Gespeichert von Weltrevolution am
WARUM DER KOMMUNISMUS MÖGLICH IST
Das Einleitungsreferat der IKS zeigte auf, daß der Kommunismus keine Erfindung von Marx ist, sondern als Idee so alt ist wie die Klassengesellschaft selbst. Aber die Träume der ausgebeuteten Klassen von einer Welt ohne Ausbeutung waren nicht realisierbar, weil jahrtausendelang die wirtschaftliche Vorbedingung dafür, d.h. die Produktivität der menschlichen Arbeit, nicht ausreichte. Wie der Marxismus aufzeigt, kann die Klassengesellschaft nur dadurch überwunden werden, indem der Kampf ums Dasein durch die Überwindung des Mangels und die Herstellung eines Überflusses an den lebensnotwendigen Dingen überflüssig wird. Damit hat paradoxerweise erst der Kapitalismus die Voraussetzungen für den Kommunismus geschaffen. Dies sind vornehmlich zwei:
- die revolutionäre Steigerung der Produktivität
- sowie das Entstehen einer revolutionären, zugleich ausgebeuteten Klasse, das Proletariat - und dies auf Weltebene.
Erst der Kapitalismus schuf die Voraussetzung einer kommunistischen Weltgesellschaft, indem sie eine gegenseitige Abhängigkeit aller Weltteile voneinander herbeiführte. Und deshalb gehört es zu den ersten Prinzipien des Marxismus, daß die kommunistische Revolution nur auf Weltebene siegen kann. Deshalb führte trotz der Machtergreifung der Arbeiterklasse 1917 in Rußland vor allem die Niederlage der Weltrevolution (insbesondere das Scheitern der Ausdehnung nach Deutschland) notwendigerweise zur bürgerlichen Konterrevolution innerhalb Rußlands und später auch international. Die Tatsache, daß diese Konterrevolution nicht von "Außen" kam (die gegen das Proletariat in Rußland einfallenden weißen Armeen wurden zurückgeworfen), sondern durch eine Entartung von Innen, unter Beibehaltung des Namens und der Sprache der Revolution, gibt der herrschenden Klasse heute die Möglichkeit, den Zusammenbruch des Stalinismus als das Scheitern des Kommunismus und des Marxismus schlechthin zu verkaufen. In Wirklichkeit war der Stalinismus der Henker der kommunistischen Revolution. Und sein aufgrund der Isolation Rußlands unvermeidbarer Sieg bestätigte in Wirklichkeit die These des Marxismus, daß die Revolution nur weltweit siegen kann. Heute, so wurde am Ende des Referates betont, gehört von daher die Verteidigung der Perspektive des Kommunismus gegen die Verleumdungen der Herrschenden zu den vorrangigsten Aufgaben der Marxisten.
In der anschließenden Diskussion bemerkte einer der Teilnehmer geradeheraus, er sei erstaunt darüber, daß man es heute überhaupt noch wagt, in der Öffentlichkeit über dieses Thema zu reden. Und er zweifelte an dem Nutzen einer solchen Diskussion. Denn selbst wenn es stimmt, daß das Fiasko des Stalinismus den Kommunismus nicht trifft, so ist diese Gleichsetzung von Stalinismus und Kommunismus in den Köpfen fast aller Arbeiter der Welt heute so vollständig, daß diese Perspektive auf ewig abgeschrieben erscheint.
SOZIALISMUS ODER BARBAREI
Die Erwiderungen darauf bestritten keineswegs die gegenwärtigen Auswirkungen dieser antikommunistischen Kampagne in den Köpfen der Arbeiter. Es wurde aber entschieden bestritten, daß dadurch der Kommunismus und der Marxismus auf alle Ewigkeit hin erledigt seien. Zum einen wurde darauf hingewiesen, daß durch den Zusammenbruch des Ostens und dem damit verbundenen ideologischen Sieg des Kapitals der Klassenkampf keineswegs beseitigt worden ist. Im Gegenteil: der Klassenkampf besteht weiterhin als unauslöschbarer Ausdruck des Gespaltenseins dieser Gesellschaft in einander feindlich gegenüberstehende Klassen. Mit der gegenwärtigen Verschärfung der Krise des Kapitalismus können diese Klassengegensätze nur zunehmen. Damit wäre es aber mehr als verfrüht, den Marxismus endgültig abschreiben zu wollen. Denn der Marxismus ist die Theorie des Klassenkampfes vom Standpunkt des Proletariats aus gesehen. Und der Kommunismus seinerseits als gesellschaftliches Ziel ist das Resultat der Existenz der Arbeiterklasse als eigenständige Klasse mit Interessen, welche innerhalb des Kapitalismus nicht erfüllt werden können. Zudem: egal wie die Arbeiter heute darüber denken, und egal ob sie den Stalinismus für ein Kind des Marxismus halten oder nicht, wird der Kapitalismus in seiner westlichen Spielart sich als ebenso bankrottes Gesellschaftssystem erweisen. Millionen von Arbeiter werden in den kommenden Jahren wahrnehmen und begreifen müssen, daß der Kapitalismus gerade in seiner "klassischen" marktwirtschaftlichen Form nicht nur unfähig ist, die Probleme der Menschheit zu lösen, sondern nicht mal imstande ist, das Überleben der Menschheit zu sichern, sondern es immer mehr bedroht. Sobald diese Tatsache für die Masse der Arbeiter offensichtlich wird, wird auch die Notwendigkeit, Lösungen außerhalb des Systems zu suchen, zur Massenfrage. In Wahrheit ist es die Situation des Kapitalismus selbst, welche die Frage des Kommunismus stellt, und nicht etwa eine Handvoll "ewig gestriger Marxisten". Die Frage nach einer Gesellschaft, die diese Barbarei überwindet, also eine neue Gesellschaft, d.h. der Kommunismus, ist das aktuellste und brennendste Thema der Menschheit überhaupt. Dies bleibt auch dann der Fall, wenn die meisten Arbeiter dies noch nicht erkannt haben. Wie ein Teilnehmer anmerkte, geht es heute für die Menschheit um die Alternative "Sozialismus oder Barbarei", "Weltrevolution oder Niedergang". Es gibt keine dritte Alternative.
