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Das Eingreifen der "Antiparlamentarischen Linken" und ‘Aufbrechen’ gegenüber den diesjährigen Maifeiern in Berlin wirft erneut die Frage auf, wie Gruppierungen, die sich auf politische Positionen des Proletariats beziehen, intervenieren können, ohne die Interessen der Klasse zu verraten. Die Gruppe ‘Aufbrechen’, die auch das Bündnis der "Antiparlamentarischen Linken" mitträgt, hat gegenüber den wichtigsten imperialistischen Konflikten der letzten Jahre wie dem Kosovokrieg, dem Afghanistankrieg oder dem Nahostkonflikt einen konsequent internationalistischen Standpunkt eingenommen. Doch während die GenossInnen in der Lage waren, sich gegenüber diesen Ereignissen in der ‚Ferne‘ auf die Seite der Autonomie der Arbeiterklasse gegenüber allen Fraktionen der Bourgeoisie zu schlagen, haben sie nun in Berlin Kreuzberg vorübergehend ein Bündnis mit reaktionären, bürgerlichen, nationalistischen Kräften geschlossen.
Zwar ist es unter Umständen unbedingt notwendig für Revolutionäre, eine gemeinsame Intervention mit anderen politischen Organisationen anzustreben. So setzte sich die IKS dafür ein, dass während des Kosovokrieges die linkskommunistischen Organisationen des proletarischen Milieus gemeinsam intervenieren und mit einer Stimme sprechen. Doch handelte es sich hierbei um die erste Pflicht der Kommunisten: Die Verteidigung des proletarischen Internationalismus gegenüber dem imperialistischen Krieg. Bei dem von ‘Aufbrechen’ mit unterschriebenen Aufruf handelt es sich dagegen keineswegs um eine Intervention gegenüber der Arbeiterklasse, sondern um ein Eingreifen gegenüber einer Mobilisierung der Berliner Autonomen. Und die dort ins Auge gefasste gemeinsame Intervention betraf eine Zusammenarbeit nicht mit proletarischen sondern mit bürgerlichen Organisationen.
Zwar widerriefen die ‘Aufbrechen’ - GenossInnen anschließend ihre Unterschrift unter diesem Maiaufruf und bezeichneten dies nachträglich als einen Fehler. Dieser Schritt muss selbstverständlich begrüßt werden. Aber das reicht nicht. Proletarische Selbstkritik hat nichts gemein mit der vom Maoismus propagierten schuldhaften Selbstbezichtigung oder der von der katholischen Kirche angebotenen Dienstleistung der Beichte mit dem Prinzip: Reue zeigen und Schwamm drüber. Für die Arbeiterklasse ist die unerbittliche Kritik der eigenen Schwächen, das Ziehen der Lehren aus den eigenen Niederlagen, die Bedingung der künftigen Siege unserer Klasse, wie Rosa Luxemburg die Aufgabe wiederholt formulierte. Dabei geht es dem Marxismus immer in erster Linie darum, die tiefsten Ursachen der eigenen Fehler und Halbheiten aufzudecken und zu bekämpfen.
‘Aufbrechen’ schließt ein Zweckbündnis mit der Bourgeoisie
Zum "revolutionären 1. Mai" 2002 zirkulierte in Berlin unter dem Titel "Kriegstreiber stoppen! Kapitalismus zerschlagen!" ein Demonstrationsaufruf für ein "linksradikales und autonomes" 1. Mai-Bündnis. Es handelt sich hierbei keineswegs um eine revolutionäre d.h. proletarische Erklärung, sondern um eine pseudoradikale, linkskapitalistische Flugschrift. Zwar wird dort unter scheinbarem Festhalten an dem Ziel einer proletarischen Revolution erläutert: "Am 1. Mai wollen wir demonstrieren, dass es immer noch Menschen gibt, die von einer anderen Gesellschaft träumen und dafür kämpfen." Doch dieser "Utopie einer herrschafts- und gewaltfreien klassenlosen Gesellschaft", von dem der Aufruf spricht, scheint wie beim Stalinismus keineswegs das Weiterbestehen der kapitalistischen Lohnarbeit und damit der Ausbeutung auszuschließen. Denn die Unterzeichner des Aufrufs treten für eine Gesellschaft ein, in der "alte Menschen ihre Rente auf der sonnigen Parkbank genießen" können. Sie stellen die kapitalistische Entfremdung ebenso wenig in Frage wie ein Schröder oder ein Stoiber, die im Wahlkampf "sichere Renten" versprechen.
