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Die Auswirkungen des Zerfalls auf die Wirtschaft: Bericht über die Wirtschaftskrise (24. Kongress von Révolution Internationale, 2020)

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Einführung

Die Weltwirtschaftskrise verschärft sich gegenwärtig brutal. Konkret und ohne jeden Zweifel wird die Arbeiterklasse auf der ganzen Welt unter einem gewaltigen Ausbruch von Arbeitslosigkeit, Ausbeutung, Prekarität und Armut leiden.

Mit diesem neuen Schritt versinkt der Kapitalismus weiter in seiner Dekadenz, was von den revolutionären Organisationen die Klärung folgender Fragen erfordert:

  1. Was ist die historische Bedeutung dieser sich entwickelnden Krise, der schwersten aller Krisen seit Beginn der Dekadenz, einschließlich der, die 1929 begann?
  2. Welche Konsequenzen hat die Tatsache, dass die Auswirkungen des Zerfalls der Gesellschaft ein großes Gewicht bei der Entwicklung dieser neuen Phase der offenen Krise haben werden?

Gleichzeitig müssen wir uns vor einer auf den Moment beschränkten und ökonomistischen Sichtweise auf die Krise hüten, wie der vorgelegte Bericht betont. Wir müssen jede waghalsige Prognose vermeiden, wenn man bedenkt, dass wir das Tempo der Krise in der Vergangenheit überschätzt und eine unmittelbar bevorstehende Katastrophe erwartet haben, verbunden mit der Vorstellung, die Bourgeoisie befinde sich in einer Sackgasse. Abgesehen von der mangelnden Aneignung der Theorie Rosa Luxemburgs, hatten wir die Fähigkeit des Staatskapitalismus unterschätzt, mit den Erscheinungen der offenen Krise umzugehen, da er ja tatsächlich das Versinken des Systems in seine historische Krise begleitet und so sein Überleben ermöglicht hat. Die Waffen des Staatskapitalismus sind: das ständige Eingreifen in die Wirtschaft, Manipulationen und Betrug mit dem Wertgesetz. Dabei gelang es der herrschenden Klasse, innerhalb des Proletariats die Illusion aufrecht zu erhalten, dass der Kapitalismus kein bankrottes System, seine Erschütterungen nur vorübergehend und das Produkt zyklischer Krisen seien, denen notwendigerweise Perioden intensiver allgemeiner Entwicklung folgen würden.

Im 18. und 19. Jahrhundert befanden sich die großen kapitalistischen Nationen in einem hektischen Wettlauf um die Eroberung neuer Märkte und Gebiete. Aber um 1900 stießen sie auf ein Problem: Die Erde ist rund und nicht unendlich groß. So erreichten die imperialistischen Spannungen bereits vor Ausbruch einer Weltwirtschaftskrise ihren Höhepunkt, der Weltkrieg brach aus und der Kapitalismus trat in das Stadium seiner Dekadenz ein. Der Krieg von 1914-18 ist die Manifestation der extremsten Barbarei und Ergebnis der folgenden Tatsache: „Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um.“ [1]

Erst Ende der 1920er Jahre wurden die verschiedenen nationalen Bourgeoisien zum ersten Mal mit dem unmittelbar "wirtschaftlichen" Ausdruck dieses Eintritts in die Dekadenz konfrontiert: der Krise der allgemeinen und historischen Überproduktion. Wir wollen noch einmal Marx zitieren: „Zweitens, dass die kapitalistische Produktion keineswegs auf einer willkürlichen Stufe produziert, sondern jemehr sie sich entwickelt, so mehr gezwungen ist, auf einer Stufenleiter zu produzieren, die mit der immediate demand (unmittelbaren Nachfrage) nichts zu tun hat, sondern von einer beständigen Erweiterung des Weltmarktes abhängt. (…) Er übersieht, dass die Ware in Geld verwandelt werden muss. Die demand der Arbeiter genügt nicht, da der Profit ja grade dadurch herkommt, dass die demand der Arbeiter kleiner als der Wert ihres Produkts, und um so größer ist, je relativ kleiner diese demand. Die demand der capitalists untereinander genügt ebensowenig“ [2] (…) „Wird endlich gesagt, daß die Kapitalisten ja selbst nur unter sich ihre Waren auszutauschen und aufzuessen haben, so wird der ganze Charakter der kapitalistischen Produktion vergessen und vergessen, daß es sich um die Verwertung des Kapitals handelt, nicht um seinen Verzehr.“[3] Mit anderen Worten, die Krise der allgemeinen Überproduktion, die 1929 ausbrach, ist nicht mit einer Art Dysfunktion verbunden, die die Bourgeoisie regulieren oder überwinden kann. Nein, sie ist die Folge eines fundamentalen und unüberwindlichen Widerspruchs, der im Wesen des Kapitalismus selbst verwurzelt ist.

Die nationalen Bourgeoisien haben aus der katastrophalen Krise von 1929 gelernt: die Notwendigkeit, den Staatskapitalismus zu entwickeln und internationale Organisationen zu gründen, die die Krise begleiten, um den Fehler der protektionistischen Politik nicht zu wiederholen.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs wollte die Bourgeoisie die Lehren von 1929 in die Praxis umsetzen. Der Nachkriegsboom erzeugte die Illusion, dass der Kapitalismus seinen Wohlstand zurückgewinnt und löschte vorübergehend den Alptraum der Großen Depression der 1930er Jahre und die Schrecken des Krieges aus. Aber unvermeidlich bleiben die Widersprüche, die dem Wesen des Kapitalismus selbst innewohnen, ebenso wie seine historische Krise weiter bestehen. Dies zeigt sich in der Rückkehr der offenen Krise 1967-1968. Seitdem ist die Bourgeoisie, von Konjunkturpaketen bis hin zu tieferen Rezessionen, in einer Flucht nach vorn in die grenzenlose Verschuldung gefangen und versucht, die Auswirkungen des historischen Bankrotts ihres Systems ständig aufzuschieben. Die weltweite Verschuldung wird immer massiver – in absoluten Zahlen, aber auch im Vergleich zur Entwicklung des Welt-BIP. Parallel zu dieser rasanten Entwicklung haben die zentralen Länder die Organisation der Weltwirtschaft verändert:

  1. In den 1970er Jahren ermöglichten die Erhöhung der öffentlichen Ausgaben, das Ende der Bretton-Woods-Abkommen und die Politik der Sonderziehungsrechte, die Öffnung der Kredite für schwächere Länder, die Aufrechterhaltung eines Wachstumsniveaus, das die Illusion erweckte, dass der Kapitalismus trotz der "Ölkrise" seine Dynamik fortsetze. 
  2. In den 1980er Jahren wurden nach der schweren Rezession zu Beginn des Jahrzehnts ganze Produktionsbereiche in Gebiete verlagert, in denen die Arbeitskräfte billiger waren, wie in China. Dies erforderte kolossale Investitionen, die durch eine umfassende finanzielle "Liberalisierung" im globalen Maßstab ermöglicht wurden. Dies ist der Beginn der "Globalisierung".
  3. In den 1990er Jahren, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, wurden die internationalen Organisationen gestärkt, was zu einer Struktur der "internationalen Zusammenarbeit" auf Währungs- und Finanzebene, zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik mit dem Aufbau internationaler Produktionsketten, zur Stimulierung des Welthandels durch den Abbau von Zollschranken usw. führte. Dieser Rahmen wird natürlich von und für die stärksten Länder geschaffen: Sie können neue Märkte erobern, ihre Produktion verlagern, profitablere Unternehmen aus schwächeren Ländern übernehmen, usw. – Diese "internationale Zusammenarbeit" mag zwar bis zu einem gewissen Grad und für eine gewisse Zeit in der Lage gewesen sein, die Auswirkungen des "Jeder für sich" auf wirtschaftlicher Ebene auf die Staaten zu verlangsamen und abzuschwächen, aber sie war nicht in der Lage, die dem Eintritt in die Zerfallsphase des Kapitalismus innewohnende Grundtendenz aufzuhalten.
  4. Der systematische Rückgriff aller Staaten auf eine massive Verschuldung als Reaktion auf den Mangel an Möglichkeiten war ebenfalls eine riskante Politik und führte zur Finanzkrise von 2008, die eine noch höhere Verschuldung zur Folge hatte. Die "weltweite Organisation der Produktion" begann im Jahrzehnt nach 2010 ins Wanken zu geraten: Nachdem China stark von den globalen Handelsmechanismen (WTO) profitiert hatte, begann es, einen parallelen wirtschaftlichen, kommerziellen und imperialistischen "Kreislauf" (die neue Seidenstraße) zu entwickeln. Im Juli 2017 verabschiedete Deutschland ein Dekret, mit dem der Verkauf strategischer inländischer Unternehmen an ausländische Investoren blockiert werden kann. Mit der Machtübernahme von Trump wurde der Handelskrieg noch intensiver. Diese Phänomene zeigen zweifellos, dass der Kapitalismus zunehmend auf große Schwierigkeiten stößt, wenn es darum geht, die Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise zurückzudrängen, wie es bei der Globalisierung der Fall war.

Heute hat die Bourgeoisie immense Erfahrungen angehäuft, um die Auswirkungen ihrer historischen Krise zu verlangsamen, um deren Qualen noch weiter zu verlängern. Wir müssen daher mit unseren Prognosen äußerst vorsichtig sein und uns vor jeder katastrophistischen Sichtweise hüten. In der gegenwärtigen Verschärfung der Weltwirtschaftskrise sind es vor allem die großen historischen Grundtendenzen, die wir hervorheben müssen.

Ab 1929 lernte die Bourgeoisie, ihre verfallende Wirtschaft am Leben zu erhalten, insbesondere durch "internationale Zusammenarbeit". Selbst 2008 haben die berühmten G20 diese Fähigkeit der großen Bourgeoisien gezeigt, einen gewissen Zusammenhalt aufrechtzuerhalten, um die Krise mit dem geringstmöglichen Schaden zu bewältigen. Das Jahr 2020 ist ein Zeichen dafür, dass es immer schwieriger wird, diese Organisierung der Welt aufrechtzuerhalten, wobei die Irrationalität, die mit dem Zerfall verbunden ist, selbst auf den höchsten Staatsgipfeln auffällt. Der Ansatz "Jeder für sich selbst", der bei der katastrophalen Bewältigung der Pandemie zu Tage trat, ist deren spektakulärster Ausdruck. Diese Zentrifugalkraft hat zwei Wurzeln:

  1. Die unerbittliche Zuspitzung der Weltwirtschaftskrise verschärft den Kampf auf Leben und Tod zwischen allen rivalisierenden Nationen. Es sei darauf hingewiesen, dass im Gegensatz zu 2008 die zentralen Länder (Deutschland, China und vor allem die Vereinigten Staaten) am stärksten betroffen sind und dass, während der Bankrott der Banken damals hauptsächlich durch Immobilienspekulation verursacht wurde, heute die direkt produzierenden Unternehmen in Gefahr sind.
  2. Der Zerfall, von dem vor allem die Nationalstaaten in ihren imperialistischen Beziehungen betroffen waren, beginnt auch ihre Fähigkeit zur Verwaltung der Wirtschaft zu beeinträchtigen. Dies setzt die von der Resolution zur internationalen Lage unseres letzten internationalen Kongresses gezeichnete Perspektive fort und verschärft sie: „Die aktuelle Entwicklung der Krise durch die zunehmenden Störungen, die sie in der Organisation der Produktion zu einer riesigen multilateralen Konstruktion auf internationaler Ebene erleidet, die durch gemeinsame Regeln vereinheitlicht sein sollten, zeigt die Grenzen der „Globalisierung“. Das ständig wachsende Bedürfnis nach Einheit (was nie etwas anderes bedeutet hat als die Auferlegung des Gesetzes des Stärkeren auf die Schwächsten) einer aufgrund der „transnationalen“ Verflechtung stark nach Ländern segmentierten Produktion (in Einheiten, die grundsätzlich durch Wettbewerb getrennt sind und in denen jedes Produkt an einem Ort entworfen und mit Hilfe von Elementen, die anderswo hergestellt werden, an einem dritten Ort zusammengebaut wird) stößt sich am nationalen Wesen jedes Kapitals, an die Grenzen des Kapitalismus, der unwiderruflich in sich gegenseitig konkurrierende Nationen aufgeteilt ist. Dies ist der maximale Grad der Einheit, den die bürgerliche Welt nicht aufheben kann. Die sich vertiefende Krise (sowie die Forderungen der imperialistischen Rivalität) stellen multilaterale Institutionen und Mechanismen auf eine harte Probe.“ (Punkt 20 der Resolution[4]).

Was wir sehen, ist, dass sich als Reaktion auf die Pandemie das Tempo bei den Maßnahmen für die "nationale Zurückverlagerung" der Produktion, die Erhaltung der Schlüsselsektoren in jedem nationalen Kapital, die Entwicklung von Barrieren für den internationalen Waren- und Personenverkehr, usw. beschleunigt hat, was nur sehr schwerwiegende Folgen für die Entwicklung der Weltwirtschaft und die allgemeine Fähigkeit der Bourgeoisie, auf die Krise zu reagieren, haben kann. Der nationale Rückzug kann die Krise nur verschärfen und zu einer Zersplitterung der Produktionsketten führen, die zuvor eine globale Dimension hatten, was wiederum nur die Saat des Chaos in der Geld-, Finanz- und Handelspolitik säen kann ... Das kann bis zur Blockade und sogar zum teilweisen Zusammenbruch einiger Volkswirtschaften gehen. Es ist noch zu früh, um die Folgen dieser relativen Lähmung des Wirtschaftssystems zu ermessen. Am schwerwiegendsten und bedeutsamsten ist jedoch, dass sich diese Lähmung auf internationaler Ebene vollzieht.

Die gegenwärtige Beschleunigung der Weltwirtschaftskrise ist Teil der allgemeinen Entwicklung der Dekadenz des Kapitalismus. Abgesehen von den sichtbaren Phänomenen, die mit der gegenwärtigen "offenen Krise" verbunden sind, ist es für uns wichtig, die Verstärkung der tiefen Widersprüche des Kapitalismus und damit die Verschärfung seiner historischen Krise besser zu verstehen.

Bericht über die Wirtschaftskrise

Vorwort

Bezüglich der Wirtschaftskrise können wir die folgenden zwei Perspektiven klar unterstreichen:

  1. Die Krise, die sich bereits jetzt abzeichnet, wird in ihrem historischen Ausmaß die schwerste seit dem Eintritt des Kapitalismus in die Dekadenz sein und in dieser Hinsicht diejenige übertreffen, die 1929 begann.
  2. Neu in der Geschichte des Kapitalismus ist, dass die Auswirkungen des Zerfalls einen sehr großen Einfluss auf die Wirtschaft und die Entwicklung der neuen offenen Phase der Krise haben werden.

Doch über die Gültigkeit dieser allgemeinen Vorhersagen hinaus, wird die beispiellose Situation, die sich eröffnet hat, mehr denn je von großer Unsicherheit geprägt sein. Genauer gesagt, in der gegenwärtigen Phase der historischen Krise der Überproduktion bringt das Eindringen des Zerfalls auf das wirtschaftliche Terrain die Mechanismen des Staatskapitalismus, die die Auswirkungen der Krise begleiten und begrenzen sollen, zutiefst durcheinander. Dennoch es wäre falsch und gefährlich, den Schluss daraus zu ziehen, dass die Bourgeoisie ihre politischen Fähigkeiten nicht voll ausschöpfen wird, um im besten Interesse ihrer eigenen Interessen auf die sich abzeichnende globale Wirtschaftskrise zu reagieren. Die Verschärfung des Gewichts des Zerfalls bedeutet darüber hinaus einen Faktor der Instabilität und Fragilität des wirtschaftlichen Funktionierens, der es besonders schwierig macht, die Entwicklung der Situation zu analysieren.

