Marc : Von der Oktoberrevolution 1917 bis zum 2. Weltkrieg

Printer-friendly version

Seit langem hat der Marxismus und gerade gegenüber alle dem bürgerli­chen Individualismus typischen Auf­fassungen aufgezeigt, daß nicht die Individuen die Geschichte machen, sondern daß seit dem Auftauchen von Klassen "Die Geschichte aller bisheri­gen Gesellschaft... die Geschichte von Klassenkämpfen" ist (Manifest der Kommunistischen Partei, MEW, Bd 4, S. 462). Das Gleiche trifft insbesondere zu auf die Geschichte der Arbeiterbewegung, deren Hauptakteur gerade die Klasse ist, die weit mehr als alle anderen auf assoziierte Weise zusammenarbeitet und ihren Kampf kollektiv führt. Innerhalb des Proleta­riats handeln auf kollektive Art und Weise auch die kommunistischen Minderheiten, die von der Arbeiter­klasse als Ausdruck ihrer revolutio­nären Zukunft hervorgebracht werden. Deshalb tragen die Aktionen dieser Minderheiten einen vor allem anony­men Charakter, und sie haben nichts mit Persönlichkeitskulten zu tun. Ihre Mitglieder handeln als revolutionäre Militanten nur als ein Teil eines Gan­zen, einer kommunistischen Organisa­tion. Während die Organisation mit all ihren Mitgliedern rechnen können muß, liegt es auf der Hand, daß nicht alle Mitglieder den gleichen Beitrag leisten können. Die persönliche Ge­schichte, die Erfahrung, die Persön­lichkeit gewisser Mitglieder, ebenso die historischen Umstände, bewirken, daß sie in den Organisationen, in denen sie tätig sind, eine besondere Rolle spielen und für die Aktivität die­ser Organisationen als vorwärtstrei­bende Kräfte wirken, insbesondere bei den Aktivitäten, die die Grundlage der Daseinsberechtigung einer Organisa­tion darstellen: die Ausarbeitung und Vertiefung der revolutionären politi­schen Positionen.

Seit langem hat der Marxismus und gerade gegenüber alle dem bürgerli­chen Individualismus typischen Auf­fassungen aufgezeigt, daß nicht die Individuen die Geschichte machen, sondern daß seit dem Auftauchen von Klassen "Die Geschichte aller bisheri­gen Gesellschaft... die Geschichte von Klassenkämpfen" ist (Manifest der Kommunistischen Partei, MEW, Bd 4, S. 462). Das Gleiche trifft insbesondere zu auf die Geschichte der Arbeiterbewegung, deren Hauptakteur gerade die Klasse ist, die weit mehr als alle anderen auf assoziierte Weise zusammenarbeitet und ihren Kampf kollektiv führt. Innerhalb des Proleta­riats handeln auf kollektive Art und Weise auch die kommunistischen Minderheiten, die von der Arbeiter­klasse als Ausdruck ihrer revolutio­nären Zukunft hervorgebracht werden. Deshalb tragen die Aktionen dieser Minderheiten einen vor allem anony­men Charakter, und sie haben nichts mit Persönlichkeitskulten zu tun. Ihre Mitglieder handeln als revolutionäre Militanten nur als ein Teil eines Gan­zen, einer kommunistischen Organisa­tion. Während die Organisation mit all ihren Mitgliedern rechnen können muß, liegt es auf der Hand, daß nicht alle Mitglieder den gleichen Beitrag leisten können. Die persönliche Ge­schichte, die Erfahrung, die Persön­lichkeit gewisser Mitglieder, ebenso die historischen Umstände, bewirken, daß sie in den Organisationen, in denen sie tätig sind, eine besondere Rolle spielen und für die Aktivität die­ser Organisationen als vorwärtstrei­bende Kräfte wirken, insbesondere bei den Aktivitäten, die die Grundlage der Daseinsberechtigung einer Organisa­tion darstellen: die Ausarbeitung und Vertiefung der revolutionären politi­schen Positionen.

Marc war gerade einer von diesen Genossen. Er gehörte zu dieser winzi­gen Minderheit von kommunistischen Militanten, die wie Anton Pannekoek, Henk Canne-Meijer, Amadeo Bor­diga, Onorato Damen, Paul Mattick, Jan Appel oder Munis der schreckli­chen Konterrevolution widerstanden und sie überlebt haben, d.h. dieser Konterrevolution, die zwischen den 20er und 60er Jahren stattgefunden hat. Neben seiner Treue gegenüber der Sache des Kommunismus vermochte es Marc, sowohl sein volles Vertrauen in die revolutionären Fähigkeiten des Proletariats aufrechtzuerhalten, und damit die neuen Generationen von Militanten von seiner ganzen Erfah­rung profitieren zu lassen. Gleichzei­tig blieb er nicht bei den Analysen und Positionen stehen, die durch den Verlauf der Geschichte selbst überholt worden waren (1). Aus dieser Sicht ist seine ganze Aktivität als Militant ein konkretes Beispiel dessen, was der Marxismus bedeutet: das lebendige Denken der revolutionären Klasse, die die Zukunft der Menschheit in ihren Händen hält. Ein Denken, das sich in ständiger Ausarbeitung und Weiterent­wicklung befmdet. Diese Rolle der Bereicherung des Denkens und der Aktionen der politi­schen Organisation wurde von unse­rem Genossen natürlich in der IKS ge­spielt. Und das galt bis in die letzten Stunden seines Lebens. Sein ganzes Leben war durch die gleiche Vorge­hensweise gekennzeichnet, durch den gleichen Willen, mit Entschlossenheit und unerschütterlich die kommunisti­schen Prinzipien zu verteidigen, wobei er gleichzeitig ein kritischer Geist war, der - wenn jeweils notwendig -das infrage stellte, was vielen als un­antastbare und "invariante" Dogmen erschien. Er war mehr als 60 Jahre militant tätig. Und dieses militante Leben hatte seinen Ursprung in der Hitze der Revolution selber.

DAS ENGAGEMENT IM REVOLUTIONÄREN KAMPF

Marc wurde am 13. Mai 1907 in Kis­hinew, Hauptstadt Bessarabiens (Moldawien) zu einer Zeit geboren, als diese Region ein Teil des alten Za­renreichs war. Er war also noch keine 10 Jahre alt, als die Revolution von 1917 ausbrach. Anläßlich seines 80jährigen Geburtstages beschrieb er selber dieses gewaltige Ereignis, wel­ches sein ganzes Leben prägte, fol­gendermaßen..:

"Ich hatte das Glück, schon als Kind die russische Revolution sowohl den Februar als auch den Oktober 1917 mitzuerleben und kennenzulernen. Ich habe das alles sehr intensiv miterlebt. Man muß wissen und begreifen, was ein Kind in einer revolutionären Peri­ode erlebt und mitmacht, wo man ganze Tage auf Demonstrationen ver­bringt, von der einen zur anderen Demo geht, von einem Treffen zum anderen gelangt, wo man Nächte in Diskussionstreffs verbringt, wo sich die Soldaten, die Arbeiter versam­meln, wo diskutiert wird, und wo die Meinungen aufeinanderprallen. Wenn an jeder Straßenecke plötzlich uner­wartet jemand auf eine Fensterbank steigt und zu sprechen anfängt. Und dann gibt es plötzlich 1000 Menschen um einen herum und die Diskussionen entbrennen. Das war etwas Unver­geßliches in meinen Leben, das natür­lich mein ganzes Leben geprägt hat. Dazu hatte ich noch das Glück, daß mein älterer Bruder Soldat und Bol­schewiki war, Parteisekretär in der Stadt, und an seiner Seite bin ich auf der Straße gewesen, von einem Treffen zum nächsten geeilt, auf dem er je­weils die Positionen der Bolschewiki verteidigte... Ich hatte die Chance, der letzte in ei­ner Familie zu sein, der fünfte, in der alle Parteimitglieder waren, bis sie getötet oder ausgeschlossen wurden. So konnte ich ich einem Haus leben, in dem es immer viele Menschen gab, Jugendliche, in dem immer diskutiert wurde, denn am Anfang war nur einer Bolschewik, die anderen waren mehr oder weniger Sozialisten. Es gab stän­dig Debatten mit allen ihren Freun­den, ihren Kollegen usw... Und dies war eine große Chance zur politischen Bildung eines Kindes..."

