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Die Bewegung gegen die Rentenreform stand von Anfang an bei jedem Schritt unter der Kontrolle der Gewerkschaften. Sie waren diejenigen, die zum Streik aufriefen, sie waren diejenigen, die die Aktionstage wählten und organisierten, sie waren diejenigen, die die wenigen Vollversammlungen leiteten. Und sie sind diejenigen, die uns absichtlich in die Niederlage geführt haben. Seien wir nicht naiv, die Regierung und die Gewerkschaften haben sich 2 Jahre lang abgestimmt um diese Reform vorzubereiten und erfolgreich durchzusetzen!
Angesichts der Gefahr einer Wiederaufnahme des Klassenkampfes...
Die Regierung musste sicherstellen, dass dieser Großangriff, der von Macron 2017 als ein echter "Big Bang" angekündigt wurde, keine massive Reaktion der gesamten Arbeiterklasse hervorrufen würde. Premierminister Philippe hat sich auf die Zusammenarbeit der "Sozialpartner", also der Gewerkschaften, verlassen, um die unvermeidliche Explosion der Wut aller Arbeiter zu sabotieren. Dieser allgemeine Angriff gegen die gesamte Arbeiterklasse konnte nur eine Reaktion der Empörung und der spontanen Wut in einem besonders kämpferischen Bereich, dem Transportsektor, auslösen.
Für die Eisenbahner hieß es "zu viel ist zu viel": Nachdem sie in den letzten Jahren mehrere Bewegungen, insbesondere die "Nadelstichtaktik" von 2018, gegen die Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen, gegen die Infragestellung ihres Status praktiziert aber nichts erreicht hatten, konnte der Angriff auf ihr Rentensystem nur das Gefühl hervorbringen, noch entschlossener zu kämpfen mit dem Motto: "Jetzt reicht es! Wir geben nicht nach!". Diese Kampfbereitschaft im Transportsektor hätte zu einer unkontrollierbaren Explosion mit der Gefahr eines Flächenbrandes führen können, weil der breite, alle Beschäftigten treffende Angriff auf die Renten den allgemeinen Zorn der gesamten Arbeiterklasse geweckt hatte. Die herrschende Klasse verfügt über mehrere Mittel, um den „Puls" der sozialen Unzufriedenheit zu fühlen (in einem Land, in dem Macron, der „Präsident der Reichen", zur meistgehassten Figur in der Mehrheit der Bevölkerung geworden ist): Meinungsumfragen, polizeiliche Untersuchungen, um die Stimmung in den „Risikogebieten“ zu sondieren, und in erster Linie die Reaktionsbereitschaft der Arbeiterklasse. Das wichtigste Instrument dieses "Sozialthermometers" ist jedoch der Gewerkschaftsapparat, der noch effektiver ist als die Soziologen der Meinungsforschungsinstitute oder die Ermittler der Polizei. Die Funktion dieses Apparates besteht nämlich darin, das Instrument par excellence der Überwachung der Ausgebeuteten im Dienste der Verteidigung der Interessen des Kapitals zu sein. Der Gewerkschaftsapparat des kapitalistischen Staates hat fast ein Jahrhundert Erfahrung. Er ist besonders „empfindsam“ für die Stimmung der Arbeiter, für ihren Willen und ihre Fähigkeit, sich an den Kämpfen gegen die Bourgeoisie zu beteiligen. Diese Kontrollinstrumente der Arbeiterklasse sind dafür verantwortlich, die Bosse und die Regierung ständig vor der Gefahr des Klassenkampfes zu warnen. Dazu dienen die regelmäßigen Treffen und Konsultationen zwischen den Gewerkschaftsführern und den Arbeitgebern oder der Regierung: gemeinsam, Hand in