In der Vergangenheit haben wir unsere Augen zu oft nur auf die Aspekte der Situation gerichtet, welche die wirtschaftliche Krise des Kapitals zu ihrer unaufhaltsamen Verschärfung trieben, aber nicht alle Faktoren die ihre Entwicklung behinderten ausreichend berücksichtigt. Nun geht es darum, der marxistischen Analysemethode treu zu bleiben, die darin besteht, die historisch schwerwiegenden Tendenzen der sich eröffnenden Perspektiven, aber auch die Gegentendenzen zu identifizieren, auf die die Bourgeoisie bald reagieren wird. Wir müssen daher so klar wie möglich die Grundzüge der künftigen Entwicklung aufzeigen, ohne in riskante und unsichere Prognosen zu verfallen. Wir müssen uns für die Situation wappnen und sicherstellen, dass wir unsere Fähigkeit zur schnellen Reflexion und Reaktion auf Ereignisse von großer Bedeutung, die sich zwangsläufig weiterentwickeln werden, verbessern und umsetzen. Unsere Methode muss von folgendem Ansatz inspiriert sein: "Der Marxismus kann nur die allgemeinen historischen Linien und Tendenzen mit Sicherheit nachzeichnen. Die Aufgabe der revolutionären Organisationen muss vor allem die sein, Perspektiven für ihr Eingreifen in die Klasse aufzuzeigen. Aber diese Perspektiven dürfen keine "Vorhersagen" sein, die auf deterministischen mathematischen Modellen basieren (und noch weniger, indem man die Vorhersagen der "Experten" der Bourgeoisie für bare Münze nimmt, sei es im Sinne eines falschen "Optimismus" oder eines ebenso mystifizierenden "Alarmismus")." (Zitat aus einem internen Diskussionsbeitrag)

Die Tiefe der Krise

Die Krise von 2008 war ein wichtiger Moment für den Kapitalismus. Die Erholung (2013-2018) war sehr schwach, die schwächste seit 1967. Sie wurde von der Bourgeoisie als "sanfte" Erholung beschrieben. Für das Jahrzehnt vor der Covid-19-Krise (2010-2020), schätzte die Website Cycle Business Bourse auf anscheinend realistische Weise das weltweite Wachstum auf etwas weniger als 3% im Jahresdurchschnitt ein. Die Wirtschaftskrise, die mit der Pandemie zutage trat, hat insbesondere ab 2018 bereits erste deutliche Ausdrucksformen gefunden. Wir hatten dies im Bericht und in der Resolution über die internationale Lage des 23. Kongresses der IKS (2019) hervorgehoben: "Auf wirtschaftlicher Ebene ist die Situation des Kapitalismus seit Anfang 2018 durch eine starke Verlangsamung des weltweiten Wachstums gekennzeichnet (von 4% im Jahr 2017 auf 3,3% im Jahr 2019), aufgrund derer die Bourgeoisie eine weitere Verschlechterung in den Jahren 2019-20 erwartet. Diese Verlangsamung erwies sich 2018 als stärker wie erwartet, und der IWF musste seine Prognosen für die nächsten zwei Jahre zurückschrauben, und sie betrifft praktisch alle Teile des Kapitalismus gleichzeitig: China, die Vereinigten Staaten und die Eurozone. Im Jahr 2019 haben sich 70% der Weltwirtschaft verlangsamt, insbesondere in den „fortgeschrittenen“ Ländern (Deutschland, Vereinigtes Königreich). Einige der Schwellenländer befinden sich bereits in der Rezession (Brasilien, Argentinien, Türkei), während China, das sich seit 2017 verlangsamt und 2019 voraussichtlich noch um 6,2% wachsen wird, die niedrigsten Wachstumsraten seit 30 Jahren verzeichnet." (Punkt 16 der Resolution[5])

Vor diesem Hintergrund des sich verlangsamenden Wachstums ist die Pandemie zu einem starken Beschleuniger der Wirtschaftskrise geworden, der drei Faktoren in den Vordergrund rückt:

  • Den Grad der Zerbrechlichkeit der öffentlichen Gesundheitssysteme, eines der Schlüsselelemente des Staatskapitalismus seit 1945. Dieser Prozess der Schwächung des Gesundheitssystems steht im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise im Allgemeinen und hat sich mit den Ereignissen von 2008 erheblich beschleunigt. In den meisten Staaten waren die Gesundheitssysteme nicht in der Lage, die Pandemie zu bewältigen, was Eindämmungsmaßnahmen erzwang, die zu einer plötzlichen wirtschaftlichen Abschaltung führten, wie es sie in Friedenszeiten noch nie gegeben hat. Für den Kapitalismus, der immer bereit war, das Leben von Millionen von Menschen in imperialistischen Kriegen zu opfern, bestand das Dilemma nicht darin, Leben zu retten oder lediglich die Produktion aufrechtzuerhalten. Angesichts der Entwicklung der Pandemie ging es im Wesentlichen darum, wie man die Produktion, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und den imperialistischen Rang gleichzeitig aufrechterhalten kann, während der Anstieg der Pandemie die Produktion und die kommerzielle und imperialistische Position jeder Macht ernsthaft beeinträchtigt.
  • Den zunehmenden Grad der Entmachtung und Verantwortungslosigkeit einer Mehrheit der bürgerlichen Fraktionen in allen Ländern, besonders in den zentralen Ländern, als Folge des Phänomens der Zersetzung der Gesellschaft.
  • Die brutale Verschärfung des „Jeder-für-sich“ selbst auf wirtschaftlicher Ebene, ein Faktor der mit der Zersetzung verbunden ist, mit sehr wichtigen Folgen für den wirtschaftlichen Bereich.

Wichtigster Ausdruck der Schwere der Krise ist, dass (anders als 2008) die zentralen Länder (Deutschland, China und vor allem die Vereinigten Staaten) am stärksten betroffen sind. Auch wenn sie alle Mittel haben, die Krise abzufedern, wird die Schockwelle die Weltwirtschaft stark destabilisieren.

Der starke Rückgang der Ölpreise traf die Vereinigten Staaten hart: Vor Ausbruch der Pandemiekrise gab es einen "Ölpreiskrieg". Infolgedessen wurden die Ölpreise vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte negativ. Selbst die optimistischsten Energieanalysten sagen den Bankrott von nahezu hundert Ölfirmen in den Vereinigten Staaten voraus. Einige von ihnen haben Schulden in Milliardenhöhe angehäuft, ein Großteil davon mit hohem Risiko: "Der erste Gefahrenherd bei der Verschuldung von Unternehmen ist der Energiebereich", sagt Capital Economics, obwohl Macadam dies nicht für ein systemisches Risiko hält. Aber eine Kette von Zahlungsausfällen im Ölsektor würde das Risiko einer Finanzkrise erhöhen. Und wenn einer der am höchsten verschuldeten Ölgiganten der Welt – Shell zum Beispiel hat mit 77 Milliarden US-Dollar eine der höchsten Schulden der Welt – in Schwierigkeiten geraten würde, wären die Auswirkungen verheerend." [6]

Diese negativen Preise sind ein perfektes Beispiel für den Grad der Irrationalität des Kapitals. Überproduktion von Öl und ungezügelte Spekulation in diesem Sektor bedeuten, dass die Ölbesitzer dafür bezahlen, überschüssiges Öl loszuwerden, das nicht gelagert werden kann, weil es keinen Platz dafür gibt.

Während 2008 die Bankenzusammenbrüche vor allem durch Immobilienspekulation vorangetrieben wurden, sind es heute die direkt produktiven Unternehmen, die den Bankensektor gefährden: "Die vier größten US-Unternehmen, JP Morgan, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo, haben laut Statista allein im Jahr 2019 jeweils mehr als 10 Milliarden Dollar in den Ölfracking-Sektor investiert. Und nun sind diese Ölfirmen ernsthaft gefährdet, zahlungsunfähig zu werden, so dass die Banken mit Papierkram in ihren Bilanzen zurückbleiben (...) Laut Moody's wurden 91% der US-Unternehmenskonkurse im letzten Quartal des vergangenen Jahres im Öl- und Gassektor verzeichnet. Die von Energy Economics and Financial Analysis zur Verfügung gestellten Daten weisen darauf hin, dass Unternehmen, die Fracking [besonders „ehrgeizige“ Öl- und Gasgewinnung durch Einpumpen von Material in erdölhaltige Gesteinsschichten] betreiben, im vergangenen Jahr nicht in der Lage waren, Schulden in Höhe von 26 Milliarden Dollar zu bezahlen."[7] Mit der Pandemie verschlimmert sich die Situation ernsthaft: "Rystad Energy Consulting schätzt, dass selbst bei einer Rückgewinnung der 20 Dollar pro Barrel bis 2021 533 US-amerikanische Ölfirmen zahlungsunfähig werden könnten. Aber wenn die Preise bei 10 Dollar bleiben, könnte es über 1.100 Konkurse geben, mit praktisch allen Unternehmen." [8]

Die Krise der "multilateralen" Phase des Staatskapitalismus

Der Kapitalismus – in der Form des Staatskapitalismus – unternimmt enorme Anstrengungen, um die lebenswichtigen Zentren des Systems zu schützen und einen brutalen Absturz zu verhindern, wie es im Bericht zur Wirtschaftskrise des 23. Internationalen Kongresses der IKS heißt: "Indem er sich auf die Hebel des Staatskapitalismus verlässt und die Lehren aus 1929 zieht, ist der Kapitalismus in der Lage, seine lebenswichtigen Zentren (insbesondere die Vereinigten Staaten und Deutschland) zu erhalten, die Krise zu begleiten und ihre Auswirkungen abzuschwächen, indem er sie in die schwächsten Länder zurückdrängt, ihr Tempo verlangsamt und sie zeitlich hinauszieht."

Der Staatskapitalismus hat verschiedene Phasen durchlaufen, mit denen wir begonnen haben, uns zu befassen, insbesondere bei einem Studientag im Jahr 2019. Seit 1945 haben die Bedürfnisse der imperialistischen Blöcke eine gewisse Koordinierung der staatlichen Verwaltung der Wirtschaft auf internationaler Ebene, insbesondere im amerikanischen Block, mit der Schaffung internationaler "Kooperations"-Gremien (OECD, IWF, Beginn der EU) und der Handelsorganisation (GATT) erzwungen.

In den 1980er Jahren versuchte das Kapital der zentralen Länder, überwältigt vom Anstieg der Krise und unter einem starken Rückgang der Profite leidend, ganze Produktionsbereiche in Länder zu verlagern, in denen die Arbeitskraft viel billiger war, wie zum Beispiel China. Zu diesem Zweck bedurfte es einer sehr weitreichenden finanziellen "Liberalisierung" auf globaler Ebene, um Kapital für die notwendigen Investitionen zu mobilisieren. In den 1990er Jahren, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, wurden die internationalen Gremien gestärkt, was zu einer Struktur der "internationalen Zusammenarbeit" bei der währungs-, finanz- und wirtschaftspolitischen Koordinierung, dem Aufbau internationaler Produktionsketten, der Stimulierung des Welthandels und der Beseitigung von Zollschranken usw. führte. Dieser Rahmen sollte den stärksten Ländern zugute kommen: Sie konnten neue Märkte erobern, ihre Produktion verlagern und einige der profitabelsten Unternehmen aus den schwächeren Ländern übernehmen. Letztere waren gezwungen, ihre eigene staatliche Politik zu ändern. Die Verteidigung des nationalen Interesses betraf fortan nicht mehr den Zollschutz von Schlüsselindustrien, sondern vielmehr die Entwicklung der Infrastruktur, die Ausbildung der Arbeitskräfte, die internationale Expansion von Schlüsselunternehmen, die Einnahme internationaler Investitionen usw. Letztere waren gezwungen, ihre eigene staatliche Politik zu ändern.

Zwischen 1990 und 2008 gab es "eine umfassende Reorganisation der kapitalistischen Produktion auf globaler Ebene (...) Nach dem Beispiel der EU bei der Beseitigung von Zollschranken zwischen den Mitgliedstaaten wurde die Integration vieler Zweige der Weltproduktion durch die Entwicklung echter Produktionsketten auf globaler Ebene verstärkt. Durch die Kombination von Logistik, Informationstechnologie und Telekommunikation, werden Größenvorteile erzielt; durch die verstärkte Nutzung der Arbeitskraft des Proletariats (durch erhöhte Produktivität, internationalen Wettbewerb, Freizügigkeit der Arbeitskräfte, um niedrigere Löhne durchzusetzen), die Unterordnung der Produktion unter die finanzielle Logik der maximalen Rentabilität hat der Welthandel, wenn auch in geringerem Maße, weiter zugenommen, die Weltwirtschaft stimuliert und einen „zweiten Atemstoß“ erzeugt, der die Existenz des kapitalistischen Systems verlängert hat." (Punkt 18 der bereits zitierten Resolution des 23. Internationalen Kongresses)

Diese "internationale Zusammenarbeit" war eine sehr riskante und kühne Politik, um die Krise zu mildern und einige der Auswirkungen des Zerfalls auf die Wirtschaft abzuschwächen. Dies, indem versucht wurde, die Auswirkungen des kapitalistischen Widerspruchs zwischen dem sozialen und globalen Charakter der Produktion und dem privaten Charakter der Aneignung von Mehrwert durch konkurrierende kapitalistische Nationen zu begrenzen. Eine solche Entwicklung des dekadenten Kapitalismus wird in unserer Broschüre über die Dekadenz erklärt, in der sie die Vision kritisiert, Dekadenz sei gleichbedeutend mit einer definitiven und dauerhaften Blockade der Entwicklung der Produktivkräfte: "Falls wir die Hypothese eines endgültigen und ständigen Stillstands dieser Entwicklung verteidigten, könnte nur eine "absolute" Verschärfung der Beschränkungen, den die Produktionsverhältnisse darstellen, die Tendenz zur eindeutigen Zuspitzung dieses Widerspruchs erklären. Man kann jedoch feststellen, dass die Bewegung, die sich im Allgemeinen während der verschiedenen Dekadenzzeiträume der Geschichte (der Kapitalismus eingeschlossen) entwickelt, eher zu einer Ausdehnung der Grenzen bis zu deren ‘Äußerten’ neigt als zu einem Schrumpfen derselben. Unter dem Schutz des Staates und unter dem Druck der wirtschaftlichen und sozialen Notwendigkeiten dehnt sich das Gehäuse aus, indem es alles von sich stößt, was sich für die Produktionsverhältnisse als überflüssig erweisen kann und für das Überleben des Systems nicht unbedingt notwendig ist." Dies gilt umso mehr für den Kapitalismus, die bisher elastischste und dynamischste Produktionsweise in der Geschichte.

Wie aus dem Bericht über die Wirtschaftskrise und der Resolution über die internationale Lage des 23. Kongresses hervorgeht, begann diese "weltweite Organisation der Produktion" im Jahrzehnt 2010 ins Wanken zu geraten: Nachdem China in hohem Maße von den Welthandelsmechanismen (der WTO) profitiert hatte, begann es, einen parallelen Wirtschafts-, Handels- und imperialistischen Mechanismus (die neue Seidenstraße) zu entwickeln. Der Handelskrieg beschleunigte sich mit der Machtübernahme von Trump ... Diese Phänomene bringen zweifellos zum Ausdruck, dass der Kapitalismus bei seiner Tendenz, diese berühmten Grenzen, die in unserer Broschüre über die Dekadenz zitiert werden, zu erweitern, zunehmend auf große Schwierigkeiten stößt.

"Seit den 1960er Jahren befindet sich dieser Indikator [der das Gewicht der Exporte und Importe in den einzelnen Volkswirtschaften misst] in einem Aufwärtstrend, der sich in den letzten 18 Monaten verlangsamt hat. In diesem Zeitraum hat er sich, ausgehend von etwa 23 Prozent, bei etwa 60 Prozent stabilisiert und ist seit 2010 stetig zurückgegangen."[9]

Die brutalen Auswirkungen des Zerfalls auf die Wirtschaft

Drei Faktoren, die den Ursprung der Pandemiekrise bilden, beschreiben die Auswirkungen des Zerfalls auf die Ökonomie: die Tendenz des „Jeder-für-sich“, Fahrlässigkeit und Verantwortungslosigkeit. Zwei von ihnen haben ihren direkten Ursprung im Zerfall des Kapitalismus: das „Jeder-für-sich“ und die Verantwortungslosigkeit. Dies sind sehr sensible Faktoren, die die Bourgeoisie – zumindest in den zentralen Ländern – so weit wie möglich unter Kontrolle zu bringen vermochte, wenn auch mit zunehmenden Schwierigkeiten. Im gegenwärtigen Stadium der Entwicklung der inneren Widersprüche des Kapitalismus und angesichts der Art und Weise, wie sie sich in der Entwicklung der Krise manifestieren, wird die Explosion der Auswirkungen des Zerfalls nun zu einem Faktor der Verschärfung der Weltwirtschaftskrise, von der wir nur die allerersten Konsequenzen gesehen haben. Dies wird auf der Weiterentwicklung der Krise lasten, da es ein Hindernis für die effektive Wirksamkeit der gegenwärtigen Politik des Staatskapitalismus darstellt. "Im Vergleich zu den Reaktionen auf die Krisen von 1975, 1992, 1998 und 2008 sehen wir als Perspektive eine erhebliche Verringerung der Fähigkeit der Bourgeoisie, die Auswirkungen des Zerfalls auf das wirtschaftliche Terrain zu begrenzen. Bisher war es der Bourgeoisie gelungen, durch eine "internationale Zusammenarbeit" bei den Mechanismen des Staatskapitalismus – was als "Globalisierung" bezeichnet wurde – das lebenswichtige Terrain der Wirtschaft und des Welthandels vor den hochgefährlichen zentrifugalen Effekten des Zerfalls zu bewahren. Bei den schlimmsten wirtschaftlichen Erschütterungen der Jahre 2007-2008 und 2009-2011, mit der "Staatsschulden"-Krise, war die Bourgeoisie in der Lage, ihre Reaktionen zu koordinieren, was dazu beigetrug, den Schlag der Krise ein wenig abzumildern und eine anämische "Erholung" in der Phase 2013-2018 zu garantieren." (aus einem internen Beitrag in der IKS zur Wirtschaftskrise)

Mit der Pandemie haben wir gesehen, wie die Bourgeoisie versucht, die Bevölkerung hinter dem Staat zu vereinen, indem sie die nationale Einheit wiederbelebt. Im Gegensatz zu 2008, als die nationalistische Tonlage nicht so stark war, haben jetzt die Bourgeoisien auf der ganzen Welt ihre Grenzen geschlossen und die Botschaft verbreitet: "Hinter nationalen Grenzen findet man Schutz, Grenzen helfen, das Virus zurückzuhalten." Auf diese Weise versuchen die verschiedenen Staaten, die Bevölkerung hinter sich zu scharen; sie sprechen überall in martialischen Begriffen und Botschaften: "Wir sind im Krieg, und Krieg braucht nationale Einheit", "der Staat wird euch helfen", "wir werden euch aus der Patsche helfen", "indem wir die Grenze schließen, werden wir das Virus fernhalten".  Durch die Auferlegung von Notfallplänen und durch die Organisation von Schließungen wollen die Staaten die Botschaft vermitteln: "Ein starker Staat ist dein bester Verbündeter."