Während des Bürgerkriegs, als Moldawien von den weißen Armeen aus Rumänien besetzt war, mußte die Familie Marcs 1919 nach Palästina flüchten, weil sie von Pogromen (der Vater war ein Rabbiner) bedroht war. Übrigens waren seine älteren Brüder und Schwester Mitbegründer der kommunistischen Partei dieses Lan­des. Zu diesem Zeitpunkt wurde Marc Anfang 1921 (er war noch keine 13 Jahre alt) Militant, als er der kommunistischen Jugend (er war einer ihrer Mitbegründer) und der Partei beitrat. Sehr schnell prallte er mit der Kommunistischen Internationale und ihrer Position zur nationalen Frage zu­sammen, die er, seinen eigenen Wor­ten zufolge, nicht akzeptieren konnte. Aufgrund dieser Divergenz wurde er dann 1923 zum ersten Mal aus der kommunistischen Partei ausge­schlossen. Schon von diesem Zeit­punkt an, als er noch Jugendlicher war, zeigte Marc schon eine Hauptfä­higkeit, die er sein ganzes Leben lang bewahren sollte: eine unwandelbare Unnachgiebigkeit bei der Verteidigung der revolutionären Prinzipien, ungeachtet der Tatsache, daß diese Verteidigung ihn in Widerspruch und "Opposition" zu den "bekanntesten Führern" der Arbei­terbewegung bringen sollte, wie es damals die, Führer der Komintern, insbesondere Lenin und Trotzki war (2). Seine völlige Unterstützung der Sache des Proletariats, seine militante Beteiligung bei der Arbeit der kommunistischen Organisation und die tiefgreifende Achtung, die er gegenüber den großen Namen der Arbeiterbewegung hegte, haben ihn aber nie dazu veranlaßt, den Kampf für seine eigenen Positionen aufzugeben, wenn er meinte, daß die der Organisation sich von diesen Prin­zipien entfernten, oder daß sie auf­grund von neuen historischen Um­ständen überholt seien. Aus seiner Sicht waren genau wie bei allen großen Revolutionären wie Lenin oder Rosa Luxemburg die Unterstützung des Marxismus, der revolutionären Theorie des Proletariats keine Unter­stützung für jede einzelne Aussage, sondern jeweils für den Geist und die Methode des Marxismus. In Wirklich­keit war der Mut, den unser Genosse immer bewiesen hat, genau wie bei den anderen großen Revolutionären das Gegenstück, die andere Seite sei­ner vollständigen und nicht zu bre­chenden Unterstützung der Sache des Proletariats. Weil er dem Marxismus zutiefst verbunden war, war er nie­mals von einer Angst gelähmt, sich von ihm zu entfernen, als er auf der Grundlage des Marxismus selber das kritisierte, was bei den Positionen der Arbeiterorganisationen überholt und veraltet war. Die Frage der Unterstüt­zung der nationalen Befreiungs­kämpfe, die in der II. und dann in der III. Internationale zu einem Dogma geworden war, war die erste Stufe der Auseinandersetzung, auf der er Gele­genheit hatte, diese Vorgehensweise anzuwenden (3).

DER KAMPF GEGEN DIE ENTARTUNG DER KOMMUNISTISCHEN INTERNATIONALE

1924 kam Marc in Begleitung einer seiner Brüder nach Frankreich. Er wurde in die jüdische Gruppe der kommunistischen Partei aufgenom­men, womit er erneut zum Mitglied derselben Internationale wurde, aus der er kurz zuvor ausgeschlossen wor­den war. Von Anfang an beteiligte er sich an der Opposition, die gegen den Prozeß der Entartung der Komintern und der Kommunistischen Parteien ankämpfte. So beteiligte er sich mit Albert Treint (Generalsekretär der KPF von 1923-26) und Suzanne Girault (ehemalige Schatzmeisterin der Partei) an der Gründung der "Leninistischen Einheit" im Jahre 1927. Als die Oppositionsplattform, die von Trotzki in russischer Sprache verfaßt worden war, nach Frankreich gelang, erklärte er sich mit ihr einverstanden. Dagegen verwarf er im Gegensatz zu Treint die Erklärung Trotzkis, derzufolge bei all den Fragen, bei denen es zwischen Lenin und Trotzki vor 1917 Divergenzen gegeben hatte, Lenin Recht gehabt habe. Marc meinte, solch eine Einstellung sei überhaupt nicht richtig, zunächst weil Trotzki nicht wirklich von dem überzeugt war, was er behauptete; dann weil solch eine Position Trotzki auch nur bei den falschen Positionen Len­ins verharren lassen konnte, die dieser in der Vergangenheit vertreten hatte (insbesondere bei der Revolution von 1905 bei der Frage der "Demokratischen Diktatur des Proleta­riats und der Bauernschaft"). Erneut zeigte der Genosse seine Fähigkeit, eine kritische und hellsichtige Ein­stellung gegenüber den großen "Autoritäten" der Arbeiterbewegung zu bewahren. Seine Zugehörigkeit zur Opposition der Internationalen Linken nach seinem Ausschluß aus der KPF im Februar 1928 bedeutete keine Unterwerfung gegenüber all den Positionen ihres Hauptführers, ungeachtet all der Hochachtung, die er gegenüber ihm hegte. Insbesondere dank dieses Geistes war er dazu in der Lage, spä­ter nicht durch die opportunistischen Tendenzen der trotzkistischen Be­wegung aufgesogen zu werden, gegen die er Anfang der 30er Jahre den Kampf aufnahm. Nachdem er sich neben Treint an der Bildung der "Redressement communiste" (Kommunistische Wiederaufrichtung) beteiligt hatte, trat er 1930 dem Kommunistischen Bund (Ligue Communiste/ die Organisation, wel­che in Frankreich die Opposition darstellte) bei, innerhalb der er neben Treint Mitglied der Exekutivkommission im Oktober 1931 wurde. Aber alle beide verließen diese Gruppierung im Mai 1932, nachdem sie eine Min­derheitsposition gegenüber dem an­steigenden Opportunismus verteidigt hatten, um bei der Gründung der Fraktion der Kommunistischen Linken (sog. Gruppe aus Bagnolet) mitzuwirken. 1933 gab es in dieser Organisa­tion eine Spaltung und Marc brach mit Treint, der anfing, eine Analyse der UdSSR zu vertreten, wie sie ähnlich später von Burnham und Chaulieu ("bürokratischer Sozialismus") vertreten wurde. Im November 1933 beteiligte er sich mit Chaz6 (Gaston Davoust, der 1984 starb) an der Grün­dung der Union Communiste (Kommunistische Union). Mit Chaz6 hatte er Kontakt seit Anfang der 30er Jahre gehalten, als dieser noch Mitglied der KPF war (von der er im August 1932 ausgeschlossen wurde) und bei der Gruppe des 15. Bereichs (westlicher Vorort von Paris) mitmachte, die oppositionelle Auffassungen vertrat.

DIE GROSSEN KÄMPFE DER 30er JAHRE

Marc blieb Mitglied der "Union Communiste" bis zum Zeitpunkt des Spanienkriegs. Es handelte sich um einen der tragischsten Momente der Arbeiterbewegung. Victor Serge sprach von "il est minuit dans le sicle" (m.a.W. die finstersten Stun­den des Jahrhunderts). Wie Marc es selber beschrieb "Jahrelang in schrecklicher Isolierung zu leben, mit ansehen zu müssen, wie das französische Proletariat hinter der französischen Trikolore marschierte, der Fahne der Versailler, wie es die Marseillaise sang, all das im Namen des Kommunismus; für die Generationen, die revolutionär geblieben waren, war dies eine ganz scheußliche Sache".

Und gerade während des Spanien­kriegs erreichte dieses Gefühl der Hilflosig- und Machtlosigkeit einen Höhepunkt, als eine Vielzahl von Organisationen, die bis dahin Klassenpo­sitionen aufrechterhalten hatten, von der "anti-faschistischen" Welle wegge­schwemmt wurden. Insbesondere traf dies auf die Union Communiste zu, die die Ereignisse von Spanien als eine proletarische Revolution einschätzte, in der die Arbeiterklasse die Initiative der Kämpfe ergriffen hätte. Diese Organisation ging zwar nicht soweit, die Regierung der "Volksfront" zu unterstützen. Aber sie befürwortete das Engagement bei den anti­faschistischen Milizen und nahm politische Beziehungen mit dem linken Flügel der POUM auf, einer anti­faschistischen Organisation, die sich an der Regierung der Generalitat in Katalonien beteiligte.

