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Internationale Revue 61

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Trump 2: Neue Schritte ins kapitalistische Chaos

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In den jüngsten Artikeln zu den ersten Tagen von Donald Trumps zweiter Präsidentschaft in den USA haben wir bereits erklärt, dass das gefährliche Chaos und die Zerwürfnisse, die er seit seinem Einzug ins Weiße Haus über die Welt gebracht hat, keine von seiner Person abhängige Ausnahme in einem ansonsten stabilen System ist, sondern Ausdruck des Zusammenbruchs des kapitalistischen Systems als Ganzes und seiner mächtigsten Nation. Das unberechenbare Gangstertum der Trump-Administration ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Ordnung in Trümmern. Darüber hinaus ist die liberal-demokratische Fraktion der US-Bourgeoisie, die sich mit aller Kraft gegen die neue Präsidentschaft wehrt, ebenso Teil dieses Zusammenbruchs und in keiner Weise ein „kleineres Übel“ oder eine Alternative zur populistischen MAGA-Bewegung (Make America Great Again), die von der Arbeiterklasse unterstützt werden sollte.

Welche politische Form der Kapitalismus heute auch immer annimmt, auf der Tagesordnung stehen nur Krieg, Krise und Verarmung der Arbeiterklasse. Die Arbeiterklasse muss für ihre Klasseninteressen gegen alle Teile der herrschenden Klasse kämpfen. Das Wiederaufleben des Klassenkampfs zur Verteidigung der Löhne und Arbeitsbedingungen, wie es kürzlich bei Boeing und in den Docks an der Ostküste der USA geschah, sowie das Wiederaufleben der Kampfbereitschaft in Europa sind das einzige Versprechen für die Zukunft.

In diesem Artikel wollen wir näher darlegen, warum und wie Trump für eine zweite Amtszeit gewählt wurde, warum er extremer und gefährlicher ist als in der ersten Amtszeit, um das selbstmörderische Schicksal der bürgerlichen Ordnung, die er kennzeichnet, und die proletarische Alternative dazu deutlicher aufzuzeigen.

Trumps erste Amtszeit, eine Zusammenfassung

Ende 2022, in der Mitte von Bidens Amtszeit im Weißen Haus, zog die IKS diese Bilanz der ersten Trump-Präsidentschaft:

  • „Der Ausbruch des Populismus im mächtigsten Land der Welt, der durch den Triumph von Donald Trump im Jahr 2016 gekrönt wurde, brachte vier Jahre widersprüchlicher und erratischer Entscheidungen, eine Verunglimpfung internationaler Institutionen und Abkommen, die das globale Chaos verstärkte und zu einer Schwächung und Diskreditierung der amerikanischen Macht führte und ihren historischen Niedergang weiter beschleunigte.“

Die Präsidentschaft Bidens, die auf Trumps erste Amtszeit folgte, war nicht in der Lage, diese sich verschlechternde Situation umzukehren:

  • „...egal wie sehr die Biden-Mannschaft es in ihren Reden verkündet, es ist keine Frage der Wünsche, es sind die Charakteristika dieser letzten Phase des Kapitalismus, die die Tendenzen bestimmen, denen er folgen muss und die unaufhaltsam in den Abgrund führen, wenn das Proletariat nicht durch eine kommunistische Weltrevolution ein Ende setzt.“[1]

Das Leitmotiv von Trumps erster Amtszeit und seiner Wahlkampagne – „America First“ – hat sich in seiner zweiten Amtszeit fortgesetzt. Dieser Leitspruch bedeutet, dass Amerika nur im eigenen nationalen Interesse und zum Nachteil anderer, sowohl von „Verbündeten“ als auch von Feinden, mit wirtschaftlicher, politischer und militärischer Gewalt handeln soll. In dem Maße, in dem die USA mit anderen Ländern „Deals“ – statt Verträge – abschließen können (die nach der „Philosophie“ hinter diesem Slogan ohnehin jederzeit gebrochen werden können), machen sie ausländischen Regierungen „ein Angebot, das sie nicht ablehnen können“ - gemäß der berühmten Zeile aus dem Gangsterfilm Der Pate. Wie Marco Rubio, der von Trump zum US-Außenminister ernannt wurde, den ausländischen Regierungen offenbar mitteilte, werden die USA mit ihnen nicht mehr über globale Interessen und die globale Ordnung sprechen, sondern nur noch über ihre eigenen Interessen. „Might is right" ist jedoch keine Parole für die amerikanische Führung.

America First war die Erkenntnis eines Teils der US-Bourgeoisie, dass die bis dahin verfolgte Außenpolitik, sich als Weltpolizist aufzuspielen, um nach dem Zusammenbruch des russischen Blocks 1989 eine neue Weltordnung zu schaffen, bis 2016 nur zu einer Reihe kostspieliger, unpopulärer und blutiger Misserfolge geführt hatte.

Die neue Politik spiegelte die endgültige Einsicht wider, dass die nach 1945 geschaffene Pax Americana[2], die bis zum Fall der Berliner Mauer die Welthegemonie der USA garantierte, in keiner Form wiederhergestellt werden konnte. Schlimmer noch, nach Trumps Interpretation bedeutete die Fortsetzung der Pax Americana – das heisst die Abhängigkeit der Verbündeten vom wirtschaftlichen und militärischen Schutz der Vereinigten Staaten -, dass die USA nun von diesen ehemaligen Mitgliedern ihres imperialistischen Blocks „ungerechtfertigt“ ausgenutzt wurden.

Die Hintergründe von Trumps erster Amtszeit

Die Operation „Wüstensturm“ im Jahr 1990 war der massive Einsatz militärischer Macht durch die USA am Persischen Golf mit dem Ziel, der zunehmenden weltweiten Unordnung in der Geopolitik nach dem Zerfall der UdSSR entgegenzuwirken. Er richtete sich insbesondere gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen ihrer ehemaligen Hauptverbündeten in Europa.

Doch nur wenige Wochen nach diesem grausamen Massaker brach im ehemaligen Jugoslawien ein neuer blutiger Konflikt aus. Deutschland erkannte im Alleingang die neue Republik Slowenien an. Erst mit der Bombardierung Belgrads und dem Dayton-Abkommen von 1995 gelang es den USA, ihre Autorität in dieser Situation durchzusetzen. Der Wüstensturm hatte die zentrifugalen Tendenzen des Imperialismus nicht abgeschwächt, sondern eher verstärkt. In der Folge entwickelte sich der islamische Dschihadismus, Israel begann, den von den USA mühsam eingefädelten palästinensischen Friedensprozess zu sabotieren, und der Völkermord in Ruanda hinterließ eine Million Tote, wobei die mitschuldigen westlichen Mächte für ihre unterschiedlichen Interessen handelten. Die 1990er-Jahre waren trotz der Bemühungen der USA kein Beispiel für die Schaffung einer neuen Weltordnung, sondern für die Betonung der Eigeninteressen in der Außenpolitik und damit für die Schwächung der Führungsrolle der USA.

Die US-Außenpolitik der „Neo-Konservativen“ unter George W. Bush, der im Jahr 2000 Präsident wurde, führte zu noch katastrophaleren Misserfolgen. Nach 2001 wurde mit der US-Invasion in Afghanistan und Irak im Namen des „Kriegs gegen den Terror“ eine weitere massive Militäroperation im Nahen Osten gestartet. Doch bis 2011, als sich die USA aus dem Irak zurückzogen, war keines der angestrebten Ziele erreicht. Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen – ein erfundener Vorwand für die Invasion – erwiesen sich als nicht existent. Demokratie und Frieden wurden im Irak nicht anstelle der Diktatur errichtet. Der Terrorismus wurde nicht zurückgedrängt, im Gegenteil: Al-Qaida erhielt einen massiven Auftrieb, der in Westeuropa blutige Spuren hinterließ. In den USA selbst waren die militärischen Abenteuer, die sowohl Geld als auch Blut gekostet hatten, unpopulär. Vor allem gelang es dem Krieg gegen den Terror nicht, die europäischen und anderen imperialistischen Mächte auf eine Linie mit den USA zu bringen. Frankreich und Deutschland haben sich, anders als 1990, nicht an den US-Invasionen beteiligt.

Aber auch die Rückkehr zum „Multilateralismus“ anstelle des „Unilateralismus“ der Neo-Konservativen während der Präsidentschaft von Barack Obama (2009–2016) konnte die Führungsrolle der USA in der Welt nicht wiederherstellen. In dieser Zeit explodierten Chinas imperialistische Ambitionen, wie die geostrategische Entwicklung der Neuen Seidenstraße nach 2013 zeigt. Frankreich und Großbritannien verfolgten ihre eigenen imperialistischen Abenteuer in Libyen, während Russland und der Iran den Halbrückzug der USA aus den syrischen Operationen ausnutzten. Russland besetzte die Krim und begann 2014 mit seiner Aggression in der ukrainischen Donbass-Region.

Nach dem Scheitern des monströsen Gemetzels der Neo-Konservativen kam das diplomatische Scheitern von Obamas Politik der „Zusammenarbeit“.

Wie konnten die Schwierigkeiten der USA, ihre Hegemonie aufrechtzuerhalten, noch schlimmer werden? Die Antwort kam in Form von Präsident Donald Trump.

Die Folgen von Trumps erster Präsidentschaft

In seiner ersten Präsidentschaft begann Trumps „America First“-Politik, den Ruf der Vereinigten Staaten als verlässlicher Verbündeter und als Weltführer mit verlässlicher Politik und moralischem Kompass zu zerstören. Außerdem traten während seiner Amtszeit innerhalb der amerikanischen Führungsschicht ernsthafte Differenzen über Trumps vandalische Außenpolitik auf. In der US-Bourgeoisie traten entscheidende Meinungsverschiedenheiten darüber auf, welche imperialistische Macht ein Verbündeter und wer ein Feind im Kampf der USA um ihre Weltherrschaft ist.

Trump kündigte den transpazifischen Pakt, das Pariser Abkommen zum Klimawandel und den Atomvertrag mit dem Iran. Die USA wurden zum wirtschaftlichen und handelspolitischen Ausreißer, d.h. Einzelgänger in der G7 und der G20 und isolierten sich damit in diesen Fragen von ihren wichtigsten Verbündeten. Gleichzeitig führte die Weigerung der USA, sich im Nahen Osten direkt zu engagieren, zu einem freien Spiel der regionalen Imperialismen in dieser Region: Der Iran, Saudi-Arabien, die Türkei, Israel und Russland sowie Katar versuchten alle einzeln, vom militärischen Vakuum und Chaos zu profitieren.

Trumps Diplomatie hat diese Spannungen eher noch verschärft, z. B. durch die Verlegung der US-Botschaft in Israel in die umstrittene Stadt Jerusalem, was seine westlichen Verbündeten verärgerte aber auch die arabischen Führer verärgerte, die die USA immer noch als „ehrlichen Makler“ in der Region betrachteten.

Mit der Anerkennung Chinas als dem wahrscheinlichsten Anwärter auf die Vormachtstellung der USA stimmte Trumps Regierung jedoch mit der Auffassung des übrigen Washington überein. Der bereits von Obama angekündigte „Neuorientierung“ nach Asien sollte verstärkt werden, der globale Krieg gegen den Terror offiziell ausgesetzt und eine neue Ära des „Wettbewerbs der Großmächte“ eingeläutet werden, wie es in der nationalen Verteidigungsstrategie vom Februar 2018 heißt. Ein umfangreiches, jahrzehntelanges Programm zur Aktualisierung des US-Atomwaffenarsenals und zur „Beherrschung des Weltraums“ wurde angekündigt.

In Bezug auf die Notwendigkeit, Russlands Ambitionen und militärische Fähigkeiten zu reduzieren (und sein Potenzial zu schwächen, Chinas eigene globale Manöver zu unterstützen), ist jedoch eine Diskrepanz zwischen Trumps zweideutiger Politik gegenüber Moskau und derjenigen der rivalisierenden Fraktion der amerikanischen Bourgeoisie entstanden, die Russland wegen seiner Bedrohung der amerikanischen Hegemonie in Westeuropa immer als historischen Feind betrachtet hat.

Gleichzeitig zeichnete sich im Zusammenhang mit der Frage der Russlandpolitik eine andere Haltung gegenüber der Bedeutung der NATO ab, dem ehemaligen Kernbündnis des amerikanischen Blocks, insbesondere in Bezug auf die im Vertrag verankerte Verpflichtung aller NATO-Mitglieder, jedem anderen Mitglied zu Hilfe zu kommen, das militärisch angegriffen wird (d. h. die USA würden sie vor einer russischen Aggression schützen). Trump hat diese entscheidende Zusicherung in Frage gestellt. Die besorgniserregenden Folgen, die dies für die Aufgabe der Verbündeten der USA in Westeuropa hatte, blieben in den Regierenden in London, Paris und Berlin nicht verborgen.

Diese außenpolitischen Differenzen traten während der Biden-Administration, die auf die erste Trump-Präsidentschaft folgte, noch deutlicher zutage.

Das Biden-Zwischenspiel: 2020-2024

Die Ablösung Trumps durch Biden im Weißen Haus sollte eine Rückkehr zur Normalität in der US-Politik einläuten, und zwar in dem Sinne, dass versucht wurde, alte Allianzen neu zu schmieden und Verträge mit anderen Ländern zu schließen, um die Schäden zu beheben, die durch die rücksichtslosen Abenteuer Trumps in seiner ersten Amtszeit entstanden waren. Biden erklärte: „Amerika ist zurück“. Die Ankündigung eines historischen Sicherheitspakts zwischen den USA, Großbritannien und Australien im asiatisch-pazifischen Raum im Jahr 2021 und die Stärkung des Vierer-Sicherheitsdialogs zwischen den USA, Indien, Japan und Australien signalisierten unter anderem das Bestreben, einen Cordon-Sanitaire (d.h. einen Sperrring) gegen den Aufstieg des chinesischen Imperialismus im Fernen Osten zu schaffen.

Die neue Regierung rief zu einem globalen demokratischen Kreuzzug gegen „revisionistische“ und „autokratische“ Mächte – Iran, Russland, Nordkorea und insbesondere China – auf.

Die russische Invasion in der Ukraine im Jahr 2022 bot Biden die Möglichkeit, den widerspenstigen NATO-Mächten in Europa erneut die militärische Autorität der USA aufzuzwingen und sie, insbesondere Deutschland, zu zwingen, ihre Verteidigungshaushalte aufzustocken und den bewaffneten Widerstand der Ukraine zu unterstützen. Sie hat auch dazu beigetragen, die militärische und wirtschaftliche Macht Russlands in einem Zermürbungskrieg zu erschöpfen und die weltweite militärische Überlegenheit der USA in Bezug auf Waffen und Logistik, die sie an das ukrainische Militär geliefert haben, zu demonstrieren. Vor allem aber haben die USA, indem sie dazu beigetragen haben, einen Großteil der Ukraine in rauchende Ruinen zu verwandeln, China vor Augen geführt, wie gefährlich es ist, in Russland einen potenziellen Verbündeten zu sehen, und welche gefährlichen Folgen sein eigener Wunsch hat, Gebiete wie Taiwan zu annektieren.

Es war jedoch für die Welt offensichtlich, dass die US-Bourgeoisie nicht geeint hinter Bidens Russland-Politik stand, da die Republikanische Partei im Kongress, die immer noch unter der Fuchtel von Trump steht, deutlich machte, dass sie nicht bereit ist, die notwendigen Milliarden für die ukrainischen Kriegsanstrengungen bereitzustellen.

War die Unterstützung für die Ukraine zumindest kurzfristig ein Erfolg für die Wiedererlangung der Führungsrolle durch den amerikanischen Imperialismus, so wurde dieses Projekt durch die Beteiligung an Israels Krieg in Gaza nach dem Oktober 2023 getrübt. Die USA gerieten in die Zwickmühle zwischen der Notwendigkeit, ihren wichtigsten Verbündeten Israel im Nahen Osten angesichts der iranischen Terroristenakte zu unterstützen, und der rücksichtslosen Entschlossenheit Israels, sein eigenes Spiel zu spielen und eine friedliche Lösung der Palästinenserfrage abzulehnen, wodurch das militärische Chaos in der Region noch vergrößert wurde.

Das Abschlachten Zehntausender wehrloser Menschen im Gazastreifen mit Hilfe von US-Munition und Geld widerlegte das Selbstbild der moralischen Rechtschaffenheit der USA, das Biden bei der Verteidigung der Ukraine vermittelte.

Der Sturz des Assad-Regimes in Syrien und die Niederlage der Hisbollah im Libanon haben dem iranischen Regime, dem erklärten Feind der USA, zwar einen schweren Schlag versetzt, doch hat dies die Instabilität in der Region nicht verringert, nicht zuletzt in Syrien selbst. Im Gegenteil, die USA mussten weiterhin einen beträchtlichen Teil ihrer Marine ins östliche Mittelmeer und den Persischen Golf verlegen, ihre Kontingente im Irak und in Syrien verstärken und sich mit dem heftigen Widerstand der Türkei und der arabischen Länder gegen die US-Politik auseinandersetzen.

Vor allem die Gefahr weiterer militärischer Konvulsionen im Nahen Osten hat dazu geführt, dass die Ausrichtung der USA auf Asien, ihr Hauptaugenmerk, unterbrochen wurde.

Trumps zweite Amtszeit

Wir haben beschrieben, wie die Probleme bei der Bewältigung des imperialistischen Chaos, das sich nach 1989 entwickelt hat, zu Spaltungen innerhalb der amerikanischen herrschenden Klasse über die zu verfolgende Politik geführt haben, und haben die Entwicklung der populistischen Politik von „America First“ gegenüber einem rationaleren Kurs aufgezeigt, der versucht, die Bündnisse der Vergangenheit zu bewahren. Die Wiederwahl Trumps nach dem Debakel seiner ersten Präsidentschaft ist ein Zeichen dafür, dass die Bourgeoisie diese internen Spaltungen nicht in den Griff bekommen hat und dass sie nun die Fähigkeit der USA, eine kohärente und konsistente Außenpolitik zu verfolgen, wieder ernsthaft beeinträchtigen, sogar so sehr, dass sie ihr Hauptanliegen, die Position Chinas zu blockieren oder ihr zuvorzukommen, gefährden.

Zur gefährlichen Ungewissheit dieses Bumerang-Effekts des politischen Chaos auf die imperialistische Politik kommt hinzu, dass sich der Handlungsspielraum der USA auf der imperialistischen Weltbühne seit Trumps erster Amtszeit deutlich verringert hat und seine zweite Amtszeit in die Zeit fällt, in der zwei große Konflikte in Osteuropa und im Nahen Osten toben.

Wir werden hier nicht auf die tieferen Ursachen der politischen Verwirrung innerhalb der amerikanischen Bourgeoisie und ihres Staates eingehen, die Trumps erste Handlungen auf dramatische Weise demonstriert haben. Dies wird in einem weiteren Artikel erläutert werden.

Aber in weniger als einem Monat hat Trump angedeutet, dass sich die Tendenz seiner „America First“-Politik, die Pax Americana, die die Grundlage für die Weltherrschaft der USA nach 1945 war, aufzulösen, viel schneller und tiefgreifender beschleunigen wird als in seiner ersten Amtszeit, nicht zuletzt deshalb, weil der neue Präsident darauf bedacht ist, die Absicherungen zu überwinden, die damals seinen Handlungsspielraum in Washington begrenzten, indem er seine Gefolgsleute, ob kompetent oder nicht, zu Leitern von Staatsämtern ernannt hat.

Das Hauptanliegen der US-Bourgeoisie nach 1989, das Ende ihrer Weltherrschaft im allgemeinen imperialistischen Handgemenge des jeder-für-sich nach dem Zusammenbruch des Ostblocks zu verhindern, scheiterte. Das „Alle gegen Alle“ ist faktisch zur „Strategie“ der neuen Regierung geworden. Eine Strategie, die von einer neuen, weitsichtigeren Regierung schwerer rückgängig zu machen sein wird, wie es schon nach Trumps erster Amtszeit der Fall war.

Das Ziel, die Kontrolle über Panama zurückzuerlangen, der Vorschlag, Grönland zu „kaufen“, der barbarische Vorschlag, den Gazastreifen ethnisch von den Palästinensern zu säubern und diesen in eine Riviera zu verwandeln - all diese ersten Äußerungen des neuen Präsidenten richten sich sowohl gegen seine ehemaligen Verbündeten als auch gegen seine strategischen Feinde. Der Vorschlag für den Gazastreifen, der dem Verbündeten Israel bei der Beseitigung einer Zweistaatenlösung für Palästina zugutekäme, würde nur den Widerstand anderer arabischer Mächte sowie der Türkei und des Irans schüren. Großbritannien, Frankreich und Deutschland haben sich bereits gegen Trumps Vorschlag für Gaza ausgesprochen.

Aber es ist wahrscheinlich, dass die USA unter Trump der Ukraine einen Friedensvertrag aufzwingen werden, der wahrscheinlich 20 % ihres Territoriums an Russland abtreten würde, wogegen sich die westeuropäischen Mächte bereits vehement wehren, und der das NATO-Bündnis, die bisherige Achse der internationalen Vorherrschaft der USA, weiter zerschlagen wird. Der neue Präsident fordert, dass die stagnierenden europäischen Volkswirtschaften der NATO ihre Militärausgaben mehr als verdoppeln sollen, um sich ohne die USA verteidigen zu können.

Ein großer Teil der „Soft Power“ des amerikanischen Imperialismus, d. h. seines moralischen Hegemonieanspruchs, wird fast auf einen Schlag zunichte gemacht: USAID, die weltweit größte Hilfsorganisation für den „globalen Süden“, wurde von Elon Musk „dem Holzhacker“ schon wesentlich zerschlagen. Die USA haben sich aus der Weltgesundheitsorganisation zurückgezogen und sogar ein Verfahren gegen den Internationalen Strafgerichtshof wegen dessen Voreingenommenheit gegenüber den USA und Israel vorgeschlagen.

Der von der neuen US-Regierung eingefädelte protektionistische Handelskrieg würde auch der verbleibenden wirtschaftlichen Stabilität des internationalen Kapitalismus, die die militärische Macht der USA untermauert hat, einen massiven Schlag versetzen und wird zweifellos auf die US-Wirtschaft selbst in Form einer noch höheren Inflation, von Finanzkrisen und der Verringerung des eigenen Handels zurückschlagen. Die massenhafte Abschiebung billiger eingewanderter Arbeitskräfte aus den Vereinigten Staaten hätte selbstzerstörerische negative Folgen für die Wirtschaft und die soziale Stabilität der USA.

Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels (23. Februar 2025) ist nicht absehbar, ob die Lawine von Vorschlägen und Entscheidungen des neuen Präsidenten in Kraft treten wird oder ob es sich dabei um ausgefallene Verhandlungsinstrumente handelt, die vielleicht zu vorübergehenden Vereinbarungen oder geringeren Zugeständnissen führen werden. Aber die Richtung der neuen Politik ist klar. Schon die Ungewissheit der Maßnahmen hat zur Folge, dass frühere und künftige potenzielle Verbündete beunruhigt und verärgert sind und sich gezwungen sehen, selbst zu handeln und anderweitig Unterstützung zu suchen. Dies allein wird den Hauptfeinden der USA mehr Möglichkeiten eröffnen. Das vorgeschlagene Friedensabkommen in der Ukraine kommt Russland bereits zugute. Der merkantilistische Handelskrieg ist ein Geschenk an China, das sich als besserer Wirtschaftspartner positionieren kann als die USA.

Trotz der langfristig selbstzerstörerischen Politik des „America First“ werden die USA die militärische Überlegenheit gegenüber ihrem Hauptfeind China nicht aufgeben, das noch weit davon entfernt ist, den USA direkt und auf Augenhöhe gegenübertreten zu können. Und die neue Außenpolitik ruft bereits starken Widerstand innerhalb der US-Bourgeoisie selbst hervor.

Die Perspektive ist also ein massives Wettrüsten und eine weitere chaotische Verschärfung der imperialistischen Spannungen auf der ganzen Welt, wobei sich die Konflikte zwischen den Großmächten in Richtung der Zentren des Weltkapitalismus verlagern und seine globalen strategischen Punkte weiter anheizen.

Fazit: Trump und die soziale Frage

Donald Trumps MAGA-Bewegung kam an die Macht, indem sie den Wählern mehr Arbeitsplätze, höhere Löhne und Weltfrieden versprach – anstelle der sinkenden Lebensstandards und der „endlosen Kriege“ der Biden-Administration.

Politischer Populismus ist keine Ideologie der Kriegsmobilisierung wie der Faschismus. Tatsächlich beruhen das Wachstum und die Wahlerfolge des politischen Populismus in den letzten zehn Jahren, dessen amerikanischer Ausdruck Trump ist, im Wesentlichen auf dem zunehmenden Versagen der etablierten alten Parteien der liberalen Demokratie, sich in den Regierungen abzuwechseln, um der tiefen Unpopularität des schwindelerregenden Wachstums des Militarismus einerseits und den pauperisierenden Auswirkungen einer unlösbaren Wirtschaftskrise auf die Lebensbedingungen der Masse der Bevölkerung andererseits zu begegnen.

Doch die populistischen Versprechen von „Butter statt Waffen“ wurden und werden zunehmend von der Realität widerlegt und stoßen auf eine Arbeiterklasse, die beginnt, ihre Kampfbereitschaft und Identität wiederzuentdecken.

Die Arbeiterklasse hat im Gegensatz zu den fremdenfeindlichen Ausbrüchen des politischen Populismus kein Land, keine nationalen Interessen und ist tatsächlich die einzige internationale Klasse mit gemeinsamen Interessen über Grenzen und Kontinente hinweg. Ihr Kampf zur Verteidigung ihrer Lebensbedingungen, der heute international angelegt ist – die Kämpfe der Arbeiterklasse in Belgien bestätigen den Klassenwiderstand in allen Ländern –, bildet daher die Grundlage für eine Alternative zur selbstmörderischen Zukunft des Kapitalismus, die auf imperialistischen Konflikten zwischen den Nationen beruht.

In dieser Klassenperspektive muss sich die Arbeiterklasse jedoch auch den anti-populistischen und populistischen Kräften der Bourgeoisie stellen, die eine Rückkehr zur demokratischen Form des Militarismus und der Verelendung vorschlagen. Die Arbeiterklasse darf sich weder in diesen falschen Alternativen verfangen noch den radikaleren Kräften folgen, die behaupten, die liberale Demokratie sei ein kleineres Übel als der Populismus. Stattdessen muss sie auf ihrem eigenen Klassenterrain kämpfen. Die New York Times, das normalerweise nüchterne Sprachrohr der liberalen amerikanischen Bourgeoisie, startete in einer redaktionellen Erklärung vom 8. Februar 2025 den folgenden radikalen Mobilisierungsaufruf an die Bevölkerung zur Verteidigung des bürgerlich-demokratischen Staates gegen den autokratischen Staat Trump:

  • „Lassen Sie sich nicht ablenken. Lassen Sie sich nicht überwältigen. Lassen Sie sich nicht lähmen und in das Chaos hineinziehen, das Präsident Trump und seine Verbündeten absichtlich schaffen: mit der Menge und Geschwindigkeit von Exekutivverordnungen; dem Versuch, die Bundesregierung zu zerschlagen; den performativen Angriffen auf Einwanderer, Transgender und das Konzept der Vielfalt selbst; den Forderungen, dass andere Länder Amerikaner als ihre neuen Oberherren akzeptieren; und dem schwindelerregenden Gefühl, dass das Weiße Haus jederzeit alles tun oder sagen könnte. All dies zielt darauf ab, das Land in Bedrängnis zu halten, damit Präsident Trump sein Streben nach maximaler Exekutivmacht vorantreiben kann, damit niemand die dreiste, schlecht durchdachte und oft illegale Agenda seiner Regierung stoppen kann. Um Himmels willen, schalten Sie nicht ab.“[3]

Dies ist nur eine Bestätigung dafür, dass die gesamte Bourgeoisie ihre eigenen ernsthaften Spaltungen nutzt, um die Arbeiterklasse zu spalten und sie dazu zu bringen, eine Form kapitalistischen Krieges oder einer anderen kapitalistischen Konfrontationslinie gegen eine andere zu wählen, um sie ihre eigenen Klasseninteressen vergessen zu lassen. Die Arbeiterklasse darf nicht in die inneren oder äußeren Kriege der herrschenden Klasse hineingezogen werden, sondern muss für sich selbst kämpfen.

Como 23. Februar 2025

 

 

 

[1] “The superpower in capitalist decadence is now the epicentre of social decomposition” International Review 169, 2023

[2] Die Pax Americana nach dem Zweiten Weltkrieg war nie eine Ära des Friedens, sondern eines nahezu permanenten imperialistischen Krieges. Dieser Begriff bezeichnet vielmehr die relative Stabilität imperialistischer Weltkonflikte mit den USA als größter Macht bei der Vorbereitung zweier Blöcke auf einen Weltkrieg vor 1989.

[3] 2003 wiederholte die New York Times, die für ihre objektive Berichterstattung bekannt ist, dennoch die Lüge, Saddam Hussein habe über Massenvernichtungswaffen verfügt, als Vorwand für die US-Invasion im Irak.

Leute: 

  • Trump [1]

Rubric: 

Folgen des US-amerikanischen Wahlausgangs

Resolution zur internationalen Lage (Mai 2025)

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Vorwort

Diese Resolution wurde Anfang Mai 2025 vom 26. Kongress der IKS verabschiedet. Als solche kann sie nur Ereignisse und Situationen berücksichtigen, die vor diesem Datum stattgefunden haben. Dies gilt natürlich für jede Stellungnahme zur internationalen Lage, aber hier ist es besonders wichtig, darauf hinzuweisen, da wir derzeit mit einer raschen Anhäufung besonders spektakulärer und unvorhersehbarer Ereignisse von großer Bedeutung auf drei Hauptebenen konfrontiert sind: imperialistische Spannungen, die wirtschaftliche Lage des globalen Kapitalismus und das Kräfteverhältnis zwischen Proletariat und Bourgeoisie. Aufgrund der Art des „Tsunamis“, der derzeit die Welt erschüttert, können einige der in dieser Resolution vertretenen Positionen zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung bereits überholt sein. Deshalb ist es wichtig, dass diese Resolution über die darin erwähnten Fakten hinaus, die durch neue Entwicklungen überschattet werden können, einen Rahmen für das Verständnis der Ursachen, der Bedeutung und der Herausforderungen der Ereignisse liefert, die sich vor unseren Augen abspielen.

Einer der Hauptfaktoren für die aktuellen Umwälzungen ist die Amtseinführung von Donald Trump am 20. Januar 2025, die zu einer spektakulären Trennung zwischen den USA und fast allen europäischen NATO-Mitgliedstaaten geführt hat. Alle „Experten“ und bürgerlichen Politiker sind sich einig, dass die neue internationale Politik der amerikanischen Bourgeoisie, insbesondere im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine, ein bedeutendes Ereignis ist, das das Ende der „Atlantischen Allianz“ und des „amerikanischen Schutzschildes“ markiert und diejenigen, die zuvor unter dem „Schutz“ Washingtons standen, dazu zwingt, ihre Militärstrategie neu zu organisieren und einen hektischen Rüstungswettlauf zu beginnen. Die andere wichtige Entscheidung der Trump-Regierung ist die Auslösung eines Handelskrieges von einer Intensität, wie sie seit fast einem Jahrhundert nicht mehr gesehen wurde. Sehr schnell, insbesondere angesichts der Panikwelle, die die Börsen und Finanzkreise erfasste, war Trump gezwungen, teilweise zurückzurudern, aber seine brutalen und widersprüchlichen Entscheidungen können sich nur negativ auf die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des globalen Kapitalismus auswirken. Diese beiden grundlegenden Entscheidungen der Trump-Regierung sind ein sehr wichtiger Faktor für die chaotische Entwicklung der globalen Lage. Aber diese Entscheidungen müssen auch und vor allem als Ausdruck einer Reihe tiefgreifender historischer Tendenzen verstanden werden, die derzeit weltweit in der Gesellschaft dominieren. Schon vor dem Zusammenbruch des Ostblocks und der Sowjetunion (1989–1991) stellte die IKS die Analyse auf, dass der Kapitalismus in eine neue Phase seines Niedergangs eingetreten sei, „die letzte Phase (...), in der der Zerfall zu einem entscheidenden, wenn nicht zum entscheidenden Faktor in der Entwicklung der Gesellschaft wird“. Und die chaotischen Ereignisse der letzten Monate bestätigen diese Realität. Die Wahl Trumps mit ihren katastrophalen Folgen für die amerikanische Bourgeoisie selbst ist ein Paradebeispiel für die wachsende Unfähigkeit der Bourgeoisie, ihr politisches Spiel zu kontrollieren, wie wir es vor 35 Jahren erkannt haben. Ebenso bestätigt die Trennung zwischen den USA und ihren ehemaligen NATO-Verbündeten einen weiteren Aspekt unserer Analyse des Zerfalls: die große Schwierigkeit, wenn nicht gar die Unmöglichkeit, in der gegenwärtigen Periode neue imperialistische Blöcke zu bilden, die eine Voraussetzung für einen neuen Weltkrieg sind. Schließlich hat ein weiterer Aspekt, den wir insbesondere seit unserem 22. Kongress 2017 betont haben, weitere Bestätigung gefunden: nämlich die wachsenden Auswirkungen des Chaos, das zunehmend den politischen Bereich der Bourgeoisie erfasst, auf der wirtschaftlichen Ebene; dies wurde ersichtlich anhand der wirtschaftlichen Umwälzungen, die durch die Entscheidungen des Populisten Trump verursacht wurden.

Im Rahmen unserer Analyse des Zerfalls untersucht diese Resolution daher die Fragen, die in der gegenwärtigen historischen Periode auf dem Spiel stehen. Diese Analyse muss notwendigerweise auch die Konsequenzen der chaotischen Ereignisse, die die Welt insgesamt erschüttern, für den Kampf der Arbeiterklasse berücksichtigen.

Resolution zur internationalen Lage, 26. IKS-Kongress, Mai 2025

1. „So wie der Kapitalismus verschiedene Perioden in seinem historischen Verlauf kennt – Entstehung, Aufstieg, Niedergang –, so beinhaltete im Grunde jede dieser Perioden auch unterschiedliche und voneinander abgegrenzte Phasen. Beispielsweise umfaßte die Aufstiegsphase die nacheinanderfolgenden Phasen des Freihandels, der Aktiengesellschaften, der Monopole, des Finanzkapitals, der kolonialen Eroberungen, der Etablierung des Weltmarkts. Ähnlich hat auch die Dekadenzperiode ihre Geschichte: Imperialismus, Weltkriege, Staatskapitalismus, permanente Krise und heute der Zerfall. Es handelt sich dabei um verschiedene, aufeinanderfolgende  Manifestationen im Leben des Kapitalismus, mit jeweils typischen Charakteristiken (…).“[1] Dasselbe gilt für die Phase des Zerfalls selbst, die einen qualitativen Schritt in der Entwicklung der Dekadenz markiert; diese Phase befindet sich nun in ihrem vierten Jahrzehnt und hat seit Beginn der 2020er-Jahre mit dem Ausbruch der Covid-Pandemie und der Entfesselung mörderischer Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten eine Beschleunigung erreicht, die einen weiteren bedeutenden Schritt markiert, in dem alle ihre verschiedenen Erscheinungsformen in einem von uns als „Wirbelsturm“-Effekt bezeichneten Prozess aufeinander einwirken und sich gegenseitig verstärken.

2. Diese Einschätzung hat sich seit dem 25. Kongress der IKS 2023 voll bestätigt: Wirtschaftskrise, imperialistischer Krieg, ökologischer Zusammenbruch und ein wachsender Kontrollverlust der Bourgeoisie über ihren eigenen politischen Apparat verbinden sich und verschärfen sich gegenseitig und bergen die eindeutige Gefahr der Vernichtung der Menschheit. Diese „Poly-Krise“ wird bereits von einigen der wichtigsten Institutionen der herrschenden Klasse erkannt, wie wir im Bericht über den Zerfall, der vom 25. Kongress der IKS angenommen wurde, gezeigt haben, aber sie sind machtlos, Lösungen anzubieten. Stattdessen sind die „irrationalsten“ Elemente der herrschenden Klasse auf dem Vormarsch, was sich am deutlichsten im Sieg Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen zeigt. Trump ist ein deutliches Produkt des Zerfalls des Systems, aber der „Shitstorm“ an Maßnahmen, die unmittelbar nach seiner Machtübernahme ergriffen wurden, zeigt auch, dass die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch eine populistische Fraktion unter der Führung eines narzisstischen Abenteurers im mächtigsten Land der Welt ein aktiver Faktor für die Beschleunigung des Zerfalls und den allgemeinen Kontrollverlust der Bourgeoisie über ihr eigenes System ist.

3. Der Faktor des imperialistischen Wettbewerbs und Krieges steht im Zentrum dieses tödlichen Strudels. Aber entgegen den Argumenten der meisten Gruppen im Proletarischen Politischen Milieu bringt dieser Strudel nicht einen disziplinierten Marsch hin zu neuen Blöcken und einem dritten Weltkrieg mit sich. Vielmehr verschärft er die Tendenz zum „Jeder für sich“, die bereits nach dem Zusammenbruch des russischen imperialistischen Blocks und dem endgültigen Beginn der Periode des Zerfalls Anfang der 1990er Jahre vorherrschend wurde. Wie wir in einer Reihe grundlegender Texte aus dieser Zeit unterstrichen haben, führte der Untergang des Ostblocks zum Zerfall des von den USA dominierten Blocks, dies trotz verschiedener Bemühungen des amerikanischen Imperialismus, seine Autorität über seine ehemaligen Verbündeten durchzusetzen. Wir haben darauf bestanden, dass diese neue Weltunordnung die Form von sich ausbreitenden, hartnäckigen und zunehmend zerstörerischen Kriegen annimmt, die gerade wegen des Fehlens jeglicher Blockdisziplin nicht weniger gefährlich sind als ein Kurs in Richtung Weltkrieg. Die jüngsten Schritte der USA unter Trump verkörpern eine neue Stufe des zunehmenden Chaos, das die imperialistischen Rivalitäten in der Phase des Zerfalls beherrscht. Und während die globale Unordnung, die durch den Zusammenbruch des russischen Blocks 1989–91 ausgelöst wurde, sich um eine schwächere wirtschaftliche und militärische Macht drehte, lässt die Tatsache, dass die „neue Unordnung“ die weltweit führende Macht in ihrem Zentrum hat, noch tiefere Stürze ins Chaos in der kommenden Periode erwarten.

4. Die zentrale Achse des globalen imperialistischen Konflikts bleibt der Antagonismus zwischen den USA und China. Auf dieser Ebene gibt es eine starke Kontinuität mit den Regierungen Obama und Biden, die China als Hauptkonkurrenten der US-Dominanz betrachteten. Diese Verlagerung des Schwerpunkts der imperialistischen Antagonismen von Westeuropa, wie es während des Kalten Krieges der Fall war, hin zum Pazifikraum ist ein wichtiger Faktor für Trumps Bereitschaft, die „Verteidigung Europas“ in der US-Strategie auf einen viel niedrigeren Platz zu verweisen. Im Allgemeinen wird die Politik der Eindämmung Chinas durch die Einkreisung mit regionalen Bündnissen und die Beschränkung seiner wirtschaftlichen Expansion fortgesetzt werden, auch wenn die taktischen und konkreten Mittel unterschiedlich sind. Die Unberechenbarkeit von Trumps Vorgehen kann jedoch zu wilden Schwankungen zwischen Versuchen, Peking zu beschwichtigen, und offen provokativen Aktionen rund um Taiwan führen. Im Allgemeinen trägt gerade diese Unberechenbarkeit als weiterer Faktor zur Destabilisierung der internationalen Beziehungen bei.

5. Im Gegensatz dazu stellt Trumps Politik gegenüber der Ukraine einen echten Bruch mit der „traditionellen“ Außenpolitik der USA dar, die auf einer energischen Opposition gegen den russischen Imperialismus beruhte. Der Versuch, mit Russland eine Einigung über den Ukraine-Krieg zu erzielen, die Europa und die Ukraine ausschließt, begleitet von der öffentlichen Demütigung Selenskys im Weißen Haus, markiert eine wichtige neue Stufe in der Spaltung zwischen den USA und den Hauptmächten Europas und zeigt, wie weit wir von der Bildung eines neuen „westlichen Blocks“ entfernt sind. Diese Trennung ist kein zufälliges Ereignis, sondern hat viel tiefere Wurzeln. Ein direkter Konflikt zwischen den USA und Europa zeichnete sich bereits in den 1990er Jahren im Jugoslawienkrieg ab, als Frankreich und Großbritannien Serbien unterstützten, Deutschland Kroatien und die USA Bosnien. In der heutigen Eskalation dieses Prozesses, in dem sich 2003 auch europäische Mächte wie Frankreich und Deutschland weigerten, den USA in den Irak-Krieg zu folgen, werden die USA zunehmend als neuer Feind angesehen, symbolisiert durch die Abstimmung der USA mit Weißrussland, Nordkorea und Russland gegen eine UN-Resolution vom 24. Februar 2025, die die russische Invasion verurteilt, und durch die offenen Drohungen, Kanada, Grönland und Panama notfalls mit militärischer Gewalt einzuverleiben. Zumindest werden die USA als unzuverlässiger Verbündeter wahrgenommen, was die europäischen Mächte dazu zwingt, sich zu einer Reihe von Krisentreffen zusammenzufinden, um zu beraten, wie sie ihre imperialistische „Verteidigung“ ohne den militärischen Schutzschirm der USA sichern können. Die tatsächlichen Spaltungen zwischen diesen Mächten – beispielsweise zwischen Regierungen, die von populistischen oder rechtsextremen Parteien geführt werden und Russland zugeneigt sind, und vor allem zwischen Frankreich und Deutschland im Kern der Europäischen Union – sollten jedoch als weiteres Hindernis für die Bildung eines stabilen europäischen Bündnisses nicht unterschätzt werden. Und die derzeitige US-Regierung wird sicherlich alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Spaltungen zwischen den Ländern der EU zu vertiefen, die Trump ausdrücklich als eine Formation angegriffen hat, die gegründet wurde, um „die USA zu schikanieren“.