Hand, die beste Strategie auszuarbeiten, damit die Regierung und die Arbeitgeber ihre Angriffe gegen die Arbeiterklasse mit maximaler Effizienz durchführen können. Die Gewerkschaften haben sehr wohl verstanden, dass die Arbeiterklasse in Frankreich nicht mehr bereit war, wieder still zu halten und neue Angriffe zu akzeptieren, ohne mit der Wimper zu zucken. Die herrschende Klasse weiß auch, dass das Proletariat heute nicht mehr die geringste Illusion hat, dass wir jetzt am Ende der „Durststrecke“ angekommen wären. Alle Arbeiter sind sich jetzt bewusst, dass es immer schlimmer und schlimmer werden wird, dass sie keine andere Wahl haben werden, als gemeinsam mit allen zusammen zu kämpfen, um ihre Lebensbedingungen und die Zukunft ihrer Kinder zu verteidigen. So war die Popularität der Gelbe-Westen-Bewegung gegen "hohe Lebenshaltungskosten" und Verarmung vor einem Jahr ein guter Indikator für den Zorn, der in der Gesellschaft gärt: 80% der Bevölkerung gaben an, diese gegen Macron gerichtete Welle der Wut und Proteste zu unterstützen, zu verstehen oder Sympathie für sie zu haben, auch wenn die Arbeiterklasse sich nicht in den Protestmethoden dieser inter-klassistischen Bewegung, die von kleinen Firmeninhabern initiiert wurde, die unter den Treibstoffsteuern leideten, wiedererkannte.[1] Die Bourgeoisie hatte also in den letzten zwei Jahren einen echten Anstieg der Kampfbereitschaft der Arbeiter durchaus wahrgenommen. Auch die Hartnäckigkeit der seit Monaten streikenden Notfalldienste oder der Postbeschäftigten war ein Indiz dafür. Die Zunahme der Kämpfe im Einzelhandel, bei Busfahrern oder in der Luftfahrtindustrie war ein weiterer Hinweis in dieser Richtung.
Angesichts der Anhäufung von Unzufriedenheit der Ausgebeuteten musste die französische Bourgeoisie die Durchsetzung der Rentenreform mit einer "Firewall" "begleiten", um die unvermeidliche Reaktion des Proletariats zu kanalisieren, zu kontrollieren zu spalten und zu erschöpfen. ...
Regierung und Gewerkschaften manövrierten gemeinsam!
Die CFDT und die UNSA, die heute bei den Demonstrationszügen gehasst werden, weil sie "der Bewegung in den Rücken gefallen sind“, haben ihre Rolle als "verantwortliche und reformistische Gewerkschaften" perfekt gespielt. Es war ein echtes Theaterstück [2]:
- Akt 1: Die CFDT arbeitete zwei Jahre lang mit der Regierung an der Erstellung eines Textes, von dem behauptet wird, er sei eine "gerechte und ausgewogene" allgemeine Regelung, aber dass sie die Idee von einem "allgemeine Renteneintrittsalter" ablehnt, eine echte Provokation, deren einziger Zweck darin besteht, den ganzen Zorn auf dies zu richten und so die Aufmerksamkeit von dem eigentlichen Thema, dem allgemeinen Angriff auf die Renten, abzulenken. Die Regierung vermittelt den Eindruck nachzudenken.
- Zweiter Akt: am 11. Dezember verkündete die Regierung offiziell... mit viel TamTam... dass das allgemeine Renteneintrittsalter endlich Teil der Reform sein wird; die CFDT „empört“ sich, weil die "rote Linie" überschritten wurde, und schließt sich der "Gewerkschaftsfront" an. Die Aufmerksamkeit der Medien dreht sich um die Frage allgemeines Renteneintrittsalter ja oder nein. In der Welt des Theaters nennt man diesen Moment "die Schlüsselszene/der Umschlag des zweiten Akts“ (Peripetie).