Als unnachgiebiger Verteidiger der Klassenprinzipien konnte Marc natür­lich solch eine Kapitulation vor der herrschenden antifaschistischen Ideo­logie nicht akzeptieren, auch wenn diese in Worten verpackt war wie "Solidarität mit dem Proletariat Spani­ens". Nachdem er in einer Minderheit gegen solch ein Abgleiten mit ge­kämpft hatte, verließ er die Union Communiste und trat als Ein­zelmitglied 1938 der Fraktion der Ita­lienischen Linken bei, mit der er in Kontakt geblieben war. In deren Rei­hen wiederum hatte es auch eine Min­derheit gegeben, die dem Engagement bei den antifaschistischen Milizen positiv gegenüberstand. Inmitten der Erschütterungen, die der Spanienkrieg hervorrief und in Anbetracht all der Verrate, die er mit sich brachte, war die Italienische Fraktion, die im Mai 1928 in einem Pariser Vorort in Pan­tin gegründet worden war, eine der wenigen Gruppierungen, die auf Klas­senprinzipien beharrte. Sie stützte ihre Position der unnachgiebigen Verwer­fung all der antifaschistischen Lock­rufe auf dem Begreifen des histori­schen Kurses, der durch die Konterre­volution beherrscht wurde. In solch einer Phase des tiefgreifenden Zu­rückweichens des Weltproletariats, des Sieges der Reaktion, konnten die Er­eignisse in Spanien nicht als ein Erstarken einer neuen revolutionären Welle verstanden werden, sondern als eine neue Etappe der Konterrevolu­tion. Am Ende des Bürgerkrieges, in der sich nicht Arbeiterklasse und Bourgeoisie gegenüberstanden, son­dern die bürgerliche Republik, die auf der Seite des "demokratischen" impe­rialistischen Lagers stand, gegen eine andere bürgerliche Regierung, die dem "faschistischen" imperialistischen Lager verbunden war, konnte es keine Revolution, sondern nur einen Welt­krieg geben. Die Tatsache, daß die Arbeiter in Spanien spontan die Waf­fen gegen den Putsch Francos im Juli 1936 ergriffen haben (was natürlich von der Fraktion begrüßt wurde), er­öffnete diesen jedoch keine revolutio­näre Perspektive von dem Zeitpunkt an, als sie von den antifaschistischen Organisationen wie der SP, KP oder der anarcho-syndikalistischen CNT kontrolliert wurden, und darauf verzichteten, auf ihrem eigenen Klas­senterrain zu kämpfen. Denn sie wur­den schließlich zu Soldaten der bür­gerlichen Republik, die von der "Volksfront" geführt wurde. Und ei­ner der deutlichsten Beweise dafür, daß das Proletariat sich in Spanien in einer tragischen Sackgasse befindet, liegt in der Tatsache, daß es in diesem Land keine revolutionäre Partei gibt (4). Als Militant der Italienischen Frak­tion, die in Frankreich und in Belgien im Exil lebt, (5) setzte Marc den revolutionären Kampf fort. Insbeson­dere wurde er ein enger Weggefährte Vercesis (Ottorino Perrrone), der eine Haupttriebkraft in der Italienischen Fraktion war. Jahre später hat Marc oft den jungen Militanten der IKS er­klärt, wieviel er an der Seite Vercesis gelernt habe, für den er eine große Hochachtung zeigte und den er bewunderte. "An seiner Seite habe ich wirklich gelernt, was es hieß, ein Militant zu sein", hat er oft gesagt. Die bemerkenswerte Festigkeit, die die Fraktion unter Beweis stellte, ist zum großen Teil auf Vercesi zurück­zuführen, der schon als Militant seit dem Ende des 1. Weltkriegs in der PSI und dann in der PCI einen ständi­gen Kampf führte für die Verteidigung der revolutionären Prinzipien gegen den Opportunismus und gegen den Niedergang dieser Organisationen. Im Unterschied zu Bordiga, der Haupt­führer der PCI während ihrer Grün­dung 1921 und Haupttriebkraft der Linken in den nachfolgenden Jahren, der sich aber nach seinem Ausschluß aus der PCI im Jahre 1930 aus dem militanten Leben zurückzog, hat Ver­cesi seine Erfahrung in den Dienst der Fortsetzung des Kampfes gegen den Konterrevolution gestellt. Insbeson­dere leistete er einen gewaltigen Beitrag zur Herausarbeitung der Position hinsichtlich der Rolle der Fraktionen im Leben der proletarischen Organi­sationen, insbesondere in den Zeiträumen der Reaktion und des Niedergangs der Partei (6). Aber seine Beiträge waren noch umfangreicher. Auf der Grundlage des Begreifens der Aufgaben der Revolutionäre nach dem Scheitern der Revolution und dem Sieg der Konterrevolution war die Er­stellung einer Bilanz (daher der Name der Publikation der Fraktion auf französisch "BILAN") der vorausgegangenen Erfahrung im Hin­blick auf die "Vorbereitung der Kader für die neuen Parteien des Proletari­ats" unerläßlich, wobei dies - wie BI­LAN schrieb, ohne irgendwelche Scheuklappen und irgendein Verbot ,etwas zu überprüfen, geschehen sollte. Dabei trieb er die Fraktion zu einer umfangreichen Arbeit der Refle­xion und theoretischen Ausarbeitung an, wodurch diese zu einer der ergie­bigsten Organisationen in der Ge­schichte der Arbeiterbewegung wurde. Obgleich er von seiner politischen Bildung her "leninistischer" Aus­richtung war, hatte er keine Angst, die Positionen Rosa Luxemburgs zu über­nehmen, die die Unterstützung der nationalen Unabhängigkeitskämpfe verwarf und sich auf eine Analyse der ökonomischen Ursachen des Imperia­lismus stützte. Bei diesem letzten Punkt hatte er aus den Debatten mit dem Bund der Internationalistischen Kommunisten (Ligue des communistes internationalistes) Belgiens gelernt, deren Minderheit sich den Positionen der Fraktion während des Spanien­kriegs anschloß, um mit ihr Ende 1937 die Internationale Kommunisti­sche Linke zu gründen. Auch entwic­kelte Vercesi (in Zusammenarbeit mit Mitchell, Mitglied der LCI) ausge­hend von den Lehren des Prozesses des Niedergangs der russischen Re­volution und der Rolle des Sowjet­staates in der Konterrevolution die Po­sition, derzufolge es eine Identi­fizierung zwischen Diktatur des Proletariats und Staat, der nach der Revolution entstehen würde, nicht ge­ben kann. Schließlich gab er bei der Organisationsfrage ein Beispiel inner­halb der Exekutivkommission der Fraktion, wie eine Debatte geführt werden muß, wenn schwerwiegende Divergenzen entstehen. Gegenüber der Minderheit, die jegliche Orga­nisationsdisziplin brach, als sie sich den antifaschistischen Milizen an­schloß, die nicht mehr ihre Beiträge zahlen wollte, trat er gegen die Auf­fassung einer überstürzten organisato­rischen Trennung auf (obgleich den Funktionsregeln der Fraktion gemäß die Mitglieder der Minderheit hätten ausgeschlossen werden können), um die besten Bedingungen für die größtmöglichen Gelegenheiten zur Ent­wicklung einer Klarheit in der Debatte zu haben. Aus Vercesis Sicht wie für die Mehrheit der Fraktion war die po­litische Klarheit eine wesentliche Prio­rität bei der Rolle und der Aktivität der revolutionären Organisationen.

All diese Lehren, die er sich in vieler­lei Hinsicht schon in seiner früheren politischen Aktivität zu eigen gemacht hatte, hat Marc während der Jahre verarbeitet, in denen er an der Seite Vercesis als Militant aktiv war. Und auf diese gleichen Lehren stützte er sich selbst, als Vercesi anfing, sie zu vergessen und sich von den marxisti­schen Positionen zu entfernen. Als die Kommunistische Linke Italiens (GCI) gegründet wurde, als "BILAN" durch "Octobre" ersetzt wurde, hatte Vercesi angefangen, eine Theorie über die Kriegswirtschaft zu entwickeln, die ein endgültiges Überwinden der Krise des Kapitalismus ermöglicht hätte. Von dem vorübergehenden Erfolg der Wirtschaftspolitik des New Deal und der Nazis desorientiert, schlußfolgerte er daraus, daß die Waffenproduktion, die auf keine gesättigten kapita­listischen Märkte strömt, es dem Kapitalismus ermöglicht, seine wirtschaftlichen Widersprüche zu überwinden. Ihm zufolge stellten die gigantischen Aufrüstungsprogramme aller Länder Ende der 30er Jahre keine Vorbereitungen für einen späteren Weltkrieg dar, sondern waren im Ge­genteil ein Mittel, um diesem auszuweichen, indem die Hauptursa­che beseitigt würde: die wirtschaftli­che Sackgasse des Kapitalismus. Auf diesem Hintergrund, so Vercesi, müßten die verschiedenen lokalen Kriege, die damals stattfanden, insbe­sondere der Spanienkrieg, nicht als ein Vorspiel eines größeren Konfliktes aufgefaßt werden, sondern als ein Mittel für die Bourgeoisie, die Arbei­terklasse zu zerschlagen, damit diese keine revolutionären Kämpfe liefern könnte. Deshalb wandelte das Inter­nationale Büro der GCI den Namen seiner Publikation in "Octobre" um: man sei in eine neue revolutionäre Pe­riode eingetreten. Solche Positionen stellen eine Art nachträglichen Sieg der ehemaligen Minderheit der Frak­tion dar.

Gegenüber solch einem Abgleiten, wodurch die Hauptlehren BILANs in-fragegestellt wurden, führte Marc einen Kampf für die Verteidigung der klassischen Positionen der Fraktion und des Marxismus. Für ihn war dies ein sehr schwieriger Test, denn er mußte die Fehler eines Genossen be­kämpfen, den er ausgesprochen hoch einschätzte. In diesem Kampf war er in der Minderheit, denn die Mehrheit der Mitglieder der Fraktion, die durch ihre Bewunderung Vercesis 'erblindet' waren, folgten diesem in dessen Sack­gasse. Schließlich bewirkte diese Auffassung bei der Italienischen Frak­tion wie auch bei der Belgischen Fraktion eine vollständige Lähmung zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Weltkriegs. Damals meinte Vercesis, es gebe keinen Grund mehr zu inter­venieren, weil die Arbeiterklasse "gesellschaftlich verschwunden" sei. Zu diesem Zeitpunkt konnte Marc, der in die französische Armee eingezogen worden war (obgleich er staatenlos war), nicht sofort den Kampf aufnehmen (7). Erst im August 1940 konnte er sich in Marseille im Süden Frankreichs wieder in politi­sche Aktivitäten stürzen, um die Ele­mente der Italienischen Fraktion zusammenzuschließen, die sich in dieser Stadt zusammengefunden hatten.