Die WHO war genau in dem Moment völlig untätig, als ihr Handeln für die Entwicklung wirksamer medizinischer Maßnahmen entscheidend war. Jeder Staat, der einen Verlust der Wettbewerbsposition befürchtet, hat angesichts der Pandemie selbstmörderisch Maßnahmen verzögert. Bei der Beschaffung medizinischer Geräte kam es zu einem erschütternden Schauspiel aller Arten von Diebstählen, zu miesen Geschäften zwischen den Staaten (und sogar innerhalb der einzelnen Staaten). In der EU, wo die "zwischenstaatliche Zusammenarbeit" bisher so weit wie möglich gegangen war, gab es eine ungebremste Welle von Protektionismus und wirtschaftlichem „Jeder-für-sich“. Die EU hat nicht nur keine rechtliche Möglichkeit, ihre Vorgaben im Gesundheitssektor durchzusetzen, sondern vor allem hat jedes Land Maßnahmen ergriffen, um seine Grenzen und seine Versorgungsketten zu verteidigen. Wir waren, wenn auch nicht zum ersten Mal, Zeug*innen einer regelrechten Warenblockade, der Beschlagnahmung von Gesundheitsausrüstung und eines Verbots, diese in andere europäische Länder zu liefern.

All dies ist eine noch gravierendere Veranschaulichung der Perspektive, die in der Resolution über die internationale Lage des letzten Internationalen Kongresses dargelegt wurde: „Die aktuelle Entwicklung der Krise durch die zunehmenden Störungen, die sie in der Organisation der Produktion zu einer riesigen multilateralen Konstruktion auf internationaler Ebene erleidet, die durch gemeinsame Regeln vereinheitlicht sein sollten, zeigt die Grenzen der „Globalisierung“. Das ständig wachsende Bedürfnis nach Einheit (was nie etwas anderes bedeutet hat als die Auferlegung des Gesetzes des Stärkeren auf die Schwächsten) einer aufgrund der „transnationalen“ Verflechtung stark nach Ländern segmentierten Produktion (in Einheiten, die grundsätzlich durch Wettbewerb getrennt sind und in denen jedes Produkt an einem Ort entworfen und mit Hilfe von Elementen, die anderswo hergestellt werden, an einem dritten Ort zusammengebaut wird) stößt sich am nationalen Wesen jedes Kapitals, an die Grenzen des Kapitalismus, der unwiderruflich in sich gegenseitig konkurrierende Nationen aufgeteilt ist. Dies ist der maximale Grad der Einheit, den die bürgerliche Welt nicht aufheben kann. Die sich vertiefende Krise (sowie die Forderungen der imperialistischen Rivalität) stellen multilaterale Institutionen und Mechanismen auf eine harte Probe.“ (Punkt 20) Wir sehen, dass als Antwort auf die Pandemie die Maßnahmen der "nationalen Produktionsrückverlagerung", des Erhalts von Schlüsselsektoren in jedem nationalen Kapital, der Entwicklung von Barrieren für den internationalen Waren- und Personenverkehr usw. sehr deutlich zurückgedrängt sind, was nur schwerwiegende Auswirkungen auf die Entwicklung der Weltwirtschaft und auf die allgemeine Fähigkeit der Bourgeoisie, auf die Krise zu reagieren, haben kann. Der nationale Rückzug kann die Krise nur verschlimmern und zu einer Zersplitterung der Produktionsketten führen, die zuvor eine globale Dimension hatten, was nur die Saat des Chaos in der Währungs-, Finanz- und Handelspolitik säen kann ... Dies kann zur Blockade und sogar zum teilweisen Zusammenbruch einiger Volkswirtschaften führen. Es ist noch zu früh, um die Folgen dieser relativen Lähmung des Wirtschaftsapparates zu messen. Am schwerwiegendsten und bedeutsamsten ist jedoch, dass sich diese Lähmung auf internationaler Ebene vollzieht.

Die weit verbreitete Reaktion des Staates auf die Pandemie verdeutlicht die Stichhaltigkeit der Analyse im Bericht zur Wirtschaftskrise des 23. Kongresses: "Einer der größten Widersprüche des Kapitalismus ist der, der sich aus dem Konflikt zwischen der zunehmend globalen Natur der Produktion und der notwendigerweise nationalen Struktur des Kapitals ergibt. Indem er die Möglichkeiten der "Zusammenschlüsse" der Nationen auf wirtschaftlicher, finanzieller und produktiver Ebene bis an die Grenzen ausreizt, hat der Kapitalismus in seinem Kampf gegen die Krise, die ein Wundbrand ist, einen bedeutenden "frischen Wind" bekommen, aber gleichzeitig hat er sich selbst in eine riskante Situation gebracht. Dieser überstürzte Vorstoß in den Multilateralismus entwickelt sich in einem Rahmen des Zerfalls, d.h. in einer Situation, in der Disziplinlosigkeit, zentrifugale Tendenzen, Verankerung in der nationalen Struktur immer stärker werden und nicht nur Fraktionen jeder nationalen Bourgeoisie betreffen, sondern auch große Teile der Kleinbourgeoisie und sogar Randgruppen von Proletariern, die fälschlicherweise glauben, dass ihr Interesse der Nation gilt. All dies kristallisiert sich zu einer Art "nihilistischem nationalistischem Aufstand" gegen die "Globalisierung".“

Wie wird die Bourgeoisie reagieren?

Wir werden die von der Bourgeoisie eingeleitete Reaktion untersuchen, die sich in 3 Teile gliedert: 1. die Fortsetzung der enormen Verschuldung, 2. der nationale Rückzug, 3. der brutale Angriff auf die Lebensbedingungen der Arbeiter.

Die weltweite Verschuldung belief sich im Jahr 2020 auf 255 Billionen Dollar oder 322% des Welt-BIP, während sie vor der Krise von 2008 bei 60 Billionen Dollar lag. Seitdem hat sich das Welt-BIP nur relativ "sanft" entwickelt. Hier haben wir ein Bild der Entwicklung der privaten und öffentlichen Verschuldung in den letzten dreizehn Jahren, die es ermöglicht hat, das, was die Bourgeoisie als "sanftes" Wachstum bezeichnet hat, aufrechtzuerhalten. Angesichts der gewaltigen Beschleunigung der Wirtschaftskrise, die durch die Pandemie ausgelöst wurde, hat die Bourgeoisie überall auf der Welt mit der Schöpfung von zusätzlichem Geld durch die Zentralbanken aller Industrie- und Schwellenländer reagiert. Im Gegensatz zur Krise von 2008 gab es keine Koordination zwischen den großen Zentralbanken der Welt. Diese massive Schaffung von Zentralbankgeld und die Verschuldung entsprachen der Angst, die die bürgerliche Klasse angesichts des Ausmaßes der Rezession, die sich vor ihr aufzutun schien, überkam. Nimmt man einen Durchschnitt der von der Bourgeoisie Ende Mai genannten Zahlen, so ergeben sich folgende Prognosen für einen Wachstumsrückgang:

  • Innerhalb der Europäischen Union von 6,8% des BIP, für die Mittelmeerländer von 11% bis 12% des BIP;
  • In den Vereinigten Staaten drücken die angegebenen Zahlen die Schwierigkeit oder ideologische Perfidie der Bourgeoisie bei der Bewertung aus, wobei die Zahlen von -6,5% bis -30% reichen! Statistisch gesehen ist dies unerhört. Die FED in Philadelphia legte sogar einen Wert von 35% vor.
  • China kündigt einen Rückgang seines BIP um 3,5% und einen Rückgang seiner industriellen Tätigkeit um 13% an.

Nimmt man die niedrigste Hypothese der Bourgeoisie und das Ausbleiben einer zweiten Welle der Pandemie, so dürfte das weltweite Wachstum im Jahr 2020 einen starken Rückgang von mindestens 3% erfahren, einen viel stärkeren Rückgang als während der Krise 2008-2009.

Hier ist eine Zusammenfassung der unsicheren Aussichten des IWF (die im Durchschnitt der von offiziellen Stellen auf internationaler Ebene erstellten Prognosen liegen):

Länder                                                                                 2019        2020

Entwickelte Länder                                                              2,9           -3

Eurozone                                                                             1,7           -6,1

Deutschland                                                                         0,6           -7

Frankreich                                                                            1,3          -7,2

Italien                                                                                  0,3          -9,1

Spanien                                                                                2             -8

Japan                                                                                   0,7          -5,2

GB                                                                                        1,4          -6,5

China                                                                                    6,1           1,2

Indien                                                                                    4,2           1,9

Brasilien                                                                                1,1          -5,3

Russland                                                                               1,3          -5,5

Weltweiter Durchschnitt                                                        2,4          -4,2

Volumen des Welthandels                                                    2019        2020

Importe der fortgeschrittenen Länder                                   1,5           -11,5

Importe der Schwellen- und Entwicklungsländer                  0,8           -8,2

Exporte der Schwellen- und Entwicklungsländer                  0,8           -9,6

Diese Tabellen geben nicht nur einen Überblick über den voraussichtlichen Rezessionsverlauf, sondern auch über die erwartete Schrumpfung des Welthandels.

Eine Synthese der Diskussion innerhalb unserer Organisation nennt die folgenden anschaulichen Zahlen: "Die Situation ist nur deshalb haltbar, weil die Staatsschulden und ihre Rückzahlung von den Zentralbanken übernommen werden; so spritzt die Fed wöchentlich 625 Milliarden Dollar in die US-Wirtschaft, während der 2009 gestartete Paulson-Plan zur Eindämmung von Bankzusammenbrüchen insgesamt 750 Milliarden Dollar betrug (obwohl es stimmt, dass in den folgenden Jahren weitere Pläne zum Rückkauf von Schulden durch die Fed auf den Weg gebracht werden)". "Die auffälligste Reaktion von allen kam aus Deutschland, obwohl sie nur Teil einer umfassenderen europäischen Reaktion auf die Beschleunigung der Wirtschaftskrise ist. Der Grund, warum die von der deutschen Regierung geplanten Maßnahmen von besonderer Bedeutung sind, wird in einem Artikel in der Financial Times vom Montag, dem 23. März, erläutert: "Die von Finanzminister Olaf Scholz vorgeschlagenen Maßnahmen stellen einen entscheidenden Bruch mit dem strikten Festhalten der Regierung an der Politik der 'schwarzen Null' dar, die Haushalte auszugleichen und keine neuen Kredite aufzunehmen."[10] "Seit Februar wurden 14 Billionen Dollar freigegeben, um den Zusammenbruch zu verhindern. All dies in einem völlig anderen Kontext als in der Vergangenheit. Wie kann diese "expansionistische" Politik – die die Unterschiede zwischen Zentralbanken und Staaten, dem Aufschwung, den Rettungsplänen überwunden hat – wirksam sein?"[11] Ein weniger bekanntes Beispiel betrifft China, das eines der am höchsten verschuldeten Länder der Welt ist, obwohl es über bedeutende, nicht zu unterschätzende Vermögenswerte verfügt. Die Gesamtverschuldung Chinas im Jahr 2019 entspricht 300% seines BIP, oder 43 Billionen Dollar. Darüber hinaus werden 30% der Unternehmen in China als "Zombie-Unternehmen" eingestuft. Dies ist der höchste Prozentsatz der Welt. Es ist auch das Land mit der niedrigsten Auslastungsrate der Produktionskapazitäten, obwohl alle entwickelten Länder dieses Phänomen der Produktionsüberkapazitäten erleben. Offiziell lag der Auslastungsgrad der industriellen Kapazitäten der beiden führenden Mächte der Welt – und das war vor Covid-19 – in China bei 76,4% und in den Vereinigten Staaten bei 78,2%. Der in China aufgestellte Konjunkturplan werde sich auf 64 Billionen Dollar belaufen, was pharaonisch und wahrscheinlich weitgehend für ideologische Propaganda gedacht ist. Das Konjunkturpaket ist für einen Zeitraum von fünf bis zwanzig Jahren geplant, und unabhängig davon, wie die Realität aussieht, muss es unbedingt mit Chinas wirtschaftlichen und imperialistischen Hegemoniezielen verknüpft werden. Das Konjunkturpaket der Vereinigten Staaten beläuft sich auf 10 Billionen Dollar. Im Vergleich dazu erscheint das Konjunkturprogramm der EU geradezu lächerlich, wenn man bedenkt, dass es sich nach neuesten Informationen auf 1290 Milliarden US-Dollar in Form von Krediten beläuft, die zum Teil von den Finanzmärkten und zum Teil direkt von der EZB finanziert werden. In Wirklichkeit beläuft sich das Geld, das die EZB der gesamten Wirtschaft, den Privatbanken, der versteckten Finanzierung und den Unternehmen zur Verfügung stellt, auf mehrere Milliarden Euro. Die Staaten, insbesondere Deutschland, garantieren einen Teil dieses Plans durch Subventionen und die Vergemeinschaftung des Ausfallrisikos auf Darlehen, die zwischen 2028 und 2058 zurückzuzahlen sind! In Wirklichkeit ist die Bourgeoisie dabei einzugestehen, dass ein großer Teil der weltweiten Schulden niemals zurückgezahlt werden wird. Damit sind wir wieder bei den Aspekten angelangt, über die wir jetzt sprechen werden.

Wir können in diesem Bericht weder über das volle Ausmaß der laufenden Geldschöpfung berichten, noch können wir alle Konjunkturprogramme im Einzelnen darlegen. Eine weitere Realität zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels: Die USA liegen bei 10 Billionen Dollar. Während all dies jenseits aller Vorstellungskraft zu liegen scheint, bleibt die Tatsache bestehen, dass der Kapitalismus diese astronomische Geldschöpfung nutzt, um zu investieren und seine Waren zu verkaufen. Unter diesem Gesichtspunkt muss die zentrale und private Geldschöpfung exponentiell wachsen (in verschiedenen Formen), um die Akkumulation so weit wie möglich aufrechtzuerhalten und in der gegenwärtigen Situation den Absturz in die Depression zu verlangsamen. Diese Depression birgt die Gefahr einer Deflation, vor allem aber die Gefahr einer Stagflation. Die Abwertung der Währungen, auch über den aktuellen Währungskrieg hinaus, der sie begünstigt, ist Teil der Krise des Kapitalismus. Die Beschleunigung der gegenwärtigen Krise ist ein sehr bedeutender Schritt in diese Richtung. Der springende Punkt ist der folgende: In jedem Land, und in immer größerem Maße, verpfändet das globale Kapital den zukünftigen Wert, der produziert und realisiert werden soll, um das gegenwärtige Wachstum und die weitere Akkumulation zu ermöglichen. Es ist also weitgehend dieser Erwartung zu verdanken, dass es dem Kapitalismus gelingt, zu kapitalisieren und zu investieren. Dieser Prozess konkretisiert die Tatsache, dass die kolossalen Schulden, die ausgegeben werden, immer weniger durch den bereits produzierten und realisierten Mehrwert gedeckt werden. Dies eröffnet die Aussicht auf immer größere Finanz-Crashs und die Vernichtung von Finanzkapital. Logischerweise impliziert dieser Prozess, dass der Binnenmarkt für Kapital nicht unendlich wachsen kann, auch wenn es keine feste Grenze dafür gibt. In diesem Rahmen stellt die Krise der Überproduktion im gegenwärtigen Stadium ihrer Entwicklung ein Problem der Rentabilität und des Profits für den Kapitalismus dar. Die Bourgeoisie schätzt, dass etwa 20% der Produktivkräfte der Welt nicht genutzt werden. Die Überproduktion von Produktionsmitteln ist besonders augenfällig und betrifft Europa, die Vereinigten Staaten, Indien, Japan, usw.

Das ist wichtig, wenn wir feststellen wollen, wie der Staatskapitalismus angesichts der kommenden Krise unbedingt gestärkt werden muss, wie aber die Konjunkturprogramme sehr starke Einschränkungen enthalten und zunehmend perverse Effekte eindämmen, und wie die Tendenz des „Jeder-für-sich“ in diesem Zusammenhang das Produkt des Zerfalls, aber auch der wachsenden wirtschaftlichen Sackgasse ist, eine Tendenz, der sich der Kapitalismus nicht entziehen kann, die aber auch historisch eine tödliche Dynamik darstellt. In diesem Sinne wird es in der kommenden Periode wichtig sein, die Geschichte der offenen Krisen des Kapitalismus zu studieren und zu vergleichen. Insbesondere jene von 1929, 1945, 1975, 1998, 2008.

Der nationale Rückzug

Die Situation, die sich mit der sehr tiefgreifenden Beschleunigung der gegenwärtigen Krise eröffnet, rückt die Rolle der Staaten (und damit ihrer Zentralbank, denn der Mythos von der Unabhängigkeit der Zentralbank ist vorbei) wieder in den Vordergrund. Es wird interessant sein zu zeigen, wie die Wirtschaftspolitik, die Rolle der Staaten und der Keynesianismus in den 1930er und 1945 in der Praxis aussahen. Dies, um den Unterschied zur Art und Weise zu zeigen, wie die Bourgeoisie im Jahr 2008 reagiert hat. Während dieser Periode gibt es Unterschiede von sehr großer Bedeutung, z.B. die Existenz von extrakapitalistischen Märkten und Zonen, aber auch das Ausmaß der Weltwirtschaft und der großen imperialistischen und ökonomischen Mächte, sowie die Frage der Blöcke, usw. In der heutigen Krise bestehen die Sanierungspläne jedoch in Form von Staatsdefiziten und Staatsverschuldung und nicht, wie in den 1930er und 1940er Jahren, als man zum größten Teil den bereits realisierten und gehorteten Mehrwert anzapfte, zu dem ein Teil an Schulden hinzukam, der mit den heutigen nichts mehr gemein hat. Die derzeitigen Sanierungspläne werden sich als zunehmend schwierig zu finanzieren erweisen, da die Höhe der Schulden, die sie erfordern, von dem Wachstum, das sie generieren werden, abweichen wird. Es stellen sich jedoch eine Reihe von Fragen.

