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Als die Arbeiterklasse in Frankreich auf den beispiellosen Angriff antwortete, den die “Rentenreformen” darstellen, war es sehr wichtig für die Revolutionäre, sowohl auf den Demonstrationen als auch in den zahlreichen, sich im Kampf befindlichen Sektoren, insbesondere jenen der Beschäftigten im nationalen Erziehungswesen, Präsenz zu zeigen.
Die Interventionen der IKS auf den Demonstrationen
Anders als die bürgerliche Linke und die vor Begeisterung überschäumenden Elemente, die hinter allem, was sich bewegt, das Gespenst der sozialen Revolution erblicken, ist es das Ziel von Revolutionären, präzise zu intervenieren und sich dabei eines Kompasses zu bedienen, nämlich der marxistischen Methode, die sich auf nahezu 200 Jahre Erfahrung der Arbeiterklasse stützt. Allein diese Methode kann ihnen dabei helfen, die Fallen des Immediatismus, der kleinbürgerlichen Ungeduld, zu umgehen, die sie nur zu Wasserträgern für die Basisgewerkschafter und den linksextremistischen Flügel des Kapitals machen würden.
Also traf die IKS-Sektion in Frankreich, sobald sich mit der Demonstration vom 13.Mai die Bewegung ausweitete, die Entscheidung, eine Beilage zu ihrem Hauptinterventionsmittel, der Zeitung Revolution Internationale, herauszubringen. Diese Beilage hatte die Aufgabe, das Ausmaß des Angriffes auf die gesamte Arbeiterklasse aufzuzeigen, die Manöver der Bourgeoisie zu analysieren, um diesen Angriff durchzuziehen, und die Rolle der Gewerkschaften beim Wiederaufleben der Klassenmilitanz zu denunzieren. Der Haupttenor unserer Intervention war es, die Arbeiterklasse dazu zu ermutigen, über die Tiefe der kapitalistischen Krise und über die Notwendigkeit dieser Kampferfahrung nachzudenken, die sie dazu befähigen kann, ihr Selbstvertrauen wiederzugewinnen und ihre Klassenidentität wiederzuerlangen. Gerade weil wir die Betonung auf die Notwendigkeit legten, einen allgemeinen Rahmen für eine Analyse vorzustellen, um dieses Nachdenken zu ermöglichen, entschieden wir uns, eine Beilage zu verteilen, und nicht ein agitatorisches Flugblatt. Für alle Demonstrationen, in Paris wie in den Provinzen, mobilisierte die IKS all ihre Kräfte und sammelte ihre Sympathisanten, um die Presse so gut wie möglich zu verkaufen.
Die Bilanz dieser Mobilisierung war sehr positiv: Unsere Verkaufszahlen brachen alle Rekorde. In der gesamten Geschichte der IKS hat unsere Organisation niemals so viele Publikationen auf einer Demonstration verkauft wie jetzt. Besonders auf den Demonstrationen, wo die IKS präsent war, ging unsere Beilage weg wie warme Semmeln.
Wir sagen dies nicht, um uns selbst zu lobhudeln oder weil wir meinen, am Rande einer Revolution zu stehen. Diese Verkaufszahlen bestätigen wie die zahllosen Diskussionen, die wir auf den Demonstrationen führten, einfach, dass trotz der Schwierigkeiten, denen sich die Arbeiter noch immer bei der Entwicklung ihrer Kämpfe und bei der Herbeiführung eines Kräfteverhältnisses gegenübersehen, das die Bourgeoisie zum Rückzug zwingen könnte, sie immer
noch Ausschau nach einer Perspektive halten. Die Tatsache, dass so viele Streikende den politischen Schritt machten, eine Zeitung mit dem Titel Révolution Internationale oder eine Beilage mit dem Titel ‚Die Zukunft gehört dem Klassenkampf’ zu kaufen, ist ein bedeutsames Zeichen für den Wechsel in der Situation des Klassenkampfes. Es bedeutet, dass heute die Arbeiterklasse beginnt, die Zukunft in Frage zu stellen, die der Kapitalismus für uns bereithält. Dieses Infragestellen, dieses Suchen nach einer Perspektive, selbst wenn es noch sehr konfus und embryonal ist, ist eine klare Widerlegung all der bürgerlichen Kampagnen, die dem Zusammenbruch der stalinistischen Regimes folgten, in deren Mittelpunkt das Argument stand, dass der Kommunismus gescheitert und der Klassenkampf vorbei sei.