Um die Einheit dieses "Maibündnisses" verschiedener Organisationen nicht von vornherein zu verunmöglichen, verzichtet diese Erklärung auf die üblichen linkskapitalistischen Aufrufe zur Unterstützung dieser oder jener imperialistischen "nationalen Befreiungsbewegung" oder zur "kritischen" Stimmabgabe für diese oder jene Partei bei den kommenden Bundestagswahlen. Doch trotz des sehr allgemein gefassten Tenors des Aufrufs, der zu den sonst üblichen "Sonntagsreden" des 1. Mai gut passt, fehlen auch hier die bekannten linkskapitalistischen Sichtweisen nicht, womit linksbürgerliche Organisationen reformistische und demokratische Illusionen innerhalb der Arbeiterklasse festigen. Anstatt die bürgerliche Demokratie, die ideale Herrschaftsform des Kapitals heute, an den Pranger zu stellen, werden die "Menschen, die aktiv gegen Faschismus auftreten" als Beispiel des "Widerstandes" angeführt, und somit die imperialistische Kriegsideologie des Antifaschismus mit angeheizt. Das Vorhandensein einer kapitalistischen Krise, welche die Überwindung dieser Gesellschaft zu einer objektiven geschichtlichen Notwendigkeit macht, wird mit keinem Wort erwähnt. Statt dessen wird die wachsende Verelendung der Welt auf die "kapitalistische Profitgier" zurückgeführt, der es Einhalt zu gebieten gilt.
Es überrascht somit nicht, dass die Unterzeichner dieses Demonstrationsaufrufes vor allem aus stalinistischen, trotzkistischen und anderen nationalistischen bzw. staatskapitalistischen Kreisen stammen. Zu den Unterzeichnern gehören: Kommunistsche-Autonome Gruppen, gruppe sabotage berlin, Was tun! - sozialistische Initiative/Sozialistische Liga, müdacele, Berliner Anti-NATO-Gruppe (B.A.N.G.), Rote Aktion Berlin, Initial, FreundInnen Irlands, Autonome Republik Kreuzberg, Gegeninformationsbüro. Auch die Ökologische Linke Berlin werden als "UnterstützerInnen" aufgeführt.
Aber auch der Name ‘Aufbrechen’ sowie die die "Antiparlamentarische Linke" stehen unter diesem Aufruf.
Wie wir wiederholt in Weltrevolution dargestellt haben, ist ‘Aufbrechen’ eine politische Gruppierung von GenossInnen, welche ursprünglich aus linkskapitalistischen Kreisen der K-Gruppen und der Autonomen hervorgegangen sind. Diese GenossInnen fanden sich zunächst Ende der 90er Jahre unter dem Namen "Proletarisches Komitee" in Berlin zusammen, wo sie in der damaligen, hauptsächlich von linksbürgerlichen, basisgewerkschaftlichen Kräften inszenierten "Erwerbslosenbewegung" intervenierten. Nachdem sie die proletarischen Positionen linkskommunistischer Strömungen wie der IKS kennenlernten, traten sie in einen allmählichen, manchmal schmerzlichen Prozess der Annäherung an marxistische Prinzipien ein. So begannen diese GenossInnen den bürgerlichen, konterrevolutionären Charakter des Stalinismus, der Gewerkschaften, der "nationalen Befreiungsbewegungen", des Parlamentarismus, der bürgerlichen Demokratie und des Antifaschismus anzuerkennen. Außerdem gingen die GenossInnen dazu über, ausdrücklich die Notwendigkeit der Selbstinitiative und der Autonomie des proletarischen Klassenkampfes zu befürworten.