GEGEN DEN IMPERIALISTISCHEN KRIEG

Die meisten Genossen weigerten sich, die von dem Internationalen Büro un­ter Vercesis Einfluß getroffene Ent­scheidung der Auflösung der Fraktio­nen hinzunehmen. Im Jahre 1941 hielten sie eine Konferenz der neugebildeten Fraktion ab, die sich auf die Verwerfung des seit 1937 ein­geschlagenen Kurses stützte. So ver­warf sie die Theorie der Kriegswirt­schaft als Überwindung der Krise, auch die Idee, daß "lokale" Kriege zum Zweck der Niederschlagung der Arbeiterklasse geführt würden sowie des "gesellschaftlichen Verschwinden des Proletariats" usw.. Auch gab die Fraktion die alte Position zur UdSSR auf, derzufolge diese als ein "entarteter Arbeiterstaat" (8) darge­stellt wurde. Stattdessen wurde ihr ka­pitalistisches Wesen aufgezeigt. Wäh­rend des ganzen Krieges hielt die Fraktion unter den schlimmsten Be­dingungen der geheimen Arbeit Jah­reskonferenzen mit Genossen aus Mar­seille, Toulon, Lyon und Paris ab. Und trotz der Besetzung durch deut­sche Truppen wurden Verbindungen zu Elementen in Belgien aufgebaut.

Ein internes Diskussionsbulletin wurde in Umlauf gebracht, das alle Fragen, die zur Niederlage von 1939 geführt hatten, aufgriff. Wenn man die verschiedenen Nummern dieses Bulletins liest, kann man sehen, daß die meisten Grundsatztexte, die die von Vercesi am deutlichsten vertrete­nen Abweichungen bekämpfen oder die Herausarbeitung neuer Positionen, die durch die Entwicklung der neuen historischen Situation entstanden wa­ren, die Unterschrift Marco trugen. Unser Genosse, der der Fraktion erst 1938 beigetreten und ihr einziges "ausländisches" Mitglied war, war während des Krieges ihre Haupttrieb­kraft. Gleichzeitig hatte Marc Diskussionen mit einem Kreis von jungen Elemen­ten vorangetrieben, von denen die meisten aus dem Trotzkismus kamen, und mit denen er im Mai 1942 den französischen Kern der Kom­munistischen Linke auf den politi­schen Grundlagen der GCI bildete. Dieser Kern arbeitete auf die Perspek­tive hin der Bildung einer Französi­schen Fraktion der Kommunistischen Linke, aber sie verwarfen die Politik der "Rekrutierungskampagnen" und der von den Trotzkisten praktizierten "Unterwanderung". Unter Marcs Ein­fluß weigerten sie sich, überstürzt so­fort eine solche Fraktion zu gründen.

Nachdem die Exekutivkommission der Italienischen Fraktion neu gebildet worden war, zu der Marc gehörte, wie auch dem französischen Kern, mußten diese gegenüber den Ereignissen in Italien 1942-43 Stellung beziehen, als wichtige Klassenkämpfe zum Sturz Mussolinis am 25. Juli 1943 und zu seiner Ersetzung durch den Admiral Badoglio führten, welcher auf Seiten der Alliierten stand. Ein von Marco unterzeichneter Text im Namen der Exekutivkommission äußerte sich folgendermaßen "die revolutionären Revolten, die den Lauf des imperiali­stischen Krieges zu Ende bringen wer­den, werden in Europa eine chaotische Lage entstehen lassen, die für die Bourgeoisie sehr gefährlich sein wird". Gleichzeitig warnten sie gegen die Versuche des "anglo­amerikanischen-russischen imperialistischen Blocks", die Revolten von Außen her zu zerschlagen, und auch gegen die der Parteien der Linken, die "das revo­lutionäre Bewußtsein mundtot machen wollen". Die Konferenz der Fraktion, die trotz der Opposition Vercesis im August 1943 stattfand, erklärte nach ihrer Analyse der Ereignisse in Italien, daß "die Umwandlung der Fraktion zur Partei" in diesem Land auf der Ta­gesordnung steht. Aufgrund der materiellen Schwierigkeiten und aufgrund des passiven Widerstands, den Vercesi gegenüber solch einer Position ausübte, schaffte es die Fraktion nicht, nach Italien vor­zudringen, um dort aktiv bei den Kämpfen zu intervenieren, die ange­fangen hatten, sich zu entfalten. Insbe­sondere wußte sie nicht, daß sich Ende 1943 im Norden Italiens nach den Anregungen Onorato Damens und Bruno Maffis die Partito Comunista Internazionalista (PCInt, Internationalistische Kommunistische Partei) gegründet hatte, an der sich alte Mitglieder der Fraktion beteiligten.

Während dieser Zeit hatten die Frak­tion und der Kern Kontakte entwickelt und Diskussionen aufgenommen mit anderen revolutionären Elementen, insbesondere mit deutschen und öster­reichischen Flüchtlingen, den Revo­lutionären Kommunisten Deutschlands (RKD), die sich vom Trotzkismus gelöst hatten. Mit ihnen und ins­besondere an führender Stelle der französische Kern betrieben sie eine direkte Propaganda gegen den imperialistischen Krieg; sie wandten sich an die Arbeiter und Soldaten aller Nationalitäten, die deutschen Proleta­rier in Uniform eingeschlossen. Es handelte sich natürlich um eine sehr gefährliche Aktivität, denn sie traten nicht nur der Gestapo entgegen, son­dern auch der R6sistance. Gerade diese erwies sich als für die Genossen am gefährlichsten, denn nachdem un­ser Genosse mit seiner Lebensge­fährtin von den FFI (Forces Francai­ses de l'Interieur - die demokratische Gestapo) verhaftet worden war, in de­ren Reihen es von Stalinisten wimmelte, entronn er nur knapp dem Tod, mit dem die Stalinisten ihm ge­droht hatten. Aber das Ende des Krieges sollte auch die Totenglocke der Fraktion einläuten.

In Brüssel übernahm Vercesi Ende 1944 nach der "Befreiung" bei der Fortführung seiner falschen Positio­nen, mit denen er die Prinzipien ver­worfen hatte, welche er in der Ver­gangenheit verteidigt hatte, die Füh­rung einer "antifaschistischen Koali­tion", die "L'Italia di Domani" (Das Italien von morgen) herausbrachte. Es handelte sich um eine Zeitung, die unter dem Vorwand der Hilfe für ita­lienische Gefangene und Emigranten klar Stellung bezog für die Seite der Kriegsalliierten. Sobald diese Tatsa­chen überprüft worden waren, und am Anfang wollte dies einfach niemand glauben, schloß die Exekutivkommis­sion der Fraktion nach Marcs Vor­schlag Vercesi am 25. Jan. 1945 aus. Solch eine Entscheidung ist nicht zurückzuführen auf die Divergenzen, die es bei verschiedenen Punkten zwi­schen Vercesi und der Mehrheit der Fraktion gab. Wie damals mit der al­ten Minderheit von 1936-37 bestand die Politik der Exekutivkommission und mit Marc in ihren Reihen darin, die Haltung Vercesis aus dem da­maligen Zeitraum fortzusetzen, die die Debatten mit der größtmöglichen Klarheit vorandrängen wollte. Aber was Vercesi 1945-45 vorgeworfen wurde, waren nicht nur einfach politi­sche Divergenzen, sondern seine ak­tive Teilnahme und gar führende Rolle bei einem Organismus der Bour­geoisie, der am imperialistischen Krieg mitwirkte. Aber dieses letzte Zeichen Unnachgiebigkeit seitens der Italienischen Fraktion war nur ein "letztes Aufbäumen".