6. Gleichzeitig steht die Trump-Regierung in klarer Abkehr von der Politik der vorherigen US-Regierung und der wichtigsten europäischen Mächte, die eine „Zweistaatenlösung“ für den Konflikt in Israel/Palästina befürwortet haben. Die Trump-Regierung unterstützt offen die Annexionspolitik der rechten israelischen Regierung, indem sie Sanktionen gegen die gewalttätigen Aktionen der Siedler im Westjordanland aufhebt, Mike Huckabee – der erklärt, dass „Judäa und Samaria“ vor 3000 Jahren von Gott an Israel gegeben wurden – zum US-Botschafter in Israel ernennt und vor allem die ethnische Säuberung von fast zwei Millionen Palästinensern aus dem Gazastreifen fordert und die gesamte Region in ein Paradies für Immobilienspekulationen verwandeln will. Diese Politik, trotz ihrer starken Fantasieanteile, kann die Konflikte, die bereits eskalieren und sich im gesamten Nahen Osten ausbreiten, nur fortsetzen und verschärfen. Am deutlichsten wird dies im Jemen, im Libanon und in Syrien, wo der interne Krieg trotz des Sturzes des Assad-Regimes noch lange nicht vorbei ist und wo Israel immer tödlichere Luftangriffe fliegt, die allgemein als Warnung an die Türkei verstanden werden. Insbesondere der Blankoscheck, den Trump der Regierung Netanjahu ausgestellt hat, birgt auch die Wahrscheinlichkeit weiterer direkter Zusammenstöße zwischen Israel und dem Iran.

7. Unterdessen brauen sich andere imperialistische Konflikte zusammen oder verschärfen sich bereits, insbesondere in Afrika, wo der Kongo, Libyen und der Sudan zu regelrechten Schauplätzen von Massakern und Hungersnöten geworden sind. Afrika ist ein weiteres Beispiel dafür, wie lokale Konflikte durch eine verwirrende Vielfalt regionaler Staaten (wie Ruanda im Kongo) und größerer imperialistischer Akteure (USA, Frankreich, China, Russland, Türkei usw.) angeheizt werden, die in einem Konflikt Verbündete und in einem anderen Feinde sein können. Auch wenn die Jagd nach lebenswichtigen Rohstoffen ein zentraler Aspekt vieler dieser Konflikte ist, besteht das Hauptmerkmal all dieser Kriege darin, dass sie für alle ihre Protagonisten immer weniger wirtschaftliche oder strategische Vorteile bringen. Vor allem weisen sie nicht auf eine Lösung der Weltwirtschaftskrise durch die Abwertung des Kapitals oder den Wiederaufbau ruinierter Volkswirtschaften hin, wie es viele Gruppen des Proletarischen Politischen Milieus behaupten. Die ökonomistische Sichtweise dieser Gruppen ignoriert die tatsächliche Richtung des Kapitalismus in seiner Endphase – die in die Zerstörung der Menschheit und nicht in eine neue Phase des Akkumulationszyklus führt.

8. Die zunehmende Wechselwirkung zwischen Wirtschaftskrise und imperialistischer Rivalität sowie die Auswirkungen des Zerfalls auf die Weltwirtschaft werden durch die Lawine von Zöllen, die von der Trump-Regierung verhängt wurden, deutlich illustriert. Diese „Kriegserklärung“ an die übrigen Volkswirtschaften der Welt, die sich gegen enge Nachbarn und ehemalige Verbündete ebenso richtet wie gegen erklärte Feinde, kann als Versuch der USA gesehen werden, ihre Macht als imperialistischer Gigant zu demonstrieren, der in der Lage ist, allein zu stehen, ohne sich gegenüber anderen Staaten oder internationalen Gremien verantworten zu müssen. Sie basiert aber auch auf einer wirtschaftlichen „Strategie“, die davon ausgeht, dass die USA am besten prosperieren können, wenn sie alle ihre wirtschaftlichen Rivalen untergraben oder ruinieren. Dies ist ein rein selbstmörderischer Ansatz, der durch steigende Preise, Versorgungsengpässe, Werksschließungen und Entlassungen unmittelbar auf die US-Wirtschaft und die Verbraucher zurückfallen wird. Und natürlich hätte ein schwerer default (Zahlungsschwierigkeiten) in den USA weltweite Auswirkungen. Insbesondere haben eine Reihe von Ökonomen vor der Gefahr gewarnt, dass die USA ihre enormen Staatsschulden, die zum Großteil von Japan und ihrem Hauptkonkurrenten China „besessen“ werden, nicht zurückzahlen können. Es ist offensichtlich, dass ein Zahlungsausfall der USA nicht nur der Weltwirtschaft unkalkulierbaren Schaden zufügen würde, sondern unweigerlich auch auf den Bereich der imperialistischen Rivalität zwischen den USA und China übergreifen würde. All dies zeigt, dass die „America First“-Politik der Trump-Regierung in völligem Widerspruch zum „globalisierten“ Charakter der Weltwirtschaft steht, in der die USA selbst die aktivste Kraft waren, insbesondere nach dem Zusammenbruch des Ostblocks Anfang der 1990er Jahre. Sie markiert auch eine Rückkehr zu protektionistischen Maßnahmen, die die mächtigsten Bourgeoisien weitgehend aufgegeben haben, seit sie sich in den 1930er Jahren als Mittel zur Bewältigung der Weltwirtschaftskrise als völliger Fehlschlag erwiesen haben. Der derzeitige Versuch der USA, die letzten politischen und militärischen Überreste der 1945 errichteten imperialistischen Weltordnung zu zerstören, geht einher mit Maßnahmen, die eindeutig alle globalen Institutionen bedrohen, die nach der Weltwirtschaftskrise und dem Zweiten Weltkrieg zur Regulierung des Welthandels und zur Eindämmung der Überproduktionskrise geschaffen wurden.

9. Es überrascht daher nicht, dass die Börsen weltweit mit wachsender Panik auf Trumps Zölle reagiert haben, während zahlreiche Wirtschaftsexperten eine weltweite Rezession, erbitterte Handelskriege (die sich insbesondere zwischen den USA und China bereits abzeichnen), eine galoppierende Inflation und sogar einen „wirtschaftlichen nuklearen Winter“[2] prophezeien. Diese Reaktionen zwangen Trump, von einigen seiner wirtschaftlichen Drohungen Abstand zu nehmen, aber es existiert wenig Vertrauen, dass die neue US-Regierung noch als Garant für wirtschaftliche Stabilität angesehen werden kann – im Gegenteil. Die von den „Märkten“ geäußerten Befürchtungen sind durchaus berechtigt, aber Revolutionäre müssen auch klarstellen, dass diese Massnahmen sicherlich ein stark verschärfender Faktor in der sich verschärfenden Wirtschaftskrise sind, aber nicht deren letztendliche Ursache. Die Grundkrankheit der Weltwirtschaft ist in der globalen Überproduktionskrise zu suchen, die im Wesentlichen seit 1914 permanent besteht und dass hinter dem Höhepunkt, den sie jetzt erreicht, eine lange Geschichte steht. Schon lange vor der Ankündigung der Trump-Zölle waren die führenden Volkswirtschaften der Welt, insbesondere Deutschland und China, aber auch die USA, in eine wirtschaftliche Krise geraten, die sich in Fabrikschließungen in führenden Industriezweigen, unkontrollierbaren Schulden, steigenden Preisen in vielen Ländern, wachsender Jugendarbeitslosigkeit usw. äußerte. Das Ende des chinesischen „Wirtschaftswunders“ ist besonders bedeutsam, weil China im Gegensatz zur Situation nach der Finanzkrise von 2008 nicht mehr in der Lage sein wird, die Rolle der „Lokomotive für die Weltwirtschaft“ zu spielen.

10. Die weltweite Überproduktionskrise resultiert, wie Rosa Luxemburg vorausgesagt hatte, aus dem Schrumpfen des „Außenbereichs“, in den der Kapitalismus expandieren kann. Diese Bereiche der vorkapitalistischen Wirtschaft waren noch beträchtlich, als Luxemburg ihre These aufstellte, und sie bargen in der Phase der „Globalisierung“ noch einige Möglichkeiten, insbesondere durch die Kapitalisierung Chinas und anderer fernöstlicher Volkswirtschaften. Aber selbst wenn die Kapitalisten weiterhin hungrige Blicke auf die verbleibenden vorkapitalistischen Wirtschaftsräume, insbesondere in Indien und Afrika, werfen, wird es aufgrund der Beschleunigung des Zerfalls durch lokale Kriege und ökologische Zerstörung immer schwieriger werden, diese zu auszubeuten. Andere „Überbau“ Elemente tragen ebenfalls zur historischen Sackgasse des Systems bei:

a) Das enorme Gewicht der globalen Verschuldung, das Medikament gegen die Überproduktion, das den Patienten schlussendlich nur vergiften kann und wie 2008 ständig in Form massiver finanzieller Instabilität zu explodieren droht. Und wie die IKS bereits in den 1980er Jahren feststellte, erleben wir das Wachstum einer „Casino-Ökonomie“, die in Form von ungezügelter Spekulation auftritt und eine wachsende Kluft zwischen realem Wert und fiktivem Kapital zum Ausdruck bringt. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist die Verbreitung von Bitcoin und ähnlichen „Kryptowährungen“, die der zentralen Kontrolle entzogen sind und somit als weiterer potenziell destabilisierender Faktor für die Weltwirtschaft wirken.

b) Die zunehmenden Auswirkungen ökologischer Katastrophen, die zu immer zerstörerischeren „Produktionskosten“ geworden sind.

c) Das exponentielle Wachstum des Flüchtlingsproblems, das häufig das Ergebnis von Kriegen und ökologischen Katastrophen ist und die Bourgeoisie vor ein unlösbares Problem stellt, da sie es sich einerseits nicht leisten kann, diese Massen von Migranten in eine schwächelnde Wirtschaft zu integrieren, andererseits aber auch nicht auf diese Quelle billiger Arbeitskräfte verzichten kann und feststellen wird, dass eine Politik der Zwangsabschiebungen, wie sie die Trump-Regierung nun in Gang gesetzt hat, Milliarden kosten wird.

d) Vor allem aber wird die Weltwirtschaft mit der Verschärfung der Tendenz hin zum Krieg immer mehr gezwungen, die enorme Last der wachsenden Auswirkungen des Militarismus zu tragen, die zwar zeitweise die Illusion von „Wirtschaftswachstum“ erwecken kann, aber, wie die ‘Gauche Communiste de France’ bereits nach dem Zweiten Weltkrieg aufgezeigt hat, einen reinen Verlust für das globale Kapital darstellt. Und offene Kriegshandlungen haben direkte Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, wie heute die Erhöhung der Transportkosten aufgrund direkter Angriffe auf Schiffe im Schwarzen Meer und im Roten Meer zeigt.

Die unvermeidliche Folge der sich verschärfenden Krise und insbesondere der Entwicklung einer Kriegswirtschaft werden beispiellose Angriffe auf die Lebensbedingungen des Proletariats und der verarmten Massen sein. Die Bourgeoisie in den europäischen Ländern spricht bereits offen über die Notwendigkeit weiterer Kürzungen im sozialen Bereich, um die „Verteidigungsausgaben“ zu finanzieren.

11. Was die ökologische Krise betrifft, so haben die endlosen internationalen Konferenzen die Welt nicht näher an ihre Verpflichtungen zur Reduzierung der CO2-Emissionen gebracht, im Gegenteil: Das 1,5-Grad-Ziel zur Begrenzung des Temperaturanstiegs wurde bereits von einer Reihe von Klimaforschern für gescheitert erklärt. Jahr für Jahr liefern solide wissenschaftliche Untersuchungen eindeutige Hinweise darauf, wieweit die Klimakrise bereits da ist: Jedes Jahr wird zum „wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen“ erklärt, das Abschmelzen der Polkappen erreicht neue und wirklich alarmierende Ausmaße, immer mehr Pflanzen- und Tierarten verschwinden, darunter Insekten, die für die Nahrungskette und die Bestäubung der Pflanzen unverzichtbar sind. Darüber hinaus ist die Krise nicht nur in den Ländern der „Peripherie“ offensichtlich, wo sie die globale Flüchtlingskrise verschärft, da immer mehr Regionen der Erde durch Dürren oder Überschwemmungen unbewohnbar werden. Sie breitet sich nun von der Peripherie ins Zentrum aus, wie die Waldbrände in Kalifornien und die Überschwemmungen in Deutschland und Spanien zeigen. Trumps Leugnung der Klimakrise hat sofort Eingang in die Arbeit der neuen Regierung gefunden: Der Begriff „Klimawandel“ wurde aus Regierungsdokumenten gestrichen, die Mittel für die Forschung zu diesem Problem wurden drastisch gekürzt, Beschränkungen für Emissionen und Projekte zur Förderung fossiler Brennstoffe wurden unter dem Motto „Drill, baby, drill“ aufgehoben, und die USA sind aus internationalen Klimaabkommen ausgestiegen. All dies wird der Weltanschauung der „Leugner”, die ein zentraler Bestandteil der überall auf dem Vormarsch befindlichen populistischen Parteien ist, weltweit neuen Auftrieb geben. Das Gleiche gilt für den Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation WHO und die Ernennung von Robert Kennedy, einem überzeugten Impfgegner, zum Leiter des US-Gesundheitsministeriums in einer Zeit, in der wir mit der Gefahr neuer Pandemien (wie der Vogelgrippe) konfrontiert sind. Solche Pandemien sind ein weiteres Produkt des Zusammenbruchs der Beziehung zwischen Mensch und Natur, den der Kapitalismus in seiner Geschichte auf die Spitze getrieben hat. Diese Maßnahmen, die den Kopf in den Sand stecken, werden die Gefahr nur noch vergrößern. Aber die selbstmörderische Haltung der Populisten gegenüber der sich verschärfenden ökologischen Krise ist im Grunde nur ein Spiegelbild der völligen Ohnmacht aller Fraktionen der herrschenden Klasse angesichts der Zerstörung der Natur, da keine von ihnen ohne das Bekenntnis zu endlosem „Wachstum“ (d. h. Akkumulation um jeden Preis) existieren kann, auch wenn sie vorgibt, dass es keinen Widerspruch zwischen kapitalistischem Wachstum und grüner Politik gibt. Die Bourgeoisie als Klasse kann keine wirklich globalen Lösungen für die ökologische Krise anbieten, das einzige, das Sinn machen würde. Keine Fraktion der herrschenden Klasse kann den nationalen Rahmen überwinden, genauso wenig wie sie ein Ende der Kapitalakkumulation einführen kann. Daher kann das Voranschreiten der ökologischen Krise nur die Tendenz zu chaotischen militärischen Konflikten beschleunigen, da jede Nation versucht, angesichts schwindender Ressourcen und zunehmender Katastrophen sich unter den Nagel zu reissen was sie kann. Und das Gegenteil ist ebenfalls wahr: Krieg ist, wie bereits in den Konflikten in der Ukraine und im Nahen Osten zu beobachten ist, selbst ein wachsender Faktor der ökologischen Katastrophe, sei es durch die enormen CO2-Emissionen, die für die Herstellung und Wartung von militärischer Ausrüstung erforderlich sind, oder durch die Vergiftung der Luft und des Bodens durch den Einsatz immer zerstörerischer Waffen, was in vielen Fällen eine bewusste Taktik ist, um die Nahrungsversorgung oder andere Ressourcen des Feindes zu schwächen. Unterdessen droht im Hintergrund stets die Gefahr einer nuklearen Katastrophe – entweder durch die Zerstörung von Kernkraftwerken oder durch den tatsächlichen Einsatz taktischer Atomwaffen. Die Wechselwirkung zwischen Krieg und ökologischer Krise ist ein weiteres offensichtliches Beispiel für den Effekt der tödlichen Spirale.

12. Die Rückkehr Trumps ist ein klassischer Ausdruck des politischen Versagens jener Fraktionen der herrschenden Klasse, die ein klareres Verständnis für die Bedürfnisse des nationalen Kapitals haben; sie ist somit ein deutlicher Ausdruck eines allgemeineren Verlusts der politischen Kontrolle durch die US-Bourgeoisie. Aber dies ist eine weltweite Tendenz, und es ist besonders bedeutsam, dass die populistische Welle auch in anderen zentralen Ländern des Kapitalismus Auswirkungen hat: Wir haben den Aufstieg der AfD in Deutschland, des Rassemblement National von Le Pen in Frankreich und Reform-UK in Großbritannien beobachten können. Der Populismus ist Ausdruck einer bestimmten Fraktion der Bourgeoisie, aber seine inkohärente und widersprüchliche Politik drückt einen wachsenden Nihilismus und eine Irrationalität aus, die nicht den Gesamtinteressen des nationalen Kapitals dienen. Der Fall Großbritanniens, das von einer der intelligentesten und erfahrensten Bourgeoisien regiert wurde und sich mit dem Brexit selbst ins Knie geschossen hat, ist ein klares Beispiel dafür. Trumps Innen- und Außenpolitik wird für den US-Kapitalismus nicht weniger schädlich sein: auf außenpolitischer Ebene, indem er Konflikte mit seinen ehemaligen Verbündeten schürt und gleichzeitig seine traditionellen Feinde umwirbt, aber auch im Inland durch die Auswirkungen seines selbstzerstörerischen Wirtschaftsprogramms. Vor allem die Rachekampagne gegen den „Deep State“ und die „liberalen Eliten“, die gezielte Verfolgung von Minderheiten und der „Krieg gegen die Woke“ werden Konfrontationen zwischen Fraktionen der herrschenden Klasse schüren, die in einem Land, in dem ein großer Teil der Bevölkerung Waffen besitzt, einen extrem gewalttätigen Charakter annehmen könnten. Der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 würde im Vergleich dazu verblassen. Und wir können bereits im Keim die Anfänge einer Reaktion von Teilen der Bourgeoisie erkennen, die am meisten unter Trumps Politik zu verlieren haben (zum Beispiel der Bundesstaat Kalifornien, die Harvard-Universität usw.). Solche Konflikte bergen die Gefahr, die breitere Bevölkerung mitzureißen, und stellen eine extreme Gefahr für die Arbeiterklasse dar, ihre Klasseninteressen zu verteidigen und ihre Einheit gegen alle Spaltungen zu schmieden, die ihr durch den Zerfall der bürgerlichen Gesellschaft auferlegt wurden. Die jüngsten „Hands Off“-Demonstrationen, die vom linken Flügel der Demokratischen Partei organisiert wurden, sind ein klares Beispiel für diese Gefahr, da es ihnen gelang, bestimmte Sektoren der Arbeiterklasse und deren Forderungen in eine allgemeine Verteidigung der Demokratie gegen die Diktatur von Trump und Konsorten zu kanalisieren. Auch wenn diese inneren Konflikte in den USA besonders scharf ausgeprägt sind, sind sie doch das Ergebnis eines viel umfassenderen Prozesses. Der dekadente Kapitalismus stützt sich seit langem auf den Staatsapparat, um zu verhindern, dass solche Antagonismen die Gesellschaft zerreißen, und in der Phase des Zerfalls ist der kapitalistische Staat gleichermaßen gezwungen, zu den diktatorischsten Maßnahmen zu greifen, um seine Herrschaft aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig jedoch, wenn der Staatsapparat selbst von gewaltsamen inneren Konflikten zerrissen ist, gibt es eine starke Tendenz zu einer Situation, in der „die Mitte nicht mehr hält und bloße Anarchie die Welt beherrscht“, wie es der Dichter WB Yeats formulierte. Die „gescheiterten Staaten“, die wir am deutlichsten im Nahen Osten, in Afrika oder in der Karibik sehen, sind ein Abbild dessen, was sich bereits in den am weitesten entwickelten Zentren des Systems zusammenbraut. In Haiti beispielsweise ist der offizielle Staatsapparat angesichts konkurrierender krimineller Banden zunehmend machtlos, und in Teilen Afrikas hat die Konkurrenz zwischen den Banden den Höhepunkt eines „Bürgerkriegs“ erreicht. Aber auch in den USA selbst ähnelt die derzeitige Herrschaft des Trump-Clans über den Staat mit seiner offenen Befürwortung von Erpressung und Drohungen immer mehr der Herrschaft einer Mafia.

13. Die Irrationalität, die sich im Populismus äußert, ist im Grunde genommen Ausdruck der Irrationalität eines Systems, das seine Nützlichkeit für die Menschheit längst überlebt hat. Es ist daher unvermeidlich, dass die gesamte zerfallende bürgerliche Gesellschaft zunehmend von einer Seuche psychischer Erkrankungen befallen wird, die sich häufig in mörderischer Gewalt äußert. Die Ausbreitung terroristischer Gräueltaten von den großen Kriegsgebieten auf die Hauptstädte des Westens war eines der ersten Anzeichen für den Beginn der Phase des Zerfalls, aber die Verknüpfung terroristischer Aktivitäten mit den irrationalsten Ideologien ist mit dem Fortschreiten und der Beschleunigung dieser Phase immer deutlicher geworden. So sind die Ideologien, die terroristische Handlungen am häufigsten inspirieren, sei es durch radikale Islamisten oder Neonazis, nur ein konzentrierter Ausdruck weit verbreiteter Überzeugungen, insbesondere des Glaubens an alle möglichen Verschwörungstheorien und an eine bevorstehende Apokalypse, die alle ein gefährlich verzerrtes Bild von der tatsächlichen Funktionsweise des Kapitalismus und seinem tatsächlichen Absturz in den Abgrund vermitteln. Bezeichnend ist auch, dass einige der jüngsten Massenmorde – wie der Einsatz von Autos als Waffen in deutschen Städten oder die schrecklichen Morde an Kindern in Southport, die im Sommer 2024 rassistische Ausschreitungen in Großbritannien auslösten – mehr oder weniger losgelöst von konkreten terroristischen Organisationen und sogar von einer rechtfertigenden Ideologie waren und vielmehr den Selbstmordimpulsen zutiefst gestörter Individuen Ausdruck verliehen. Anderswo äußern sich solche Impulse in zunehmender Gewalt gegen Frauen, sexuelle Minderheiten und Kinder. Es ist offensichtlich, dass die Arbeiterklasse gegen diese Tendenz nicht immun ist und dass sie den Bedürfnissen des Klassenkampfes direkt entgegenwirkt: dem Bedürfnis nach Solidarität und Einheit und nach einem kohärenten Denken, das zu einem wirklichen Verständnis der Funktionsweise und der Entwicklung des Kapitalismus führen kann.

14. Der Pol, der in Chaos und Zusammenbruch führt, wird somit immer sichtbarer. Aber es gibt noch einen anderen Pol, den des Klassenkampfes, der sich seit 2022 in einer „Zäsur“ manifestiert, die keine Eintagsfliege ist, sondern eine historische Tiefe hat, die darin beruht, dass das Proletariat in den Hauptzentren des Systems nicht geschlagen ist, sowie der Realität eines langen Prozesses der unterirdischen Reifung. Aber er nimmt auch weiterhin eine viel offenere Form an, wie das Beispiel Belgien zeigt. In den USA wird Trumps Politik zu einem raschen Anstieg der Inflation führen und damit insbesondere die Versprechen gegenüber dem Proletariat untergraben; und der Versuch, Stellen im öffentlichen Dienst abzubauen, führt bereits zu ersten Anfängen von Klassenwiderstand. In Europa wird die Forderung der Bourgeoisie nach Opfern im Namen der Aufrüstung sicherlich auf ernsthaften Widerstand einer ungeschlagenen Arbeiterklasse stoßen. Die Klassenbewegungen, die den Bruch kennzeichnen, bekräftigen die zentrale Bedeutung der Wirtschaftskrise als Hauptantriebskraft des Klassenkampfs. Gleichzeitig werden jedoch die Ausbreitung des Krieges und die steigenden Kosten der Kriegswirtschaft, vor allem in den wichtigsten Ländern Europas, ein wichtiger Faktor für die künftige Politisierung des Kampfes sein, in dem die Arbeiterklasse einen klaren Zusammenhang zwischen den von der Kriegswirtschaft geforderten Opfern und den zunehmenden Angriffen auf ihren Lebensstandard herstellen und schließlich alle anderen Bedrohungen, die vom Zerfall ausgehen, in einen Kampf gegen das gesamte System integrieren kann.

15. Trotz der Tiefe der neuen Phase im Klassenkampf ist es von entscheidender Bedeutung, seine Entwicklung nicht parallel und unabhängig vom Pol des Chaos und der Zerstörung zu betrachten. Dies zeigt sich am deutlichsten in der realen Gefahr, dass die Arbeiterklasse durch die Auswirkungen der sozialen Atomisierung, der wachsenden Irrationalität und des Nihilismus zunehmend desorientiert wird und es ihr schwerfallen wird, sich nicht von der tief empfundenen Wut und Frustration einer breiten Bevölkerung mitreißen zu lassen, die auf Katastrophen, Repression, Korruption, soziale Unsicherheit und Gewalt reagiert, wie wir es in den jüngsten Protesten in den USA, Serbien, der Türkei, Israel und anderswo gesehen haben. Die herrschende Klasse ist durchaus in der Lage, die Auswirkungen des Zerfalls ihres eigenen Systems gegen die Arbeiterklasse zu nutzen: Ausnutzung „kultureller“ Spaltungen (Woke versus Anti-Woke usw.); partielle Kämpfe als Reaktion auf die Verschärfung der Unterdrückung und Diskriminierung bestimmter Schichten der Gesellschaft; Anti-Migrationskampagnen usw. Besonders gefährlich sind die erneuten „demokratischen Widerstandskampagnen“ gegen die „Gefahr des Faschismus, Autoritarismus und der Oligarchien“, deren Ziel es ist, die Wut gegen ein untergehendes System auf die Trumps, Musks, Le Pens und den Rest der Populisten und der extremen Rechten zu lenken, die lediglich ein karikaturhafter Ausdruck der Verwesung des Kapitalismus sind. Die rechte Bourgeoisie kann sich angesichts der Machenschaften des „deep states“ auch auf die Demokratie berufen, eines der Lieblingsthemen Trumps, das nun in Frankreich nach der gerichtlichen Entscheidung, Le Pen von der nächsten Präsidentschaftswahl auszuschließen, Widerhall findet. Die „Verteidigung der Demokratie“ ist jedoch die besondere Spezialität des linken und linksradikalen Flügels des politischen Apparats der Bourgeoise. Darüber hinaus haben die extreme Linke und die Gewerkschaften in Erwartung der Entwicklung des Klassenkampfs ihre Sprache und Haltung radikalisiert: Wir sehen, wie die Trotzkisten und offiziellen Anarchisten angesichts der Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen die Fahne eines falschen „Internationalismus” hochhalten, und manchmal hat die Linke die Führung der Gewerkschaften übernommen, wie dies bei den Kämpfen in Großbritannien der Fall war. Wir werden in den kommenden Jahren auch eine Erneuerung ihres Diskurses und ihrer Aktivitäten erleben, die darauf abzielt, das Potenzial für die Reifung des proletarischen Bewusstseins, das notwendigerweise einen ungleichmäßigen Prozess von Vorstößen und Rückschlägen durchläuft, auf ein bürgerliches Terrain zu lenken, das nur zu Niederlagen und Demoralisierung führen kann.

16. Der Bruch mit der Passivität der letzten Jahrzehnte regt auch den Reflexionsprozess auf internationaler Ebene in verschiedenen Schichten der Klasse an, was sich besonders deutlich in der Entstehung suchender Minderheiten zeigt. In diesem Bereich lässt sich am deutlichsten die Fähigkeit der Arbeiterklasse beobachten, weiterreichende Fragen zur Zukunft dieses Systems zu stellen, insbesondere zur Frage des Krieges und des Internationalismus. Das Potenzial dieser Minderheiten, sich zu revolutionären Positionen zu entwickeln, bleibt jedoch aufgrund einer Reihe von Gefahren fragil:

  • Die Radikalisierung einer Reihe linker Tendenzen, insbesondere der Trotzkisten.
  • Der Einfluss des politischen Parasitismus als destruktive Kraft, die darauf abzielt, einen Schutzwall gegen die Kommunistische Linke zu errichten, indem sie vorgibt, „von innen“ zu agieren, und sich aus dem Klima des Zerfalls nährt.
  • Der anhaltende Einfluss des Opportunismus im realen Proletarischen Politischen Milieu, der die Rolle der Organisation verzerrt und den Weg für die Toleranz gegenüber dem Eindringen fremder Ideologien in das Proletariat ebnet.

Revolutionäre Aktivität ist sinnlos ohne den Kampf für den Aufbau einer politischen Organisation, die in der Lage ist, die herrschende Ideologie in all ihren Formen zu bekämpfen. Die vor uns liegende Periode erfordert eine klare Analyse der Entwicklung der internationalen Lage, die Fähigkeit, die zentralen Gefahren für das Proletariat zu antizipieren, aber auch die reale Entwicklung des Kampfes und des Klassenbewusstseins zu erkennen, insbesondere wenn sich Letzteres weitgehend „unterirdisch“ entwickelt und von denen übersehen wird, die sich auf unmittelbare Erscheinungen fixieren.

Revolutionäre Organisationen müssen als Anziehungspunkt für suchende Elemente und als Wegweiser programmatischer und organisatorischer Klarheit fungieren, basierend auf den historischen Errungenschaften der Kommunistischen Linken. Sie müssen verstehen, dass die Arbeit zum Aufbau einer Brücke zur zukünftigen Weltpartei ein Kampf ist, der über einen langen Zeitraum geführt werden muss und einen beharrlichen Kampf gegen die Auswirkungen des kapitalistischen Zerfalls in den eigenen Reihen durch Zugeständnisse an Demokratismus, Lokalismus, Egoismus usw. erfordert. Das Fortbestehen eines tiefen Opportunismus und Sektierertums im proletarischen Milieu unterstreicht die einzigartige Verantwortung der IKS bei der Vorbereitung der Bedingungen für das Entstehen der Partei der kommunistischen Revolution.

Internationale Kommunistische Strömung, 10.5.2025

 

[1] Der Zerfall: die letzte Phase der Dekadenz des Kapitalismus. Internationale Revue Nr. 13, 1990 [2]

[2] Milliardär und Trump-Unterstützer warnt vor „wirtschaftlichem nuklearem Winter“ wegen Zöllen, BBC News online, 7.4.2025

 

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26. IKS-Kongress

Die nationale Frage in der „bordigistischen“ Sichtweise

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Vorwort

Am 29. August 1953 (merkt euch dieses Datum) legte Amadeo Bordiga (1889–1970) in Triest dem interregionalen Treffen seiner Gruppe, die sich gerade vom Partito Comunista Internazionalista abgespalten hatte und vorübergehend denselben Namen beibehielt, einen Bericht vor. Das Protokoll dieser Versammlung, das später unter dem Titel Facteurs de race et de nation dans la théorie marxiste (Die Faktoren der Rasse und der Nation in der marxistischen Theorie) veröffentlicht wurde, enthält eine begeisterte Passage über den Kongress der Völker des Ostens, der kurz nach dem Zweiten Kongress der Kommunistischen Internationale im September 1920 in Baku stattgefunden hatte: „Es war der Präsident der Kommunistischen Internationale, Sinowjew (dessen Auftreten jedoch alles andere als kämpferisch war), der das Schlussmanifest des Kongresses verlas; und die farbigen Männer antworteten auf seinen Ruf mit einem einzigen Schrei und schwangen ihre Schwerter und Säbel. Die Kommunistische Internationale ruft die Völker des Ostens auf, die westlichen Unterdrücker mit Waffengewalt zu stürzen; sie ruft ihnen zu: 'Brüder! Wir rufen euch zum heiligen Krieg auf, zum heiligen Krieg vor allem gegen den englischen Imperialismus!"[1]

Sieben Jahre später, am 12. November 1960, wurde in Bologna eine neue Generalversammlung derselben politischen Gruppe, die nun den Namen Partito Comunista Internazionale angenommen hatte, eröffnet, eine Versammlung, die diese Ausrichtung auf koloniale Bewegungen voll und ganz bestätigte. Das Protokoll dieser Versammlung mit dem pompösen Titel „Das glühende Erwachen der farbigen Völker in der marxistischen Vision“ lautet wie folgt: „Aus marxistischer Sicht nehmen die kolonialen Bewegungen eine andere Position ein als die passiver, mechanischer Agenten der proletarischen Wiederbelebung. Je nach historischer Periode und konkretem Kräfteverhältnis kann die proletarische Strategie dem Proletariat der Metropolen erlauben, von Beginn der Krise an die Initiative in der weltweiten Bewegung zu ergreifen, oder sie kann die Aktion der Massen in den „rückständigen“ Ländern dazu nutzen, die Agitation des Proletariats in den „entwickelten“ Ländern in Gang zu setzen. In beiden Fällen ist jedoch die Verbindung, die hergestellt werden muss, von entscheidender Bedeutung, und genau darin liegt die Schwierigkeit."[2]

Nach dem ersten Kongress der Kommunistischen Internationale, der einen großen Schritt nach vorne bedeutet hatte, war der zweite Kongress von einer Reihe programmatischer Rückschritte geprägt. Der Kongress der Völker des Ostens bestätigte die opportunistische Abweichung, in die die Internationale geraten war. Nach dem Scheitern des ersten Revolutionsversuchs in Deutschland isoliert und von weißen Armeen umzingelt, die von starken Kontingenten aus allen entwickelten bürgerlichen Nationen unterstützt wurden, befand sich die Russische Revolution in einer gefährlichen Lage. Das russische Proletariat brauchte eine Rettungsleine. Was Lenin zunächst als Verwirrung über die nationale Frage ansah, die eine ganze Debatte innerhalb der Arbeiterbewegung – insbesondere mit Rosa Luxemburg – ausgelöst hatte, wurde 1920 aufgrund der Isolation der Russischen Revolution zu einer starken opportunistischen Haltung unter den Bolschewiki. Es liegt in der Natur des Opportunismus, nach einer Abkürzung, einer illusorischen Lösung für ein grundlegendes politisches Problem zu suchen. Aus dieser Sicht ist der Kongress der Völker des Ostens in Baku mit seinem Aufruf zum „heiligen Krieg“ das Symbol für eine Verschärfung des Degenerierungsprozesses der Russischen Revolution.

Die nachfolgenden Ereignisse bewiesen die katastrophalen Folgen der Unterstützung nationaler Befreiungskämpfe. In Finnland, der Türkei, der Ukraine, China, den baltischen Staaten und im Kaukasus führten die Forderungen der Bolschewiki nach nationaler Selbstbestimmung überall zur Förderung des Nationalismus, zur Stärkung der lokalen Bourgeoisie und zum Massaker an kommunistischen Minderheiten.[3]

Wie wir sehen können, wurde diese Position von der bordigistischen Strömung bei ihrer Gründung in den 1950er Jahren übernommen. Die Suche nach einer Abkürzung ist hier ein Produkt der Ungeduld, einer der Hauptfaktoren des Opportunismus. Inmitten einer Periode der Konterrevolution – es war die Phase des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg – glaubten die Bordigisten, in den bewaffneten Kämpfen an der Peripherie des Kapitalismus einen Auslöser für die proletarische Weltrevolution finden zu können. Sie verwechselten die Entkolonialisierung und die daraus resultierenden Konfrontationen zwischen den beiden imperialistischen Blöcken mit den nationalen bürgerlichen Revolutionen der Zeit des kapitalistischen Aufstiegs. Sie stürzten sich dann in schlimmste Zweideutigkeiten, wie die Verteidigung demokratischer Rechte, und schlimmste Verirrungen, wie die Apologie der Massaker der Roten Khmer in Kambodscha, die sie als Ausdruck des „jakobinischen Radikalismus“ betrachteten, oder wie ihre Beteiligung an den stalinistischen und trotzkistischen Chören der Ernest-Mandel-Variante, um Che Guevara zu huldigen, dem angeblich lebenden Symbol der „demokratischen antiimperialistischen Revolution“, der feige vom „Yankee-Imperialismus und seinen proamerikanischen Lakaien“ ermordet worden war.[4]

Geblendet vom Opportunismus und in Erwartung dieses schwierigen „Übergangs“ ignorierten die Bordigisten schlicht und einfach die historische Wiederbelebung des Klassenkampfs Ende der 1960er Jahre und konzentrierten sich weiterhin auf die sogenannten „antiimperialistischen“ Kämpfe. Folglich verfehlten sie es, zu erkennen, dass alle ihre militanten Rekruten aus den peripheren Ländern in Wirklichkeit den nationalistischen Positionen des Maoismus nachhängten. Dieses Pulverfass explodierte 1982 und reduzierte den Partito Comunista Internazionale von der zahlenmäßig wichtigsten Kraft der Kommunistischen Linken international auf einen winzigen Kern von wenigen Militanten.[5]

Warum die Position des Partito Comunista Internazionale ein spaltender Faktor innerhalb der Arbeiterklasse darstellt

Der Partito Comunista Internazionale (Il Comunista-Le Prolétaire) hat kurz auf unseren Artikel reagiert, der sich mit der katastrophalen Anwendung der bordigistischen Position zu nationalen Befreiungskämpfen auf die dramatische Situation in Palästina befasst; ein Artikel, der in unserer Révolution Internationale Nr. 501 (Mai-August 2024) erschien[6]. So lesen wir in Le Prolétaire Nr. 553 (Mai-Juli 2024), dass „die IKS [eine] buchstäbliche Konzeption einer reinen Revolution verteidigt, in der nur Bourgeoisie und Proletariat aufeinandertreffen“. Es ist ganz richtig, dass wir versuchen, den marxistischen Prinzipien und allen Werken, in denen diese Prinzipien von kommunistischen Militanten verteidigt werden, treu zu bleiben. Es ist auch wahr, dass wir den grundlegenden Rahmen der Konfrontation zwischen den beiden historischen Klassen der Gesellschaft, dem Proletariat und der Bourgeoisie, verteidigen, von der die Zukunft der Menschheit abhängt. Wir haben gerade gesehen, dass dies bei den Bordigisten nicht ganz der Fall ist, für die die Welt nicht mehr im Wesentlichen in Klassen, sondern in Farben unterteilt ist, von denen ein „glühendes Erwachen“ erwartet wird.

Mit der verzerrenden Brille der nationalen Unterdrückung fasziniert den Partito Comunista Internazionale (Il Comunista-Le Prolétaire) die verzweifelte Revolte der Palästinenser, die seit Jahrzehnten vom Imperialismus unterdrückt werden. Er glaubt, darin eine subversive Kraft, ein Beispiel für die Kämpfe der Arbeiter weltweit oder sogar einen Weg zur Proletarisierung der Massen von Arbeitslosen zu finden, die von einem senilen Kapitalismus ins Elend gestürzt wurden. Dabei verliert er die internationalistische Grundposition der Kommunisten aus den Augen, die zur Verbrüderung der in den imperialistischen Krieg eingezogenen Arbeiter aufrufen. Er lehnt das einzige Mittel zur Erreichung dieser Verbrüderung, dieser Vereinigung der israelischen und palästinensischen Proletarier, ab: den Bruch mit dem Gefängnis des Nationalismus. Er fördert diesen Nationalismus sogar, indem er das „Recht auf Selbstbestimmung“ fordert: „Unter diesen Bedingungen die Vereinigung der palästinensischen und israelischen (jüdischen) Proletarier zu fordern, ohne die nationale Unterdrückung der Ersteren zu berücksichtigen, kann nur wie eine leere Phrase klingen: Diese Vereinigung wird niemals möglich sein, solange sich die israelischen Proletarier nicht von der nationalen Unterdrückung distanzieren, die in ihrem Namen von „ihrem“ Staat ausgeübt wird, solange sie das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser nicht anerkennen.“

Das Ergebnis dieser Strategie des Partito Comunista Internazionale (Il Comunista-Le Prolétaire) ist nicht die Radikalisierung des Kampfes oder die Einheit des Proletariats, sondern vielmehr dessen Spaltung. Überall auf der Welt nutzt die Bourgeoisie diesen Glücksfall und ist bestrebt, die Spaltung zwischen Proletariern, die sich als pro-palästinensisch bekennen, und denen, die sich als anti-palästinensisch bekennen, zu vertiefen, um den Nationalismus zu verschärfen, der sich gegenseitig nährt, in einem Kontext, in dem die globale Arbeiterklasse noch nicht die Kraft hat, sich den heutigen regionalen imperialistischen Kriegen direkt zu widersetzen, sondern deren negative Auswirkungen mit einem Gefühl der Fassungslosigkeit, der Ohnmacht und des Fatalismus erdulden muss.

