Gespeichert von IKS am
Die Internationale Kommunistische Strömung wurde vor 20 Jahren, im Januar 1975, gegründet. Dies ist für eine internationale proletarische Organisation eine beträchtlich lange Dauer, wenn man bedenkt, dass die drei Internationalen, die Internationale Arbeiterassoziation 12 Jahre (1864-1876), die Sozialistische Internationale 25 Jahre (1889-1914) und die Kommunistische Internationale 9 Jahre (1919-1928) bestanden. Natürlich sagen wir nicht, dass unsere Organisation eine vergleichbare Rolle wie die drei Arbeiterinternationalen hat. Trotzdem gehört unsere 20jährige Erfahrung ganz zur Erfahrung der Arbeiterklasse und ist genauso deren Ergebnis wie die drei Internationalen und die anderen Organisationen, die heute proletarische Positionen verteidigen. In diesem Sinne ist es unsere Aufgabe - und dieser Jahrestag gibt uns die Gelegenheit dazu - unserer Klasse einige Lehren zu vermitteln, die wir aus diesem zwei Jahrzehnte dauernden Kampf gezogen haben.
Vergleicht man die IKS mit den Organisationen, welche die Geschichte der Arbeiterbewegung hervorgebracht hat, im besonderen mit den drei Internationalen, dann sticht uns sofort folgendes ins Auge: Während diese Organisationen Millionen, ja gar Dutzende von Millionen von Arbeitern organisierten oder beeinflussten, so ist die IKS weltweit nur bei einer geringen Minderheit in der Arbeiterklasse überhaupt bekannt. Diese Situation, welche heute auch das Los all der anderen revolutionären Organisationen ist, sollte uns eigentlich zu Bescheidenheit veranlassen. Trotzdem ist dies für uns mitnichten ein Grund, unsere Arbeit zu unterschätzen oder uns entmutigen zu lassen. Die geschichtliche Erfahrung des Proletariats in den letzten 150 Jahren, seit es als aktive Klasse auf die Bühne der sozialen Auseinandersetzungen getreten ist, zeigt uns, dass die Perioden, in denen die revolutionären Positionen einen wirklichen Einfluss in der Arbeiterklasse ausüben konnten, relativ beschränkt waren. Und es ist übrigens genau diese Realität, auf die sich die bürgerlichen Ideologen berufen, um zu behaupten, die proletarische Revolution sei eine reine Utopie, da die Mehrheit der Arbeiter nicht glaube, dass eine Revolution notwendig und möglich sei. Aber dieses Phänomen des oft Lange Zeit geringfügigen Einflusses revolutionärer Positionen im Proletariat, welches seit der Existenz von Arbeiter-Massenparteien immer vorhanden war, wie am Ende des letzten und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, verstärkte sich nach der Niederlage der revolutionären Welle, welche auf den Ersten Weltkrieg folgte.
Nachdem die Arbeiterklasse die Bourgeoisie weltweit hatte erzittern lassen, rächte sich diese, indem sie die Arbeiter der längsten und gründlichsten je in ihrer Geschichte erlittenen Konterrevolution unterwarf. Und es waren genau die Organisationen, die sich die Arbeiterklasse für ihren Kampf gegeben hatte, die Gewerkschaften sowie die sozialistischen und kommunistischen Parteien, welche die Speerspitze der Konterrevolution bildeten, als sie ins Lager der Bourgeoisie überwechselten. Die sozialistischen Parteien hatten sich schon vorher mehrheitlich in den Dienst der Bourgeoisie gestellt, riefen die Arbeiter während des Krieges zur "nationalen Einheit" auf und beteiligten sich gar in verschiedenen Ländern an den Regierungen, welche die imperialistische Schlächterei eröffneten. Als sich dann die revolutionäre Welle in der Folge der Oktoberrevolution 1917 in Russland entfaltete, machten sich dieselben Parteien zu Henkersknechten der Bourgeoisie: so zum Beispiel mit der entschlossenen Sabotage der Kampfbewegung 1920 in Italien oder 1919 in Deutschland mit den Massakern an Arbeitern und Revolutionären als "Bluthunde" im Dienst der herrschenden Klasse. Später gingen die Kommunistischen Parteien, die sich formiert um jene Fraktionen der sozialdemokratischen Parteien, die sich weigerten die imperialistischen Kriegsbemühungen zu unterstützen, und die die Führung in der revolutionären Welle übernahmen und sich in der Kommunistischen Internationalen zusammentaten. Durch die Niederlage der Weltrevolution und die Degenerierung der Revolution in Russland mitgerissen, wechselten sie ins bürgerliche Lager, wo sie während der 30er Jahre im Namen des Antifaschismus und der "Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes" zu den erfolgreichsten Anwerbern für den Zweiten Weltkrieg wurden. Nachdem sie schon die Hauptrolle bei der Bildung von "Widerstandsbewegungen" gegen die deutschen und japanischen Besatzungsarmeen gespielt hatten, führten sie ihr schmutziges Handwerk mittels einer eisernen Kontrolle über die Arbeiter in der Wiederaufbauperiode der ruinierten kapitalistischen Wirtschaft fort.
Während dieser ganzen Periode nahm der Einfluss, den die "sozialistischen" und "kommunistischen" Parteien in der Arbeiterklasse hatten, die Form eines ideologischen Gefängnisses an, welches das Bewusstsein der Arbeiter erstickte. Sie trieben die Arbeiter in den Chauvinismus, raubten ihnen darüber hinaus jegliche Perspektive zur Überwindung des Kapitalismus, vernebelten diese Perspektive mit der Stärkung der demokratischen Bourgeoisie oder mit der Lüge, dass die kapitalistischen Staaten des Ostblocks die Verkörperung des "Sozialismus" seien. Während dieser "Mitternacht des Jahrhunderts" befanden sich die wirklich kommunistischen Kräfte, die aus der Kommunistischen Internationale ausgeschlossen worden waren, in einer enormen Isolation, wenn sie nicht schon vorher durch stalinistische oder faschistische Agenten der Konterrevolution ausgerottet worden waren. Die Handvoll Genossen, die dem Schiffbruch der Kommunistischen Internationale entgehen konnten, leisteten eine unabdingbare Verteidigungsarbeit der kommunistischen Prinzipien, um damit das zukünftige Wiedererwachen des Proletariates in der Geschichte vorzubereiten. Viele dieser Genossen liessen dabei ihr Leben oder gaben erschöpft auf, als ihre Organisationen, die Fraktionen und Gruppen der kommunistischen Linken, verschwanden oder wurden durch Sklerose handlungsunfähig.
Die schreckliche Konterrevolution, welche die Arbeiterklasse nach ihren mächtigen Kämpfen in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg niederschlug, dauerte 40 Jahre. Doch als die letzten Flammen des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg erloschen und der Kapitalismus von neuem mit einer offenen ökonomischen Krise konfrontiert war, erhob das Proletariat das Haupt. Mai 68 in Frankreich, der "schleichende Mai" 1969 in Italien, die Kämpfe der polnischen Arbeiter im Winter 1970 und eine ganze Serie von Kämpfen in Europa und auf anderen Kontinenten bedeuteten das Ende der Konterrevolution. Und der beste Beweis für diesen grundlegenden Wechsel des historischen Kurses war das Auftauchen und Heranwachsen von Gruppen in verschiedenen Teilen der Welt, die sich, zwar oft in einer konfusen Art und Weise, in der Tradition und auf den Positionen der Kommunistischen Linken sahen. Die IKS wurde 1975 als eine Umgruppierung einiger solcher Gruppen gegründet, welche durch die historische Wiederbelebung der Arbeiterklasse entstanden waren. Die Tatsache, dass sich die IKS seit damals nicht nur behaupten, sondern auf das Doppelte an territorialen Sektionen vergrössern konnte, ist der beste Beleg für das historische Wiedererwachen des Proletariats, das beste Indiz dafür, dass die Arbeiterklasse nicht geschlagen, und der historische Kurs offen ist für Klassenkonfrontationen. Dies ist die erste Lehre, die es aus 20 Jahren IKS zu ziehen gilt, entgegen der von vielen Gruppierungen der Kommunistischen Linken aufgestellten Behauptung, die Arbeiterklasse habe die Konterrevolution noch nicht überwunden.