Nachdem sie von der Existenz der PCInt in Italien erfahren hatten, be­schloß die Mehrheit ihrer Mitglieder auf der Konferenz vom Mai 1945 die Selbstauflösung der Fraktion und die individuelle Integration ihrer Mitglie­der in die neue "Partei". Mit seiner letzten Energie trat Marc gegen diesen Schritt auf, den er als vollständige Verwerfung der ganzen Vorgehens­weise auffaßte, auf der sich bislang die Fraktion gestützt hatte. Er forderte deren Aufrechterhaltung bis zum Ab­schluß der Überprüfung der politi­schen Positionen dieses neuen, so we­nig bekannten Gebildes. Und die Zu­kunft gab ihm mit dieser Vorsicht recht, wenn man feststellt, daß die er­wähnte Partei, der Elemente aus dem Süden Italiens aus der Umgebung Bordigas beitraten (und von denen ei­nige eine Unterwanderungsarbeit in der Italienischen KP betrieben), die schlimmsten opportunistischen Posi­tionen entfaltete, wobei man sogar soweit ging, mit der antifaschistischen Partisanenbewegung Kontakt aufzu­nehmen (siehe dazu Internationale Re­vue, Nr. 8, 4. Quartal 1976 und Nr. 32, 1. Quartal 1983, jeweils englisch, französische Ausgabe). Um gegen solch eine Kehrtwendung zu prote­stieren, kündigte Marc seinen Rück­tritt aus der Exekutivkommission an und verließ die Konferenz, die sich auch geweigert hatte, die Französische Fraktion der Kommunistischen Linken (FFGC) anzuerkennen, welche Ende 1944 von dem französischen Kern ge­gründet worden war, und die die Grundsatzpositionen der Internatio­nalen Kommunistischen Linke (GCI) übernommen hatte. Vercesis seiner­seits trat der neuen "Partei" bei, wel­che von ihm keine Rechenschaft for­derte über seine Teilnahme an der an­tifaschistischen Koalition in Brüssel. So kamen all die Bemühungen zum Erliegen, die er selber jahrelang un­ternommen hatte, um die Fraktion als Brücke zur Zukunft wirken zu lassen zwischen einer alten Partei, die zum Feind übergewechselt war und einer neuen Partei, die mit dem Wiederer­starken des Klassenkampfes des Proletariats auftauchen würde. Da Vercesi den Kampf für diese Position nicht weiter fortsetzte, sondern im Gegenteil dieser neuen Gruppierung -der FFGC - , die den klassischen Prinzipien der Italienischen Fraktion und der Internationalen Kommunisti­schen Linken (GCI) treu geblieben war, standen er und die neue PCInt ihr sehr feindlich gegenüber. Vercesi zielte gar darauf ab, innerhalb der FFGC eine Spaltung herbeizuführen,

wodurch es zur Bildung einer 'FFGC bis' (9) kam. Diese Gruppe ver­öffentlichte eine Zeitung, die den glei­chen Namen wie die der FFGC hatte, "L'Etincelle", "Der Funken". Ihr tra­ten bei Mitglieder der ehemaligen Minderheit von BILAN, die seinerzeit von Vercesi bekämpft worden war, sowie ehemalige Mitglieder der Union Communiste. Die PCInt und die Bel­gische Fraktion (die sich nach dem Krieg um Vercesi in Brüssel zusam­mengefunden hatte) bezeichneten die 'FFGC bis' als die einzigen "Repräsentanten der Kommunistischen Linken".

Von dem Zeitpunkt an war Marc das einzige Mitglied der Italienischen Fraktion, der den Kampf und die Po­sitionen aufrechthielt, die die Stärke und die politische Klarheit dieser Or­ganisation ausgemacht hatten. Inner­halb der Kommunistischen Linke Frankreichs, die FFGC bezeichnete sich nunmehr so, begann er eine neue Etappe in seinem politischen Leben.

Fußnoten:

(1) Die hier erwähnten Militanten wa­ren nur die bekanntesten unter denen, die es schafften, die Konterrevolution zu überleben, ohne ihre kommunisti­sche Meinungen aufzugeben. Man muß jedoch hervorheben, daß die mei­sten von ihnen im Gegensatz zu Marc es nicht geschafft haben, revolutionäre Organisationen zu gründen oder am Leben zu halten. Das trifft ins­besondere für Mattick, Pannekoek und Canne-Meijer zu, berühmte Genossen der Rätekommunistischen Bewegung, die von ihren eigenen Auffassungen zur Organisationsfrage gelähmt wur­den, oder gar wie bei Canne-Meijer von der Idee, daß der Kapitalismus in der Lage sei, seine Krisen endgültig zu überwinden, wodurch dem Sozia­lismus wieder jede Grundlage entzo­gen würde (siehe unsere Internationale Revue Nr. 37, "Das Scheitern des Rätismus, der verlorene Sozialis­mus"). So schaffte es auch Munis, ein sehr wertvoller und mutiger Genosse, der aus der spanischen Sektion der trotzkistischen Strömung hervorge­gangen war, nicht, mit seinen anfäng­lichen Auffassungen zu brechen, und da er in einer sehr voluntaristischen Betrachtungsweise verfangen war, die die Rolle der Wirtschaftskrise bei der Entwicklung des Klassenkampfes ver­warf, gelang es ihm auch nicht, den neuen Elementen, die dem FOR (Ferment Ouvrier R6volutionnaire) beigetreten waren, einen theoretischen Rahmen zu vermitteln, der ihnen er­möglicht hätte, die Aktivitäten dieser Organisation auf ernsthafte Weise nach dem Tode ihres Gründers fortzu­setzen. Bordiga und Damen ihrerseits vermochten politische Gruppen zu be‑reichern, die über deren Tod hinaus weiterbestehen (die Internationale Kommunistische Partei und die Internationalistische Kommunistische Partei); jedoch hatten sie große Schwierigkeiten (vor allem Bordiga), um die überholt gewordenen Positio­nen der Kommunistischen In­ternationale zu überwinden, was wie­derum zu einem Handikap für diese Organisationen wurde. Dadurch kam es zu einer sehr schwerwiegenden Krise Anfang der 80er Jahre (im Fall der IKP) oder zu einer ständigen Zweideutigkeit, Unklarheit bei lebens­wichtigen Fragen wie bei den Ge­werkschaften, dem Parlamentarismus oder den nationalen Bewegungen (im Fall der Internationalistischen KP, wie man es während der internationalen Konferenzen in den 70er Jahren feststellen konnte). Das traf übrigens auch auf Jan Appel zu, einer der be­kannten Führer in der KAPD, der von den Positionen dieser Gruppe geprägt blieb, ohne sie wirklich aktualisieren zu können. Jedoch hat sich dieser Ge­nosse seit der Gründung der IKS mit der allgemeinen Orientierung unserer Organisation identifiziert, und er hat uns nach besten Kräften unterstützt. Man muß wissen, daß Marc gegenüber all diesen Genossen ungeachtet der zahlreichen Di­vergenzen, die sie trennten, die größte Hochschätzung für sie hatte, und er fühlte sich mit den meisten von ihnen freundschaftlich verbunden. Diese Hochachtung und Verbundenheit begrenzte sich übrigens nicht auf diese Genossen. Er hatte sie auch für Genossen, die weniger bekannt waren, die aber .in Marcs Augen das große Verdienst hatten, ihre   Treue gegenüber der Sache der Arbeiterklasse, der Revolution in den schwierigsten Momenten in der Ge­schichte des Proletariats aufrechter­halten zu haben.

Marc erwähnte gerne diese Epi­sode aus dem Leben Rosa Luxemburgs, die auf dem Kongreß der II. Internationale 1896 (als sie gerade 26 Jahre alt war) es wagte, ge­gen all die "Autoritäten" der II. Internationale Stellung zu beziehen, und um das zu bekämpfen, was ein unantastbares Prinzip der Arbeiterbewegung geworden zu sein schien: die Forderung nach der Unabhängigkeit Polens.

Diese Vorgehensweise war der Bordigas diametral entgegengesetzt, aus dessen Sicht das Programm seit 1848 "invariabel" war. Dennoch hat dies nichts mit den "Revisionisten" wie Bernstein zu tun, oder mit den neueren Vertretern wie Chaulieu, Mentor der Gruppe "Sozialismus oder Barbarei" (1949-65). Sie unterscheidet sich auch von der rä­tekommunistischen Bewegung, die meinte, weil die russische Revolution von 1917 zu einer neuen Variante des Kapitalismus geführt habe, handelte es sich dabei um eine bürgerliche Revo­lution, oder die sich auf eine "neue" Arbeiterbewegung berief in Gegen­überstellung zu der "alten" (der II. und III. Internationale), die gescheitert wären.

Hinsichtlich der Haltung der Frak­tion gegenüber den Ereignissen in Spanien siehe insbesondere die "Internationale Revue", Nr. 4,6,7 1976 (engl. Ausgabe)

Zur Italienischen Fraktion siehe unsere Broschüre "Die Kommunisti­sche Linke Italiens".

Zur Frage des Verhältnisses Par­tei-Fraktion siehe unsere Artikel­sammlung in der Internationalen Re­vue Nr. 59,61,64,65 usw. - auch auf deutsch erhältlich.