- Akt 3: Am Freitag, den 10. Januar, zog die Regierung in Matignon zu großer Überraschung den umstrittensten Punkt des allgemeinen „Renteneintrittsalter“ zurück; die CFDT und die UNSA sprachen von Sieg und zogen sich aus der Bewegung zurück. Für die betroffenen Beschäftigten hieß das "punktebasierte Rentensystem" die Notwendigkeit, zusätzliche Arbeitsjahre erbracht zu haben und eine reduzierte Altersrente. Vor 25 Jahren hatte die Regierung Juppé mehr oder weniger die gleiche Strategie angewandt: ein allgemeiner Angriff auf die Klasse (die Reform des Sozialversicherungssystems, die eine Verschlechterung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung für alle bedeutete) und ein spezifischer Angriff auf einen bestimmten Teil der Klasse (die Reform der Sonderregelungen für die Eisenbahner, die sie dazu zwang, 8 Jahre länger zu arbeiten!) Nach einem monatelangen Streik, bei dem die Eisenbahner an der Spitze der Bewegung standen, hatte Juppé einen Rückzieher gemacht und die Gewerkschaften dies als Sieg verkauft... der besondere Status der Eisenbahner galt als gerettet. Dieser Teil der Klasse, eine echte "Lokomotive" des sozialen Protests, kehrte also „in den Bahnhof zurück“, ging wieder an die Arbeit und läutete damit das Ende der Reise, das Ende der Bewegung, für alle ein. Auf diese Weise konnte die Regierung ihre Reform der Sozialversicherung aufrechterhalten. Dieses altbekannte Manöver scheint heute nicht mehr so gut zu funktionieren. Niemand beansprucht den Sieg, außer der CFDT und der UNSA. Jeder prangert diese Falle als das an, was sie ist: eine Täuschung, ein Trick, um die Pille zu schlucken. Selbst in der Presse ist das Geheimnis gelüftet. Wenn also die Hunderttausenden von Demonstranten heute trotz ihrer Entschlossenheit den Kampf allmählich einstellen, ohne dass die Regierung ihren Generalangriff auf die Renten zurückgezogen hat, dann deshalb, weil das Manöver breiter und komplexer war. Neben den "reformistischen" Gewerkschaften haben die "Radikalen", die CGT, FO und Solidaires, ihren Teil zur Isolierung und Erschöpfung der Streikenden beigetragen. Angesichts des Niveaus der Wut und der Kampfbereitschaft unserer Klasse trat diese vorprogrammierte Erschöpfung einfach später ein als erwartet. Es brauchte sogar das ganze Know-how dieser Spezialisten in der Sabotage von Kämpfen, um ihre Ziele zu erreichen.
September
Anfang September wird die Kampagne zur Rentenreform offiziell gestartet. FO, Solidaires und die CGT schießen aus allen Löchern. Wie machen sie das? Durch die Erhöhung der Anzahl der branchenspezifischen Aktionstage. Jedes Unternehmen hat seinen eigenen Streiktag und spezifische Forderungen.
"Jeder für sich, die Gewerkschaften für alle". Das Ziel ist es, die Kampfbereitschaft auszulaugen, bevor eine breitere Bewegung in Gang gesetzt wird. Nur wird diese geplante organisierte Zerstreuung stark kritisiert. Bei den Demonstrationen hört man ArbeiterInnen, die ihre Unzufriedenheit mit dieser Spaltung zum Ausdruck bringen, nicht selten; sie wollen, dass sich die Gewerkschaften vereinigen, denn "wir sitzen alle im selben Boot, wir müssen alle gemeinsam kämpfen". Die Ankündigung am 20. September über eine geplante große Einheitsdemonstration am 5. Dezember war eine Reaktion auf diesen Druck. Wieder einmal wurde nichts dem Zufall überlassen: dieses Datum wurde gewählt, weil es weit genug entfernt war (mehr als zwei Monate), um während dieser Zeit die Zerstreuung und Erschöpfung fortzusetzen. Es ist auch kurz vor den Feiertagen am Jahresende mit den Ruhetagen zwischen Weihnachten und Neujahr, was dazu beiträgt, jede Blockade im Transportwesen unpopulär zu machen und die kämpferischsten zu isolieren.
Oktober
In den Monaten Oktober und November setzen die "radikalen" Gewerkschaften ihr Werk durch ihre isolierten und sektoralen Streiks fort. Während die Wut der ArbeiterInnen in vielen Sektoren spürbar ist, achten sie darauf, keine weitgehend allen offen stehenden Vollversammlungen vorzuschlagen, die Beiträge der ArbeiterInnen zu vereinigen, oder dass die Beschäftigen der unterschiedlichen Betriebe und Branchen zusammenkommen, indem man massive Delegationen bildet, die den Kontakt untereinander herstellen und den Streik ausdehnen. Nichts davon! Nur Streiks und vereinzelte Aktionen werden angekündigt, während man auf die angekündigte große Demonstration am 5. Dezember warten soll. Aber diese Strategie der Erschöpfung und Demoralisierung ist wieder einmal unzureichend. Die Arbeiterklasse drängt weiter, und die Kampfbereitschaft steigt weiter an. Am 16. Oktober stellen die Eisenbahner nach einem Eisenbahnunfall in den Ardennen spontan ihre Arbeit ein. Spontan kommunizieren sie über das Telefonnetz der Eisenbahn, dehnen den Streik auf einen ganzen Abschnitt der SNCF aus. Die Beschäftigten der Region Île-de-France waren besonders kämpferisch. Die RER-Strecken werden blockiert. Die Gewerkschaften sprangen auf den fahrenden Zug auf und stellten sich an die Spitze der Streiks, indem sie auf die Beibehaltung der Rentenregelung pochen. Mit anderen Worten: Sie kleben an der beginnenden Mobilisierung fest, laufen der in Gang gekommenen Bewegung hinterher, um sie in die von ihnen gewünschten Bahnen zu lenken.