Der Schaden, den diese Politik unter politisierten Elementen insbesondere aus peripheren Ländern angerichtet hat, ist enorm. Auf einer Veranstaltung des Partito Comunista Internazionale (Il Comunista-Le Prolétaire) in den 1980er Jahren antwortete beispielsweise einer ihrer Anhänger auf unseren Beitrag zur Verteidigung des Prinzips des Internationalismus: „Wenn man uns Waffen gibt, wäre es sehr dumm, sie abzulehnen!“ Dies zeigt deutlich eine absolute Unkenntnis der Natur des Imperialismus, die nur in eine Katastrophe führen kann. Und dies war angesichts aller wichtigen Ereignisse der Nachkriegszeit der Fall. 1949 in China und 1962 in Algerien[7] förderte die Politik der bordigistischen Gruppen die Rekrutierung unerfahrener Proletarier für den bewaffneten Kampf hinter einer Fraktion der lokalen Bourgeoisie, die, um ihre rivalisierenden Fraktionen zu vernichten, gezwungen war, sich mit der einen oder anderen Bourgeoisie der großen westlichen oder sowjetischen Länder zu verbünden. All diese militärischen Konflikte und Guerillakriege führten aufgrund ihres imperialistischen Charakters zur Zerschlagung des jungen Proletariats in diesen Regionen.

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere während der Entkolonialisierung, waren die Führer der beiden imperialistischen Blöcke, die UdSSR[8] und die Vereinigten Staaten, die behaupteten, niemals ein Land kolonialisiert zu haben, darauf bedacht, ihre Ordnung durchzusetzen, nachdem sie die Welt unter sich aufgeteilt hatten, während die Vereinigten Staaten ihren zweitrangigen Akteuren die Rolle des Polizisten in ihren ehemaligen Kolonien zuwiesen. Um diese blutige Spirale zu durchbrechen, konnte nur die Ausweitung des Kampfes des Proletariats der zentralen Länder den Druck des Imperialismus auf das Proletariat der peripheren Länder schwächen. Mit dem Wiederaufflammen der Wirtschaftskrise Ende der 1960er Jahre wurde der imperialistische Wettbewerb zwischen den beiden Blöcken noch blutiger. Die Auflösung der beiden Blöcke nach 1989 bedeutete nicht das Ende dieses imperialistischen Wettbewerbs zwischen großen und kleinen Nationen, im Gegenteil, er nahm mit der Umsetzung einer Politik der verbrannten Erde und der systematischen Massakrierung der Zivilbevölkerung überall eine noch barbarischere Wendung. Die Kommunisten müssen ihrerseits den Boden für die zukünftige Vereinigung der Proletarier der ganzen Welt bereiten, indem sie einen Bruch mit dem imperialistischen Krieg und mit dem Nationalismus fordern, wie Lenin es 1914 gegenüber den Sozialchauvinisten getan hat.

Es trifft zwar zu, dass der Partito Comunista Internazionale (Il Comunista-Le Prolétaire) keine „buchstäbliche Auffassung von Revolution“ hat, aber er verlässt sie in dem Sinne, dass er Werke des Marxismus als Fußabtreter misshandelt. Zum Beispiel das Manifest der Kommunistischen Partei, in dem es heißt: „Die Arbeiter haben kein Vaterland. Man kann ihnen nicht nehmen, was sie nicht haben.“

Wir haben zahlreiche Polemiken mit den verschiedenen bordigistischen Organisationen geführt, auf theoretischer Ebene, indem wir den marxistischen Ansatz zur nationalen Frage,[9] oder auf historischer Ebene, indem wir die Lehren aus den Niederlagen des Proletariats analysiert haben.[10] In diesem Artikel wollen wir untersuchen, wie die Entwicklung des Partito Comunista Internazionale erklärt, warum er sich in eine Position zur nationalen Frage manövrieren ließ, die längst überholt ist. Die Falle wurde in zwei Etappen gestellt: erstens 1943 und 1944–1945 mit der opportunistischen Gründung des Partito Comunista Internazionalista[11], aus der der Partito Comunista Internazionale hervorging, und zweitens 1952 mit der Liquidierung des Erbes der italienischen Fraktion der Kommunistischen Linken während der Gründung dieses Partito.

1943 – Bruch mit der Linken Fraktion der Kommunistischen Partei Italiens

Bordiga machte den ersten Schritt zur Aufgabe der Fraktionsarbeit, indem er sich aus dem politischen Leben zurückzog, als die Linke gerade die Führung der Kommunistischen Partei Italiens (Partito Comunista d‘Italia) verloren hatte. Ende 1926, nachdem sein Haus von den Faschisten durchsucht worden war, wurde er verhaftet und zu drei Jahren Exil verurteilt, zunächst in Ustica und dann in Ponza. Es gibt einige Spuren seiner politischen Tätigkeit im Gefängnis, als er sich mit einer Minderheit kommunistischer Häftlinge gegen die Anti-Trotzki-Kampagne aussprach. Im März 1930 wurde er von der stalinistischen Führung des Partito Comunista d‘Italia, die in Paris Zuflucht gefunden hatte, ausgeschlossen. Er zog sich daraufhin aus dem politischen Leben zurück, um sich seinem Beruf als Bauingenieur zu widmen. In einem Gespräch erklärte er 1936: „Ich bin glücklich, außerhalb der kleinlichen und unbedeutenden Ereignisse der politischen Militanz zu leben (...) Ihre täglichen Geschehnisse interessieren mich nicht mehr.“[12] Erst 1944, mehr als 15 Jahre später, tauchte er in Süditalien wieder auf, in einer Fraktion italienischer Sozialisten und Kommunisten.

Damit brach er mit anderen linken Militanten, die, von der Polizei Mussolinis und Stalins verfolgt, größtenteils ins Exil gingen, vor allem nach Frankreich und Belgien.[13] Sie waren entschlossen, den Kampf gegen das opportunistische Abdriften der Kommunistischen Internationale fortzusetzen. 1928 gründeten sie die Linke Fraktion der Kommunistischen Partei Italiens. Ihre große Stärke lag darin, zwei wesentliche Fragen zu klären und zu untersuchen: erstens den Rückzug und die Niederlage der revolutionären Welle, d. h. den Beginn einer Periode der Konterrevolution, die den Weg für einen neuen Weltkrieg ebnete, sowie zweitens das Wesen der Aufgaben revolutionärer Organisationen in einer solchen Situation, d. h. die Arbeit einer Fraktion, wie sie Marx und Lenin in anderen ungünstigen Perioden der Arbeiterbewegung gegen den Opportunismus geleistet hatten.

Die Hauptaufgabe der Fraktion bestand darin, Lehren aus der revolutionären Welle der 1920er Jahre zu ziehen, um festzustellen, welche Positionen durch die historische Erfahrung bestätigt worden und welche falsch waren oder mit der Entwicklung des Kapitalismus ihre Gültigkeit verloren hatten. Im Gegensatz zur Linken Opposition Trotzkis, die die ersten vier Kongresse der Kommunistischen Internationale voll und ganz unterstützte, lehnte die Italienische Linke einige der auf dem 3. und 4. Kongress beschlossenen Positionen ab, insbesondere die Taktik der „Einheitsfront“. Wenn die Partei nach dem Zerfall der Internationale ihren degenerierten Kurs fortsetzte und schließlich auf die Seite der Bourgeoisie überging, bedeutete dies nicht, dass die Situation reif war für die Entstehung einer neuen Partei. Die Fraktion musste ihre Arbeit fortsetzen, um die Voraussetzungen für die zukünftige Partei zu schaffen, und diese konnte nur unter zwei Bedingungen wieder entstehen: dass die Fraktion ihre politische Aufarbeitung abgeschlossen hatte, indem sie einen neuen programmatischen Rahmen entwarf, der der neuen Situation entsprach, und dass eine Situation entstand, die nicht nur einen Bruch mit der Konterrevolution bedeutete, sondern eine neue Periode einleitete, die zur Revolution führte, wie dies bereits in den Thesen von Rom (1922) festgelegt worden war.[14]

Während dieser gesamten Zeit führte die Fraktion ein bemerkenswertes Arbeitsprogramm durch und war zusammen mit einigen Militanten des niederländischen Linkskommunismus die einzige Organisation, die angesichts des Spanischen Kriegs von 1936-38, der eine Generalprobe für den Zweiten Weltkrieg war, eine kompromisslose Klassenposition beibehielt. Mit der Zeit wurde jedoch das Gewicht der Konterrevolution immer größer, und die Fraktion selbst geriet in eine Phase der Degeneration. Unter der Führung von Vercesi, ihrem wichtigsten Theoretiker und Organisator, begann sie eine neue Theorie zu entwickeln, nach der lokale Kriege nicht mehr Vorbereitungen für ein neues Weltgemetzel darstellten, sondern durch die Massakrierung der Arbeiter die wachsende proletarische Gefahr verhindern sollten. Die Welt stand für Vercesi daher am Vorabend einer neuen revolutionären Welle. Trotz des Kampfes einer Minderheit gegen diese neue Ausrichtung war die Fraktion bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs völlig desorientiert. Sie befand sich in völliger Zerrissenheit, abgesehen von der Minderheit, der es 1941 vor allem in Marseille gelang, die Fraktion wiederaufzubauen.

Als 1942-43 in Norditalien große Arbeiterstreiks ausbrachen,[15] die zum Sturz Mussolinis führten, glaubte die wiederaufgebaute Fraktion, dass gemäß ihrer langjährigen Position „der Weg für die Umwandlung der Fraktion in eine Partei in Italien offen ist“ (Konferenz vom August 1943). Auf der Konferenz vom Mai 1945 jedoch, nachdem sie von der Gründung des PCInt in Italien unter der Führung der angesehenen Persönlichkeiten Onorato Damen und Amadeo Bordiga erfahren hatte, beschloss die Fraktion ihre Auflösung und den individuellen Beitritt ihrer Mitglieder zum PCInt. Das war der endgültige Schlag. Die geschwächte Fraktion brach zusammen, trotz der Warnungen von Marc Chirik[16], der die Fraktion aufforderte, zunächst die programmatische Grundlage dieser neuen Partei zu überprüfen, über die sie keine Unterlagen hatte.

Die Gründung des Partito Comunista Internazionalista im Jahr 1943 wurde mit dem Wiederaufleben der Klassenkämpfe in Norditalien begründet und beruhte auf der falschen Vorstellung, dass diese die ersten einer neuen revolutionären Welle waren, die wie nach dem Ersten Weltkrieg aus dem Krieg hervorgehen würde. Sobald klar wurde, dass sich diese Perspektive nicht verwirklichen würde, hätte der Partito Comunista Internazionalista sich zurückziehen und als Fraktion weiterarbeiten müssen, um die Arbeit der italienischen Linken im Exil fortzusetzen und sich darauf vorzubereiten, gegen den Strom in einem feindlichen Umfeld der Konterrevolution zu arbeiten.[17] Er tat jedoch genau das Gegenteil und schlug einen opportunistischen Kurs ein, indem er ohne große Unterschiede aus trotzkistischen und stalinistischen Zirkeln rekrutierte, um gegen alle Widrigkeiten die Gründung der Partei zu rechtfertigen. Es wurde alles getan, um sich den wachsenden Illusionen einer sich auf dem Rückzug befindenden Arbeiterklasse anzupassen.

So hatte der Partito Comunista Internazionalista beispielsweise von Anfang an sehr klar zum Ausdruck gebracht, dass der Widerstand ein Moment des imperialistischen Krieges und eine nationalistische Falle sei. Doch bald wandte er sich der Agitationsarbeit unter Partisanengruppen zu mit der Illusion, diese „in Organe der proletarischen Selbstverteidigung zu verwandeln, die bereit sind, in den revolutionären Kampf um die Macht einzugreifen“ (Manifest vom Juni 1944). Er ging sogar so weit, an den Wahlen von 1946 teilzunehmen – er, der sich auf die Abstentionistischen Fraktion bezog. Diese opportunistische Politik ist noch offensichtlicher in Bezug auf die Gruppen in Süditalien. Die Frazione di sinistra dei comunisti e socialisti (Fraktion der Linken der Kommunisten und Sozialisten), die sich in Neapel um Bordiga und Pistone gebildet hatte, praktizierte bis Anfang 1945 den Entrismus in der stalinistische Partito Comunista Italiano und war besonders vage in der Frage des politischen Charakters der UdSSR. Der Partito Comunista Internazionalista öffnete seine Türen, geblendet von der Anwesenheit Bordigas, auch gegenüber Leuten des POC (Parti Ouvrier Communiste), der eine Zeit lang die italienische Sektion der trotzkistischen Vierten Internationale gebildet hatte. All dies ohne Überprüfung, ohne eingehende Diskussion mit diesen Elementen, ohne kritische Untersuchung.

Der Partito Comunista Internazionalista hatte in seinen Reihen einige Militante der Fraktion, die zu Beginn des Krieges nach Italien zurückgekehrt waren. Er war daher von den Positionen der Fraktion beeinflusst, wie die ersten Ausgaben von Prometeo zeigen. Aber auf der Turiner Konferenz Ende 1945 nahm er den Programmentwurf an, den Bordiga – der noch kein Mitglied der Partei war – gerade zugeschickt hatte, ein Programm, das diese Positionen völlig ignorierte. Dies war kennzeichnend für den Bruch mit dem organisatorischen Rahmen, den die Fraktion im Exil entwickelt hatte. Die Fortsetzung der Parteiarbeit in einer konterrevolutionären Periode bedeutete, dem Opportunismus Tür und Tor zu öffnen, bedeutete, Klarheit zu verunmöglichen, wenn die herrschende Ideologie in die Organisation eindrang. Dies ist der gemeinsame Punkt, der einerseits die Onorato-Damen-Strömung des Partito Comunista Internazionalista und andererseits den Bordigismus, der einige Jahre später entstehen sollte, verbindet.

1952, Bruch mit dem programmatischen Rahmen der Linken Fraktion

Eine so heterogene Gruppierung konnte nicht von Dauer sein. Die Spaltung erfolgte bereits 1952 und markierte die Geburt der bordigistischen Strömung. Nachdem Bordiga einer der Initiatoren des Bruchs mit dem Rahmen der Fraktion gewesen war, ging er noch einen Schritt weiter und brach mit dem programmatischen Rahmen, den die Fraktion der Italienischen Linken im Exil selbst formuliert hatte. In der neuen Partei, die bald den Namen Partito Comunista Internazionale annahm, waren die drei Jahre 1951, 1952 und 1953 Jahre revisionistischer Raserei. Das Ziel ist klar: „Es ging nicht mehr nur darum, die verstreuten Fäden einer marxistischen Opposition gegen den Stalinismus wieder zusammenzufügen, sondern sie von Grund auf neu aufzubauen, an allen Fronten von Null anzufangen.“[18] Das heißt, indem alle Beiträge der drei Internationalen und der Kommunistischen Linken der 1920er und 1930er Jahre beseitigt wurden. Nämlich:

1. Bordiga begann zunächst damit, die von der Dritten Internationale vertretene Dekadenztheorie abzulehnen. Der Kapitalismus expandiere ständig, und hier und da könnten einige junge Kapitalismen entdeckt werden.

2. Bordiga „entdeckte“, dass das Proletariat nicht in der Lage ist, sein Bewusstsein vor der Machtergreifung zu entwickeln. Bis dahin sei nur innerhalb der Partei das Bewusstsein ein aktiver Faktor, was er als „Umkehrung der Praxis“ bezeichnete.[19] Damit war ein weiteres grundlegendes Werk des Marxismus, Trotzkis Geschichte der Russischen Revolution, im Papierkorb gelandet.

3. Die Negation des Bewusstseins innerhalb des Proletariats erlaubte es, die revolutionären Aufgaben, die der in Arbeiterräten organisierten Masse des Proletariats zukamen, auf die Partei – und nur auf die Partei – zu übertragen. Nach dieser substituierenden Vision organisiert und leitet die Partei technisch die gesamte Klasse. Sie ist monolithisch, einzigartig und hierarchisch, wie eine Pyramide mit dem Zentralkomitee der Partei an der Spitze.[20]

4. Zusammen mit der Partei wurde so der Staat zum revolutionären Organ par excellence für die Diktatur des Proletariats. Er gründet seine Macht auf den „Roten Terror“.[21] Mit diesen beiden Punkten versenkte Bordiga zwei der wichtigsten Fortschritte der Linken Fraktion des Partito Comunista d‘Italia. Damit wurde nicht nur die Kontinuität mit der programmatischen Arbeit der Linken gebrochen, sondern die gesamte Kontinuität der marxistischen Bewegung. Es war eine Ablehnung der Methode zur Analyse der wichtigsten Erfahrungen des Proletariats, wie sie Marx und Engels beispielsweise zur Zeit der Pariser Kommune entwickelt hatten und die sie zu folgendem Schluss führte: „In Wirklichkeit aber ist der Staat nichts als eine Maschine zur Unterdrückung einer Klasse durch eine andre, und zwar in der demokratischen Republik nicht minder als in der Monarchie; und im besten Fall ein Übel, das dem im Kampf um die Klassenherrschaft siegreichen Proletariat vererbt wird und dessen schlimmste Seiten es ebensowenig wie die Kommune umhin können wird, sofort möglichst zu beschneiden, bis ein in neuen, freien Gesellschaftszuständen herangewachsenes Geschlecht imstande sein wird, den ganzen Staatsplunder von sich abzutun."[22]

5. Um das Ganze noch zu krönen, verkündete Bordiga auf einer Versammlung in Mailand im September 1952 (einem für den Partito Comunista Internazionalista schicksalhaften Jahr!) die Unveränderlichkeit des Marxismus. Während das kommunistische Programm und die ihm zugrunde liegende marxistische Theorie ein kumulativer Prozess sind, in dem Lehren aus Revolutionen und Konterrevolutionen gezogen werden, in dem das Proletariat Erfahrungen sammelt und die Kommunisten ihr theoretisches Verständnis vertiefen, verwandelt Bordiga sie in ein totes Dogma, einen Katechismus. So behauptet Bordiga, gegen Revisionisten und Modernisierer zu kämpfen, indem er selbst beide Kostüme anzieht, dasjenige des Revisionisten und das des Priesters: „Das theoretische Gut der revolutionären Arbeiterklasse ist weder eine Offenbarung noch ein Mythos, noch eine idealistische Ideologie, wie es für die vorhergehenden Klassen zutraf. Es ist eine positive Wissenschaft, und bedarf einer festen und dauerhaften Formulierung ihrer Prinzipien und ihrer Aktionsregeln. Diese Formulierung soll die gleiche Rolle spielen und die gleiche bestimmende Wirksamkeit haben wie in der Vergangenheit die Dogmen, der Katechismus, die Tafeln, die Verfassungen, die Leitbücher der Vedas, der Talmut, die Bibel, der Koran und die Erklärung der Menschenrechte. Die grundlegenden Irrtümer in der Substanz oder der Form, die in diesen Sammelwerken enthalten waren, haben ihnen nichts von ihrer außerordentlichen organisatorischen und sozialen Kraft genommen; sie waren in dialektischer Folge zuerst revolutionär, dann konterrevolutionär – aber es war oft gerade diese feste Systematisierung, selbst wenn sie diese Irrtümer enthielt, die zu ihrer Kraft beigetragen hat."[23]

Nachdem diese Arbeit der systematischen Zerstörung des Erbes der Arbeiterklasse abgeschlossen war,[24] musste der Partito Comunista Internazionale (Il Comunista-Le Prolétaire) bitter feststellen, dass die IKS heute die einzige Erbin der programmatischen Positionen ist, die die Italienische Fraktion in den 1930er Jahren entwickelt hatte. Sie musste dies öffentlich in einem Artikel anerkennen, der – sehr verspätet – der Geschichte der „Linken Fraktion im Ausland“ gewidmet war, wie sie sie nennt, und geht sogar so weit, einen Bruch in der theoretischen Kontinuität der Italienischen Linken anzuerkennen: „In der Frage des Krieges, in der Frage der globalen Krise des Kapitalismus, in der Kolonialfrage, in all diesen Fragen begann die Fraktion ab 1935, sich Positionen anzunähern, die, wie wir leider sagen müssen, heute von der Internationalen Kommunistischen Strömung vertreten werden. […] Wir müssen in der Tat offen sagen, ohne die geringste Absicht, die Genossen deshalb anzuklagen – wie es unserer Tradition entspricht –, dass die 1952 gegründete Partei nicht mit dem theoretischen Erbe der Fraktion in Verbindung steht.“[25]

Als Waisenkind der Arbeiterbewegung und gefangen in einer idealistischen, ja mystischen Spirale versuchte der Partito Comunista Internazionale, eine Art politische Kontinuität wiederherzustellen, die auf individueller Kontinuität beruhte, d. h. auf dem Konzept des „genialen Führers“, einem Konzept, das bereits 1947 von der Gauche Communiste de France (GCF) kritisiert worden war[26]. Dieses idealistische Konzept ist bei den heutigen „Erben“ des Partito Comunista Internazionale noch immer gültig, wie das folgende Beispiel zeigt. In demselben Artikel, aus dem wir gerade zitiert haben, werden uns gelehrt die Ursachen der Spaltung von 1952 erklärt. Um die wahre Partei zu bilden, musste der „geniale Führer“ seine Überlegungen abschließen: „In dieser Zeit, die in Italien das Jahr 1952 war – man kann sich natürlich fragen, ob dies nicht eher 1950 als 1952 hätte geschehen können, aber das ist in Wirklichkeit ohne Bedeutung –, war die Neugründung der Partei möglich, weil nur dann eine Bestandsaufnahme möglich war. Amadeo [Bordiga] selbst hätte diese Arbeit zehn Jahre zuvor nicht leisten können. Wir konnten zeigen, dass in Amadeos Denken 1945 einige Dinge noch nicht klar waren, aber 1952 klar geworden waren."[27]

Die Kommunistische Linke und die nationale Frage

Kehren wir aber zu unserem Ausgangspunkt zurück, der nationalen Frage, indem wir die Methode der Kommunistischen Linken erläutern. Anhand des folgenden Zitats aus Bilan, dem Organ der italienischen Fraktion, lässt sich leicht die Kluft ermessen, die sie von der verknöcherten Methode der bordigistischen Strömung trennt:

„Unsere Epoche wird von einer Vergangenheit revolutionären Wachstums und von den dunklen Niederlagen beherrscht, die das Proletariat gerade weltweit erlitten hat. Das marxistische Denken, das sich um diese beiden Achsen dreht, tut sich schwer, nutzlosen Ballast und überholte Formeln abzulegen, sich aus der ‚Totenbeschwörung‘ zu befreien, um in der Ausarbeitung des neuen Materials, das für die Kämpfe von morgen notwendig ist, voranzukommen. Die revolutionäre Ebbe führt vielmehr zu einer Verarmung des Denkens, zu einer Rückkehr zu Bildern einer Vergangenheit, ‚in der wir gesiegt haben‘; und so verwandelt sich das Proletariat, die Klasse der Zukunft, in eine Klasse ohne Hoffnung, die ihre Schwäche mit Deklamationen, einem Mystizismus leerer Formeln tröstet, während sich der Griff der kapitalistischen Repression immer mehr verschärft.

Es muss erneut verkündet werden, dass das Wesen des Marxismus nicht in der Verehrung proletarischer Führer oder Formeln besteht, sondern in einer lebendigen und ständig fortschreitenden Erforschung, so wie die kapitalistische Gesellschaft immer weiter in Richtung der Unterdrückung der Auflehnung der Produktivkräfte voranschreitet. Den doktrinären Beitrag der früheren Phasen des proletarischen Kampfes nicht zu vervollständigen, bedeutet, die Arbeiter angesichts der neuen Waffen des Kapitalismus machtlos zu machen. Dieser Beitrag besteht jedoch sicherlich nicht in der Summe von zufälligen Positionen, von vereinzelten Phrasen, von allen Schriften und Reden derer, deren Genie den Bewusstseinsgrad der Massen in einer bestimmten historischen Periode zum Ausdruck brachte, sondern vielmehr in der Substanz ihrer Arbeit, die durch die schmerzliche Erfahrung der Arbeiter befruchtet wurde. Wenn das Proletariat in jeder historischen Periode eine neue Stufe erklimmt, wenn dieser Fortschritt in den grundlegenden Schriften unserer Meister festgehalten ist, so ist es nicht weniger wahr, dass die Summe der Hypothesen, Schemata und Wahrscheinlichkeiten, die angesichts noch embryonaler Probleme aufgestellt werden, der strengsten Kritik durch diejenigen unterzogen werden muss, die, wenn sie dieselben Phänomene sich entfalten sehen, Theorien nicht auf dem „Wahrscheinlichen“, sondern auf dem Zement neuer Erfahrungen aufbauen können. Darüber hinaus hat jede Epoche ihre Grenzen, eine Art Bereich von Hypothesen, die, um gültig zu sein, noch durch die Ereignisse bestätigt werden müssen. Aber selbst wenn sich soziale Phänomene vor unseren Augen abspielen, wollen Marxisten manchmal Argumente für ihre Interventionen aus dem alten Arsenal historischer Fakten entlehnen.

Der Marxismus ist jedoch keine Bibel, sondern eine dialektische Methode; seine Stärke liegt in seiner Dynamik, in seiner permanenten Tendenz zur Weiterentwicklung der Formulierungen, die das zur Revolution schreitende Proletariat erworben hat. Wenn revolutionäre Umwälzungen Erinnerungen rücksichtslos hinwegfegen, wenn sie tiefe Gegensätze zwischen proletarischen Positionen und dem Lauf der Ereignisse hervorbringen, fleht der Marxist die Geschichte nicht an, seine überholten Formeln zu übernehmen, zurückzufallen: Er versteht, dass zuvor ausgearbeitete Grundsatzpositionen weiterentwickelt werden müssen, dass die Vergangenheit den Toten überlassen werden muss. Und es ist Marx, der seine Formeln von 1848 über die fortschrittliche Rolle der Bourgeoisie verwirft, es ist Lenin, der im Oktober 1917 seine Septemberhypothesen über den friedlichen Verlauf der Revolution, über die Enteignung mit Abfindung der Banken mit Füßen tritt; beide, um weit über diese Positionen hinauszugehen: um sich den wirklichen Aufgaben ihrer Zeit zu stellen. (...)

Was uns betrifft, so werden wir uns nicht scheuen zu zeigen, dass Lenins Formulierung zum Problem der nationalen Minderheiten von den Ereignissen überholt ist und dass seine in der Nachkriegszeit vertretene Position im Widerspruch zu den grundlegenden Elementen stand, die ihr Urheber ihr gegeben hatte: der Weltrevolution zum Aufblühen zu verhelfen.

Aus allgemeiner Sicht hatte Lenin während des Krieges vollkommen recht, wenn er die Notwendigkeit betonte, die wichtigsten kapitalistischen Staaten mit allen Mitteln zu schwächen, da ihr Sturz den Verlauf der Weltrevolution sicherlich beschleunigt hätte. Die Unterstützung der unterdrückten Völker bedeutete für ihn, bürgerliche Aufstandsbewegungen zu bestimmen, von denen die Arbeiter hätten profitieren können. All dies wäre unter einer Bedingung perfekt gewesen: dass die Gesamtlage des Kapitalismus, die Ära des Imperialismus, noch fortschrittliche nationale Kriege und gemeinsame Kämpfe der Bourgeoisie und des Proletariats zugelassen hätte. Was den zweiten Aspekt des von Lenin aufgeworfenen Problems betrifft, das Selbstbestimmungsrecht der Völker, so hat die Russische Revolution bewiesen, dass die proletarische Revolution, wenn sie nicht mit ihrer Proklamation zusammenfällt, nur ein Mittel zur Kanalisierung revolutionärer Unruhen darstellt, eine Waffe der Unterdrückung, die alle Imperialismen 1919, von Wilson bis zu den Vertretern des französischen, italienischen und englischen Imperialismus, zu handhaben wussten."[28]

Die Schranken der Selbstkritik von 1989

Während des gesamten Prozesses, der 1975 zur Gründung der Internationalen Kommunistischen Strömung führte, war es unerlässlich, das Erbe der Kommunistischen Linken aufzunehmen, das infolge des organischen Bruchs aufgegeben worden war. Die Hauptaufgabe der IKS bestand darin, diese politische Kontinuität nach dem Bruch in der Verbindung zwischen den aufeinanderfolgenden kommunistischen Organisationen wiederherzustellen. Dank der militanten Aktion und der Kommentare der Französischen Kommunistischen Linken (GCF) und von Internacionalismo sowie der Wiederbelebung der Klasse Ende der 1960er Jahre wurde es möglich, die Beiträge der verschiedenen Strömungen der Kommunistischen Linken zu einem kohärenten Ganzen auf der Grundlage des Rahmens der Dekadenz des Kapitalismus zusammenzufassen. In dieser Arbeit war der Beitrag der Italienischen Linken von zentraler Bedeutung, und wie wir oben gesehen haben, anerkennt der Partito Comunista Internazionale (Il Comunista-Le Prolétaire) mit einer ihm zur Ehre gereichenden Offenheit, dass die wichtigsten Lehren aus der revolutionären Welle und der Konterrevolution, die von der Fraktion, die Bilan auf Französisch veröffentlichte, ausgearbeitet wurden, heute von der IKS verteidigt werden. Umgekehrt versucht der Partito Comunista Internazionale (Il Comunista-Le Prolétaire) nur sehr zaghaft, die Lehren aus seiner internen Krise zu ziehen, die durch diese opportunistische Position in der nationalen Frage verursacht wurde.

Beginnend mit Le Prolétaire Nr. 401 vom Mai-Juni 1989, also 7 Jahre nach ihrer verheerenden inneren Krise, anerkennt der Partito Comunista Internazionale (Il Comunista-Le Prolétaire), dass „die Komplexität der Situation und die Entwicklung des palästinensischen Widerstands eine gewisse Unsicherheit und falsche Positionen innerhalb der Partei verursacht haben; dies war beispielsweise der Fall bei der Hoffnung, dass die Kerne der zukünftigen proletarischen Avantgarde in der Region aus Organisationen links von der PLO hervorgehen würden. (...) Die Krise, die die Partei seit Anfang der 1980er Jahre erschütterte, wurde gerade durch die ‚Palästinafrage‘ ausgelöst.“ Unter diesen falschen Positionen nennt sie die Forderung nach einem „Mini-Palästinenserstaat, der ein Ghetto für palästinensische Proletarier wäre“ und geht sogar so weit zu verkünden – welch ein Sakrileg! – „Palästina wird nicht siegen, die proletarische Revolution wird siegen!“

Aber die Ernüchterung lässt nicht lange auf sich warten, die Grenzen dieser Selbstkritik werden schnell deutlich. Wir erfahren beispielsweise, dass „der Faktor des arabischen Nationalismus seit dem Zweiten Weltkrieg jegliches Potenzial für historischen Fortschritt in dem riesigen Gebiet vom Nahen Osten bis zum Atlantik und einschließlich Nordafrika erschöpft hat“. Das bedeutet, dass der Partito Comunista Internazionale (Il Comunista-Le Prolétaire) Gefangener seiner Theorie der geohistorischen Räume bleibt, d. h. der Vorstellung, dass es hie und da auf der Welt Gebiete gibt, in denen der Kapitalismus noch in den Kinderschuhen steckt, obwohl die Arbeiten von Rosa Luxemburg und Lenin zum Imperialismus die Vollendung des Weltmarktes seit 1914 gezeigt haben. Seit diesem Zeitpunkt befindet sich der Kapitalismus weltweit in einem senilen Zustand, und die Aufgabe des Proletariats ist überall dieselbe: den Kapitalismus zu zerstören und neue Produktionsverhältnisse zu errichten. Hierhin führt diese Zweideutigkeit über geohistorische Räume, die nationale Interessen wieder in den Kampf des Proletariats einführt: „Nach dem Marxismus besteht die richtige Herangehensweise insbesondere für Gebiete, in denen die bürgerliche Revolution nicht mehr auf der Tagesordnung steht (wo es also keine doppelten Revolutionen mehr geben kann), aber die nationale Frage noch nicht gelöst ist, darin, diese und den nationalen Kampf in den revolutionären Klassenkampf einzubeziehen. Das Ziel des revolutionären Klassenkampfs ist die Eroberung der politischen Macht, nicht die Errichtung eines Nationalstaats, sondern der Staat der Diktatur des Proletariats, das Instrument der internationalen proletarischen Revolution.“ Die Moral der Geschichte ist demnach: Der revolutionäre Klassenkampf kann geführt werden, indem die nationale Frage in seine Methode und Ziele einbezogen wird, was notwendigerweise Zugeständnisse an die nationale Frage bedeutet!

Die großartigen Erklärungen über die „internationale proletarische Revolution“ können die Position des Partito Comunista Internazionale (Il Comunista-Le Prolétaire) zur nationalen Frage nicht retten. Um kohärent zu bleiben, ist er ständig gezwungen, den Kampf für demokratische Rechte und die Forderung nach nationaler Selbstbestimmung wieder aufzunehmen. Damit provoziert er eine chauvinistische Abwehrreaktion unter den israelischen Proletariern, während sie die palästinensischen Proletarier mit nationalistisch gefärbten Reden (wieder Opportunismus) betäubt: „Um mit ihrer Bourgeoisie zu brechen, müssen sich die jüdischen israelischen Proletarier von der nationalen Unterdrückung der Palästinenser distanzieren. Es gibt kein schlimmeres Unglück für ein Volk, als ein anderes zu unterwerfen, sagte Marx über die englische Unterdrückung Irlands. Um ihrer aus Sicht des Klassenkampfs unglücklichen Lage zu entkommen, müssen die israelischen jüdischen Proletarier den doppelten Standpunkt einnehmen: den Kampf gegen die Diskriminierung der palästinensischen und arabischen Proletarier in ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen (d. h. gegen den Konfessionalismus des israelischen Staates) und die Verteidigung des Selbstbestimmungsrechts des palästinensischen Volkes, d. h. des Rechts aller Palästinenser, ihren Staat in Palästina zu errichten."[29]

Somit sieht der Partito Comunista Internazionale (Il Comunista-Le Prolétaire) immer noch nicht, dass unsere Zeit nicht dieselbe ist wie die von Marx. Er wird sein Problem niemals klären können, solange er nicht anerkennt, dass im Zeitalter des Imperialismus (oder der kapitalistischen Dekadenz) das alte bürgerlich-demokratische Programm zusammen mit dem nationalen Programm begraben wurde, dass die Nation nicht mehr als Rahmen für die Entwicklung der Produktivkräfte dienen kann. Wie Rosa Luxemburg sagte: „Die nationale Phrase freilich ist geblieben. Ihr realer Inhalt, ihre Funktion ist aber in ihr Gegenteil verkehrt; sie fungiert nur noch als notdürftiger Deckmantel imperialistischer Bestrebungen und als Kampfschrei imperialistischer Rivalitäten, als einziges und letztes ideologisches Mittel, womit die Volksmassen für ihre Rolle des Kanonenfutters in den imperialistischen Kriegen eingefangen werden können.“[30]

Wenn das Proletariat einen neuen Kurs in Richtung Revolution einschlägt, wird es noch einige Zeit mit den Fallstricken des Demokratismus und Nationalismus konfrontiert sein. An diesem Punkt wird die Präsenz einer kommunistischen Partei, die ihre programmatische Klarheit in diesen beiden Fragen längst unter Beweis gestellt hat, entscheidend sein, um das Proletariat auf den Aufstand auszurichten. Aber der politische Rahmen, auf dem die Plattform des Partito Comunista Internazionale (Il Comunista-Le Prolétaire) beruht, ist in der nationalen Frage und in vielen anderen Punkten überholt. Der Grund dafür liegt in dem Bruch, der in der Kontinuität der Arbeit der Kommunistischen Linken Italiens entstanden ist. Da er diese Kontinuität mit der Vergangenheit gebrochen hat, ist der Partito Comunista Internazionale) nicht mehr in der Lage, die Zukunft aufzubauen, d. h. zur Bildung der zukünftigen Weltpartei beizutragen, einer Partei, die weder sektiererisch noch hierarchisch noch monolithisch noch substitutionistisch ist. Sondern eine führende Partei, nicht im Sinne einer technischen Führung der Klasse, sondern einer politischen Führung, einer militanten Orientierung innerhalb der Klasse, einer Orientierung, die auf dem endgültigen kommunistischen Ziel und einer vollständigen Analyse der historischen Situation basiert.

Die Bedeutung der Varianten unter den bordigistischen Gruppen in der nationalen Frage

Der Partito Comunista Internazionale (Il Comunista-Le Prolétaire), dessen Positionen wir gerade untersucht haben, ist nur einer der Ausdrucksformen der gegenwärtigen bordigistischen Diaspora. Nach der Explosion von 1982 wandten sich die wenigen überlebenden französischen Militanten an diejenigen in Italien, die Il Comunista herausgaben, um eine neue Organisation zu gründen, die behauptete, die Arbeit der vorherigen fortzusetzen. Es wäre mühsam, die Zahl der über mehrere Kontinente verstreuten Partiti Comunisti Internazionali zu zählen, die alle behaupten, Anhänger des Bordigismus zu sein, wie er sich seit 1952 entwickelt hat. Wir erwähnen nur einen anderen wesentlichen Zweig, der in Italien um Bruno Maffi (1909-2003) geblieben war und Il Programma Comunista auf Italienisch und Cahiers Internationalistes auf Französisch veröffentlicht.

Unter all diesen Gruppen, einschließlich ihrer Spaltungen und Ausschlüsse, haben mehrere die Gültigkeit der ursprünglichen Position des Partito Comunista Internazionale zur nationalen Frage in Frage gestellt, die durch die Tatsachen so entkräftet zu sein scheint. Sie entdeckten dann wieder, dass „die Arbeiter kein Vaterland haben“ und dass die Aufgabe des Proletariats überall dieselbe sei, nämlich die Bourgeoisie zu stürzen und die Macht zu ergreifen. Aber die Gründe für diesen Positionswechsel mussten erklärt werden. Alle Partiti Comunisti Internazionali hatten darauf eine vorgefertigte Antwort parat: „Das Ende des Zyklus der antikolonialen bürgerlichen Revolutionen in Asien und Afrika“, wie es in einem Flugblatt der Madrider Gruppe El Comunista vom September 2024 verkündet wurde.

Aber diese Proklamation änderte nichts an der Substanz. Wir haben gesehen, was aus der Selbstkritik von 1989 geworden ist. Der Kampf gegen die nationale Unterdrückung war ein unantastbares Dogma. Es hatte bereits Ende der 1970er Jahre eine lange Reihe von Generalversammlungen des Partito Comunista Internazionale gegeben, die „Das Ende der bürgerlich-revolutionären Phase in der ‚Dritten Welt‘“ festschreiben sollten, wie es der Titel des Artikels in Programme Communiste Nr. 83 (1980) ankündigte. Dies war die Prämisse der falschen Selbstkritik von 1989, da grundlegende Aspekte wie der sogenannte bürgerliche Charakter der chinesischen „Revolution“ von 1949 und der algerischen „Revolution“ von 1962 sowie die angebliche „Doppelrevolution“ von 1917 in Russland nicht in Frage gestellt werden. Dieser Artikel behauptet, dass das Ende der bürgerlichen Revolutionen 1975 gekommen sei, also 61 Jahre nach dem tatsächlichen Beginn der Periode des Niedergangs des Kapitalismus, wie es der Erste Kongress der Kommunistischen Internationale betont hatte. Diese Veränderung der historischen Situation sei auf den Rückzug der Amerikaner aus Vietnam und das Ende der revolutionären Periode der chinesischen Bourgeoisie zurückzuführen, die sich, wie wir wissen, lieber mit dem „großen amerikanischen Satan“ verbündet habe. Eine sensationelle Entdeckung, wenn man bedenkt, dass die chinesische maoistische Bourgeoisie lange Zeit die Speerspitze der stalinistischen Konterrevolution war!

Die Haltung der verschiedenen Partiti Comunisti Internazionali erinnert an die Strategie der geschicktesten bürgerlichen Fraktionen der Geschichte: „Alles ändern, damit alles beim Alten bleibt.“ Urteilt selbst: „Es geht nun darum, die allgemeinen Grenzen festzustellen, wo das Proletariat, das schon die für die Massen günstigste Verwirklichung dieser Reformen an seine eigene Revolution knüpft, praktisch nur noch allein die Geschichte vorwärtstreiben kann und somit der Erbe der noch nicht verwirklichten bürgerlichen Aufgaben wird.“[31] Aus der Tür gejagt, kommt die bürgerliche Revolution durch das Fenster zurück. Deshalb können die Cahiers Internationalistes erneut gelassen behaupten, dass die Enteignung der palästinensischen Bauern seit der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 an die Zeit der ursprünglichen Akkumulation des Kapitalismus erinnert: „Die Geschichte dieser Enteignung ähnelt der der englischen Bauern, von denen Marx sprach: ‚Die Geschichte dieser Enteignung ist in den Annalen der Menschheit mit Blut und Feuer geschrieben‘“.