Wie ist es also zu erklären, dass eine solche Gruppierung den oben dargestellten Maiaufruf unterzeichnet und dabei ein "Bündnis" mit linkskapitalistischen Kreisen eingeht?
Noch ein Bündnis, diesmal zum Wahlboykott
Tatsächlich hat ‘Aufbrechen’ sich von dem oben genannten Maiaufruf distanziert und es am 1. Mai in Berlin auch nicht verteilt. Dafür haben sie eine andere Flugschrift an diesem Tag in Umlauf gebracht, die unter dem Namen firmiert "Keine Wahl! Zeitung gegen sozialen Frieden." Dies war die dritte Ausgabe dieser Gratiszeitung, die das Sprachrohr eines "antiparlamentarischen" Bündnisses sein will, das sich anlässlich der Landtagswahlen zum Berliner Senat im Herbst 2001 zusammenfand und zum "Wahlboykott" aufrief. Wie die ‘Aufbrechen’-GenossInnen uns mitgeteilt haben, besteht dieses Bündnis derzeit aus der Gruppe ‘Aufbrechen’, der Gruppe "Bone" (ebenfalls Berlin) sowie "Einzelpersonen". Wenn das stimmt, dann handelt es sich bei diesem Wahlboykottbündnis nicht wie bei dem oben dargestellten Maibündnis um ein Zusammengehen mit bürgerlichen Organisationen. Dennoch steckt auch hinter diesem Vorgang unseres Erachtens dasselbe Grundproblem: die Bereitwilligkeit, mit der die Loyalität gegenüber Prinzipien der Arbeiterklasse zugunsten einer vorübergehenden Vermehrung von intervenierenden Kräften geopfert wird.
Die 1. Mai-Ausgabe von "Keine Wahl" besteht aus insgesamt vier Artikeln, von denen kein einziger einer bestimmten Gruppe oder Person zugeschrieben wird, so dass der Eindruck entsteht, dass das "Bündnis" insgesamt die darin geäußerten politischen Ansichten mitträgt. Durch unsere Gespräche mit den GenossInnen wissen wir, dass lediglich der erste und vierte Artikel von ‘Aufbrechen’ geschrieben worden ist und die Ansichten dieser Gruppe wiedergeben. Doch es bleibt das Problem, dass in anderen Artikeln dort geäußerte, offen bürgerliche Ansichten unwidersprochen abgedruckt werden. In dem Artikel "Internationaler Klassenkampf - nur so ist eine andere Welt möglich!" lesen wir beispielsweise: "In ganz Lateinamerika fanden in den letzten Jahren zunehmend Klassenkämpfe statt, die zur Gründung neuer, radikaler Organisationen der Unterdrückten und Ausgebeuteten führten. Damit stehen Mittel zur Verfügung, mit denen die Kämpfe verallgemeinert werden können und eine fundamentale Kritik an den herrschenden Verhältnissen entwickelt kann. So tagt seit zwei Jahren das Weltsozialforum in Porto Allegre, Brasilien, auf dem eine Ausdifferenzierung reformistischer und radikaler Kräfte erkennbar ist, wobei letztere nicht nur das imperialistische Weltsystem sondern auch die den Ausgleich der Klassen suchenden Verbündeten bekämpfen." Wir wissen zwar nicht, wer sich für diesen Artikel verantwortlich zeichnet. Doch es liegt auf der Hand, dass es vornehmlich die extreme Linke des Kapitals ist, z.B. die Trotzkisten, die den reformistischen, nationalstaatlichen Porto Allegre- "Antiglobalisierungsprozess" als ein Instrument des Klassenkampfes hinstellt, und sich selbst dabei als die "radikale Kraft" anpreist. Nicht weniger linksbürgerlich sind in demselben Artikel die Aussagen zu den Gewerkschaften, diesem staatskapitalistischen Totengräber des Klassenkampfes. Im Zusammenhang mit den jüngsten Streiks in Südkorea lesen wir: "Die strukturell verankerte Vermittlerposition von Gewerkschaftsbürokratien, deren Interessen zwischen Kapital und Mitgliedsbasis angesiedelt sind, führt jedoch zu permanenter Kompromissbereitschaft auf Kosten der Lohnabhängigen."