Der Bourgeoisie geht diese Autonomie der ArbeiterInnen und diese Dynamik, den Kampf in die Hand zu nehmen und auszuweiten, gegen den Strich, so dass die Regierung und die Arbeitgeber die Illegalität dieses "wilden Streiks" anprangern und den Streikenden mit Sanktionen drohen. Dies wird es den Gewerkschaften ermöglichen, die Kontrolle über die Situation definitiv wiederzuerlangen, indem sie sich als Beschützer der Streikenden und Verteidiger des Streikrechts aufstellen. In diesem Monat Oktober kommt es bei der SNCF zu einer Reihe von wilden Streiks, vor allem im Wartungszentrum von Châtillon, wo sich ohne Zustimmung der Gewerkschaften 200 von 700 Beschäftigte versammeln, um gegen Maßnahmen zu protestieren, die die Arbeitsbedingungen verschlechtern. Diese Maßnahmen werden schnell zurückgezogen, um den Streik sofort zu beenden und so zu verhindern, dass die Bewegung bekannt wird und den Arbeitern als Beispiel dienen könnte.[3]
November
Die Gewerkschaften sind daher gewarnt: Sie müssen kämpferischer auftreten und an der Bewegung kleben, um sie vollständig zu kontrollieren. Am 9. November schließt sich die CGT dem Aufruf von UNSA-Eisenbahn[4] und Sud/Solidaires zu einem erneuten Streik am 5. Dezember an. Sie kündigt an, dass diese Aktion auch bei der SNCF durchgeführt wird. Dann verkündet die CFDT-Eisenbahner, dass sie ebenfalls Teil der Bewegung werde.[5]
Aber hinter der "Gewerkschaftsfront" und den Reden über die Einheit aller Bereiche setzen sie alle hinter den Kulissen ihre gleiche Arbeit der Untergrabung und Spaltung fort. Ihre Sabotage der Einheit der Bewegung im Krankenhaussektor ist besonders charakteristisch: Seit März führen die Gewerkschaften und ihr ‚collectifs interurgences‘ (Kollektiv Notdienste) vollkommen auf diesen Bereich beschränkte (korporatistische) Aktionen durch, welche den Kampf der Notdienste von allen anderen Krankenhausdiensten trennen. Aber unter dem wachsenden Druck des Willens, "alle zusammen zu kämpfen", ändern sie ihren Diskurs und rufen zu zwei "einheitlichen" Demonstrationen auf, am 14. und 30. November, Aber die Einheit soll lediglich die der …. Krankenhausbeschäftigten sein.
Dies, um diesen Kampf besser von der allgemeinen Bewegung gegen die Rentenreform im Namen der "Besonderheit der Krankenhäuser" zu trennen (und damit vor allem besser zu spalten). Dieser Gewerkschaftsbeschluss ruft eine gewaltige Wut in den Vollversammlungen des Krankenhauspersonals hervor, aber viele von ihnen werden sich dennoch am 5. Dezember, entgegen den gewerkschaftlichen Ausrichtungen mobilisieren.
