Der barbarische Krieg wird immer heftiger

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Während Russland unablässig Bombenteppiche auf ukrainische Städte wirft, sangen die Vertreter der großen "demokratischen" Mächte am Ende des G7-Treffens, das am 8. Juni in der idyllischen Landschaft der bayerischen Alpen stattfand, im Chor die Worte Macrons: "Russland kann und darf nicht gewinnen"

Dies ist ihre Art, um ihrer vorgetäuschten Empörung über die Schrecken der Kämpfe, die Zehntausenden von Toten und Millionen von Flüchtlingen, die systematische Zerstörung ganzer Städte, die Hinrichtung und Verstümmelung von Zivilisten, die unverantwortliche Bombardierung von Atomkraftwerken und die erheblichen wirtschaftlichen Folgen für den gesamten Planeten Ausdruck zu verleihen. Mit der Vortäuschung von Angst versuchte diese Bande von Zynikern, die sehr reale Verantwortung des Westens für dieses Massaker zu verschleiern. Hier möchten wir insbesondere auf das destabilisierende Handeln der Vereinigten Staaten verweisen, die in ihrem Bemühen, dem Niedergang ihrer weltweiten Führungsrolle entgegenzuwirken, nicht zögerten, Chaos und Barbarei vor den Toren des historischen Zentrums des Kapitalismus zu schüren.

Die Ukraine-Falle, die der US-Imperialismus dem russischen Imperialismus gestellt hat

Heute präsentieren sich die USA und die anderen westlichen Mächte als Verfechter des Friedens, der „antidespotischen“ Demokratie und der armen unschuldigen Ukraine, die einem schändlichen Angriff des russischen Regimes ausgesetzt ist. Auch wenn die vom russischen Imperialismus begangenen Gräueltaten schwieriger zu verbergen sind, können weder die USA noch die Ukraine als "Unschuldige" gesehen werden.

Im Gegenteil, sie haben eine aktive Rolle bei der Entfesselung und Fortsetzung des Massakers gespielt. Die ukrainische Bourgeoisie, korrupt bis auf die Knochen, hatte bereits das Minsker Abkommen von 2014 sabotiert, das unter anderem eine gewisse Autonomie für den Donbass und den Schutz der russischen Sprache in der Ukraine vorsah. Heute agiert sie gegenüber Russland besonders unnachgiebig im Sinne eines "Kampfes bis zum Ende"; bestimmte Gruppierungen streben sogar die Rückeroberung der Krim an.

Die Politik der USA ist äußerst heuchlerisch und sehr berechnend. In den frühen 1990er Jahren hatten die Vereinigten Staaten Moskau "informell" versprochen, die Implosion des Ostblocks nicht auszunutzen, um ihren Einfluss bis an die Grenzen Russlands auszudehnen. Sie zögerten jedoch nicht, die ehemaligen Ostblockländer nach und nach in ihren Einflussbereich zu integrieren. Ebensowenig zögerten sie, Taiwan massiv aufzurüsten und dessen Versuche zu unterstützen, sich von Peking zu distanzieren, nachdem sie „eigentlich“ zuvor versprochen hatten, das Ein-China-Prinzip' zu respektieren. Die US-Politik gegenüber der Ukraine hat weder mit der Verteidigung der Witwen und Waisen oder der Demokratie zu tun, noch mit den schönen humanitären Prinzipien. Die US-Politik zögert nicht, jedwedes Land mit Blut und Schlamm zu beschmieren, um ihre schmutzigen, imperialistischen Interessen zu verteidigen.

Durch die herauslockende Vorgehensweise beflügelte sie Putin in die Ukraine einzumarschieren. Er wurde dazu nahezu gedrängt, indem die USA ihm klar machten, dass sie nicht eingreifen würden. Indem sie ihn in einen umfassenden Krieg hineinzogen, haben die USA in einem machiavellistischen Manöver wichtige Punkte auf dem imperialistischen Bankett gesammelt. Die US-Strategie versucht vor allem und mit allen Mitteln, dem unwiederbringlichen Niedergang ihrer weltweiten Führungsrolle entgegenzuwirken.