Die Einführung der Theorie der geohistorischen Räume durch den Partito Comunista Internazionale steht in völligem Widerspruch zum Marxismus. Für diesen muss die Realität in ihrer Gesamtheit, in ihrer Totalität betrachtet werden. Und aus dieser Totalität heraus können ihre verschiedenen Teile analysiert werden. Das Gleiche gilt für die kapitalistische Produktionsweise. Ausgehend vom Standpunkt des Gesamtkapitals ist dies die dialektische Methode, die Marx in seinem Werk tausendmal bekräftigt hat. Nehmen wir nur ein Beispiel aus den Theorien über den Mehrwert: „Es ist aber nur der foreign trade, die Entwicklung des Marktes zum Weltmarkt, die das Geld zum Weltgeld und die abstrakte Arbeit zur gesellschaftlichen Arbeit entwickelt. Der abstrakte Reichtum, Wert, Geld – hence die abstrakte Arbeit entwickelt sich in dem Maße, worin die konkrete Arbeit zu einer den Weltmarkt umfassenden Totalität verschiedener Arbeitsweisen entwickelt. Die kapitalistische Produktion beruht auf dem Wert oder der Entwicklung der im Produkt enthaltenen Arbeit als gesellschaftlicher. Dies aber nur auf der Basis des Foreign trade und des Weltmarkts. Dies also sowohl Voraussetzung als Resultat der kapitalistischen Produktion."[32]

Eine echte Klärung der nationalen Frage, die den verschiedenen Partiti Comunisti Internazionali so viel Schwierigkeiten bereitet, bedeutet, dass insbesondere folgende Fragen behandelt werden müssen:

- Die Entstehung eines hoch entwickelten Kapitalismus ist eine der materiellen Voraussetzungen für die Verwirklichung des Kommunismus. Aber zunächst einmal machen seine eigenen spezifischen Widersprüche eine Ausdehnung einer solchen kapitalistischen Entwicklung auf die ganze Welt unmöglich. Darüber hinaus bleibt der Kapitalismus eine Mangelwirtschaft, weil er aufgrund des Lohnverhältnisses und des Wettbewerbs ein gelähmtes System ist. Er schafft die Keime des Kommunismus, aber nicht den Kommunismus selbst. Auf diese Weise müssen die wirtschaftlichen Maßnahmen, die das Proletariat ergreifen kann, zwar auf den Kommunismus ausgerichtet sein, aber zunächst begrenzt bleiben, bis die internationale Macht der Arbeiterräte gesichert ist. Dies gilt umso mehr, als der Zerfall des Kapitalismus zu großen Zerstörungen geführt haben wird, auch während des revolutionären Bürgerkriegs. Diese Begrenzung ist sowohl in den entwickelten Ländern als auch in den Ländern an der Peripherie des Kapitalismus unvermeidlich und hat nichts mit bürgerlichen Forderungen zu tun, wie die verschiedenen Partiti Comunisti Internazionali behaupten.

- Marx und Engels waren die ersten, die in der Adresse des Zentralkomitees der Kommunistischen Liga vom März 1850 den Begriff der „permanenten Revolution“ in Frage stellten.[33] Wir schreiben das Jahr 1848 und nicht mehr 1789, die proletarische Bedrohung hat die revolutionären Ansprüche der Bourgeoisie vollständig abgekühlt. Die Hypothese der „permanenten Revolution“[34] erwies sich ebenfalls als falsch, ebenso wie die von den Bordigisten erfundene „doppelte Revolution“[35]. Wie die oben zitierte Zeitschrift Bilan zeigt, hat die italienische Fraktion sehr wohl verstanden, dass die historischen Aufgaben einer Klasse nicht von einer anderen Klasse übernommen werden können, die Bordigisten jedoch nicht.

- Es gibt keine antiimperialistischen Kämpfe, wie die Maoisten behaupten, es gibt nur interimperialistische Konflikte. Die antikolonialen Kämpfe endeten mit der Entkolonialisierung. Die koloniale Unterwerfung hat sich in eine imperialistische Unterwerfung verwandelt, die die am weitesten entwickelten bürgerlichen Mächte den schwächeren Ländern in ihrem blutigen Wettstreit um die Kontrolle über die strategischen Zonen des Planeten aufzwingen. All dies in einem Kontext, in dem Imperialismus, Militarisierung, Staatskapitalismus, Chaos und Krieg zum Lebensinhalt aller Nationen geworden sind, ob groß oder klein.

- Die Aufgaben des Proletariats sind heute überall dieselben: die Machtergreifung und die Errichtung der Diktatur des Proletariats durch seinen Kampf als Klasse, seine internationale Vereinigung und die Verallgemeinerung der Revolution. Diese Dynamik, bei der die kommunistische Welt-Partei eine entscheidende Rolle spielen muss, beruht auf der Fähigkeit des Proletariats, die nicht ausbeutenden sozialen Schichten – die Masse der Arbeitslosen, die arme Bauernschaft und das Kleingewerbe – hinter sich zu bringen oder notfalls zu neutralisieren, ein Prozess, der nur unter der Führung der erfahrensten Arbeiterklasse, derjenigen des alten Europa, durchführbar ist.

Zu diesem Zweck müssen die Kommunisten überall das Prinzip der Klassenautonomie und des proletarischen Internationalismus verteidigen, d. h. unter dem schönen Gerede von der nationalen Unterdrückung das hässliche Gesicht des Chauvinismus entlarven.

März 2025, A. Elberg


[1] Die Webseite von einigen übriggebliebenen Bordigisten nach der Explosion des Partito Comunista Internazionale 1982, die auch die deutsche Sektion hinwegfegte, hat Bordigas Studie in drei Teilen neu übersetzt: https://alter-maulwurf.de/download/720/ [3]; https://alter-maulwurf.de/download/723/ [4]; https://alter-maulwurf.de/download/726/ [5].

[2] Dieser Bericht wurde in Il Programma Comunista, Ausgaben 1, 2 und 3 (1961) und dann in Le fil du temps, Ausgabe 12 (1975) veröffentlicht. Das Zitat stammt aus der letztgenannten Zeitschrift, S. 216, und die Übersetzung ist von uns.

[3] Siehe unseren historischen Beitrag zu diesem Phänomen in den Ausgaben 66, 68 und 69 (1991-1992) der International Review, „How the revolutionary wave of 1917-23 was weakened by support for ‚national liberation‘ movements“. Auf Deutsch siehe auch Kommunisten und die nationale Frage (aus International Review, engl. Ausgabe Nr. 42, 1985) [6], auf unserer Webseite, Januar 2007.

[4] Programme Communiste, Nr. 75 (1977), S. 51.

[5] Schon vorher hatte es v.a. in Florenz 1978 eine bedeutende Abspaltung gegeben, die sich auch Partito Comunista Internazionale nennt und die Zeitschrift Il Partito Comunista veröffentlicht, bis heute besteht und eine der drei wesentlichen bordigistischen Organisationen ist.

[6] Der Krieg im Nahen Osten: Der veraltete theoretische Rahmen der bordigistischen Gruppen [7], IKSonline April 2024

[7] Alle diese neuen Nationen waren keineswegs Ausdruck eines expandierenden Kapitalismus, sondern ein reines Produkt des Imperialismus. Sie offenbarten sofort ihre wahre Natur, indem sie ihre eigenen Proletarier unterdrückten und ihren Nachbarn den Krieg erklärten.

[8] Noch heute beruft sich Russland gegenüber den afrikanischen Ländern auf seine antikoloniale Reinheit.

[9] Siehe insbesondere unsere Broschüre Nation oder Klasse.

[10] Siehe The International Communist Party (Communist Programme) at a turning point in its history [8] in International Review (engl./frz./span. Ausgabe) Nr. 32 (1983); The proletarian political milieu faced with the Gulf War [9] in International Review Nr. 64 (1991); How not to understand the development of chaos and imperialist conflicts [10] in International Review Nr. 72 (1993); Rejecting the notion of decadence demobilises the proletariat in the face of war [11] in International Review Nr. 77 und 78 [12].

[11] Die erste Ausgabe von Prometeo erschien im November 1943. Dank der Streikbewegung entwickelte sich die Partei in den Zirkeln der Arbeiterklasse rasch und hatte Ende 1944 mehrere Föderationen gebildet, von denen die wichtigsten in Turin, Mailand und Parma waren. Im selben Jahr veröffentlichte sie einen Programmentwurf. Im Dezember 1945 und Januar 1946 hielt sie in Turin eine erste Konferenz der gesamten Partei ab.

[12] Siehe unser Buch Die Italienische Kommunistische Linke, 2007, S. 43

[13] Für diesen Teil fassen wir einige Passagen aus unserem Artikel „Polemik: Die Wurzeln der IKS und des IBRP“ zusammen, der in der Internationalen Revue Nr. 22 und 23 (1997) veröffentlicht wurde. Teil eins: Die Italienische Fraktion und die Französische Kommunistische Linke [13]; Teil zwei: Die Gründung des Partito Comunista Internazionalista [14].

[14] “Défense de la continuité du programme communiste“ (Verteidigung der Kontinuität des kommunistischen Programms), Éditions Programme Communiste, 1972, S. 43 und 44 (französische Ausgabe)

[15] Unter ihnen befanden sich die letzten internationalistischen Militanten, die 1934 aus dem stalinistischen Partito Comunista d‘Italia ausgeschlossen worden waren, der die Sache des Proletariats verraten hatte. Dazu gehörten insbesondere Onorato Damen und andere, die ihre militante Tätigkeit im Untergrund in Mussolinis Gefängnissen fortgesetzt hatten.

[16] Marc Chirik (1907–1990), ein Militant der italienischen Fraktion, war 1942 einer der Gründer des Noyau Français de la Gauche Communiste (NFGC), der 1944 zur Fraction Française de la Gauche Communiste (FFGC) und 1945 zur Gauche Communiste de France (GCF) wurde. Er war auch einer der Gründer der Gruppe Internacionalismo 1964, der Gruppe Révolution Internationale 1968 und der Internationalen Kommunistischen Strömung 1975.

[17] Nach dem Ende der sozialen Unruhen in Italien und dem Verlust der Hälfte der Militanten wurde auf dem zweiten Kongress des Partito Comunista Internazionalista 1948 die Möglichkeit einer Wiederaufnahme der Arbeit einer Fraktion angesprochen. Damen unterband jedoch jede Diskussion, indem er die klassische trotzkistische Position vertrat: Der Tod der alten Partei schaffe sofort die Voraussetzungen für die Entstehung einer neuen. Siehe den Artikel in Internationalisme (GCF) Nr. 36 (1948), „Der zweite Kongress der Internationalistischen Kommunistischen Partei“, wiederveröffentlicht in International Review Nr. 36 (1984), engl./frz./span. Ausgabe.

[18] „La portée de la scission de 1952 dans le Partito Comunista Internazionalista“, Programme Communiste Nr. 93 (März 1993), S. 64 (französische Ausgabe, unsere Übersetzung).

[19] Die „Umkehrung der Praxis“ wird in Programme Communiste Nr. 56 (1972) erläutert. Ein Diagramm des sich ständig ausweitenden Kapitalismus findet sich ebenfalls auf S. 58 (französische Ausgabe, unsere Übersetzung).

[20] Das Diagramm dieser Pyramide findet sich in Programme Communiste Nr. 63 (1974), S. 35 (französische Ausgabe, unsere Übersetzung). Es handelt sich um einen Bericht über eine Parteiversammlung am 1. September 1951 in Neapel (https://www.pcint.org/40_pdf/04_PC-pdf/PC_063-w.pdf [15]).

[21] Die Forderung nach „Rotem Terror“ ist erneut ein Zeichen für die Verwirrung zwischen bürgerlicher und proletarischer Revolution unter den Bordigisten. Was die Rolle des Staates in der Revolution angeht, so spielt er, abgesehen von der Organisation des bewaffneten Kampfes gegen den Widerstand der gestürzten Klasse, bereits in der bürgerlichen Revolution keine dynamische revolutionäre Rolle, wie wir in unserer Studie State and dictatorship of the proletariat [16] in der International Review Nr. 11 (1977), engl./frz./span. Ausgabe, gezeigt haben.

[22] F. Engels, Einleitung zu Der Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 22, S. 199

[23] „L'invariance historique du marxisme“, Programme Communiste Nr. 53-54 (1971-1972), S. 3, französische Ausgabe, hier nach der deutschen Übersetzung zitiert: https://www.sinistra.net/lib/upt/kompro/ciou/ciouhbebod.html [17] (Punkt 12)

[24] Obwohl zutiefst vom Opportunismus geprägt, bleiben die drei Organisationen, alle mit dem Namen Partito Comunista Internazionale, dennoch eine Strömung der Kommunistischen Linken, d. h. eine proletarische politische Gruppe, da sie angesichts imperialistischer Kriege im Allgemeinen eine internationalistische Position vertreten. Die Forderung nach Selbstbestimmung für das palästinensische Volk ist zwar eine erhebliche Schwäche, aber sie ist anderer Natur als die Position der Linken (Trotzkisten, Maoisten, einige Anarchisten), die eine „Arbeiter- und Bauernrepublik im Nahen Osten“ für die Palästinenser fordern. Wir sollten uns daran erinnern, dass Opportunismus eine Krankheit innerhalb der Arbeiterbewegung ist, die ständig mit der Gefahr der Unterwanderung durch die herrschende Ideologie konfrontiert ist. Nur in außergewöhnlichen historischen Perioden (Krieg, Revolution) geht der Opportunismus ins Lager der Bourgeoisie über, noch bevor es zum Verrat der Partei kommt. In diesem Fall ist es in der Regel die Mehrheit der Führung, die in Zusammenarbeit mit den anderen Kräften der bürgerlichen Demokratie zur Umwandlung der Partei in eine Kraft im Dienste des Kapitalismus beiträgt. Wir sind sicher, dass die Bourgeoisie, auch wenn sie alle revolutionären Gruppen genau im Auge behält, derzeit nicht die Absicht hat, den Partito Comunista Internazionale (bzw. seine wesentlichen drei seriösen „Erben“) in ihren Dienst zu stellen, da das Spektrum der bürgerlichen Gruppen, die behaupten, Teil der proletarischen Revolution zu sein (Linksextremismus), heute ausreichend vielfältig ist.

[25] „Éléments de l'histoire de la Fraction de gauche à l'étranger (de 1928 à 1935)“ in Programme Communiste, Nr. 97 französische Ausgabe, unsere Übersetzung, (September 2000), Nr. 98 (März 2003), Nr. 100 (Dezember 2009) und Nr. 104 (März 2017).

[26] Gegen das Konzept des ‚genialen Führers‘ [18], Internationalisme Nr. 25, August 1947, veröffentlicht in International Review (englische Ausgabe) Nr. 33 (1983). Auf Deutsch siehe auch den zweiten Teil dieses Artikels: Gegenwärtige Probleme der Arbeiterbewegung - Internationalisme Nr. 25 – August 1947 [19], IKSonline Oktober 2007

[27] „Éléments de l'histoire de la Fraction de gauche à l'étranger (de 1928 à 1935)“, Programme Communiste Nr. 104 (2017), S. 49, französische Ausgabe, unsere Übersetzung.

[28] „Le problème des minorités nationales“, Bilan Nr. 14 (Dezember 1934–Januar 1935), unsere Übersetzung nach dem frz. Original.

[29] Alle diese Zitate stammen aus der Broschüre des Partito Comunista Internazionale (Il Comunista-Le Prolétaire), Le marxisme et la question palestinienne [20]“ (zu finden auf www.pcint.org [21]), unsere Übersetzung.

[30] Rosa Luxemburg, Die Junius-Broschüre, Kapitel VII, Gesammelte Werke, Band 4, online: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg/1916/junius/teil7.htm [22]

[31] „Der Abschluss der bürgerlich-revolutionären Phase in der „Dritten Welt“, Kommunistisches Programm https://www.sinistra.net/lib/upt/kompro/ciqe/ciqemhobid.html [23]

[32] Marx, Theorien über den Mehrwert, MEW 26.3 S. 250

[33] Siehe die Vorworte zum Manifest der Kommunistischen Partei und die Einleitung zu Marx' Buch Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850, in denen Engels erklärt, warum „die Geschichte uns und allen, die ähnlich dachten, unrecht gegeben“ hat. Die klarste Erklärung dafür, dass die historischen Aufgaben einer Klasse nicht von einer anderen Klasse übernommen werden können, gibt Marx in den Enthüllungen über den Kommunisten-Prozess zu Köln (Basel, 1853)

[34] „Als Lenin 1917 die Aprilthesen schrieb, lehnte er alle überholten Vorstellungen von einer Zwischenstufe zwischen proletarischer und bürgerlicher Revolution, alle Überreste rein nationaler Vorstellungen von revolutionärer Veränderung ab. Tatsächlich machten die Thesen den zweideutigen Begriff der permanenten Revolution überflüssig und bekräftigten, dass die Revolution der Arbeiterklasse kommunistisch und international ist oder gar nichts.“ („Der Kommunismus ist keine schöne Idee, sondern eine materielle Notwendigkeit – Die Revolutionen von 1848: Die kommunistische Perspektive wird klarer [24]“. International Review Nr. 73 (engl./frz./span. Ausgabe).

[35] Dies entsprach überhaupt nicht Lenins Vision, für ihn „kann diese ganze Revolution überhaupt nur verstanden werden als ein Glied in der Kette der sozialistischen proletarischen Revolutionen, die durch den imperialistischen Krieg hervorgerufen werden“ („Vorwort zu Staat und Revolution“, 1917, zitiert nach LW Bd. 25). Siehe auch: „Die russische Revolution und die bordigistische Strömung: schwerwiegende Fehler...“, Russland 1917: Die größte revolutionäre Erfahrung der Arbeiterklasse [25], International Review Nr. 131 (englisch).

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Debatte im proletarischen politischen Milieu

Der „Friedens“-Betrug und die Ausbreitung zerstörerischer Kriege

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Glaubt man den Reden, die Trump bei seinem Auftritt in der israelischen Knesset unmittelbar nach der Unterzeichnung des jüngsten „Waffenstillstands“ im Nahen Osten gehalten hat, erleben wir gerade eines der größten Friedensabkommen der Geschichte, das eine neue Ära des Friedens und des Wohlstands in dieser bisher vom Krieg heimgesuchten Region einläutet. Das Lob für Trumps Leistung kannte keine Grenzen: Er wurde sogar mit dem persischen Monarchen Kyros dem Großen aus der Antike verglichen, der die Juden aus der babylonischen Gefangenschaft befreite und den Bau des Zweiten Tempels in Jerusalem ermöglichte. Vor Trump war Kyros der einzige Nichtjude, der die Bezeichnung „Messias” erhielt.

Informierte bürgerliche Kommentatoren waren zurückhaltender. Sie begrüßten zwar den Waffenstillstand und die Aussicht auf die Wiederaufnahme der humanitären Hilfe für den zerstörten, ausgehungerten Gazastreifen, wiesen jedoch darauf hin, dass Trumps 20-Punkte-Plan nur sehr wenige konkrete Schritte zur Entwaffnung der Hamas und zum Wiederaufbau des Gazastreifens unter einer neuen „technokratischen” Verwaltung vorsieht. Er biete eine vage Aussicht auf einen palästinensischen Staat, erwähne aber weder die Besetzung und faktische Annexion des Westjordanlands durch Israel noch die unnachgiebige Ablehnung der israelischen Regierung gegenüber der Idee eines unabhängigen palästinensischen Staates. Tatsächlich hat die Gewalt seit der Unterzeichnung des Abkommens kaum nachgelassen. Die Hamas hat Gegner ihrer Herrschaft in Gaza-Stadt öffentlich hingerichtet, Israel hat – unter dem Vorwand, den Waffenstillstand vor Verstößen der Hamas zu „schützen“ – die Luftangriffe wieder aufgenommen und blockiert den Grenzübergang Rafah, über den Hilfskonvois nach Gaza gelangen könnten. Außerdem hat Israel Razzien im Libanon durchgeführt, bei denen über hundert Menschen ums Leben kamen. Mit anderen Worten: Selbst das kurzfristige Überleben des Waffenstillstands und die Lieferung von Lebensmitteln, Medikamenten und anderen lebensnotwendigen Gütern sind fraglich, ganz zu schweigen von einem ferneren Horizont des „Friedens” im Nahen Osten.

Trumps andere Waffenstillstandsvereinbarungen, die ihm zufolge den Titel „Präsident des Friedens” rechtfertigen, sind nicht weniger hohl.

Kurz nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands in Gaza wurde das geplante Treffen zwischen Trump und Putin in Ungarn abgesagt. Dieser Krieg, von dem Trump einst prahlte, er könne ihn innerhalb von 24 Stunden beenden, sobald er Präsident sei, zieht sich weiter hin, wobei beide Seiten immer zerstörerischere Waffen horten und einsetzen: Auch die Aussicht auf ein tragfähiges Ende des Krieges in der Ukraine bleibt weiterhin gering. Der Waffenstillstand im Kongo wird ständig gebrochen, und die Spannungen zwischen den Atommächten Pakistan und Indien flammen trotz des Waffenstillstandsabkommens immer wieder auf. Pakistan begrüßte Trumps Intervention in diesem Konflikt und nominierte ihn für den Friedensnobelpreis, aber Indien spielte Trumps Rolle herunter und bestand darauf, dass das Abkommen im Wesentlichen das Werk der Armeen der beiden Staaten sei. Unterdessen findet im Sudan eine neue Runde von Massakern statt, und eine islamistische Gruppe, die Al-Qaida nahesteht, ist dabei, die Kontrolle über die Hauptstadt Malis zu übernehmen.

Aber auch die Friedensrhetorik der USA wird durch die tatsächliche militärische und politische Haltung der Trump-Regierung entlarvt, insbesondere in ihrem Hinterhof: Unmittelbar nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus im Januar dieses Jahres begann Trump mit Drohgebärden, er wolle die Kontrolle über Grönland, Kanada und den Panamakanal übernehmen, und im April schloss die USA ein Abkommen mit Panama, das den Einsatz amerikanischer Truppen entlang des Kanals erlaubt. Heute führt die USA mörderische Luftangriffe auf Boote durch, die angeblich in den Drogenhandel in der Karibik verwickelt sind, und verschärft ihre Drohungen insbesondere gegen Kolumbien und Venezuela, die als „Drogenstaaten“ oder als Handlanger Russlands und Chinas in Lateinamerika angeprangert werden. Gleichzeitig rettete Washington das Trump-freundliche Milei-Regime in Argentinien mit einem 20-Milliarden Dollarpaket, das als Gegengewicht zum Einfluss Chinas in Argentinien dienen sollte. Diese Finanzspritze wurde mit der Botschaft verbunden, dass weitere Wirtschaftshilfe eingestellt würde, sollte Milei die bevorstehenden Zwischenwahlen verlieren: All dies trug sicherlich zu Mileis großem Sieg bei.

Und natürlich haben die USA nie aufgehört, Israel mit den Waffen zu beliefern, mit denen es Gaza zerstört und wiederholte Angriffe auf den Libanon, Syrien und den Iran durchgeführt hat – wobei sich die USA direkt an den Angriffen auf die nuklearen Fähigkeiten des Iran beteiligt haben. Aber wir sprechen hier nicht nur über die USA. Alle Staaten, insbesondere die westeuropäischen „Demokratien“, haben begonnen, riesige Summen und Ressourcen in den Aufbau ihrer Rüstungsindustrie zu stecken, begleitet von unaufhörlicher Propaganda über die Notwendigkeit, dass der „Westen“ bereit sein müsse, sich gegen russische oder chinesische Aggressionen zu verteidigen.

Die Realität ist, dass sich Krieg und Kriegsvorbereitungen über den gesamten Planeten ausbreiten, dass bestehende militärische Konflikte zunehmend chaotisch, irrational und schwer zu lösen sind und dass der im Zerfall begriffene Kapitalismus in einer Spirale der Zerstörung gefangen ist, die in Gaza am spektakulärsten, aber in der Ukraine und anderen Regionen der Welt, die sich der Kontrolle der herrschenden Klasse zu entziehen versuchen, nicht weniger verheerend ist. Der Kapitalismus im Endstadium des Verfalls ist Krieg ohne Ende. Wie wir 1991 in unserem ersten Orientierungstext über Militarismus und Zerfall geschrieben haben:  „Wenn der Imperialismus, der Militarismus und der Krieg an diesem Punkt mit der Epoche der Dekadenz identifiziert werden konnten, dann deshalb, weil die kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu einer Fessel für die Entwicklung der Produktivkräfte geworden sind: Der - auf der Ebene der globalen Ökonomie -völlig irrationale Charakter der Rüstungsausgaben und des Krieges spiegeln nur die Abartigkeit wider, den die Aufrechterhaltung dieser Produktionsverhältnisse bedeuten. Insbesondere die ständige und wachsende Selbstzerstörung des Kapitals, die zwangsläufig aus dieser Existenzweise hervorgeht, ist ein Symbol für die Agonie dieses Systems, das enthüllt, daß Letzteres von der Geschichte abgeurteilt ist.“[1]

Die Spirale der Zerstörung und die Notwendigkeit des Internationalismus

Ein anderer Begriff, den wir für diese tödliche Spirale verwendet haben, ist der „Strudel-Effekt”, bei dem sich die einzelnen Krisen des Kapitalismus – wirtschaftliche, ökologische, militärische, politische usw. – gegenseitig verstärken und sie auf eine neue Ebene treiben. So kann die wachsende politische Verantwortungslosigkeit der „politischen Klasse“ des Kapitalismus, die sich in ihrer reinsten Form in den verschiedenen populistischen Fraktionen und vor allem in Trump äußert, der vor der UNO erklärte, die globale Erwärmung sei der größte Schwindel der Geschichte, die ohnehin schon minimalsten Bemühungen der Bourgeoisie zur Eindämmung der ökologischen Krise nur weiter untergraben. Gleichzeitig wird die Verlagerung hin zu einer Kriegswirtschaft das Wachstum der umweltschädlichsten und kohlenstoffintensivsten Industriezweige fördern. Und Kriege selbst sind ökologische Katastrophen: Aufgrund der Zerstörung und Vergiftung landwirtschaftlicher Flächen wird Gaza viele Jahre lang nicht in der Lage sein, Nahrungsmittel anzubauen, und der Wiederaufbau der zerstörten Häuser, Schulen und Krankenhäuser wird enorme Mengen an Kohlenstoff freisetzen.

In diesem Strudel ist das Streben nach Krieg der mächtigste Faktor, das Auge des Sturms. Und um das Streben nach Krieg voranzutreiben, wird die Klasse, die den größten Teil des weltweiten Reichtums produziert, die Arbeiterklasse, aufgefordert werden, die notwendigen Opfer zu bringen – Opfer in Bezug auf ihre Löhne, ihre Arbeitsbedingungen, ihren Zugang zu Gesundheitsversorgung, Renten und Bildung und letztlich auch ihr Leben. Aber genau hier liegt ein echtes Hindernis für den Krieg. Nicht in den Abkommen und Vereinbarungen zwischen kapitalistischen Kriminellen, sondern in den Verteidigungskämpfen der Arbeiterklasse angesichts einer Gesellschaft, die ihnen nichts als Armut und Zerstörung bieten kann. Und diese Kämpfe sind mehr als eine fromme Hoffnung, denn seit 2022 sehen wir in zahlreichen Ländern eine klare Tendenz, dass die Arbeiterklasse ihre Klasseninteressen gegen die Forderungen der Kapitalisten behauptet, den Gürtel enger zu schnallen und endlose Angriffe auf ihren Lebensstandard zu erdulden. An sich können die Verteidigungskämpfe der Arbeiterklasse nur vorübergehend das beschleunigte Kriegschaos behindern. Um ihn vollständig zu beenden, bedarf es einer tiefgreifenden Politisierung des proletarischen Kampfes, der Erkenntnis, dass das globale System des Kapitalismus gestürzt und durch eine neue und höhere Form des gesellschaftlichen Lebens ersetzt werden muss.

Die Notwendigkeit, dass der Kampf politisch reift, weist auf die unverzichtbare Rolle der politischen Organisationen hin, die die Arbeiterklasse in ihrem historischen Kampf gegen dieses System hervorgebracht hat. Wir beziehen uns hier nicht auf die Parteien der offiziellen Linken, die oft die Durchsetzung von Sparmaßnahmen gegen die Arbeiterklasse vorantreiben, und auch nicht auf ihre „radikalen linken“ Anhängsel, sondern auf die authentisch kommunistischen Organisationen, die für den unabhängigen Kampf der Arbeiterklasse gegen alle Fraktionen der herrschenden Klasse eintreten und vor allem das Prinzip des Internationalismus verteidigen, indem sie sich gegen alle Banden und Staaten stellen, die an den Kriegen des Kapitalismus beteiligt sind: kurz gesagt, die Organisationen der internationalen Kommunistischen Linken. Da diese Organisationen noch immer eine kleine Minderheit sind, die gegen den Strom der kriegstreiberischen, nationalistischen und pazifistischen Mystifizierungen schwimmt, haben wir immer für eine möglichst umfassende Diskussion und Zusammenarbeit zwischen diesen Gruppen plädiert.

Es ist jedoch ebenso notwendig, dass die Diskussion zwischen diesen Organisationen ihre wichtigsten Unterschiede klärt. Während sich die Gruppen der Kommunistischen Linken in der Regel darin einig sind, dass Krieg zur Lebensweise des Kapitalismus geworden ist und dass die Arbeiterklasse und ihre revolutionären Minderheiten sich gegen alle Seiten stellen müssen, gibt es erhebliche Unterschiede in der Analyse des Prozesses, durch den diese „permanente und zunehmende Selbstzerstörung des Kapitals” stattfindet. Für die Mehrheit der Gruppen, insbesondere die Internationalistische Kommunistische Tendenz IKT und die verschiedenen “bordigistischen Parteien”, sind die Verschärfung der Wirtschaftskrise und die Ausbreitung militärischer Konflikte angeblich Beweis dafür, dass wir erneut auf die Neubildung imperialistischer Blöcke und einen unwiderbringlichen Kurs in Richtung eines dritten Weltkriegs zusteuern. In userer Analyse steht dies in absehbarer Zukunft nicht auf der Tagesordnung, und diejenigen, die von der Aussicht auf einen neuen allgemeinen Krieg überzeugt sind, laufen Gefahr, unter dem Eindruck der jüngsten „Friedensverträge“ ihre Wachsamkeit zu verringern und die weitaus dringlichere Gefahr für die Arbeiterklasse zu ignorieren: dass der Strundel der Zerstörung sie überwältigen wird, bevor sie ihre Kämpfe auf das historische Niveau heben kann, das erforderlich ist, um die kapitalistische Produktionsweise zu stürzen. Wir wollen dieses Argument in einem weiteren Artikel in der INTERNATIONALEN REVUE entwickeln: „Steuern wir auf einen Dritten Weltkrieg zu?“[2]

IKS, November 2025

 

[1] INTERNATIONALE REVUE Nr. 13, 1991, Orientierungstext: Militarismus und Zerfall [26]

[2] Da die Ausgabe der INTERNATIONALEN REVUE in deutscher Sprache nicht alle Artikel der INTERNATIONAL REVIEW in Englisch, Französisch und Spanisch enthält, geben wir hier den Link zum Artikel auf Englisch: https://en.internationalism.org/content/17741/are-we-heading-towards-third-world-war [27]

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Editorial

In der Falle des Kampfes der bürgerlichen Demokratie gegen den Populismus

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Im August 2024, noch vor der zweiten Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, schlug die IKS anderen Gruppen der Kommunistischen Linken einen gemeinsamen Aufruf[1] vor, um sich gegen die zunehmenden Versuche der gesamten bürgerlichen Klasse zu wehren, die Arbeiterklasse für die falsche Wahl zu mobilisieren: entweder von liberal-demokratischen oder von rechtspopulistischen Regierungen unterdrückt zu werden. Der Aufruf sollte die Position gegen die bürgerlich-demokratischen Kampagnen stärken, die nur die Kommunistische Linke konsequent und kompromisslos innerhalb der Arbeiterklasse verteidigen kann.

Leider wurde dieser Aufruf der IKS von fast allen Gruppen abgelehnt, ebenso wie ein ähnlicher Aufruf der IKS für eine gemeinsame internationalistische Erklärung gegen den imperialistischen Krieg in der Ukraine im Februar 2022 von den meisten Gruppen der Kommunistischen Linken abgelehnt worden war.

Heute, ein Jahr später, hat der Aufruf der IKS gegen die demokratischen Kampagnen nichts von seiner Wichtigkeit für die Politik der Kommunistischen Linken verloren. Im Gegenteil, er ist sogar noch relevanter geworden.

Sechs Monate nach Trumps Rückkehr an die Macht haben sich die Angriffe auf die Arbeiterklasse weiter verschärft: massenhafte militarisierte Abschiebungen und Inhaftierungen von Arbeitsmigrant*innen, massive Kürzungen bei Sozial- und Gesundheitsleistungen, über 150.000 Arbeitsplätze für Staatsangestellte vernichtet. Sowohl der „liberale“ Flügel der Bourgeoisie als auch die selbsternannten „Sozialisten“ (Sanders, Ocasio-Cortez usw.) – alle, die sich mit der Demokratischen Partei verbünden – haben eine groß angelegte Kampagne gestartet, um die Bevölkerung gegen diese Maßnahmen zu mobilisieren. Natürlich nicht, um einen Kampf der Arbeiterklasse gegen diese Angriffe zu organisieren, sondern um zu verhindern, dass sich ein solcher Kampf entwickelt. Die Propaganda der Liberalen und der Linken stellt die Angriffe der populistischen Rechten nicht als Ergebnis des kapitalistischen Systems insgesamt dar, für das sie selbst mitverantwortlich sind, sondern als Ergebnis der populistischen Missachtung demokratischer Regeln, als Ergebnis von Trumps Verachtung für die „Rechtsstaatlichkeit“ – einer Missachtung der Unabhängigkeit der bürgerlichen Justiz und der Unantastbarkeit der US-Verfassung sowie all der anderen unzähligen liberalen humanitären Fassaden, hinter denen sich die Diktatur des Kapitals über die Arbeit verbirgt.

Das Ziel war es, massive Protestbewegungen zu lenken, die keine Antwort der Arbeiterklasse auf der Grundlage ihrer eigenen Klasseninteressen gegen alle Flügel der Bourgeoisie sind, sondern den Unmut einzudämmen und in eine amorphe Verteidigung der Tradition des demokratischen Staates gegen seine populistischen Abweichungen umzulenken. Und das hat Früchte getragen.

Der Widerstand gegen Trumps Regime in den USA ist geprägt von den patriotischen Protesten vieler Bundesangestellter gegen die Massenentlassungen, die Elon Musks Department of Government Efficiency (DOGE) in die Wege geleitet hat; von der Revolte auf dem Terrain der „Demokratie” und des bürgerlichen „Rechts” gegen die Massenabschiebungen von Arbeitsmigrant*innen durch die Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) und der humanitären Verteidigung des palästinensischen Nationalismus gegen Trumps Unterstützung für das Massaker der israelischen Armee in Gaza.

Und diese demokratischen Protestaktionen spiegelten sich auch in anderen Ländern wider, da die Wahl Trumps im Jahr 2025 zu einer zunehmenden Polarisierung innerhalb der Bourgeoisie anderer Länder zwischen populistischen und liberal-demokratischen Fraktionen geführt hat.

In Südkorea mobilisierten die demokratischen Fraktionen der Bourgeoisie riesige Demonstrationen gegen den Putschversuch von Präsident Yoon Suk Yeol. In der Türkei gingen massenhaft Menschen auf die Straße, um „die türkische Demokratie zu verteidigen“ und den Oppositionsführer gegen die autokratischen Diktate von Präsident Erdogan zu unterstützen. In Serbien gab es ebenfalls massive demokratische Proteste gegen die Korruption von Präsident Vucic.

In den meisten anderen Ländern gab es ähnliche Bewegungen von größerem oder geringerem Ausmaß, die jedoch dieselbe Motivation widerspiegelten.

Wie muss die Politik der Arbeiterklasse, die objektiv die einzige Kraft ist, die ein Interesse daran hat und in der Lage ist, das derzeitige moribunde Gesellschaftssystem zu stürzen, gegenüber diesen oft massiven Bewegungen der Bevölkerung aussehen? Und welche Rolle kommt daher dem fortschrittlichsten Teil der Arbeiterklasse zu, dessen Aufgabe es ist, die allgemeine Marschrichtung für die gesamte Klasse festzulegen?

Kommunisten müssen eindeutig sowohl die demokratischen als auch die populistischen Angriffe der Bourgeoisie anprangern und die Arbeiterklasse vor der Gefahr warnen, sich hinter etwas zu mobilisieren, was in Wirklichkeit Kämpfe zwischen verschiedenen Flügeln der herrschenden Klasse sind, und die Arbeiterklasse dazu auffordern, auf ihrem eigenen Terrain für die Verteidigung ihrer eigenen Interessen gegen die herrschende Klasse als Ganzes zu kämpfen. Aber welche politische Strömung erfüllt heute diese Notwendigkeit?

Wir haben dieselbe Frage in unserem Aufruf gestellt:

«Wer sind die politischen Kräfte, die tatsächlich die wirklichen Interessen der Arbeiterklasse gegen die zunehmenden Angriffe der Kapitalistenklasse verteidigen? Nicht die Erben der sozialdemokratischen Parteien, die sich im Ersten Weltkrieg an die Bourgeoisie verkauft und zusammen mit den Gewerkschaften die Arbeiterklasse für das millionenfache Gemetzel in den Schützengräben mobilisiert haben. Auch nicht die verbliebenen Apologeten des stalinistischen „kommunistischen“ Regimes, das im Zweiten Weltkrieg Dutzende Millionen von Arbeiterinnen und Arbeitern für die imperialistischen Interessen der russischen Nation opferte. Auch nicht der Trotzkismus oder die offizielle anarchistische Strömung, die, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die eine oder andere Seite in diesem imperialistischen Gemetzel kritisch unterstützt haben. Heute stellen sich die Nachfahren der letztgenannten politischen Kräfte „kritisch“ hinter die liberale und linke bürgerliche Demokratie gegen die populistische Rechte, um zur Demobilisierung der Arbeiterklasse beizutragen.

Nur die Kommunistische Linke, die heute nur noch wenige Militante zählt, ist dem unabhängigen Kampf der Arbeiterklasse in den letzten hundert Jahren treu geblieben. In der revolutionären Welle der Arbeiterklasse von 1917-23 lehnte die von Amadeo Bordiga geführte politische Strömung, die damals die Kommunistische Partei Italiens führte, die falsche Wahl zwischen dem faschistischen und dem antifaschistischen Lager ab, die gemeinsam daran gearbeitet hatten, den revolutionären Aufschwung der Arbeiterklasse gewaltsam niederzuschlagen. In seinem Text Das demokratische Prinzip von 1922 entlarvte Bordiga das Wesen des demokratischen Mythos im Dienste der kapitalistischen Ausbeutung und des Mordes.

In den 1930er Jahren prangerte die Kommunistische Linke sowohl die linken als auch die rechten, faschistischen und antifaschistischen Fraktionen der Bourgeoisie an, die das bevorstehende imperialistische Blutbad vorbereiteten. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, war es folglich nur diese Strömung, die an einer internationalistischen Position festhalten konnte und dazu aufrief, den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg der Arbeiterklasse gegen die gesamte Kapitalistenklasse in allen Ländern umzuwandeln. Die Kommunistische Linke lehnte die falsche Wahl zwischen demokratischem oder faschistischem Massengemetzel, zwischen den Gräueltaten von Auschwitz oder Hiroshima ab.»

Heute ist die Strömung der Kommunistischen Linken immer noch in der Minderheit und „gegen den Strom“ all dieser politischen Trümmer, die aus der konterrevolutionären Periode übrig geblieben sind, welche nach der Niederlage der Oktoberrevolution von 1917 etwa 50 Jahre lang andauerte. Aber die Perspektive einer Konfrontation zwischen der Arbeiterklasse auf dem Kapitalismus tauchte nach der Wiederaufnahme der offenen Wirtschaftskrise und dem massiven Wiedererwachen des internationalen Klassenkampfes Ende der 1960er Jahre wieder auf. Die Neugründung der kommunistischen Partei auf der Grundlage der Positionen der Kommunistischen Linken wurde damit in Aussicht gestellt.

Die Ablehnung dieser Appelle der IKS durch die meisten Gruppen der Kommunistischen Linken deutet darauf hin, dass sich die Mehrheit der Gruppen dieser politischen Tradition in einem Zustand der Sklerose und Degeneration befindet.  Sie sind nicht in der Lage ist, zu erkennen, dass ihre eigenen Kleinstparteien Teil einer breiteren Tradition sind, und verstehen auch nicht die Bedeutung der Unnachgiebigkeit dieser Position gegenüber der Demokratie für die Arbeiterklasse, die die Italienische Fraktion der Kommunistischen Linken in den 1930er Jahren entwickelt hat.

Infolgedessen sind die meisten dieser Gruppen nicht in der Lage, diese Position innerhalb der Arbeiterklasse heute und in Zukunft konsequent zu verteidigen, und sie fallen in der Praxis opportunistisch in den vorherrschenden linken Diskurs zurück.

Diese Gruppen haben in ihrer Presse einige Artikel und Flugblätter als Reaktion auf die aktuellen demokratischen Kampagnen und Bewegungen veröffentlicht, die diese Verwirrung widerspiegeln. Eine davon sticht als typisch für ihre Reaktion hervor, und wir werden sie daher verwenden, um eine allgemeinere Illusion hervorzuheben.