Dezember
Während der großen Demonstrationen im Dezember wird die Notwendigkeit der Solidarität zwischen den verschiedenen Branchen und Generationen, dass alle gemeinsam kämpfen, in den Parolen, die aus den Lautsprechern der Gewerkschaftswagen hallen, aufgegriffen. Aber um was zu tun? Nichts! Nur um diese Slogans an jedem Aktionstag immer wieder zu wiederholen. Aber konkret hieß dies, die Beschäftigten aus jeder Branche wurden aufgerufen, sich hinter ihre gewerkschaftliche Abteilung zu scharen. Manchmal kam es sogar vor, dass die Beschäftigten durch Seile voneinander getrennt wurden, die von den gewerkschaftlichen Ordnern gespannt und getragen wurden. Am Ende der Demonstration gibt es keine großen Versammlungen, um zu diskutieren, obwohl viele Arbeiter den Wunsch geäußert haben, dies zu tun. Die Gewerkschaften und die Bullen zerstreuen die Menschenmassen. „Die Zeit wird knapp: Die Busse müssen los“. Mitte Dezember sind sich die streikenden Eisenbahner der SNCF und der RATP bewusst, dass die Bewegung, wenn sie isoliert bleibt, zur Niederlage verurteilt ist. Was machen die Gewerkschaften? Sie organisieren eine Scheinausdehnung: ein paar CGT-Vertreter treffen ein paar andere CGT-Vertreter eines anderen Unternehmens. Während der Samstagsdemonstrationen, die offiziell von den Gewerkschaften organisiert werden, um den Beschäftigten des privaten Sektors die Teilnahme an der Bewegung zu ermöglichen, unternehmen die CGT, die FO und die Solidaires keinerlei Anstrengungen, um die Mobilisierung auf die Beschäftigten der anderen Betriebe auszudehnen. Im Gegenteil, alle ihre Reden konzentrieren sich auf „den Mut der Eisenbahner, die für uns alle kämpfen", auf die Blockadekraft dieser Beschäftigten (was impliziert, dass andere Arbeiter machtlos sind) und die Notwendigkeit, sie zu unterstützen, indem vor allem für die von der CGT organisierten Solidaritätskassen Geld gespendet werden soll, anstatt die aktive Solidarität der Arbeiter im Kampf und die Ausweitung der Bewegung zu fördern (auch wenn es verständlich war, dass alle das Bedürfnis verspürten, den Eisenbahnbeschäftigten wegen des Verlustes eines Monatslohnes finanziell zu helfen!). Den ganzen Dezember über haben die Gewerkschaften den Stellvertreterstreik propagiert! So werden die Eisenbahner, die allein "unbegrenzt" streiken sollten, dazu ermutigt, "koste es, was es wolle", während der letzten zwei Wochen des Jahres durchzuhalten, mit dem Motto: kein Waffenstillstand während der Feiertage.
Januar
Die Medien prangern "die Geiselnahme von Familien an, die einfach nur zu Weihnachten zusammenkommen". Diese zwei Wochen "Waffenstillstand", in denen die Eisenbahner alleine kämpfen, reichen nicht aus, um die Wut und die allgemeine Kampfbereitschaft zu begraben und den Streik "unpopulär" zu machen. Am 9. Januar, dem neuen Tag der branchenübergreifenden Mobilisierung, strömen erneut Hunderttausende von Demonstranten herbei, die nach wie vor entschlossen sind, die Reform abzulehnen. Am 10. Januar verhandelt Premierminister Phillipe mit den Gewerkschaften und kündigt einen "konstruktiven und fortschrittlichen Dialog" an und versprach, Präsident Macron am nächsten Tag zu fragen, ob es möglich wäre, das „allgemeine Renteneintrittsalter“ zurückzuziehen. Alle Gewerkschaften begrüßen diesen Sieg, diesen großen Sieg für die CFDT und die UNSA, diesen kleinen Schritt nach vorne für die CGT, FO und Solidaire, der zeigt, dass die Regierung unter dem Druck der Straßen und der Streikenden im Transportsektor den Rückzug antreten wird. Am nächsten Tag also eine weitere Demonstration. An diesem Samstag, dem 11. Januar, organisieren die Gewerkschaften in Marseille am Ende der Demonstration ein Unterhaltungsprogramm, um jede Diskussion unmöglich zu machen. In Paris lassen sie der Polizei freie Hand, um mit Hilfe von Tränengas die Demonstranten zu zerstreuen und zu verprügeln. Es sollen unter den Demonstranten keine Diskussionen zugelassen werden. Vor allem aber ist die Teilnehmerzahl an diesem Tag sehr deutlich rückläufig. Viele Züge rollen wieder an diesem Tag. Die Ermüdung ist spürbar, die Stimmung innerhalb der weniger massiven Demonstrationen ist weniger kämpferisch. Der Schachzug gelingt. Premierminister Philippe verkündet den Rückzug des „allgemeinen Renteneintrittalters“ ... vorübergehend. Das Timing ist perfekt. Der Aufruf der Gewerkschaften zur Ausdehnung der ... Niederlage! Jetzt, wo