Die US-Bourgeoisie konnte so die Kontrolle der NATO über die europäischen Imperialismen wiederherstellen. Während diese Organisation dem Untergang geweiht schien, die laut Macron "hirntot" sei , ermöglichte der Krieg in der Ukraine dieses Instrument der Unterordnung der europäischen Imperialismen unter die US-Interessen wieder aufzuwerten. Washington nutzte die russische Invasion, um die protestierenden europäischen "Verbündeten" zur Ordnung zu rufen: Deutschland, Frankreich und Italien waren gezwungen, ihre Handelsbeziehungen mit Russland abzubrechen und die von den USA seit Jahren geforderten militärischen Investitionen in aller Eile zu tätigen. In ähnlicher Weise versetzen die USA der Militärmacht Russland schwere Schläge.

Doch hinter Russland haben die USA im Wesentlichen China im Visier und setzen es unter Druck. Das grundlegende Ziel des machiavellistischen Manövers der USA ist die Fortsetzung der Eindämmung Chinas, die im Pazifik begann, durch die Schwächung der russisch-chinesischen Beziehungen. Das Versagen Russlands angesichts der US-Militärhilfe für die ukrainische Armee ist eine klare Warnung an Peking. China hat auf die russische Invasion mit Verlegenheit reagiert: Peking missbilligt zwar die Sanktionen, vermeidet es aber, die rote Linie zu überschreiten, die zu amerikanischen Sanktionen gegen China führen würde. Außerdem ermöglicht der Ukraine-Konflikt die Blockade eines großen Gebiets von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer, das für die "Neue Seidenstraße" unverzichtbar ist. Dieses Projekt zu verhindern ist zweifellos ein wichtiges Ziel des amerikanischen Manövers.

Die US-Politik führt zu verstärktem Chaos und Militarismus

Unabhängig davon, welche Fraktion der Bourgeoisie an der Regierung ist, seit dem Beginn der Periode des Zerfalls sind die USA in ihrem Bestreben, ihre schwindende Vormachtstellung zu verteidigen, die Hauptkraft für die Ausbreitung von Chaos und Barbarei infolge ihrer Interventionen und Manöver: Sie haben das Chaos in Afghanistan und im Irak verursacht und den Aufstieg von Al-Qaida und Daesh (Islamischer Staat) begünstigt.

Im Herbst 2021 schürten sie bewusst die Spannungen mit China wegen Taiwan, um die anderen asiatischen Mächte hinter sich zu versammeln. Ihre Politik in der Ukraine ist heute nicht anders, obwohl ihre Strategie es ihnen erlaubt, sich sich als friedliche Nation darzustellen, die sich der russischen Aggression entgegenstellt. Mit ihrer überwältigenden militärischen Überlegenheit schüren die USA ein kriegerisches Chaos als die wirksamste Barriere gegen die Herausforderung durch China. Doch weit davon entfernt, die Weltlage zu stabilisieren, verschärft diese Politik die Barbarei des Krieges und spitzt die imperialistischen Konfrontationen auf allen Seiten in einem chaotischen, unvorhersehbaren und besonders gefährlichen Kontext zu.

Indem Washington Russland in die Enge treibt, verschärft es die Gefahr von Chaos und Krieg in Europa. Der Krieg in der Ukraine führt zu immer verheerenderen Verlusten für Russland. Putin kann die Feindseligkeiten in dieser Phase jedoch einerseits nicht beenden, weil er um jeden Preis Trophäen braucht, um die Operation innenpolitisch zu rechtfertigen und das restliche militärische Prestige Russlands zu retten. Hierzu muss er versuchen, dieses hochstrategische Gebiet dem amerikanischen Einfluss zu entziehen. Andererseits werden die militärische Macht und die Wirtschaft Russlands umso mehr geschwächt, je länger der Krieg andauert. Die Vereinigten Staaten haben kein Interesse daran, eine Einstellung der Feindseligkeiten zu fördern, selbst wenn dies bedeutet, dass die Bevölkerung in der Ukraine zynisch geopfert wird. Unter den gegenwärtigen Bedingungen kann das Gemetzel nur weitergehen und die Barbarei ausgeweitet werden, wahrscheinlich für Monate oder sogar Jahre. Hierbei sollten wir nicht die besonders gefährlichen Formen, wie die Bedrohung durch "taktische" Atomwaffen vergessen.