Die Lehren aus der Krise von 1929 veranlassten die Bourgeoisie, trotz und gegen ihre eigene "Natur" zu einer stärkeren Zusammenarbeit überzugehen, um die Entwicklung ihrer Krise entweder durch keynesianische Politik oder durch die staatliche Orchestrierung der Globalisierung so weit wie möglich zu verlangsamen. Selbst wenn es in der gegenwärtigen Situation nun zu einer Rückkehr der keynesianischen Politik im Kontext einer wachsenden Tendenz zu einem "Jeder-für-sich"-Vorgehen kommt, wird ihre Wirksamkeit, was die eingesetzten Mittel betrifft, nicht mit früheren Perioden vergleichbar sein.

In diesem Zusammenhang müssen wir die gewichtigere Tendenz – im Vergleich zur vorhergehenden Periode – zu isolierten Reaktionen der Bourgeoisie auf nationaler Ebene beobachten. So zum Beispiel die neue Tendenz, Grenzen zu schließen, um den Transport von Passagieren von einem Kontinent zum anderen zu stoppen – oder nationale Grenzen zu schließen, als ob das Virus die nationale Isolation „respektieren“ würde. All dies ist viel mehr Ausdruck von Ohnmacht und einer bestimmten Grundhaltung als eine wissenschaftlich fundierte Entscheidung, das Virus unter Quarantäne zu stellen und in Schach zu halten. Warum besteht eigentlich ein größeres Risiko, sich das Virus in einem internationalen Zug zwischen Stuttgart und Paris einzufangen als in einem nationalen Zug zwischen Stuttgart und Hamburg? Die Schließung der nationalen Grenzen ist nicht hilfreich, sie drückt die "Grenzen" der Mittel der Bourgeoisie aus.

Die Rückverlagerung der Produktion in zentrale Länder nimmt mit der Pandemie zu. So haben 218 europäische Unternehmen beschlossen, die Produktion aus China zurückzubringen. "Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage unter 12 globalen Wirtschaftszweigen haben 10 von ihnen – darunter die Automobil-, Halbleiter- und Medizingeräteindustrie – ihre Lieferketten bereits zurück verlagert, hauptsächlich aus China. Japan bietet Unternehmen 2 Milliarden Dollar an, um ihre Fabriken aus China heraus und zurück auf den japanischen Archipel zu verlagern.“[12] Und ein Präsident wie Macron, der ein Befürworter des Multilateralismus zu sein scheint, hat gesagt, dass "das 'Delegieren' von Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung 'verrückt' ist. Sein Finanzminister Bruno Le Maire ruft zum "Wirtschaftspatriotismus" auf, damit die Franzosen nationale Produkte konsumieren" (ebda.). In allen Ländern favorisieren sie lokale Wirtschaftspläne, um vorzugsweise lokale oder nationale Produkte zu konsumieren. Es ist ein Rückzug auf sich selbst, der dazu neigt, die Industrie-, Nahrungsmittel- und andere Produktionsketten zu durchbrechen, die auf globaler Ebene geschaffen wurden und die Kosten stark reduziert haben.

Die zentrifugalen Tendenzen des "Jeder-für-sich" haben ein neues Niveau erreicht, während gleichzeitig in jedem Land der Staat, jede Nationalbank gigantische Summen (im Falle Deutschlands unbegrenzt) in die Industrie gepumpt oder versprochen hat. Keine dieser Maßnahmen ist von der EZB oder dem IWF verabschiedet und harmonisiert worden. Es muss hinzugefügt werden, dass nicht nur der Populist Trump als Verfechter eines „Jeder-für-sich“ aufgetreten ist. Deutschland hat – im Einvernehmen mit den wichtigsten Parteien – ebenso gehandelt wie auch Macron. Also, populistisch oder nicht, alle Regierungen haben in die gleiche Richtung gehandelt – sie haben sich hinter nationalen Grenzen versteckt, "Jeder für sich" – mit nur einem Minimum an internationaler oder europäischer Koordination.

Die Folgen dieser Handlungen scheinen kontraproduktiv für jedes nationale Kapital und noch schlimmer für die Weltwirtschaft zu sein. "Zwischen 2007 und 2008, aufgrund einer schicksalhaften Konvergenz ungünstiger Faktoren – schlechte Ernten, steigende Öl- und Düngemittelpreise, der Biokraftstoff-Boom – schränkten 33 Länder ihre Exporte ein, um ihre "Ernährungssouveränität" zu schützen. Aber die Heilung war schlimmer als die Krankheit. Die Restriktionen haben nach Schätzungen der Weltbank die Preise für Reis (116%), Weizen (40%) und Mais (25%) erhöht (...) Das Beispiel Chinas, das als erstes Land von der Epidemie betroffen ist, lässt nichts Gutes ahnen: Bedrohungen der globalen Lieferketten haben in diesem asiatischen Land seit Anfang des Jahres bereits zu einem Anstieg der Nahrungsmittel um 15% bis 22% geführt." [13]

Die Gegentendenzen zum nationalen Rückzug

Die Bourgeoisie wird reagieren. Auf EU-Ebene hat Deutschland endlich die "Vergemeinschaftung der Schulden" akzeptiert, was zeigt, dass angesichts dieser Welle des Zerfalls Gegentendenzen am Werk sind. Vielleicht wird die amerikanische Bourgeoisie bei den nächsten Wahlen Trump zu Gunsten der traditionellen Demokraten, die für den "Multilateralismus"[14] sind, entlassen. Außerdem: "Am 22. April verpflichteten sich die 164 Mitgliedsländer der Welthandelsorganisation (WTO), auf die 63% der weltweiten Agrar- und Lebensmittelexporte entfallen, nicht in ihre Märkte einzugreifen. Gleichzeitig unterzeichneten die Landwirtschaftsminister von 25 Ländern Lateinamerikas und der Karibik ein verbindliches Abkommen, um die Versorgung von 620 Millionen Menschen zu gewährleisten." [15]

Mit dem Plan des "ökologischen Transformationsprozesses" und der Förderung einer "grünen Wirtschaft" werden Anstrengungen für eine Reorganisation der Wirtschaft – zumindest auf EU-Ebene – unternommen. Mit der massiven Entwicklung der Telekommunikation, der Anwendung von Robotertechnik und IT, neuen und viel leichteren Materialien, Biotechnologie, Drohnen, Elektroautos usw., wird die traditionelle Schwerindustrie auf der Grundlage fossiler Brennstoffe tendenziell obsolet, auch im militärischen Bereich. Die Durchsetzung der "neuen Standards" der Wirtschaftsorganisation wird für die zentralen Länder, insbesondere für Deutschland, die Vereinigten Staaten und China, zu einem Vorteil.

Die Bourgeoisie wird mit allen Kräften gegen diese Flut der nationalen wirtschaftlichen Zersplitterung kämpfen. Aber sie steht vor der wachsenden Kraft ihres historischen Widerspruchs zwischen der nationalen Natur des Kapitals und der globalen Natur der Produktion. Diese Tendenz jeder Bourgeoisie, ihre eigene Wirtschaft auf Kosten der anderen retten zu wollen, ist eine irrationale Tendenz, die für alle Länder und für die Weltwirtschaft insgesamt katastrophal wäre (auch wenn es Unterschiede zwischen den Ländern geben wird). Die Tendenz des „Jeder-für-sich“ kann sogar unumkehrbar sein, und die Irrationalität, die damit einhergeht, stellt die Lehren, die die Bourgeoisie aus der Krise von 1929 gezogen hat, in Frage.

Wie die Plattform der Kommunistischen Internationale sagte: "Das Endergebnis der kapitalistischen Produktionsweise ist Chaos", aber der Kapitalismus hat diesem Chaos während der Dekadenz in vielerlei Hinsicht widerstanden und während seiner Zerfallsphase weiter Widerstand geleistet. Gegenläufige Tendenzen werden sich weiterhin manifestieren, aber die Situation, die sich heute eröffnet, ist eine der wesentlichen Verschärfungen des Chaos, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich, der aus historischer Sicht sehr gefährlich ist.

Ein Alptraum für das Proletariat in allen Ländern, vor allem aber in den zentralen Ländern

Die Resolution zur internationalen Lage des 23. Kongresses bot den folgenden Rahmen:

"Was das Proletariat betrifft, so können diese neuen Verwerfungen nur zu noch schwerwiegenderen Angriffen auf seine Lebens- und Arbeitsbedingungen auf allen Ebenen und insbesondere in der ganzen Welt führen:

  • durch die verstärkte Ausbeutung der Arbeitskraft mittels weiterer Lohnsenkungen und Erhöhung des Rhythmus und der Produktivität in allen Sektoren;
  • durch den weiteren Abbau der Überreste des Sozialstaates (zusätzliche Einschränkungen der verschiedenen Leistungssysteme für Arbeitslose, der Sozialhilfe und der Altersrenten) und ganz allgemein durch den „sanften“ Verzicht auf die Finanzierung aller Formen von Hilfe oder Unterstützung im freiwilligen oder halböffentlichen Sektor;
  • die Verringerung der staatlichen Kosten, die Bildung und Gesundheit bei der Produktion und Erhaltung der Arbeitskraft des Proletariats verursachen (und damit erhebliche Angriffe auf die Proletarier in diesen öffentlichen Bereichen);
  • die Verschärfung und weitere Ausbreitung der Prekarität als Mittel dafür, das Gewicht der Massenarbeitslosigkeit auf alle Teile der Klasse zu verteilen.
  • -Angriffe, die sich hinter Finanzoperationen verbergen, wie z.B. negative Zinssätze, die kleine Sparkonten und Pensionsfonds untergraben. Und obwohl die offiziellen Inflationsraten für Konsumgüter in vielen Ländern niedrig sind, haben Spekulationsblasen zu einer wahren Explosion der Wohnungskosten beigetragen.
  • die Erhöhung der Lebenshaltungskosten, insbesondere der Steuern und der Preise von Gütern des täglichen Bedarfs.“ (Punkt 23 der schon zuvor zitierten Resolution)

Verarmung in Hochgeschwindigkeit

Im Jahr 2019 hungerten nach Angaben der Vereinten Nationen 135 Millionen Menschen. Im April 2020, mit dem Ausbruch der Pandemie, prognostiziert die UNO, dass sich 265 Millionen Menschen in dieser Situation befinden werden.[16] Die Weltbank erklärte im März, dass die arme Bevölkerung 3,5 Milliarden Menschen erreichen würde, mit einer plötzlichen Beschleunigung von mehr als 500.000 pro Monat. Seitdem scheint sich dieses Tempo effektiv fortgesetzt zu haben, insbesondere in Mittel- und Südamerika sowie in Asien einschließlich der Philippinen, Indien und China. Die Verarmung der Arbeiter*innen wird sich beschleunigen, so der IAO-Bericht: "(…) der durch den Rückgang der Wirtschaftstätigkeit entstehende Druck auf die Einkommen wird sich verheerend auf Arbeitnehmer auswirken, die nahe oder unterhalb der Armutsgrenze leben". Zwischen 8,8 und 35 Millionen mehr Arbeiter*innen werden weltweit in Armut leben, verglichen mit der ersten Schätzung für 2020 (die einen Rückgang von 14 Millionen weltweit voraussagte).

Massive Arbeitslosigkeit

In Indien und China wird die Zahl der arbeitslosen Proletarier*innen nach Angaben des IWF in Hunderttausenden gezählt. Auf einigen Websites wie Business Bourse ist die Rede von mehreren Millionen Arbeiter*innen, die ihren Arbeitsplatz in China verloren haben. All diese Zahlen sind wirklich mit großer Vorsicht zu genießen, da sie je nach Quelle oft variieren. Was dabei aber heraussticht, ist ihre Massivität und rasche Ausdehnung, die auf die Einschränkung und den Stopp eines großen Teils der weltweiten Aktivitäten zurückzuführen sind. Im gleichen Zeitraum hat die Massenarbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten 35 Millionen Menschen erreicht, und trotz außergewöhnlicher staatlicher Beihilfen werden die Schlangen vor den Lebensmittelverteilungsstellen immer länger, was an die Bilder der 1930er Jahre in den Vereinigten Staaten erinnert. Dasselbe Phänomen findet in Brasilien statt, wo Arbeitslose nicht einmal mehr offiziell registriert sind. In Frankreich wird erwartet, dass die Arbeitslosigkeit in wenigen Monaten fast 7 Millionen Menschen erreichen wird. Die Explosion der Massenarbeitslosigkeit nimmt in Italien und Spanien das gleiche Tempo an. Gegenwärtig werden Pläne für Massenentlassungen geschmiedet, wie im Luftverkehr und im Flugzeugbau. Aber auch in der Automobilindustrie, Ölförderung etc. Die Liste wird in der kommenden Zeit immer länger werden.

Allgemeine Prekarität

In einer ersten Bewertung der Folgen der Pandemie schätzte die IAO (Internationale Arbeitsorganisation), dass die Pandemie den dauerhaften Verlust von 25 Millionen Arbeitsplätzen weltweit verursachen würde, während die Arbeitsplatzunsicherheit stark zunehmen würde: "Es wird auch erwartet, dass die Unterbeschäftigung exponentiell zunehmen wird, da sich die wirtschaftlichen Folgen der Virusepidemie in einer Verringerung der Arbeitszeiten und Löhne niederschlagen. In Entwicklungsländern können Beschränkungen der Freizügigkeit von Personen (z.B. Dienstleistungsanbieter) und Waren diesmal den Puffereffekt aufheben, den die selbständige Erwerbstätigkeit in diesen Ländern normalerweise hat."[17] Darüber hinaus sind in der informellen Wirtschaft Zehntausende von Arbeiter*innen, die keinerlei statistische oder sonstige finanzielle Unterstützung des Staat erhalten, ohne Beschäftigung. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es noch zu früh, um sich ein Bild vom allgemeinen Grad der Verschlechterung des Lebensstandards zu machen.

Angriffe auf allen Ebenen

Lohnkürzungen, längere Arbeitszeiten, Steuern, niedrigere Renten, Sozialleistungen. Es scheint auch, wie in Frankreich, dass die Bourgeoisie versucht, die realen Arbeitszeiten zu verlängern. Es geht aber auch darum, den Direktlohn insbesondere durch neue, durch die Pandemie "gerechtfertigte" Steuern zu senken. Die Europäische Union prüft zum Beispiel eine Covid-Steuer sehr ernsthaft – ein wahrlich tolles Programm!

Die Schuldenlast wird immer kolossaler, was notwendigerweise eine Gegenleistung mit sich bringt: die Verschärfung der Sparmaßnahmen gegenüber den Arbeiter*innen.

In diesem Rahmen müssen wir die Idee des Allgemeinen Grundeinkommens sehen, eines Mittels, um soziale Spannungen einzudämmen und den Lebensbedingungen als staatlich organisierter Schritt zur allgemeinen Verarmung einen schweren Schlag zu versetzen.

In den zentralen Ländern und besonders in Westeuropa wird die Bourgeoisie versuchen, die Angriffe so vernünftig wie möglich zu verwalten und sie auf "politische" Weise anzuwenden, wobei sie die größten Spaltungen innerhalb des Proletariats provoziert. Auch wenn der Handlungsspielraum der Bourgeoisie auf diesem Terrain tendenziell schrumpfen wird, dürfen wir folgendes nicht aus den Augen verlieren: "Gleichzeitig sind die am meisten entwickelten Länder von Nordeuropa, die USA und Japan noch weit weg von einem solchen Szenario. Dies weil einerseits ihre nationalen Ökonomien fähiger geworden sind, der Krise zu begegnen, doch auch weil die Arbeiterklasse in diesen Ländern, vor allem in Europa, nicht bereit ist, ein solches Niveau von Angriffen auf ihre Lebensbedingungen zu akzeptieren. Dieser wichtige Faktor bei der Entwicklung der Krise unterliegt keinem strikt ökonomischen Determinismus, sondern spielt sich auf der Ebene der sozialen Verhältnisse ab – dem Kräfteverhältnis zwischen den zwei wichtigsten sozialen Klassen der Gesellschaft – zwischen der Bourgeoisie und der Arbeiterklasse." (20. Kongress der IKS, Resolution zur internationalen Lage)


[1] www.mlwerke.de/me/me13/me13_007.htm [1], Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, Vorwort, S. 9

[2] Karl Marx, Theorien über den Mehrwert, MEW Bd. 26.2 S. 469 (Vierter Band Das Kapital, 2. Teil, 8.-18. Kapitel, 16. Kapitel, Ricardos Profittheorie, 3. Gesetz vom Fall der Profitrate, e) Ricardo über das Fallen der Profitrate und seine Rententheorie)

[3] www.mlwerke.de/me/me25/me25_251.htm#Kap_15_III [2], Marx, Bd. 25, 15. Kapitel: Entfaltung der innern Widersprüche des Gesetzes, S. 268

[4] https://de.internationalism.org/content/2861/resolution-zur-internationalen-lage-2019-imperialistische-spannungen-leben-der [3]  

[5] https://de.internationalism.org/content/2861/resolution-zur-internationa... [3]

[6] Auszug aus: La Vanguardia vom 25. April 2020, "Las zonas de riesgo del sistema financiero"

[7] Auszug aus: La Vanguardia vom 22. April 2020, "La quiebra de las petroleras golpeará a los mayores bancos de EE.UU"

[8] Ebda.