der Bewegung die Luft ausgeht, die streikenden Eisenbahner erschöpft sind, finanziell angeschlagen sind, sie langsam wieder die Arbeit aufnehmen, was machen die "radikalen" Gewerkschaften? Natürlich fordern sie die Ausweitung der Bewegung, die sich in einer Dynamik des Rückzugs befindet, prangern jetzt die „Stellvertreterstreiks“ an und rufen jetzt die Beschäftigten der Privatwirtschaft dazu auf den Stab zu übernehmen! Am 9. Januar war Herr Mélenchon auf allen Kanälen zu hören und meinte: "Der Stellvertreterstreik, das reicht jetzt; davon haben wir genug; es müssen alle mitmachen". Und dann hört man nur noch aus ihrem Mund: „souveräne Vollversammlungen", um die Leute glauben zu machen, dass sie nur die Sprecher der Arbeiter sind und dass, wenn einige sich weiterhin allein durch den Streik erschöpfen, sie nichts dagegen tun können. "Es ist die Vollversammlung und die Basis, die entscheiden, ob die Eisenbahner den Lohn weiterer Streiktage verlieren wollen" (so der CGT-Führer Philippe Martinez im Fernseher). Jetzt vervielfachen sie die Aktionen, um lauter zu betonen, dass es den Arbeitern nicht gelingt, mehr Druck zu machen und diese für die Niederlage verantwortlich seien! In jener Woche gibt es nicht weniger als drei Aktionstage, am 14., 15. und 16. Januar, zu denen die Gewerkschaften aufrufen, auch wenn die Eisenbahner allmählich wieder an die Arbeit gehen. Nun ist der Führer der CGT, Herr Martinez, in Anlehnung an die Partei La France Insoumise von Herrn Mélenchon in allen Radiosendern und mitten unter den Streikenden zu sehen, um die Polizeigewalt anzuprangern... die seit Monaten andauert! Während die Gewerkschaften (an der Spitze die CGT) bisher das Verprügeln von Demonstranten, die Auflösung der Demonstrationen mit Tränengasgranaten ohne mit der Wimper zu zucken und ohne zu protestieren, zugelassen haben. Erst nachdem Mélenchon anfing, den Rücktritt des Pariser Polizeipräfekten zu fordern, fingen auch die Gewerkschaften an, gegen die Repression der Streikenden zu motzen.
Jetzt werden alle Gewerkschaften die Nummer der Verhandlungen mit der Regierung für die "Berücksichtigung der erschwerten Arbeitsbedingungen" auflegen, ein neuer Schritt für ein Zerbröckeln der Bewegung in verschiedene Branchen, denn in Wirklichkeit müssen die Beschäftigten aller Branchen unter einem enormen Druck arbeiten, und die Ausbeutungsbedingungen machen alle krank! Dieser "Teil der Verhandlungen" wird mit einem einzigen Ziel verfolgt: die Arbeitnehmer in Verhandlungen, die im Vorfeld verloren gegangen sind, Branche für Branche zu spalten oder sie sogar in Konkurrenz zueinander zu setzen, um festzustellen, ob einige Arbeiten "anstrengender" sind als andere. Die "Gewerkschaftsfront" wird zweifellos zerstritten erscheinen, wenn die Eisenbahner der CGT und die bei der CFDT organisierten Beschäftigten von Carrefour sich die Augen ausstechen, um herauszufinden, wer den "härtesten" Job hat! Die Gewerkschaften hatten während des Streiks der Eisenbahner im Winter 1986 dasselbe getan, indem sie am Ende der Bewegung, als die Eisenbahner begannen, wieder an die Arbeit zu gehen, eine Verlängerung des Streiks forderten[6]. In Wirklichkeit versuchen diese professionellen sozialen Feuerwehrleute, die Niederlage auszuweiten und zu vertiefen, um der Arbeiterklasse das Rückgrat zu brechen. Soll es der Regierung ermöglicht werden, diese Reform ohne Schwierigkeiten durch das Parlament zu boxen (und damit die Regierung weitere Angriffe durchsetzen kann)! Nein, die Arbeiterklasse muss sich nicht von den Gewerkschaften beschuldigen lassen! Nein, diejenigen, die wieder arbeiten, sind keine Streikbrecher! Nein, die Beschäftigten der Branchen, die den Kampf nicht wieder aufgenommen haben, fehlte es nicht an Mut und Solidarität! Es waren die Gewerkschaften, Hand in Hand mit der Regierung, die diese Niederlage geplant und orchestriert haben! Es waren die Gewerkschaften, Hand in Hand mit der Regierung, die jede mögliche Einheit, jede wirkliche Ausweitung der Bewegung verhinderten! Die Arbeiterklasse muss sich im Gegenteil über den Schritt, den sie gemacht hat, im Klaren sein. Nach zehn Jahren der Trägheit, nach der langen, anstrengenden Phase des Gefühls der Machtlosigkeit, haben die Arbeiter begonnen, wieder das Haupt zu erheben und gezeigt, dass sie gemeinsam kämpfen, sich zusammenschließen wollen, und sich einer Klasse zugehörig fühlen.