In der "Internationalen Revue", Nr.40, (engl., franz., span., auf deutsch siehe Internationale Revue Nr.9) haben wir aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der IKS schon einige Lehren aus unserer Erfahrung in dieser ersten Periode gezogen. Wir wiederholen sie hier in kurzen Worten, um gewisse Schlussfolgerungen, die wir aus der darauf folgenden Zeit gezogen haben, zu unterstreichen. Doch bevor wir hier eine solche Bilanz ziehen, müssen wir kurz auf die Geschichte der IKS zurückkommen. Für Leser, die den vor zehn Jahren veröffentlichten Artikel nicht kennen, drucken wir hier lange Teile davon, die genau diese Geschichte beschreiben, wieder ab.
Das Entstehen eines internationalen Umgruppierungspols
Die "Vorgeschichte" der IKS
"Der erste organisierte Ausdruck unserer Strömung entstand 1964 in Venezuela. Er bestand aus einem kleinen Kern sehr junger Elemente, die anfingen, sich durch Diskussionen mit einem älteren Genossen (es handelt sich um den Genossen Marc, von dem wir später noch sprechen werden) auf Klassenpositionen hinzubewegen. Dieser ältere Genosse besass eine umfangreiche militante Erfahrung aus seiner Tätigkeit in der Kommunistischen Internationale, in den Linkskommunistischen Fraktionen, die am Ende der 20er Jahre aus der Komintern ausgeschlossen worden waren, insbesondere in der Fraktion der Linken der Kommunistischen Partei Italiens. Auch war er Mitglied der Kommunistischen Linke Frankreichs gewesen, die sich 1952 auflöste. Von Anfang an stützte sich diese kleine Gruppe in Venezuela, die zwischen 1964 und 1968 ein Dutzend Nummern der Revue "Internacionalismo" veröffentlichte, auf eine politische Kontinuität mit den Positionen der Kommunistischen Linken und insbesondere der Kommunistischen Linke Frankreichs. Dies kam vor allem durch eine klare Verwerfung der Unterstützung der sogenannten "nationalen Befreiungskämpfe" zum Ausdruck, deren Mythos in diesem lateinamerikanischen Land sehr stark auf Elementen lastete, die sich den Klassenpositionen zu nähern versuchten. Ebenso spiegelte sich dies in einer Öffnungshaltung und Kontaktaufnahme mit anderen kommunistischen Gruppen wieder, eine Eigenschaft, die schon die Internationale Kommunistische Linke vor dem 2. Weltkrieg und auch später die Fraktion der Kommunistischen Linke in Frankreich ausgezeichnet hatte. So versuchte die Gruppe "Internacionalismo" mit der amerikanischen Gruppe "News and Letters" Kontakte und Diskussionen zu entwickeln......, das Gleiche geschah in Europa mit einer Reihe von Gruppen, die Klassenpositionen verteidigten (...) Nach der Abreise mehrerer dieser Elemente nach Frankreich in den Jahren 1967 und 1968 unterbrach diese Gruppe einige Jahre lang ihre Veröffentlichungen, bevor "Internacionalismo" (Neue Serie) 1974 wieder erschien und 1975 zu einem der konstituierenden Bestandteile der IKS wurde.
Der zweite organisierte Ausdruck dieser Strömung erschien in Frankreich mit dem Schwung des Generalstreiks vom Mai 1968, der das historische Wiedererstarken des Weltproletariats nach mehr als 40 Jahren Konterrevolution verdeutlichte. In Toulouse entwickelte sich ein kleiner Kern um einen Militanten, der Mitglied von Internacionalismo gewesen war. Dieser Kern nahm aktiv an den lebendigen Diskussionen im Frühjahr 1968 teil, verabschiedete eine "Prinzipienerklärung" im Juni 1968 und veröffentlichte die erste Nummer der "Revue Révolution" Internationale am Ende des gleichen Jahres. Diese Gruppe setzte sofort die Politik "Internacionalismo's" fort, Kontakte und Diskussionen mit den anderen Gruppen des proletarischen Milieus sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene zu suchen (...) Von 1970 an wurden engere Kontakte geknüpft zu zwei Gruppen, die sich trotz des allgemeinen Zerfalls der rätekommunistischen Gruppen, die nach dem Mai 68 entstanden waren, über Wasser hielten: die "Organisation Conseilliste de Clermont-Ferrand" und "Cahiers du Communisme du Conseil" (Marseille). Versuche, mit dem GLAT ("Groupe de Liaison pour l'Action des Travailleures") zu diskutieren, waren fehlgeschlagen, weil diese Gruppe sich immer mehr vom Marxismus entfernte. Dagegen erwies sich die Diskussion mit den beiden erwähnten Gruppen als viel fruchtbarer; nach einer Reihe von Treffen, wo auf systematische Weise die Grundsatzpositionen der Kommunistischen Linke diskutiert wurden, wurde eine Vereinigung dieser Gruppen beschlossen. So entstand eine neue Gruppe aus Révolution Internationale, "Organisation Conseilliste de Clermont-Ferrand" und "Cahiers du Communisme de Conseil" um eine Plattform, welche auf präzisere und detailliertere Weise die Prinzipienerklärung von "Révolution International"e aus dem Jahr 1968 wieder aufgriff. Diese Gruppe veröffentlichte die "Révolution Internationale (Neue Serie)", das "Bulletin d'Etude et de Discussion" und spielte die treibende Kraft bei der Kontaktarbeit und den internationalen Diskussionen in Europa bis zur Gründung der IKS zweieinhalb Jahre später.
Auf dem amerikanischen Kontinent hatten die zwischen "Internacionalismo" und "News and Letters" angefangenen Diskussionen ihre Früchte getragen, denn 1970 wurde in New York eine Gruppe auf der Grundlage eines Orientierungstextes gegründet, der die gleichen Grundsatzpositionen wie "Internacionalismo" und "Révolution Internationale" vertrat. Diese Gruppe fing an, "Internationalism" zu veröffentlichen und schlug die gleiche Orientierung bei den Diskussionen mit anderen politischen Gruppen ein. So wurde der Kontakt und die Diskussionen mit Root and Branch aus Boston (eine von rätekommunistischen Ideen inspirierte Gruppe um Paul Mattick) aufrechterhalten, die sich aber nachher als Fehlschlag erwiesen, weil diese Gruppe den Weg zu einem marxologischen Zirkel einschlug. So schickte "Internationalism" 1972 an ca. 20 Gruppen einen Vorschlag, eine internationale Korrespondenz aufzubauen. Darin hiess es:
"(...) Nach dem Erwachen der Arbeiterklasse entstanden und entfalteten sich revolutionäre Gruppen, die eine internationale kommunistische Perspektive vertreten. Jedoch wurden die Kontakte und die Korrespondenz zwischen den Gruppen leider vernachlässigt und dem Zufall überlassen. Deshalb schlägt "Internationalism" im Hinblick auf einen regelmässigen und erweiterten Kontakt eine fortlaufende Korrespondenz zwischen Gruppen vor, die eine internationale kommunistische Perspektive vertreten..."
In seiner positiven Antwort präzisierte Révolution Internationale : "Wie Ihr stimmen wir darin überein, dass es notwendig ist, dass die Aktivitäten und das Leben unserer Gruppen ebenso solch einen internationalen Charakter haben wie die gegenwärtigen Kämpfe der Arbeiter selber. Deshalb haben wir direkten oder brieflichen Kontakt mit vielen europäischen Gruppen aufgenommen, denen wir direkt Euren Vorschlag geschickt haben (...) Wir meinen, Eure Initiative wird es ermöglichen, den Kreis dieser Kontakte zu erweitern und zumindest sicherstellen, dass wir unsere jeweiligen Positionen besser kennen und verstehen lernen. Wir sind auch der Ansicht, dass die Perspektive einer möglichst internationalen Konferenz die logische Folge des Aufbaus dieser ständigen politischen Korrespondenz ist (...)"