Indem die USA das Joch der NATO wiederherstellen, verschärfen sie auch die imperialistischen Ambitionen und den Militarismus der europäischen Bourgeoisien. Nach 1989 konnten die europäischen Länder noch die Illusion nähren, ihre imperialistische Politik im Wesentlichen auf der Grundlage ihrer wirtschaftlichen Trümpfe betreiben zu können. Im Rahmen der Trump- Präsidentschaft und noch deutlicher mit der aggressiven Biden-Politik die sich auf die militärische Überlegenheit der USA stützt, wie nun auch in der Ukraine sichtbar wird, begreifen die europäischen Staaten immer mehr erstens ihre militärische Abhängigkeit von den USA und der Nato, und zweitens die Notwendigkeit eines massiven Ausbaus ihrer Rüstungspolitik Die Entscheidung Deutschlands, massiv aufzurüsten und seinen Militärhaushalt zu verdoppeln, stellt mittelfristig eine wichtige imperialistische Entwicklung dar, da Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg nur bescheidene Streitkräfte unterhalten hatte.

Innerhalb der NATO zeichnen sich bereits die Meinungsverschiedenheiten zwischen einem "unnachgiebigen" Pol, der "Putin in die Knie zwingen" will (USA, Großbritannien und Polen, baltische Länder), und einem eher "versöhnlichen" Pol ("all dies muss in Verhandlungen enden", "wir müssen vermeiden, Russland zu demütigen") ab. Indem die US-Bourgeoisie den Druck auf China erhöht, steigert sie auch hier das Risiko neuer militärischer Konfrontationen. Die Krise in der Ukraine hat gefährlich destabilisierende Folgen für die imperialistische Position des wichtigsten Herausforderers der USA.

Peking verfolgt weiterhin eine Politik der formellen Unterstützung für Putin, ohne Kompromisse einzugehen. Aber der Krieg hat schwere Auswirkungen auf das Projekt "Neue Seidenstraße" und auf die Kontakte mit den mitteleuropäischen Ländern, die China zu verführen wusste. Dies geschieht zu einer Zeit, in der die Verlangsamung des Wachstums der chinesischen Wirtschaft immer deutlicher wird, deren Wachstum derzeit auf 4,5 % des BIP geschätzt wird. Während die Vereinigten Staaten nicht zögern, diese Schwierigkeiten hervorzuheben und sie in ihrer Konfrontation mit Peking auszunutzen, verschärft die Situation die Spannungen innerhalb der chinesischen Bourgeoisie und erhöht das Risiko einer Beschleunigung der Konfrontationen auf politischer, wirtschaftlicher und sogar militärischer Ebene.

Die unabsehbaren Folgen des Krieges in der Ukraine

Das Fehlen jeglicher wirtschaftlicher Motivation für Kriege war seit Beginn der Dekadenz des Kapitalismus offensichtlich: "Der Krieg war das unentbehrliche Mittel, mit dem das Kapital die Möglichkeiten für seine weitere Entwicklung erschloss, zu einer Zeit, als solche Möglichkeiten existierten und nur durch Gewalt erschlossen werden konnten. In gleicher Weise findet die kapitalistische Welt, die historisch alle Entwicklungsmöglichkeiten erschöpft hat, im modernen imperialistischen Krieg den Ausdruck ihres Zusammenbruchs. Der Krieg kann heute die Produktivkräfte nur in einen Abgrund stürzen und in einem immer schnelleren Rhythmus Ruin auf Ruin häufen, ohne irgendeine Möglichkeit für die äußere Entwicklung der Produktion zu eröffnen."1