[9] La Vanguardia vom 23. April 2020, "Cómo el coronavirus está acelerando el proceso de desglobalización"

[10] BBC World Service, 6.4.2020

[11] Aus einer Einführung auf einer Sektionssitzung der IKS

[12] Mehr dazu in Política Exterior

[13] Mehr in Politica Exterior

[14] Innerhalb der Demokratischen Partei entwickeln sich jedoch protektionistische Positionen, ähnlich denen von Trump. Im März 2020 legten zwei demokratische Kongressabgeordnete einen Vorschlag für den Austritt der Vereinigten Staaten aus der WTO vor.

[15] Política Exterior

[16] Política Exterior

[17] Bericht der IAO 2020

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Weltwirtschaftskrise

Kommunismus - Keine schöne Utopie, sondern eine Notwendigkeit - Band 3, Teil 10: Bilan, die Holländische Linke und der Übergang zum Kommunismus

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Nach einer Verzögerung, die viel länger war, als wir ursprünglich beabsichtigt hatten, nehmen wir den dritten Band der Reihe über den Kommunismus wieder auf. Erinnern wir uns kurz daran, dass der erste Band, der auch in englischer und französischer Sprache als gedrucktes Buch erschienen ist, damit begann, die Entwicklung des Konzepts des Kommunismus von den vorkapitalistischen Gesellschaften bis zu den ersten utopischen Sozialisten zu betrachten, und sich dann auf die Arbeit von Marx und Engels und die Bemühungen ihrer Nachfolger in der Zweiten Internationale konzentrierte, den Kommunismus nicht als ein abstraktes Ideal zu verstehen, sondern als eine materielle Notwendigkeit, die durch die Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft selbst ermöglicht wurde.[1] Der zweite Band untersuchte die Periode, in der sich die marxistische Vorhersage der proletarischen Revolution, die zuerst in der Periode des Aufstiegs des Kapitalismus formuliert wurde, durch den Anbruch der "Epoche der Kriege und Revolutionen", welche die Kommunistische Internationale 1919 erkannte, konkretisierte.[2] Der dritte Band konzentriert sich bisher auf den nachhaltigen Versuch der Italienischen Kommunistischen Linken in den 1930er Jahren, die Lehren aus der Niederlage der ersten internationalen Revolutionswelle, vor allem aber der russischen Revolution, zu ziehen und die Implikationen dieser Lehren für eine künftige Periode des Übergangs zum Kommunismus zu erörtern.[3]

Wie wir oft betont haben, war die Kommunistische Linke in erster Linie das Produkt einer internationalen Reaktion gegen die Degeneration der Kommunistischen Internationale und ihrer Parteien. Die linken Gruppen in Italien, Deutschland, Russland, Großbritannien und anderswo stimmten in ihrer Kritik an der Fehlentwicklung der Kommunistischen Internationale in Richtung Parlamentarismus, Gewerkschaftswesen und Kompromiss mit den Parteien der Sozialdemokratie überein. Es gab intensive Debatten unter den verschiedenen linken Strömungen und einige konkrete Versuche der Koordination und Umgruppierung, wie die Gründung der Kommunistischen Arbeiterinternationale 1922, im Wesentlichen durch Gruppen, die mit der deutschen kommunistischen Linken verbunden waren. Aber gleichzeitig lieferte das schnelle Scheitern dieser neuen Formation den Beweis dafür, dass die Flut der Revolution der Ebbe wich und dass die Zeit für die Gründung einer neuen Weltpartei nicht reif war. Darüber hinaus machte diese übereilte Initiative von Elementen innerhalb der deutschen Bewegung deutlich, was vielleicht die schwerwiegendste Spaltung in den Reihen der kommunistischen Linken war – die Trennung zwischen ihren beiden wichtigsten Ausdrucksformen, denen in Deutschland und Italien. Diese Spaltung war nie absolut: In den frühen Tagen der Kommunistischen Partei Italiens gab es Versuche, andere linke Strömungen zu verstehen und mit ihnen zu debattieren; und an anderer Stelle haben wir auf die Debatte zwischen Bordiga und Korsch später in den 1920er Jahren hingewiesen.[4]

Diese Kontakte nahmen jedoch ab, als sich die Revolution zurückzog und als die beiden Strömungen auf unterschiedliche Weise auf die neuen Herausforderungen reagierten, denen sie gegenüberstanden. Die Italienische Linke war, völlig zu Recht, von der Notwendigkeit überzeugt, in der KI zu bleiben, solange sie ein proletarisches Leben hatte, und vorzeitige Spaltungen oder die Ausrufung neuer und künstlicher Parteien zu vermeiden – genau der Kurs, den die Mehrheit der deutschen Linken verfolgte. Darüber hinaus konnte das Aufkommen offen parteifeindlicher Tendenzen in der deutschen Linken, insbesondere der Gruppe um Rühle, die Überzeugung von Bordiga und anderen, dass diese Strömung von anarchistischer Ideologie und Praxis beherrscht wurde, nur noch verstärken. In der Zwischenzeit waren die deutschen linken Gruppen, die dazu neigten, die gesamte Erfahrung des Bolschewismus und des Oktobers 1917 als Ausdruck einer verspäteten bürgerlichen Revolution zu definieren, immer weniger in der Lage, die Italienische Linke von der Hauptströmung der Kommunistischen Internationale zu unterscheiden, nicht zuletzt, weil jene weiterhin argumentierte, dass der Platz der Kommunisten innerhalb der Internationale sei, um gegen deren opportunistischen Kurs zu kämpfen.

Die heutigen "bordigistischen" Gruppen haben diese tragische und folgenschwere Trennung theoretisiert, indem sie darauf bestehen, dass sie allein die historische kommunistische Linke darstellten und dass die deutsche KAPD und ihre Ableger in Wirklichkeit nichts anderes als eine kleinbürgerlich-anarchistische Abweichung seien. Gruppen wie die Internationale Kommunistische Partei (Il Partito) gehen sogar so weit, dass sie eine Verteidigung von Lenins Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus veröffentlichen und den Text als Warnung für "künftige Abtrünnige" preisen.[5] Diese Haltung offenbart ein ziemlich tragisches Versäumnis und eine Unfähigkeit zu erkennen, dass die Linkskommunisten als Genossen und Genossinnen gemeinsam gegen die zunehmend abtrünnige Führung der KI hätten kämpfen sollen.

Dies war jedoch bei weitem nicht die Haltung der italienischen Linken während ihrer theoretisch fruchtbarsten Periode: derjenigen, die auf die Bildung der Linksfraktion im Exil (aus dem faschistischen Italien) Ende der 20er Jahre und die Veröffentlichung der Zeitschrift Bilan zwischen 1933 und 1938 folgte. In einem "Resolutionsentwurf über die internationalen Verbindungen" in Bilan Nr. 22 schrieben sie, dass die "internationalistischen Kommunisten Hollands (die Gorter-Tendenz) und Elemente der KAPD die erste Reaktion auf die Schwierigkeiten des russischen Staates, die erste Erfahrung einer proletarischen Verwaltung, durch die Verbindung mit dem Weltproletariat mittels eines von der Internationale ausgearbeiteten Systems von Prinzipien" darstellen. Sie kamen zu dem Schluss, dass der Ausschluss dieser Genossen aus der Internationale "keine Lösung für diese Probleme gebracht hat".

Diese Herangehensweise legte die grundlegenden Fundamente proletarischer Solidarität fest, auf denen eine Debatte stattfinden konnte, trotz der sehr beträchtlichen Divergenzen zwischen den beiden Strömungen; Divergenzen, die sich bis Mitte der 30er Jahre beträchtlich vergrößert hatten, als die deutsch-holländische Linke sich in Richtung der Positionen des Rätekommunismus entwickelte und nicht nur den Bolschewismus, sondern die Parteiform selbst als bürgerlichen Charakters definierte. Weitere Schwierigkeiten ergaben sich aus der Sprache und der mangelnden Kenntnis der jeweiligen Positionen der anderen Seite, was, wie wir in unserem Buch Die Italienische Kommunistische Linke feststellen, dazu führte, dass die Beziehungen zwischen den beiden Strömungen weitgehend auf indirekte Weise stattfanden.

Der Hauptverbindungspunkt zwischen den beiden Strömungen war die Ligue des Communistes Internationalistes (LCI) in Belgien, die in Kontakt mit der Groep van Internationale Communisten (GIC) und anderen Gruppen in Holland stand. Es ist vielleicht bezeichnend, dass die wichtigsten Früchte dieser Kontakte, die auf den Seiten von Bilan erschienen, die von Hennaut von der LCI verfasste Zusammenfassung des Buches der GIC: Grundprinzipien Kommunistischer Produktion und Verteilung[6] war, und die brüderlichen, aber kritischen Bemerkungen über das Buch, die in Mitchells Reihe Probleme der Übergangsperiode enthalten waren. Soweit wir wissen, hat die GIC auf keinen dieser Artikel geantwortet, aber es ist dennoch wichtig, uns daran zu erinnern, dass die Voraussetzungen für eine Debatte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Grundprinzipien geschaffen wurden, nicht zuletzt deshalb, weil es sehr wenige spätere Versuche gab, die Diskussion voranzutreiben.[7] Wir sollten klarstellen, dass der vorliegende Artikel nicht versuchen wird, eine eingehende oder detaillierte Analyse der Grundprinzipien durchzuführen. Er hat das bescheidenere Ziel, die in Bilan veröffentlichten Kritiken an dem Buch zu untersuchen und damit einige mögliche Bereiche für zukünftige Diskussionen aufzuzeigen.

Die GIC untersucht die Lehren aus der Niederlage

Auf der Pariser Konferenz der neu gegründeten linkskommunistischen Gruppen 1974 erklärte Jan Appel, der KAPD- und GIC-Veteran, der einer der Hauptautoren der Grundprinzipien war, dass der Text als Teil des Versuchs geschrieben worden war, zu verstehen, was bei der Erfahrung des Staatskapitalismus oder "Staatskommunismus, wie wir ihn manchmal zu nennen pflegten" in der Russischen Revolution schief gelaufen war, und einige Richtlinien festzulegen, die es ermöglichen sollten, ähnliche Fehler in Zukunft zu vermeiden. Trotz ihrer Differenzen über das Wesen der Russischen Revolution war es genau das, was die Genossen der Italienischen Linken motivierte, eine Analyse über die Probleme der Übergangsperiode zu erstellen, obwohl sie nur zu gut verstanden, dass sie durch die Tiefen der Konterrevolution gingen.

Für Mitchell, wie für den Rest der Italienischen Linken, waren die GIC die "holländischen Internationalisten", Genossen, die von einem tiefen Engagement für den Sturz des Kapitalismus und dessen Ersetzung durch eine kommunistische Gesellschaft beseelt waren. Beide Strömungen verstanden, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Problemen der Übergangsperiode weit mehr war als eine intellektuelle Übung um ihrer selbst willen. Sie waren Militante, für die die proletarische Revolution eine Realität war, die sie mit eigenen Augen gesehen hatten; trotz der schrecklichen Niederlage dieser Revolution behielten sie volles Vertrauen, dass sie sich wieder erheben würde, und waren überzeugt, dass sie mit einem klaren kommunistischen Programm bewaffnet sein musste, wenn sie beim nächsten Mal triumphieren wollte.

Am Anfang seiner Zusammenfassung der Grundprinzipien stellt Hennaut genau diese Frage: "Erscheint es nicht als Zeitverschwendung, uns über die sozialen Regeln zu quälen, die die Arbeiter nach Vollendung der Revolution aufstellen müssen, zu einem Zeitpunkt, da die Arbeiter keineswegs auf die letzte Schlacht zu marschieren, sondern in der Tat den Boden, den sie gewonnen haben, an die triumphierende Reaktion abtreten? Mehr noch, ist nicht schon alles zu diesem Thema auf den Kongressen der KI gesagt worden? ... Gewiss, für diejenigen, für die die ganze Wissenschaft der Revolution darauf hinausläuft, die Skala der Manöver aufzudecken, die die Massen zu befolgen haben, muss das Unternehmen besonders sinnlos erscheinen. Aber für diejenigen, die der Meinung sind, dass die Präzisierung der Ziele des Kampfes eine der Funktionen jeder Emanzipationsbewegung ist, und dass die Formen dieses Kampfes, seine Mechanismen und die Gesetze, die ihn regeln, nur in dem Maße vollständig ans Licht gebracht werden können, in dem die zu erreichenden Endziele klar geworden sind, das heißt, dass die Gesetze der Revolution immer deutlicher hervortreten, je mehr das Bewusstsein der Arbeiterklasse wächst – für sie ist die theoretische Anstrengung, genau zu definieren, was die Diktatur des Proletariats sein wird, eine Aufgabe von ursprünglicher Notwendigkeit".[8]

Wie wir bereits erwähnt haben, war Hennaut kein Mitglied der GIC, sondern der belgischen LCI. In gewisser Weise war er in der Lage, als "Vermittler" zwischen der Deutsch-Holländischen und der Italienischen Linken zu agieren, da er mit beiden Übereinstimmungen und Differenzen hatte. In einem früheren Beitrag für Bilan[9] kritisierte er die Vorstellung der italienischen Genossen von der "Diktatur der Partei" und legte den Schwerpunkt darauf, dass die Arbeiterklasse die Kontrolle über die politische und wirtschaftliche Sphäre durch ihre eigenen allgemeinen Organe wie die Räte ausübt. Gleichzeitig lehnte er Bilans Auffassung von der UdSSR als einem degenerierten proletarischen Staat ab und definierte sowohl das politische Regime als auch die Wirtschaft in Russland als kapitalistisch. Aber es sollte hinzugefügt werden, dass er auch damit begonnen hatte, den proletarischen Charakter der Revolution in Russland abzulehnen, indem er die fehlende Reife der objektiven Bedingungen betonte, so dass "die Revolution vom Proletariat gemacht wurde, aber es war keine proletarische Revolution".[10] Diese Analyse stand der der Rätekommunisten recht nahe, aber Hennaut grenzte sich auch in einer Reihe von Schlüsselpunkten von ihnen ab: Gleich zu Beginn seiner Zusammenfassung macht er deutlich, dass er mit ihrer Ablehnung der Partei nicht einverstanden ist. Für Hennaut wäre die Partei nach der Revolution umso notwendiger, um die ideologischen Überreste der alten Welt zu bekämpfen, obwohl er die Schwäche der GIC in diesem Punkt nicht als das Hauptproblem der Grundprinzipien ansieht; und am Ende seiner Zusammenfassung, in Bilan Nr. 22, weist er auf die Schwäche der Staatskonzeption der GIC und ihre etwas rosige Sicht der Bedingungen, unter denen eine Revolution stattfindet, hin. Er ist jedoch von der Bedeutung des Beitrags der GIC überzeugt und bemüht sich sehr ernsthaft, sie in vier Artikeln genau zusammenzufassen. Offensichtlich war es im Rahmen einer solchen Zusammenfassung nicht möglich, den ganzen Reichtum – und einige der offensichtlichen Widersprüche – in den Grundprinzipien zu vermitteln, aber er macht eine gute Arbeit, um die wesentlichen Punkte des Buches zu umreißen.

Hennauts Zusammenfassung hebt die bedeutsame Tatsache hervor, dass sich die Grundprinzipien keineswegs außerhalb der bisherigen Traditionen und Erfahrungen der Arbeiterklasse verorten, sondern sich auf eine historische Kritik an fehlerhaften Auffassungen, die innerhalb der Arbeiterbewegung entstanden waren, und auf praktische revolutionäre Erfahrungen – vor allem die russische und ungarische Revolution – stützen, die hauptsächlich negative Lehren hinterlassen hatten. Die Grundprinzipien enthalten daher Kritik an den Ansichten von Kautsky, Varga, dem Anarcho-Syndikalisten Leichter und anderen, während sie gleichzeitig versuchen, an die Arbeit von Marx und Engels anzuknüpfen, insbesondere an die Kritik des Gothaer Programms und den Anti-Dühring. Sie gehen von der einfachen Feststellung aus, dass die Ausbeutung der Arbeiter in der kapitalistischen Gesellschaft vollständig mit ihrer Trennung von den Produktionsmitteln durch das kapitalistische gesellschaftliche Verhältnis der Lohnarbeit verbunden ist. Seit der Zeit der Zweiten Internationale war die Arbeiterbewegung auf die Vorstellung abgeglitten, dass die einfache Abschaffung des Privateigentums das Ende der Ausbeutung bedeute, und die Bolschewiki hatten dieses (Miss-)Verständnis nach der Oktoberrevolution weitgehend übernommen.