In seiner Anwort unterstrich also "Révolution Internationale" die Notwendigkeit, auf die Abhaltung von internationalen Konferenzen der Gruppen der Kommunistischen Linke hinzuarbeiten. Dieser Vorschlag stellt eine Kontinuität der wiederholten Vorschläge von 1968, 69, 71 dar, die an die "Partito Comunista Internazionalista" (Battaglia) gerichtet worden waren, um solche Konferenzen zu organisieren. Damals stellte diese Organisation die beteutendste und ernsthafteste Organisation im Lager der Kommunistischen Linke dar (neben PCI-Programma Comunista, die sich mit ihrer "ausgezeichneten Isolierung" zufrieden gab). Aber diese Vorschläge waren trotz der offenen und brüderlichen Einstellung von Battaglia jedesmal abgelehnt worden...
Schliesslich führte die Initiative von "Internationalism" und der Vorschlag von "Révolution Internationale"(R.I.) 1973 und 74 zu einer Reihe von Treffen und Konferenzen in England und Frankreich, in denen eine Klärung und ein Loslösungsprozess stattfand, wobei die englische Gruppe "World Revolution" (die aus einer Spaltung von "Solidarity-London" hervorgegangen war) sich auf die Positionen von R.I. und "Internationalism" hinbewegte und die erste Nummer ihrer Zeitung im Mai 1974 veröffentlichte. Diese Klärung und Herausbildung einer Trennungslinie legten die Grundlagen für die Bildung der IKS im Januar 1975. Während dieser Zeit hatte R.I. ihre Kontakte und Diskussionsarbeit auf internationaler Ebene weitergeführt, nicht nur mit den organisierten Gruppen, sondern auch mit isolierten Lesern unserer Presse und Sympathisanten unserer Organisation. Diese Arbeit hatte die Gründung kleiner Kerne in Spanien und Italien auf der Grundlage dieser gleichen Positionen ermöglicht. Diese Kerne fingen 1974 mit der Veröffentlichung von "Accion Proletaria" und "Rivoluzione Internazionale" an.
So waren bei der Konferenz im Januar 1975 "Internacionalismo", "Révolution Internationale", "Internationalism", "World Revolution", "Accion Proletaria" und "Rivoluzione Internazionale" anwesend; sie alle teilten die politischen Orientierungen, die 1964 von "Internacionalismo" entwickelt worden waren. Anwesend waren ebenfalls "Revolutionary Perspectives" (die an den Konferenzen von 1973-74 teilgenommen hatten), die "Revolutionary Workers Group" aus Chicago (mit der R.I.- Internationalism 1974 Diskussionen angefangen hatten) und "Pour une Intervention Communiste" (die die Revue "Jeune Taupe" (Junger Maulwurf) veröffentlichte und aus Genossen bestand, die 1973 R.I. verlassen hatten...). Die Gruppe "Workers Voice", die aktiv an den vorherigen Diskussionskonferenzen teilgenommen hatte, hatte die Einladung zu dieser Konferenz verworfen, weil sie nunmehr davon ausging, dass "R.I.", "World Revolution" usw. bürgerliche Gruppen seien (!) aufgrund der Mehrheitsposition der Genossen dieser Organisationen (...) zur Frage des Staates in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Kommunismus. Diese Frage stand übrigens auf der Tagesordnung der Januarkonferenz von 1975... Jedoch wurde sie letztlich nicht debattiert, da die Konferenz es vorzog, soviel Zeit und Aufmerksamkeit wie möglich zum damaligen Zeitpunkt wichtigeren Fragen zu widmen: die Analyse der internationalen Situation; die Aufgaben der Revolutionäre; die Organisierung der internationalen Strömung.
Schliesslich beschlossen die sechs Gruppen, deren Plattformen auf den gleichen Orientierungen fussten, sich zu einer einzigen internationalen Organisation mit einem internationalen Zentralorgan zu vereinigen und eine Vierteljahreszeitschrift in drei Sprachen - englisch, französich, spanisch- zu veröffentlichen (...)Damit wurde das "Bulletin d'Etudes et de Discussion" von" Révolution Internationale" abgelöst. Die IKS war gegründet. Wie wir in der Einleitung zur ersten Nummer der Révue Internationale schrieben: "Ein grosser Schritt ist soeben vollzogen worden". In der Tat war die Gründung der IKS das Ergebnis einer langen und umfangreichen Kontakt- und Diskussionsarbeit, in der die Positionen der verschiedenen Gruppen diskutiert wurden, welche durch den Wiederaufschwung des Klassenkampfes hervorgebracht worden waren... Aber vor allem schaffte sie die Grundlage für eine noch grössere Arbeit."
Die ersten zehn Jahre der IKS: Die Festigung eines internationalen Umgruppierungspoles
"Diese Arbeit haben die Leser unserer Internationalen Revue sowie unserer territorialen Presse seit nunmehr 10 Jahren verfolgen können. All das bestätigt, was wir in der Einleitung zur ersten Revue schrieben: "Viele denken, die Gründung der IKS und die Herausgabe der Internationalen Revue seien eine überstürzte Handlung. Aber man kennt uns genug, um zu wissen, dass wir nichts mit den aktivistischen Schwätzern zu tun haben, deren Aktivitäten nur auf einem vorübergehenden und hochtrabenden Voluntarismus fussen." (1) "(...) Während ihres nunmehr zehnjährigen Bestehens ist die IKS natürlich auf viele Schwierigkeiten gestossen, musste viele Schwächen überwinden, von denen die meisten mit dem Bruch der organischen Kontinuität mit den kommunistischen Organisationen der Vergangenheit, dem Verschwinden oder dem Zerfall der Fraktionen der Linken, die aus der Komintern während deren Degenereszenz hervorgingen, zusammenhängen. Sie musste ebenfalls den gefährlichen Einfluss bekämpfen, der aus dem Zerfall und aus der Revolte in den Schichten der kleinbürgerlichen Intellektuellen herrührt, und der vor allem nach 1968 infolge der Studentenbewegung sehr stark war. Diese Schwierigkeiten und Schwächen sind zum Beispiel durch einige Spaltungen zum Ausdruck gekommen - von denen wir in unserer Presse berichtet haben - sowie durch einige wichtige Umwälzungen wie die von 1981, die ja das ganze revolutionäre Milieu erfassten, und die u.a. zum Verlust der Hälfte der Sektion in Grossbritannien führte. In Anbetracht unserer Schwierigkeiten im Jahre 1981 haben wir eine ausserordentliche Konferenz im Januar 1982 abgehalten, um unsere programmatischen Grundlagen zu bestätigen und zu präzisieren, insbesondere hinsichtlich der Funktion und der Struktur der revolutionären Organisation. Ebenso sind einige Ziele, die wir uns gesteckt hatten, nicht erreicht worden. So blieb die Verbreitung unserer Presse hinter unseren Erwartungen zurück. (...)"
"Wenn man jedoch eine globale Bilanz der letzten zehn Jahre zieht, ist diese eindeutig positiv. Insbesondere dann, wenn man sie mit denen anderer kommunistischer Organisationen vergleicht, die 1968 existierten oder danach ins Leben gerufen wurden. So sind die Gruppen der rätekommunistischen Strömung - selbst die, die sich bemüht hatten, sich gegenüber der internationalen Arbeit zu öffnen, wie ICO - entweder verschwunden oder in Lethargie verfallen: GLAT, ICO, die "Situationistische Internationale", der "Spartacusbond", "Root and Branch", PIC, die rätekommunistischen Gruppen in Skandinavien, die Liste ist lang (und nicht vollständig...) Die Organisationen, die sich mit der Italienischen Linken verbunden fühlen, und die sich alle zur "Partei" erklärt haben, sind entweder nicht aus ihrem Provinzialismus herausgekommen, oder sie haben haben sich aufgelöst oder sind linksextreme Gruppen geworden wie "Programme Communiste" ("Kommunistisches Programm" in der BRD (2) oder sie versuchen heute noch das nachzuahmen, was die IKS schon vor zehn Jahren tat, wie das bei der CWO und bei Battaglia Comunista (mit dem BIPR) der Fall ist. Nach dem kartenhausmässigen Zusammenbruch der sogenannten "Internationalen Kommunistischen Partei" , nach dem Scheitern von "Fomento Obrero Revolutionario" (FOR) in den USA (Focus), ist heute die IKS die einzige Organisation, die auch international besteht."
