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Gegenwärtig stehen in einer Reihe von Ländern Massenentlassungen an. Wiedermal wird von den Unternehmern und Gewerkschaften versucht, uns ArbeiterInnen auf nationaler Ebene gegeneinander auszuspielen, wie die Angriffe bei VW exemplarisch zeigen. VW hat den Abbau von Zehntausenden Arbeitsplätzen angekündigt. Allein in Deutschland sollen über 20.000 Arbeitsplätze wegfallen. In Brüssel soll ein Großteil der Arbeitsplätze bei VW gestrichen werden. Die Arbeitgeber und die Gewerkschaften an ihrer Seite können ihre Sparpläne nur durchsetzen, wenn sie die Beschäftigten spalten. Standorte werden gegeneinander ausgespielt. Dabei wird immer deutlicher, dass unsere Probleme als ArbeiterInnen überall die Gleichen sind. Wir können uns deshalb nur als internationale Arbeiterklasse vereint gegen das internationale Kapital erfolgreich zur Wehr setzen. Die weiter unten veröffentlichte Stellungnahme unserer Sektion in Belgien prangert die Sabotage- und Spaltungstaktik der Gewerkschaften und greift Fragen auf, vor denen die Beschäftigten stehen. Der Text wurde in Belgien bei verschiedenen Betrieben und auf einer landesweiten Demonstration verteilt. Sektion der IKS in Deutschland
Gegenwärtig stehen in einer Reihe von Ländern Massenentlassungen an. Wiedermal wird von den Unternehmern und Gewerkschaften versucht, uns ArbeiterInnen auf nationaler Ebene gegeneinander auszuspielen, wie die Angriffe bei VW exemplarisch zeigen. VW hat den Abbau von Zehntausenden Arbeitsplätzen angekündigt. Allein in Deutschland sollen über 20.000 Arbeitsplätze wegfallen. In Brüssel soll ein Großteil der Arbeitsplätze bei VW gestrichen werden. Die Arbeitgeber und die Gewerkschaften an ihrer Seite können ihre Sparpläne nur durchsetzen, wenn sie die Beschäftigten spalten. Standorte werden gegeneinander ausgespielt. Dabei wird immer deutlicher, dass unsere Probleme als ArbeiterInnen überall die Gleichen sind. Wir können uns deshalb nur als internationale Arbeiterklasse vereint gegen das internationale Kapital erfolgreich zur Wehr setzen. Die weiter unten veröffentlichte Stellungnahme unserer Sektion in Belgien prangert die Sabotage- und Spaltungstaktik der Gewerkschaften und greift Fragen auf, vor denen die Beschäftigten stehen. Der Text wurde in Belgien bei verschiedenen Betrieben und auf einer landesweiten Demonstration verteilt. Sektion der IKS in Deutschland
Angesichts der Entlassungen und Arbeitsplatzverlagerungen bei VW lautet die einzige Antwort auf die kapitalistische Krise: Arbeitersolidarität!
Gestern noch behaupteten die Arbeitgeber, die Regierung und die Gewerkschaften einmütig gegenüber den Beschäftigten von VW: "Wenn Ihr mehr Flexibilität und eine Erhöhung der Bandgeschwindigkeit akzeptiert, werden Eure Arbeitsplätze gerettet". Man sieht heute, was solche Versprechungen wert sind: 4.000 direkte Entlassungen und 8.000-10.000 indirekte Entlassungen.
Wie soll man gegenüber diesem sozialen Kahlschlag, der mit einer bislang nicht da gewesenen Brutalität durchgeführt wird, reagieren? Sollen wir ruhig bleiben und die Logik der Entlassungen hinnehmen, wie es von den Gewerkschaften verlangt wird? Sollen wir auf die Verhandlungen und diese Solidaritätsschauveranstaltungen bauen, die von den Gewerkschaften veranstaltet werden? Wie können wir einen wirklichen, solidarischen und kollektiven Kampf entwickeln? Kann der Kapitalismus uns noch eine Zukunft bieten? Können wir den neuen Versprechungen von Umstrukturierungen usw. Glauben schenken, oder will man uns damit nur Sand in die Augen streuen, um die Wut und unseren Abwehrkampf einzudämmen? Vor diesen Fragen stehen wir bei dem Konflikt bei VW; sie verlangen eine klare Antwort.