15 Jahre lang war unser Genosse nur im Besitz eines "Ausweisungsbeschlusses" vom fran­zösischen Territorium, den er alle zwei Wochen bei den Behörden vorle­gen mußte, um die Durchführung des­selben aufzuschieben zu lassen. Es handelte sich um ein Damoklesschwert der sehr demokratischen Regierung Frankreichs, dem "Land des Asyls und der Menschenrechte", den diese über seinem Kopf schweben ließ. Marc war ständig gezwungen, zu be­teuern, daß er keine politischen Aktivitäten betreibe, was er natürlich nicht einhielt. Zum Zeitpunkt des Krieges beschloß diese Regierung, daß dieser "unerwünschte Staatenlose" durchaus dazu gut sei, als Kanonen­futter bei der Verteidigung des Vater­landes zu dienen. Obwohl von den deutschen Truppen gefan­gengenommen, gelang ihm die Flucht, bevor diese entdeckten, daß er Jude war. Mit seiner Lebensgefährtin Clara flüchtete er nach Marseille, wo die Polizei, nachdem sie seine Lage von vor dem Krieg entdeckt hatte, ihm keinen Ausweis ausstellte. Ironischer­weise zwangen die Militärbehörden die Zivilbehörden zu einer Änderung ihrer Haltung zugunsten von Marc, den sie als jemanden betrachteten, der "im Dienste Frankreichs" stünde, umso mehr noch, da es sich noch nicht einmal um sein Land handelte.

Diese Analyse, die denen der Trotzkisten gleicht, hat die Fraktion jedoch nie zu einem Aufruf zur "Verteidigung der UdSSR" veranlaßt. Seit Anfang der 30er Jahre - und die Ereignisse in Spanien haben diese Po­sition vollauf bestätigt - ging die

Fraktion davon aus, daß der "Sowjetstaat" einer der schlimmsten Feinde des Proletariats war.

Man muß unterstreichen, daß Marc trotz der Fehler Vercesis ihm gegenüber immer einen großen Respekt und Hochachtung zollte. Diese Hochachtung galt auch für alle Mitglieder der Italienischen Fraktion, die er immer mit den herzhaftesten Worten erwähnte. Man mußte ihn reden hören von all den Militanten, die nahezu alle Arbeiter waren, von Piccino, Tulio, Stefanini, deren Kampf er in den dunkelsten Stunden dieses Jahrhunderts teilte, um seine Hochachtung und Verbundenheit mit diesen Genossen einschätzen zu können.

Dieser Artikel war in seiner ursprüng­lichen Fassung in zwei Teilen veröf­fentlicht worden. Es folgt hier der 2. 

VOM 2. WELTKRIEG BIS HEUTE "INTERNATIONALISME"

Die Gauche Communiste de France (GCF) hielt ihre 2. Konferenz im Juli 1945 ab. Sie verabschiedete einen Be­richt zur internationalen Situation, der von Marc verfaßt worden war (wiederveröffentlicht in der Interna­tional Review Nr. 59, 1989, engl. Ausgabe), in dem eine globale Bilanz der Kriegsjahre gezogen wird. Ausge­hend von den klassischen Positionen des Marxismus zur Frage des Impe­rialismus und des Krieges, insbeson­dere gegenüber den Verirrungen, die Vercesi entfaltet hatte, stellt dieses Dokument eine Vertiefung des Begrei­fens der Hauptprobleme dar, vor denen die Arbeiterklasse in der Deka­denz des Kapitalismus steht. Dieser Bericht spiegelt den ganzen Beitrag wider, den die GCF für das revolutio­näre Gedankengut leistete, und von dem man sich eine Vorstellung ma­chen kann, wenn man die theoretische Revue "Internationalisme" liest (1). "L'Etincelle" stellte sein Erscheinen Ende 1946 ein. Die GCF hatte ver­standen, daß ihre Prognose eines re­volutionären Endes des imperialisti­schen Krieges (d.h. die Erwartung ei­ner parallelen Entwicklung wie am Ende des 1. Weltkriegs) nicht erfüllt worden war. Dank der Lehren, die sie aus der Vergangenheit gezogen hatte -und die Fraktion hatte dies schon seit 1943 befürchtet-hatte die Bourgeoisie der "Siegerländer" es geschafft, einen Aufstand des Proletariats zu verhindern. Die "Befreiung" war kein Sprungbrett für die Revolution, sondern im Gegenteil ein Gipfel der Konterrevolution. Die GCF zog daraus die Konsequenzen und meinte, daß die Bildung der Partei nicht auf der Tagesordnung stünde; ebenso meinte sie, daß jetzt nicht eine Hauptaufgabe die Agitation in der Arbeiterklasse sei, zu dessen Zweck L'Etincelle geschaffen worden war. Jetzt standen die Revolutionäre vor einer Aufgabe, ähnlich wie sie BILAN vor sich gehabt hatte. Deswegen widmete sich die GCF nunmehr der Arbeir der Klärung und der theoretisch-politischen Diskussion -im Gegensatz zur IKP , die jahrelang einen fieberhaften Aktivismus betrieb, welcher 1952 zu einer Spaltung zwischen der Tendenz um Damen, der aktivistischer war, und um Bordiga führte (mit dem sich Vercesi zusammenschloß). Diese Tendenz um Bordiga zog sich vollständig ins Sektierertum und in eine angebliche Invarianz zurück (tatsächlich war es eine erstarrte, versteinerte Form der Positionen der Kommunistischen Lin­ken von 1926). Dies sollte nunmehr das Merkmal der Internationalen Kommunistischen Partei (IKP I= In­ternational) und ihrer Zeitschrift Pro­gramma Comunista sein. Die IKP (IInternationalistisch) um Damen (welche noch in der Mehrheit war, setzte die Publikation Battaglia Comu­nista und Prometeo fort), der man zu diesem Zeitpunkt diesen Vorwurf des Sektierertums nicht machen konnte, stürzte sich in eine ganze Reihe von Initiativen von Konferenzen und ge­meinsamen Aktivitäten mit nicht-pro­letarischen Strömungen wie den Trotzkisten und Anarchisten.

Die GCF wiederum hat diesen Geist der Offenheit aufrechterhalten, der ein Kennzeichen der Italienischen Linken vor und während des Krieges gewesen war. Aber im Gegensatz zur IKP, die sich nach allen Seiten hin öffnete und nicht lange nach dem Klassencharakter der Organisationen fragte, mit denen sie in Kontakt trat, stützten sich die von der GCF hergestellten Kontakte genau wie seinerzeit bei BILAN auf genaue politische Kriterien, die eine präzise Abgrenzung von nicht-proleta­rischen Organisationen ermöglichten.

So beteiligte sich die GCF im Mai 1947 an einer internationalen Konfe­renz, die dank der Initiative des Communistenbond Hollands (rätekommunistischer Tendenz) einbe­rufen worden war, an der auch insbe­sondere die Gruppe Le Proletaire (sie war aus den RKD hervorgegangen) mitwirkte sowie die belgischen Frak­tion und die autonome Föderation Turins, die sich von der IKP gespalten hatte aufgrund der Divergenzen hin­sichtlich der Wahlbeteiligung. Bei der Vorbereitung dieser Konferenz, zu der der Bond auch die Anarchistische Fö­deration eingeladen hatte, bestand die GCF auf der Notwendigkeit von prä­ziseren Auswahlkriterien, die Gruppen fernhalten wie die offiziellen Anarchi­sten, welche an der Regierung der spanischen Republik und an der Resi­stance (2) mitgewirkt hatten.