NUR DER KOMMUNISMUS KANN DIE HEUTIGEN PROBLEME DER MENSCHHEIT LÖSEN
Bei einem anderen Teil der Diskussion ging es darum aufzuzeigen, daß der Kommunismus nicht nur eine Notwendigkeit darstellt, sondern auch möglich ist. Das alte Argument, der Kommunismus sei nicht möglich, weil die Menschen "schlecht" und die Gesellschaft "zu kompliziert geworden" ist, feiert heute neue Triumphe. Auch hier stellt man gerne Strohpuppen auf, d.h. Argumente, die mit dem Marxismus nichts zu tun haben, um sie dann triumphierend umzuwerfen. Der Marxismus ist nämlich niemals davon ausgegangen, daß die Menschen "von Grund auf gut" sind. Der Marxismus weiß sehr wohl, den Menschen in seiner Widersprüchlichkeit zu sehen. Und er weiß aus der Geschichte nur allzu gut, zu welchen Grausamkeiten die Gattung Mensch imstande ist. Es war gerade das Verdienst von Marx, darauf hinzuweisen, daß es unmöglich ist, eine klassenlose Gesellschaft durch Appelle an menschliche Güte herbeizuführen. Der Kommunismus kann nur dann zur Möglichkeit werden, wenn der Existenzkampf durch die Befreiung der Produktivkräfte von den Fesseln des Kapitalismus überflüssig und hinfällig wird. Ebenso wenig läßt der Marxismus die Komplexität der heutigen Gesellschaft außer Acht. Und er will nicht diese Komplexität abschaffen, sondern die Anarchie der kapitalistischen Marktgesetze. Als Beispiel für die Möglichkeit des Kommunismus heute wurde unter anderem das Beispiel Widerspruch zwischen Stadt und Land aufgeführt. Die Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land ist eine der am frühesten in der Menschheitsgeschichte entstandenen Teilung. In der vorkapitalistischen Gesellschaft war die Stadt der Herrschaft des Landes und der Agrarwirtschaft unterworfen. Erst der Kapitalismus hat dieses Verhältnis völlig umgekehrt. Durch die Zentralisierung der Produktion und durch die Konzentration der Produktionsmittel in Riesenfabriken und der Reichtümer der Gesellschaft in akkumulierendes Privatkapital entstand die hochzentralisierte Welt von heute. Die Rohstoffe, Transportmittel, die Arbeitskräfte usw., alles wurde dort zusammengeballt, wo die kapitalistische Produktion stattfand. Aber dieser Fortschritt hat neue, im Rahmen des Kapitalismus schier unlösbare Probleme und Widersprüche herbeigeführt. Dies sind unter anderem die Entstehung der Megastädte, der Massenverarmung auf dem Lande und die damit verbundene Landflucht, sowie die Entwicklung eines weltweit gespannten, aber immer anarchischer, auf die Umwelt sich verheerend auswirkendes Transportsystem.