Internationale Kommunistische Tendenz IKT: eine Verwischung der Unterscheidung zwischen proletarischen Bewegungen und Bewegungen zur Verteidigung der bürgerlichen Demokratie

Ein Artikel vom 22. Juli 2025 mit dem Titel „In the Wake of the Capitalist Crisis: Protests and Riots - And the Need for an Independent Class Expression” (“Im Zuge der kapitalistischen Krise: Proteste und Unruhen – und die Notwendigkeit einer unabhängigen Klassenvertretung”) auf der Website der IKT zieht Bilanz aus  der oben erwähnten weit verbreiteten Entwicklung sozialer Kämpfe. Der Artikel bedauert dann, dass es der Arbeiterklasse nicht gelungen ist, „sich in diesen Demonstrationen als unabhängige politische Kraft zu behaupten”, und schlägt als Lösung vor, dass die Arbeiterklasse ihren Kampf auf einer höheren Ebene wieder aufnehme und eine internationale kommunistische Partei bilde, um diesen Kampf mit dem revolutionären Sturz des Kapitalismus zu verbinden. Darüber hinaus sei ein internationalistischer Kampf gegen imperialistische Kriege erforderlich. So weit, so gut.

In der Darstellung der großen Proteste gegen die Angriffe der populistischen Rechten in verschiedenen Ländern im vergangenen Jahr wird jedoch nicht berücksichtigt, dass das Gegenstück zu diesen Angriffen und damit die Inspiration für diese Demonstrationen die demokratische Kampagne der übrigen Bourgeoisie in den wichtigsten kapitalistischen Ländern war – nicht gegen die Angriffe der populistischen Rechten selbst, sondern gegen deren undemokratische Form. Und das tut die Bourgeoisie seit mindestens einem Jahrzehnt, seitdem der Populismus zu einem dominierenden politischen Trend innerhalb der bürgerlichen Staaten geworden ist.

Darüber hinaus scheint der Artikel völlig zu übersehen, dass die Bourgeoisie ihre politischen Spaltungen seit langem als demokratische Waffe gegen ihren proletarischen Klassenfeind einsetzt, um ihn zu befrieden und wenn möglich zum Entgleisen zu bringen und seinen revolutionären Kampf im Blut zu ertränken, wie die von den Sozialdemokraten angeführte Konterrevolution in Deutschland 1919 brutal gezeigt hatte. Doch die IKT sollte als Teil der Tradition der Kommunistischen Linken die Lehre aus der Bedrohung der Demokratie für das Proletariat gezogen haben. Wir werden uns etwas später mit dieser historischen Tradition der kompromisslosen Ablehnung der Demokratie durch die Kommunistische Linke befassen.

Vorerst stellen wir jedoch fest, dass der Artikel nicht in der Lage ist, den bürgerlichen Klassencharakter dieser demokratischen Proteste zu erkennen, und über die wesentliche Unterscheidung hinweggeht, die Revolutionäre zwischen demokratischen Protesten und genuin proletarischen Bewegungen treffen müssen:

„Im vergangenen Jahr haben wir in mehreren Ländern einige der größten Proteste seit Jahrzehnten erlebt. Diese Kämpfe hatten keinen klaren Klassencharakter und unterschieden sich hinsichtlich der Hauptthemen und auslösenden Faktoren stark voneinander. Aber auch wenn die Arbeiterklasse diese Proteste nicht dominiert hat, waren große Teile der Klasse (und in gewissem Maße auch Arbeiterorganisationen und Streikaktivitäten) eindeutig in Bewegung, und kein Bereich der Lebensbedingungen der Proletarier bleibt von der sich beschleunigenden Krise des Kapitalismus unberührt. Im Folgenden werden wir kurz einige dieser Proteste beschreiben, was wir als ihre Grenzen ansehen und was unserer Meinung nach der notwendige Weg nach vorne ist.“

Der Artikel der IKT berichtet dann über die Kämpfe in Südkorea, Griechenland, der Türkei, den USA und anderen Ländern, die in Wirklichkeit zeigen, dass sie keineswegs keinen „klaren Klassencharakter“ haben, sondern trotz der Beteiligung vieler Arbeiter*innen eindeutig auf dem Terrain der Verteidigung bürgerlich-demokratischer Werte gegen den Autoritarismus und die Korruption im Zusammenhang mit dem Wachstum des politischen Populismus stehen und nichts mit der Verteidigung der Interessen der Arbeiter*innen als Klasse gegen die gesamte bürgerliche Klasse zu tun haben.[2]

Weiter verzichtet der Artikel daher darauf, die Klasse vor einer Beteiligung an diesen Protesten zu warnen. Im Gegenteil, suggeriert er, dass es möglich sei, die Protestbewegungen „voranzubringen“ (wohin?), indem man ihre vermeintlichen Grenzen überwinde.

Der Artikel bestätigt diesen Irrtum mit der Schlussfolgerung: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Kämpfe gegen Korruption und eine zunehmend autoritäre Entwicklung sowie gegen einen Staat gerichtet sind, der angesichts der sich verschärfenden kapitalistischen Krise seine grundlegenden Dienstleistungen nicht mehr erbringt. Es handelt sich nicht um rein proletarische Kämpfe, aber es ist klar, dass weite Teile der Arbeiterklasse daran beteiligt sind. Sie sind Ausdruck einer allgemeinen Unzufriedenheit und Frustration, die unter der Oberfläche brodelt und manchmal explodieren muss.“

Die jüngsten demokratischen Kämpfe in verschiedenen Ländern zeigen, dass sie weit davon entfernt sind, auch nur „unreine“ proletarische Kämpfe zu sein. Sie zeigen im Gegenteil, dass die allgemeine Unzufriedenheit und Frustration der Bevölkerung über ihre Unterdrückung immer noch von der Bourgeoisie vereinnahmt und in Bewegungen zur Wiederbelebung der Demokratie und zur Verhinderung eines Klassenkampfs untergeht, obwohl umfangreiche Elemente der Arbeiterklasse in ihnen vertreten sind.

Um gegenüber der IKT gerecht zu sein, wollen wir darauf hinweisen, dass der Artikel durchaus Lehren aus dem Arabischen Frühling 2011 in Ägypten zieht und darauf hinweist, dass diese Massenbewegung vor anderthalb Jahrzehnten, trotz massiver Streiks in der Textilindustrie, im dreckigen Sumpf des Kampfes für Demokratie unterging. Der Artikel versäumt es jedoch, diese Lehre auf die demokratischen Kämpfe von 2025 anzuwenden.

Angesichts des Versäumnisses des Artikels der IKT, vor der Gefahr zu warnen, den proletarischen Kampf mit dem Kampf für Demokratie heute zu verwechseln, oder vor der Gefahr zu warnen, so zu handeln, als ob es möglich wäre, Letzteres in Ersteres umzuwandeln, ist es einleuchtender, warum diese Gruppe unseren vorgeschlagenen Aufruf gegen die Demokratie abgelehnt hat, der eine klare Position gegen die demokratischen Kampagnen und Kämpfe darstellte. Unser Aufruf weisst die Ideen zurück, dass solche Kampagnen in Klassenbewegungen umgewandelt werden können.

Die Ablehnung des Aufrufs durch die anderen Gruppen erfolgte nicht deshalb, weil sie mit dem Wortlaut des Aufrufs nicht einverstanden gewesen wären – sondern mit seinem Geist: weil der Aufruf eine Kluft zwischen der Kommunistischen Linken und allen anderen politischen Tendenzen (von der extremen Rechten bis zur extremen Linken) hervorhebt und jegliche opportunistischen Zugeständnisse an Letztere verhindert.

In ähnlicher Weise lehnte die IKT unseren internationalistischen Aufruf von 2022 nicht deshalb ab, weil sie mit den Hauptargumenten dieses Aufrufs in der Theorie nicht einverstanden gewesen wäre, sondern weil die IKT in der Praxis so tun wollte, als sei es möglich, eine internationalistische Bewegung gegen den Krieg zu schaffen, die über die politische Unnachgiebigkeit der Tradition der Kommunistischen Linken hinausgeht: eine Vortäuschung, die zu dem Bluff der Initiative Kein-Krieg-außer-dem-Klassenkrieg (No War But the Class War NWBCW) führte.

Demokratische Bewegungen können nicht in proletarische Bewegungen umgewandelt werden

Die Vorstellung, dass die heutigen bürgerlich-demokratischen Bewegungen in ihrem Klassencharakter mehrdeutig oder fließend sind, würde bedeuten, dass sie potenziell in authentische proletarische Bewegungen umgewandelt werden können. Und die IKT hat nicht gezögert, diese eigenartige Logik anzunehmen, obwohl die beiden Arten von Bewegungen völlig antagonistisch und miteinander unvereinbar sind.

Der Artikel der IKT veranschaulicht diese Illusion perfekt mit einem Untertitel: „Vom Straßenkrieg zum Klassenkampf”.

Ein weiteres Beispiel findet sich in einem Flugblatt (11.06.2025) ihrer US-amerikanischen Schwesterorganisation, der Internationalist Workers Group, gegen die ICE-Ausschaffungsoffensive (Abschiebeoffensive) in Amerika. Das Flugblatt weist darauf hin, dass die demokratische Präsidentschaft von Barack Obama mehr Einwanderer abgeschoben hat als Trump, und sagt: „Arbeiter überall müssen bereit sein, sich selbst, ihre Nachbarn und ihre Kollegen gegen die Razzien der ICE zu verteidigen. Von Nachbarschaftskomitees und Arbeitskämpfen bis hin zu Massenprotesten muss der Kampf von der Arbeiterklasse mit ihrer immensen Stärke geführt werden.“[3]

Der Flugblatttext verschweigt jedoch, dass eine klassenkämpferische Reaktion der Nachbarschaften auf die Razzien der ICE bereits lange im Voraus von der Demokratischen Partei sabotiert worden war, wie diese Zitate ihrer Vertreter zur Unterstützung des Kampfes zeigen: „Er [Trump] hat den Krieg erklärt. Die Demokratie wird vor unseren Augen angegriffen.“ (Gavin Newsome, Gouverneur von Kalifornien). „Wir befinden uns in einem Krieg um die Seele unseres Landes, um unsere Demokratie.“ (Dolores Huerta, ehemalige Gewerkschaftsfunktionärin und Bürgerrechtsaktivistin). „Friedliche Proteste sind das Fundament unserer Demokratie.“ (Bürgermeister Andrew Ginther, Columbus, Ohio). „Wir setzen uns für die Verteidigung der Demokratie, das Streben nach Gerechtigkeit und die Rechtsstaatlichkeit ein.“ (Jewish Democratic Council of America).

Der verzweifelte Kampf der Arbeitsmigrant*innen gegen die militarisierten Maßnahmen der ICE (eine Behörde, die seit dem Anschlag auf die Twin Towers im Jahr 2001 existiert) wurde bereits auf die Schiene der Verteidigung der US-Demokratie gegen Trumps Missachtung demokratischer Gesetze und Verfahren gebracht. Dieselben Gesetze, die zuvor die Brutalität der Abschiebungen illegaler Einwanderer durch die Demokraten verschleiert hatten. Mit anderen Worten: Die heutigen Proteste gegen die ICE sind kein Klassenkampf gegen die Angriffe des kapitalistischen Staates auf Wanderarbeitende, sondern eine Kampagne für die demokratische, “rechtmäßige” Repression und Brutalisierung der Maßnahmen gegen sie.

Das Flugblatt der IKT ruft die Arbeiterklasse dazu auf, den Kampf gegen die ICE in ihre Hände zu nehmen und ihn zu einer Klassenbewegung zu machen. Dies würde jedoch – wenn es möglich wäre – eine Ablehnung aller nationalen Spaltungen und Grenzen und die Konfrontation nicht nur mit dem militarisierten Gesicht des Staates in der ICE, sondern auch mit seinem demokratischen alternativen Gesicht bedeuten. Mit anderen Worten, es würde eine völlig andere Bewegung auf einem anderen Klassenterrain bedeuten. Dies wäre nur möglich, wenn die Arbeiterklasse bereits ihren eigenen Klassenkampf für ihre eigenen Interessen auf dieses politische Niveau entwickelt hätte. Aber wie der Flyer und der erwähnte Artikel zugeben, ist dies noch weit von der Realität entfernt.

Weder der Artikel noch das Flugblatt weisen jedoch auf die internationalen Lohnkämpfe der Arbeiter*innen im vergangenen Jahr und seit 2022 (auch in den USA) hin, die sich auf einem Klassenterrain entwickelt haben und sich deutlich von den demokratischen Kampagnen und Bewegungen unterscheiden und die einzige Grundlage für einen völlig anderen zukünftigen politischen Kampf des Proletariats als autonome Bewegung sind.

Eine Wiederholung anderer opportunistischer Fehler wie in der Black-Lives-Matter-Bewegung

Leider sind die Broschüre und der Artikel kein Einzelfall, sondern eine Wiederholung anderer schwerwiegender Fehler der Gruppen der Kommunistischen Linken, wie beispielsweise der Fehler der IKT, die Black-Lives-Matter-Unruhen und die Proteste gegen den Polizeimord an George Floyd, die 2020 während Trumps erster Präsidentschaft ausbrachen, als Bewegung der Arbeiterklasse zu betrachten: „1965, genau wie 2020, tötet die Polizei, und die Klasse reagiert mit Trotz auf die korrupte Gesellschaftsordnung, für die sie mordet. Der Kampf geht weiter.“[4]

Die IKT fügte hinzu, dass die Bewegung „nicht weit genug geht“ und die Demokratische Partei nicht unterstützen sollte. Das macht jedoch keinen Sinn, wenn die Bewegung ohnehin schon in die falsche Richtung geht.[5] Noch weniger Sinn macht es, wenn man bedenkt, dass die Experten darin so tun, als könne man die Mobilisierung der demokratischen Opposition „weiter vorantreiben“ – die Linken jedoch dieses politische Terrain bereits vollständig besetzt haben und keine Unterstützung von fehlgeleiteten Gruppen der Kommunistischen Linken benötigen.

Im Artikel über die heutigen demokratischen Kämpfe erklärte die IKT dann kategorisch und ohne Rücksicht auf die tatsächliche Situation der Arbeiterklasse, dass „die städtische Rebellion in eine Weltrevolution umgewandelt werden muss“.

Die Ursprünge und die Geschichte dieses opportunistischen Wunschdenkens über demokratische Kämpfe

Unser Aufruf gegen die demokratischen Kampagnen bezieht sich auf die wichtige Erkenntnis der italienischen Fraktion der kommunistischen Linken um Bilan in den 1930er Jahren, wonach „demokratische Kämpfe“ und „proletarischer Kampf“ antagonistisch sind und jede Verwirrung in dieser Frage fatal ist.

Die Position von Bilan lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die „demokratischen“ Experimente seit 1918 haben gezeigt, dass die Verteidigung der Demokratie den Klassenkampf sabotiert, das proletarische Bewusstsein erstickt und seine Avantgarde zum Verrat verleitet: „Das Proletariat hingegen findet den Grund für seine historische Mission in der Aufdeckung der Lüge des demokratischen Prinzips, in dessen Wesen selbst und in der Notwendigkeit, die Klassenunterschiede und die Klassen selbst zu beseitigen.” (Faschismus – Demokratie: Kommunismus, von Vercesi, Bilan Nr. 13, November-Dezember 1934)

Die Mehrheit von Bilan verteidigte später dieses antidemokratische Prinzip auf Kosten einer Spaltung mit einer Minderheit der Fraktion, die dieses Prinzip aufgab und 1936 in den Krieg in Spanien zog, in der Illusion, dass der militärische Konflikt des demokratisch-republikanischen Flügels gegen den faschistischen Flügel der Bourgeoisie der Vorläufer einer proletarischen Revolution sei und nicht – wie die Realität bewies – die Vorbereitung auf das Abschlachten der Arbeiterklasse im Zweiten Weltkrieg. Die Minderheit von Bilan bestätigte damit in der Praxis Vercesis Aussage, dass die Verteidigung der Demokratie die proletarische Avantgarde zum Verrat führt.

In den 1930er Jahren war die Ablehnung des Antifaschismus, d. h. die Ablehnung der Verteidigung der bürgerlichen Demokratie, der Lackmustest für jegliche kommunistische Tendenz.[6]

Es sei darauf hingewiesen, dass die Mitglieder dieser Minderheit von Bilan – ohne auf ihre Intervention an der Seite der Republikaner in Spanien verzichten zu müssen – später in die Internationalistische Kommunistische Partei PCInt integriert wurden, die der Vorläufer aller Gruppen der Kommunistischen Linken war, die unseren Aufruf gegen die demokratischen Kampagnen abgelehnt haben.

Der PCInt wurde 1943 in Italien als eine internationalistische Partei der Italienischen Linken gegründet, war aber politisch sehr heterogen. Viele Militante, die nicht mit den Positionen der Einheitsfront und des Antifaschismus gebrochen hatten, schlossen sich dieser neuen Partei an. Die Grundlagen, auf denen die Partei gegründet wurde, enthielten alle möglichen Unklarheiten, was bedeutete, dass die Partei einen politischen Rückschritt gegenüber den Positionen der Fraktion vor dem Krieg, den Positionen von Bilan, darstellte. Obwohl der PCInt im allgemeinen Sinne im proletarischen Lager blieb, gelang es ihm nicht, sich von den falschen Positionen der Kommunistischen Internationale zu distanzieren, beispielsweise in der Gewerkschaftsfrage und der Frage der Teilnahme an Wahlkampagnen.

Nur die Gruppe Gauche Communiste de France war in dieser Zeit in der Lage, eine kompromisslose Haltung gegenüber der bürgerlichen Demokratie beizubehalten und die politische Arbeit von Bilan nach dem Zweiten Weltkrieg fortzusetzen.[7]

Am Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelte der PCInt eine zweideutige Haltung gegenüber den antifaschistischen Partisanengruppen in Italien, die sich voll und ganz dem imperialistischen Krieg an der Seite der Alliierten angeschlossen hatten. Er glaubte, dass diese Gruppen wegen der Anwesenheit von Arbeitern in ihren Reihen und dank des Einflusses des PCInt darin irgendwie für die proletarische Revolution gewonnen werden könnten.[8]

Als sich der PCInt 1952 spaltete, wurde diese anfängliche Verwirrung um ihre Gründung nicht geklärt, auch nicht von Battaglia Comunista (die heutige IKT), obwohl sie zum Zeitpunkt der Spaltung den „Bordigismus“ kritisiert hatte. Es war daher unvermeidlich, dass dieselbe versöhnliche Haltung gegenüber demokratischen Kämpfen weiterleben würde.

1989, mit dem Fall der Berliner Mauer und dem Zusammenbruch der Regime des Ostblocks, interpretierte Battaglia Comunista die Wut der Bevölkerung gegen das verhasste Regime von Ceausescu in Rumänien fälschlicherweise als „echten Volksaufstand”, obwohl sich die Bevölkerung in Wirklichkeit hinter der demokratischeren Opposition mobilisierte, lediglich um ihn zu ersetzen. In Bezug auf die demokratischen Forderungen der Arbeiterkämpfe jener Zeit in Russland selbst räumte Battaglia Comunista zwar ein, dass diese Forderungen von einem Flügel der Bourgeoisie instrumentalisiert werden könnten, erklärte jedoch: „(...) Für diese Massen, die vom Antistalinismus und der Ideologie des westlichen Kapitalismus durchdrungen sind, sind die ersten möglichen und notwendigen Forderungen der Sturz des „kommunistischen” Regimes, die Liberalisierung des Produktionsapparats und die Erlangung „demokratischer Freiheiten”.[9]

Es ist offensichtlich, dass die Zweideutigkeit dieser Gruppen in Bezug auf die Ablehnung der Demokratie eine lange Geschichte hat. Aber die Unnachgiebigkeit in Bezug auf dieses Prinzip muss von der Kommunistischen Linken gestärkt werden, nicht nur für den Klassenkampf von heute, sondern auch für den revolutionären Kampf der Zukunft und für die Bildung ihrer Klassenpartei, die in hohem Maße von der Ablehnung jeglicher Versöhnung mit der einen oder anderen politischen Formation der herrschenden Klasse abhängt, deren Spaltungen dazu genutzt werden, dieses Ziel zu vereiteln.

Como, 8.9.2025

 

[1] Für einen Aufruf der Kommunistischen Linken an die Arbeiterklasse – gegen die internationale Kampagne zur Mobilisierung für die bürgerliche Demokratie [28], IKSonline Oktober 2024

[2] Eine vollständige Darstellung findet ihr in den folgenden beiden Artikeln: The bourgeoisie is trying to lure the working class into the trap of anti-fascism [29], World Revolution 403, Frühling 2025; Workers must not let themselves to be drawn into demonstrations for the defence of democracy [30]”, ebenda.

[3] https://www.leftcom.org/en/articles/2025-06-11/against-deportation-and-imperialism-no-war-but-the-class-war [31] (aufgerufen am 21.11.2025)

[4] www.leftcom.org/en/articles/2020-05-30/on-minneapolis-police-brutality-class-struggle [32] (aufgerufen am 14.11.2025)

[5] Siehe dazu unseren Artikel: „Black Lives Matters“ Proteste: Die Gruppen der Kommunistischen Linken und ihr Versagen das Terrain der Arbeiterklasse zu identifizieren [33], IKSonline Juli 2020

[6] Siehe dazu unser Buch Die Italienische Kommunistische Linke, vor allem Kapitel 4: “Mit Riesenschritten in die Niederlage (1933-39)”

[7] Polemik: Die Wurzeln der IKS und des IBRP - Die Italienische Fraktion und die Französische Kommunistische Linke [13], Internationale Revue Nr. 22, 1998

[8] The ambiguities of the Internationalist Communist Party over the ‘partisans’ in Italy in 1943 [34], International Review Nr. 8, 1. Quartal 1977 (engl./frz./span. Ausgabe)

[9] Polemic: The wind from the East and the response of revolutionaries [35], International Review Nr. 61, 2. Quartal 1990 (engl./frz./span. Ausgabe)

 

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Debatte im proletarischen politischen Milieu

Der „grüne Trotzkismus“ von Andreas Malm gegen die Perspektive des Kommunismus (Teil 2)

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Im ersten Teil dieses Artikels haben wir gezeigt, dass der selbsternannte „Lenin der Ökologie“, Andreas Malm, in Wirklichkeit eine völlig bürgerliche Auffassung dieser Frage vertritt und als Agent des Staatskapitalismus fungiert, den er der Arbeiterklasse propagieren will. In diesem zweiten Teil werden wir zeigen, wie sehr sein Ansatz auf einer grundlegenden Verzerrung der marxistischen Sichtweise der kapitalistischen Produktionsweise und ihrer Beziehung zur Natur beruht.

Auf den ersten Blick behauptet Malm, Marxist zu sein, was ihm eine scheinbar radikale Haltung verleiht, doch dann verzerrt er die marxistische Theorie vollständig. Der schamlose Gebrauch von Doppelzüngigkeit, typisch für die trotzkistische Strömung, die das eine sagt, um in Wirklichkeit das Gegenteil zu verteidigen, sowie andere Verfälschungen ermöglichen ihm den außergewöhnlichen Taschenspielertrick, sowohl die Verantwortung des kapitalistischen Systems für die Schwere der ökologischen Krise zu beseitigen als auch die einzige Perspektive zu verschleiern, die es der Menschheit ermöglichen könnte, aus diesem Albtraum herauszukommen: den Kommunismus, das historische Projekt der ausgebeuteten Klasse, des Proletariats, des Totengräbers des Kapitalismus.

In diesem Artikelabschnitt zeigen wir, warum und wie der Kapitalismus unfähig ist, die ökologische Krise zu lösen, warum und wie allein die revolutionäre Klasse unserer Zeit, das Proletariat, den Schlüssel dazu in der Hand hält und warum die soziale Frage und die ökologische Frage nur gleichzeitig gelöst werden können, indem die kapitalistischen Produktionsverhältnisse zerstört und das kapitalistische System durch eine Gesellschaft ohne Ausbeutung, den Kommunismus, ersetzt werden.

1. Die trotzkistische Verzerrung des Marxismus

Leugnung der Verantwortung der kapitalistischen Produktionsweise für die Klimakrise

Malm scheint sich auf den Marxismus zu stützen. Er stellt fest: „Der Kapitalismus ist ein spezifischer Prozess, der sich als universelle Aneignung biophysikalischer Ressourcen entfaltet, weil das Kapital selbst einen einzigartigen, unstillbaren Durst nach Mehrwert hat, der aus menschlicher Arbeit mittels materieller Substrate gewonnen wird. Man könnte sagen, dass das Kapital supraökologisch ist, ein biophysikalischer Allesfresser mit seiner eigenen sozialen DNA.“[1]

In ähnlicher Weise bezieht er sich auf Marx selbst: „Band III von Das Kapital zeigt, wie kapitalistische Eigentumsverhältnisse „eine unüberbrückbare Kluft im komplexen Gleichgewicht des sozialen Stoffwechsels verursachen, der durch die Naturgesetze des Lebens bestimmt wird“; die Theorie der metabolischen Kluft – der Unterbrechung – ermöglicht es uns, eine Vielzahl von Phänomenen zu erklären, von Ungleichgewichten im Stickstoffkreislauf bis hin zum Klimawandel.“[2]

Es wird jedoch schnell klar, dass dies nur ein Vorwand ist. Tatsächlich findet im Laufe des Buches eine Verschiebung statt. Es wird deutlich, dass Malms Antikapitalismus nicht auf den Kapitalismus als Ganzes abzielt, sondern sich darauf beschränkt, bestimmte seiner Komponenten in Frage zu stellen – insbesondere den Sektor der fossilen Brennstoffproduktion, Öl und Gas, den er für die globale Erwärmung verantwortlich macht. Letztendlich macht er das kapitalistische System als solches nie für die ökologische Katastrophe (die er auf die globale Erwärmung reduziert) verantwortlich. Indem er nur bestimmte Sektoren der Bourgeoisie oder bestimmte Staaten (die den Planeten beherrschen) ins Visier nimmt und nur die „Business as usual”-Haltung der herrschenden Klasse angesichts der Klimakrise als zentrales Problem anprangert, entlastet er den Kapitalismus als Produktionsweise von der Verantwortung für die Klimakrise.

So geißelt Malm den empörenden Zynismus und die Gleichgültigkeit gegenüber dem Planeten und der Menschheit von Exxon-Chef Rex Tillerson, der erklärt: „Meine Philosophie ist es, Geld zu verdienen. Wenn ich bohren und Geld verdienen kann, dann ist es das, was ich tun will.” Aber indem er sich hier allein auf Tillerson konzentriert, verschleiert Malm (bewusst für einen selbsternannten Marxisten!), dass Tillersons „Philosophie” in Wirklichkeit die der GESAMTEN herrschenden Klasse ist! Der Illusionist Malm verschleiert die ausbeuterische Natur und das ungezügelte Streben nach maximalem Profit, die dem Kapitalismus als Ganzes innewohnen[3]. Auf dem Gipfel der Heuchelei und Verstellung und in typisch trotzkistischer Manier räumt Malm die Existenz einer „zulässigen“ kapitalistischen Ausbeutung der Natur ein (und verteidigt sie letztendlich sogar)!

Darüber hinaus stimmt Malm auch zu: „Die beiden für die COP21 veröffentlichten Berichte [die] unterstreichen, inwieweit CO2-Emissionen untrennbar mit einer solchen Polarität verbunden sind. Die reichsten 10 % der Menschheit sind für die Hälfte der aktuellen konsumbezogenen Emissionen verantwortlich, während die ärmste Hälfte für 10 % verantwortlich ist. Der Pro-Kopf-CO2-Fußabdruck der reichsten 1 % ist 175-mal so groß wie der der ärmsten 10 %: Die Pro-Kopf-Emissionen der reichsten 1 % in den USA, Luxemburg oder Saudi-Arabien sind 2.000-mal höher als die der ärmsten Einwohner von Honduras, Mosambik oder Ruanda.”[4] Malm kommt zu dem Schluss: „Wenn es eine globale Logik der kapitalistischen Produktionsweise gibt, mit der der Temperaturanstieg in Verbindung gebracht wird, dann ist es zweifellos die der ungleichmäßigen und kombinierten Entwicklung. Das Kapital entwickelt sich, indem es andere Beziehungen in seinen Bann zieht, während es sich weiter akkumuliert, Menschen, die in externe, aber integrierte Beziehungen verwickelt sind – man denke an die Hirten im Nordosten Syriens –, die wenig oder gar keinen Nutzen daraus ziehen und vielleicht nicht einmal annähernd Lohnarbeit verrichten können. Einige häufen Ressourcen an, während andere, die außerhalb der Ausbeutungsmaschinerie, aber in ihrem Einflussbereich stehen, um eine Chance kämpfen, diese zu produzieren.“[5]

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Welt laut Malm einfach zwischen „reich” und „arm”, zwischen „Nutznießern” und „Opfern” des Systems geteilt ist, entsprechend einer „ungleichen” geografischen Verteilung zwischen einem reichen Norden und einem armen Süden. Mit anderen Worten, dies ist der Gemeinplatz der vorherrschenden bürgerlichen Ideologie, die sich von UN-Berichten über die Kolumnen der trotzkistischen Presse bis hin zu den gesamten bürgerlichen Medien erstreckt! Malms Position ist sogar identisch mit der der chinesischen Regierung, für die „die Klimakrise das Ergebnis eines höchst ungleichen Modells der wirtschaftlichen Entwicklung ist, das sich in den letzten zwei Jahrhunderten verbreitet hat und es den heutigen reichen Ländern ermöglicht hat, ihr Einkommensniveau zu erreichen, auch weil sie die Umweltschäden, die heute das Leben und den Lebensstil anderer bedrohen, nicht berücksichtigt haben”[6]. Ein Ansatz, der auf Chinas Verteidigung des Konzepts der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung“ basiert, wonach die globale Klimapolitik die Entwicklungsbedürfnisse der ärmsten Länder respektieren muss: Malm ist nun ein Apostel des chinesischen Imperialismus!

Wenn man die Volksrepublik China nicht als Ausdruck der proletarischen und marxistischen Avantgarde betrachtet, bekommt man eine Vorstellung davon, wie gültig das ist, was Malm als Marxismus verkaufen will! Diese Übereinstimmung zwischen der offiziellen Ideologie des chinesischen Staates und Malm ist kein Zufall. Die Vorstellung einer kapitalistischen Welt, die in „Beherrschte“ und „Beherrscher“ geteilt ist, in der die Plagen, die die Gesellschaft heimsuchen, ausschließlich den großen Imperialisten zuzuschreiben sind, die die kleinen „opfern“, entspricht dem trotzkistischen Denken. Es unterscheidet ständig zwischen verschiedenen Staaten, von denen nur die großen imperialistisch sind. Als gäbe es einen grundlegenden Unterschied zwischen den großen Unterweltbossen, die die Szene beherrschen, und den Zuhältern aus der Nachbarschaft; in der Praxis besteht der einzige Unterschied in den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln!

Die immer stärkere Konzentration des Kapitals bedingt naturgemäß ein Ungleichgewicht innerhalb der kapitalistischen Welt und hat als Folge und Konsequenz die Existenz marginalisierter Peripherien. Dies ist eine permanente historische Tatsache des Kapitalismus, die in seinen Genen verankert ist. Sie konkretisiert sich in der Existenz von Staaten, die in der Lage sind, globale Hegemonie auszuüben, während andere davon ausgeschlossen sind. Der bezaubernde Malm hypnotisiert das Publikum, indem er sich auf das Erscheinungsbild und die Oberfläche der Dinge konzentriert, um die Illusion zu schaffen, dass es letztendlich innerhalb jedes Nationalstaates eine Lösung gibt, vorausgesetzt, er wird besser verwaltet und strebt nach größerer „Harmonie“ zwischen den Nationen!

Auf diese Weise gelingt es Malm, die Kernpunkte aus dem Bereich der Reflexion zu entfernen, die allein eine solide Grundlage bieten können, um die Frage nach den Auswirkungen der kapitalistischen Produktionsweise auf die Natur richtig zu stellen:

Die Tatsache, dass Kapital eine soziale Beziehung ist, die über die Grenzen jedes Nationalstaates hinausgeht und auf globaler Ebene existiert; deren Hauptpolarisierung (um seine eigene nebulöse Terminologie zu verwenden) sich im grundlegenden und unüberwindbaren Antagonismus zwischen den beiden Hauptklassen der kapitalistischen Gesellschaft, dem Proletariat und der Bourgeoisie, ausdrückt. Wie Marx betont: „So wie die auf Kapital basierende Produktion einerseits eine universelle Industrie hervorbringt, so schafft sie andererseits ein System der universellen Ausbeutung der natürlichen und menschlichen Eigenschaften.”[7]

Gleichzeitig übersieht Malm die Tatsache, dass: „Um zu produzieren, gehen sie bestimmte Verbindungen und Beziehungen untereinander ein, und nur innerhalb dieser sozialen Verbindungen und Beziehungen wirkt ihr Einfluss auf die Natur – d. h., findet Produktion statt.[8]“Mit anderen Worten: Durch das Wirken verschiedener Formen der sozialen Organisation im Laufe der Geschichte wird die Beziehung zwischen Mensch und Natur hergestellt. Um die Ursprünge der heutigen ökologischen und klimatischen Krise zu verstehen, müssen wir die Existenz der kapitalistischen Produktionsweise und ihre Auswirkungen auf die Natur berücksichtigen.

Für Malm ist die Arbeiterklasse nicht mehr das Subjekt der Geschichte

Die andere Ebene, auf der Malm den Marxismus ablehnt, ist die der Alternative zum kapitalistischen System. Für Malm ist es in den zentralen Ländern des Kapitalismus der Einzelne, der durch Sabotage handeln muss, um die Politik des kapitalistischen Staates zu beeinflussen: „In einer wissenschaftlich fundierten Realität ist Ende Gelände[9] die Art von Aktion, deren Anzahl und Umfang um das Tausendfache vervielfacht werden müsste. In den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern und in den am weitesten entwickelten Gebieten der übrigen Welt mangelt es nicht an geeigneten Zielen: Man muss sich nur nach dem nächsten Kohlekraftwerk, der Ölpipeline, dem SUV, dem Flughafen und dem expandierenden Einkaufszentrum in der Vorstadt umsehen... Dies ist das Terrain, auf dem eine revolutionäre Klimabewegung in einer mächtigen und sich immer schneller beschleunigenden Welle entstehen müsste.”[10] Mit anderen Worten: Malm schlägt einfach eine radikalere Version einer Bürgerbewegung vor, die sich nicht mehr damit begnügt, nur auf legalem Terrain zu agieren, sondern darüber hinausgeht und gegen die Barone oder Sektoren des Kapitalismus vorgeht, die als verantwortlich für die globale Erwärmung identifiziert wurden, indem sie deren Unternehmen oder die von ihnen auf den Markt gebrachten Produkte angreift.

Allgemeiner gesagt, um gegen die „Treiber der Klimakrise“ zu kämpfen, vervielfacht Malm die Verweise auf verschiedene soziale Bewegungen in der Geschichte (Apartheid, Abschaffung der Sklaverei... ohne sich um deren Klassencharakter zu kümmern!) zu einem Magma, in dem es unmöglich ist, die spezifische soziale Kraft zu erkennen, auf die wir uns verlassen können, um einen Ausweg aus der albtraumhaften Situation zu finden, die der Kapitalismus verursacht hat: „Da der heutige Kapitalismus vollständig von fossilen Energien durchdrungen ist, kämpft praktisch jeder, der sich unter seiner Herrschaft an einer sozialen Bewegung beteiligt, objektiv gegen die globale Erwärmung, unabhängig davon, ob er sich dafür interessiert oder nicht, ob er unter ihren Folgen leidet oder nicht. Die Brasilianer, die gegen die steigenden Busfahrpreise protestieren und kostenlosen Nahverkehr fordern, erheben damit faktisch die Fahne der fünften Maßnahme des oben dargelegten Programms, während die Ogoni, die Shell vertreiben, sich mit der ersten befassen[11]. Ebenso haben europäische Autoarbeiter, die für ihre Arbeitsplätze kämpfen, im Einklang mit dem gewerkschaftlichen Bewusstsein, das sie seit jeher haben, ein Interesse daran, ihre Fabriken auf die Produktion der für die Energiewende notwendigen Technologien – Windkraftanlagen, Busse – umzustellen, anstatt sie an Niedriglohnstandorte abwandern zu lassen. Alle Kämpfe sind Kämpfe gegen das Kapital der fossilen Brennstoffe: Die Menschen müssen sich dessen nur bewusst werden.“[12]

Malms aufgeblasene Behauptung, den Marxismus zu aktualisieren, um den Realitäten des Klimawandels zu begegnen, indem er neue „Polarisierungen” etabliert, die die kapitalistische Welt beherrschen und den grundlegenden Antagonismus zwischen den beiden Hauptklassen der kapitalistischen Gesellschaft – der ausgebeuteten Klasse (dem Proletariat) und der ausbeutenden Klasse (der Bourgeoisie) – ersetzen, hat nur ein Ziel: die revolutionäre Natur des Proletariats zu leugnen.

Malm, der sich der Aufgabe verschrieben hat, zu zeigen, dass der Kommunismus keineswegs eine realistische, glaubwürdige Alternative zur Umweltkatastrophe darstellen kann und dass der Kampf des Proletariats gegen die Klimakrise keinerlei Rolle spielen kann, beschönigt einfach die Existenz, die Rolle und die revolutionäre Perspektive der Arbeiterklasse. Wenn er hier und da auf das Proletariat oder dessen Geschichte Bezug nimmt, dann nur als ausgebeutete Klasse oder als einfache soziologische Kategorie der kapitalistischen Gesellschaft, die in der undifferenzierten Gesamtheit des Volkes untergeht. Zusammenfassend reserviert er ihm eine Rolle als irrelevantes Extra oder verwässert es in zusammengesetzten klassenübergreifenden Bewegungen, die tatsächlich eine tödliche Gefahr für seine Fähigkeit darstellen, als autonome Klasse mit Interessen zu agieren, die sich von denen anderer sozialer Kategorien unterscheiden.

Auch hier leistet Malm seinen Beitrag zu den bürgerlichen Kampagnen, die darauf abzielen, die Schwierigkeiten des Proletariats zu verlängern, sich selbst als treibende Kraft hinter der Transformation der Gesellschaft zu erkennen, als die revolutionäre Klasse unserer Zeit, die der Kapitalismus historisch zu seinem Totengräber erhoben hat.

2. Die kapitalistische Produktionsweise und die Natur

Malms bürgerliche Verfälschungen des Wesens des Kapitalismus und seiner Verantwortung für die Umweltzerstörung zwingen uns, einige grundlegende Erkenntnisse des Marxismus wiederherzustellen, die Malm leugnet, verschleiert oder aufgibt (je nach den unterschiedlichen Erfordernissen, die sich aus seiner ideologischen Rolle zum Nutzen des bürgerlichen Staates ergeben). An erster Stelle steht dabei das Kommunistische Manifest selbst.

Der globale Charakter der kapitalistischen Produktionsweise

Malm sieht den Kapitalismus nur als die Summe seiner einzelnen Bestandteile und leugnet, dass hinter der Realität einer kapitalistischen Welt, die per Definition von Wettbewerb und Spaltung zwischen den Nationen geprägt ist, die Einheit des kapitalistischen Systems als Produktionsweise sowie das universelle Terrain seiner Existenz und Herrschaft steht.

Wie es im Kommunistischen Manifest heißt: „Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen. Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumption aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat (…) den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien (…) durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander.“[13]

Und wie Rosa Luxemburg betont, hat dies bedeutet, dass: „Von Anfang an zielen die Formen und Gesetze der kapitalistischen Produktion darauf ab, den gesamten Globus als Speicher produktiver Kräfte zu erfassen. Das Kapital, das dazu getrieben ist, sich Produktivkräfte zum Zwecke der Ausbeutung anzueignen, plündert die ganze Welt, es beschafft sich seine Produktionsmittel aus allen Ecken der Erde und entreißt sie, wenn nötig mit Gewalt, allen Zivilisationsstufen.“

Um sein unstillbares Profitbedürfnis zu befriedigen: „wird es für das Kapital notwendig, sich nach und nach immer vollständiger über den ganzen Globus zu verfügen, um sich eine unbegrenzte Auswahl an Produktionsmitteln sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht zu verschaffen. Der Prozess der Akkumulation, so elastisch und sprunghaft er auch sein mag, erfordert unweigerlich den freien Zugang zu immer neuen Rohstoffgebieten. (...) Da sich die kapitalistische Produktion nur bei uneingeschränktem Zugang zu allen Gebieten und Klimazonen voll entfalten kann, kann sie sich ebenso wenig auf die natürlichen Ressourcen und Produktivkräfte der gemäßigten Zone beschränken, wie sie mit weißer Arbeitskraft allein auskommen kann. Das Kapital braucht andere Rassen, um Gebiete zu bewirtschaften, in denen der weiße Mann nicht arbeiten kann. Es muss in der Lage sein, die weltweite Arbeitskraft ohne Einschränkungen zu mobilisieren, um alle Produktivkräfte des Globus zu nutzen (...)“[14]

Entgegen Malms Behauptung ist dies der Ausgangspunkt für jede Reflexion, die die Verantwortung des Kapitals für die ökologische Krise unterstreicht: nicht der enge, lokale Rahmen der Nation und ihres Staates, sondern die internationale und globale Ebene.