Aber der Hauptbeitrag der GCF zum Kampf des Proletariats in dieser von der Konterrevolution beherrschten Zeit liegt sehr wohl bei der program­matischen und theoretischen Heraus­arbeitung und Vertiefung. Die be­trächtlichen Vertiefungsbestrebungen seitens der GCF in dieser Hinsicht ha­ben insbesondere zu einer Präzisierung der Funktion der revolutionären Partei geführt, wobei man über die klassi­schen "leninistischen" Auffassungen hinausging, und die endgültige und unwiderrufliche Einverleibung der Gewerkschaften und der Gewerk­schaftsarbeit in den kapitalistischen Staat feststellte. In dieser Hinsicht hatte die deutsch-holländische Linke von Anfang der 20er Jahre an eine ernsthafte Kritik an den falschen Posi­tionen Lenins und der Kommunisti­schen Internationale erarbeitet. Die Auseinandersetzung der Italienischen Fraktion vor dem Krieg und der GCF nach dem Krieg mit den Positionen dieser Strömung versetzten die GCF in die Lage, einige der Kritiken an der Kommunistischen Internationale wei­ter zu vertiefen. Aber die GCF erwies sich als fähig, nicht den gleichen Ex­zessen zu verfallen, den die deutsch­holländische Linke bei der Parteifrage begangen hatte (der nachher jede Funktion abgesprochen wurde). Auch ging man beim Verständnis der Ge­werkschaftsfrage viel weiter (denn ne­ben der Verwerfung der klassischen Gewerkschaftsarbeit, trat die deutsch­holländische Linke für eine Art Basis­gewerkschaftsarbeit ein, wobei sie sich auf die "Unionen" aus der Zeit 1919-20 in Deutschland stützte). Bei der Gewerkschaftsfrage konnte man den Unterschied in der Methode zwi­schen der deutschen und italienischen Linken sehen. Die deutsche Linke ver­stand während der 20er Jahre den großen Rahmen einer Frage (z.B. des kapitalistischen Wesens der UdSSR oder des Wesens der Gewerkschaften), aber indem man eine systematische, vertiefte Auseinandersetzung bei der Erarbeitung neuer Positionen unter­ließ, wurden bestimmte Grundlagen des Marxismus infrage gestellt, und eine spätere Vertiefung dieser Fragen unmöglich gemacht. Die Italienische Linke ihrerseits war viel vorsichtiger. In Anbetracht der Ausrutscher Verce­sis im Jahre 1938 hatte sie die ständige Sorge, jeden von ihr vollzogenen Schritt der Vertiefung einere systematischen Kritik zu unterziehen, um zu überprüfen, ob sie sich nicht vom Rahmen des Marxismus entfernten. Dadurch wurde sie in die Lage versetzt, viel weiter zu gehen bei der Vertiefung und bei der theoretischen Weiterentwicklung der Positionen insbesondere zu einer so grundsätzlichen Frage wie der des Staats. Diese Vorgehensweise hatte Marc innerhalb der Italienischen Fraktion kennengelernt und übernommen; und auf diese stützte er sich wiederum bei der Arbeit in der GCF. Die GCF vertiefte auch weiterhin die Frage des Staates in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Kommunismus. Auch wurde die Frage des Staatskapitalismus nicht mehr nur im engen Rahmen der Ana­lyse der UdSSR gesehen, sondern die allgemeinen, weltweit gültigen Merk­male dieser Haupterscheinungsweise der Dekadenz der kapitalistischen Produktionsweise wurden herausgear­beitet. Diese Analyse findet man insbeson­dere in dem Artikel "Die Entwicklung des Kapitalismus und die neue Per­spektive" (veröffentlicht in Internatio­nalisme Nr. 46, wieder veröffentlicht in International Review Nr. 21, engl. Ausgabe). Dieser Text war von Marc im Mai 1952 verfaßt worden, und er stellt in gewisser Hinsicht das politi­sche Testament der GCF dar. Im Juni 1952 verließ Marc Frankreich, um nach Venezuela umzuziehen. Diese Abreise entsprach einem kollektiven Beschluß der GCF, die in Anbetracht des Koreakrieges davon ausging, daß ein dritter Weltkrieg zwischen dem amerikanischen und russischen Block unvermeidbar wäre und kurz bevor­stünde (wie in dem o.g. Text entwic­kelt wurde). Solch ein Krieg würde hauptsächlich Europa zerstören, da­durch würden die wenigen kommuni­stischen Gruppen vollständig vernich­tet, auch die GCF, deren Mitglieder ja gerade erst den 2. Weltkrieg über­lebt hatten. Wenn einige Militanten außerhalb Europas Schutz suchen wollten, dann geschah dies nicht so sehr aus Sorge um die individuelle Si­cherheit (während des ganzen 2. Weltkriegs hatten Marc und seine Ge­nossen bewiesen, daß sie bereit waren, große Risiken einzugehen, um die re­volutionären Positionen unter den schlimmst möglichen Bedingungen zu verteidigen), sondern weil man so das Überleben der Organisation selber er­möglichen wollte. Aber die Abreise einer der erfahrensten und politisch gebildesten Genossen zu einem ande­ren Kontinent sollte für die GCF einen nicht zu verkraftenden Schlag darstel­len. Denn die Mitglieder, die in Frankreich blieben, schafften es trotz der fortgesetzten Korrespondenz mit Marc nicht, die Organisation in der Zeit der tiefgreifenden Konterrevolu­tion am Leben zu halten. Aus Grün­den, auf die wir hier nicht eingehen können, fand dann der 3. Weltkrieg nicht statt. Es liegt auf der Hand, daß dieser Fehler bei der Analyse der Lage der GCF das Leben gekostet hat (und dies ist wahrscheinlich der Fehler, unter denen, die von dem Genossen während seines militanten Lebens be­gangen wurden, der die schwersten Konsequenzen gehabt hat). Aber die GCF hinterließ ein großes politisches und theoretisches Vermächtnis, auf das sich die Gruppen stützen konnten, die später die IKS gründeten.

DIE INTERNATIONALE KOMMUNISTISCHE STRÖMUNG

Mehr als 10 Jahre lang - d.h. in einer Zeit, in der die Konterrevolution die Arbeiterklasse weiter erdrückte - lebte Marc in einer besonders schlimmen Isolierung. Er verfolgte die Aktivitä­ten der revolutionären Organisationen, die sich in Europa am Leben hielten und blieb in Kontakt mit ihnen und ei­nigen ihrer Mitglieder. Auch setzte er die Arbeit der Reflexion, der Vertie­fung über einige Fragen fort, die die GCF nicht ausreichend hatte klären können. Aber zum ersten Mal in sei­nem Leben konnte er an keiner orga­nisierten Aktivität teilnehmen, die ja gerade unentbehrlich ist für solch eine Arbeit der Vertiefung. Es war eine sehr schwere Herausforderung, wie er selber formulierte: "In dieser Zeit der Reaktionen nach dem 2. Weltkrieg gab es einen langen Marsch durch die Wüste, insbesondere nach der Auflösung der Gruppe "INTERNATIONALISME" nach 10 Jahren ihres Bestehens. Dem folgte eine 15jährige Isolierung. Diese dauerte an bis zum Zeitpunkt, als er es schaffte, um ihn herum eine kleine Gruppe von Gymnasiasten zu sammeln, die den Kern einer neuen Organisation darstellen sollten: "Und 1964 wurde in Venezuela eine Gruppe gegründet, der ganz junge Leute an­gehörten... und diese Gruppe besteht heute noch. 40 Jahre lang in der Konterrevolution, in der dunkelsten Reaktion zu leben, und dann plötzlich Hoffnung zu verspüren, zu merken, daß die Krise und die Jugend wieder da sind... Und dann zu spüren, wie diese Gruppe Schritt für Schritt an­wuchs, wie sie sich durch die Ereig­nisse von 1968 entfaltete, in Frankreich und dann in 10 Ländern... All das ist wirklich eine Freude für einen Militanten. Diese Jahre, die letzten 25 Jahre sind sicherlich die glücklichsten Jahre gewesen. Während dieser Jahre konnte ich die Freude über diese Entwicklung verspüren, und über die Überzeugung, daß es wieder losging, daß wir die Niederlage über­wunden hatten, und daß wir aus der Niederlage herausgekommen ware, und daß das Proletariat wieder als solches in Erscheinung tritt, daß die revolutionären Kräfte wieder Auf­schwung nehmen. Die Freude zu ha­ben, selber daran mitzuwirken, all das zu geben, was man kann, das Beste für diesen Wiederaufbau geben - all das bereitet eine große Zufriedenheit. Und diese Freude schulde ich der IKS..." Im Unterschied zu anderen Organisa­tionen, in denen Marc aktiv gewesen war, wollen wir hier nicht die Ge­schichte der IKS neu aufrollen, denn anläßlich des 10. Jahrestags des Beste­hens der IKS haben wir dies schon in unserer Presse getan (siehe dazu Inter­nationale Revue, Sondernummer zur Organisationsfrage). Wir wollen nur einige Elemente erwähnen, die den gewaltigen Beitrag unseres Genossen zum Prozeß der Bildung unserer Or­ganisation verdeutlichen. So war es hauptsächlich das Verdienst Marcs, daß noch vor der Gründung der IKS die kleine Gruppe in Venezuela, die Internacionalismo veröffentlichte (sie hatte den gleichen Namen wie die Re­vue der GCF), eine große Klarheit entwickeln konte, insbesondere zur Frage der nationalen Befreiung. Denn diese Frage spielte in Venezuela eine große Rolle. Auch bestanden hierzu im politischen Milieu große Verwir­rungen. Auch entsprach die Politik Internacionalismos der Kontaktauf­nahme mit anderen Gruppen aus dem Milieu auf dem amerikanischen Kon­tinent und in Europa der Politik der GCF und der Fraktion. Und während man im Januar 1968 nur vom Wohl­stand und der Blütezeit des Kapitalis­mus und dessen Fähigkeit, die Krisen zu überwinden, sprach (und einige Revolutionäre taten dies auch schon), und als die Theorien Marcuses über die "Integration der Arbeiterklasse in den Kapitalismus" weit verbreitet wa­ren, und als die Revolutionäre, die Marc während einer Reise durch Eu­ropa im Sommer 1967 getroffen hatte, meist total skeptisch waren hinsicht­lich des Potentials einer Arbeiter­klasse, die angeblich noch in der tief­sten Konterrevolution steckte, da fürchtete sich unser Genosse nicht, in Internacionalismo Nr. 8 zu schreiben: ""Wir sind keine Propheten, und wir behaupten auch nicht raten zu können, wann und wie sich die zukünftigen Er­eignisse abspielen werden. Aber wir sind uns in der Tat sicher und uns des­sen bewußt, daß der Kapitalismus den Prozeß, in den er gegenwärtig geraten ist, nicht aufhalten kann... dieser führt nämlich direkt zur Krise. Und wir sind ebenfalls sicher, daß die ent­gegengesetzte Entwicklung der Ent­faltung der Kampfbereitschaft der Klasse, die man jetzt überall sieht, die Arbeiterklasse in einen blutigen und direkten Kampf um die Zerstörung des bürgerlichen Staats treiben wird". Einige Monate später brachte der Ge­neralstreik des Mai 1968 in Frankreich eine unwiderlegbare Be­stätigung dieser Vorhersagen. Natür­lich war noch nicht die Stunde eines "direkten Kampfes um die Zerstörung des bürgerlichen Staates" gekommen, sondern die eines historischen Wieder­erstarkens des Weltproletariats, das angefacht worden war durch die ersten Erscheinungen der offenen Krise des Kapitalismus nach der tiefsten Konter­revolution der Geschichte. Diese Vor­hersagen sind kein Ergebnis einer Spekulation, sonder einfach ein be­merkenswerter Beweis dafür, daß un­ser Genosse den Marxismus be­herrschte, und daß er auch in den schlimmsten Momenten der Konterre­volution ein Vertrauen in die revolu­tionären Fähigkeiten der Arbeiter­klasse bewahrt hat. Sofort kam Marc nach Frankreich (er legte gar einen Teil der Anreise per Anhalter zurück, da der öffentliche Verkehr in Frankreich durch Streiks gelähmt war). Dort nahm er Kontakt zu alten Mitgliedern der GCF auf und trat in Diskussionen mit einer Reihe von Gruppen und Elementen des politi­schen Milieus ein (3). Diese Aktivitä­ten wie die eines jungen Mitglieds von Internacionalismo, der schon seit 1966 nach Frankreich gekommen war, wa­ren entscheidend für das Entstehen und die Entfaltung der Gruppe Revo­lution Internationale, die die Rolle des Pols der Umgruppierung spielen sollte, auf dem aufbauend später die IKS entstand. Wir können hier leider nicht auf all die politischen und theoretischen Bei­träge unseres Genossen innerhalb un­serer Organisation nach ihrer Grün­dung eingehen. Es reicht aus zu sagen, daß bei allen wesentlichen Fragen, vor denen die IKS stand, wie auch die Ar­beiterklasse insgesamt, bei all den Schritten vorwärts, die wir haben ma­chen können, der Beitrag unseres Ge­nossen entscheidend war. Marc war in der Regel derjenige unter uns, der neue Fragen, neue Punkte als erster aufwarf, vor denen wir standen. Diese ständige Wach- und Achtsamkeit, diese Fähigkeit, schnell und in der Tiefe die neuen Fragen zu untersu­chen, auf die man eine Antwort ent­wickeln mußte, aber auch gegenüber älteren Fragen, bei denen noch im po­litischen Milieu Verwirrungen vor­handen waren, all dies ist in unserer Internationalen Revue in mehr als 60 Ausgaben schriftlich zum Ausdruck gekommen. Die Artikel zu diesen Fragen waren nicht immer direkt von Marc verfaßt worden, denn da er nie an einer Uni studiert hatte, und vor allem, weil er immer in Sprachen schreiben mußte, die er erst im Er­wachsenenalter gelernt hatte, wie das mit dem Französischen der Fall war, war Schreiben für ihn jeweils eine schwere Aufgabe. Aber er war immer derjenige, der zu den meisten Artikeln die Inspiration, die Anregung geliefert hatte, damit unsere Organisation ihre Verantwortung der ständigen Aktuali­sierung der kommunistischen Positio­nen erfüllt. Um nur eines der letzten Beispiele zu nennen, als unsere Orga­nisation gegenüber einer neuen histo­rischen Situation schnell reagieren mußte, nämlich dem Zusammenbruch des Ostblocks und des Stalinismus, war es die große Wachsamkeit unseres Genossen und gleichzeitig natürlich die Tiefgründigkeit seiner Gedanken, die eine entscheidende Rolle bei der Fähigkeit der IKS gespielt haben, eine ausreichende Antwort für die Analyse dieser Ereignisse zu liefern. Und seit­dem haben die Ereignisse unsere Analyse nur bestätigt.