Für die Grundprinzipien kann die Verstaatlichung oder Kollektivierung der Produktionsmittel sehr wohl mit Lohnarbeit und der Entfremdung der Arbeiter von ihrem eigenen Produkt koexistieren. Entscheidend ist also, dass die Arbeiter selbst, durch ihre eigenen, im Betrieb verwurzelten Organisationen, nicht nur über die physischen Produktionsmittel, sondern über das gesamte gesellschaftliche Produkt verfügen. Um aber sicherzustellen, dass das gesellschaftliche Produkt vom Anfang bis zum Ende des Arbeitsprozesses in den Händen der Produzenten bleibt (Entscheidungen darüber, was und in welchen Mengen produziert wird, Verteilung des Produkts einschließlich der Entlohnung des einzelnen Produzenten), bedurfte es eines allgemeinen ökonomischen Gesetzes, das einer strengen Buchführung unterworfen werden konnte: die Berechnung des gesellschaftlichen Produkts auf der Basis der durchschnittlichen gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit. Obwohl gerade die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit dem "Wert" der Produkte in der kapitalistischen Gesellschaft zugrunde liegt, wäre dies keine Wertproduktion mehr, denn die einzelnen Unternehmen würden zwar ihren eigenen Anteil an der in ihren Produkten enthaltenen Arbeitszeit maßgeblich mitbestimmen, aber die Unternehmen würden ihre Produkte dann nicht auf dem Markt verkaufen (und die Grundprinzipien kritisieren die Anarchosyndikalisten gerade dafür, dass sie sich die zukünftige Wirtschaft als ein Netzwerk unabhängiger, durch Tauschbeziehungen verbundener Unternehmen vorstellen). Aus der Sicht der GIC würden die Produkte einfach in Übereinstimmung mit den gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen verteilt, die von einem Kongress der Räte zusammen mit einem zentralen Amt für Statistik und einem Netzwerk von Konsumgenossenschaften bestimmt würden. Die Grundprinzipien legen Wert darauf, dass weder der Rätekongress noch das Statistikamt "zentralisierte" oder "staatliche" Organe sind. Ihre Aufgabe ist es nicht, Arbeit zu dirigieren, sondern mit dem Kriterium der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit, die weitgehend auf der Basisebene berechnet wird, die Planung und Verteilung des gesellschaftlichen Produkts im globalen Maßstab zu überwachen. Eine konsequente Anwendung dieser Prinzipien würde sicherstellen, dass sich in der nächsten Revolution eine Situation nicht wiederholt, in der "die Maschine unseren Händen entgleitet" (Lenins berühmte Worte über den Werdegang des Sowjetstaates, zitiert nach den Grundprinzipien). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Schlüssel zum Sieg der Revolution in der Fähigkeit der Arbeiter liegt, die direkte Kontrolle über die Wirtschaft aufrechtzuerhalten, und das zuverlässigste Werkzeug, um dies zu erreichen, ist die Regulierung von Produktion und Verteilung durch die Abrechnung der Arbeitszeit.

Die Kritik der Italienischen Linken

Wie wir bereits sagten, begrüßte die Italienische Linke[11] den Beitrag der GIC, sparte aber nicht mit Kritik an dem Text. Grob gesagt lassen sich diese Kritiken in vier Rubriken einordnen, obwohl sie alle auf andere Themen überleiten und alle eng miteinander verknüpft sind.

1. Eine nationale Vision der Revolution.

2. Eine idealistische Auffassung von den realen Bedingungen der proletarischen Revolution.

3. Das Unverständnis für das Problem des Staates und des Zentralismus sowie die Konzentration auf die Ökonomie auf Kosten der politischen Fragen.

4. Weitere theoretische Differenzen bezüglich der Ökonomie der Übergangsperiode: die Überwindung des Wertgesetzes und der Inhalt des Kommunismus; Egalitarismus und die Entlohnung der Arbeit.

1. Eine nationale Vision der Revolution

In seiner Serie "Partei – Staat – Internationale"[12] hatte Vercesi bereits Hennaut und die holländischen Genossen dafür kritisiert, dass sie das Problem der Revolution in Russland von einem eng gefassten nationalen Standpunkt aus angehen. Er bestand darauf, dass keine wirklichen Fortschritte auf dem Weg zu einer kommunistischen Gesellschaft gemacht werden könnten, solange die Bourgeoisie im Weltmaßstab an der Macht sei – welche Fortschritte auch immer in einem Bereich unter proletarischer "Leitung" gemacht würden, sie könnten nicht endgültig sein:

"Der Fehler, den die holländischen Linkskommunisten und mit ihnen Genosse Hennaut unserer Meinung nach begehen, besteht darin, dass sie eine im Grunde sterile Richtung eingeschlagen haben, denn es ist fundamental für den Marxismus, dass die Grundlagen einer kommunistischen Wirtschaft nur auf Weltebene und niemals innerhalb der Grenzen eines proletarischen Staates verwirklicht werden können. Dieser kann zwar in den ökonomischen Bereich eingreifen, um den Produktionsprozess zu verändern, aber er kann diesen Prozess keinesfalls endgültig auf kommunistische Grundlagen stellen, weil die Bedingungen für die Verwirklichung einer solchen Ökonomie nur im Weltmaßstab existieren (...). Wir werden der Verwirklichung des höchsten Ziels nicht näher kommen, indem wir den Arbeitern weismachen, dass sie nach ihrem Sieg über die Bourgeoisie die Wirtschaft in einem einzigen Land direkt leiten können. Bis zum Sieg der Weltrevolution sind die Bedingungen dafür nicht gegeben, und um die Dinge in die Richtung zu lenken, die das Heranreifen dieser Bedingungen ermöglicht, muss man damit beginnen, anzuerkennen, dass es unmöglich ist, in einem einzigen Land endgültige Ergebnisse zu erzielen."[13]

In seiner Artikelserie führte Mitchell dieses Thema weiter aus:

"Während es unbestreitbar ist, dass ein nationales Proletariat bestimmte ökonomische Aufgaben erst nach der Installierung der Errichtung seiner eigenen Herrschaft in Angriff nehmen kann, kann der Aufbau des Sozialismus erst nach der Zerstörung der mächtigsten kapitalistischen Staaten in Gang kommen, auch wenn der Sieg eines 'armen' Proletariats eine enorme Bedeutung erlangen kann, wenn er in den Entwicklungsprozess der Weltrevolution integriert wird. Mit anderen Worten: Die Aufgaben eines siegreichen Proletariats in Bezug auf die eigene Wirtschaft werden den Notwendigkeiten des internationalen Klassenkampfes untergeordnet.

Es ist bemerkenswert, dass, während alle echten Marxisten die Theorie des 'Sozialismus in einem Land' abgelehnt haben, die meisten Kritiken an der Russischen Revolution sich im Wesentlichen auf die Modalitäten des Aufbaus des Sozialismus konzentrierten, wobei sie eher wirtschaftliche und kulturelle als politische Kriterien betrachteten und vergaßen, die logischen Schlussfolgerungen zu ziehen, die sich aus der Unmöglichkeit jeder Art von nationalem Sozialismus ergeben."[14]

Einen großen Teil der Serie widmete Mitchell auch der Argumentation gegen die von den Rätekommunisten weitgehend aufgegriffene menschewistische Idee, dass die Russische Revolution nicht wirklich proletarisch gewesen sein könne, weil Russland nicht reif für den Sozialismus gewesen sei. Gegen diesen Ansatz behauptet Mitchell, dass die Bedingungen für die kommunistische Revolution nur im Weltmaßstab gegeben sein konnten, und dass die Revolution in Russland lediglich der erste Schritt einer weltweiten Revolution gewesen sei, die durch die Tatsache notwendig wurde, dass der Kapitalismus als Weltsystem in seine Periode des Niedergangs eingetreten war. Daher musste jedes Verständnis dessen, was in Russland schief gelaufen war, im Kontext der Weltrevolution gesehen werden: Die Degeneration des Sowjetstaates war in erster Linie nicht das Ergebnis der wirtschaftlichen Maßnahmen der Bolschewiki, sondern der Isolierung der Revolution. Die holländischen Genossen hätten sich "ein falsches Urteil über die Russische Revolution angemaßt und vor allem den Umfang ihrer Forschungen über die tieferen Ursachen der reaktionären Entwicklung der UdSSR stark eingeschränkt. Sie suchen die Erklärung dafür nicht in der tieferen Entwicklung des nationalen und internationalen Klassenkampfes (eines der negativen Merkmale ihrer Studie ist, dass sie jede Betrachtung der politischen Probleme mehr oder weniger ausblenden), sondern im ökonomischen Mechanismus."[15]

Kurz gesagt: Es gibt Grenzen für die Schlussfolgerungen, die wir aus den wirtschaftlichen Maßnahmen während der Russischen Revolution ziehen können. Selbst die perfektesten Maßnahmen hätten ohne die Ausdehnung der Weltrevolution den proletarischen Charakter des Regimes in der UdSSR nicht bewahrt, und dasselbe würde für jedes Land gelten, ob "fortgeschritten" oder "rückständig", das sich in einer vom Kapital beherrschten Welt isoliert wiederfindet.

2. Die tatsächlichen Bedingungen nach der proletarischen Revolution

Wir haben festgestellt, dass Hennaut selbst auf die Tendenz der holländischen Genossen hinwies, die Verhältnisse im Gefolge einer proletarischen Revolution zu vereinfachen: "Es mag vielen Lesern so erscheinen, als ob in der besten aller möglichen Welten alles zum Besten stehe. Die Revolution marschiere voran, sie könne nicht ausbleiben, und es genüge, die Dinge sich selbst zu überlassen, damit der Sozialismus Wirklichkeit werde."[16] Vercesi hatte auch argumentiert, dass sie dazu neigten, die Heterogenität des Klassenbewusstseins auch nach der Revolution gewaltig zu unterschätzen – ein Fehler, der direkt damit zusammenhing, dass die Rätekommunisten die Notwendigkeit einer politischen Organisation der fortgeschritteneren Elemente der Arbeiterklasse nicht verstanden. Außerdem hing dies auch damit zusammen, dass die holländischen Genossen die Schwierigkeiten unterschätzten, die sich den Arbeitern bei der direkten Übernahme der Leitung der Produktion stellten. Mitchell seinerseits argumentierte, dass die holländischen Genossen von einem idealen, abstrakten Schema ausgingen, das bereits die Stigmata der kapitalistischen Vergangenheit als Grundlage für das Voranschreiten zum Kommunismus ausschließt.

"Wir haben bereits deutlich gemacht, dass die holländischen Internationalisten bei ihrem Versuch, die Probleme der Übergangsperiode zu analysieren, viel mehr von ihren Wunschbildern als von der historischen Realität inspiriert sind. Ihr abstraktes Schema, in dem sie als vollkommen prinzipientreue Menschen das Wertgesetz, den Markt und das Geld ausschließen, muss logischerweise auch eine 'ideale' Verteilung der Produkte zur Folge haben. Denn für sie gilt: "Die proletarische Revolution kollektiviert die Produktionsmittel und öffnet damit den Weg zum kommunistischen Leben; die dynamischen Gesetze der individuellen Konsumtion müssen absolut und notwendigerweise miteinander verbunden sein, weil sie unauflöslich mit den Gesetzen der Produktion verbunden sind. Diese Verbindung wird 'von selbst' durch den Übergang zur kommunistischen Produktion hergestellt" (S. 72 ihrer Arbeit)."[17]

Später konzentriert sich Mitchell auf die Hindernisse, die der Einführung der gleichen Entlohnung der Arbeit in der Übergangszeit entgegenstehen (wir werden in einem zweiten Artikel darauf zurückkommen). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für die niederländischen Genossen die untere und die obere Stufe des Kommunismus völlig durcheinander geraten sind:

"Indem sie die dialektische Analyse ablehnen und das Problem des Zentralismus übergehen, haben sie gleichzeitig die Bedeutung der Worte verändert, denn was sie betrachten, ist nicht die Übergangsperiode, die für die Marxisten unter dem Gesichtspunkt der Lösung praktischer Probleme als einzige von Interesse ist, sondern die höhere Stufe des Kommunismus. Es ist dann leicht, von „einer allgemeinen gesellschaftlichen Buchführung zu sprechen, die auf einem wirtschaftlichen Zentrum beruht, zu dem alle Ströme des Wirtschaftslebens fließen, das aber kein Recht hat, die Produktion zu leiten oder über die Verteilung des gesellschaftlichen Produkts zu entscheiden“. Und sie fügen hinzu, dass „in der Assoziation freier und gleicher Produzenten die Kontrolle des Wirtschaftslebens nicht von Persönlichkeiten oder Ämtern ausgeht, sondern aus der öffentlichen Registrierung des realen Verlaufs des Wirtschaftslebens resultiert. Das bedeutet, dass die Produktion durch die Reproduktion kontrolliert wird“. Mit anderen Worten: 'Das Wirtschaftsleben wird durch die durchschnittliche gesellschaftliche Arbeitszeit von selbst gesteuert'. Mit solchen Formulierungen kann die Lösung der Probleme der proletarischen Leitung überhaupt nicht vorankommen, denn die brennende Frage, die sich dem Proletariat stellt, ist nicht, die Mechanismen auszuarbeiten, die die kommunistische Gesellschaft regeln, sondern den Weg zu finden, der zu ihr führt."[18]

Es stimmt, dass es eine Reihe von Abschnitten in den Grundprinzipien gibt, in denen die holländischen Genossen Marx' Unterscheidung zwischen der unteren und der oberen Stufe der Übergangsperiode zitieren; und sie erkennen an, dass es einen Prozess gibt, eine Bewegung in Richtung auf den integralen Kommunismus, in dem die Notwendigkeit der Arbeitszeitbuchhaltung zum Beispiel in Bezug auf den individuellen Konsum allmählich an Bedeutung verlieren wird:

"Eines der charakteristischsten Merkmale der AGA-Betriebe [Anm.: öffentliche Dienstleistungen wie Gesundheits- und Bildungswesen] sahen wir in der Tatsache, dass hier das 'Nehmen nach Bedürfnissen' verwirklicht ist. Der Maßstab der Arbeitsstunde spielt hier in der Distribution also keine Rolle mehr. Mit dem Wachstum des Kommunismus wird dieser Betriebstyp mehr ausgedehnt werden, so dass auch Lebensmittelfürsorge, Personentransport, Wohnungsfürsorge usw., kurz: die Befriedigung der allgemeinen Bedürfnisse, auf dieser Basis stehen werden. Diese Entwicklung ist ein PROZESS, der sich, soweit es sich um die technische Seite der Aufgabe handelt, schnell vollziehen kann. Je mehr die Gesellschaft in dieser Richtung wächst, je mehr die Produkte nach diesem Prinzip verteilt werden, desto weniger wird die individuelle Arbeitszeit das Maß für die individuelle Konsumtion sein."[19]

Und doch sprechen sie gleichzeitig, wie Mitchell oben bemerkt, davon, dass die "freien und gleichen Produzenten" über dieses oder jenes gerade in der unteren Stufe entscheiden, einer Zeit, in der wahre Freiheit und Gleichheit vom organisierten Proletariat erkämpft, aber noch nicht endgültig erobert worden sind. Der Begriff "freie und gleiche Produzenten" kann wirklich nur auf eine Gesellschaft angewendet werden, in der es keine Arbeiterklasse mehr gibt.

Ein Beispiel für diese Tendenz zur Vereinfachung ist ihre Behandlung der Agrarfrage. Nach diesem Abschnitt der Grundprinzipien werde die "Bauernfrage", die eine so große Belastung für die Russische Revolution war, für die Revolution der Zukunft keine großen Probleme aufwerfen, weil die Entwicklung der kapitalistischen Industrie den Großteil der Bauernschaft bereits in das Proletariat integriert habe. Dies ist ein Beispiel für eine gewisse eurozentrische Sichtweise (und selbst in Europa war dies in den 1930er Jahren bei weitem nicht der Fall), die nicht berücksichtigt, dass im Weltmaßstab eine riesige Anzahl nicht ausbeutender, aber auch nicht proletarischer Massen existiert, die die proletarische Revolution in die wirklich sozialisierte Produktion integrieren muss.

3. Der Staat, der Zentralismus und der Ökonomismus

Wenn man von der Existenz anderer Klassen als der des Proletariats in der Übergangsperiode spricht, stellt sich sofort die Frage nach einer halb-staatlichen Organisation, die u.a. die Aufgabe hätte, diese Massen politisch zu vertreten. Eine weitere Konsequenz des abstrakten Schemas der holländischen Genossen ist also, dass sie das Problem des Staates vermeiden. Wiederum sieht Hennaut, wie wir festgestellt haben, dass "der Staat im System der holländischen Genossen einen Platz einnimmt, der gelinde gesagt zweideutig ist"[20]. Mitchell stellt fest, dass die Arbeiterklasse, solange es Klassen gibt, die Geißel eines Staates ertragen muss, und dass dies mit dem Problem des Zentralismus verbunden ist:

"Die Analyse der holländischen Internationalisten entfernt sich zweifellos vom Marxismus, weil sie nie die wesentliche Tatsache vorbringt, dass das Proletariat gezwungen ist, sich mit der 'Geißel' des Staates auseinanderzusetzen, bis die Klassen verschwunden sind, das heißt, bis zum Verschwinden des Weltkapitalismus. Aber eine solche historische Notwendigkeit zu betonen, bedeutet zuzugeben, dass die Staatsfunktionen immer noch vorübergehend mit der Zentralisierung verwechselt werden, auch wenn dies nach der Zerstörung des kapitalistischen Unterdrückungsapparates geschieht und der Entwicklung des kulturellen Niveaus der arbeitenden Massen und ihrer Fähigkeit, die Verantwortung zu übernehmen, nicht unbedingt entgegensteht. Anstatt die Lösung für diese Entwicklung im realen Kontext der historischen und politischen Bedingungen zu suchen, haben die holländischen Internationalisten versucht, sie in einer Formel für die Aneignung zu finden, die sowohl utopisch als auch rückschrittlich ist und die sich nicht so deutlich vom 'bürgerlichen Recht' unterscheidet, wie sie sich vorstellen."[21]

Im Lichte der russischen Erfahrung hatten die niederländischen Genossen sicherlich Recht, wenn sie sich davor hüteten, dass irgendein zentrales Organisationsorgan diktatorische Befugnisse über die Arbeiter übernehmen könnte. Gleichzeitig lehnen die Grundprinzipien die Notwendigkeit einer gewissen Form der zentralen Koordination nicht ab. Sie sprechen von einem Zentralamt für Statistik und einem "Wirtschaftskongress der Arbeiterräte", aber diese werden als wirtschaftliche Gremien dargestellt, die mit einfachen Koordinationsaufgaben betraut sind: Sie scheinen keine politischen oder staatlichen Funktionen zu haben. Aber indem sie einfach im Voraus anordnen, dass solche zentralen oder koordinierenden Organe keine staatlichen Funktionen übernehmen oder mit ihnen verbunden sein werden, schwächen sie in Wirklichkeit die Fähigkeit der Arbeiter, sich gegen eine reale Gefahr zu verteidigen, die während der gesamten Übergangsperiode bestehen wird: die Gefahr, dass der Staat, selbst ein "Halbstaat", der starr von den Einheitsorganen der Arbeiter gelenkt wird, sich zunehmend zu einer von der Gesellschaft autonomen Macht formt und wieder direkte Formen der wirtschaftlichen Ausbeutung durchsetzt.