Die Sackgasse der Marktwirtschaft
Seit mehreren Tagen vergießen die bürgerlichen Medien in Sondersendungen heuchlerisch Krokodilstränen. Die ganze Verwirrung der betroffenen Arbeiter angesichts ihrer Lage soll breit getreten werden. Die Botschaft, die die herrschende Klasse vermitteln will, ist klar. Sie zielt auf alle Beschäftigten im Lande ab und lautet: "Das ist traurig und bedauernswert, aber es gibt keine andere Wahl. Dies sind die Gesetze der Marktwirtschaft und die Folgen der Globalisierung. Es bringt nichts, Widerstand zu leisten, denn die Logik der kapitalistischen Konkurrenz ist unausweichlich. Der einzige Ausweg ist wettbewerbsfähiger zu werden und somit noch mehr Opfer zu akzeptieren, die von unseren Ausbeutern im Namen der Rettung der Volkswirtschaft verlangt werden". Ist das tatsächlich die einzige Perspektive? Wie sieht die Wirklichkeit aus?
Diese ‘Gesetze der Marktwirtschaft’ sind die Gesetze des Kapitalismus. Es sind die Gesetze der Arbeitgeber und Regierenden. Gesetze, die zu einer endlosen Reihe von Entlassungen, Arbeitsplatztransfers, Lohnsenkungen und Ähnlichem führen. Gesetze, die den Arbeitern der Industriestaaten einen unerträglichen Arbeitsrhythmus und Flexibilität und ihren Klassenbrüdern in den "Schwellenländern" unmenschliche Bedingungen aufzwingen. Gesetze, die jedes Mal dann gewaltige Profite erzeugen, wenn massenhaft Arbeiter vor die Tür gesetzt werden. Gesetze, die die ganze Menschheit in den Abgrund treiben – sowohl auf ökonomischer, militärischer als auch auf ökologischer Ebene, wenn wir nicht dagegen kämpfen.
Hinsichtlich der von uns verlangten Solidarität mit den Arbeitgebern und der Regierung "unseres Landes" bedeutet diese nichts anderes als noch mehr Sparpläne und Flexibilisierungsbeschlüsse im Namen der "Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft" hinzunehmen, d.h. die Verteidigung der Profitraten der belgischen Bourgeoisie im unerbittlichen Handelskrieg mit ihren Konkurrenten. Es bedeutet, sich gegen die Beschäftigten der anderen Länder zu stellen. All dies geschieht im Rahmen in einer endlosen Spirale von Lohnsenkungen, Produktivitätserhöhungen und einer Verschlechterung der Lebensbedingungen.
Nach den Massenentlassungen bei Renault Vilvorde, der SNCB (Eisenbahn), Sabena, Ford Genk, DHL, Inbey oder AGFA Gevaert, morgen vielleicht auch bei Opel, auch wiedermal bei der Post, (nachdem dort ein "Generationenpakt" für die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit oder der Arbeitsplätze abgeschlossen wurde, was nur Lohnsenkungen und eine Flexibilitätserhöhungen mit sich gebracht hat,) stehen wir vor der Frage: Was bringt diese unendliche Spirale der Sparpolitik und des gnadenlosen Konkurrenzkampfes mit sich? Die Erfahrung der vergangenen Wochen bei VW zeigt, was immer mehr Arbeiter spüren: Die kapitalistische Marktwirtschaft (ob mit oder ohne ‚sozialer’ Steuerung) hat nichts anderes als Verarmung, Unsicherheit und grenzenlose Armut anzubieten.
Regierung und Gewerkschaften organisieren die Spaltung und verbreiten ein Gefühl der Machtlosigkeit
Die angebliche Überraschung der belgischen Bourgeoisie über den brutalen Angriff bei VW und ihr ‚Verständnis’ für die Wut der entlassenen Beschäftigten sind reine Heuchelei. Erinnern wir uns daran, wie zynisch sie die Interessen von Tausenden Beschäftigen bei DHL im Namen eines ‚Kampfes gegen die lautlosen Schäden‘ mit Füssen getreten oder als ‚staatlicher Arbeitgeber’ die Zahl der Arbeitsplätze bei der SNCB und der Post um die Hälfte reduziert hat. Und dieses soziale Beben findet zu einem Zeitpunkt statt, wo ein neuer Tarifvertrag mit dem Ziel der "Bescheidenheit von Lohnforderungen" in der gesamten Industrie abgeschlossen werden soll. Es ist übrigens kein Zufall, wenn Wochen vor der Ankündigung von Massenentlassungen die Bourgeoisie und ihre Gewerkschaften vor Ort aktiv waren, um die Wut einzudämmen, die Arbeiter zu spalten und ihnen ein Gefühl der Hilflosigkeit einbläuen wollen.
