Kundus und die Kriegsspirale

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In den letzten Wochen standen die Vorfälle von Kundus immer wieder im bundesdeutschen Rampenlicht. Nachdem durchsickerte, dass das wahre Ausmaß des Massakers von Anfang September 2009 ziemlich schnell den deutschen Einsatzkräften vor Ort bekannt wurde, über die Ereignisse auch nach Berlin an die höchsten Stellen (im unterschiedlichen Maße) berichtet wurde, der gesamte Vorfall aber von den beteiligten Stellen dann doch heruntergespielt bzw. mit allen Tricks gemauert wurde, mussten die ersten Köpfe rollen. Rücktritt des Generalinspekteurs, eines Staatssekretärs – schließlich des damaligen Verteidigungsministers Jung und nunmehr wachsender Druck auf den neu eingesetzten Verteidigungsminister, den Shooting-Star zu Guttenberg. Mittlerweile wurde – der demokratischen Zeremonie folgend - ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Angelegenheit eingesetzt (der dem Militär sichtlich wohl gesonnene Verteidigungsausschuss).

Wozu all diese Aufregung?

Der Verharmlosungsversuch des Krieges scheitert…

Nachdem uns in den letzten Jahren eingetrichtert worden war, bei all den Auslandseinsätzen des deutschen Militärs gehe es nicht um eine Kriegsbeteiligung, sondern um „friedenserhaltende“, „Stabilisierungsmaßnahmen“ usw., lässt sich heute die Wirklichkeit der deutschen Kriegsbeteiligung in Afghanistan nicht mehr leugnen. Krieg ist die Entfesselung einer Vernichtungsmaschinerie –und bei nichts anderem ist auch das deutsche Militär in Afghanistan oder anderswo involviert. Man tritt dort nicht martialisch ausgerüstet auf, um mit den todbringenden Waffen in die Luft zu ballern, sondern um damit Menschen und Material zu vernichten. Es gibt keinen Krieg ohne Töten. Um zu töten, muss man gezielt schießen, versuchen, den Gegner auszuschalten, ihn mit möglichst großem Schaden treffen. All das sollte uns verheimlicht werden.

Die Geschichte des Krieges seit mehr als einem Jahrhundert zeigt, dass dabei hauptsächlich nicht Soldaten, d.h. erkennbare Truppen des Gegners auf der Strecke bleiben, sondern meist Zivilisten. Während im 19. Jahrhundert noch das Verhältnis 1:10 (ein getöteter feindlicher Soldat zu 10 Zivilisten) lautete, hat sich dieses Verhältnis genau ins Gegenteil umgekehrt: 10:1. Diese Entwicklung wiederholt sich nahezu regelmäßig in allen, im Militarismus versinkenden Gesellschaften. Ob im zerfallenden römischen Reich, das begleitet von einer Reihe von Kriegen erschöpft niederging, oder im dreißigjährigen Krieg in Deutschland 1618-48, als die Zivilbevölkerung durch den Krieg dezimiert wurde. Aber all die Anstrengungen der Herrschenden, bei den letzten Kriegen nicht offen ihre Kriegsziele zu proklamieren, sondern ihre jeweiligen Mobilisierungen unter dem Deckmantel der „humanitären“ Hilfe zu verstecken, weil die Bevölkerung sich eigentlich nicht für den Krieg einspannen lassen will, haben am Ende wenig gefruchtet.

Erzählte uns nicht „Rot-Grün“ 1998, kaum nachdem sie die Regierungsgeschäfte übernommen hatten, dass man beim Balkankrieg und der Bombardierung Serbiens „einem verbrecherischen System“ auch unter Verwendung modernster mörderischer Waffen wie z.B. Streubomben den Garaus machen müsse? Wenn nun die Bundeswehr auch in Afghanistan die Politik des „shoot-to-kill“ praktiziert, dann gehört dies vollkommen zu den Gesetzen des Krieges. Dagegen entpuppen sich diejenigen, die behaupten, dies widerspreche dem Mandat der Bundeswehr, als Vertuscher des wahren Charakters des Krieges und seiner Gesetze. Tatsache ist, keine Armee kann sich den Mechanismen des Militarismus entziehen. So kommt es, dass die Machthabenden in Deutschland und anderswo immer mehr in Bedrängnis geraten, wenn es um die Rechtfertigung der Kriegseinsätze geht.