Der Begriff des postrevolutionären Staates taucht in dem Buch zwar kurz auf (und zwar im allerletzten Kapitel). Aber in den Worten der GIC "steht [der Staat] als reiner Machtapparat der Diktatur des Proletariats da. Er wird den Widerstand der Bourgeoisie brechen –, aber er hat in der Verwaltung der Wirtschaft nichts zu suchen".[22]

Mitchell bezieht sich nicht auf diese Passage, aber sie würde seinen Bedenken gegen die Tendenz der GIC, den Staat und die Diktatur des Proletariats als ein und dasselbe zu sehen, nicht widersprechen – eine Identifizierung, die seiner Ansicht nach die Arbeiter zugunsten des Staates entwaffnet: "Die aktive Anwesenheit proletarischer Organisationen ist die Bedingung, um den proletarischen Staat im Dienste der Arbeiter zu halten und zu verhindern, dass er sich gegen sie wendet. Den widersprüchlichen Dualismus des proletarischen Staates zu leugnen, bedeutet, die historische Bedeutung der Übergangsperiode zu verfälschen.

Einige Genossen sind dagegen der Meinung, dass es in dieser Periode eine Identifikation zwischen den Arbeiterorganisationen und dem Staat geben müsse (vgl. Genosse Hennaults 'Wesen und Entwicklung des russischen Staates', Bilan S. 1121). Die holländischen Internationalisten gehen sogar noch weiter, wenn sie sagen, dass, da "die Arbeitszeit das Maß für die Verteilung des gesellschaftlichen Produkts ist und die gesamte Verteilung außerhalb jeder 'Politik' bleibt, die Gewerkschaften im Kommunismus keine Funktion haben und der Kampf für die Verbesserung der Lebensbedingungen zu einem Ende gekommen sein wird" (S. 115 ihrer Arbeit).

Der Zentrismus geht auch von der Vorstellung aus, dass, da der Sowjetstaat ein Arbeiterstaat sei, jede von den Arbeitern erhobene Forderung zu einem Akt der Feindseligkeit gegenüber 'ihrem' Staat werde und daher die völlige Unterordnung der Gewerkschaften und der Betriebskomitees unter den Staatsmechanismus rechtfertige."[23]

Die deutsch-niederländische Linke erkannte natürlich viel schneller, dass die Gewerkschaften bereits im Kapitalismus aufgehört hatten, proletarische Organe zu sein, ganz zu schweigen von der Übergangsperiode zum Kommunismus, wo die Arbeiterklasse ihre eigenen Einheitsorgane (Fabrikkomitees, Arbeiterräte usw.) geschaffen hätte. Aber Mitchells grundlegender Punkt bleibt vollkommen gültig. Indem sie den Weg mit dem Ziel verwechseln, indem sie andere nichtproletarische Klassen und die ganze komplexe soziale Heterogenität der Situation nach dem Aufstand aus der Gleichung ausschließen und vor allem indem sie eine fast sofortige Abschaffung des Zustands des Proletariats als ausgebeutete Klasse ins Auge fassen, lassen die holländischen Genossen, bei aller Antipathie gegen den Staat, die Tür für die Idee offen, dass während der Übergangsperiode die Notwendigkeit für die Arbeiterklasse, ihre unmittelbaren Interessen zu verteidigen, überflüssig werde. Für die italienische Linke war die Notwendigkeit, die Unabhängigkeit der Gewerkschaften und/oder Fabrikkomitees von der allgemeinen Organisation der Gesellschaft – kurz gesagt, vom Übergangsstaat – zu bewahren, eine grundlegende Lehre aus der Russischen Revolution, wo der "Arbeiterstaat" am Ende die Arbeiter unterdrückte.

Dieses Ausweichen oder die Vereinfachung der Frage des Staates ist, ebenso wie das Versagen der GIC, die Notwendigkeit der internationalen Ausdehnung der Revolution zu begreifen, Teil einer umfassenderen Unterschätzung der politischen Dimension der Revolution. Die Besessenheit der GIC ist die Suche nach einer Methode zur Berechnung, Verteilung und Entlohnung der gesellschaftlichen Arbeit, so dass die zentrale Kontrolle auf ein Minimum beschränkt werden kann und die Übergangswirtschaft auf halbautomatische Weise zum integralen Kommunismus fortschreiten kann. Aber für Mitchell ist die Existenz solcher Gesetze kein Ersatz für die wachsende politische Reife der arbeitenden Massen, für ihre tatsächliche Fähigkeit, dem gesellschaftlichen Leben ihre eigene Richtung aufzuzwingen.

"Die holländischen Genossen haben zwar eine unmittelbare Lösung vorgeschlagen: kein wirtschaftlicher oder politischer Zentralismus, der nur eine unterdrückerische Form annehmen kann, sondern die Übertragung der Verwaltung auf Unternehmensorganismen, die die Produktion durch ein 'allgemeines Wirtschaftsgesetz' (...) koordinieren würden. Für sie vollzieht sich die Abschaffung der Ausbeutung (und damit der Klassen) nicht in einem langen historischen Prozess, in dem die Beteiligung der Massen an der gesellschaftlichen Verwaltung unaufhörlich wächst, sondern in der Kollektivierung der Produktionsmittel, sofern diese das Verfügungsrecht der Betriebsräte über die Produktionsmittel und das gesellschaftliche Produkt beinhaltet. Aber abgesehen davon, dass dies eine Formulierung ist, die ihren eigenen Widerspruch enthält – da sie darauf hinausläuft, der integralen Kollektivierung (Eigentum aller und von niemandem im Besonderen) eine Art eingeschränkte, zerstreute Kollektivierung zwischen gesellschaftlichen Gruppen entgegenzusetzen (die Aktiengesellschaft ist auch eine partielle Form der Kollektivierung) –, neigt sie einfach dazu, eine juristische Lösung (das Recht, über die Unternehmen zu verfügen) durch eine andere juristische Lösung, die Enteignung der Bourgeoisie, zu ersetzen. Aber wie wir bereits gesehen haben, ist die Enteignung der Bourgeoisie nur die Anfangsbedingung für die gesellschaftliche Transformation (auch wenn die volle Kollektivierung nicht sofort realisierbar ist), und der Klassenkampf wird wie vor der Revolution weitergehen, aber auf politischer Grundlage, die es dem Proletariat erlaubt, die entscheidende Richtung durchzusetzen."[24]

Hinter dieser Ablehnung der politischen Dimension des Klassenkampfes können wir einen grundlegenden Unterschied zwischen den beiden Zweigen der kommunistischen Linken in ihrem Verständnis des Übergangs zum Kommunismus erkennen. Die holländischen Genossen erkennen zwar die Notwendigkeit von Wachsamkeit, "denn aus der kapitalistischen Wirtschaftsweise bleibt vorläufig noch eine kräftige Tendenz, die Verfügungsgewalt in eine Zentrale zu legen"[25], aber dieser erhellende Absatz erscheint in der Mitte einer Untersuchung über die Buchhaltungsmethoden in der Übergangsperiode, und im Buch insgesamt gibt es wenig Sinn für den immensen Kampf, der notwendig sein wird, um die Gewohnheiten der Vergangenheit sowie ihre materielle und soziale Verkörperung in Klassen, Schichten und Individuen zu überwinden, die dem Kommunismus mehr oder weniger feindlich gegenüberstehen. In der Sichtweise der GIC scheint es wenig Notwendigkeit für einen politischen Kampf, eine Konfrontation zwischen gegensätzlichen Klassenstandpunkten, innerhalb der Organe der Arbeiterklasse zu geben, sei es am Arbeitsplatz oder auf einer breiteren gesellschaftlichen Ebene. Das stimmt auch mit ihrer Ablehnung der Notwendigkeit kommunistischer politischer Organisationen, der Klassenpartei, überein.

Wir werden uns im zweiten Teil dieses Artikels mit einigen der eher theoretischen Probleme der ökonomischen Dimension der kommunistischen Transformation befassen.

C.D. Ward, 08.03.2013

Anhang

Auszug aus unserem Buch Die Deutsch-Holländische Linke

Kapitel 7, Teil 4: Eine „ökonomistische“ Sichtweise der Revolution: die Grundprinzipien

b) Die Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Kommunismus

Die Frage der Übergangsperiode zum Kommunismus nach der Machtergreifung durch die Arbeiterräte wurde von den deutschen, dann von den holländischen Rätekommunisten immer von einem streng ökonomischen Standpunkt aus angegangen. Die Entartung der Russischen Revolution und die Entwicklung Sowjetrusslands zum Staatskapitalismus bewiesen nach Ansicht der GIC das Scheitern der "Politik", in der die Diktatur des Proletariats in erster Linie als eine politische Diktatur über die gesamte Gesellschaft gesehen wurde und die die wirtschaftlichen Aufgaben des Proletariats in den Hintergrund drängte. Diese Idee wurde von Pannekoek mit besonderem Nachdruck vertreten: "Die traditionelle Auffassung ist die Herrschaft der Politik über die Wirtschaft ... was die Arbeiter anstreben müssen, ist die Herrschaft der Wirtschaft über die Politik."[26]

Diese Ansicht war genau das Gegenteil von dem, was andere revolutionäre Gruppen in den 30er Jahren vertraten, wie z. B. die italienische kommunistische Linke, die eine ganze theoretische Diskussion über die Zeit des Übergangs eröffnet hatte.[27]

Anders als die deutsche und italienische kommunistische Linke[28] zeigte die GIC kein großes Interesse an den politischen Fragen der proletarischen Revolution, an theoretischen Überlegungen über den Staat in der Übergangsperiode. Das Verhältnis zwischen dem neuen Staat der Übergangsperiode, den revolutionären Parteien und den Arbeiterräten wurde trotz der russischen Erfahrung nie behandelt. Es gibt auch nichts über das Verhältnis zwischen der revolutionären Internationale und dem Staat oder den Staaten in Ländern, in denen das Proletariat die politische Macht übernommen hat. Ebenso wenig wurden die komplexen Fragen der proletarischen Gewalt[29] und des Bürgerkriegs in einer revolutionären Periode gestellt. Für die GIC schien es, als ob es kein Problem der Existenz eines Staates – oder eines Halbstaates – in der Periode des Übergangs zum Kommunismus gäbe. Die Fragen, ob es ihn gebe und welcher Art er sei ("proletarischer" Staat oder eine vom Proletariat geerbte "Geißel"), wurden nie gestellt. Diesen Problemen wurde mehr oder weniger ausgewichen.

Der Haupttext der GIC[30] über die Übergangsperiode, "Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung", befasste sich nur mit den ökonomischen Problemen dieser Periode.

Der Ausgangspunkt der GIC war, dass das Scheitern der russischen Revolution und die Entwicklung zum Staatskapitalismus nur durch die Unkenntnis oder sogar die Leugnung der Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Transformation der Gesellschaft erklärt werden konnte – dieses Problem war der gesamten Arbeiterbewegung gemeinsam. Aber paradoxerweise erkannte die GIC die fundamentale Rolle der russischen Erfahrung an, die es erst ermöglichte, die marxistische Theorie voranzubringen:

"... zumindest was die industrielle Produktion betraf [...] hat Russland versucht, das Wirtschaftsleben nach den Prinzipien des Kommunismus zu ordnen – und ist dabei völlig gescheitert! [...] Es war vor allem die Schule der Praxis, die die Russische Revolution verkörperte, der wir diese Erkenntnis zu verdanken haben, denn sie hat uns unmissverständlich gezeigt, welche Folgen es hat, wenn man zulässt, dass sich eine zentrale Autorität als gesellschaftliche Macht etabliert, die dann dazu übergeht, alle Macht über den Produktionsapparat in ihren ausschließlichen Händen zu konzentrieren."[31]

Für die holländischen Rätekommunisten bedeutete die Diktatur des Proletariats unmittelbar "die Vereinigung der freien und gleichen Produzenten". Die Arbeiter, die in den Fabriken in Räten organisiert waren, mussten den gesamten Produktionsapparat in die Hand nehmen und ihn für ihre eigenen Bedürfnisse als Konsumenten arbeiten lassen, ohne auf irgendeine zentrale staatsähnliche Instanz zurückzugreifen, da dies nur die Aufrechterhaltung einer Gesellschaft der Ungleichheit und Ausbeutung bedeuten konnte. Auf diese Weise wäre es möglich, eine Situation zu vermeiden, in der die Art von "Staatskommunismus", die während der Phase des Kriegskommunismus 1918-20 eingerichtet wurde, sich unweigerlich in eine Form von Staatskapitalismus verwandelt, dessen Produktionsbedürfnisse die der Arbeiter als Produzenten und Konsumenten dominieren. In der neuen Gesellschaft, die von den Räten und nicht von einem von einer zentralisierten Partei geführten Staat beherrscht wird, würde die Lohnarbeit - die Quelle aller Ungleichheit und aller Ausbeutung der Arbeitskraft - abgeschafft werden.

Letztlich waren für die GIC die Probleme der Übergangsperiode sehr einfach: Die Hauptsache war, dass die Produzenten das gesellschaftliche Produkt auf egalitäre Weise und durch Ausübung der Autorität "von unten nach oben" kontrollieren und verteilen sollten. Das wesentliche Problem der Übergangsperiode, wie es sich 1917 zeigte, war für sie nicht politisch – die Frage der weltweiten Ausdehnung der proletarischen Revolution –, sondern ökonomisch. Was zählte, war die unmittelbare, egalitäre Steigerung des Arbeiterkonsums, die von den Fabrikräten organisiert wurde. Das einzige wirkliche Problem der Übergangsperiode war für die GIC die Beziehung zwischen den Produzenten und ihren Produkten: "Es ist das Proletariat selbst, das den Grundstein legt, der das grundlegende Verhältnis zwischen den Produzenten und dem Produkt ihrer Arbeit zementiert. Dies und nur dies ist die Schlüsselfrage der proletarischen Revolution."[32]

Wie aber sollte die "egalitäre" Verteilung des Sozialprodukts erreicht werden? Offensichtlich nicht durch einfache juristische Maßnahmen: Verstaatlichung, "Sozialisierung", die verschiedenen Formen der Übernahme von Privateigentum durch den Staat. Die Lösung lag nach Ansicht der GIC in der Berechnung der Produktionskosten in Form der Arbeitszeit in den Betrieben, bezogen auf die Menge der geschaffenen gesellschaftlichen Güter. Abhängig von der jeweiligen Produktivität der verschiedenen Unternehmen wäre natürlich für das gleiche Produkt die benötigte Arbeitsmenge ungleich. Um dieses Problem zu lösen, würde es genügen, die durchschnittliche gesellschaftliche Arbeitszeit für jedes Produkt zu berechnen. Die Arbeitsmenge, die in den produktivsten Betrieben, also denjenigen, die über dem gesellschaftlichen Durchschnitt liegen, geleistet wird, würde in einen gemeinsamen Fonds fließen. Dies würde die weniger produktiven Unternehmen auf das allgemeine Niveau bringen. Gleichzeitig würde es dazu dienen, den technischen Fortschritt einzuführen, der für die Entwicklung der Produktivität in den Unternehmen eines bestimmten Sektors notwendig ist, um die durchschnittliche Produktionszeit zu reduzieren.

Die Organisation des Konsums sollte auf denselben Prinzipien beruhen. Ein allgemeines System der sozialen Buchführung, das auf statistischer Dokumentation beruht und von den in Räten und Genossenschaften organisierten Erzeugern-Verbrauchern eingerichtet wird, soll zur Berechnung der Verbrauchsfaktoren verwendet werden. Nach verschiedenen Abzügen – Ersatz verschlissener Maschinen, technische Verbesserungen, ein Sozialversicherungsfonds für Arbeitsunfähige, für Naturkatastrophen usw. – würde die Sozialreserve für jeden Verbraucher gleich verteilt. Den egalitären Produktionsbedingungen, die durch die Berechnung der durchschnittlichen gesellschaftlichen Arbeitszeit gewährleistet werden, stünden allgemein gleiche Bedingungen für alle einzelnen Konsumenten gegenüber. Dank dieses Systems der sozialen Buchhaltung würde das Wertgesetz abgeschafft: Produkte würden nicht mehr auf der Grundlage ihres Tauschwertes mit Geld als universellem Maß zirkulieren. Darüber hinaus würde die neue Gesellschaft mit der Einrichtung eines "neutralen", von den Räten nicht losgelösten, von jeder Personengruppe und von jeder zentralen Stelle unabhängigen Buchhaltungs- und Statistikzentrums der Gefahr der Bildung einer parasitären Bürokratie entgehen, die sich einen Teil des Sozialprodukts aneignet.

Die Grundprinzipien haben das Verdienst, die Bedeutung der ökonomischen Probleme in der Periode des Übergangs vom Kapitalismus zum Kommunismus zu unterstreichen, umso mehr, als dies in der revolutionären Bewegung nur sehr selten angesprochen wurde. Ohne eine reale und kontinuierliche Steigerung des Arbeiterkonsums hat die Diktatur des Proletariats keine Bedeutung, und die Verwirklichung des Kommunismus wäre ein frommer Wunsch.