Aber der Beitrag Marcs zum Leben der IKS begrenzte sich nicht auf die Ausarbeitung und die Vertiefung der politischen Positionen und theoreti­schen Analysen. Bis in die letzten Tage seines Lebens setzte er sich nicht nur mit der Entwicklung der Weltlage auseinander, dachte darüber nach und teilte dies trotz der übermenschlichen Anstrengungen, die dies in Anbetracht seines Gesundheitszustandes bedeute­ten, den Genossen mit, die ihn am Krankenbett besuchten. Auch be­schäftigte er sich weiter mit den De­tails der Aktivitäten und der Funkti­onsweise der IKS. Für ihn gab es nie "untergeordnete" Fragen, mit denen sich theoretisch weniger gebildete Ge­nossen hätten auseinandersetzen sol­len. Er setzte sich immer dafür ein, daß alle Genossen der Organisation die Fähigkeit zu einer größtmöglichen politischen Klarheit entwickeln, und daß theoretische Fragen nicht den "Spezialisten" vorbehalten bleiben, er hat nie gezögert, mit Hand anzulegen an alle praktischen Alltagsaktivitäten unserer Organisation. So hat Marc den jungen Mitgliedern unserer Organisa­tion als Beispiel für einen Genossen gedient, der seine ganzen Fähigkeiten in das Leben dieses unabdingbaren Organs der Arbeiterklasse, ihre revo­lutionäre Organisation steckt. Tatsächlich vermochte unser Genosse ständig den neuen Generationen von Genossen die Erfahrung zu vermitteln, die er im Laufe seines außergewöhnli­chen und langen militanten Lebens ge­sammelt hatte. Und solch eine Erfah­rung konnten diese Generationen von neuen Militanten nicht nur anhand von politischen Texten erwerben, sondern im Alltagsleben der Organisation, und mit Hilfe der Anwesenheit Marcs sel­ber konnten sie dies tun. Aus dieser Sicht hat Marc einen ganz außergewöhnlichen Platz im Leben des Proletariats eingenommen. Wäh­rend die Konterrevolution die politi­schen Organisationen, die die Arbei­terklasse in der Vergangenheit hervor­gebracht hatte, entweder auslöschte oder sie zerfallen ließ, stellte Marc eine Brücke, ein unersetzbares Ver­bindungsglied zwischen den Organi­sationen dar, die an der revolutionären Welle nach dem 1. Weltkrieg teilge­nommen hatten und den Organisatio­nen, die sich an der nächsten beteili­gen werden. In seiner Geschichte der russischen Revolution warf Trotzki die Frage der besonderen und außer­gewöhnlichen Stellung Lenins auf. Sich auf die klassischen Thesen des Marxismus über die Rolle des Indivi­duums in der Geschichte stützend, schloß er daraus, daß die Revolution ohne Lenin, der es geschafft hatte, die bolschewistische Partei wieder aufzu­richten und sie politisch "zu festigen, zu bewaffnen", nicht hätte stattfinden können, oder daß sie zum Scheitern verurteilt gewesen wäre. Es liegt auf der Hand: ohne Marc gäbe es die IKS nicht, zumindest nicht in ihrer gegen­wärtigen Form als bedeutendste Orga­nisation des internationalen revolutio­nären Milieus (ohne von der Klarheit der Positionen zu sprechen, von denen natürlich andere revolutionäre Grup­pen eine andere Meinung haben kön­nen). Insbesondere seine Präsenz und sein Wirken haben es ermöglicht, daß die gewaltige und Grundsatzarbeit, den die Fraktionen der Linken ver­richtet haben, insbesondere die Italie­nische Linke, die alle aus der Komin­tern ausgeschlossen worden waren, nicht in Vergessenheit geraten, son­dern fruchtbringend verwendet wer­den. Während unser Genosse in der Arbeiterklasse nie einen Bekanntheits­grad vergleichbar mit dem von Lenin, R. Luxemburg, Trotzki oder gar Bor­diga oder Pannekoek gehabt hat - denn dies konnte nicht anders sein, weil er den größten Teil seines Lebens unter der Konterrevolution arbeitete- soll man sich gerade deshalb nicht fürchten zu sagen, daß sein Beitrag zum Kampf des Proletariats auf der gleichen Ebene liegt wie der der oben genannten Re­volutionäre.

Unser Genosse hat solche Vergleiche immer verworfen. Mit der größtmög­lichen Einfachheit und Bescheidenheit hat er immer seine militanten Aufga­ben erfüllt; auch hat er nie seinen "Ehrenplatz" innerhalb der Organisa­tion verlangt. Sein größter Stolz lag nicht in seinem außergewöhnlichen Beitrag, den er geliefert hat, sondern in der Tatsache, daß er es geschafft hat, bis zum Ende seines Lebens dem Kampf des Proletariats treu zu blei­ben. Und das war auch eine wertvolle Lehre für all die neuen Generationen von Genossen, die nicht die Gelegen­heit gehabt haben, die große Aufopfe­rung, das Engagement für die revolu­tionäre Sache kennenzulernen, die die früheren Generationen von Genossen auszeichneten. Vor allem auf dieser Ebene wollen wir in diesem Kampf auf der Höhe sein, den wir nun ohne die wachsame und hellsichtige, brü­derliche und leidenschaftliche Präsenz unseres Genossen entschlossen sind fortzusetzen.

IKS

Politische Strömungen und Verweise: