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Der Haß und die Verachtung der herrschenden Klasse gegen diese gewaltige Bewegung der ausgebeuteten Massen zielt darauf ab, das kommunistische Projekt der Arbeiterklasse als lächerlich und unrealisierbar darzustellen und zu behaupten, die Arbeiterklasse sei grundsätzlich nicht dazu in der Lage, eine neue weltweite Gesellschaftsordnung zu errichten, deren einzige Träger sie aber nur sein kann. Der Zusammenbruch des Ostblocks 1989 hat diesen Haß der Herrschenden noch vergrößert. Seitdem wurde eine gewaltige Kampagne entfacht, um in alle Welt hinauszuposaunen, daß der Kommunismus gescheitert sei, weil der Stalinismus zusammengebrochen ist, und damit habe auch die Idee des Marxismus Schiffbruch erlitten, der Klassenkampf gehöre in die Mottenkiste der Geschichte und natürlich auch die Idee der Revolution selber, die ja nur immer nur zu neuem Terror und zu neuen Gulags führen könne. In den Mittelpunkt dieser stinkenden Propaganda wird die politische Organisation, die Verkörperung der gewaltigen Aufstandsbewegung von 1917, die bolschewistische Partei gerückt, auf die sich ständig die Verteidiger der Bourgeoisie einschießen. All diesen Anhängern der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, wozu auch die Anarchisten gehören, unabhängig von ihren jeweiligen abweichenden Meinungen, geht es darum aufzuzeigen, daß Lenin und die Bolschewiki eine Bande machthungriger Fanatiker waren, die alles unternahmen, um die demokratischen Errungenschaften der Februarrevolution (siehe Weltrevolution Nr. 81) kaputtzuschlagen und Rußland und die Welt einer der schrecklichsten Erfahrungen auszusetzen, die die Geschichte je erlebt hat.
Gegenüber all diesen unglaublichen Verleumdungen des Bolschewismus ist es die Aufgabe der Revolutionäre, die Wahrheit herzustellen und hinsichtlich der Bolschewistischen Partei eine Kernaussage in den Mittelpunkt zu stellen:
Diese Partei war nicht das Ergebnis der Barbarei und der Rückständigkeit Rußlands, oder eines Machthungers ihrer Führer. Der Bolschewismus war an erster Stelle das Ergebnis des Weltproletariats, das mit der marxistischen Tradition verbunden war; er war die Vorhut einer internationalen Bewegung für die Abschaffung jeder Ausbeutung und Unterdrückung. Die Positionen Lenins, die er nach seiner Rückkehr nach Rußland 1917 verfaßte und die unter dem Namen ‘Aprilthesen’ bekannt geworden sind, stellen einen ausgezeichneten Ausgangspunkt dar, um als die Unwahrheiten über die Bolschewistische Partei, ihr Wesen, ihre Rolle und ihre Verbindungen mit den proletarischen Massen zu widerlegen.
Die Kampfbedingungen bei der Rückkehr Lenins nach Rußland im April 1917
In einem früheren Artikel haben wir daran erinnert, daß die Arbeiterklasse in Rußland mit den Kämpfen im Februar 1917 den Weg zur kommunistischen Weltrevolution eröffnet hatte, indem sie den Zar stürzte, sich in Arbeiterräten (Sowjets) organisierte und sich immer mehr radikalisierte. Aus der Erhebung im Februar war eine Lage der Doppelmacht hervorgegangen. Die offizielle Macht war die bürgerliche ‘provisorische Regierung’, die anfänglich von den ‘Liberalen’ angeführt wurde, die aber später eine ‘sozialistische’ Färbung unter Führung Kerenskis annahm. Andererseits lag die wirkliche Macht schon in vielen Bereichen in den Händen der Arbeiter- und Soldatenräten. Ohne Erlaubnis der Sowjets konnte die Regierung kaum Hoffnung haben, daß ihre Anordnungen an die Arbeiter und Soldaten durchgeführt wurden. Aber die Arbeiterklasse hatte noch nicht die notwendige politische Reife erreicht, um die ganze Macht zu ergreifen. Trotz ihrer Aktionen und ihrer immer radikaleren Haltung, wurde die Mehrheit der Arbeiter und damit auch die Bauernmassen noch von den Illusionen über das Wesen der Bourgeoisie zurückgehalten, genauer, von der Idee, daß nur eine bürgerlich demokratische Revolution in Rußland auf der Tagesordnung stand. Die Vorherrschaft dieser Ideen in den Massen spiegelte sich wieder in der Vorherrschaft der Menschewiki und Sozialrevolutionäre