Konflikt in der Ukraine ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass der Krieg nicht nur seine ökonomische Funktion verloren hat, sondern dass der Zwang zum militärischen Chaos den strategischen Nutzen des Krieges zunehmend schmälert. So hat Russland einen Krieg im Namen der Verteidigung der russischsprachigen Bevölkerung begonnen, massakriert aber Zehntausende von Zivilisten in überwiegend russischsprachigen Regionen. Währenddessen verwandelt Russland diese Städte und Regionen in Ruinen und erleidet selbst erhebliche materielle und infrastrukturelle Verluste. Wenn es am Ende dieses Krieges den Donbass und die Südostukraine erobert, wird es ein Trümmerfeld erobert haben (die Kosten für den Wiederaufbau werden derzeit auf 750 Milliarden Euro geschätzt) und eine von Krieg, Misshandlung und Vertreibung traumatisierte Bevölkerung vorfinden, die es hasst. Es wird einen erheblichen strategischen Rückschlag in Bezug auf seine Großmachtambitionen erlitten haben. Die Vereinigten Staaten werden durch ihre Politik der Eindämmung Chinas dazu verleitet, eine zynische Politik der "verbrannten Erde" zu betreiben, die zu einer unermesslichen Explosion des wirtschaftlichen, politischen und militärischen Chaos führen wird. Die Irrationalität des Krieges war noch nie so offensichtlich wie heute.

Diese Tendenz zur zunehmenden Irrationalität militärischer Konflikte geht Hand in Hand mit der zunehmenden Verantwortungslosigkeit der herrschenden Gruppierungen, die an die Macht kommen, wie das Abenteuer von Bush Junior und den "Neo-Cons" im Irak 2003, die Politik von Trump von 2018 bis 2021 oder die Gruppierung um Putin in Russland zeigen. Sie sind Ausdruck der Verschärfung des Militarismus und des Kontrollverlusts der Bourgeoisie über ihren politischen Apparat, was zu einem Abenteurertum führen kann, das auf lange Sicht für diese Gruppierungen fatal, aber vor allem für die Menschheit gefährlich ist.

Gleichzeitig sind die Folgen des Krieges für die wirtschaftliche Situation vieler Länder dramatisch. Russland ist ein wichtiger Lieferant von Düngemitteln und Energie, Brasilien ist auf Düngemittel für seine Ernten angewiesen. Die Ukraine ist ein wichtiger Exporteur von Agrarprodukten, und die Preise für Rohstoffe wie Weizen werden wahrscheinlich steigen. Staaten wie Ägypten, die Türkei, Tansania oder Mauretanien sind zu 100 % von russischem oder ukrainischem Weizen abhängig und stehen am Rande einer Nahrungsmittelkrise. Sri Lanka und Madagaskar, die bereits überschuldet sind, sind bankrott. Laut UN-Generalsekretär droht die Ukraine-Krise "bis zu 1,7 Milliarden Menschen (mehr als ein Fünftel der Menschheit) in Armut, Elend und Hunger zu stürzen". Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen werden global und unabsehbar sein: Verarmung, Elend, Hunger...

Das Gleiche gilt für die ökologischen Bedrohungen des Planeten. Die Kämpfe in der Ukraine, einem Land mit dem drittgrößten AKW-Bestand Europas, in einer Region mit einer alternden Industrie, einem Erbe der "sowjetischen" Ära, bergen enorme Risiken für ökologische und nukleare Katastrophen. Aber ganz allgemein in Europa und in der Welt hat die Notwendigkeit, sich von der Abhängigkeit von russischen Brennstoffen zu befreien und auf die steigenden Energiepreise zu reagieren, die großen Volkswirtschaften bereits dazu veranlasst, die Produktion von Kohle, Öl, Gas und Kernenergie wieder anzukurbeln, auch wenn die "saubere, grüne Energiewende" offiziell weiterhin Priorität hat. Deutschland, die Niederlande und Frankreich haben bereits Maßnahmen in dieser Richtung angekündigt.

Die Unvorhersehbarkeit der gegenwärtigen Konfrontationen und die Möglichkeit, dass sie außer Kontrolle geraten, und in ihren Auswirkungen stärker sind als während des Kalten Krieges, kennzeichnen die gegenwärtige Zerfallsphase. Sie stellen eine der besonders beunruhigenden Dimensionen dieser Beschleunigung des Militarismus dar. Mehr denn je verdeutlicht der gegenwärtige Krieg die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Entscheidung: "Sozialismus oder die Zerstörung der Menschheit". Anstelle von Tod und kapitalistischer Barbarei: Sozialismus!

R. Havannais, 4. Juli 2022


1 Bericht an die Konferenz der Gauche Communiste de France vom Juli 1945, zitiert in „50 years ago: The real causes of the Second World War ; International Review, Nr. 59, 1989,

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Fünf Monate nach "Spezial-Einsatz"