Schon vor der endgültigen Ankündigung zeigten die sozialistischen Gewerkschafter auf die Verantwortlichen: Schuldig waren nicht die Arbeitgeber und der bürgerliche Staat, sondern die deutschen Arbeiter und ‚ihre’ Gewerkschaftsorganisationen, die zur Rettung der eigenen Arbeitsplätze nun VW-Forest (Brüssel) geopfert hätten. Welch eine Lüge! Die Arbeiter in Deutschland sind genauso wie die Arbeiter in anderen Ländern die Opfer der kapitalistischen Angriffe. Unsere Feinde sind nicht unsere Klassenbrüder in einem anderen Land oder einer anderen Region. Sie stehen vor den gleichen wilden Angriffen auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen. Nein! Unser Feind ist der Kapitalismus, der diese höllische Spirale der gesteigerten Ausbeutung und Entlassungen, diese Logik der weltweiten wirtschaftlichen und kriegerischen Konkurrenz auslöst. In Wirklichkeit betreiben die herrschende Klasse und ihre Gewerkschaften (in Belgien wie in Deutschland) ein schmutziges Spiel der Spaltung der Beschäftigten einen Landes gegen die eines Anderen. Die Erpressung lautet: "Wenn ihr nicht Lohnsenkungen und mehr Flexibilität akzeptiert, werden die Arbeitsplätze dorthin verlagert, wo die Löhne niedriger sind", oder: "Wenn ihr die Umstrukturierung der Arbeitsplätze und die Entlassungen nicht hinnehmt, wird die Produktion ausgelagert".
Das Hauptziel der Herrschenden und ihrer Gewerkschaftsorganisationen besteht darin, die ganze Medienaufmerksamkeit auf die wachsende Wut und die Verwirrung der VW-Beschäftigten zu richten, damit sich dieses Gefühl der Hilflosigkeit auf die ganze Arbeiterklasse in Belgien ausdehnt. Die Botschaft ist klar: "Wenn dieser kampfstarke Teil der Arbeiter, der sich in der Vergangenheit immer durch seine Kämpfe und Kampfbereitschaft auszeichnete, es nicht schafft, sich gegen solche Maßnahmen zur Wehr zu setzen, dann schafft die Arbeiterklasse woanders in Belgien das auch nicht (in den Medien wird immer darauf angespielt, dass die Fabrik in den 1990er Jahren als ein Zentrum von Streiks galt)."
Es gibt einen Grund für diesen Medienwirbel. Regierung, Arbeitgeber und Gewerkschaften machen sich Sorgen wegen der wachsenden Wut unter vielen Arbeitern. Dieses Gefühl zeigt sich durch ein langsames Erstarken der Arbeiterkämpfe in mehreren Bereichen. Um diese Konflikte zu vereiteln, versucht die Bourgeoisie dieses Gefühl der Hilflosigkeit und einen gewissen Fatalismus zu verbreiten.
Die Gewerkschaften organisieren eine Scheinsolidarität der Arbeiter
Den Gewerkschaften ist es gelungen, den Ausbruch von Kämpfen bei VW zu verhindern. Sie haben die Arbeiter dazu aufgefordert, isoliert bei sich zu Hause zu bleiben, ohne Informationen, ohne Perspektiven, abhängig vom guten Willen der Arbeitgeber und den anstehenden Verhandlungen. Dann haben sie den Arbeitern einen Streik aufgezwungen, der nicht der Aktivierung und dem Kampf dient, sondern der ein endlos langer Streik sein soll, um zur Erschöpfung zu führen (er soll bis zum 15. Dezember dauern, dem Tag der offiziellen Ankündigung der Entlassungen durch die Konzernspitze in Deutschland) – dann soll jeder für sich zu Hause bleiben. Die einzige Sorge der Gewerkschaften ist "die Würde zu bewahren, den Betrieb nicht zu besetzen, die Anlagen nicht zu zerstören", weil man so nicht die Arbeitgeber verärgern wolle, die – so behaupten sie – diese "verantwortliche Haltung" berücksichtigen würden. Das ist vollkommener Unfug! Die Gewerkschaften zeigen erneut, dass sie die Interessen des Kapitalismus gegen die Interessen der Arbeiter verteidigen.