Ein Fehler, der sich seit langem abgezeichnet hat
Auf einer öffentlichen Veranstaltung über die Frage des Antifaschismus am 13. April in Frankfurt am Main referierte ‘Aufbrechen’ zum Thema: "Erfahrungen mit dem modernen Antifaschismus à la AAB im Kontext der Befriedungsversuche zum 1. Mai in Berlin." Dort kritisierte ‘Aufbrechen’ ihre Unterstützung des "linksradikalen und autonomen 1. Mai" Aufrufs. Doch nicht mal andeutungsweise lieferten die GenossInnen eine Erklärung dafür, wie es dazu kommen konnte. Es klang fast so, als ob es sich um einen Zufall gehandelt hätte, wobei die GenossInnen sich quasi in einer Affekthandlung dazu hätten hinreißen lassen, ein eher harmloses aber nichtssagendes Papier mit zu unterschreiben.
Zufälle gibt es im Leben. Nicht vorhersehbare Gefühlsregungen ebenfalls. Doch aus solchen Zwischenfällen kann man nicht viel lernen, um für die Zukunft besser gewappnet zu sein: es sei denn, es gelingt, allgemeine Tendenzen dahinter aufzudecken. "Jede Wissenschaft, als reine Geistesarbeit, ist Systematisieren und Ordnen; sie besteht darin, dass das Regelmäßige, das Allgemeine, gesucht wird in den konkreten Erscheinungen." (1)
Die Arbeiterbewegung hat schon längst die wissenschaftliche Methode des Marxismus angewandt, um das Phänomen der Aufweichung proletarischer Prinzipien zugunsten eines Zusammengehens mit der herrschenden Klasse zu erforschen. Bereits Engels und die Marxistische Linke in der 2. Internationale gaben diesem Phänomen seinen Namen: der Opportunismus. Sein Wesen besteht darin, die revolutionäre Zukunft des Proletariats zu opfern, um einen unmittelbaren, vorübergehenden, vermeintlichen Erfolg zu erzielen.
Wie wenig zufällig und unabsehbar ‘Aufbrechen’s Handschlag mit dem Klassenfeind wirklich war, zeigt die Tatsache auf, dass unsere Organisation in der letzten Ausgabe dieser Zeitung ‘Aufbrechen’ bereits gewarnt hat vor den Konsequenzen einer besonders unklaren Einschätzung der Maikrawalle in Berlin. Die ‘Aufbrechen’-GenossInnen waren darüber erschrocken, dass im Vorfeld der Maifeiern in Kreuzberg auch Kräfte der Autonomen die Bereitschaft zeigten, auf die unter dem Motto "denk Mai neu" von der SPD und PDS propagierte "Befriedungsstrategie" einzugehen, welche sich die Vermeidung der üblichen Maikrawalle im Kiez zum Ziel setzte. "‘Aufbrechen’ kritisiert die Autonomen, dass sie mit der Zusammenarbeit im Bündnis ihre früheren Inhalte und Ziele verraten würden und setzen diese Zusammenarbeit mit der Teilnahme am Parlamentarismus und an Gewerkschaftsarbeit gleich. Dabei verkennen die GenossInnen von ‘Aufbrechen’, dass sie mit ihrem Versuch, dem 1. Mai etwas "Revolutionäres" abzugewinnen, auf dem gleichen Terrain gelandet sind: bei der Fortsetzung gewerkschaftlicher (und parlamentarischer) Politik mit anderen Mitteln." (2)
Der fehlende Bruch mit der Linken des Kapitals
Wenn sich ‘Aufbrechen’ so schnell und leichtfertig auf ein Zusammenwirken mit Stalinisten und Trotzkisten einlassen kann, und nach unserem Eindruck bis heute nicht erkannt hat, wie gefährlich ein solcher Oportunismus ist, dann zuallererst, weil die GenossInnen es immer versäumt haben, klar Stellung zu beziehen gegenüber der Klassennatur der kapitalistischen Linken. Obwohl die GenossInnen erkannt haben, dass beispielsweise die stalinistischen Regimes staatskapitalistisch und imperialistisch waren, haben sie es dennoch stets vermieden, eine deutliche grundsätzliche Aussage über die Klassennatur dieser Strömung zu machen. Stattdessen haben die GenossInnen es stets vorgezogen, in ihren Publikationen "die Linke" anzureden, als ob es sich dabei letztendlich um ein einheitliches "revolutionäres" Lager handeln würde und ohne zu definieren, wer dazu gehört und wer nicht.