in den Sowjets, die alles mögliche unternahmen, damit sie gegenüber dem neu errichteten bürgerlichen Regime hilflos waren. Diese Parteien, welche ins Lager der Bourgeoisie dabei waren überzuwechseln oder es schon getan hatten, versuchten mit allen Mitteln, die aufsteigende revolutionäre Bewegung der provisorischen Regierung zu unterwerfen, insbesondere hinsichtlich der Fortsetzung des imperialistischen Krieges. In dieser Situation, die voll von Gefahren und Verheißungen war, herrschte bei den Bolschewiki selbst, die die internationalistische Opposition gegen den Krieg angeführt hatten, eine nahezu vollständige Verwirrung, eine politische Orientierungslosigkeit. ‘Im Manifest des Zentralkomitees der Bolschewiki, das sofort nach dem siegreichen Aufstand verfaßt worden war, sagte man, daß ‘die Fabrikarbeiter und die aufständischen Truppen sofort ihre Vertreter für die revolutionäre provisorische Regierung wählen müssen“. Sie handelten nicht als Repräsentanten einer proletarischen Partei, die sich darauf vorbereitet, selbst den Kampf um den Macht eigenständig vorzubereiten, sondern um den linken Flügel der Demokratie...’ (Trotzki, Geschichte der russischen Revolution’). Schlimmer noch: als Stalin und Kamenew im März die Führung der Partei übernahmen, bezogen sie eine noch weiter nach rechts abweichende Haltung ein. Das offizielle Organ der Partei, die Prawda, bezog offen eine ‘Verteidigungsposition’ gegenüber dem Krieg. ‘Wir übernehmen nicht die haltlose Parole ‘Nieder mit dem Krieg’... Jeder bleibt auf seinem Kampfposten’. Die offene Aufgabe der Position Lenins zur Umwandlung des imperialistischen Kriegs in einen Bürgerkrieg rief Widerstand und gar die Wut in der Partei und unter den Arbeiterräten von Petrograd hervor, die das Herz des Proletariats waren. Aber diese radikalsten Elemente vermochten keine programmatische Alternative gegen diese Rechtswende anzubieten. Die Partei geriet also unter dem Einfluß des Nebels der demokratischen Euphorie, die nach der Februarrevolte entstanden war, in den Sog eines Kompromisses und des Verrates.
Lenins Aufgabe sollte es sein, sobald er aus dem Exil zurückgekehrt war, die Partei politisch ‘umzubewaffnen’ und die entscheidende Bedeutung der revolutionären Führung durch seine Aprilthesen hervorzuheben, die ‘wie eine Bome’ in der Partei einschlug. Das alte Programm der Partei war mittlerweile überholt; gegenüber den spontanen Aktionen der Massen hinkte es hinterher. Die Losung, ‘revolutionär-demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft’ die von den ‘alten Bolschewiki’ unterstützt wurde, war zu einer veralteten Formel geworden, die wie Lenin es ausdrückte, ‘ist schon Wirklichkeit geworden’.
‘Die Eigenart der gegenwärtigen Lage in Rußland besteht im Übergang von der ersten Etappe der Revolution, die infolge des ungenügend entwickelten Klassenbewußtseins und der ungenügenden Organisiertheit des Proletariats der Bourgeoisie die Macht gab, zur zweiten Etappe der Revolution, die die Macht in die Hände des Proletariats und der ärmsten Schichten der Bauernschaft legen muß’ (Über die Aufgaben des Proletariats in der gegenwärtigen Revolution’, 2.These, Bd. 24, S. 4).
Lenin war einer der ersten, dere die revolutionäre Bedeutung der Sowjets als eine Organ der politischen proletarischen Macht verstand. Ein weiteres Mal erteilte Lenin eine Lehre in marxistischer Methode, indem er bewies, daß der Marxismus alles anderes als ein totes Dogma war, sondern seinem innersten Wesen nach eine lebendige wissenschaftliche Theorie, die im Labor der gesellschaftlichen Bewegung ständig überprüft werden muß.
Gegenüber der Position der Menschewiki, derzufolge das rückständige Rußland für den Sozialismus noch nicht reif war, argumentierte Lenin wie ein wahrer Internationalist, daß die unmittelbare Aufgabe nicht die Einführung des Sozialismus in Rußland war (8. These). Während Rußland selber für den Sozialismus noch nicht reif war, hatte der imperialistische Krieg aufgezeigt, daß der Weltkapitalismus als ganzer wirklich mehr als reif dafür war.