Die zerstörerischen Auswirkungen des Kapitals auf die Natur und die Arbeitskräfte

In der historischen Phase des Aufstiegs ihres Systems hat „Die Bourgeoisie (…) in ihrer knapp hundertjährigen Herrschaft massivere und kolossalere Produktivkräfte geschaffen als alle vorangegangenen Generationen zusammen.“[15] Als solche hat sie eine historisch fortschrittliche Rolle gespielt. Aber die Entwicklung der Produktivkräfte in Schlamm und Blut durch das kapitalistische Produktionssystem basiert sowohl sozial als auch ökologisch auf Verwüstung mit den erschreckendsten Folgen.

Für die ausgebeutete Klasse bedeutet das: „Die ersten Jahrzehnte des uneingeschränkten Betriebs der Großindustrie hatten so verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit und die Lebensbedingungen der Masse der arbeitenden Bevölkerung, mit enormer Sterblichkeit, Krankheiten, körperlichen Verkrüppelungen, geistiger Verzweiflung, epidemischen Krankheiten und Dienstunfähigkeit, dass das Überleben der Gesellschaft selbst zutiefst bedroht schien.“[16]

Das Gleiche gilt für die Natur. In Amerika beispielsweise: „... der Tabakanbau erschöpfte den Boden so schnell (nach nur drei oder vier Ernten), dass die Produktion im 18. Jahrhundert von Maryland in die Appalachen verlegt werden musste. Die Umwandlung der Karibik in eine Zucker-Monokultur führte zu Entwaldung, Erosion und Bodenverarmung. Zuckerrohrplantagen brachten Malaria in die amerikanischen Tropen. (...) Die sagenhaften Silberminen von Mexiko und Peru waren innerhalb weniger Jahrzehnte erschöpft und hinterließen stark verschmutzte Umwelt. (...) Wir könnten auch das fast vollständige Verschwinden des Bibers, des amerikanischen Bisons oder des Grönlandwals am Ende des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Industrialisierung erwähnen, da Bisonleder ausgezeichnete Antriebsriemen und Walöl ein hervorragendes Schmiermittel für die Mechanik der industriellen Revolution lieferte.“[17] In anderen Teilen der Welt hatten dieselben Ursachen dieselben Auswirkungen: „Der Guttapercha-Baum verschwand 1856 aus Singapur und dann von vielen malaysischen Inseln. Ende des 19. Jahrhunderts erfasste der Kautschukrausch den Amazonas und führte zu Massakern an Indianern und zur Abholzung der Wälder. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Kautschukbäume von Brasilien nach Malaysia, Sri Lanka, Sumatra und dann nach Liberia verpflanzt, wo britische und amerikanische Unternehmen (Hoppum, Goodyear, Firestone) riesige Plantagen anlegten. Letztere verwüsteten mehrere Millionen Hektar Land. Sie zerstören mehrere Millionen Hektar Wald, laugen den Boden aus und bringen Malaria mit sich.“[18]

In Das Kapital prangert Marx die Tatsache an, dass der „kapitalistische Fortschritt”, der nichts anderes als die allgemeine Ausbeutung sowohl der Arbeiter als auch des Bodens bedeutet, zur Zerstörung der natürlichen Ressourcen, des Landes und der Arbeiterklasse führt. Unter Berufung auf die wissenschaftlichen Arbeiten seiner Zeit argumentiert er, dass die Auswirkungen der kapitalistischen Ausbeutung und Akkumulation für den Planeten und für die Arbeitskraft des Proletariats gleichermaßen zerstörerisch sind: „In der modernen Landwirtschaft wie in den städtischen Industrien werden die gesteigerte Produktivität und Quantität der eingesetzten Arbeitskraft um den Preis der Verwüstung und des Verbrauchs der Arbeitskraft selbst durch Krankheiten erkauft. Darüber hinaus ist jeder Fortschritt in der kapitalistischen Landwirtschaft ein Fortschritt in der Kunst, nicht nur den Arbeiter, sondern auch den Boden auszubeuten; jeder Fortschritt bei der Steigerung der Fruchtbarkeit des Bodens für eine bestimmte Zeit ist ein Fortschritt in Richtung der Zerstörung der dauerhaften Quellen dieser Fruchtbarkeit. Je mehr ein Land seine Entwicklung auf der Grundlage der modernen Industrie beginnt, wie beispielsweise die Vereinigten Staaten, desto schneller verläuft dieser Zerstörungsprozess. Die kapitalistische Produktion entwickelt daher Technologie und die Zusammenführung verschiedener Prozesse zu einem sozialen Ganzen nur, indem sie die ursprünglichen Quellen allen Reichtums – den Boden und den Arbeiter – ausbeutet.“[19] Von Anfang an hat sich der Kapitalismus als Zerstörer sowohl der Natur als auch der Arbeitskraft des Proletariats behauptet.

In der Dekadenz des Kapitalismus: Die Zerstörung der Natur auf ihrem Höhepunkt

Die wichtigste Manifestation des Eintritts des kapitalistischen Systems in seine dekadente Phase, nachdem der Weltmarkt „vereinigt” worden ist, ist der Krieg und der permanente Kriegszustand des Kapitalismus mit tiefgreifenden ökologischen Folgen. Wenn „die beiden Weltkriege, die Konfrontationen des Kalten Krieges und die Entkolonialisierungen ökologische Zerstörungen auf planetarischer Ebene verursacht haben (...) dann hatten die Vorbereitung von Konflikten und insbesondere die Entwicklung, Erprobung und Produktion von Waffen nicht weniger massive Auswirkungen. (...) Aber diese direkten Auswirkungen reichen bei weitem nicht aus, um die Bedeutung des Phänomens Krieg in der Beziehung zwischen menschlichen Gemeinschaften und ihrer Umwelt zusammenzufassen.“[20]

„Die Kriege des 20. Jahrhunderts waren auch entscheidend für die Gestaltung der politischen, technischen, wirtschaftlichen und kulturellen Logik, die die Ausbeutung und Erhaltung von Ressourcen auf nationaler Ebene, aber auch auf globaler Ebene bestimmte (...) Die Auswirkungen der beiden Weltkriege auf Wirtschaft und Ökosysteme (...) waren entscheidend für die Globalisierung und Intensivierung (...) der Rohstoffgewinnung auf planetarischer Ebene und förderten eine verstärkte Kontrolle dieser Ressourcen durch staatliche Mächte (im Norden) und westliche Unternehmen (im Süden) (...) Der Zweite Weltkrieg war ein entscheidender Bruch. (...). Er „beschleunigte das Entstehen großer Rohstoffförderungsaktivitäten, die sich während des Konflikts herauskristallisierten und nach dem Krieg fortgesetzt wurden. ...) Die „groß angelegte Umgestaltung der Wirtschaft in den Bereichen Ausbeutung, Transport und „Nutzung” betrifft „eine breite Palette von Materialien, die in den Rang „strategischer Ressourcen” erhoben wurden, von Holz über Kautschuk bis hin zu fossilen Brennstoffen (...) Der Versorgungsbedarf einer Kriegswirtschaft führt zu einer Verdopplung der Produktionsinfrastrukturen und letztlich zu industriellen Überkapazitäten.”[21]

Wie die IKS hervorhebt, hat in dieser Zeit „die rücksichtslose Zerstörung der Umwelt durch das Kapital ein anderes Ausmaß und eine andere Qualität (...) Dies ist die Epoche, in der alle kapitalistischen Nationen gezwungen sind, auf einem gesättigten Weltmarkt miteinander zu konkurrieren; eine Epoche also der permanenten Kriegswirtschaft mit einem unverhältnismäßigen Wachstum der Schwerindustrie; eine Epoche, die gekennzeichnet ist durch die irrationale, verschwenderische Duplizierung von Industriekomplexen in jeder nationalen Einheit, durch die verzweifelte Plünderung der natürlichen Ressourcen durch jede Nation, die versucht, im gnadenlosen Wettlauf des Weltmarktes zu überleben. (...) Der Aufstieg von Megastädten, (...) die Entwicklung von Formen der Landwirtschaft, die nicht weniger ökologisch schädlich sind als die meisten Formen der Industrie.“[22]

Die „große Beschleunigung“ der ökologischen Krise in den letzten Jahrzehnten ist eine der Manifestationen der historischen Krise der kapitalistischen Produktionsweise in ihrer Dekadenzphase, die in ihrer letzten Phase der Zersetzung ihren Höhepunkt erreicht hat. Ihre Schwere stellt nun eine direkte Bedrohung für das Überleben der menschlichen Gesellschaft dar. Vor allem sind die ökologischen Folgen des zerfallenden Kapitalismus mit den anderen großen Phänomenen der Zerrüttung der kapitalistischen Gesellschaft – Wirtschaftskrise und imperialistischer Krieg – verwoben und verbunden, wobei sie in einer verheerenden Spirale miteinander interagieren und ihre Auswirkungen vervielfachen, deren kombinierte Auswirkungen weit größer sind als die Summe ihrer einzelnen Teile.

Die Unvereinbarkeit des Kapitalismus mit der Natur kann nicht überwunden werden

Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wies Marx darauf hin, dass das Kapital, getrieben von dem Bedürfnis, immer mehr anzuhäufen, die natürliche Grundlage der Produktion selbst beeinträchtigt und das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur gefährlich stört, indem es einen unüberwindbaren Zusammenbruch ihres Stoffwechsels verursacht. „Die kapitalistische Produktion, indem sie die Bevölkerung in großen Zentren sammelt und eine immer größere Übergewichtung der Stadtbevölkerung verursacht, konzentriert einerseits die historische Triebkraft der Gesellschaft; andererseits stört sie den Stoffkreislauf zwischen Mensch und Boden, d. h. sie verhindert die Rückführung der vom Menschen in Form von Nahrung und Kleidung verbrauchten Elemente in den Boden; sie verletzt damit die notwendigen Voraussetzungen für eine dauerhafte Fruchtbarkeit des Bodens.“[23] „Der Großgrundbesitz reduziert die landwirtschaftliche Bevölkerung auf ein ständig sinkendes Minimum und konfrontiert sie mit einer ständig wachsenden Industriebevölkerung, die in großen Städten zusammengepfercht ist. Damit schafft er Bedingungen, die einen irreparablen Bruch in der Kohärenz des sozialen Austauschs verursachen, der durch die Naturgesetze des Lebens vorgeschrieben ist. Infolgedessen wird die Vitalität des Bodens verschwendet, und diese Verschwendung wird durch den Handel weit über die Grenzen eines bestimmten Staates hinausgetragen. Großindustrie und großflächige mechanisierte Landwirtschaft arbeiten Hand in Hand.“[24] Marx erkannte bereits, dass der Kapitalismus die Zukunft nachfolgender Generationen gefährdet und möglicherweise sogar die Zukunft der Menschheit. Wie wir gesehen haben, haben sich diese Vorhersagen nach mehr als einem Jahrhundert kapitalistischer Dekadenz reichlich bestätigt.

Warum ist das so?

Der Kapitalismus hat die Plünderung der Natur nicht erst eingeführt. Aber im Gegensatz zu früheren Produktionsweisen, die in ihrem geografischen Umfang und ihren lokalen Auswirkungen auf die Umwelt begrenzter waren, verändert sich diese Plünderung mit dem Kapitalismus. Sie nimmt eine weltumspannende Dimension und einen räuberischen Charakter an, der in der Geschichte der Menschheit qualitativ neu ist. „Zum ersten Mal wird die Natur für den Menschen zu einem reinen Objekt, zu einer reinen Frage der Nützlichkeit; sie wird nicht mehr als eine Kraft an sich anerkannt, und die theoretische Entdeckung ihrer autonomen Gesetze erscheint nur noch als ein Trick, um sie den menschlichen Bedürfnissen zu unterwerfen, sei es als Konsumobjekt oder als Produktionsmittel.“[25]

Für den Kapitalismus, der die Herrschaft der Ware verankert und sich als System der universellen Warenproduktion präsentiert, das ausschließlich vom rasenden Streben nach maximalem Profit angetrieben wird, wird ALLES zur Ware, ALLES steht zum Verkauf. So bedeutet seit der Moderne mit dem Aufbau des globalen Marktes folgendes: „Die Industrialisierung beinhaltet die Übertragung der Kontrolle über die Natur in die Hände einer Handvoll Großkapitalisten.“[26] „Eine wachsende Zahl natürlicher Objekte wurde in Waren umgewandelt, was vor allem bedeutet, dass sie angeeignet wurden, wodurch sowohl die Umwelt als auch die wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen gestört wurden. (...) Die Aneignung natürlicher Einheiten, die Privatisierung von Lebewesen, hat erhebliche ökologische, wirtschaftliche und soziale Folgen. Alle Arten von natürlichen Wesen werden zu Eigentum und Waren ... Die Objekte der Natur sind in Wirklichkeit nicht spontan Waren: Waren sind das Ergebnis einer Konstruktion, einer (manchmal gewaltsamen) Aneignung, verbunden mit einer Transformation, die es ermöglicht, das Objekt an den Marktaustausch anzupassen.”[27]

Der Kapitalismus betrachtet die Erde und die Natur nur als „Geschenk“ (Marx), als ein Reservoir an Ressourcen, das ihm „vorsehungsgemäß“ zur Verfügung steht und aus dem er unbegrenzt schöpfen kann, um es zu einer seiner Gewinnquellen zu machen. „In der heutigen Wirtschaftsordnung dient die Natur nicht der Menschheit, sondern dem Kapital. Nicht die Kleidung, die Ernährung oder die kulturellen Bedürfnisse der Menschheit bestimmen die Produktion, sondern der Profitgier des Kapitals, sein Hunger nach Gold. Die natürlichen Ressourcen werden ausgebeutet, als wären die Reserven unendlich und unerschöpflich. Die schädlichen Folgen der Entwaldung für die Landwirtschaft und die Zerstörung nützlicher Tiere und Pflanzen offenbaren den endlichen Charakter der verfügbaren Reserven und das Scheitern dieser Art von Wirtschaft. Roosevelt erkennt dieses Scheitern, als er eine internationale Konferenz einberufen will, um den Zustand der noch verfügbaren natürlichen Ressourcen zu überprüfen und Maßnahmen zu ergreifen, um deren Verschwendung zu stoppen.“ [28]

Der Kapitalismus bezieht seinen Reichtum also nicht nur aus der Ausbeutung der Hauptware, der Arbeitskraft des Proletariats, sondern auch aus der Ausbeutung der Natur. „Arbeit ist nicht die Quelle allen Reichtums. Die Natur ist ebenso Quelle von Gebrauchswerten (und aus solchen besteht materieller Reichtum sicherlich!) wie die Arbeit, die selbst nur die Manifestation einer Naturkraft ist, der menschlichen Arbeitskraft (...) Und insofern der Mensch von Anfang an gegenüber der Natur, der primären Quelle aller Arbeitsmittel und -gegenstände, als Eigentümer auftritt, sie als sein Eigentum behandelt, wird seine Arbeit zur Quelle von Gebrauchswerten, also auch von Reichtum.“[29]

Die Ursache der Klimakrise liegt nicht in „menschlichen Aktivitäten“ im Allgemeinen oder in bestimmten Bereichen der kapitalistischen Wirtschaftstätigkeit, sondern in der Existenz der kapitalistischen Produktionsweise selbst. Da der Kapitalismus seinen Reichtum aus zwei Quellen bezieht – der Ausbeutung der Natur und der Ausbeutung der Arbeitskraft des Proletariats, die beide in Waren umgewandelt werden –, hat er keine Lösung für die ökologische Krise. Er kann beide nur bis zur Erschöpfung und Zerstörung ausbeuten. Deshalb gehen die soziale Frage und die ökologische Frage Hand in Hand und können nur gleichzeitig und vom Proletariat gelöst werden, der einzigen Klasse, die ein Interesse daran hat, alle Formen der Ausbeutung abzuschaffen.

3. Der Kommunismus, die einzige Perspektive für die Menschheit

Genau das bestreitet Malm wie üblich kategorisch und ohne echte Argumentation, wenn er erklärt: „In einer wärmeren kapitalistischen Welt kann die Ausbeutungsmaschine nicht mehr tun, als die gleiche Menge an Mehrwert zu extrahieren, indem sie den Arbeitern jeden Tropfen Schweiß abpresst. Aber jenseits eines lokal bestimmten Wendepunkts ist dies möglicherweise einfach nicht mehr möglich. Steht eine siegreiche Arbeiterrevolution bevor? Wahrscheinlich nicht. (...) Die Extraktion von Mehrwert bleibt wahrscheinlich die zentrale Ausbeutungsmaschine, aber die explosiven Auswirkungen des Klimawandels werden nicht direkt entlang dieser Achse übertragen.”[30]. Für ihn gehören die Klimakrise und die soziale Frage zu völlig getrennten Bereichen, zwischen denen es keine Verbindung oder Beziehung gibt. Und da sich der Kampf des Proletariats nicht speziell gegen die Auswirkungen der ökologischen Krise entwickelt, sondern auf dem Terrain der ihm vom Kapitalismus auferlegten Bedingungen, kommt Malm zu dem Schluss, dass Natur und Ökologie nicht in den Bereich des historischen Emanzipationskampfes des Proletariats fallen und dass dieses nicht in der Lage ist, die ökologische Frage, das Verhältnis zwischen Mensch und Natur, in seine revolutionäre Perspektive zu integrieren.

Wissenschaftler und Umweltexperten identifizieren im Allgemeinen die auf dem Warenaustausch basierende Produktion, die „Kommodifizierung” und Überausbeutung der Natur sowie das System des Privateigentums als die zentralen Faktoren, die für die ökologische Krise verantwortlich sind, und betonen die Notwendigkeit einer Lösung auf universeller Ebene. Die von ihnen vorgelegten Diagnosen verurteilen zweifellos die kapitalistische Produktionsweise und weisen unbestreitbar in Richtung des kommunistischen Sozialprojekts, das vom Proletariat getragen wird. Aber was tun sie in der Praxis? Blindlings oder als mehr oder weniger willige Komplizen der herrschenden Klasse schlagen sie lediglich Sackgassen oder Irrwege ohne Perspektiven als Lösung vor: Sie fordern den Staat auf, Gesetze und Vorschriften zu verbessern, besser zu regulieren; oder sie behaupten, sich von der (idealisierten!) Beziehung der primitiven Gesellschaften zur Natur inspirieren zu lassen, oder sie befürworten eine Rückkehr zur kleinbäuerlichen, individuellen, parzellenbasierten Landwirtschaft, fordern lokale Produktion usw. In jedem Fall suchen sie alle nach Lösungen innerhalb der Bedingungen der heutigen Gesellschaft und ignorieren und verdrängen dabei die Perspektive des Kommunismus, der genau das EINZIGE soziale Projekt ist, das ermöglicht, die Welt vom Warenaustausch und der Ausbeutung zu befreien, die sie alle als die Hauptursache der Klimakrise ansehen. Auch hier bildet Malm keine Ausnahme[31] und schließt sich mit seinem trotzkistischen Hintergrund dem Chor der bürgerlichen Kampagnen an.

Nur das Proletariat kann die Ausbeutung und die Herrschaft der Ware abschaffen

Der Kapitalismus hat gleichzeitig die Voraussetzungen für materiellen Überfluss geschaffen – was sich in der Existenz von Überproduktionskrisen zeigt, die auf die Möglichkeit der Überwindung der Ausbeutung hinweisen – und die sozialen Formen, die für die wirtschaftliche Transformation der Gesellschaft notwendig sind: das Proletariat, die Klasse, die dazu bestimmt ist, der Totengräber des Kapitals zu werden.

Die Verallgemeinerung der Ware durch die kapitalistische Produktionsweise hat in erster Linie die Arbeitskraft betroffen, die von den Menschen in ihrer produktiven Tätigkeit eingesetzt wird. Das Proletariat, die Klasse, die alle Güter produziert, aber der Produktionsmittel beraubt ist, hat keine andere Ware auf dem Markt zu verkaufen als seine Arbeitskraft – einen Verkauf an diejenigen, die diese Produktionsmittel besitzen, die Kapitalistenklasse. Nur diejenigen, die kollektiver Ausbeutung, dem Verkauf ihrer Arbeitskraft, unterworfen sind, können ein Interesse daran haben, gegen die kapitalistischen Warenverhältnisse zu revoltieren. Da die Abschaffung der Ausbeutung im Wesentlichen gleichbedeutend ist mit der Abschaffung der Lohnarbeit, ist nur die Klasse, die unter dieser spezifischen Form der Ausbeutung leidet, die das Produkt der Entwicklung dieser Produktionsverhältnisse ist, in der Lage, sich eine Perspektive für deren Überwindung zu verschaffen.

Daher gilt: „Von allen Klassen, die heute der Bourgeoisie gegenüberstehen, ist nur das Proletariat eine wirklich revolutionäre Klasse. Die anderen Klassen verfallen und verschwinden schließlich angesichts der modernen Industrie; das Proletariat ist ihr besonderes und wesentliches Produkt. Die niedere Mittelklasse, der Kleinunternehmer, der Ladenbesitzer, der Handwerker, der Bauer, sie alle kämpfen gegen die Bourgeoisie, um ihre Existenz als Teile der Mittelklasse vor dem Aussterben zu bewahren. Sie sind daher nicht revolutionär, sondern konservativ. Mehr noch, sie sind reaktionär, denn sie versuchen, das Rad der Geschichte zurückzudrehen.“[32]

„Unsere Epoche (…) besitzt jedoch diese besondere Eigenschaft: Sie hat die Klassenantagonismen vereinfacht. Die Gesellschaft als Ganzes spaltet sich immer mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große Klassen, die sich direkt gegenüberstehen – Bourgeoisie und Proletariat.“[33]. Aus der besonderen Stellung, die das Proletariat innerhalb der kapitalistischen Produktionsverhältnisse einnimmt, leitet es die Fähigkeit ab, sich als soziale Kraft zu behaupten, die in der Lage ist, ein Bewusstsein und eine Praxis zu entwickeln, die „die bestehende Welt revolutionieren, die bestehenden Verhältnisse praktisch angreifen und verändern“[34]. Der Kampf des Proletariats gegen die Auswirkungen der Ausbeutung und die ihm vom Kapitalismus auferlegten Bedingungen kann nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn es sich die Abschaffung der Ausbeutung selbst und die Errichtung des Kommunismus zum Ziel setzt. Deshalb „ist der Kommunismus für uns nicht ein zu errichtender Zustand, ein Ideal, dem sich die Wirklichkeit anzupassen hat. Wir nennen Kommunismus die reale Bewegung, die den gegenwärtigen Zustand der Dinge abschafft. Die Bedingungen dieser Bewegung ergeben sich aus den jetzt bestehenden Voraussetzungen.“[35]

Die materiellen Grundlagen des Kommunismus als Lösung der ökologischen Frage

Der Kauf und Verkauf von produziertem Reichtum können nur verschwinden, wenn der Reichtum der Gesellschaft kollektiv angeeignet wird. „Die Aneignung [aller Produktionsmittel durch das Proletariat] kann nur durch eine Vereinigung erreicht werden, die aufgrund des Charakters des Proletariats selbst notwendigerweise universell ist, und durch eine Revolution, die einerseits die Macht der bisherigen Produktions- und Austauschweise und die Macht der bisherigen Gesellschaftsordnung stürzt und andererseits den universellen Charakter des Proletariats und die Energie, die es benötigt, um diese Aneignung durchzuführen, eine Revolution, in der das Proletariat sich auch aller Überreste seiner bisherigen sozialen Stellung entledigt.“[36] Mit der Beschlagnahmung der Produktionsmittel durch die Gesellschaft, der kollektiven Aneignung des von ihr produzierten Reichtums durch die Gesellschaft, wird die Warenproduktion beseitigt und mit ihr die Ausbeutung in all ihren Formen.

Die Abschaffung des Warenaustauschs setzt die Abschaffung seiner Grundlage voraus: das Privateigentum, was das Ende des Rechts auf Besitz und Aneignung der Natur bedeutet: „(...) Das Land, das der wichtigste Rohstoff für alle menschliche Arbeit und die Grundlage der menschlichen Existenz ist, muss zusammen mit den Produktions- und Verteilungsmitteln in das Eigentum der Gesellschaft überführt werden. In einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium wird die Gesellschaft wieder in Besitz dessen treten, was ihr in Urzeiten gehörte. In einem bestimmten Entwicklungsstadium hatten alle menschlichen Rassen gemeinsames Eigentum an Land. Erst durch den Aufstieg und die Entwicklung des Privateigentums und der damit verbundenen Herrschaftsformen wurde das Gemeineigentum abgeschafft und als Privateigentum usurpiert, wie wir gesehen haben, nicht ohne heftige Kämpfe. Der Raub des Landes und seine Umwandlung in Privateigentum bildeten die erste Ursache der Unterdrückung. Diese Unterdrückung hat alle Stadien durchlaufen, von der Sklaverei bis zur „freien” Lohnarbeit des zwanzigsten Jahrhunderts, bis nach einer Entwicklung von Tausenden von Jahren die Unterdrückten den Boden wieder in Gemeineigentum umwandeln.”[37] Das Ende des Privateigentums bedeutet das Ende des Monopols, das einige wenige Kapitalisten „über bestimmte Teile der Erdoberfläche[38] (…) als ausschließliche Sphären ihres privaten Willens unter Ausschluss aller anderen.”[39]

„Mit der Beschlagnahme der Produktionsmittel durch die Gesellschaft wird die Warenproduktion abgeschafft (...) Die Anarchie in der sozialen Produktion wird durch eine systematische, bestimmte Organisation ersetzt. Der Kampf ums individuelle Dasein verschwindet. Dann hebt sich der Mensch in gewissem Sinne zum ersten Mal endgültig vom übrigen Tierreich ab und tritt aus bloß tierischen Existenzbedingungen in wirklich menschliche. Der gesamte Bereich der Lebensbedingungen, die den Menschen umgeben und bisher beherrscht haben, kommt nun unter die Herrschaft und Kontrolle des Menschen, der zum ersten Mal zum wirklichen, bewussten Herrn der Natur wird, weil er nun Herr über seine eigene soziale Organisation geworden ist. (...) Erst von diesem Zeitpunkt an wird der Mensch selbst mit vollem Bewusstsein seine eigene Geschichte gestalten – erst von diesem Zeitpunkt an werden die von ihm in Gang gesetzten sozialen Ursachen im Wesentlichen und in ständig wachsendem Maße die von ihm beabsichtigten Ergebnisse haben.“[40]

Die kommunistische Produktionsweise revolutioniert das Verhältnis zwischen Mensch und Natur

Diese neue Etappe in der Geschichte der Menschheit, ein wahrer Sprung von der Herrschaft der Notwendigkeit zur Freiheit, von der Herrschaft der Menschen zur Verwaltung der Dinge, läutet eine neue Ära ein: Der Kommunismus muss sich zunächst der vorrangigen Aufgabe widmen, die gesamte Menschheit zu ernähren, zu kleiden und zu versorgen sowie damit beginnen, die durch die Verwüstungen der kapitalistischen Produktion verursachten Schäden an der Umwelt zu beheben. Die Verallgemeinerung des Produzentenstatus auf alle Mitglieder der Gesellschaft und die Befreiung der Produktivkräfte von den Beschränkungen und Zwängen der kapitalistischen Produktion und Profitgier werden zu einer Explosion der Kreativität und Produktivität in einem Ausmaß führen, das unter den gegenwärtigen sozialen Bedingungen unvorstellbar ist. Durch die Schaffung einer neuen und höheren Beziehung zwischen Mensch und Natur wird dies der Beginn einer vereinten Gesellschaft sein, die sich ihrer selbst bewusst ist und in Harmonie mit der Natur lebt: „Freiheit auf diesem Gebiet kann nur darin bestehen, dass der sozialisierte Mensch, die assoziierten Produzenten, ihren Austausch mit der Natur rational regulieren, sie unter ihre gemeinsame Kontrolle bringen, anstatt sich von ihr wie von den blinden Kräften der Natur beherrschen zu lassen, und dies mit dem geringsten Energieaufwand und unter Bedingungen erreichen, die für ihre menschliche Natur am günstigsten und würdigsten sind.“[41]

Die Entwicklung der kommunistischen Produktionsweise wird eine völlig andere Art der Ausrüstung für den Boden und den Untergrund mit sich bringen; sie wird auf eine bessere Verteilung der Menschen über den Globus und die Beseitigung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land abzielen.

Mit dem Ziel, „systematisch (den Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde) im regulierenden Gesetz der gesellschaftlichen Produktion zu verankern“[42], kann der Kommunismus nicht anders, als die besten Beiträge vergangener Gesellschaften wieder anzueignen und kritisch zu integrieren, beginnend mit einem besseren Verständnis der harmonischeren Beziehung zwischen Mensch und Natur, die während der langen Periode des Urkommunismus vorherrschte, und gleichzeitig alle wissenschaftlichen und technologischen Fortschritte, die der Kapitalismus entwickelt hat, zu integrieren und zu transformieren.[43]

Der Kommunismus beendet die räuberischen und plündernden Beziehungen, die für Klassengesellschaften charakteristisch waren, und ersetzt sie durch „die bewusste rationale Bewirtschaftung des Bodens als ewiges Gemeinschaftseigentum, eine unveräußerliche Voraussetzung für die Existenz und Reproduktion einer Kette aufeinanderfolgender Generationen”.[44]

Abschließend bekräftigen wir gegen alle bürgerlichen Fälscher wie Malm[45], mit Marx, dass der „Kommunismus“ durch die Stellung der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse in den Mittelpunkt seiner Produktionsweise und durch die Umkehrung der Beziehungen zwischen den Menschen sowie der gesamten Menschheit zur Natur die „echte Lösung des Konflikts zwischen Mensch und Natur und zwischen Mensch und Mensch“ darstellt.[46] Er ist die einzige Tür, die zur Zukunft der Menschheit führt.

Angesichts des Drucks durch den Klimawandel - die Dringlichkeit der kommunistischen Revolution

Der Kommunismus ist seit Beginn der Dekadenz der kapitalistischen Produktionsweise zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Notwendigkeit auf der Tagesordnung, als die bürgerlichen Produktionsverhältnisse, die zu eng geworden waren, endgültig mit der Entwicklung der Produktivkräfte kollidierten, die sie nicht mehr eindämmen konnten.

Im Gegensatz zu den revolutionären Klassen der Vergangenheit, die alle neue Ausbeutungssysteme schufen und ihre neuen Produktionsverhältnisse innerhalb der alten, inzwischen überholten Produktionsverhältnisse entwickeln konnten, bevor sie diese schließlich hinwegfegten, muss das Proletariat - die erste Klasse in der Geschichte, die sowohl ausgebeutet als auch revolutionär ist und der innerhalb der kapitalistischen Produktionsverhältnisse jegliche materielle Unterstützung fehlt - zunächst die politische Macht der herrschenden Klasse brechen, um sich selbst als herrschende Klasse zu etablieren. Da es nur sein Bewusstsein und seine Organisationsfähigkeit als Waffen im Kampf hat, kann es erst dann sein Projekt einer neuen Gesellschaft vorantreiben und die kommunistische Umgestaltung der Welt einleiten, wenn die Zerstörung des bürgerlichen Staates (aller Staaten!) erreicht und die Eroberung der revolutionären Macht auf globaler Ebene gesichert ist.

In der gegenwärtigen historischen Situation des Zerfalls, der letzten Phase der Dekadenz des Kapitalismus, und angesichts der Spirale der Zerstörung, die er in Gang gesetzt hat und die die Zukunft der Zivilisation und sogar das Überleben der Menschheit bedroht, ist die Zeit nicht mehr auf der Seite der Arbeiterklasse. Aber sie allein, als revolutionäre Klasse unserer Zeit, hält den Schlüssel zur Überwindung dieser albtraumhaften Situation in der Hand. Sie verfügt nach wie vor über ihr gesamtes Potenzial, um ihr historisches Projekt zu verwirklichen. Die einzige Alternative, die einzige gültige für diejenigen, die einen Ausweg aus den kapitalistischen Desastern suchen, besteht darin, ohne angesichts der unmittelbaren Situation in Panik zu geraten, entschlossen daran zu arbeiten, die Bedingungen für das Aufkommen des Kommunismus zu schaffen, den Prozess zu beschleunigen, der zu diesem Akt der Befreiung der Welt führt, indem man sich dem Kampf der unterdrückten Klasse anschließt, in ihrem Bemühen, das Bewusstsein für ihr Handeln und ihre Bewegung zur Erfüllung ihrer historischen Mission zu entwickeln.

Scott


[1] Andreas Malm, L’anthropocène contre l’histoire, Editions La Fabrique, 2017, Seite 137

[2] Andreas Malm, Avis de Tempête, Nature et culture dans un monde qui se réchauffe, Editions La Fabrique, 2023, Seite 155 (englische Ausgabe: Andreas Malm, The Progress of This Storm, Verso, 2017)

[3] „Das Kapital scheut keinen Gewinn oder nur sehr geringe Gewinne, so wie man früher sagte, dass die Natur ein Vakuum verabscheue. Bei ausreichendem Gewinn ist das Kapital sehr mutig. Sichere 10 Prozent sichern seine Verwendung überall; sichere 20 Prozent erzeugen Eifer; 50 Prozent positive Kühnheit; 100 Prozent machen es bereit, alle menschlichen Gesetze mit Füßen zu treten; 300 Prozent, und es gibt kein Verbrechen, vor dem es zurückschreckt.“ TJ. Dunning, zitiert von Karl Marx, Das Kapital, Band I, Fußnote zu Seite 538. https://www.marxists.org/archive/marx/works/download/pdf/Capital-Volume-... [36]

[4] Andreas Malm, Avis de Tempête, Nature et culture dans un monde qui se réchauffe, Editions La Fabrique, 2023, S. 164-165 (englische Ausgabe: Andreas Malm, The Progress of This Storm, Verso, 2017)

[5] Andreas Malm, L’anthropocène contre l’histoire, Editions La Fabrique, 2017, S. 190–191

[6] Sha Zukang, „Vorwort“, in Promoting Development and Saving the Planet, Seite VII, zitiert von C. Bonneuil, J.B. Fressoz, L’événement Anthropocène – La Terre, l’histoire et nous, Seuil, 2013, S. 252; Dieser Ansatz wurde vom chinesischen Außenminister Wang Yi auf dem Klimagipfel 2019 und vom chinesischen Premierminister Li Kequiang auf der Global Commission on Adaptation 2019 vertreten.

[7] Karl Marx, New York Daily Tribune, 1853. Grundzüge der Kritik der politischen Ökonomie (Entwurf von 1857-58) [Erster Teil], III. Kapitel über das Kapital, Abschnitt Zwei, „Zirkulationsprozess des Kapitals“ (Gesammelte Werke Nr. 28, Seite 336). https://www.hekmatist.com/Marx%20Engles/Marx%20&%20Engels%20Collected%20... [37]

[8] Marx, Lohnarbeit und Kapital, 1847. https://www.marxists.org/archive/marx/works/download/pdf/wage-labour-cap... [38]

[9] „Ende Gelände ist eine Bewegung zivilen Ungehorsams, die Kohlebergwerke in Deutschland besetzt, um das Bewusstsein für Klimagerechtigkeit zu schärfen.“ (Wikipedia)

[10] Andreas Malm, L’anthropocène contre l’histoire, Editions La Fabrique, 2017, Seite 210

[11] Siehe die Punkte von Malms „grünem Übergangsprogramm“ im ersten Teil dieses Artikels, Abschnitt mit der Überschrift „Eine durch und durch bürgerliche Methode“

[12] Andreas Malm, L’anthropocène contre l’histoire, Editions La Fabrique, 2017, S. 206

[13] Marx-Engels, Manifest der Kommunistischen Partei

[14] Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals, III: „Die historischen Bedingungen der Akkumulation“, 26: „Die Reproduktion des Kapitals und ihre sozialen Bedingungen”.

[15] Marx-Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, 1947

[16] R. Luxemburg, Einführung in die politische Ökonomie, 1907

[17] C. Bonneuil, J.B. Fressoz, L’événement Anthropocène – La Terre, l’histoire et nous, Seuil, 2013, S. 260

[18] Ebenda, S. 267

[19] Karl Marx, Das Kapital, Band I, Teil 4: „Die Produktion des relativen Mehrwerts“, Abschnitt 10: „Die moderne Industrie und Landwirtschaft“

[20] J.B. Fressoz, F. Graber, F. Locher, G. Quenet, Introduction à l’histoire environnementale, Ed. La Découverte, 2014, S. 92-93

[21] Ebenda, S. 96-97

[22] Der Kapitalismus vergiftet die Erde [39], Internationale Revue Nr. 14, 1991  

[23] Karl Marx, Das Kapital, Band I, Teil 4, Kapitel 15, Abschnitt 10: „Moderne Industrie und Landwirtschaft”

[24] Karl Marx, Das Kapital, Band III, Kapitel XLVII „Entstehung der kapitalistischen Grundrente“, „V. Métayage und bäuerlicher Grundbesitz“.

[25] Karl Marx, Grundrisse, „Übergang vom Produktionsprozess des Kapitals zum Umlaufprozess“

[26] B. Fressoz, F. Graber, F. Locher, G. Quenet, Introduction à l’histoire environnementale, Ed. La Découverte, 2014, Seite 61

[27] Ebenda, S. 56-57

[28] Anton Pannekoek, Destruction of Nature, 10. Juli 1909

[29] Karl Marx, Kritik des Gothaer Programms

[30] Andreas Malm, L’anthropocène contre l’histoire, Editions La Fabrique, 2017, Seite 190-91

[31] Ähnliche Erläuterungen finden sich bei einem anderen „genialen Denker“ der „kritischen Ökologie“, Fabian Scheidler, der ebenfalls von vielen gelobt wird: „Man entwirft eine neue Gesellschaft nicht auf dem Reißbrett, so wie man eine neue Inneneinrichtung, eine Maschine oder eine Fabrik entwirft. Neue Formen der sozialen Organisation sind das Ergebnis anhaltender Konflikte und Konvergenzprozesse zwischen verschiedenen Gruppen. Was am Ende entsteht, kann grundsätzlich niemals das Ergebnis eines einzigen Plans sein, sondern nur die Folge vieler widersprüchlicher oder konvergenter Pläne. (...) Große Systemveränderungen sind weder das Ergebnis eines langsamen, schrittweisen Übergangs von einer Organisationsform zur anderen, noch eines bewussten Bruchs mit der Vergangenheit nach dem Vorbild der Oktoberrevolution in Russland. (...) Tatsächlich gibt es keinen Masterplan für den Aufbau eines neuen Systems, das das bisherige ersetzen soll. Es gibt nicht nur keinen solchen Plan, sondern es gibt auch nicht mehr viele Menschen, die einen solchen Plan für notwendig halten.” F. Scheidler, La Fin de la mégamachine. Sur les traces d'une civilisation en voie d'effondrement, Kapitel 11 „Possibilités, sortir de la mégamachine“, Ed. Seuil, 2020, Seite 445-50

[32] Marx-Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, 1947. Ebd. „Die Bauern, obwohl sie auf vielfältige Weise ausgebeutet werden und manchmal sehr heftige Kämpfe führen, um ihre Ausbeutung zu begrenzen, können diese Kämpfe niemals auf die Abschaffung des Privateigentums ausrichten, weil sie selbst Kleinbesitzer sind oder, da sie neben diesen leben, danach streben, wie diese zu werden. Und selbst wenn die Bauern kollektive Strukturen aufbauen, um ihr Einkommen durch eine Verbesserung der Produktivität oder den Verkauf ihrer Produkte zu steigern, handelt es sich in der Regel um Genossenschaften, die das Privateigentum oder den Warenaustausch nicht in Frage stellen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Klassen und Schichten, die als Überbleibsel der Vergangenheit erscheinen (Bauern, Handwerker, freie Berufe usw.) nur deshalb überleben, weil der Kapitalismus, auch wenn er die Weltwirtschaft völlig dominiert, nicht in der Lage ist, alle Produzenten in Lohnarbeiter zu verwandeln, nicht die Träger eines revolutionären Projekts sein können. Im Gegenteil, die einzige Perspektive, von der sie träumen können, ist die Rückkehr zu einem mythischen „goldenen Zeitalter” der Vergangenheit: Die Dynamik ihrer spezifischen Kämpfe kann nur reaktionär sein.“ Zitiert in Wer kann die Welt verändern? (Teil 1): Das Proletariat ist die revolutionäre Klasse [40], Internationale Revue Nr. 14, 1993 (Teil 2 in Internationale Revue Nr. 15)

[33] Marx-Engels, Manifest der Kommunistischen Partei

[34] Marx-Engels, Die deutsche Ideologie

[35] Marx-Engels, Die deutsche Ideologie

[36] Marx-Engels, Die deutsche Ideologie

[37] August Bebel, Die Frau und der Sozialismus, Kapitel XXII „Sozialismus und Landwirtschaft, 1. „Aufhebung des Privateigentums an Grund und Boden“

[38] „Sobald diese einen Punkt erreicht haben, an dem sie ihre Haut abstreifen müssen, fällt die materielle Quelle des Titels, die wirtschaftlich und historisch gerechtfertigt ist und aus dem Prozess entsteht, der das soziale Leben schafft, zusammen mit allen darauf basierenden Transaktionen weg. Aus der Sicht einer höheren Wirtschaftsform der Gesellschaft wird das Privateigentum einzelner Personen an der Erde ebenso absurd erscheinen wie das Privateigentum eines Menschen an einem anderen. Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation oder sogar alle gleichzeitig existierenden Gesellschaften zusammen sind nicht die Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und wie boni patres familias müssen sie sie in einem verbesserten Zustand an nachfolgende Generationen weitergeben.“ Karl Marx, Das Kapital – Band III, Kapitel 46, „Baustellenrente. Miete im Bergbau

[39] Karl Marx, Das Kapital, Band III, Teil VI, Umwandlung des Mehrgewinns in Grundrente, Kapitel 37, Einleitung

[40] F. Engels, Anti-Dühring, Teil III: „Sozialismus“

[41] Karl Marx, Das Kapital, Band III, Teil VII, „Einkommen und ihre Quellen“, Kapitel 48, „Die Dreifaltigkeitsformel“

[42] Marx, Das Kapital, Band I, „Die Entwicklung der kapitalistischen Produktion“, Abschnitt IV, „Die Produktion des relativen Mehrwerts“, Kapitel XV

[43] „Nach den mächtigen Fortschritten, die die Naturwissenschaften im gegenwärtigen Jahrhundert gemacht haben, sind wir mehr denn je in der Lage, selbst die entfernteren natürlichen Folgen zumindest unserer täglichen Produktionstätigkeiten zu erkennen und damit zu kontrollieren. Aber je mehr dies voranschreitet, desto mehr werden die Menschen nicht nur ihre Einheit mit der Natur spüren, sondern auch erkennen (...)“ Friedrich Engels, Dialektik der Natur, „Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen“

[44] Karl Marx, Das Kapital, Buch III, Kapitel XLVII „Entstehung der kapitalistischen Grundrente“, „V. Métayage und bäuerlicher Besitz von Landparzellen“

[45] Oder à la Scheidler

[46] Karl Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahr 1844, „Privateigentum und Kommunismus“

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Marxismus und Ökologie

Andreas Malm: „Ökologische“ Rhetorik zur Verteidigung des kapitalistischen Staates (Teil 1)

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Angesichts der Schwere der Klimakrise und ihrer Folgen werden immer mehr Stimmen laut, die das kapitalistische System dafür verantwortlich machen – ein klares Indiz dafür, dass die Mystifizierung, wonach der Mensch – die menschliche Spezies im Allgemeinen – dafür verantwortlich sei, nicht mehr ausreicht, um die aktuellen Überlegungen des Proletariats in dieser Frage zu unterbinden und zu neutralisieren. Bei der Erzeugung und der permanenten Anpassung der bürgerlichen Ideologie folgt auf den nebelhaften akademisch-universitären Allerweltsbegriff „Anthropozän” nun der Nebel eines neuen Titels – „Kapitalozän”. Insbesondere die Theorien von Andreas Malm[1] (Dozent für Humangeographie an der Universität Lund in Schweden und Mitglied der trotzkistischen Organisation Vierte Internationale – Vereinigtes Sekretariat) nehmen darin einen besonderen Platz ein und werden mit großem Werbeaufwand und großer internationaler Resonanz in den Vordergrund gestellt.