So wirft ‘Aufbrechen’ nicht nur den Berliner Autonomen, sondern auch den Grünen und der PDS (vielleicht sogar der SPD?) Opportunismus und die Preisgabe ihrer Ideale vor. In dem Leitartikel der Maiausgabe von "Keine Wahl!", der, wie wir von den GenossInnen wissen, von ‘Aufbrechen’ geschrieben wurde, lesen wir: "Der "grüne Weg" als Metapher für Opportunismus ist auch für die PDS vorgezeichnet. Er ist Beispiel, wie man es schafft, seine Ideale über Bord zu werfen. So sind die pazifistischen Grünen zu Führern zweier Angriffskriege geworden, die SPD setzt die Pläne für eine Rentenreform durch, beide Parteien wollen den Niedriglohnsektor ausbauen usw." Wir aber möchten wissen, wie man der PDS, der Nachfolgepartei der SED, die vier Jahrzehnte lang die staatskapitalistische DDR regierte, Opportunismus vorwerfen kann, weil sie in der staatskapitalistischen BRD auch noch mitregieren will? Und welche angeblichen "Ideale" sollen die Grünen nun verraten haben, indem sie Angriffskriege und Niedriglohnsektor mitorganisieren? Wir meinen vielmehr, dass Pazifismus und "Ökologismus" schon immer zur Rechtfertigung von imperialistischen Kriegen und Verarmung des Proletariats gedient haben.
Die parteipolitischen Lager der Bourgeoisie bestehen nicht nur aus den aktuellen Regierungsparteien, sondern auch aus den politischen Strömungen des Kapitals, die im Verlauf der Geschichte für den imperialistischen Krieg und gegen die proletarische Revolution mobilisiert haben. Dazu gehören die Sozialdemokraten, Stalinisten, Maoisten und Trotzkisten. Wenn man wie ‘Aufbrechen’ diese Klassengrenze lieber nicht beachten will, um für bündnispolitische Spielchen Freiraum zu erhalten, so ist es am Ende unvermeidbar, dass man mit dem Klassenfeind paktiert. Und zwar nicht nur einmal, und nicht nur vorübergehend.
Der fehlende Bruch mit dem autonomen Milieu
Aber auch das Festhalten am Mythos des "revolutionären 1. Mai" in Berlin-Kreuzberg durch ‘Aufbrechen’ bereitete ihre vorübergehende Teilnahme am autonomen Maibündnis vor. Dabei schlugen sich die GenossInnen auf die Seite derjenigen unter den bürgerlichen Linken, die für eine "wütende" anstatt der von "Rot-Rot" propagierten "friedlichen" Maifeier eintraten.
In der 1. Mai Ausgabe von "Keine Wahl!" schreibt ‘Aufbrechen’ in dem Artikel "Zum Tag und über ihn hinaus!": "Der 1. Mai in Berlin-Kreuzberg ist schon seit langem den Regierenden ein Dorn im Auge. Trotz Verbot im letzten Jahr bekamen sie "das Problem" nicht in den Griff."