Auf der Umweltmesse zur Umweltkonferenz von Rio werden gegenwärtig biologische und ökologische Technik und Wissenschaft vorgestellt, die es auf modernste Weise ermöglichen, auf höchster Produktivitätsstufe alle Bedürfnisse der Menschheit im Agrarbereich wieder direkt von Bauern, wie im Mittelalter, herstellen zu lassen. Dadurch kann nicht nur die Menschheit ohne Zerstörung der Umwelt ausreichend ernährt werden, sondern der Gegensatz zwischen Stadt und Land mit all seinen verheerenden Folgen aufgehoben werden. Aber wie diese Unternehmer selber beklagen: sie kommen nicht zum Zuge, weil diese Umwandlung der Gesellschaft von den mächtigen Kapitalinteressen abgewürgt wird. Während früher gerne die These von Marx, daß im Kommunismus der Gegensatz zwischen Stadt und Land aufgehoben werden muß, als schlagendster Beweis benutzt wurde, um zu behaupten, der "Mann sei ein wirklichkeitsfremder Träumer", stellt sich jetzt unleugbar heraus, wer die wirklichen Utopisten sind. Es sind nämlich diejenigen, die diese und alle anderen brennenden Probleme der Menschheit INNERHALB des Kapitalismus glauben zu lösen können.
KOMMUNISMUS KANN NUR DAS WERK DER ARBEITERKLASSE SEIN
Gegen Ende des Treffens wurde folgende Frage "provokativ" an uns gerichtet: "Wenn ihr die Lösung habt, warum habt ihr dann keine größere Anhängerschaft?" Nun, die Kommunisten sind keine bürgerlichen Marktschreier, die nur zu verkünden brauchen: "Wählt uns, damit wir eure Probleme für euch lösen können". Im Gegenteil. Die Kommunisten verkünden sehr unbequeme Wahrheiten, welche die meisten nicht gerne hören möchten und vielleicht gar erst mal abschrecken. Wir sagen: es gibt unmittelbar hier und heute keine Lösungen für die Probleme der Menschheit. Diese Probleme können innerhalb des bestehenden Systems überhaupt nicht gelöst werden. Kein einziges dieser Probleme kann im nationalen Rahmen gelöst werden. Mehr noch: die Kommunisten haben zwar eine Perspektive zu verteidigen, aber sie haben keine Lösungen. Denn nur die Arbeiterklasse kann diese gigantische Aufgabe der Umwandlung der Gesellschaft in Angriff nehmen. Und weil die Arbeiterklasse keine wirtschaftliche Macht innerhalb dieser Gesellschaft besitzt, kann die Lösung der Probleme auch nur beginnen durch die weltweite Machtergreifung durch die Arbeiterräte. Der wissenschaftliche Sozialismus, im Gegensatz zum vormarxistischen utopischen Sozialismus hält überhaupt nichts von ausgetüftelten Projekten, wie die Zukunftsgesellschaft auszusehen habe. Der Kommunismus, wie Engels sagte, ist die "Lehre von der Befreiung des Proletariats". Deshalb waren wir auch nicht einverstanden mit einem in der Diskussion aufgekommenen Vorschlag, daß wir uns zuerst darauf zu einigen haben, wie diese Zukunftsgesellschaft auszusehen hat. Richtig an dieser Sorge war natürlich die Vorrangigkeit, inhaltliche Fragen zu klären. Aber das Ziel des Kommunismus können wir nur in den groben Zügen, sozusagen negativ definieren. D.h. als Abgrenzung gegenüber dem, was es nicht ist, oder keinesfalls sein darf - z.B. der Stalinismus, d.h. Staatskapitalismus wie in der ehemaligen UdSSR. Aber der Kommunismus kann nur das Werk der Arbeitermassen sein. Er kann nur entstehen durch die Kreativität und kollektive Mitarbeit von Millionen und Abermillionen. Von daher - wie auch bei dieser Veranstaltung - ist die Frage des Kommunismus untrennbar mit einem anderen Grundsatz des Marxismus verbunden, daß die Arbeiterklasse heute noch die revolutionäre Kraft in dieser Gesellschaft darstellt.
DIE AUFGABEN DER KOMMUNISTEN
Am Ende wurde auch die Frage nach dem Zweck dieser Diskussion gestellt. Und wofür müssen es denn überhaupt Kommunisten geben? Wie oben aufgezeigt, wird notwendigerweise durch den Zusammenbruch des Kapitalismus die Frage nach einem Ausweg sich stellen müssen, welche über den Kapitalismus hinausführt. Aber diese Frage bedeutet keineswegs, daß automatisch auch eine Antwort darauf gefunden werden könne. Es besteht die Gefahr, daß die Arbeiterklasse im entscheidenden Augenblick nicht in der Lage sein mag, eine Alternative zum Kapitalismus finden zu können. Und ein solches Versagen müßte aufs engste damit zusammenhängen, daß die Perspektive des Kommunismus und des Marxismus durch die bürgerliche Gleichsetzung mit dem Stalinismus zu stark in Mißkredit geraten ist. Von daher wird es für die Menschheit lebensnotwendig sein, daß es in einer solchen Situation Marxisten gibt, die gegenüber dem Suchen der Millionen von Arbeitern in der Lage sein werden, die Perspektive des Kommunismus deutlich und überzeugend verteidigen zu können. Um uns auf diese Aufgabe vorzubereiten, dazu dienen Auseinandersetzungen wie bei dieser Diskussionsveranstaltung.