"Seit unserer Gründung im Jahre 1975 haben wir nicht nur unsere damals schon bestehenden Sektionen verstärkt, sondern auch neue gegründet. Die Fortsetzung der Arbeit mit den Kontakten und dieDiskussionen auf internationaler Ebene, die Bemühungen um die Umgruppierungsarbeit der Revolutionäre haben die Gründung neuer Sektionen der IKS ermöglicht:
- 1975, Gründung der Sektion der IKS in Belgien, die in zwei Sprachen (französisch und flämisch) eine Zeitschrift veröffentlicht, dann die Zeitung" Internationalisme", die die Lücke schliesst, welche nach dem Krieg durch das Verschwinden der belgischen Fraktion der Internationalen Kommunistischen Linke entstanden war.
- 1977, Gründung des Kerns in den Niederlanden, der die Veröffentlichung der Zeitung "Wereld Revolutie" in Angriff nimmt. In einem Land mit starker rätekommunistischer Tradition ist dies von besonderer Bedeutung.
- 1978, Gründung der Sektion in der BRD, Beginn der Herausgabe der "Internationalen Revue" auf deutsch und im nachfolgenden Jahr der territorialen Zeitung "Weltrevolution". In Anbetracht der Rolle des Proletariats in Deutschland in der Vergangenheit und in der Zukunft ist die Gründung einer kommunistischen Organisation dort ausserordentlich wichtig.
- 1980, Gründung der Sektion in Schweden, die die Zeitung "Internationell Revolution" herausbringt (...)."
"Wenn wir den Gegensatz zwischen dem relativen Erfolg unserer Aktivitäten und dem Scheitern der anderen Organisationen hervorheben, wollen wir damit unterstreichen, dass unsere Orientierungen während der letzten 20 Jahre (seit 1964) unserer Arbeit der Umgruppierung der Revolutionäre, des Aufbaus einer kommunistischen Organisation, sich als richtig herausgestellt haben. Und diese Orientierungen müssen wir aus unserer Verantwortung heraus gegenüber dem gesamten Milieu vertreten und uns dafür einsetzen (...)."
Die grundlegenden Lehren der ersten zehn Jahre
"Die Grundlagen, auf welchen unsere Strömung schon vor ihrer formellen Gründung ihre Umgruppierungsarbeit vorantrieb, sind nicht neu. Sie haben in der Vergangenheit schon immer die Stützpfeiler dieser Arbeit dargestellt. Wir können sie folgendermassen zusammenfassen:
- die Notwendigkeit, die revolutionäre Aktivität an die historischen Errungenschaften der Klasse anzuknüpfen, an die Erfahrung vorangegangener kommunistischer Organisationen, und so die gegenwärtige Organisation als ein Verbindungsglied in der Kette vergangener und zukünftiger Organe der Klasse zu sehen;
- die Notwendigkeit, kommunistische Positionen und Analysen nicht als ein totes Dogma anzusehen, sondern als ein lebendiges Programm, welches ständig bereichert und vertieft wird;
- die Notwendigkeit, mit einer klaren und soliden Auffassung über die revolutionäre Organisation bewaffnet zu sein, über ihre Struktur und ihre Funktion innerhalb der Klasse."
Diese Lehren, die wir vor zehn Jahren zogen (die in der Internationalen Revue, Nr.40, (engl., franz., span.) weiter ausgeführt sind und zu deren Lektüre wir unsere Leser auffordern) bleiben heute genauso gültig, und unsere Organisation hat ständig darauf achtgegeben, sie in die Praxis umzusetzen. Während es in den ersten zehn Jahren die Hauptaufgabe war, einen internationalen Umgruppierungspol revolutionärer Kräfte zu bilden, so lag die Hauptverantwortung in der darauffolgenden Periode darin, einer Reihe von Zerreissproben zu widerstehen ("Feuerproben" in einem gewissen Sinne), welche insbesondere aus Erschütterungen auf internationaler Ebene herrührten.
Die Feuerprobe
Auf dem sechsten Kongress der IKS im November 1985, nur einige Monate nach unserem zehnjährigen Bestehen, sagten wir:
"Zu Beginn der Achtzigerjahre bezeichnete die IKS diese als die "Jahre der Wahrheit", Jahre, in denen sich in brutalster Form enthüllt, was für die ganze Gesellschaft auf dem Spiel steht. In der Mitte des Jahrzehnts hat die Entwicklung der internationalen Situation diese Analyse nun voll bestätigt:
- durch eine erneute Zuspitzung der Krise der Weltwirtschaft, welche sich seit Anfang der Achtzigerjahre durch eine seit den Dreissigerjahren in dieser Tiefe nicht mehr dagewesene Rezession bemerkbar macht;
- durch eine Intensivierung der Spannungen zwischen den imperialistischen Blöcken in diesen Jahren, die sich durch beträchtliche Erhöhungen der militärischen Ausgaben sowie durch lautstarke Kriegskampagnen, angeführt von Reagan, dem Chef des stärkeren Blockes, ausdrückten;
- durch die Wiederaufnahme des Klassenkampfes während der zweiten Hälfte des Jahres 1983, nach dem momentanen Rückfluss zwischen 1981 und 1983 am Vorabend und nach der Repression gegen die Arbeiter in Polen. Eine Wiederaufnahme, die sich vor allem durch eine in der Vergangenheit noch nie dagewesene Gleichzeitigkeit der Kämpfe auszeichnete, im besonderen in den wichtigen Zentren des Kapitalismus und der Arbeiterklasse Westeuropas." (Resolution über die internationale Situation, Internationale Revue Nr. 44, engl., franz., span.).
Dieser Rahmen blieb bis Ende der Achtzigerjahre bestehen, auch wenn die Bourgeoisie alles daran setzte, den "Wiederaufschwung" zwischen 1983 und 1990, der in Wirklichkeit auf der Verschuldung der Nummer eins unter den Weltmächten, den USA, basierte, als das "definitive Ende" der Krise darzustellen. Doch die Tatsachen sind hartnäckig, wie Lenin sagte, und seit Beginn der Neunzigerjahre haben die kapitalistischen Mogeleien zum Ausbruch einer offenen Rezession geführt, die länger und brutaler ist als die vorangegangenen und welche die Euphorie der Bourgeoisie in eine tiefe Depression verwandelt hat.
Die Welle von Arbeiterkämpfen, die 1983 begann, dauerte, mit Phasen des Rückflusses und Phasen grösserer Intensität, bis 1989 an, was die Bourgeoisie dazu zwang, verschiedene Formen von Basisgewerkschaften (wie z.B. die "Coordinations" in Frankreich) ins Leben zu rufen, um einen Ersatz für die immer stärker diskreditierten offiziellen Gewerkschaften zu finden.
Ein Aspekt dieses generellen Rahmens wurde 1989 in dramatischer Weise aktuell: die imperialistischen Konflikte. Nicht, dass die marxistische Theorie sich durch die "Überwindung" solcher Konflikte als überholt erwiesen hätte, nein, sondern dass einer der Hauptkriegstreiber, der Ostblock, auf dramatische Art zusammenbrach. Was wir als die "Jahre der Wahrheit" bezeichnet hatten, erwiesen sich alsfatal für dieses anormale Regime, aufgebaut auf den Ruinen der Revolution von 1917, und für den ganzen Block, den es dominierte. Ein historisches Ereignis von solchem Umfang, das die ganze Weltkarte umkrempelte und eine neue, in der Geschichte der imperialistischen Konflikte noch nie dagewesene Situation schuf. Diese Konflikte sind nicht verschwunden, aber sie haben bis dahin unbekannte Formen angenommen und die Revolutionäre haben die Verantwortung, diese zu analysieren und zu verstehen.
Gleichzeitig brachten die Umwälzungen in den Ländern, die sich als "sozialistisch" ausgegeben hatten, einen schweren Rückschlag im Bewusstsein und der Kampfkraft der internationalen Arbeiterklasse mit sich, die nun mit dem schwersten Rückfluss seit ihrem historischen Wiedererwachen Ende der Sechzigerjahre konfrontiert war.
Somit hat die internationale Situation in den letzten zehn Jahren die IKS dazu gezwungen, zu folgenden Herausforderungen Position zu beziehen:
- ein aktiver Faktor in den Klassenkämpfen sein, die sich zwischen 1983 und 1989 entfalteten;
- die Natur der Ereignisse von 1989 verstehen sowie deren Konsequenzen auf dem Gebiet der imperialistischen Konflikte und auf der Ebene des Klassenkampfes.
