Gespeichert von Weltrevolution am
Wir veröffentlichen nachfolgend den zweiten Teil einer Antwort auf einen Leserbrief aus Süddeutschland, der sich in großen Teilen sehr kritisch, wenn nicht ablehnend mit einem Teil unserer Positionen auseinandersetzte. Aus Platzgründen veröffentlichten wir in Weltrevolution Nr. 133 nur den ersten Teil unserer Antwort. In diesem ersten Teil befassten wir uns mit der “Arbeit des alten Maulwurfs”, der durch die Suche von zahlreichen Leuten zum Ausdruck kommt, die sich mit linkskommunistischen Positionen befassen. Hinsichtlich der Frage des Antifaschismus und dem Wirken der Kommunistischen Linken hatte unser Leser gemeint, die “Fraktionen der kommunistischen Linken [sind] so sang- und klanglos in den 1930er Jahren ausgestorben. Das Proletariat brauchte damals keine Schwätzer und Schreiber.”
2. Teil der Antwort der IKS
Das Wirken der Fraktionen der Kommunistischen Linken
Lieber Genosse,
Das erste, was wir dazu anmerken wollen,
ist, dass weder die Fraktionen der Kommunistischen Linken in den 30er Jahren,
noch die IKS als die international wichtigste linkskommunistische Organisation
der Gegenwart, Leuten "die eine fortschrittliche Linie" verfolgt
haben, die Solidarität entzogen haben. Die italienische Fraktion, auf dessen
Verhaltenskodex und Organisationsverständnis die IKS sich beruft, nahm immer
eine solidarische Haltung allen proletarischen Strömungen gegenüber ein, nicht
nur gegenüber der deutsch-holländischen Linken (allen politischen Divergenzen
zum Trotz), sondern auch beispielsweise gegenüber den Trotzkisten, welche sogar
eine Zusammenarbeit mit der Konterrevolution, mit Stalinismus und
Sozialdemokratie befürwortet haben. Nicht zuletzt auf Grund dieser
solidarischen Haltung gelang es den Linkskommunisten, die besten Genossen im
Lager der Trotzkisten für ihre internationalistische Haltung gegenüber dem 2.
Weltkrieg zu gewinnen, während der Trotzkismus die Arbeiterklasse verraten hat.
Was allerdings wahr ist: Die Linkskommunisten zählten bürgerliche Demokraten,
Stalinisten, Sozialdemokraten (und auch nicht die CNT Anarchisten, welche 1937
in der Regierung saßen, welche auf kämpfende Arbeiter in Barcelona scharf
schießen ließ) nicht zu denjenigen, welche eine "fortschrittliche
Linie" verfolgten. Wir auch nicht. Was meinst du dazu?
Zweitens stimmt es nicht, dass die
Kommunistische Linke in den 30er Jahren "sang- und klanglos"
ausgestorben ist. Die Vertreter dieser Strömung in Italien und Frankreich, in
Belgien oder in den Niederlanden, haben ihr Leben riskiert, und oft auch
hingegeben, um den politischen Kampf gegen den imperialistischen Krieg während
des zweiten Weltgemetzels weiterzuführen. Dabei taten sie im Prinzip nichts
anderes, als Lenin oder Rosa Luxemburg gegenüber dem Ersten Weltkrieg: in Wort
und Tat den proletarischen Internationalismus gegen alle kriegsführenden Seiten
hochzuhalten. Sie setzten sich dafür ein, dass der Klassenkampf gegen den Krieg
fortgeführt wird, dass die Proletarier in Uniform ihre Waffen, nicht gegen ihre
Klassenbrüder und Schwester, sondern gegen ihre eigenen Offiziere richten, dass
der imperialistische Krieg in einen Bürgerkrieg verwandelt wird. Du wirfst
unserer Strömung vor, "kurz vor Kriegsende ein zweites 1918
halluziniert" zu haben. Muss man im Nachhinein diese internationalistische
Politik als falsch oder unnütz betrachten, da es nicht zum gewünschten Erfolg
führte, da der Zweite, im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg nicht durch die
Revolution beendet werden konnte? Die Internationalisten im Ersten Weltkrieg
haben mehrere Jahre lang in großer Isolation gegen den Strom des Chauvinismus
ankämpfen müssen, bevor die Masse der Arbeiter von der Richtigkeit dieser
Politik überzeugt werden konnte. Die Internationalisten des Zweiten Weltkriegs
mussten Jahrzehnte bis 1968 darauf warten,
bis zumindest ein Teil der Politisierten einer neuen, ungeschlagenen Generation
der Arbeiterklasse von der Richtigkeit und der Unerlässlichkeit dieser
internationalistischen Haltung überzeugt wurde. Heute, ca. weitere 30 Jahre
später, beginnt sich der politisierteste Teil der jetzigen neuen Generation von
diesem Internationalismus zu überzeugen - wobei dieser Prozess, wenn auch
weniger spektakulär, so doch viel breiter und tiefer in der Klasse insgesamt
verwurzelt zu sein verspricht als nach 1968. Ist das etwa kein Beweis für die
Wirksamkeit proletarischer Politik? Wir meinen ja, es sei denn, man misst den
Erfolg ausschließlich an den unmittelbaren Auswirkungen.
