltkongress der Komintern im Sommer 1920 debattiert wurde, und die Kongressmehrheit sich unter dem Eindruck der Niederlage der Revolution in Mitteleuropa und der noch ungebrochenen Stärke der Sozialdemokratie in Westeuropa für eine Teilnahme an den Parlamentswahlen aus „taktischen“ Erwägungen aussprach, bildete sich erstmals um diese Frage deutlich eine internationale Opposition der Linkskommunisten heraus. Zwar hatte das Konzept Lenins und Bukharins von einem „revolutionären Parlamentarismus“, der „von innen“ zur revolutionären Zerstörung der bürgerlichen Demokratie beitragen sollte, nichts gemein mit den rein bürgerlichen „Wahlkämpfen“ der heutigen Trotzkisten. Doch war diese Politik schon damals nicht nur eine Illusion (die bürgerliche Demokratie kann nur durch die proletarischen Massenkämpfe zerstört werden) sondern eine opportunistische Gefahr für die Internationale. Die kommunistische, die Wahlen boykottierende Fraktion der Sozialistischen Partei Italiens vertrat auf diesem Kongress die Position der Linkskommunisten. Der Bericht Bukharins zu dieser Frage wurde durch einen Gegenbericht Bordigas, dem späteren Begründer der Kommunistischen Partei in Italien, beantwortet. Die von Bordiga eingebrachten Thesen, die die Lehren aus den ersten Niederlagen der Revolution in Westeuropa zogen, erkannten, dass weder die Zerstörung der demokratischen Illusionen der Massen noch der vollständige Bruch mit den Sozialdemokratien - den zwei wichtigsten Vorbedingungen eines revolutionären Siegs - ohne Bekämpfung der Wahlen durch die Kommunisten möglich waren. Es ist unmöglich, erklärten die Thesen, die demokratischen Lügen der Bourgeoisie zu zerstören
‘ohne daß mit den traditionellen Methoden des Aufrufs an die Arbeiter zur Wahlbeteiligung Seite an Seite mit Mitgliedern der Bourgeoisie gebrochen wird, und ohne daß man aufhört, daß Delegierte des Proletariats auf dem gleichen parlamentarischen Boden handeln wie die Delegierten ihrer Ausbeuter.’ (7. These)
Die Thesen erkannten ebenfalls, dass die Bekämpfung der Wahlen nicht nur gegenüber den Massen, sondern für die revolutionäre Partei selbst lebenswichtig geworden war.
‘Wenn man den Parteien, die durch einen Mehrheitsbeschluß der III. Internationale beigetreten sind, die Fortsetzung der Wahlbeteiligung zusteht, wird der notwendige Absonderungsprozeß und die Trennung von sozialdemokratischen Elementen scheitern, ohne den die III. Internationale ihre historische Rolle nicht erfüllen könnte, und sie wäre keine disziplinierte und homogene Armee mehr der Weltrevolution.’ (11. These)
Der angebliche Anarchismus der Kommunistischen Linken
Bereits die Verteidigung der Klassenpartei durch die oben erwähnte These widerlegt die heute noch weiterverbreitete Lüge, derzufolge die Linkskommunisten in der Parlamentsfrage auf die Argumentationsweise der Anarchisten zurückgefallen seien (wie zuletzt von der trotzkistischen „Spartakist-Tendenz“ in Bezug auf die KAPD behauptet wird). Vielmehr riet Bordiga in seinem Schlußwort den anwesenden Anarchisten, nicht für die antiparlamentarischen Thesen zu stimmen, wenn sie nicht deren marxistische Begründung teilten.
In Wahrheit intervenierte aber nicht nur die italienische kommunistische Linke, sondern auch die besten Vertreter der deutsch-holländischen Linkskommunisten - obwohl auf dem 2. Kongress nicht anwesend - in dieser Debatte, um die Klassenpartei vor dem tödlichen Opportunismus zu verteidigen. So Pannekoek in seinem Text Weltrevolution und kommunistische Taktik, den er als Diskussionsbeitrag zum 2. Weltkongress schrieb.
„Aus der Vorhut, die die ganze Klasse zum revolutionären Handeln hinter sich sammelt, wird sie zu einer parlamentarischen Partei, mit derselben legalen Position wie die anderen (..) eine Neuauflage der alten Sozialdemokratie unter neuen radikalen Losungen. Während im inneren Wesen zwischen der revolutionären Arbeiterklasse und der kommunistischen Partei kein Unterschied besteht, kein Gegensatz denkbar ist, da die Partei gleichsam das zusammengefasste klarste Klassenbewußtsein des Proletariats und seine wachsende Einheit verkörpert, zerbricht der Parlamentarismus diese Einheit“. Für die deutsch-holländische Linke ist der Parlamentarismus eine Gefahr für den proletarischen Internationalismus selbst, und damit für die Internationale insgesamt geworden. „In der parlamentarischen Aktion ist das Proletariat national geteilt und ist ein wirklich internationales Auftreten nicht möglich; in den Massenaktionen gegen das internationale Kapital fallen die nationalen Trennungen fort und ist jede Bewegung, auf welche Länder sie sich ausbreiten oder beschränken mag, Teil eines gemeinsamen Weltkampfes.“ (4 Und während der Anarchismus die Ablehnung der Politik, und somit Gleichgültigkeit gegenüber den Wahlen predigte, fordert der Linkskommunismus dazu auf, die bürgerlichen Wahlen aktiv politisch zu bekämpfen, indem man zu den wichtigsten Wahlveranstaltungen der linkskapitalistischen Parteien hingeht, um dieses bürgerliche Spektakel zu entlarven.