Somit bestätigen diese massiven Angriffe die Gültigkeit dessen, was unsere Organisation seit 1968 sagt: Trotz aller Leiden, die sie mit sich bringt, ist die Krise der beste Verbündete des Proletariats.
Die Interventionen der IKS im Streik des nationalen Erziehungswesens
Die IKS-Intervention beschränkte sich nicht darauf, unsere Presse auf den Straßendemonstrationen zu verkaufen.
In den Kämpfen selbst, in den Vollversammlungen, besonders in jenen der Lehrer, intervenierten unsere Genossen und Sympathisanten, wo immer sie konnten, um zu versuchen, die Manöver der Gewerkschaften und ihrer ‚radikalen’ linksextremen Fußsoldaten zu kontern. All unsere Interventionen schlugen vor:
- die lebenswichtige Notwendigkeit der geographischen Ausdehnung der Bewegung von Beginn an gegen die Manöver der Gewerkschaften und Linksextremen, die danach trachten, die Arbeiter innerhalb ihrer Branchen einzusperren;
- die Notwenigkeit, die Souveränität der Vollversammlung zu schützen, welche als Diskussions- und Entscheidungszentrum über die Frage der Weiterentwicklung des Kampfes dienen müssen, und nicht als Befehlsempfänger der Gewerkschaftsbeschlüsse, die im Voraus getroffen werden;
- die klare und deutliche Entlarvung der Ausrichtung des Gewerkschaftsapparates, der tatsächlichen Praxis der Gewerkschaften, die, unter dem Mantel der Rufe nach Einheit, nur dazu dienen, die wirklichen Notwendigkeiten des Kampfes zu verschleiern.
So ergriffen unsere Genossen zum Beispiel auf einer regionalen Vollversammlung in Lyon, auf der ca. 500 Streikende versammelt waren, das Wort. Trotz des gewerkschaftlichen Sperrfeuers, das darauf abzielte, uns zum Schweigen zu bringen (mit Unterbrechungen wie “Fasst euch kurz”, “Sorgt erst mal dafür, dass eure Schule streikt”), war ein anderer Genosse, der im Gesundheitssektor arbeitet, in der Lage, in dieser Versammlung auf der Notwendigkeit zu bestehen, die Straße zu überqueren, um sich mit anderen Branchen zu treffen, die gleichermaßen unter den Angriffen gegen die Renten leiden. Seine Intervention wurde sehr aufmerksam verfolgt, und dies veranlasste das Präsidium, das Mikrophon auszuschalten. Doch trotz dieses Manövers setzte unser Genosse seine Intervention fort, indem er seine Stimme anhob. Er erhielt starken Applaus. In diesem Augenblick sah sich das Präsidium gezwungen, Notiz zu nehmen von der Orientierung, die von unseren Genossen vorgeschlagen wurde, nämlich die Notwendigkeit der geographischen Ausdehnung – aber lediglich als eine vage Perspektive, was die Linksextremen stets tun, wenn die Bewegung ihnen aus dem Ruder läuft.
Diese regionale Versammlung zeigte deutlich, dass die ‚radikalen’ Gewerkschaften gezwungen waren, diese Art von Manöver zu praktizieren, um zu vermeiden, selbst unter dem Einfluss unserer Interventionen ausmanövriert zu werden.