- und mehr generell, die Entwicklung eines Rahmens, um die Periode des Kapitalismus zu verstehen, wovon der Zusammenbruch des Ostblocks der erste grosse Ausdruck war.
Ein aktiver Faktor im Klassenkampf sein
Nach dem sechsten Kongress der Sektion in Frankreich (der grössten IKS-Sektion) 1984 setzte der sechste Kongress der IKS diese Anliegen primär auf die Tagesordnung. Die Bemühungen jedoch, die unsere internationale Organisation seit mehreren Monaten unternahm, um ihre Verantwortung gegenüber der Klasse voll wahrzunehmen, stiessen seit Beginn des Jahres 1984 auf hartnäckigen Widerstand in unseren eigenen Reihen, auf Auffassungen, welche die Funktion der Organisation der Revolutionäre als aktiven Faktor im proletarischen Kampf unterschätzten. Die IKS erkannte diese Auffassungen als Resultat eines zentristischen Abgleitens hin zum Rätismus. Dies war zu einem guten Teil Produkt der historischen Bedingungen zur Gründungszeit der IKS, da unter den Gruppen und Elementen, die sich daran beteiligt hatten, ein starkes Misstrauen gegenüber allem, was nur irgendwie nach Stalinismus aussah, herrschte. Wie der Rätismus tendierten diese Elemente dazu, Lenins Organisationsauffasungen und selbst die Idee der proletarischen Partei mit dem Stalinismus gleichzusetzen. Während der Siebzigerjahre hatte die IKS Kritiken gegenüber den rätistischen Konzeptionen formuliert, welche aber nicht tiefgreifend genug waren, und so lasteten diese Auffassungen noch auf Teilen der Organisation. Als Ende 1983 der Kampf gegen die Spuren des Rätismus begann, weigerte sich eine Anzahl Genossen, die Existenz ihrer rätistischen Schwächen zu erkennen und bezichtigten die IKS mit viel Phantasie einer "Hexenjagd". Um dem Problem, das sich tatsächlich stellte, nämlich ihrem Zentrismus hin zu rätistischen Auffassungen, auszuweichen, machten sie nun die "Entdeckung", dass der Zentrismus in der dekadenten Periode des Kapitalismus gar nicht mehr existieren könne. (3) Zu diesem politischen Unverständnis der Genossen, die meisten waren Intellektuelle und unwillens Kritik zu akzeptieren, gesellte sich noch ein verletzter Stolz sowie eine "Solidarität" gegenüber ihren auch "zu unrecht angegriffenen" Freunden. Dies war in einem gewissen Sinne eine "Wiederholung" des zweiten Kongresses der SDAPR (Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands), wie wir es schon im Artikel in der Internationalen Revue Nr. 45 herausstrichen, wo der Zentrismus in der Frage der Organisation und das Gewicht des Zirkelgeists, bei dem persönliche Affinitäten eine grössere Rolle spielen als politische Verbindungen, die Menschewiki zur Abspaltung führte. Die "Tendenz", welche sich zu Beginn des Jahres 1985 bildete, sollte denselben Weg gehen und trennte sich zur Zeit des sechsten Kongresses der IKS von ihr ab, um eine eigene Organisation zu gründen; die "Externe Fraktion der IKS" (EFIKS). Dennoch gibt es einen gewichtigen Unterschied zwischen der menschewistischen Fraktion und der EFIKS. Die Menschewiki waren als ein Zusammenschluss der opportunistischsten Teile der russischen Sozialdemokratie gross geworden, um schliesslich im Lager der Bourgeoisie zu enden, die EFIKS aber begnügte sich damit, die Rolle eines Parasiten zu spielen, und widmete ihre Energien hauptsächlich der Diskreditierung kommunistischer Positionen und Organisationen, ohne fähig zu sein, etwas aufzubauen. Zum Schluss verwarf die EFIKS die Plattform der IKS, obwohl sie zum Zeitpunkt ihrer Gründung die Verteidigung dieser Plattform als ihre Hauptaufgabe erklärt hatte, da die IKS, nach ihren Worten, dabei war zu"degenerieren" und sich anschickte, ihre eigene Plattform zu verraten.
Zur gleichen Zeit, als die IKS diesen Kampf im Innern gegen die rätistischen Tendenzen führte, nahm sie aktiv an den Kämpfen der Arbeiterklasse teil, wie aus unserer Presse in dieser Zeit deutlich hervorgeht. Trotz ihrer geringen Kräften war unsere Organisation in den verschiedenen Kämpfen präsent. Wir verbreiteten dort nicht nur unsere Presse und Flugblätter, sondern nahmen jedesmal, wenn es möglich war, auch an den Versammlungen der Arbeiter teil, um einerseits die Notwendigkeit der Ausbreitung der Kämpfe aufzuzeigen, sowie die Arbeiter aufzufordern, die Kontrolle ihrer Kämpfe in die eigenen Hände zu nehmen, ausserhalb jeglicher gewerkschaftlicher Formen, seien es nun "offizielle" Gewerkschaften oder "Basis"- Gewerkschaften. So hatte die Intervention und Präsenz unserer Genossen in den COBAS (Basiskomitees) 1987 während der Streiks an den Schulen in Italien einen nicht zu unterschätzenden Einfluss, bevor diese Organe, mit dem Rückfluss der Bewegung, vom Basisgewerkschaftsgeist wiedererobert wurden.
Einer der deutlichsten Beweise, dass unsere Positionen unter den Arbeitern an Einfluss gewannen, war die Tatsache, dass die IKS der "Hauptfeind" einiger linken Gruppierungen geworden war. Besonders in Frankreich war dies der Fall, wo während des Eisenbahnerstreiks Ende 1986 und der Streiks in den Krankenhäusern im Herbst 1988 die trotzkistische Gruppe "Lutte Ouvrière" ihre "Muskelmänner" mobilisierte, um unsere Genossen an der Intervention in den Vollversammlungen, welche durch die "Coordinations" einberufen wurden, zu hindern. Gleichzeitig nahmen IKS-Genossen aktiv an verschiedenen Kampfkomitees teil - und nicht selten hatten gerade sie die Initiative dazu ergriffen; diese Komitees waren Zusammenschlüsse von Arbeitern, die das Bedürfnis hatten, sich ausserhalb der Gewerkschaften zu versammeln, um den Kampf vorwärtszutreiben.
Sicherlich geht es hier nicht darum, den Einfluss, den die Revolutionäre und unsere Organisation im speziellen in den Arbeiterkämpfen zwischen 1983 und 1989 hatten, zu überzeichnen. Diese Bewegung blieb im grossen und ganzen eine Gefangene der Gewerkschaften, und dort, wo die offiziellen Gewerkschaften allzusehr diskreditiert waren, übernahmen die verschiedenen Varianten von "Basis"-Gewerkschaften ihre Rolle. Unser Einfluss blieb sehr lokal, da unsere Kräfte immer noch sehr gering sind. Doch eine Lehre müssen wir aus dieser Erfahrung ziehen: Wenn sich Kämpfe entwickeln, finden Revolutionäre, dort wo sie präsent sind, deshalb ein Echo, weil die Positionen, die sie verteidigen, und die Perspektiven, die sie aufzeigen, eben gerade Antworten auf die Fragen sind, die sich die Arbeiter stellen. Und dies ist auch der Grund, weshalb Revolutionäre ihre Positionen nicht verbergen sollen oder auch nicht die geringste Konzession an die Illusionen machen dürfen, die oft auf dem Bewusstsein der Arbeiter lasten, besonders was die Rolle der Gewerkschaften angeht. Dies ist eine wichtige Lehre für alle revolutionären Gruppen, die, konfrontiert mit Arbeiterkämpfen, oft gelähmt sind, da diese Kämpfe die Frage der Überwindung des Kapitalismus noch nicht auf die Tagesordnung setzen. So fühlen sie sich, um "Gehör zu finden", gezwungen, in den basisgewerkschaftlichen Strukturen zu arbeiten, was diesen kapitalistischen Organen in den Augen der Arbeiter wieder Glaubwürdigkeit verleiht.
Das Wesen der Ereignisse von 1989 verstehen
So wie es zur Verantwortung der Revolutionäre gehört, in Zeiten von Arbeiterkämpfen "auf dem Posten" zu stehen, kommt ihnen auch die Aufgabe zu, in jedem Moment fähig zu sein, der Gesamtheit der Arbeiterklasse einen klaren Rahmen für die Analyse der Ereignisse zu geben, die sich in der Welt zutragen.
Diese Aufgabe betrifft in erster Linie das Verständnis der wirtschaftlichen Widersprüche des kapitalistischen Systems: Die revolutionären Gruppen, die den unauflöslichen Charakter der Krise nicht aufzuzeigen vermochten, in die dieses System getaucht ist, und dadurch gezeigt haben, dass sie den Marxismus nicht verstanden haben, auf den sie sich aber beziehen, haben der Arbeiterklasse keinen Nutzen gebracht. Das ist beispielsweise der Fall gewesen bei einer Gruppe wie dem "Fomento Obrero Revolucionario", die sich sogar geweigert hat, zu anerkennen, dass es eine Krise gibt. Sie hat ihre Augen auf die besonderen Charakteristika der Krise von 1929 fixiert und dabei die offensichtliche Tatsache der gegenwärtigen Krise jahrelang abgestritten ... bis die Gruppe selber verschwunden ist.
Zu den Aufgaben der Revolutionäre gehört auch, dass sie in der Lage sind, die einzelnen Schritte in der Bewegung der Klasse einzuschätzen, die Momente des Vorwärtsschreitens wie auch des Rückzugs zu erkennen. Diese Analyse ist eine Voraussetzung für die richtige Intervention, die sie unter den Arbeitern führen, denn ihre Verantwortung besteht darin, die Bewegung möglichst voranzutreiben, wenn sie vorwärtsschreitet, insbesondere zur Ausweitung aufzurufen. Umgekehrt bedeutet der Aufruf zum Kampf in Momenten des Rückzugs die sichere Niederlage: Die Arbeiter müssen sich dann in der Isolierung schlagen; in diesem Moment zur Ausweitung aufzurufen, trägt zur Ausweitung der Niederlage bei. Es ist im übrigen oft gerade dieser Moment, in dem die Gewerkschaften ihrerseits zur Ausweitung des Kampfes aufrufen.
Schliesslich stellen auch die Beobachtung und das Verständnis der verschiedenen imperialistischen Konflikte eine grosse Verantwortung für die Kommunisten dar. Ein Fehler in diesem Bereich kann dramatische Folgen haben. So meinte Ende der 30er Jahre die Mehrheit der Italienischen Kommunistischen Fraktion mit ihrer treibenden Kraft Vercesi an der Spitze, dass die verschiedenen Kriege der Epoche, namentlich der Spanienkrieg, keineswegs einen verallgemeinerten Konflikt einläuteten. Der Ausbruch des Weltkriegs im September 1939 liess die Fraktion in vollständiger Ratlosigkeit zurück. Sie benötigte zwei Jahre, bis sie sich in Südfrankreich neu zusammenfinden und die militante Arbeit wieder aufnehmen konnte.
Was die heutige Zeit betrifft, so ist es von grösster Wichtigkeit gewesen, klar das Wesen der Ereignisse im Sommer und Herbst 1989 in den Ländern des Ostblocks zu verstehen. Was die IKS betrifft hat sie Anstrengungen unternommen, um zu verstehen, was sich von der Zeit an ereignete als Solidarnosc mitten im Sommer an die Macht kam, zu einer Jahreszeit, in der solche Ereignisse normalerweise 'in Ferien' sind. (4) Die IKS stellte sich auf den Standpunkt, dass das, was in Polen geschah, darauf hindeutete, dass alle stalinistischen Systeme in Europa in eine äusserst schwere Krise eintreten, die sich qualitativ von den vorangegangenen unterscheidet: "Die Perspektive für die Gesamtheit der stalinistischen Regimes ist ... überhaupt nicht diejenige einer "friedlichen Demokratisierung" noch diejenige einer "Wiederbelebung" der Wirtschaft. Mit der Vertiefung der weltweiten Krise des Kapitalismus sind diese Länder in eine Phase der Erschütterungen eingetreten, die in ihrer Dimension nicht vergleichbar sind mit denjenigen der Vergangenheit, obwohl es da nicht an heftigen Erschütterungen fehlte." (Revue Internationale (frz./engl./span.), Nr. 59, "Convulsions capitalistes et luttes ouvrières") Dieser Gedanke ist ausgeführt in den "Thesen zur ökonomischen und politischen Krise in der Sowjetunion und den osteuropäischen Ländern", die am 15. September 1989 geschrieben (fast 2 Monate vor dem Fall der Berliner Mauer) und Anfang Oktober durch die IKS angenommen worden sind. In diesen Thesen kann man lesen (vgl. Internationale Revue, Nr. 12):
"... In dem Masse, wie der praktisch einzige Faktor des Zusammenhalts des russischen Blocks die Armee ist, birgt jede Politik des Zurückdrängens der Armee die Gefahr des Aufbrechens des Blocks in sich. Jetzt schon sieht man wachsende Auflösungserscheinungen des Ostblocks. ... In dieser Region sind die zentrifugalen Tendenzen so stark, dass sie durchdrehen, sobald man ihnen freien Lauf lässt. (...)
Ein ähnliches Phänomen kann man in den Randrepubliken der UdSSR beobachten. ... Die nationalistischen Bewegungen, die aufgrund des nachlassenden Drucks der zentralen Kontrolle der russischen Partei Auftrieb erhalten, entfalten sich dort jetzt ... Sie beinhalten eine Dynamik der Loslösung von Russland." (Punkt 18)
"... unabhängig von der zukünftigen Entwicklung der Lage in den osteuropäischen Ländern decken die gegenwärtigen Ereignisse die historische Krise, den endgültigen Zusammenbruch des Stalinismus auf ... Diese Länder sind jetzt in einem Zeitraum der bislang nie dagewesenen Instabilität, Erschütterungen, grosser Beben, des Chaos eingetreten, deren Auswirkungen weit über ihre eigenen Grenzen hinaus wirken werden. Insbesondere wird der Zusammenbruch des russischen Blocks eine Destabilisierung des Systems der internationalen Beziehungen, der imperialistischen Bündnisse mit sich bringen, die das Ergebnis des 2. Weltkriegs nach dem Abkommen von Jalta waren." (Punkt 20).
Einige Monate später (im Januar 1990) findet dieser Gedanke folgende Präzisierung:
"Die geopolitische Landschaft, die seit dem 2. Weltkrieg bestanden hatte, ist nunmehr durch die Ereignisse in der 2. Hälfte des Jahres 1989 vollkommen in Frage gestellt worden. Heute gibt es keine zwei imperialistischen Blöcke mehr, die die Welt unter sich aufgeteilt haben. Es liegt auf der Hand (...): Der Ostblock existiert nicht mehr. (...)
Bedeutet dieses Verschwinden des Ostblocks nunmehr, dass die Welt von einem einzigen imperialistischen Block regiert wird oder dass es im Kapitalismus keine imperialistischen Zusammenstösse mehr geben wird? Solche Auffassungen stehen im Gegensatz zu denen des Marxismus. (...) Der Zusammenbruch dieses Blockes kann heute solchen Analysen keineswegs zu neuer Glaubwürdigkeit verhelfen: dieser Zusammenbruch führt mit der Zeit zum Zusammenbruch auch des westlichen Blocks. (...)
Das Verschwinden des russischen imperialistischen Gendarmen und damit auch die Auflösung der Gendarmenrolle des amerikanischen Imperialismus gegenüber seinen 'Hauptpartnern' von früher öffnet die Tür für das Aufbrechen einer ganzen Reihe von lokalen Rivalitäten. Diese Rivalitäten und Zusammenstösse können gegenwärtig nicht in einen Weltkrieg ausarten (...) Weil die vom Block aufgezwungene Disziplin nicht mehr gegeben ist, werden diese Konflikte dagegen häufiger und gewalttätiger werden, insbesondere in den Gegenden, wo die Arbeiterklasse am schwächsten ist.
(...) Die Auflösung der imperialistischen Konstellation, welche aus dem 2. Weltkrieg hervorgegangen war, bringt gleichzeitig die Tendenz zur Bildung von zwei neuen Blöcken mit sich. Heute steht dies jedoch noch nicht auf der Tagesordnung ..." (Revue Internationale, Nr. 61, "Après l'effondrement du bloc de l'Est, déstabilisation et chaos" - deutsch in Internationale Revue, Nr. 12, "Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks: Destabilisierung und Chaos").
Die Ereignisse seitdem, insbesondere die Krise und der Krieg am Golf 1990/91, haben unsere Analyse bestätigt. Heute beweist die Gesamtheit der internationalen Lage, insbesondere das, was sich in Ex-Jugoslawien zuträgt, mehr als zur Genüge, dass jeder imperialistische Block vollständig verschwunden ist. Zugleich versuchen gewisse Länder in Europa, namentlich Frankreich und Deutschland, angestrengt, die Bildung eines neuen Blocks voranzutreiben, der auf der Europäischen Union beruht und der amerikanischen Macht die Stirn bieten könnte.
Was die Entwicklung des Klassenkampfes betrifft, sind die "Thesen" vom Sommer 1989 ebenfalls bestätigt worden:
"Selbst bei seinem Tod erweist der Stalinismus der kapitalistischen Herrschaft noch einen letzten Dienst: Bei seinem Zerfall vergiftet sein Körper weiterhin noch die Luft, die das Proletariat atmen muss. ... Deshalb kann man mit einem vorübergehenden Rückgang des Bewusstseins der Arbeiterklasse rechnen ... Insbesondere die reformistische Ideologie wird noch sehr stark auf den Kämpfen in der nächsten Zeit lasten, wodurch die Aktionen der Gewerkschaften begünstigt werden.
Aufgrund der geschichtlichen Bedeutung der genannten Faktoren wird der gegenwärtige Rückfluss des Klassenkampfes - ungeachtet der Tatsache, dass er den historischen Kurs, die allgemeine Perspektive breiterer Zusammenstösse zwischen den Klassen, nicht infragestellt - weiterreichend sein als der Rückfluss, der die Niederlage von 1981 in Polen begleitet hatte." (Punkt 22)
Auch in dieser Hinsicht haben die letzten fünf Jahre völlig unsere Prognose bestätigt. Seit 1989 sind wir Zeugen des grössten Rückzugs der Arbeiterklasse seit ihrem historischen Wiedererscheinen Ende der 60er Jahre geworden. Das ist eine Situation, auf die die Revolutionäre vorbereitet sein mussten, um ihre Intervention anpassen zu können und v.a. nicht "das Kind mit dem Bade auszuschütten", indem sie etwa davon ausgehen, dass der lange Rückzug die Fähigkeit des Proletariats, seine Kämpfe gegen den Kapitalismus zu führen und zu entwickeln, definitiv in Frage stelle. Insbesondere durften die Zeichen des Wiedererstarkens der Kampfbereitschaft, v.a. im Herbst 1992 in Italien und im Herbst 1993 in Deutschland (vgl. Revue Internationale, Nr. 72 und Nr. 75), weder überschätzt (man muss die Tiefe des proletarischen Rückzugs im Auge behalten) noch unterschätzt werden. Sie kündigen die unvermeidbare Wiederaufnahme der Kämpfe und der Entwicklung des Klassenbewusstseins in allen industrialisierten Ländern an.
Der Marxismus ist eine wissenschaftliche Methode. Im Gegensatz zu den Naturwissenschaften kann er aber die Gültigkeit seiner Thesen nicht überprüfen, indem er sie dem Experiment im Labor unterwirft, genauere Messgeräte beizieht. Sein "Labor" ist die gesellschaftliche Wirklichkeit, und er beweist seine Gültigkeit durch die Fähigkeit, die Entwicklung dieser Wirklichkeit vorauszusehen. So ist die Tatsache, dass die IKS fähig gewesen ist, seit dem Auftauchen der ersten Symptome des Zusammenbruchs des Ostens die wichtigsten Ereignisse vorauszusehen, die die Welt in den nächsten 5 Jahren erschüttern sollten, nicht einer besonderen Begabung, im Kaffeesatz zu lesen oder die Sternbilder zu interpretieren, zuzuschreiben. Sie ist ganz einfach ein Beweis für ihre Verbundenheit mit der marxistischen Methode, und dieser ist deshalb die Richtigkeit unserer Voraussagen geschuldet.
Doch die Berufung auf den Marxismus befähigt andererseits nicht automatisch zu seiner erfolgreichen Anwendung. Unsere Fähigkeit, schnell die Veränderungen der internationalen Situation zu begreifen, beruhte auf der Anwendung der Methode, die wir von "Bilan" übernommen hatten. Schon vor zehn Jahren unterstrichen wir eine der Hauptlehren unserer eigenen Erfahrung: die Notwendigkeit, sich strikt an die Errungenschaften der Vergangenheit zu halten, die Notwendigkeit, die kommunistischen Positionen und Analysen nicht als ein totes Dogma, sondern als ein lebendiges Programm zu betrachten.
So beginnen die Thesen von 1989 in den ersten zehn Punkten zum besseren Verständnis der Charakteristika der Länder des Ostblocks damit, den Rahmen, den sich unsere Organisation zu Beginn der 80er Jahre nach den Ereignissen in Polen gegeben hatte, in Erinnerung zu rufen. Aufgrund dieser Analyse waren wir in der Lage, nachzuweisen, dass es mit den stalinistischen Regimes in Europa und mit dem Ostblock zu Ende war. Und auf der Grundlage einer noch älteren Erkenntnis der Arbeiterbewegung (wie namentlich Lenin gegen Kautsky bewiesen hatte) - dass nämlich die Existenz eines imperialistischen Blockes allein nicht möglich ist - haben wir vorausgesagt, dass der Zusammenbruch des Ostblocks die Tür aufstösst zur Auflösung auch des westlichen Blocks.
Um die Ereignisse zu verstehen, mussten wir das Schema, das während mehr als vierzig Jahren gegolten hatte, in Frage stellen: die Aufteilung der Welt zwischen dem von den USA angeführten westlichen Block und dem Ostblock unter der Führung der UdSSR. Wir mussten ebenfalls fähig sein zu erkennen, dass dieses Land, das seit Peter dem Grossen nach und nach aufgebaut worden war, den Zusammenbruch seines Reiches selber nicht überleben würde. Noch einmal: Die Fähigkeit zur Infragestellung der vergangenen Schemata ist nicht unser besonderes Verdienst. Diese Methode haben nicht wir erfunden. Sie ist uns gelehrt worden durch die lebendige Erfahrung der Arbeiterbewegung und v.a. durch ihre Hauptkämpfer: Marx, Engels, Rosa Luxemburg, Lenin ...
Schliesslich musste das Verständnis der Umwälzungen Ende der 80er Jahre in eine allgemeine Analyse der gegenwärtigen Phase der kapitalistischen Dekadenz eingeordnet werden.
Der Rahmen zum Verständnis der gegenwärtigen Phase des Kapitalismus
Diese Arbeit hatten wir 1986 begonnen, als wir feststellten und darauf hinwiesen, dass wir in eine neue Phase der kapitalistischen Dekadenz eingetreten waren, nämlich diejenige des Zerfalls des Systems. Diese Analyse ist zu Beginn des Jahres 1989 mit folgenden Worten präzisiert worden:
"Bislang haben sich die Klassenkämpfe seit den letzten 20 Jahren auf allen Kontinenten stark entwickelt und den dekadenten Kapitalismus daran gehindert, seine Antwort auf die Sackgasse seiner Wirtschaft durchzusetzen: die Auflösung der höchsten Stufe seiner Barbarei, einen neuen Weltkrieg. Dennoch ist die Arbeiterklasse noch nicht in der Lage, durch revolutionäre Kämpfe ihre eigene Perspektive durchzusetzen, und auch kann sie noch nicht dem Rest der Menschheit diese Zukunft verdeutlichen, die sie in sich trägt.
Gerade diese gegenwärtige Pattsituation, wo im Augenblick weder die bürgerliche noch die proletarische Alternative sich offen durchsetzen können, liegt an der Wurzel dieses Phänomens des Zerfalls der kapitalistischen Gesellschaft und erklärt das besondere Ausmass und die Schärfe der Barbarei der Dekadenz dieses Systems. Und je mehr sich die Wirtschaftskrise zuspitzt, desto stärker wird auch dieser Fäulnisprozess zunehmen." (Internationale Revue, Nr. 11, "Der Zerfall der kapitalistischen Gesellschaft")
Sobald sich der Zusammenbruch des Ostblocks ankündigte, ordneten wir ein solches Ereignis natürlich in den Rahmen des Zerfalls ein:
"Tatsächlich stellt der gegenwärtige Zusammenbruch des Ostblocks eine Erscheinungsweise des allgemeinen Zerfalls der kapitalistischen Gesellschaft dar, deren Ursprung gerade im Unvermögen der Bourgeoisie liegt, ihre eigene Antwort auf die offene Krise der Weltwirtschaft, den Weltkrieg, aufzuzwingen." (Internationale Revue, Nr. 12, "Thesen ...", Punkt 20)
Ebenso haben wir im Januar 1990 auf die Auswirkungen hingewiesen, die dieser Zerfall und die neue Konstellation auf der imperialistischen Bühne für das Proletariat mit sich bringen:
"Auf solch einem Hintergrund des Verlustes der Kontrolle über die Lage durch die Weltbourgeoisie ist es ungewiss, ob die stärksten Teile unter ihr heute dazu in der Lage sind, die Organisierung und notwendige Disziplin für die Bildung von militärischen Blöcken aufzubringen. ... Deshalb muss man heute unbedingt aufzeigen: Während die Lösung der Arbeiterklasse - die kommunistische Revolution - als einzige dazu in der Lage ist, sich der Zerstörung der Menschheit entgegenzusetzen (dies ist die einzige "Antwort" des Kapitals auf die Krise),braucht diese Zerstörung nicht notwendigerweise durch einen 3. Weltkrieg geschehen. Sie könnte ebenso durch den fortgesetzten, bis in sein Extrem getriebenen Zerfall erfolgen (ökologische Katastrophen, Epidemien, Hungersnöte, fortgesetzte lokale Kriege usw.). ...
(...) die Fortsetzung und Zuspitzung all der Verfallserscheinungen der Gesellschaft (werden) mehr noch als während der 80er Jahre ihre schädlichen Wirkungen auf das Klassenbewusstsein haben. Aufgrund der allgemeinen Stimmung der Hoffnungslosigkeit in der ganzen Gesellschaft, aufgrund des Zerfalls der bürgerlichen Ideologie selbst, deren Auswüchse die Atmosphäre noch mehr verpesten werden, in der die Arbeiter leben, wird die Arbeiterklasse bis zur Phase vor der Revolution auf zusätzliche Schwierigkeiten bei ihrem Weg zur Bewusstwerdung stossen." (Internationale Revue, Nr. 12, "Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks: Destabilisierung und Chaos")
So ermöglicht uns unsere Analyse über den Zerfall, die äusserste Ernsthaftigkeit dessen aufzuzeigen, was auf dem Spiel steht in der gegenwärtigen geschichtlichen Situation. Insbesondere führt sie uns dazu, zu unterstreichen, dass der Weg des Proletariats zur kommunistischen Revolution viel schwieriger sein wird, als dies die Revolutionäre in der Vergangenheit haben voraussehen können. Hier gilt es auch noch eine andere Lehre aus den Erfahrungen der IKS in den letzten zehn Jahren zu ziehen, die sich mit einer Sorge trifft, die Marx in der Mitte des letzten Jahrhunderts beschäftigte: Die Revolutionäre haben nicht die Aufgabe, die Arbeiterklasse zu trösten, sondern im Gegenteil die absolute Notwendigkeit ihres historischen Kampfes wie auch dessen Schwierigkeiten zu unterstreichen. Nur mit einem klaren Bewusstsein über diese Schwierigkeit ist das Proletariat (und damit auch die Revolutionäre) in der Lage, sich angesichts der Hindernisse, auf die es stossen wird, nicht entmutigen zu lassen und die Kraft und die klare Sicht zu finden, um sie zu überwinden bis zur Beseitigung der Ausbeutungsgesellschaft. (6)
Bei der Bilanz der letzten zehn Jahre der IKS können wir zwei sehr wichtige Tatsachen unseres organisatorischen Lebens nicht übergehen.
Die erste Tatsache ist sehr positiv. Es handelt sich um die Ausbreitung der territorialen Präsenz der IKS im Jahre 1989 mit der Gründung eines Kerns in Indien, der "Communist Internationalist" auf Hindi publiziert, und einer neuen Sektion in Mexiko, einem Land von grösster Wichtigkeit auf dem amerikanischen Kontinent; diese Sektion publiziert "Revolución Mundial".
Die zweite Tatsache ist eine traurige: Es ist der Tod unseres Genossen Marc am 20. Dezember 1990. Wir werden hier nicht auf die entscheidende Rolle zurückkommen, die er bei der Gründung der IKS und vorher im Kampf der kommunistischen Fraktionen in den Zeiten der finstersten Konterrevolution gespielt hat. Die "Revue Internationale" (Nr. 65 und 66) hat diesem Thema einen langen Artikel gewidmet. Sagen wir einfach, dass für uns, abgesehen von der 'Feuerprobe', die die Erschütterungen des Weltkapitalismus seit 1989 für die IKS ebenso wie für die Gesamtheit des revolutionären Milieus dargestellt haben, der Verlust unseres Genossen eine weitere 'Feuerprobe' gewesen ist. Viele Gruppen der kommunistischen Linken haben das Verschwinden ihres Hauptinitiators nicht überlebt. Das war zum Beispiel der Fall beim "Fomento Obrero Revolucionario". Und im übrigen haben uns gewisse 'Freunde' mit 'Besorgnis' vorausgesagt, dass die IKS Marc nicht überleben werde. Dennoch ist die IKS noch da und hat ihren Kurs trotz allen Stürmen halten können.
Auch hier schreiben wir uns kein besonderes Verdienst zu: Die revolutionäre Organisation existiert nicht dank einem bestimmten Genossen, so wertvoll er auch sein mag. Sie ist ein historisches Produkt des Proletariats, und wenn ihr Überleben von einem einzelnen Genossen abhängt, bedeutet dies, dass sie die Verantwortung, die ihr die Klasse gegeben hat, nicht richtig wahrgenommen und dass dieser Militante selber in einer gewissen Hinsicht versagt hat. Wenn es der IKS gelungen ist, diese Proben mit Erfolg zu bestehen, so v.a. wegen ihrer dauernden Sorge um die Anknüpfung an die Erfahrung der vorausgegangenen kommunistischen Organisationen, die Erfahrung, dass ihre Rolle in einem langfristigen Kampf besteht und nicht auf unmittelbare 'Erfolge' ausgerichtet sein soll. Seit dem letzten Jahrhundert ist diese Sichtweise diejenige der klarsten und standfestesten revolutionären Militanten gewesen: Wir beziehen uns auf diese Geschichte, und es war zu einem grossen Teil Marc, der uns dies lehrte. Er zeigte uns auch durch sein Beispiel, was militante Hingabe heisst, ohne die eine revolutionäre Organisation nicht überleben kann.
"Seinen grossen Stolz hat er nicht darin gesehen, dass er einen ausserordentlichen Beitrag geleistet hat, sondern in der Tatsache, dass er bis zum Schluss mit seiner ganzen Seele dem Kampf des Proletariats treu geblieben ist. Und dies ist auch eine wertvolle Lehre gewesen für die neuen Generationen von Militanten, die nicht die Möglichkeit gehabt haben, die enorme Hingabe der früheren Generationen an die revolutionäre Sache kennenzulernen. V.a. in dieser Hinsicht wollen wir auf der Höhe des Kampfes sein, den wir, wenn auch ohne seine wachsame, klare, warme und leidenschaftliche Präsenz, entschlossen sind weiterzuführen." ("Marc", Revue Internationale, Nr. 66 - frz./engl./span.)
FM
Auch zwanzig Jahre nach der Gründung der IKS führen wir diesen Kampf weiter.