Aber der Text der GIC litt unter einer ganzen Reihe von Schwächen, die auch anderen revolutionären Gruppen nicht verborgen blieben.[33]

Die Grundprinzipien befassen sich eigentlich nur mit der entwickelten Phase des Kommunismus, in der die Regierung der Menschen durch die "Verwaltung der Dinge" ersetzt worden ist, gemäß dem von Marx verkündeten Prinzip "jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen". Die GIC glaubte, dass es sofort möglich sei, sobald die Arbeiterräte in einem bestimmten Land die Macht übernommen hätten, zu einer entwickelten Form des Kommunismus überzugehen. Sie ging von einer idealen Situation aus, in der das siegreiche Proletariat den Produktionsapparat der hochentwickelten Länder übernommen hat und von allen Kosten des Bürgerkriegs (Zerstörung, ein großer Teil der Produktion geht für militärische Bedürfnisse drauf) verschont geblieben ist; außerdem geht sie davon aus, dass es kein Problem mit den Bauern gebe, das der Vergesellschaftung der Produktion im Wege steht, da, so die GIC, die landwirtschaftliche Produktion bereits vollständig industriell und vergesellschaftet sei.[34] Schließlich stellten weder die Isolierung einer oder mehrerer proletarischer Revolutionen noch die Archaismen der kleinbäuerlichen Produktion ein wesentliches Hindernis für die Errichtung des Kommunismus dar: "Weder das Ausbleiben der Weltrevolution noch die Untauglichkeit der einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe auf dem Lande für die staatliche Leitung können für das Scheitern der russischen Revolution [...] auf wirtschaftlicher Ebene verantwortlich gemacht werden."[35]

Damit entfernte sich die GIC von der marxistischen Auffassung der Übergangsperiode, die zwei Phasen unterschied: eine untere Stufe, die manchmal als Sozialismus bezeichnet wurde, in der die "Regierung der Menschen" eine proletarische Wirtschaftspolitik in einer noch vom Mangel beherrschten Gesellschaft bestimmt; und eine höhere Phase, die des eigentlichen Kommunismus, einer Gesellschaft ohne Klassen, ohne Wertgesetz, in der sich die Produktivkräfte frei entwickeln, im Weltmaßstab, unbelastet von nationalen Grenzen. Aber auch für die untere Stufe der Übergangsperiode, die noch vom Wertgesetz und der Existenz rückständiger Klassen beherrscht wird, betonte der Marxismus, dass die Bedingung für jede wirtschaftliche Transformation in eine sozialistische Richtung der Triumph der Weltrevolution ist. Der Beginn jeder wirklichen wirtschaftlichen Umgestaltung der neuen, noch in Klassen gespaltenen Gesellschaft hängt in erster Linie davon ab, dass sich das Proletariat gegenüber den anderen Klassen politisch behauptet.

Die "ökonomistische" Sichtweise der GIC hängt mit ihrer Unfähigkeit zusammen, das Problem der Existenz eines Staates – eines "Halbstaates" – in der Periode der Diktatur des Proletariats, am Anfang der Übergangsperiode, zu begreifen. Dieser Halbstaat stellt eine Gefahr für die proletarische Macht dar, da sie eine Kraft zur Erhaltung der Gesellschaft ist, "eine Kraft, die aus der Gesellschaft hervorgeht, sich aber über sie erhebt und sich mehr und mehr von ihr verselbständigt".[36]

Die Theorie der GIC über die Übergangsperiode scheint der anarchistischen Theorie nahe zu stehen, die die Existenz eines Staates und damit eines politischen Kampfes um die Herrschaft über die neue Gesellschaft leugnet. Die im Grunde "technische" Rolle, die die GIC den Arbeitern zuweist, die damit beauftragt sind, die durchschnittliche gesellschaftliche Arbeitszeit in der Produktion einzuhalten, war eine implizite Negierung ihrer politischen Rolle.

Wie die Anarchisten sah auch die GIC den Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft als einen mehr oder weniger natürlichen und automatischen Prozess. Nicht als Höhepunkt eines langen, widersprüchlichen Prozesses des Klassenkampfes um die Vorherrschaft des Halbstaates, gegen alle konservativen Kräfte, sondern als Ergebnis einer linearen, harmonischen, fast mathematischen Entwicklung. Diese Ansicht hat eine gewisse Ähnlichkeit mit den Ideen der utopischen Sozialisten des 19. Jahrhunderts, insbesondere mit Fouriers Universeller Harmonie.[37]

Die letzte Schwäche der Grundprinzipien liegt in der Frage der Verbuchung der Arbeitszeit, selbst in einer fortgeschrittenen kommunistischen Gesellschaft, die über die Knappheit hinausgegangen ist. Ökonomisch gesehen könnte dieses System das Wertgesetz wieder einführen, indem es der für die Produktion benötigten Arbeitszeit einen buchhalterischen und nicht einen gesellschaftlichen Wert gibt. Hier wendet sich die GIC gegen Marx, für den das Standardmaß in der kommunistischen Gesellschaft nicht mehr die Arbeitszeit, sondern die freie Zeit, die Freizeit ist.[38]

Zweitens bietet die Existenz eines "neutralen", vermeintlich technischen Buchhaltungszentrums keine ausreichende Garantie für den Aufbau des Kommunismus. Dieses "Zentrum" könnte zu einem Selbstzweck werden, indem es Stunden gesellschaftlicher Arbeit auf Kosten der Konsumbedürfnisse und der Freizeit der Produzenten-Konsumenten akkumuliert und sich zunehmend von der Gesellschaft verselbständigt. Wenn die Produzenten "an der Basis" sich immer weniger um die Kontrolle des "Zentrums" und um die gesellschaftliche Organisation im Allgemeinen kümmerten, käme es unweigerlich zu einer Übertragung der Funktionen, die von den Organen der Produzenten ausgeführt werden sollten, auf "technische" Organe, die sich mehr und mehr verselbstständigen. Die Leugnung dieser potentiellen Gefahren durch die GIC blieb nicht ohne Folgen. Die holländischen Internationalisten lehnten schließlich jede Möglichkeit ab, dass es auch im Kommunismus einen Kampf der Produzenten für die Verbesserung ihrer Arbeits- und Existenzbedingungen geben könnte: Die GIC weigerte sich, die Möglichkeit einer Gesellschaft ins Auge zu fassen, in der der Kampf "für bessere Lebensbedingungen niemals endet" und in der "der Kampf um die Verteilung der Produkte weitergeht"[39]. Führt dies nicht die Idee wieder ein, dass die Produzenten-Konsumenten nicht gegen sich selbst kämpfen können, einschließlich ihrer "Buchhaltungszentrale"?

Für die GIC erscheint der Kommunismus als eine absolute Gleichheit zwischen den Produzenten, die gleich zu Beginn der Übergangsperiode verwirklicht werden soll,[40] als ob es im Kommunismus keine natürliche (physische oder psychische) Ungleichheit in Produktion und Konsumtion mehr gäbe. Tatsächlich aber kann der Kommunismus als "reale Gleichheit in einer natürlichen Ungleichheit"[41] definiert werden.

 

[1] /content/1435/der-kommunismus-der-beginn-der-wirklichen-geschichte-der-menschheit-serie-iii-teil-1 [4]

[2] Zusammenfassung in Englisch: https://en.internationalism.org/ir/125-communism [5]

[3] Die Artikel befinden sich in der englischen Ausgabe der International Review Nr. 127-132 (auch im Internet)

[4] Vgl. den Artikel im Band 2 dieser Reihe (auf Englisch), Unravelling the Russian enigma in International Review Nr. 105

[5] https://www.sinistra.net/lib/upt/kompro/ren/renegategd.html [6]

[6] Bilan Nr. 19, 20, 21, 22, 23

[7] Unter den Studien zu den Grundprinzipien können wir Paul Matticks Einleitung von 1970 zur deutschen Neuauflage des Buches erwähnen, die unter libcom.org/library/introduction-paul-mattick [7] (Englisch) erhältlich ist. Die 1990er Ausgabe des Buches, herausgegeben von Movement for Workers' Councils, enthält einen langen Kommentar von Mike Baker, geschrieben kurz vor seinem Tod, der auch zum Verschwinden der Gruppe führte. Unser eigenes Buch, The Dutch and German Communist Left, 2001, enthält einen Abschnitt über die Grundprinzipien, den wir als Anhang zu diesem Artikel veröffentlichen. Dieser Abschnitt zeigt die Kontinuität unserer Ansichten mit den Kritiken an dem Text, die zuerst durch Mitchells Artikel aufgeworfen wurden. Die deutsche Ausgabe der Grundprinzipien ist 2020 erneut aufgelegt worden.

[8] Bilan Nr. 19, Les fondements de la production et de la distribution communistes

[9] Bilan Nr. 33 und 34, Nature et évolution de la révolution russe

[10] Bilan Nr. 34, S. 1124

[11] Wir sollten hier präziser sein: Mitchell, selbst ehemaliges Mitglied der LCI, gehörte eigentlich der Belgischen Fraktion an, die sich wegen der Frage des Krieges in Spanien von der LCI abgespaltet hatte. In einer seiner Artikelserien über die Übergangsperiode (Bilan Nr. 38) äußerte er einige Kritikpunkte "an den Genossen von Bilan", da er das Gefühl hatte, dass sie dem wirtschaftlichen Aspekt der Übergangsperiode nicht genug Aufmerksamkeit schenkten.

[12] Vgl. auf Englisch: https://en.internationalism.org/ir/127/vercesi-period-of-transition [8]; oder auch das entsprechende Kapitel in unserem Buch Die Italienische Kommunistische Linke: /content/713/kapitel-7-bilanz-der-russischen-revolution-partei-gewerkschaften-klassenkampf-der-staat [9]; siehe auch auf Deutsch übersetzt: Gauche Communiste de France (Kommunistische Linke Frankreichs), M.C. April 1946, aus INTERNATIONALISME, /content/855/3-thesen-ueber-das-wesen-des-staates-und-der-proletarischen-revolution [10].  

[13] Bilan Nr. 21, zitiert in The 1930s: debate on the period of transition, in International Review n° 127 (englische Ausgabe)

[14] Bilan Nr. 37, wiederveröffentlicht in englischer Übersetzung in International Review n° 132

[15] Bilan Nr. 35, wiederveröffentlicht in englischer Übersetzung in International Review n° 131

[16] Bilan Nr. 22, Les internationalistes hollandais sur le programme de la révolution prolétarienne

[17] Bilan Nr. 35

[18] Bilan Nr. 37

[19] Grundprinzipien, Kapitel VI, “Die allgemeine gesellschaftliche Arbeit”

[20] Bilan Nr. 22

[21] Bilan Nr. 37

[22] Grundprinzipien, Kapitel XIX, Untertitel “Vermeintliche Utopie”

[23] Bilan Nr. 37

[24] Bilan Nr. 37

[25] Grundprinzipien, Kapitel X, Untertitel “Die sachliche Kontrolle”

[26] “De Arbeidersklasses en de Revolutie”, in Radencommunisme Nr. 4, März/April 1940

[27] Einige Texte von Bilan über die Übergangsperiode wurden auch ins Italienische übersetzt: Rivoluzione e reazione (lo stato tardo-capitalistico nell'analisi delle Sinistra Communista), Università degli studi di Massina, Milan, Dotl A2. Giuffre editore, 1983, mit einer Einleitung von Dino Erba und Arturo Peregalli.

[28] Die Frage nach dem Staat in der Übergangsperiode wurde vor allem von der Essener Tendenz der KAPD  1927 gestellt. Die Arbeiterräte wurden als “proletarischer” Staat identifiziert  (siehe  KAZ, Essen. S. 1 - 11, 1927). Der einzige Beitrag der Berliner Tendenz war ein Text von Appel (Max Hempel) der “Lenins Staatkommunismus” in Proletarier N° 4-6, Mai 1927 kritisierte: “Marx-Engels und Lenin über die Rolle des Staates in der proletarischen Revolution”

[29] Die Frage nach dem Staat in der Übergangsperiode wurde vor allem von der Essener Tendenz der KAPD  1927 gestellt. Die Arbeiterräte wurden als “proletarischer” Staat identifiziert (siehe KAZ, Essen, S. 1-11, 1927). Der einzige Beitrag der Berliner Tendenz war ein Text von Appel (Max Hempel) der “Lenins Staatkommunismus” im Proletarier Nr. 4-6, Mai 1927 kritisierte: “Marx-Engels und Lenin über die Rolle des Staates in der proletarischen Revolution”.

[30] Die Grundprinzipien mit einer Einleitung von Paul Mattick wurden 1970 in Berlin vom Rudger Blankertz Verlag wiederveröffentlicht, die holländische Ausgabe, die viele Ergänzungen enthält, wurde 1972 von Uitgevery De Vlam mit einer Einleitung des Spartacusbond wiederveröffentlicht. Eine vollständige französische Übersetzung ist von Cahiers Spartacus geplant. Eine englische Ausgabe wurde in London von Movement for Workers’ Councils, 1990, veröffentlicht.

[31] Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung, 1930

[32] Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung, Hervorhebung GIC

[33] Eine Kritik des GIC-Textes wurde in Bilan von Nr. 11 bis 38, geschrieben von Mitchell (Jehan van den Hoven), einem Mitglied der belgischen LCI veröffentlicht. Hennaut, im Namen der LCI, erstellte in Bilan Nr. 19, 20, 21, 22 und 23 eine Zusammenfassung der Grundprinzipien.

[34] Diese These wurde 1933 von der GIC in der Broschüre Ontwikkelingsljnen in de landbouw, S. 1-48 vertreten.

[35] Grundprinzipien in der Wiederöffentlichung De Vlam, 1970, S. 10

[36] Engels, Ursprung der Familie, des Privateigentum und des Staats. Ein Resümee und eine Studie über die verschiedenen Positionen der Linken in der Dritten Internationale zur Übergangsperiode finden sich in den Thesen von J. Sie: Sur la période de transition au socialisme: les positions des gauches de la 3ème Internationale, veröffentlicht von Cosmopolis, Leiden, 1986.

[37] Diese Rückkehr zur Utopie findet sich bei Rühle, der 1939 eine Studie zu den utopischen Bewegungen veröffentlichte: Mut zur Utopie!, wiederveröffentlicht 1971 bei Rowohlt, Hamburg: Otto Rühle, Bauplane für eine neue Gesellschaft.

[38] „so wird einerseits die notwendige Arbeitszeit ihr Maß an den Bedürfnissen des gesellschaftlichen Individuums haben, andrerseits die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft so rasch wachsen, daß, obgleich nun auf den Reichtum aller die Produktion berechnet ist, die disposable time aller wächst. Denn der wirkliche Reichtum ist die entwickelte Produktivkraft aller Individuen. Es ist dann keineswegs mehr die Arbeitszeit, sondern die disposable time das Maß des Reichtums. Die Arbeitszeit als Maß des Reichtums setzt den Reichtum selbst als auf der Armut begründet und die disposable time nur existierend im und durch den Gegensatz zur Surplusarbeitszeit oder Setzen der ganzen Zeit des Individuums als Arbeitszeit und Degradation desselben daher zum bloßen Arbeiter, Subsumtion unter die Arbeit“ (Marx, Grundrisse, Heft VII, MEW 42, S. 622).

[39] Grundprinzipien, S. 40

[40] Der Großteil der kommunistischen Linken beharrte dagegen darauf, dass Gleichheit bei der Verteilung von Konsumgütern gleich zu Beginn der Übergangsperiode unmöglich sei. Vor allem in einer Periode des Bürgerkriegs, in der die neue Macht der Räte auf die Existenz von Spezialisten angewiesen sein würde.

[41] Bilan Nr. 35, Sept./Okt. 1936, “Problèmes de la période de transition”, von Mitchell („Probleme der Übergangsperiode“)

Anmerkung: Mittlerweile (2020) liegt auf Deutsch erstmals die vollständige 2. Auflage der holländischen Ausgabe von 1935 vor, diese ist umfassender als die Ausgabe von 1930/31, die meistens aus der deutschen Wiederveröffentlichung von 1970 bekannt ist. Unsere Zitate aus den Grundprinzipien (im vorliegenden Anhang) sind eigene Übersetzungen, die bisher nicht mit dieser neuen Ausgabe abgeglichen wurden (Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung (anarchia-versand.net) [11])


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Links
[1] http://www.mlwerke.de/me/me13/me13_007.htm [2] http://www.mlwerke.de/me/me25/me25_251.htm#Kap_15_III [3] https://de.internationalism.org/content/2861/resolution-zur-internationalen-lage-2019-imperialistische-spannungen-leben-der [4] https://de.internationalism.org/content/1435/der-kommunismus-der-beginn-der-wirklichen-geschichte-der-menschheit-serie-iii-teil-1 [5] https://en.internationalism.org/ir/125-communism [6] https://www.sinistra.net/lib/upt/kompro/ren/renegategd.html [7] https://libcom.org/library/introduction-paul-mattick [8] https://en.internationalism.org/ir/127/vercesi-period-of-transition [9] https://de.internationalism.org/content/713/kapitel-7-bilanz-der-russischen-revolution-partei-gewerkschaften-klassenkampf-der-staat [10] https://de.internationalism.org/content/855/3-thesen-ueber-das-wesen-des-staates-und-der-proletarischen-revolution [11] https://www.anarchia-versand.net/Buecher-und-Broschueren/Marxismus-Kommunismus/Grundprinzipien-kommunistischer-Produktion-und-Verteilung::4466.html