Sofern wir in der Lage waren, in den Versammlungen zu intervenieren, versuchten wir, konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Bei zahlreichen Gelegenheiten, in Lyon z.B., schlugen unsere Genossen folgenden Antrag vor: “Die regionale Vollversammlung ruft die Vollversammlungen anderer Branchen dazu auf, die Appelle zur Ausweitung des Kampfes durch das Entsenden möglichst starker Delegationen zu öffentlichen wie privaten Unternehmen wie Alstom, Werkstätten, SNCF, Oullins, RVI, TCL, Krankenhäuser, Rathäuser, etc. in die Tat umzusetzen (...) die regionale Vollversammlung ist der Auffassung, dass die verspäteten Gewerkschaftsappelle an andere Branchen, sich dem Kampf anzuschließen, einige am 27.Mai, andere am 2.Juni, wiederum andere am 3.Juni, genauso wie ihr Schweigen in anderen Branchen konkrete Akte der Teilung und Spaltung sind, die sich gegen die Notwendigkeit einer Einheit richten...” Dieser Antrag erhielt 24 Stimmen, 137 stimmten dagegen, und 53 enthielten sich. Die Abstimmung über diesen Antrag zeigte, dass es erste Anfänge einer Infragestellung der Gewerkschaftskontrolle über die Kämpfe und ihrer Sabotagemanöver gibt. Obgleich diese Infragestellung nur bei einer Minderheit stattgefunden hat, war die Intervention unserer Militanten kein Blitz aus heiterem Himmel. Bei etlichen Gelegenheiten wurden unsere Genossen dazu aufgefordert, ihre Interventionen auszuführen, manchmal verbunden mit der Einladung, zu anderen Versammlungen in der Branche zu kommen und dort zu sprechen, wo die gleiche Art von Fragen gestellt wurden. Zahllose Diskussionen fanden statt und werden noch immer fortgesetzt. In anderen Regionalversammlungen, wie z.B. am 21.Mai in Nantes, konfrontierten unsere Genossen direkt die Gewerkschaften, indem sie lautstark verkündeten, dass “die Einheit des Kampfes nicht die Einheit der Gewerkschaften bedeutet!” Sie wurden lauthals ausgebuht während ihrer Interventionen. Am Ende dieser Versammlung drückten lediglich fünf Streikende ihre Übereinstimmung mit unserer Position aus. Was wir durch das Echo auf unsere Interventionen in vielen Regionen gesehen haben, ist, dass es eine große Heterogenität in der Bewegung gibt, sowohl was den Mobilisierungsgrad angeht als auch bezüglich des Misstrauens gegenüber den Gewerkschaften.
In einer zweiten Phase, die ziemlich schnell einsetzte, wurde es klar, dass jede Möglichkeit für eine massive Entfaltung des Kampfes von den Gewerkschaften untergraben worden war. Unsere Genossen waren gezwungen, ihre Interventionen umzuorientieren, indem:
- sie aufzeigten, dass die ‚Nadelstichtaktik’ eine Falle war, die nur Erschöpfung und Demoralisierung zu verursachen drohte;
- sie die Gewerkschaften und die linksextreme Haltung entlarvten, ‚bis zum bitteren Ende zu kämpfen’, indem sie zu sterilen Kommandoaktionen von Minderheiten griffen (wie das Blockieren von Abiturprüfungen), was nur die Spaltung zwischen Streikenden und Nicht-Streikenden verstärken konnte;
- sie die Notwendigkeit aufzeigten, sich neu zu sammeln, um Konfusionen zu vermeiden, so kollektiv wie möglich zu diskutieren, ob man mit dem Streik fortfährt oder nicht, um eine Demoralisierung zu verhindern und sich darauf vorzubereiten, den Kampf später wieder aufzunehmen und bis dahin unsere Stärke aufrechtzuerhalten;
- sie die Notwendigkeit für die kämpferischsten und bewusstesten Minderheiten vertraten, sich neu zu sammeln, um ihr Nachdenken über die von der Bewegung aufgestellten Fragen zu fördern. Es hat bereits eine Reihe von Treffen solcher Elemente aus verschiedenen Branchen u.a. in Lyon, Nantes und Marseille gegeben.
In den folgenden Tagen hielt die IKS auch eine Reihe anregender öffentlicher Treffen über die Kämpfe in einer Reihe von Städten ab.
Heute ist klar, dass die Bewegung nicht stark genug war, um die Bourgeoisie zurückzudrängen. Die Arbeiterklasse hat somit eine Niederlage erlitten. Einmal mehr trachtet die herrschende Klasse danach, die Arbeiter dazu zu bringen, die falschen Lehren daraus zu ziehen, insbesondere die Idee, dass der Kampf Zeitverschwendung sei. Es liegt also in der Verantwortung der Revolutionäre, diesen Mystifikationen entgegenzutreten.
Daher entschied sich die IKS, ein Flugblatt zu verteilen, das die Bilanz aus dieser Erfahrung zieht, um der gesamten Klasse zu erlauben, so viel Lehren wie möglich aus dieser Niederlage zu ziehen, die Arbeiter dazu zu drängen, ihr Nachdenken zu vertiefen, und sie so dafür zu wappnen, wenn sie den Kampf gegen die Verschärfung der Angriffe, die bereits in einem Maßnahmenpaket über die soziale Sicherheit angekündigt sind, wieder aufnehmen. SM