Deshalb organisieren sie, um nicht als reine Saboteure zu erscheinen, eine Scheinsolidarität für VW. Es geht nicht um eine wirkliche Solidarität im Kampf, um mit vereinten Kräften die Arbeitgeber und die Regierung zum Nachgeben zu zwingen, sondern um wirkungslose Aktionen, wie die nationale Demonstration am 2. Dezember, die ohne Folgeaktionen bleiben soll. Auch schicken sie Gewerkschaftsdelegationen in andere Automobilbetriebe, um dort andere Gewerkschaftsvertreter zu treffen und um ‚Unterstützung’ zu bitten. Das einzige Ziel, das sie dabei verfolgen, ist in "Verhandlungen mit den Arbeitgebern, die schlechtesten Kündigungsbedingungen zu verhindern". Darüber hinaus wollen die Gewerkschaften die Regierung bei ihrer Forderung zu unterstützen, ein "neues Industrieprojekt" einzurichten, das nur für neue Illusionen sorgen kann, indem durch die "Neueinstufung" von Arbeitslosen, Tausende gezwungen werden, irgendeine Arbeit anzunehmen, zu Bedingungen, die ihnen die Arbeitgeber diktieren, und bei denen sie jeglichen Anspruch auf Unterstützungsleistungen verlieren. Und da all diese Illusionen nur in eine Sackgasse führen können, werden die Gewerkschaften die Schuld dafür den Beschäftigten selbst zuschieben, die sich angeblich nicht "solidarisch" genug gezeigt hätten.
Die Geschichte zeigt, wenn man sich durch die Gewerkschaften spalten lässt, sind Niederlage und Entmutigung unausweichlich. Nicht ursächlich, weil die Gewerkschaftsvertreter bei VW oder die Führer der Metallarbeitergewerkschaft korrupt sind. Die Gewerkschaften spalten die Arbeiter und treten für eine "verantwortungsbewusste Verwaltung" der kapitalistischen Wirtschaft auf Kosten der Beschäftigten ein, weil sie seit langem Teil der Strukturen des kapitalistischen Staats sind und dessen Mechanismen verteidigen.
Die einzige Antwort auf die Angriffe besteht in einer wirklichen Arbeitersolidarität
Die Erfahrung lehrt, dass nur die Ausdehnung der Kämpfe auf anderer Teile der Arbeiterklasse dazu in der Lage ist, auch nur vorübergehend die Bourgeoisie zum Nachgeben zu zwingen. Und in Anbetracht der gärenden Kampfbereitschaft in vielen Bereichen, der angekündigten Entlassungen in anderen Betrieben ist die Möglichkeit der Ausdehnung auch gar nicht so utopisch. Aber das heißt vor allem, dass die Arbeitersolidarität und die Ausdehnung des Kampfes nur durch die Arbeiter selbst vollzogen werden kann. Dazu sind souveräne Vollversammlungen erforderlich, an denen sich die Arbeiter anderer Bereiche aktiv und massiv beteiligen und die von diesen dann selbst getragen werden.
Dabei können wir uns auf die Beispiele der jüngsten Kämpfe wie in Frankreich gegen die CPE, die Streiks der New Yorker U-Bahnbeschäftigten oder auch der Metaller von Vigo in Spanien stützen, bei denen es klare Anzeichen einer proletarischen Solidarität gab, und wo Vollversammlungen unter der Kontrolle der Arbeiter abgehalten wurden und direkt mit den Kapitalisten – ohne Mitwirken der Gewerkschaften – verhandelt wurde.
Heute werden die Krise des Kapitalismus, die Geißel der Arbeitslosigkeit und die allgemeine Barbarei des Systems immer offensichtlicher. Die große Sympathiewelle in der Bevölkerung für die Beschäftigten von VW – die viel stärker ist als zur Zeit der Entlassungen bei Ford Genk vor zwei Jahren – ist direkt mit dieser wachsenden Erkenntnis verbunden, die sich immer mehr über die Tragweite der allgemeinen Lage entwickelt wie über das grundlegende Problem, vor dem die Gesellschaft steht: Welche Perspektive bietet diese Spirale von Sparmaßnahmen und gnadenloser Konkurrenz? Die Löhne und die Arbeitsbedingungen, die während der letzten beiden Jahrhunderte in Arbeiterkämpfen den Kapitalisten abgerungen wurden, sind heute bedroht. Die Arbeitskraft, die die Quelle des Reichtums der Gesellschaft ist, wird immer stärker ausgebeutet und entwertet. All dies sind keine Zeichen der bevorstehenden schmerzhaften Geburt eines neuen Systems, sondern der Ausdruck eines dahinsiechenden Systems, das zu einem Hindernis für den Fortschritt der Menschheit geworden ist. Die zaghaften Schritte zu einem Arbeiterwiderstand, zu einer Rückkehr zur Solidarität gehen immer mehr einher mit einem vertieften Nachdenken über die Lage unserer Welt. Dies kann und muss dazu führen, dieses barbarische System in Frage zu stellen und die Perspektive eines höheren, sozialistischen Gesellschaftssystems aufzuwerfen.
IKS 24.11.06