Versprechen und Wirklichkeit…

Vor diesem Problem steht auch der Friedensnobelpreisträger, Barack Obama. War er nicht in der Wahlkampagne angetreten, um den u.a. wegen des Irakkrieges sehr unpopulär gewordenen US-Präsidenten G.W. Bush abzulösen? Hatte er nicht eine atomare Abrüstung vorgeschlagen? Aber eigentlich geht es dem Friedensnobelpreisträger nur darum, die Kräfte des US-Militärs besser zu bündeln, sie wirksamer einzusetzen. Denn schon während der Wahlkampagne hatte er die Entsendung von zusätzlichen Truppen nach Afghanistan angekündigt. Auf der bevorstehenden Afghanistankonferenz möchten die USA denn auch andere Länder zum Einsatz weiterer Truppen verpflichten – obwohl ernst zu nehmende Militärexperten eingestehen, dass der Konflikt überhaupt nicht militärisch gelöst werden kann.

Während die USA unter dem an seinem Mandatsende stark verschlissenen G.W. Bush nach 2001 in Afghanistan und im Irak ab 2003 eine Politik der Bombardierung betrieben, die nirgendwo eine Stabilisierung herbeigeführt hat, sondern die US-Politik in einen noch größeren Schlamassel hineingerissen hat, hat der „Kampf gegen den Terror“ in Pakistan nur noch einen neuen Kriegsherd eröffnet. In dem mit Atomwaffen hochgerüsteten Pakistan reißt die Attentatsserie nicht ab, die sich immer mehr gegen die Regierung und „ausländische“ Einflüsse richtet. Auch hier hinterlässt der Militarismus immer mehr verbrannte Erde – und große Flüchtlingsströme…

Wenn nun die USA in Anbetracht des missglückten Attentats auf eine US-Passagiermaschine angekündigt haben, ihren „Krieg gegen den Terror“ auch auf den Jemen auszudehnen, in dem sich der Attentäter aufgehalten haben soll, dann ziehen die USA damit nur noch ein weiteres Land in ihren Kampf zur Aufrechterhaltung ihrer Vormachtstellung. Am Ende seines Mandats wird der Friedensnobelpreisträge Obama wohl mit so viel Blut an den Fingern dastehen wie sein Vorgänger Bush…. (1)

Dabei ist die Ausdehnung der Bombardierungen auf den Jemen aber nicht irgendein sekundärer Schritt, sondern von großer Bedeutung, denn das Land liegt an der strategisch wichtigen Schiffspassage – dem Horn von Afrika und der Route zum Suez-Kanal, wo –ohnehin schon bedrängt von Piraten aus dem failed-state Somalia – ein Großteil des Weltschiffverkehrs zwischen Asien und Europa abgewickelt wird. Das Eingreifen auf jemenitisches Territorium durch US-Truppen wird sicherlich von den Rivalen argwöhnisch beobachtet werden. Inzwischen wird darüber spekuliert, dass in Washington ein Militärschlag gegen den Iran vorbereitet wird, um die Entwicklung eines Atompotenzials dieses Landes noch zu verhindern.

Die USA setzen Deutschland einen Schuss vor den Bug

In der Zwischenzeit unterlassen die USA aber keine Gelegenheit, dem deutschen Rivalen eins vor den Bug zu schießen. Denn wenn die ISAF in ihrem Bericht die Politik des Bundeswehrkommandos hinsichtlich des Vorfalls von Kundus kritisierte, dann geschieht dies nicht ohne die direkte „Zuarbeit“ der USA, welche im Auftrag der Bundeswehr die Bombardierung bei Kundus ausgeführt haben, und somit bestens in der Lage sind, die deutschen Medien mit Enthüllungen darüber zu versorgen. So ruft die verbleibende Supermacht USA den herrschenden Politikern wie in Deutschland in Erinnerung, dass sie immer noch in der Lage sind, aussichtsreiche Politikerkarrieren scheitern zu lassen und jede x-beliebige Regierung der Welt innenpolitisch unter Druck zu setzen.

(1) In Kolumbien, wo die USA den Kampf gegen die Drogenbarone auch und vor allem mit militärischen Mitteln führen, wurden 2009 über 15.000 Menschen getötet, davon gingen allein 6.000 auf das Konto von Killerkommandos. Die US-Strategie, mit Waffengewalt für „Befriedung“ und „Sicherheit“ sorgen zu wollen, verschlimmert die Spirale der Gewalt nur noch mehr.

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