Nicht taktisches Manövrieren, sondern selbständiger Klassenkampf !
Im niedergehenden Kapitalismus kann das Proletariat nur siegen, indem die Massen ihren Kampf selbst in der Hand nehmen mittels direkt gewählter und kontrollierter, im Kampf selbst geschaffener Organe: der Streikkomitees usw., später der Arbeiterräte in der Revolution. Die bürgerliche Demokratie hingegen ist darauf ausgerichtet, die Arbeiterklasse passiv und zersplittert zu halten - symbolisiert durch den einsamen „Akt“ der Stimmabgabe in der Wahlkabine. „Das Problem der Taktik ist, wie in der proletarischen Masse die traditionelle bürgerliche Denkweise auszurotten ist, die ihre Kraft lähmt (..) Der Parlamentarismus hat die unvermeidliche Tendenz, die eigene, zur Revolution notwendige Aktivität der Massen zu lähmen.“ (Pannekoek, ibid)
Die Linkskommunisten demolierten die „tak-tische“ Befürwortung eines „revolutionären Parlamentarismus“ durch Bukharin und Lenin, welche vor allem auf die Arbeit Karl Liebknechts im deutschen Reichstag verwiesen: „Das Beispiel des Genossen Liebknecht beweist eben die Richtigkeit unserer Taktik. Vor der Revolution (...) konnte er durch seine Proteste im Parlament eine gewaltige Kraft ausüben; in der Revolution aber nicht mehr. Sobald also die Arbeiter ihr Geschick in die eigene Hand genommen haben, müssen wir den Parlamentarismus fahren lassen.“ (Hermann Gorter: Offener Brief an den Genossen Lenin, 1920 - S.48)
„In Deutschland wurde neulich der Grund angegeben, die Kommunisten müssen ins Parlament gehen, um die Arbeiter von der Nutzlosigkeit des Parlaments zu überzeugen. Aber man geht doch nicht einen falschen Weg, um anderen zu zeigen, dass es falsch ist, sondern man geht lieber sofort den richtigen Weg.“ (Pannekoek, Weltrevolution S.137)
Bordiga schloß seine Rede auf den 2. Kominternkongress wie folgt: „Wenn die Kommunistische Internationale die Schaffung eines kommunistischen Parlamentarismus auf sich nehmen will, unterwerfen wir uns ihrer Bestimmung. Wir glauben nicht, dass dieser Plan gelingen wird; aber wir erklären, dass wir nichts unternehmen werden, um dieses Werk umzustoßen (...) so wünsche ich dem Genossen Bucharin, dass er uns ein weniger trauriges Bild des kommunistischen Parlamentarismus vorlegen kann, als das, mit welchem er diesmal seine Einleitung beginnen musste.’(Protokoll des II. Weltkongresses, S. 429f).
Bordiga sollte recht behalten. Der „revolutionäre Parlamentarismus“ der Kominterns beschleunigte eine opportunistische Anpassung der Internationalen an die sozialdemokratischen Illusionen der rückständigeren Teile der Arbeiterklasse: eine Anpassung, deren erste Schritte bereits auf dem 2. Weltkongress eingeleitet wurden. Dieser Opportunismus angesichts des Rückflusses der Weltrevolution führte bald, auf dem 3. und 4. Kongress, zu einer Wieder-Infragestellung des Bruchs der Kommunisten mit der Sozialdemokratie (Politik der „Einheitsfront“ und der „Arbeiterregierung“ mit den Sozialdemokraten; ja sogar zu einem organisatorischen Zusammenschluss mit Teilen der Sozialdemokratie). Diese Entwicklung schließlich ebnete auf dem Hintergrund der Niederlage der Weltrevolution den Sieg der stalinistischen Konterrevolution. War Anfang der 20er Jahre die Auseinandersetzung der Komintern über die Parlamentsfrage eine Debatte innerhalb des revolutionären Lagers, so verläuft heute zwischen dem marxistischen Antiparlamentarismus und den Manövern der Trotzkisten und Anarchisten ein Klassengraben. Kr.
(1) Veröffentlicht in Pannekoek/Gorter: Organisation und Taktik der proletarischen Revolution S. 136.
(2) in Dokumente des I. und II. Kongresses der Kommunistische Internationale S. 188.