Mit der Feststellung, dass „kein Diskurs die herrschenden Klassen jemals zum Handeln bewegen wird”, fordert Andreas Malm in seinem Buch „Wie man eine Pipeline sabotiert” „die [ökologische] Bewegung dazu auf, den Pazifismus zu überwinden und zu gewaltsamen Aktionen nicht gegen Menschen, sondern gegen die Infrastruktur des fossilen Kapitalismus zu greifen». Seine «Leitidee, zusammengefasst in „Das Anthropozän gegen die Geschichte“ (2017): Nicht die Menschheit ist zu einer geologischen Kraft geworden – das ist die Bedeutung des Begriffs „Anthropozän“, der 2002 vom niederländischen Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen geprägt wurde –, sondern die Wirtschaft und der fossile Kapitalismus, die in England mit der Dampfmaschine von James Watt entstanden sind, weshalb Andreas Malm den Begriff „Kapitalozän“ bevorzugt. Denn der Schwede versucht, Marxismus und Umweltschutz miteinander in Einklang zu bringen. (…) Er verbindet Ökologie mit dem Marxismus, der in ökologischen Kreisen wegen seines Produktivismus oft verpönt ist: Er rechtfertigt den Übergang zu gewaltsamen Aktionen in einer vom Pazifismus dominierten Welt und lehnt den Staat als Verbündeten im ökologischen Wandel innerhalb eines Kriegskommunismus nicht ab, wie er in ‘La Chauve-souris et le Capital’ [Die Fledermaus und das Kapital] (2020) theoretisiert.”[2]

Mal als „Staatsfeind Nr. 1”[3] angeprangert, mal als „grundlegender Denker” und „einer der originellsten Köpfe zum Thema Klimawandel” gepriesen, gilt er als „neuer Guru der radikalen Umweltschützer”. Die bürgerliche Propaganda zögert nicht, ihn zum „Lenin der Ökologie” zu erheben, nicht weniger!

Es gibt jedoch einen auffälligen Kontrast in der Art und Weise, wie der „Lenin der Ökologie“ von der herrschenden Klasse behandelt wird: Während Lenin – und mit ihm die Revolutionäre der Vergangenheit –, mit denen Malm verglichen wird oder auf die er sich bezieht, an den Pranger gestellt, verleumdet, zensiert, ins Exil gezwungen und von den Polizeikräften aller möglichen Varianten der verschiedenen politischen Regime des Kapitalismus, allen voran der bürgerlichen Demokratie, verfolgt wurden, genießt Malm hohes Ansehen. Er genießt einen angesehenen Platz an der Universität, seine Werke wurden in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt und sind einem breiten Publikum leicht zugänglich. Und diejenigen, die nicht lesen, wurden mit einer großen Hollywood-Produktion abgeholt (in der eine Gruppe junger Menschen beschließt, eine Ölpipeline in Texas in die Luft zu sprengen), dem Film „How to blow up a pipeline”, der weltweit verbreitet wurde. Wie lässt sich diese große weltweite Werbung erklären, die die herrschende Klasse ihrem angeblichen Feind, demjenigen, der vorgibt, ihr System zu bekämpfen, zukommen lässt? Was ist der Grund für diese Fürsorge der herrschenden Klasse gegenüber Malm?

Die Antwort auf diese Fragen und das Geheimnis dieser bürgerlichen Begeisterung für Malm finden wir in Malms eigenen Schriften (bereits 2009 in seinem Werk „Fossil Capital“), zusammengefasst und verdichtet in wenigen Sätzen, die unter der Fülle seiner Schriften fast unbemerkt bleiben könnten, aber die ganze Quintessenz seines Ansatzes offenbaren und entlarven: Für ihn „setzt der Klimawandel Marxisten wie alle anderen unter Druck. Jedes Argument vom Typ ‘eine Lösung – die Revolution’ oder, weniger verkürzt, ‘sozialistische Eigentumsverhältnisse sind notwendig, um den Klimawandel zu bekämpfen’ ist nun unhaltbar. Die Erfahrungen der letzten zwei Jahrhunderte zeigen, dass der Sozialismus ein erschreckend schwer zu erreichendes Ziel ist; jeder Vorschlag, ihn bis 2020 weltweit aufzubauen und dann mit der Reduzierung der Emissionen zu beginnen, wäre nicht nur lächerlich, sondern auch unverantwortlich. (...) Wenn die Zeitlichkeit des Klimawandels die Revolutionäre zu ein wenig Pragmatismus zwingt, zwingt sie die anderen dazu, über revolutionäre Maßnahmen nachzudenken.“[4]

Der Kampf für den Kommunismus sei also nicht mehr aktuell, sondern überholt, durch die Klimakrise hinfällig geworden. Mit diesem plumpen Taschenspielertrick verteidigt und „theoretisiert“ Malm lediglich das sehr vulgäre „Wir sitzen alle im selben Boot“, das der bürgerlichen Ideologie so am Herzen liegt und den Kern der Mystifizierung der nationalen Einheit und des Friedens zwischen den Klassen bildet! Indem er die Gültigkeit der Perspektive der proletarischen Revolution und des Kommunismus ablehnt, die seiner Meinung nach unangemessen und ungeeignet ist, um eine Lösung für die Probleme der Menschheit (einschließlich der Frage der ökologischen Zerstörung) in der gegenwärtigen historischen Situation zu finden, bekundet Malm auf seinen Knien seine Treue zur herrschenden Klasse.

Sein tiefsitzender und erklärter Antisozialismus ist ein Maßstab für die Gültigkeit seines „Marxismus“: Losgelöst vom Kampf für den Kommunismus sind die Verweise auf Marx, Trotzki oder Lenin nur noch eine Ansammlung von hohlen Phrasen, in denen Verallgemeinerungen und Verfälschungen vorherrschen! Die Bourgeoisie hat schnell erkannt, welchen Nutzen sie aus Malms „Marxismus” ziehen kann, der seiner revolutionären Zielsetzung beraubt ist! Genau dafür verdient er die Anerkennung und ganze Aufmerksamkeit der herrschenden Klasse sowie den Ehrenplatz, den sie ihm in ihren offiziellen Kampagnen einräumt!

Eine durch und durch bürgerliche Methode und Herangehensweise

Angesichts der Bedrohung durch die globale Erwärmung, die er als politische Priorität Nr. 1 für die Menschheit identifiziert, behauptet Malm mit Hilfe einer ganzen Theorie („Das fossile Kapital“), die den Anschein von historischem Materialismus hat und den Anspruch erhebt, den Marxismus zu aktualisieren und weiterzuentwickeln, DIE Lösung zu haben, um ihren „Motor” anzugehen, die sich auf die folgende einfache Behauptung reduzieren lässt: Um die globale Erwärmung zu bekämpfen, müssten die dafür verantwortlichen Treibhausgasemissionen endgültig beseitigt werden. Dies erfordere die radikale Maßnahme, den fossilen Energiesektor aus der kapitalistischen Produktion zu verbannen und „diese Aktivität endgültig einzustellen“.[5] Und das Problem sei damit gelöst!

Dieser Ansatz zur ökologischen Rettung des Planeten, der sich auf die „vollständige Dekarbonisierung” beschränkt, wird von einem Teil der Umweltschützer und Wissenschaftler (auch wenn diese selbst keine wirklichen Alternativen anbieten können) als Absurdität angeprangert, als „Beispiel für die heutige Engstirnigkeit, die zu dem immer wieder festgestellten Irrtum führt (…): eine systematische Unterschätzung der Vielfältigkeit der Wechselwirkungen, die natürliche und soziale Systeme charakterisieren”.[6] Auch Malms Position selbst wird kritisiert: „Man könnte alle Ölpipelines, alle Kohleminen und alle SUVs abschaffen ‘und feststellen, dass wir immer noch vom Aussterben bedroht sind’, weil man dann noch gegen ‘Bodendegradation, Süßwasserknappheit, Dysbiose der Ozeane, Zerstörung von Lebensräumen, Pestizide und andere synthetische Chemikalien’ zu kämpfen hat, wobei jedes Problem ‘in Bezug auf Umfang und Schwere mit dem Klimakollaps vergleichbar’ ist. Wir haben es hier nicht nur mit dem fossilen Kapital zu tun, sondern mit ‘dem gesamten Kapital’“.[7]

Als guter bürgerlicher Ideologe in Sachen Ökologie verkörpert Malm voll und ganz den typisch kapitalistischen Ansatz, jedes in der kapitalistischen Gesellschaft auftretende Problem für sich zu betrachten (und für jedes eine vermeintliche „Lösung“ vorzuschlagen) und es unabhängig von seiner eigentlichen Ursache zu behandeln: dem kapitalistischen System als Ganzes und seiner historischen Krise. Ein Ansatz und eine Methode, die weit vom historischen Materialismus entfernt sind und nichts mit dem Marxismus zu tun haben.

Während die Menschheit, das weltweite Proletariat, mit der Beschleunigung des Zerfalls des kapitalistischen Systems konfrontiert ist, in dem die kombinierten Auswirkungen der Wirtschaftskrise, der ökologischen/Klimakrise und des imperialistischen Krieges zusammenkommen, miteinander interagieren und ihre Folgen in einer verheerenden Spirale vervielfachen, und während unter diesen verschiedenen Faktoren der Krieg (als bewusste Entscheidung der herrschenden Klasse) das entscheidende beschleunigende Element für die Verschärfung des Chaos und der Wirtschaftskrise darstellt, wird all dies von Malm verschleiert![8]

In seinen Schriften findet sich kein Hinweis auf die Wirtschaftskrise des Kapitalismus oder die katastrophalen Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt, die sich aus der Organisation der gesamten Gesellschaft im Hinblick auf die permanente Kriegsvorbereitung seit dem Eintritt des kapitalistischen Systems in seine Dekadenz ergeben. Dabei ist gerade die Rückkehr des „hochintensiven” Krieges zwischen Staaten schon für sich allein und auf unmittelbarer Ebene ein starker Grund, die Maßnahmen des „ökologischen Wandels” und die Reduzierung der Treibhausgasemissionen aufzugeben (und es gibt noch viele andere tiefgreifende Gründe dafür, dass das Kapital nicht in der Lage ist, eine Lösung für die ökologische Krise zu finden). Tatsächlich: „Ohne Öl kein Krieg. Ohne Öl ist es unmöglich, Krieg zu führen (...) Auf die Möglichkeit zu verzichten, sich mit reichlich vorhandenem und nicht allzu teurem Öl zu versorgen, bedeutet ganz einfach, sich zu entwaffnen. Transporttechnologien [die weder Öl noch Wasserstoff noch Strom benötigen] sind für Armeen völlig ungeeignet. Elektrische Panzer mit Batterieantrieb werfen so viele technische und logistische Probleme auf, dass sie als unmöglich anzusehen sind, ebenso wie alles, was auf dem Land fährt (Panzerfahrzeuge, Artillerie, Pionierfahrzeuge, leichte Geländewagen, Lastwagen). Der Verbrennungsmotor und sein Kraftstoff sind so effizient und flexibel, dass es selbstmörderisch wäre, sie zu ersetzen.”[9]

Malm ist fest davon überzeugt, dass es innerhalb des Kapitalismus eine Lösung für die Klimakrise gibt, und schlägt ein zehn Punkte umfassendes „Programm für den ökologischen Wandel” vor: „1. Ein Moratorium für alle neuen Anlagen zur Gewinnung von Kohle, Erdöl oder Erdgas verhängen. 2. Alle mit diesen Brennstoffen betriebenen Kraftwerke schließen. 3. 100 % des Stroms aus nicht fossilen Quellen erzeugen, hauptsächlich aus Wind- und Sonnenenergie. 4. Die Entwicklung des Luft-, See- und Landverkehrs beenden; Umstellung des Land- und Seeverkehrs auf Strom und Windenergie; Rationierung des Luftverkehrs, um eine gerechte Verteilung zu gewährleisten, bis er vollständig durch andere Verkehrsmittel ersetzt werden kann. 5. Ausbau der öffentlichen Verkehrsnetze auf allen Ebenen, von U-Bahnen bis zu interkontinentalen Hochgeschwindigkeitszügen. 6. Den Transport von Lebensmitteln per Schiff und Flugzeug einschränken und systematisch lokale Lieferungen fördern. 7. Die Zerstörung der Regenwälder beenden und groß angelegte Wiederaufforstungsprogramme starten. 8. Alte Gebäude isolieren und vorschreiben, dass neue Gebäude ihre eigene Energie ohne Kohlendioxidemissionen produzieren. 9. Die Fleischindustrie abbauen und den Proteinbedarf der Menschen auf pflanzliche Quellen umstellen. 10. Öffentliche Investitionen in die Entwicklung der effizientesten Technologien für erneuerbare und nachhaltige Energien sowie in Technologien zur Kohlendioxidentfernung lenken.”[10]

Alles, was Malm dreist als das Äquivalent zu Marx' Kommunistischem Manifest präsentiert, das dessen Nachfolge antreten soll, unterscheidet sich in keiner Weise von dem, was westliche Regierungen (in Worten) vertreten und angeblich umsetzen wollen!

Malm stellt sich damit lediglich als Verteidiger (aber Achtung, als „kritischer“ Verteidiger!) der von den westlichen Staaten ergriffenen Maßnahmen zur Dekarbonisierung dar. Damit folgt er dem Beispiel des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), der bereits vor einem Jahrzehnt[11] eine neue Phase in der Politik zur Bekämpfung der globalen Erwärmung eingeleitet hat, indem er den Einsatz von Geoengineering[12] als nun unvermeidlich darstellte. Für den IPCC, den bürgerlichen Staat und die Regierungen geht es nun darum, sich auf Hochtechnologie zu stützen und durch „Innovationen” die katastrophalen Auswirkungen des Kapitalismus und seiner Widersprüche auf die Natur zu „kompensieren”.[13] „Andreas Malm kritisiert zwar das Geoengineering, verwirft es aber nicht vollständig, da er der Ansicht ist, dass es schwierig sein wird, auf bestimmte Instrumente zur Kohlenstoffabscheidung zu verzichten”[14] (d. h. „emissionsnegative Technologien” – „ein Euphemismus für Geoengineering-Techniken zur Beseitigung von Kohlendioxid, ohne die Bevölkerung zu verängstigen”[15]). In Erwartung „besserer Lösungen” (und das könnte eine Weile dauern) unterstützt der Notfallmediziner Malm die „vorhandenen Mittel”, den zunehmenden Einsatz der Zaubertränke des bürgerlichen Staates und seiner Dr. Strangeloves, um „den Planeten zu heilen“ - Zaubertränke, die die Situation jedoch nur exponentiell verschlimmern, anstatt sie zu entschärfen, und neue Katastrophen mit zunehmend unvorhersehbaren und zerstörerischen Folgen für die Menschheit, die Arbeiterklasse und die Grundlage der Gesellschaft, die natürliche Umwelt, hervorrufen.

Für Malm ist der Notstand ein Grund, den kapitalistischen Staat und den Staatskapitalismus zu verteidigen

Da die Erderwärmung so dringend sei und man sich nicht mehr auf die Fähigkeit des Proletariats verlassen könne, sich mit revolutionären Organen auszustatten, um die kapitalistische Ordnung in Frage zu stellen, muss man laut Malm mit dem vorliebnehmen, was man zur Verfügung hat, um das Feuer zu löschen. Als entschiedener Gegner des Kommunismus bilden für ihn der kapitalistische Staat, staatliche Entscheidungen und politisches Handeln auf staatlicher Ebene das A und O seiner politischen Vision und begrenzen seinen Horizont. Seiner Meinung nach muss man, sofern man nicht „eine ebenso wahnwitzige wie kriminelle Verantwortungslosigkeit“ an den Tag legt, die „ Notwendigkeit“ anerkennen, „das klassische Programm der Zerschlagung des Staates aufzugeben (...) – ein Aspekt des Leninismus unter vielen anderen, die einen Nachruf wohl verdient haben“[16] und sich auf das einzige noch verfügbare Instrument zu konzentrieren, den bürgerlichen Staat.[17] Der „Lenin der Ökologie” lehnt einen der wichtigsten Beiträge Lenins zur revolutionären Bewegung ab und gibt ihn auf: die Wiederherstellung und Klärung der marxistischen Position zum Staat. Man kann den Marxismus kaum deutlicher in Frage stellen und aufgeben!

Er kritisiert dieses „sehr unvollkommene Instrument” und meint, dass „es so gut wie keine Chance gibt, dass ein kapitalistischer Staat von sich aus etwas unternimmt. Er müsste dazu gezwungen werden, indem wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel des Volksdrucks einsetzen, von Wahlkampagnen bis hin zu Massensabotage.”[18] „Denn wenn ein Staat die Kontrolle über die Handelsströme übernehmen, Wildtierhändler verfolgen, fossile Brennstoffunternehmen verstaatlichen, die Abscheidung [von CO2] aus der Luft organisieren und die Wirtschaft so planen könnte, dass die Emissionen um etwa zehn Prozent pro Jahr gesenkt werden, sowie all die anderen notwendigen Maßnahmen ergreifen würde, wären wir auf dem besten Weg, aus der Notlage herauszukommen.”[19]

Er fordert, dass „der Druck der Bevölkerung auf ihn [den Staat] ausgeübt wird, [dass man die] Machtverhältnisse, die er verdichtet, verändert und die Apparate dazu zwingt, sich aus dem Gespann zu lösen und sich zu bewegen, indem sie alle bereits kurz erwähnten Methoden anwenden.”[20] „(...) es bedarf staatlicher Entscheidungen und Dekrete – oder anders gesagt, der Staat muss aus den Händen aller Tillerson und Fridolin dieser Welt gerissen werden, damit ein Übergangsprogramm wie das oben skizzierte umgesetzt werden kann.”[21] Es geht also darum, „jede Gelegenheit zu nutzen, um den Staat in diese Richtung zu bewegen, so deutlich wie nötig mit dem Business-as-usual zu brechen und die Wirtschaftszweige, die zur Katastrophe beitragen, der öffentlichen Kontrolle zu unterwerfen.”[22]

Malm verschleiert die Unmöglichkeit und völlige Unfähigkeit des kapitalistischen Systems als Ganzes, eine Lösung für die ökologische Frage zu finden, indem er diese Ohnmacht als ein Problem der Trägheit des Staates darstellt, der von den egoistischen Interessen der Barone des fossilen Energiesektors als Geisel genommen werde.

Was er vorschlägt, ist, die Mechanismen des demokratischen bürgerlichen Staates voll auszuschöpfen und sie mit einer guten Portion „zivilem Ungehorsam“ für die gute Sache zu untermauern: Malm leistet seinen Beitrag zu den Versuchen aller westlichen Staaten, die zunehmend abstentionistisch gestimmten Massen wieder zum Stimmzettel und an die Wahlurnen zu bringen. Und so nährt er die Illusionen über die bürgerliche Demokratie, indem er alle, die sich um die Zukunft des Planeten sorgen, auffordert, jene zum Rahmen ihres Handelns zu machen!

Gleichzeitig vertritt Malm die Auffassung, dass staatlicher Zwang „notwendig und dringend“ sei, um die Ursachen der chronischen Notlage zu bekämpfen, und fordert „eine neue Hierarchisierung der Aufgaben für die Repressionsapparate der Staaten weltweit“.[23] Um die Notwendigkeit von Gewalt und einer aktiveren Repression seitens des Staates im ökologischen Bereich zu rechtfertigen und zu legitimieren, nimmt er die drastischen Maßnahmen der staatlichen Kontrolle und Militarisierung weiter Teile der Gesellschaft als Vorbild und Inspirationsquelle, die der sowjetische Staat während des Kriegskommunismus in Russland von 1918 bis 1921 angesichts imperialistischer Militärinterventionen, Bürgerkrieg und Hungersnot ergriffen hatte. In diesem Zusammenhang erinnert Malm an die enormen Opfer, die die russischen Arbeiter und Bauern gebracht haben, um heute die Forderung nach „einer Form der notwendigen Entsagung” zu rechtfertigen und zu vertreten, es sei unmöglich, „einem Verbot des Verzehrs von Wildtieren, der Einstellung des Massenflugverkehrs und der schrittweisen Aufgabe des Fleischkonsums und anderer Dinge, die für ein schönes Leben stehen, auszuweichen”.[24] Ein Thema, das letztlich im Einklang mit den bürgerlichen Kampagnen steht, die unter dem Vorwand des Schutzes des Planeten „Nüchternheit” predigen, um Angriffe auf die Lebensbedingungen der ausgebeuteten Klasse durchzusetzen, die durch die Wirtschaftskrise unumgänglich geworden sind.

Im Namen des Schutzes des Planeten müssen ihm zufolge die Ausgebeuteten als Bürger handeln, sich den Anforderungen fügen und sich den Interessen des großen Dirigenten unterwerfen, der in Malms Kopf der Staat im Kampf gegen die globale Erwärmung ist.

Mit einem Koffer voller kapitalistischer Staatsmaßnahmen unter dem Arm wirbt Malm für sein schlüsselfertiges Programm für den bürgerlichen Staat. „Die Forderung nach der Verstaatlichung der fossilen Brennstoffunternehmen und ihrer Umwandlung in Anlagen zur direkten Abscheidung aus der Luft sollte die zentrale Forderung für den Übergang in den kommenden Jahren sein.”[25] „Das beginnt mit der Verstaatlichung aller privaten Unternehmen, die fossile Brennstoffe fördern, verarbeiten und vertreiben. Die wilde Meute aus ExxonMobil, BP, Shell, RWE, Lundin Energy und all den anderen muss gezähmt werden, und der sicherste Weg, dies zu erreichen, ist, diese Unternehmen wieder in den öffentlichen Sektor zu überführen, entweder durch Aufkauf oder durch entschädigungslose Enteignung – was vertretbarer erscheint.”[26]

„Sie müssen verstaatlicht werden (...), nicht nur, um diese Unternehmen loszuwerden (...), sondern um sie in Unternehmen umzuwandeln, die einen Dienst zur Beseitigung von Kohlenstoff leisten. Sie müssen zu einem öffentlichen Dienst zur Stabilisierung des Klimas werden.”[27]

So stellt sich Malm offen als Verwalter des Staates und des Kapitals dar und will uns glauben machen, dass der bürgerliche Staat in den Händen entschlossener politischer Kräfte den Kapitalismus zwingen könne, die Lösung des Ausstiegs aus fossilen Energien umzusetzen!

Um „seiner Lösung“ Glaubwürdigkeit zu verleihen, entwickelt Malm eine völlig mystifizierende Vision vom Wesen des bürgerlichen Staates, der über den Klassen stehe, als Schiedsrichter des Allgemeinwohls und des Wohlergehens aller fungiere und zum Wohle der gesamten Gesellschaft handeln könne/müsse; ein alter Refrain der bürgerlichen Ideologie, der seit Jahrzehnten insbesondere von den politischen Kräften der kapitalistischen Linken (von den Sozialdemokraten über die Stalinisten bis hin zu den Trotzkisten) wiederholt wird.

Entgegen der stillschweigenden Voraussetzung Malms ist der Staat weder „neutral” noch der Ort, an dem die ausgebeutete Klasse ihren Willen ausüben und durchsetzen könnte. Im Gegenteil! Als Ausdruck einer in antagonistische Klassen gespaltenen Gesellschaft ist der Staat das ausschließliche Instrument der herrschenden Klasse, um ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten und ihre Klasseninteressen zu sichern. Er ist per Definition das Werkzeug zur Verteidigung ihres Systems, mit dem sie die Logik ihres Systems durchsetzt.

Der Staat ist auch kein Organ zur „Rationalisierung” oder „Regulierung” der Widersprüche des Kapitalismus, für die er eine „Lösung” bieten könnte.

Die allgegenwärtige und seit mehr als einem Jahrhundert zunehmende Kontrolle des Staates über das gesamte gesellschaftliche Leben entspricht nicht der Umsetzung tragfähiger Lösungen für die Widersprüche seines Systems (auf sozialer, wirtschaftlicher und imperialistischer Ebene), die durch seinen Niedergang noch verschärft werden.

Die ausufernde Entwicklung des Staates ist vielmehr Ausdruck der Widersprüche und der Unfähigkeit der bürgerlichen Welt, diese zu überwinden, sowie der Sackgasse, in der sie sich historisch befindet.

In der gegenwärtigen historischen Situation, nach mehr als einem Jahrhundert des Niedergangs des Kapitalismus, führt die Anhäufung der Widersprüche, die der Existenz des kapitalistischen Systems zugrunde liegen, und ihrer Auswirkungen dazu, dass die herrschende Klasse zunehmend die Kontrolle über ihr System verliert, das zerfällt und vor sich hin fault. Der Staat bremst diese Tendenz keineswegs, sondern erweist sich selbst immer offener als Träger der destruktiven Irrationalität, die das gesamte kapitalistische System prägt und beherrscht. Der Staat und sein Handeln werden selbst zu einem immer offensichtlicher werdenden Faktor, der die historische Krise des kapitalistischen Systems in der Endphase seiner Existenz, der Phase seines Zerfalls, verschärft.

Es ist also nichts zu erwarten von der Möglichkeit, auf staatlicher Ebene zu handeln, und jede Illusion in dieser Hinsicht muss entschieden zurückgewiesen werden.

In diesem Zusammenhang fordert Malm uns jedoch auf, unter den verschiedenen Teilen, aus denen sich der Staatsapparat zusammensetzt, einige herauszugreifen, die empfehlenswerter seien als andere, und macht der Linken des Kapitals (ein Klassiker bei den Trotzkisten!) Avancen, die (kritisch!) als progressive Verbündete dargestellt werden[28]: „Das bedeutet nicht, dass die sozialdemokratischen Formationen keine Rolle zu spielen hätten. Im Gegenteil, sie sind vielleicht unsere größte Hoffnung, wie wir in den letzten Jahren gesehen haben. Nichts wäre besser für den Planeten gewesen als ein Sieg von Jeremy Corbin im Vereinigten Königreich 2019 und von Bernie Sanders in den Vereinigten Staaten 2020. Hätten sie es geschafft, an die Spitze der beiden traditionellen Bastionen des Kapitalismus zu gelangen, hätte es echte Chancen gegeben, die aktuelle Krise und die sich anbahnenden Krisen zu nutzen, um mit dem Business-as-usual zu brechen.”[29] – No comment! Auch hier wieder eine weitere Täuschung, die Malm verbreitet, um das Bewusstsein der Arbeiterklasse über die wahre Natur dieser bürgerlichen Parteien zu vernebeln und die Bevölkerung und die Arbeiterklasse für die sozialistischen oder sozialdemokratischen Parteien (die ihre arbeiterfeindliche Natur wiederholt unter Beweis gestellt haben) zurück zu gewinnen. Eine weitere Lüge, die verschleiern soll, dass in unserer Zeit alle bürgerlichen Parteien gleichermaßen reaktionär sind und dass man von keiner mehr erwarten kann als von der anderen!

In Fragen des Staates und seiner linken Kräfte muss man Malm zumindest „das Verdienst“ der Klarheit zugestehen: Er enthüllt unverblümt die grundlegende Logik, die der gesamten trotzkistischen Strömung gemeinsam ist: die Verteidigung des Staatskapitalismus!

Malms politische Konstruktionen sind ein integraler Bestandteil der ideologischen Kampagnen der herrschenden Klasse, die direkt ihren Interessen dienen. Sie sollen ihnen die radikale, angeblich antikapitalistische Verpackung liefern, die sie brauchen, um den Beginn einer Reflexion über die Verantwortung des Kapitalismus für die ökologische Katastrophe zu sterilisieren und sie auf das Terrain des Staates und der bürgerlichen Demokratie abzulenken! Damit hat Malm seine Auszeichnung mit dem „Lenin-Orden“ für Ökologie redlich verdient:

- Malms „Theorien” setzen die seit 1989 geführte Kampagne gegen den Kommunismus fort, diesmal im Namen des Realismus angesichts der Klimakrise, die aufgrund ihrer Dringlichkeit die Lage verändere und den Kampf für den Kommunismus unwirksam mache.

- Indem er leugnet, dass die Lösung der Klimakrise die Zerstörung des bürgerlichen Staates, der von ihm garantierten kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse und die Ersetzung des kapitalistischen Systems durch eine klassenlose Gesellschaft erfordert, verändert das Wort Revolution in Malms Mund seine Bedeutung und bedeutet nur noch die Anpassung und Verwaltung des kapitalistischen Systems.

- Ob es sich nun um die von Malm befürworteten Mittel handelt – die Förderung von zivilem Ungehorsam und individuellen oder massenhaften Sabotageaktionen gegen große Treibhausgasemittenten (Reifen von SUVs der Reichsten plattmachen, einen Privatjet-Flughafen oder eine Zementfabrik ins Visier nehmen ...) – oder um deren Ziel: Druck auf den kapitalistischen Staat auszuüben, damit er endlich die richtigen Entscheidungen trifft, – sie dienen alle in Wirklichkeit nur dazu, diejenigen, die sich von dieser Rhetorik verführen lassen könnten, innerhalb der Grenzen der kapitalistischen Ordnung zu halten. Indem sie die sozialen Ausbeutungsverhältnisse der kapitalistischen Ordnung, die die Wurzel des Übels sind, das die Gesellschaft heimsucht, intakt lassen und bewahren, ist dies für die herrschende Klasse nur von Vorteil: Es handelt sich lediglich um sterile Sackgassen, die den Status quo und die Ohnmacht garantieren.

Im nächsten Teil dieses Artikels werden wir uns damit befassen, warum soziale und ökologische Fragen nur gemeinsam gelöst werden können und dass nur das Proletariat die Lösung dafür bereithält.

Scott, 03.07.2024

 

[1] Seit den 1990er Jahren engagiert sich Andreas Malm «nachhaltig im Kampf gegen die Kolonialisierung Palästinas, gegen Islamfeindlichkeit in Europa und gegen den „amerikanischen Imperialismus“ (…). Von 2002 bis 2009 schreibt er für die Zeitung einer schwedischen Gewerkschaft, Arbetaren. Seit 2010 schreibt er für die Zeitung Internationalen, die Wochenzeitung der trotzkistischen Partei, der Sozialistischen Partei Schwedens, die Teil der Vierten Internationale – Vereinigtes Sekretariat ist und deren Mitglied er ist. Er arbeitet für das radikal-linke amerikanische Magazin Jacobin. Er ist einer derjenigen, die sich in Schweden von Anfang an am International Solidarity Movement beteiligt haben. Er beteiligt sich an Gruppen des zivilen Ungehorsams gegen den Klimawandel.» (Wikipedia)

[2] Le Monde, 21. April 2023

[3] Malm wurde einem dem Dekret des französischen Staates zur versuchten Auflösung der Bewegung „Soulèvements de la Terre” als deren wichtigste Inspirationsquelle genannt, da er „direkte Aktionen befürwortet und extreme Maßnahmen bis hin zur Konfrontation mit den Ordnungskräften rechtfertigt”.

[4] Andreas Malm, Fossil Capital, The Rise of Steam Power and the Roots of Global Warming, Edition Verso, 2016, S. 383

[5] Andreas Malm, La Chauve-souris et le Capital, Editions La Fabrique, 2020, S. 158

[6] Hélène Torjman, La croissance verte contre la nature, Editions la Découverte, 2021, S. 247

[7] Socialalter Nr. 59 „Sabotage: Aufstehen und zerstören?“ (August-September 2023) In diesem Interview geht Malm auf die Kritik ein, die ihm der Guardian-Journalist George Monbiot entgegenbringt.

[8] Angesichts des aktuellen imperialistischen Krieges im Nahen Osten und der zentralen Frage des Internationalismus bekennt sich Malm zum Kapitalismus, indem er sich für die Verteidigung einer bürgerlichen Seite (zugunsten des palästinensischen Imperialismus) gegen eine andere entscheidet: „Während einer Konferenz an der Universität Stockholm im Dezember 2023 lobt Andreas Malm die Massaker und Gräueltaten, die die Hamas während ihres Angriffs auf Israel am 7. Oktober 2023 begangen hat.“ (Wikipedia) Malm „sieht hinter diesem Angriff den „palästinensischen Widerstand’“, behauptet sogar, dass es sich „’im Grunde genommen um einen Akt der Befreiung’ handelt (...) und gab bekannt, dass er sich über die Vergeltungsmaßnahmen der Hamas freue. ‘Ich konsumiere diese Videos wie eine Droge. Ich spritze sie mir in die Adern. Ich teile sie mit meinen engsten Freunden’, erklärte er.“ (Journal du Dimanche, 10.04.2024) Diese widerliche Unterstützung der Gräueltaten der Hamas zeigt, wie sehr er nicht nur den Interessen des Proletariats fremd ist, sondern auch dessen Feind.

[9] Konflikte Nr. 42

[10] Andreas Malm, L’anthropocène contre l’histoire, Editions La Fabrique, 2017, S. 203

[11] In seinem fünften Bericht aus dem Jahr 2014.

[12] Geoengineering umfasst alle Techniken, die darauf abzielen, das Klima und die Umwelt der Erde zu manipulieren und zu verändern.

[13] Der uneingeschränkte Einsatz neuer Technologien wird von den klarsichtigsten Wissenschaftler:innen als gefährliche und beunruhigende Sackgasse angesehen: „(...) Dieses Modell basiert auf derselben Vision und denselben sozioökonomischen Strukturen, die Ende des 18. Jahrhunderts geschaffen wurden, nämlich denen eines industriellen Kapitalismus, der von einem rasenden Streben nach Ressourcen und Rendite geprägt ist und in dem der technische Fortschritt das Mittel zum Zweck ist. Diese Produktionsweise hat uns dahin gebracht, wo wir heute stehen. Es ist daher sinnlos, von ihr Lösungen für die fortschreitende Zerstörung der Natur zu erwarten. Im Gegenteil (...) die Instrumentalisierung des Lebens und der Lebensprozesse vertieft sich, verfeinert sich und dehnt sich auf neue Bereiche aus, unterstützt durch die Macht der wissenschaftlichen und technischen Werkzeuge in einer perversen und kontraproduktiven Dynamik. Die industrielle Landwirtschaft verschmutzt Luft, Böden und Wasser, zerstört die Bauernschaft und die Ökosysteme und dient nicht mehr der Ernährung der Menschen, sondern der Herstellung von Benzin und Chemikalien. Was tun wir dagegen? Wir beschleunigen den Prozess und setzen alles daran, die Produktivität und den Ertrag der Kultur durch genetische Manipulation der Pflanzen zu steigern (...) Die Gewinnung und Nutzung fossiler Energien verursacht Treibhausgasemissionen: Wir produzieren Agrotreibstoffe, die letztendlich noch mehr Emissionen verursachen. (...) Die Klimakrise ist so dringend, dass Verfahren zur „Kohlenstoffabscheidung und -speicherung” entwickelt werden: Diese Verfahren sind nicht nur extrem energieintensiv und verursachen daher hohe CO2-Emissionen, sondern sie schwächen auch die Erdkruste, was eine seltsame Art ist, den Planeten zu retten. Kurz gesagt, das Streben nach Effizienz wendet sich gegen sich selbst.” (Hélène Torjman, La croissance verte contre la nature, Editions la Découverte, 2021, S. 98-99)

[14] Le Monde, 21. April 2023

[15] Hélène Torjman, La croissance verte contre la nature, Editions la Découverte, 2021, S. 97

[16] Andreas Malm, La Chauve-souris et le Capital, Editions La Fabrique, 2020, S. 173

[17] „Aber welcher Staat? Wir haben gerade festgestellt, dass der kapitalistische Staat von Natur aus unfähig ist, diese Maßnahmen zu ergreifen. Und doch gibt es keine anderen Staatsformen. Kein auf Sowjets basierender Arbeiterstaat wird auf wundersame Weise über Nacht entstehen. Keine Doppelherrschaft der demokratischen Organe des Proletariats scheint in naher Zukunft oder überhaupt jemals zu verwirklichen zu sein. Auf eine andere Staatsform zu warten, wäre ebenso wahnsinnig wie kriminell, und so müssen wir uns alle mit dem düsteren bürgerlichen Staat abfinden, der wie immer an die Kreisläufe des Kapitals gekoppelt ist.“ Andreas Malm, La Chauve-souris et le Capital, Editions La Fabrique, 2020, S. 173

[18] Andreas Malm, La Chauve-souris et le Capital, Editions La Fabrique, 2020, S. 166

[19] Andreas Malm, La Chauve-souris et le Capital, Editions La Fabrique, 2020, S. 192

[20] Andreas Malm, La Chauve-souris et le Capital, Editions La Fabrique, 2020, S. 172

[21] Andreas Malm, L’anthropocène contre l’histoire, Editions La Fabrique, 2017, S. 210

[22] Andreas Malm, La Chauve-souris et le Capital, Editions La Fabrique, 2020, S. 172

[23] Andreas Malm, La Chauve-souris et le Capital, Editions La Fabrique, 2020, S. 153–154

[24] Andreas Malm, La Chauve-souris et le Capital, Editions La Fabrique, 2020, S. 188

[25] Andreas Malm, La Chauve-souris et le Capital, Editions La Fabrique, 2020, S. 163

[26] Andreas Malm, La Chauve-souris et le Capital, Editions La Fabrique, 2020, S. 158

[27] Andreas Malm, La Chauve-souris et le Capital, Editions La Fabrique, 2020, S. 163

[28] Linke Parteien, mit denen Malm direkt zusammenarbeitet, wie z. B. in Frankreich das Institut La Boétie, der Think Tank von La France Insoumise. Ein weiterer Beweis für seine Zugehörigkeit zum bürgerlichen Lager!

[29] Andreas Malm, La Chauve-souris et le Capital, Editions La Fabrique, 2020, S. 137

 

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Marxismus und Ökologie

Bericht über den Klassenkampf (Mai 2025)

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Im Folgenden veröffentlichen wir den Bericht über den Klassenkampf, der auf dem 26. Kongress der IKS vorgestellt wurde. Dieses Dokument, das im Dezember 2024 verfasst wurde, berücksichtigt nicht die Ereignisse des Jahres 2025 (Trumps Rückkehr ins Weiße Haus, massive Arbeitskämpfe und Mobilisierungen in Belgien usw.), aber die Gültigkeit der dargelegten Perspektiven bleibt bestehen. Dieser Bericht entwickelt wichtige Elemente der Analyse dessen, was die IKS als „Bruch“ in der Dynamik des Klassenkampfs bezeichnet, und der Auswirkungen des kapitalistischen Zerfalls auf die Arbeiterklasse.