Wer einer solchen Analyse anhängt, dem wird es schwer fallen, die Ohnmacht und Perspektivlosigkeit der "Kreuzberger Nächte" zu erkennen und sich als Revolutionär ganz und gar dem proletarischen Klassenkampf zu widmen, welchen die Bourgeoisie derzeit ganz gut "im Griff" hat. Doch stimmt es wirklich, dass die Bourgeoisie den jährlich wiederkehrenden Maikrawallen so machtlos gegenübersteht? Obwohl von den Herrschenden immer wieder neue Variationen im Umgang damit ausprobiert werden- von der "Null-Toleranz" bis zur "Maifeier ohne Bullen"- ändert dies am Verlauf der Ereignisse selbst bekanntlich gar nichts. Denn die Maikrawalle von Kreuzberg sind längst zu einer Art Ritual erstarrt, das von allen Seiten hochstilisiert wird und mittlerweile jährlich Scharen von Touristen in die Hauptstadt zieht. Doch die GenossInnen von ‘Aufbrechen’ irren sich, wenn sie glauben, dass dieses Spektakel für die Herrschenden ein Problem darstellt. Was die Straßen von Belfast für das britische Militär sind, das sind in einer Miniaturausgabe die Maiausschreitungen von Kreuzberg für die deutsche Polizei geworden: ein nützliches Übungsfeld ihrer Repressionsorgane, um Erfahrungen zu sammeln und immer neue Polizeistrategien auszuprobieren. Und da diese Krawalle unter der arbeitenden Bevölkerung Berlins überhaupt keine Sympathien genießen, liefern sie dem Staat jährlich eine erstklassige Gelegenheit, um die Öffentlichkeit daran zu gewöhnen, dass bürgerkriegsähnliche Aufmärsche der Staatsgewalt mitten in deutschen Großstädten stattfinden. Außerdem verstärken diese immer wiederkehrenden Ausschreitungen die Eigenidentität des autonomen Milieus. Dies ist für die Bourgeoisie insofern von Vorteil, als die Kreuzberger Autonomen die vielleicht stärkste Hochburg der Ideologien des "Antifaschismus" und der Unterstützung "nationaler Befreiungsbewegungen" in ganz Deutschland sind. Vergessen wir nicht, dass diese Ideologien heute Schlüsselbegriffe deutscher imperialistischer Außenpolitik sind, und dass der deutsche Außenminister selbst dem Milieu der autonomen "Street Fighter" entstammt.
Die Maikrawalle haben überhaupt nichts Revolutionäres an sich, weil sie nichts zu tun haben mit dem Kampf der Arbeiterklasse, der einzigen noch revolutionären Klasse in dieser Gesellschaft. Alle großen Arbeiterkämpfe in der Geschichte, von 1848 in Paris bis Polen 1980 zeigen auf, dass das kämpfende Proletariat Plünderungen, Ausschreitungen, das Anheizen der Stimmung durch Alkoholgenuss usw. niemals unterstützt, sondern stets bekämpft hat. Denn diese Methoden widersprechen und gefährden den kollektiven, organisierten, bewussten Charakter des Arbeiterkampfes.
Das Gewicht der kleinbürgerlichen Ungeduld
Es ist leider typisch für Personen und Gruppen aus dem Lager der Linkskapitalisten oder der Autonomen, welche sich proletarischen Positionen annähern, dass sie oft am Ende den Bruch mit ihrer politischen Vergangenheit deshalb nicht schaffen, weil sie sich nicht von ihrer angelernten bürgerlichen Sicht der Aufgaben und Intervention politischer Gruppe trennen können. Während sie es zunächst vergleichsweise leicht haben, sich bestimmte allgemeine Prinzipien der Arbeiterklasse anzueignen (z.B. die Verwerfung der Gewerkschaften oder die antifaschistischen Einheitsfronten), behalten sie eine Interventionsmethode bei, welche denen der Gewerkschaften oder der Einheitsfronten mit bürgerlichen Organisationen entspricht. Solche Gruppen verschwinden deshalb sehr oft in der politischen Versenkung oder kehren in den Schoß der pseudoradikalen Bourgeoisie zurück.