Für Lenin wie auch die anderen echten damaligen Internationalisten war die Weltrevolution nicht nur ein frommer Wunsch, sondern eine konkrete Perspektive, die sich ausgehend von der internationalen proletarischen Revolte gegen den Krieg entwickelte - die Streiks in Großbritannien und Deutschland, die politischen Demonstrationen, die Meutereien und Verbrüderungen der Truppen in verschiedenen Ländern, und natürlich die sic erhebende revolutionäre Flutwelle in Rußland selber brachten dies an den Tag. Deshalb auch der Aufruf zur Schaffung einer neuen Internationale im Schlußteil der Thesen. Diese Perspektive wurde nach dem Oktoberaufstand vollkommen durch die Ausdehnung der revolutionären Bewegung auf Italien, Ungarn, Österreich und vor allem Deutschland bestätigt.
Die politische Umbewaffnung der Bolschewistischen Partei
Diese neue Definition der Aufgaben des Proletariats beinhalteten auch eine neue Auffassung von der Rolle und der Funktionsweise der Partei. Auch hier erhoben sich zunächst die ‘alten Bolschewiki’ wie Kamenew gegen die Auffassungen Lenins, seiner Idee der Machtübernahme durch die Sowjets einerseits und andererseits durch die Betonung der Selbständigkeit der Arbeiterklasse gegen die bürgerliche Regierung und den imperialistischen Krieg, selbst wenn dies hieß, eine Zeitlang in der Minderheit zu bleiben und nicht, wie es Kamenew wollte, ‘bis zum Ende die Partei der revolutionären Massen des Proletariats zu bleiben’. Kamenew stellte die ‘Massenpartei’ der Auffassung Lenins von einer entschlossenen Partei gegenüber, die ein klares Programm hat, vereint, zentralisiert, eine Minderheit darstellt, aber den bürgerlichen und kleinbürgerlichen Lockrufen und den Illusionen innerhalb der Arbeiterklasse widersteht. Diese Auffassung von der Partei hat nichts mit der Auffassung einer blanquistischen, terroristischen Sekte zu tun, wie Lenin vorgeworfen wurde, oder daß sie gar anarchistisch sei, weil sie sich der Spontaneität der Massen unterwerfe. Im Gegenteil: sie stützte sich auf die Erkenntnis, daß in einem Zeitraum massiver revolutionärer Erschütterungen, der Entwicklung des Bewußtseins in der Klasse, die Partei die Massen weder organisieren noch planen könnte, wie das die Geheimbünde des 19. Jahrhunderts noch machen konnten. Aber dies ließ die Bedeutung der Rolle der Partei noch mehr wachsen. Lenin schloß sich damit der Auffassung Rosa Luxemburgs an, die sie in ihrer meisterhaften Analyse des Massenstreiks im Zeitraum der Dekadenz entwickelt hatte: ‘Verlassen wir nämlich das pedantische Schema eines künstlich von Partei und Gewerkschaft wegen kommandierten demonstrativen Massenstreiks der organisierten Minderheit und wenden wir uns dem lebendigen Bild eienr aus äußerster Zuspitzung der Klassengegensätze und der politischen Situation mit elementarer Kraft entstehenden wirklichen Volksbewegung zu, die sich sowohl in politischen wie in ökonomischen stürmischen Massenkämpfen, Massenstreiks entladet, so muß offenbar die Aufgabe der Sozialdemokratie nicht in der technischen Vorbereitung und Leitung des Massenstreiks, sondern vor allem in der politischen Führung der ganzen Bewegung bestehen’ (Rosa Luxemburg, Massenstreik, Partei und Gewerkschaften’, Bd 2, S. 147).
Die ganze Energie Lenins richtete sich somit auf die Notwendigkeit aus, die Partei von diesen neuen Aufgaben zu überzeugen, und gegenüber der Arbeiterklasse war die zentrale Achse die Entwicklung des Klassenbewußtseins. In der 4. These wird dies alles sehr klar umrissen: ‘Aufklärung der Massen darüber, daß die Sowjets der Arbeiterdeputierten die einzig mögliche Form der revolutionären Regiereung sind und daß daher unsere Aufgabe, solange sich diese Regierung von der Bourgeoisie beeinflussen läßt, nur in geduldiger, systematischer, beharrlicher, besonders den praktischen Bedürfnissen der Massen angepaßter Aufkläruhg über die Fehler ihrer Taktik bestehen kann’ (ebenda, S. 5).