Aber du behauptest, dass die
Internationalisten von damals "Schwätzer und Schreiber" waren, die
das Proletariat nicht brauchte. Diese Behauptung wird durch die geschichtlichen
Tatsachen selbst am besten widerlegt. Zwei Beispiele. Erstens: Während im
gesamten Verlauf des Zweiten Weltkriegs der westlich-"sowjetische"
Block es systematisch unterließ, auch nur das Geringste zu unternehmen, um die
Juden vor der Vernichtung zu bewahren, trat das niederländische Proletariat
gegen die Deportationen in den Massenstreik, wobei die Internationalisten eine
aktive, vorantreibende Rolle gespielt haben. Zweitens: Eines der berühmtesten
politischen Manifeste des Zweiten Weltkrieges - Das Manifest von Buchenwald -
wurde im KZ Buchenwald kurz vor der dortigen Erhebung am Kriegsende von einem Genossen der
österreichische RKD verfasst, welche sich auf Grund des politischen Einflusses
der Französischen Kommunistischen Linken (die direkte Vorläuferin der IKS) von
dem die internationalistischen Klassenprinzipien verratenden Trotzkismus gelöst
hatten.
Der spezifische Beitrag der Revolutionäre - die theoretische Arbeit
Wir finden, dass man die Hochhaltung des
proletarischen Internationalismus nicht als "Geschwätz" gering
schätzen sollte. Bereits Friedrich Engels stellte fest, dass der proletarische
Klassenkampf drei Hauptbestandteile hat. Neben dem ökonomischen und dem politischen
Kampf nannte Engels den theoretischen Kampf als dritte Säule der Befreiung der
Arbeit. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Revolutionäre sich entschlossen
an den ökonomischen und politischen Kämpfen ihrer Klasse zu beteiligen haben.
Ja, sie haben sich nach Möglichkeit an die Spitze dieser Kämpfe zu stellen.
Jedoch ist der theoretische Kampf nicht nur ebenso wichtig wie die beiden
anderen Dimensionen - es ist die Ebene
des theoretischen Kampfes, worin der spezifische Beitrag der Revolutionäre besteht
und ausschlaggebend ist.
Die Arbeit der Revolutionäre besteht nicht
nur darin, die vorwärtsstürmenden Massen voranzutreiben. Da - um mit Marx zu
sprechen - die herrschende Ideologie in der Regel die Ideologie der
herrschenden Klasse ist, besteht sogar die Hauptaufgabe der Revolutionäre über
weite Strecken darin, gegen den Strom zu schwimmen. So nannten Lenin und
Sinoview ihre während des 1. Weltkriegs in der Schweiz herausgegebene
Zeitschrift "Gegen den Strom". Wir sprachen vorhin davon, wie die Internationalisten
im Zweiten Weltkrieg ihr Leben riskierten, um den Prinzipien ihrer Klasse treu
zu bleiben. Nun, nicht nur die Revolutionäre, sondern Millionen von Soldaten
haben damals, während des ersten wie des zweiten imperialistischen Gemetzels
ihr Leben aufs Spiel gesetzt bzw. setzen müssen. Worin bestand der besondere
Mut der Internationalisten? Er bestand darin, Risiken auf sich zu nehmen für
eine Sache, welche von der offiziellen Gesellschaft - und manchmal sogar,
zumindest vorübergehend, von einer Mehrheit der Bevölkerung - gehasst, verfolgt
und verleumdet wird. Marx spricht von Augenblicken in der Geschichte, wo große
umstürzlerische revolutionäre Ideen von der Masse Besitz ergreifen. Besteht die
vornehmste Aufgabe der Kommunisten nicht darin, sich und die Klasse auf diesen
Umsturz vorzubereiten, indem sie diese Ideen hochhalten und in der Klasse
verbreiten? Eine große Revolution kann nicht gemacht werden auf Grund von
reaktionären oder halbherzigen Prinzipien. Nur Ideen, welche zutiefst dem Wesen
und den Klasseninteressen des Proletariats entsprechen, können die
lohnabhängige Bevölkerung mit Macht ergreifen. Hierin liegt aus unserer Sicht
die große Gefahr des Aktivismus. Damit meinen wir eine Herangehensweise, welche
v.a. auf den unmittelbaren Erfolg bzw. die unmittelbare Einflussnahme abzielt
auf Kosten der langfristigen Ziele. Bereits Bernstein, der bekannteste Sprecher
des Opportunismus und "Revisionismus" innerhalb der deutschen
Sozialdemokratie am Ende des 19. Jahrhunderts erklärte: "Die Bewegung ist
alles. Das Ziel ist nichts." Für den revolutionären Marxismus hingegen
müssen Ziel und Mittel übereinstimmen. Deswegen erscheint es uns so gefährlich,
Genossen, welche inmitten der tiefsten Konterrevolution in der Geschichte des
Proletariats Klassenprinzipien verteidigt haben, als "Schwätzer" zu
bezeichnen.
Wir wissen, dass wir nicht alle Punkte
deines Briefes hiermit angesprochen und beantwortet haben (beispielsweise
unseren Umgang mit der so genannten "internen Fraktion der IKS). Andere
wichtige Aspekte, etwa die Dekadenztheorie, haben wir hier nur kurz
angeschnitten. Wir halten aber nichts davon, alles in einen Brief zu stopfen.
Wir hoffen vielmehr auf die Entwicklung einer lebhaften Korrespondenz mit dir.
Mit kommunistischen Grüßen die IKS. August 2005