Diese letzten Monate waren geprägt von der Entwicklung der Solidarität zwischen den Branchen und zwischen den Generationen! Das ist der Sieg dieser Bewegung, denn der wirkliche Gewinn des Kampfes ist der Kampf selbst, in dem sich alle Berufsgruppen, alle Generationen endlich im selben Kampf auf der Straße gegen eine Reform wiederfinden, die ein Angriff auf alle Ausgebeuteten ist! Und das ist es, was die Regierung und die Gewerkschaften in den kommenden Wochen und Monaten versuchen werden, auszulöschen. Es liegt an uns, zusammenzukommen, um zu debattieren, zu diskutieren, Lehren zu ziehen, nicht zu vergessen und in den zukünftigen Kämpfen noch zahlreicher und stärker zu werden, wenn wir beginnen, die Gewerkschaften, diese Fachleute... der Niederlage zu durchschauen und deren Tricks zu vereiteln. Sie werden immer die letzten Befestigungswälle des Staates in den Reihen der Arbeiter zur Verteidigung der kapitalistischen Ordnung sein!
Léa, 14. Januar 2020
[1] Die Besetzung von Kreisverkehren, die zur Schau getragene Aufregung um angebliche republikanische und nationalistische Symbole wie die Nationalfahne oder die Marseillaise.
[2] vgl. unsere Flugblätter, in denen wir das Manöver Anfang Dezember vorhergesehen haben.
[3]) Die Erklärung der Arbeiter von Châtillon wurde in unserer Zeitung Révolution Internationale Nr. 479 veröffentlicht. Hier ein ganz kurzer Auszug: "Wir, die streikenden Mitarbeiter der Ausrüstungsabteilung des Technikzentrums Châtillon im TGV-Atlantique-Netz, haben seit Montagabend, dem 21. Oktober, massiv die Arbeit eingestellt, ohne uns gegenseitig zu konsultieren oder von den Gewerkschaften überwacht zu werden. (...) Unser Zorn ist real und tief, wir sind entschlossen, bis zum Ende unserer Forderungen, für Respekt und Würde zu kämpfen. (...) Wir haben genug von Umstrukturierungen, niedrigen Löhnen, Stellenabbau und Unterbesetzung! Wir rufen alle Eisenbahner auf, aufzustehen, denn die heutige Situation in Châtillon ist in der Tat das Ergebnis einer nationalen Politik".
[4]. Während die UNSA der anderen Sektoren nicht zum Streik aufruft! Tatsächlich ist die Gewerkschaft UNSA-Bahn auch dort gezwungen, die Kampfbereitschaft der Beschäftigten des Bereichs verbal zu unterstützen, denn sonst würde sie völlig diskreditiert werden.
[5] Während die CFDT auf Landesebene nicht mehr zum Streik aufruft.
[6] Wir veröffentlichen erneut einen Artikel, der die Lehren aus diesem Kampf zieht: "SNCF Dezember 1986: Die Arbeiter können ohne die Gewerkschaften kämpfen". Siehe Révolution Internationale 480