So war diese Vorgehensweise, dieser Wille, die klaren und präzisen Klassenprinzipien zu verteidigen, und zu wissen, daß man dazu auch gegen den Strom schwimmen und in der Minderheit bleiben müsse, war keineswegs ein Reinheitsfimmel oder Sektierertum. Im Gegenteil, sie stützten sich auf ein Begreifen der wirklichen Bewegung, die sich in der Klasse entwickelte, auf die Fähigkeit, den radikalsten Teilen innerhalb der Klasse eine Stimme und Führung zu verleihen. Der Aufstand war solange unmöglich wie die revolutionären Positionen der Bolschewiki, die sich während des ganzen revolutionären Prozesses weiterentwickelten, noch nicht bewußt die Sowjets erobert hatten. Von den bürgerlichen Lügen einer angeblich putschistischen Haltung der Bolschewiki keine Spur. Wie Lenin unterstrich: ‘Wir sind keine Scharlatane... Nur müssen uns nur auf das Bewußtsein der Massen stützen’ (von Trotzki zitiert).
Das Beherrschen der marxistischen Methode durch Lenin, der über das Erscheinungsbild und die Oberfläche der Ereignisse hinwegsah, ermöglichte es ihm zusammen mit den besten Elementen der Partei die wirkliche Dynamik der Bewegung, die sich unter seinen Augen entfaltete zu begreifen und auf die tiefsten Regungen der Massen einzugehen, indem er ihnen die theoretischen Mittel bot, mit denen sie ihre Positionen verteidigen und ihre Aktionen erklären konnten. Sie erlaubten ebenfalls, sich in der Konfrontation mit der Bourgeoisie zurechtzufinden, indem die Fallen aufgezeigt und umgangen wurden, die diese der Arbeiterklasse stellte, wie das im Juli 1917 der Fall war. Deshalb heben wir im Gegensatz zu den Menschewiki der damaligen Zeit und ihren zahlreichen anarchistischen, sozialdemokratischen und rätistischen Nachfolgern, die einige wirkliche Fehler Lenins bis aufs äußerste karikieren (1), um das proletarische Wesen der russischen Revolution zu verwerfen, die fundamentale Role hervor, die Lenin bei der Wiederaufrichtung der Bolschewistischen Partei gespielt hat, und ohne die das Proletariat im Oktober 1917 die Macht nicht hätte ergreifen können.
Lenins lebenslanger Kampf für den Aufbau der revolutionären Organisation ist eine historische Errungenschaft der Arbeiterbewegung. Er hat den heutigen Revolutionären eine unabdingbare Grundlage für den Wiederaufbau der Klassenpartei hinterlassen sowei für das Begreifen der Rolle der Klassenpartei innerhalb der Klasse insgesamt. Der siegreiche Aufstand des Oktober 1917 stellte die Auffassungen Lenins als richtig heraus.
Die Isolierung der Revolution nach dem Scheitern der revolutionären Schübe in den anderen Ländern Europas unterbrach die Dynamik der internationalen Revolution, die als einzige eine Garantie für einen örtlichen Sieg in Rußland liefern konnte. Der sowjetische Staat begünstigte den Aufstieg des Stalinismus, der zum Henker der Revolution und der wirklichen Bolschewisten wurde. Wesentlich bleibt, daß im Laufe der ansteigenden revolutionären Welle in Rußland der Lenin der April-Thesen nie ein isolierter Prophet blieb, kein Schöpfer der Welt, der erhaben über den vulgären Massen thronte, sondern die klarste Stimme der am meisten revolutionären Tendenz innerhalb des Proletariats; eine Stimme, die den Weg aufzeigte, welcher zum Sieg in der Oktoberrevolution 1917 führte. ‘In Rußland konnte das Problem nur gestellt werden. Es konnte nicht in Rußland gelöst werden, es kann nur international gelöst werden. Und in diesem Sinne gehört die Zukunft überall dem ‘Bolschewismus’’ (Rosa Luxemburg, Zur russischen Revolution’). SB
(1) Zu den Fehlern gehörte: die Rätisten sprechen gerne von der ‘Theorie des in die Klasse von Außen eingebrachten Bewußtseins’, die in ‘Was tun?’ entwickelt wird. Später jedoch hat Lenin diesen Fehler eingestanden und in der Praxis eindeutig bewiesen, daß er eine richtige Auffassung des Prozesses der Entwicklung des Bewußtseins innerhalb der Arbeiterklasse entfaltet hatte.