Besonders typisch dabei ist das Beibehalten einer sehr aktivistischen Haltung gegenüber der Intervention, geprägt durch eine kleinbürgerliche Ungeduld, einen unkritischen Hang, alles zu begrüßen und zu befürworten was nach Aktion aussieht, und eine fatale Unterschätzung der Bedeutung von theoretischer Arbeit und von Prinzipienfestigkeit. Solche Leute neigen beispielsweise dazu, eine Organisation wie der IKS Tatenlosigkeit oder Sektierertum vorzuwerfen, weil wir es ernst nehmen mit dem marxistischen Leitsatz, dass in der jetzigen Epoche allein das Proletariat revolutionär ist, nicht aber die Linksbürgerlichen, die Autonomen oder die Antifaschisten. Solche Leute bedenken auch nicht, dass ganze Generationen von revolutionären Marxisten enorme Opfer auf sich genommen haben, einschließlich Verfolgung, Gefangenschaft und Tod, um beispielsweise eine regelmäßige Presse herauszugeben und zu verbreiten.
Von Anfang an setzte ‘Aufbrechen’ auf den unmittelbaren Erfolg, anstatt auf Klarheit und Prinzipienfestigkeit. Und wenn die GenossInnen doch noch nach Diskussionspartnern Ausschau hielten, ging es zumeist vornehmlich nicht um das Erzielen einer größtmöglichen Klärung, sondern um die Suche nach "Bündnispartnern". So ‚verbündete‘ man sich mit wechselnden Partnern, von der "revolutionären Novemberjugend" über die "Gruppe 4", die Anarchosyndikalisten bis zur Gruppe "Bone". Auch gab es verschiedene Phasen der Intervention, wo der Schwerpunkt nach einander bei der Erwerbslosenbewegung, bei "Volksküchen" und "Straßenfesten", der Intervention gegenüber Berliner Betrieben, dem "kritischen" oder "proletarischen" Antifaschismus bis hin zur antiparlamentarischen Agitation lag. Jede dieser Kampagnen wurde wieder eingestellt, jedes dieser Interventionsbündnisse wurde wieder aufgelöst, ohne dass ‘Aufbrechen’ auch nur ein einziges Mal eine öffentliche Bilanz davon zog. Zuletzt wurde die regelmäßige Publikationsarbeit ohne Erklärung ebenfalls eingestellt. Dahinter steckt ein sinnloser Aktivismus, der nirgends hinführt, nichts klärt und keine wirkliche Loslösung von der eigenen politischen Vergangenheit ermöglicht.
Die Arbeiterklasse ist die einzige revolutionäre Klasse in der Menschheitsgeschichte, deren endgültiger Sieg vorbereitet wird durch eine Reihe von Niederlagen. Weil die Arbeiterklasse als ausgebeutete Klasse kein Eigentum an Produktionsmitteln und somit keine Wirtschaftsmacht innerhalb der bestehenden Gesellschaft erringen kann, dienen ihre Kämpfe vor allem dazu, sie geistig und moralisch auf den Endkampf mit dem Kapital vorzubereiten. In Wahrheit steht das Proletariat nach seinen Niederlagen nicht wirklich mit leeren Händen da, denn diese Kampferfahrungen dienen dazu, die politischen Prinzipien zu erarbeiten, die am Ende einen revolutionären Sieg ermöglichen können. Das Proletariat ist eine historische Klasse, die im Verlauf ihres geschichtlichen Kampfes ihre revolutionären Waffen, ihr Bewusstsein und ihre Organisationen schmiedet. Deshalb ist die Arbeit der Kommunisten per Definition eine langfristige, die niemals die Prinzipien zugunsten des Vorübergehenden und Opportunen opfern darf. Deshalb besteht die vornehmste Aufgabe der revolutionären Kommunisten darin, diese Prinzipien hochzuhalten und niemals zu vergessen oder zu verraten. Für den Marxismus ist es keine Bagatelle, ein Bündnis mit Organisationen des Klassenfeindes zu schließen, sondern das Schlimmste, was Kommunisten überhaupt passieren kann. Weltrevolution
(1) Pannekoek 1917 in "De Nieuwe Tijd". Zitiert auf deutsch in Cajo Brendels Buch über Pannekoek. S. 21.
(2) Weltrevolution 111 S. 8 "Der 1. Mai und die Revolutionäre".