Die auf dem 25. Internationalen Kongress verabschiedete Resolution zur internationalen Lage analysiert die Dynamik des Klassenkampfs wie folgt: „Die Wiederbelebung der Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse in einer Reihe von Ländern ist ein bedeutendes historisches Ereignis, das nicht allein auf lokale Umstände zurückzuführen ist und nicht durch rein nationale Bedingungen erklärt werden kann. Angetrieben von einer neuen Generation von Arbeiterinnen und Arbeitern zeugen das Ausmaß und die Gleichzeitigkeit dieser Bewegungen von einer echten Veränderung der Stimmung in der Klasse und brechen mit der Passivität und Orientierungslosigkeit, die seit Ende der 1980er Jahre bis heute vorherrschte.“ Der „Sommer der Unzufriedenheit“ in Großbritannien 2022, die Bewegung gegen die Rentenreform in Frankreich im Winter 2023 und die Streiks in den USA, insbesondere in der Automobilindustrie, Ende des Sommers 2023 bleiben die spektakulärsten Ausdrücke der historischen und internationalen Dimension der Entwicklung der Klassenkämpfe. Die fast siebenwöchigen Streiks der Boeing-Beschäftigten und der beispiellose Streik von 45.000 Hafenarbeitern in den USA mitten im Präsidentschaftswahlkampf sind die jüngsten Episoden in der realen Zäsur der Dynamik des Klassenkampfs im Vergleich zur Situation in den vergangenen Jahrzehnten. Darüber hinaus bereitet sich die Arbeiterklasse der großen Wirtschaftsmächte, während wir die ersten Zeilen dieses Berichts schreiben, auf beispiellose Angriffe infolge der sich beschleunigenden Wirtschaftskrise vor, die in den kommenden Monaten heftige Reaktionen der Klasse hervorrufen werden. Aber diese Bewegung erneuter Kampfbereitschaft und der Entwicklung einer unterirdischen Reifung des Klassenbewusstseins findet in einem Kontext zunehmenden Zerfalls statt, in dem die gleichzeitigen Auswirkungen der Wirtschaftskrise, des Kriegschaos und der ökologischen Katastrophe eine höllische Spirale der Zerstörung entfachen. Trumps Rückkehr ins Weiße Haus, die einen realen Machtanstieg der populistischen Strömung in der amerikanischen Gesellschaft bedeutet, wird ein zusätzliches schweres Hindernis darstellen, mit dem die Klassenkämpfe nicht nur in den USA, sondern auch auf internationaler Ebene konfrontiert sein wird. Ziel dieses Berichts ist es, eine Grundlage für Überlegungen zu schaffen, die es der IKS ermöglichen, ihr Verständnis der aktuellen Dynamik des Klassenkampfs und ihrer historischen Auswirkungen zu vertiefen. Aber auch, die Hindernisse, denen das Proletariat gegenübersteht, genauer zu bewerten, insbesondere die Auswirkungen und ideologischen Erscheinungsformen des kapitalistischen Zerfalls.

1. Die Realität eines Bruchs in der Dynamik des Klassenkampfs

Die Analyse des Bruchs in der Dynamik des Klassenkampfs seit dem Sommer 2022 wurde im Proletarischen Politischen Milieu mit Skepsis und sogar Sarkasmus aufgenommen, insbesondere von den historischen Organisationen der Kommunistischen Linken wie der Internationalistischen Kommunistischen Tendenz (ICT) und den „bordigistischen“ Gruppen. Auch auf den öffentlichen Versammlungen der IKS wurden Zweifel und Meinungsverschiedenheiten geäußert, darunter auch von Weggefährten, die mit der Methode und dem Analyserahmen der IKS vertraut sind. Diese Situation wurde von parasitären Kreisen[1] wie Controverses ausgenutzt, die unsere früheren analytischen Fehler schnell aufgriffen, um unsere aktuelle Analyse zu verspotten („Ihr habt den Klassenkampf in der Vergangenheit überschätzt, was ist jetzt anders?“)

a. Verteidigung der marxistischen Analysemethode

Diese Reaktionen auf unsere Analyse waren in Wirklichkeit Ausdruck einer rein empiristischen und immediatistischen Herangehensweise. Wenn die IKS hingegen sehr schnell eine tiefgreifende Veränderung in der Reihe der Streiks der britischen Arbeiterklasse erkennen konnte, dann deshalb, weil wir auf unsere Erfahrungen zurückgreifen konnten, insbesondere auf die Methode, die es Marc Chirik ermöglicht hatte, die Bewegung vom Mai 1968 nicht als lediglich momentane Reaktion der Arbeiterklasse in Frankreich zu begreifen, sondern als Ausdruck einer historischen und internationalen Bewegung, während die historischen Gruppen der Kommunistischen Linken ihre Bedeutung völlig verfehlten.

Infolgedessen ist die IKS heute wie Ende der 1960er Jahre die einzige Organisation, welche die historisch bedeutsame internationale Dynamik der Entwicklung der Arbeiterkämpfe seit 2022 versteht. Dies ist das Ergebnis eines Verständnisses:

- des Analyserahmens für den Niedergang des Kapitalismus und das Entstehen der Konterrevolution seit Ende der 1960er Jahre, im Gegensatz zur „bordigistischen“ Strömung oder der von der ICT vertretenen Analyse des Weges in einen dritten generalisierten Krieges (also eines dritten Weltkrieges), die eine politisch besiegte Arbeiterklasse impliziert;

- dass die Verschärfung der Wirtschaftskrise auf weltweiter Ebene den fruchtbarsten Boden für die Entwicklung der Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse auf internationaler Ebene bildet;

- dass die Entwicklung und das Ausmaß dieser Kampfbereitschaft seit dem Sommer 2022 in Großbritannien, die seit den 1980er Jahren beispiellos ist und sich im ältesten Proletariat der Geschichte vollzieht, zwangsläufig von historischer und internationaler Bedeutung sind;

- dass dieser Bewusstseinswandel innerhalb der Klasse das Ergebnis der Entwicklung einer seit Beginn der 2000er Jahre stattfindenden unterirdischen Bewusstseinsreifung innerhalb der Klasse ist;

- dass der Bruch nicht auf das Ausmaß und die Vervielfachung der Kämpfe in der ganzen Welt beschränkt ist, sondern mit der Entwicklung einer Reflexion auf internationaler Ebene in den verschiedenen Schichten der Arbeiterklasse und insbesondere mit einer tiefgreifenden Reflexion innerhalb politisierter Minderheiten einhergeht;

- dass diese Dynamik langfristig ist und daher das Potenzial für die Wiederherstellung der Klassenidentität und der Politisierung der Kämpfe birgt (unverzichtbare Meilensteine, wenn die Arbeiterklasse in der Lage sein soll, dem bürgerlichen Staat direkt entgegenzutreten), nachdem das Bewusstsein innerhalb der Klasse jahrzehntelang im Niedergang begriffen war.

Hierin liegt die Stärke der von der Kommunistischen Linken übernommenen marxistischen Methode. Die Fähigkeit, die großen Veränderungen in der Dynamik der kapitalistischen Gesellschaft zu erkennen, lange bevor sie zu offensichtlich werden, um noch geleugnet werden zu können.

b. Die Notwendigkeit, die Verwirrungen in dieser Frage zu überwinden

Es ist jedoch von entscheidender Bedeutung, die Konsequenzen und Implikationen unserer Analyse vollständig zu begreifen und gegen oberflächliche Ansätze zu kämpfen, die sich daraus ergeben können. Zu den wichtigsten gehören:

- die Tendenz, den Bruch auf das Ausmaß der Kampfbereitschaft und die Entwicklung der Kämpfe zu reduzieren und dabei den Prozess der unterirdischen Reifung des Klassenbewusstseins zu vernachlässigen;

- die Unterstellung, dass die Entwicklung der Kämpfe die Arbeiterklasse in die Lage versetzen kann, den Auswirkungen des kapitalistischen Zerfalls entgegenzuwirken, oder dass der Populismus die Fähigkeit des bürgerlichen Staates schwächt, mit der Reaktion der Arbeiterklasse umzugehen;

- eine Tendenz, den Strudel-Effekt und den Bruch im Klassenkampf als zwei parallele Dimensionen zu betrachten, die voneinander abgekoppelt sind.

Grundsätzlich drücken diese Schwankungen eine Schwierigkeit aus, die Dynamik des Klassenkampfs im historischen Kontext des kapitalistischen Zerfalls zu analysieren. Die wesentlichen Gründe dafür sind:

- eine allgemeine Tendenz, die negativen Auswirkungen der Phase des kapitalistischen Zerfalls auf den Klassenkampf zu unterschätzen;

- eine Schwierigkeit, die mittlerweile unzureichende Natur des Konzepts des historischen Kurses zu verinnerlichen. Dies trägt insbesondere dazu bei, das Prisma zu verzerren, durch das der Klassenkampf betrachtet wird:“1989 markiert einen grundlegenden Wandel in der allgemeinen Dynamik der kapitalistischen Gesellschaft in der Phase der Dekadenz.

Vor diesem Datum war das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen der bestimmende Faktor dieser Dynamik. Von diesem Kräfteverhältnis hing der Ausgang der Verschärfung der Widersprüche im Kapitalismus ab: entweder die Entfesselung des Weltkriegs oder die Entwicklung des Klassenkampfes, mit der Perspektive der Überwindung des Kapitalismus.

Nach 1989 war diese allgemeine Dynamik der kapitalistischen Dekadenz nicht mehr direkt durch das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen bestimmt. Wie auch immer dieses Kräfteverhältnis aussehen mag, der Weltkrieg steht nicht mehr auf der Tagesordnung, aber der Kapitalismus wird weiterhin im Zerfall versinken, da der gesellschaftliche Zerfall dazu neigt, der Kontrolle der sich gegenüberstehenden Klassen zu entgleiten.“[2]

Folglich passt die Analyse zweier gegensätzlicher und widersprüchlicher Pole, die sich gleichzeitig entwickeln, in den oben dargelegten Rahmen. Diese beiden scheinbar parallelen Dimensionen der Situation sind jedoch miteinander verflochten. In einer Welt, die von Egoismus, sozialer Atomisierung, irrationalem Denken, Nihilismus, einem Kampf aller gegen alle, Krieg und Umweltchaos sowie der zunehmend inkohärenten und destruktiven Politik der nationalen Bourgeoisien geprägt ist, ist die Arbeiterklasse gezwungen, ihren Kampf zu entwickeln und ihr Denken und Bewusstsein reifen zu lassen. Folglich ist, wie wir oft wiederholt haben, die Periode des kapitalistischen Zerfalls keine Notwendigkeit für den Weg zur Revolution und noch weniger ein Vorteil für die Arbeiterklasse[3]. Die erheblichen Gefahren, die der kapitalistische Zerfall für die Arbeiterklasse und die gesamte Menschheit mit sich bringt, dürfen jedoch nicht dazu führen, dass die Arbeiterklasse und ihre revolutionären Minderheiten eine fatalistische Haltung einnehmen und den Kampf aufgeben. Die historische Perspektive der proletarischen Revolution ist nach wie vor offen!

2. Kämpfe gegen wirtschaftliche Angriffe sind der Weg zur Wiedergewinnung der Klassenidentität

Die Auswirkungen der Krise werden unter den kumulativen Effekten von Inflation, Haushaltskürzungen[4], Entlassungsplänen[5] (die insbesondere durch die Einführung künstlicher Intelligenz in das Produktionssystem verschärft werden) und drastischen Lohnkürzungen die tiefsten und brutalsten der gesamten Dekadenzphase des Kapitalismus sein. Diese Situation bedeutet, dass die Bourgeoisie immer weniger Spielraum haben wird, um die Auswirkungen der Wirtschaftskrise wie in den vergangenen Jahrzehnten zu bewältigen, und dass die geplante Wirtschaftspolitik der Trump-Regierung nur zu einem weiteren Absturz in den weltweiten wirtschaftlichen Morast führen kann. Angesichts der zunehmenden Verarmung und der erheblichen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, unter denen die Arbeiterklasse infolge der verschärften Ausbeutung der Arbeitskraft leiden wird, werden die Bedingungen für einen Widerstand der Arbeiterklasse reifen. In dieser allgemeinen Situation müssen wir jedoch vor allem berücksichtigen, dass all diese Angriffe gleichzeitig die drei wichtigsten kapitalistischen Länder (USA, China, Deutschland) betreffen. Europa droht ein beispielloser Abbau der Autoindustrie, sicherlich in gleichem Ausmaß wie den der Kohle- und Stahlindustrie in den 1970er und 1980er Jahren. Wir müssen uns daher auf das Entstehen groß angelegter Arbeitskämpfe in den kommenden Jahren vorbereiten, insbesondere in den Hauptgebieten des Kapitalismus, und jetzt damit beginnen, die tiefgreifenden Auswirkungen dieser neuen Situation zu untersuchen.

Um nur einige Beispiele zu nennen: Das deutsche Proletariat, das bisher in der Nachhut der Klassenkämpfe stand, wird eine viel zentralere Rolle im Klassenkampf gegen das Kapital spielen müssen. In China wird die Explosion der Arbeitslosigkeit, insbesondere unter der jungen Generation (25 % der Bevölkerung), den Mythos eines modernen und prosperierenden China zunehmend untergraben und zu Reaktionen eines unerfahrenen Proletariats führen, das noch weitgehend von der maoistischen Doktrin, der ideologischen Waffe des Staatskapitalismus chinesischer Version, beeinflusst ist.

Ebenso hat das Ausmaß der Krise das Proletariat in Russland nicht verschont, das die Folgen der Kriegswirtschaft in vollem Umfang zu spüren bekommt. Dies lässt Reaktionen dieses Teils unserer Klasse erwarten, ohne jedoch die tiefen Schwächen zu übersehen, die durch die Konterrevolution nach der Niederschlagung der Russischen Revolution von 1917 verursacht und durch den Zerfall des Kapitalismus noch verschärft wurden.

Wir müssen auch den Klassenkampf im indopazifischen Raum genauer beobachten. Das Jahr 2024 war geprägt von Streiks in vielen Sektoren (Automobil, Bau, Bildung, ...) in mehreren Ländern der Region (Indien, China, Südkorea, Japan, Taiwan, Indonesien) gegen sinkende Löhne, Fabrikschließungen und sich verschlechternde Arbeitsbedingungen.

Wenn jedoch wirtschaftliche Angriffe tatsächlich den günstigsten Nährboden für die Entwicklung des Klassenkampfs bilden – nicht nur im unmittelbaren defensiven Sinne (ein entscheidendes Element für die Wiederherstellung der Klassenidentität), sondern auch für die Entstehung eines bewussten Verständnisses, dass die Produktionsweise als Ganzes völlig bankrott ist und einer neuen Gesellschaft weichen muss – müssen wir genauer einschätzen, welche Arten von Angriffen kurz- und langfristig am förderlichsten für die Entwicklung von Solidarität und Einheit innerhalb der Klasse sind.

Die Vielzahl der Angriffe, zum Beispiel Unternehmensschließungen und die damit einhergehenden Stellenstreichungen, führen derzeit in mehreren zentralen Ländern zu zahlreichen Arbeitskämpfen, die jedoch weitgehend isoliert bleiben und in eine Art Sackgasse führen. Für die Arbeiterklasse ist es sehr schwierig, gegen Fabrikschließungen zu kämpfen, wenn Streiks allein nicht ausreichen, um Druck auf das Kapital auszuüben, das bereits die Schließung von Unternehmen plant. Ein Beispiel dafür ist die Schwierigkeit der Beschäftigten in Port Talbot in Wales, einen Kampf gegen die Schließung dieses wichtigen Stahlwerks aufzubauen. Generell wird sich die IKS genauer mit den Auswirkungen der Massenarbeitslosigkeit auf die Entwicklung des proletarischen Bewusstseins befassen müssen. Was diese direkte Folge der Wirtschaftskrise angeht: „Auch wenn die Arbeitslosigkeit im allgemeinen dazu beitragen kann, die Unfähigkeit des Kapitalismus zu enthüllen, den Proletariern eine Zukunft anzubieten, so bildet sie heute auch einen mächtigen Faktor der "Verlumpung" einiger Teile der Klasse, insbesondere unter den jungen Arbeitern, wodurch die gegenwärtigen und zukünftigen politischen Fähigkeiten der Klasse geschwächt werden.“[6]. Folglich wird die Frage der Massenentlassungen und der Massenarbeitslosigkeit erst dann wirklich zu einem Element, das es der Klasse ermöglicht, eine einheitliche Antwort auf den bürgerlichen Staat zu finden und eine tiefere Reflexion über den Bankrott des Kapitalismus zu entwickeln, wenn sie einen weiteren Schritt in der Entwicklung ihres Bewusstseins gemacht hat und sich als Klasse mit einer Rolle in der Zukunft der Gesellschaft begreifen kann.

Angriffe auf die Löhne hingegen können ein günstigeres Kräfteverhältnis schaffen. Tatsächlich ging es bei den Kämpfen, die 2022 zum Bruch führten, im Wesentlichen um Löhne. Dies scheint auch die jüngste Episode der Kämpfe in den USA in den letzten Monaten gezeigt zu haben. Da die Lohnarbeit die Grundlage der Beziehung zwischen Kapital und Arbeit bildet, ist die Frage der Verteidigung der Löhne das „gemeinsame Interesse“ aller Beschäftigten gegen ihre Ausbeuter. Dieser Kampf „vereinigt sie in einem gemeinsamen Gedanken des Widerstandes - Koalition. So hat die Koalition stets einen doppelten Zweck, den, die Konkurrenz der Arbeiter unter sich aufzuheben, um dem Kapitalisten eine allgemeine Konkurrenz machen zu können. Wenn der erste Zweck des Widerstandes nur die Aufrechterhaltung der Löhne war, so formieren sich die anfangs isolierten Koalitionen in dem Maß, wie die Kapitalisten ihrerseits sich behufs der Repression vereinigen zu Gruppen, und gegenüber dem stets vereinigten Kapital wird die Aufrechterhaltung der Assoziationen notwendiger für sie als die des Lohnes. (…) Diese Masse ist somit bereits eine Klasse gegen das Kapital, aber noch nicht für sich selbst. In dem Kampf, von dem wir nur einige Phasen betrachtet haben, wird diese Masse vereint und konstituiert sich als Klasse für sich.“[7]

3. Krieg, kapitalistischer Zerfall und Klassenbewusstsein

In der Zeit der massiven Klassenkämpfe zwischen 1968 und 1975, als die zentralen Länder des Kapitalismus eine lange Phase der Prosperität hinter sich hatten, gab es noch starke Illusionen über die Möglichkeit einer Wiederherstellung der „glorreichen Jahre“, insbesondere durch die Wahl linker Regierungen. Obwohl diese Bewegungen zu einer deutlichen Politisierung von Minderheiten führten[8], insbesondere durch die Wiederbelebung der Tradition der Kommunistischen Linken, war das Potenzial der Kämpfe selbst, eine allgemeinere Politisierung der Klasse hervorzurufen, begrenzt. Und selbst in den Kämpfen der 1980er Jahre war noch lange nicht bewusst, dass das kapitalistische System an seine Grenzen stößt, und die Kämpfe der Arbeiterklasse, selbst wenn sie massiv waren und als Hindernis gegen den Drang zum Weltkrieg fungieren konnten, schafften es nicht, eine politische Perspektive für die Überwindung des Kapitalismus zu verbreiten.

Das grundlegende Ergebnis der Pattsituation zwischen der Arbeiterklasse und der Bourgeoisie in den 1980er Jahren war die Entwicklung einer neuen Phase des kapitalistischen Zerfalls, die ein weiteres Hindernis für die Fähigkeit der Arbeiterklasse darstellte, sich als revolutionäre Kraft wiederherzustellen. Aber die Beschleunigung des kapitalistischen Zerfalls hat auch deutlich gemacht, dass der lange Niedergang des Kapitalismus nun eine Phase erreicht hat, in der die Wahl zwischen Sozialismus und Barbarei immer offensichtlicher wird. Auch wenn das Gefühl, dass wir auf die Barbarei zusteuern, viel weiter verbreitet ist als die Überzeugung, dass der Sozialismus eine realistische Alternative darstellt, bildet die zunehmende Erkenntnis, dass der Kapitalismus der Menschheit nichts anderes zu bieten hat als eine Spirale der Zerstörung, dennoch die Grundlage für eine zukünftige Politisierung des Klassenkampfs.

Neben der Wirtschaftskrise, die nach wie vor die wesentliche Grundlage für die Entwicklung sowohl der offenen Kämpfe der Klasse als auch des Bewusstseins für den Bankrott des Systems ist, sind die beiden Elemente, die die Realität der Sackgasse des Kapitalismus am deutlichsten unterstreichen, die Ausbreitung und Verschärfung imperialistischer Kriege und das unaufhaltsame Voranschreiten der ökologischen Katastrophe, die sich zuletzt in den massiven Überschwemmungen in Valencia symbolisch manifestierte und die zeigt, dass diese Katastrophe nicht mehr auf die „peripheren“ Regionen des Systems beschränkt bleiben wird. Als Faktoren für die Entstehung eines politischen Bewusstseins in der Klasse sind diese beiden Elemente jedoch nicht gleichwertig.

Wir haben seit langem die Vorstellung abgelehnt, an der die meisten Gruppen des Proletarischen Politischen Milieus noch festhalten, dass Krieg, insbesondere ein Weltkrieg, ein günstiger Boden für den Ausbruch revolutionärer Kämpfe sei. In Artikeln, die in den 1980er Jahren in der INTERNATIONALEN REVUE erschienen sind[9], haben wir gezeigt, dass diese Vorstellung zwar auf den realen Erfahrungen vergangener Revolutionen (1871, 1905, 1917) beruhte und dass jeder Klassenkampf in Zeiten der Kriegsmobilisierung zwangsläufig sehr schnell politische Fragen aufwirft, dass aber die Nachteile, mit denen revolutionäre Bewegungen konfrontiert sind, die als direkte Reaktion auf einen Krieg entstehen, die „Vorteile“ bei weitem überwiegen. So:

- Die Erfahrung des Ersten Weltkriegs lehrte die herrschende Klasse eine sehr wichtige Lektion, die sie vor und in der Endphase des Zweiten Weltkriegs sehr systematisch anwandte: Bevor man einen Weltkrieg beginnen kann, muss man dem Proletariat zunächst eine tiefgreifende physische und ideologische Niederlage zufügen, und wenn Elend und Schrecken des Krieges Anzeichen proletarischer Reaktionen hervorrufen, müssen diese sofort niedergeschlagen werden (vgl. die objektive Zusammenarbeit der alliierten und nationalsozialistischen Kräfte bei der Niederschlagung der Arbeiteraufstände in Italien 1943, die Terrorbombardements auf Deutschland usw.).

- Das alte Schema des revolutionären Defätismus, wonach die Niederlage der eigenen Regierung für die Entwicklung der Revolution günstig ist und das eine inhärente Ambivalenz hinsichtlich der Notwendigkeit enthält, in einer Kriegssituation alle Regierungen zu bekämpfen, wurde durch die Tatsache widerlegt, dass die Spaltung zwischen siegreichen und besiegten Nationen tiefe Spaltungen im Weltproletariat hervorruft, wie dies nach dem Krieg von 1914-18 am deutlichsten zu sehen war.

- Die Militärtechnologie des Kapitalismus ist so weit „fortgeschritten“, dass eine Verbrüderung über die Schützengräben hinweg immer weniger möglich ist, und sie hat auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass jeder künftige Weltkrieg rasch zu einer nuklearen Eskalation und „gegenseitig garantierter Zerstörung“ führen würde.

Die aktuellen Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten haben bestätigt, dass die Haupthindernisse für den kapitalistischen Kriegsdrang weniger von Aufständen in den direkt am Krieg beteiligten Ländern ausgehen werden, sondern vielmehr von den zentralen Fraktionen des Proletariats, die nur indirekt durch die steigenden Anforderungen der Kriegswirtschaft vom imperialistischen Krieg betroffen sind.

All dies bedeutet jedoch nicht, dass Krieg kein Faktor mehr für die Entwicklung des Klassenbewusstseins und den Politisierungsprozess ist. Im Gegenteil, wir haben gesehen:

- dass die Allgegenwart des Krieges, insbesondere seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine, nach wie vor ein wichtiger Faktor für die Entstehung von Minderheiten ist, die das gesamte kapitalistische System in Frage stellen;

- dass die Fähigkeit der Arbeiterklasse, ihre eigenen Klasseninteressen trotz der Aufforderung zu Opfern im Namen der „Verteidigung der Freiheit“ zu verteidigen, ein Schlüsselelement für den Bruch von 2022 war. Darüber hinaus wurde die Erkenntnis, dass die Arbeiterklasse für die Aufblähung der Kriegswirtschaft bezahlen sollen, von einigen der kämpferischeren Arbeiterinnen und Arbeitern, die sich nach 2022 an den Kämpfen beteiligten, insbesondere in Frankreich, ausdrücklich formuliert.[10]

Es stimmt, dass es in beiden Beispielen mehr um die Politisierung von Minderheiten als um die Politisierung von Kämpfen geht. Das ist nicht überraschend angesichts der ideologischen Fallstricke, denen diejenigen ausgesetzt sind, die beginnen, Verbindungen zwischen Kapitalismus und Krieg herzustellen. Auf der einen Seite haben wir das Beispiel, wie die Populisten in Europa und vor allem in den USA jede noch so zaghafte Antikriegsstimmung in der Klasse für sich vereinnahmt und im Falle des Ukraine-Kriegs sogar in eine kaum verhüllte pro-russische Orientierung umgewandelt haben. Auf der anderen Seite haben wir eine Vielzahl von Linksextremen, die ihre Version des „Internationalismus“ propagieren, die zwar den Anschein erweckt, beide Kriegsparteien in der Ukraine zu verurteilen, aber letztendlich immer auf eine Apologie der einen oder anderen Seite hinausläuft. Und dieselben Linksextremen, die in ihrer Unterstützung für die „Achse des Widerstands“ gegen Israel in der Regel viel parteiischer sind, tragen maßgeblich zur Verschärfung der religiösen und ethnischen Spaltungen bei, die durch den Nahostkrieg geschürt werden. Es ist kaum verwunderlich, dass eine echte internationalistische Antwort auf die aktuellen Kriege auf eine suchende Minderheit beschränkt ist – und selbst innerhalb dieser Minderheit, selbst innerhalb der Gruppen der Kommunistischen Linken, sind Verwirrungen und Widersprüche nur allzu offensichtlich.

Im letzten Abschnitt von Der Zerfall, die letzte Phase der Dekadenz des Kapitalismus haben wir die Gründe dargelegt, warum die Wirtschaftskrise der wichtigste Faktor für die Fähigkeit der Arbeiterklasse bleibt, ihre Klassenidentität wiederzuentdecken und sich zu einer Klasse zu formieren, die sich offen gegen die kapitalistische Gesellschaft stellt, im Gegensatz zu den Hauptphänomenen des kapitalistischen Zerfalls.

„Dies ist so, weil:

- die ökonomischen Attacken (Lohnsenkungen, Entlassungen, Verschärfung der Arbeitshetze usw.) im Gegensatz zu den Auswirkungen des Zerfalls (z.B. die Umweltverschmutzung, die Drogensucht, die Unsicherheit usw.), die relativ unterschiedslos alle Gesellschaftsschichten erfassen und einen günstigen Nährboden für klassenübergreifende Kampagnen und Mystifikationen bilden (wie Ökologie, Anti-AKW-Bewegungen, antirassistische Mobilisierungen usw.), direkt aus der Krise herrühren, die ganz spezifisch das Proletariat (das heißt, die Mehrwert produzierende und auf diesem Terrain das Kapital konfrontierende Klasse) betrifft;

- die Wirtschaftskrise im Gegensatz zum gesellschaftlichen Zerfall, der hauptsächlich den Überbau betrifft, ein Phänomen ist, das direkt die Infrastruktur der Gesellschaft selbst ergreift, auf denen dieser Überbau ruht; daher stellt die Krise die ultimativen Ursachen der gesamten Barbarei bloß, unter der die Gesellschaft leidet, und ermöglicht somit der Arbeiterklasse, sich der Notwendigkeit einer radikalen Umwälzung dieses Systems bewußt zu werden, ohne zu versuchen, einige Teilaspekte zu verbessern.“[11]

Diese Formulierungen bleiben im Wesentlichen gültig, auch wenn es nicht ganz richtig ist, dass die Zerstörung der Natur lediglich ein Aspekt des Überbaus ist, da sie ein direktes Produkt der kapitalistischen Akkumulation ist und die Lebensbedingungen der menschlichen Gesellschaft und die Fortsetzung der Produktion zu untergraben droht. Wenn die sich verschärfende ökologische Krise ein potenzieller Faktor sein kann, der kleine Minderheiten[12] dazu veranlasst, den Kapitalismus grundlegend in Frage zu stellen, bleibt sie für einen großen Teil der Klasse ein Faktor der Angst und Verzweiflung. Die ökologische Katastrophe trifft alle Schichten der Gesellschaft in etwa gleichermaßen, auch wenn ihre verheerendsten Auswirkungen in der Regel von der Arbeiterklasse und den anderen Ausgebeuteten zu tragen sind, und stellt somit „einen günstigen Nährboden für klassenübergreifende Kampagnen und Mystifikationen“ dar, was die Fähigkeit der von der ökologischen Katastrophe Betroffenen einschränkt, zu verstehen, dass die einzige Lösung im Klassenkampf liegt. Darüber hinaus beinhalten die von den kapitalistischen Staaten vorgeschlagenen „Sofortlösungen“ für die Verschlechterung der natürlichen Umwelt oft direkte Angriffe auf den Lebensstandard eines Teils der Arbeiterklasse, insbesondere massive Entlassungen, um die auf fossilen Brennstoffen basierende Produktion durch „sauberere“ Technologien zu ersetzen. In diesem Sinne sind Forderungen nach Umweltschutz in den Reihen der Arbeiterklasse eher ein Faktor der Spaltung als der Vereinigung, im Gegensatz zur Wirtschaftskrise, die dazu neigt, das gesamte Proletariat „nach unten zu nivellieren“.

Die Schlussfolgerung von Der Zerfall, die letzte Phase der Dekadenz des Kapitalismus geht nicht auf die Auswirkungen des Krieges auf die Entwicklung des Klassenbewusstseins ein, aber wir können Folgendes sagen:

- Die Frage des imperialistischen Krieges – wie auch die langwierige und unlösbare Wirtschaftskrise, die ihm zugrunde liegt – ist kein spezifisches Produkt des kapitalistischen Zerfalls, sondern ein zentrales Element der gesamten Epoche der Dekadenz des Kapitalismus.

- Es besteht ein viel engerer Zusammenhang zwischen Wirtschaftskrise und Krieg. Insbesondere die Entwicklung einer Kriegswirtschaft bringt einen sehr offensichtlichen und weit verbreiteten Angriff auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse durch Inflation, Verschärfung des Arbeitstempos usw. mit sich. Der Widerstand gegen diesen Angriff auf einem Klassenterrain, selbst wenn er nur von einer winzigen Minderheit auf einer klaren internationalistischen Position gegründet ist, muss zwangsläufig tiefgreifende politische Fragen nach dem Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Krieg und nach den gemeinsamen internationalen Interessen des Proletariats aufwerfen. Das ist der Hauptgrund, warum sich die Politisierung von Minderheiten im proletarischen Sinne viel mehr auf eine Reaktion auf die Frage des Krieges stützt als auf die spezifischeren Phänomene des kapitalistischen Zerfalls, einschließlich der Beschleunigung der ökologischen Krise. Und später werden die wachsende Bedrohung und die völlige Irrationalität des Krieges ein realer Faktor für die künftige Politisierung der Kämpfe sein. Wir müssen jedoch betonen, dass erst in einer weiteren Phase der Entwicklung der Klassenidentität und des Klassenkampfs diese Schritte in Richtung Politisierung – sei es um die Frage des Krieges oder um die charakteristischeren Ausdrucksformen des kapitalistischen Zerfalls wie die ökologische Krise – von der Ebene kleiner Minderheiten zu viel breiteren und offeneren Bewegungen der Arbeiterklasse übergehen können.

4. Die Fähigkeit der Bourgeoisie, ihre klassischen Waffen gegen die Arbeiterklasse einzusetzen

So zersplittert und geschwächt sie durch den fortschreitenden Verfall ihrer eigenen Produktionsweise auch sein mag, die Bourgeoisie wird niemals die Fähigkeit verlieren, auf die Entwicklung des Klassenkampfs zu reagieren. Als Antwort auf das Wiederaufleben der Kämpfe seit 2022 und insbesondere auf die Entwicklung der unterirdischen Reifung des Klassenbewusstseins haben wir daher gesehen, wie die herrschende Klasse ihre „klassischen“ Instrumente zur Kontrolle des Proletariats reichlich eingesetzt hat:

- Die Gewerkschaften, die ihre Sprache in Erwartung oder als Reaktion auf den Ausbruch von Arbeitskämpfen radikalisiert haben. Dies war beispielsweise in den Kämpfen in Großbritannien sehr deutlich zu sehen, wo die Führung der am stärksten in die Kämpfe involvierten Gewerkschaften von linksextremen Elementen wie Mick Lynch von der Eisenbahnergewerkschaft RMT übernommen wurde.

- Die linksextremen Gruppen, insbesondere die Trotzkisten, von denen einige (Revolutionary Communist Party, Révolution Permanente usw.) wieder begonnen haben, von Kommunismus zu sprechen, und wie bereits erwähnt, insbesondere als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine angeblich internationalistische Positionen vertreten. Viele dieser Gruppen haben erfolgreich unter jungen Menschen rekrutiert, ein leises Echo dessen, was nach den Kämpfen vom Mai/Juni 1968 in Frankreich geschah.

5. Das Gewicht des kapitalistischen Zerfalls und die Instrumentalisierung seiner wichtigsten Erscheinungsformen durch die Bourgeoisie

Wie oben erwähnt, haben wir in Diskussionen in letzter Zeit gehört, dass die aktuellen Kämpfe der Klasse es ermöglichen könnten, die Auswirkungen des kapitalistischen Zerfalls zurückzudrängen, oder dass der kapitalistische Zerfall die Bourgeoisie in ihrer Fähigkeit schwächt, gegen die Arbeiterklasse zurückzuschlagen. Solche Ideen stellen die Einsicht in Frage, dass der kapitalistische Zerfall den Kampf der Arbeiterklasse nicht begünstigt. Angst, Rückzug, Verzweiflung aufgrund der Verallgemeinerung kriegerischer Barbarei; Nihilismus, Atomisierung, Irrationalität des Denkens, hervorgerufen durch die Abwesenheit einer Zukunft und die Zerstörung sozialer Beziehungen, sind allesamt Hindernisse für die Entwicklung der Klassensolidarität und eines kollektiven, vereinten Kampfes sowie für die Reifung des Denkens.

Aber wir sehen auch, wie die Bourgeoisie die Produkte ihrer eigenen Zersetzung gegen die Entwicklung der Kämpfe der Arbeiterklasse einsetzt:

- Dies insbesondere durch die Kampagnen gegen den Populismus und die extreme Rechte, das „chemisch reinste“ Produkt des kapitalistischen Zerfalls, werden die alte Ideologie des Antifaschismus und die damit verbundene Verteidigung der Demokratie wiederbelebt. Diese Kampagnen, die sich nach dem Sieg Trumps bei den US-Wahlen zweifellos noch verschärfen, haben für die Bourgeoisie den doppelten Vorteil, dass sie die Arbeiterinnen und Arbeiter davon überzeugen, die Verteidigung der demokratischen Illusion über den Kampf für ihre eigenen angeblich „egoistischen“ Klasseninteressen zu stellen, und dass sie der Gefahr der Klasseneinheit entgegenwirken, indem sie verschiedene Sektoren der Arbeiterklasse hinter die konkurrierenden kapitalistischen Lager ziehen.

- Diese Strategie der Spaltung zeigt sich auch in den verschiedenen Formen der „Kulturkriege“, die den Konflikt zwischen den „Woke“ und den „Anti-Woke“ in zahlreichen Fragen (Geschlechter, Migration, Umwelt usw. sowie in den zunehmend gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den politischen Parteien) ausnutzen.

- Die Entwicklung von Anti-Einwanderungskampagnen durch rechte und rechtsextreme Parteien zielt darauf ab, eine Pogromstimmung zu schüren, Migranten und Ausländer zu Sündenböcken zu machen und ihnen die Schuld für den Niedergang des Lebensstandards zu geben. Dieser ideologischen Vergiftung kann nur durch die Fähigkeit der Arbeiterklasse entgegengewirkt werden, ihre Einheit und Solidarität gegen die materiellen Angriffe, denen alle Proletarier und Proletarier ausgesetzt sind, zu schmieden.

- Die Situation wird auch von Aufständen der Zwischenschichten geprägt sein, die die Bourgeoisie nutzen wird, um die Kämpfe und Überlegungen der Arbeiterklasse zu verzerren.

6. Die Notwendigkeit, dass die Arbeiterklasse auf ihrem eigenen Klassenterrain antwortet

Angesichts dieses gewaltigen ideologischen Angriffs kann die einzige mögliche Antwort aus der Sicht der Arbeiterklasse nur lauten:

- Die Wiedergewinnung der Lehren aus vergangenen Kämpfen, die die sabotierende Rolle der Gewerkschaften und der Linken aufdecken und den Boden für die selbstorganisierten und vereinigenden Kämpfe einer höheren Phase des Bruchs bereiten können.

- Die Entwicklung des Selbstbewusstseins des Proletariats als Klasse, die dem Kapital entgegensteht, sowohl in den offenen Kämpfen als auch außerhalb davon, ist unverzichtbar sowohl für die Fähigkeit der Klasse, ihre unmittelbaren Forderungen zu verteidigen, als auch für die Entwicklung eines Verständnisses ihrer historischen Aufgabe als Totengräber des Kapitals.

Es versteht sich von selbst, dass die revolutionäre Organisation eine unersetzliche Rolle bei der Bewusstseinsentwicklung in dieser Richtung spielt. Die Fähigkeit der IKS, ihre Rolle zu übernehmen, hängt genau davon ab, ob sie die immensen Herausforderungen, denen die Arbeiterklasse in den kommenden Jahrzehnten gegenübersteht, richtig einschätzen kann.

IKS, Mai 2025

 

 

[1] Wir beziehen uns auf kleine Gruppen oder Einzelpersonen, die von Ressentiments beseelt sind und deren „militantes“ Leben darin besteht, revolutionäre Organisationen zu diskreditieren oder zu zerstören. Revolutionäre Organisationen mussten sich schon immer gegen diese reale Gefahr verteidigen, und auch die Kommunistische Linke ist davon nicht verschont geblieben. Siehe: Die marxistischen Grundlagen des Begriffs des politischen Parasitismus und der Kampf gegen diese Geißel [41], IKSonline September 2023.

[2] Bericht über den historischen Kurs [42], INTERNATIONALE REVUE Nr. 56

[3] „In dieser Periode muß es sein Ziel sein, den schädlichen Auswirkungen des Zerfalls in seinen eigenen Reihen zu trotzen, indem es nur auf seine eigenen Kräfte zählt, auf seine Fähigkeit baut, sich kollektiv und solidarisch für die Verteidigung seiner Interessen als ausgebeutete Klasse einzusetzen (selbst wenn die Propaganda der Revolutionäre ständig die Gefahren des Zerfalls unterstreichen muß). Nur in der vorrevolutionären Periode, d.h. wenn das Proletariat zur Offensive übergegangen ist, wenn es sich direkt und offen im Kampf für seine eigene historische Perspektive engagiert, kann es bestimmte Effekte des Zerfalls, insbesondere den Zerfall der bürgerlichen Ideologie und der Kräfte der kapitalistischen Macht, als Hebel benutzen und gegen das Kapital wenden.“ Der Zerfall: Die letzte Phase der Dekadenz des Kapitalismus [2], INTERNATIONALE REVUE Nr. 13

[4] Die französische Regierung plant Einsparungen in Höhe von mehreren Dutzend Milliarden Dollar, während Elon Musk versprochen hat, fast 2.000 Milliarden Dollar aus dem US-Bundeshaushalt zu streichen.

[5] In den wichtigsten Ländern im Herzen des Kapitalismus (Frankreich, Deutschland, Großbritannien, USA usw.) sind in den kommenden Monaten und Jahren Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende von Arbeitsplätzen bedroht.

[6] Der Zerfall: Die letzte Phase der Dekadenz des Kapitalismus [2], INTERNATIONALE REVUE Nr. 13

[7] Karl Marx, Das Elend der Philosophie, Kapitel II, Abschnitt V. „Streiks und Arbeiterkoalitionen“

[8] Zur Unterscheidung zwischen der Politisierung von Minderheiten und der Politisierung von Kämpfen siehe den Bericht über den Klassenkampf zum 24. IKS-Kongress [43] in INTERNATIONALE REVUE Nr. 57

Der Artikel Nach dem Bruch im Klassenkampf: Die Notwendigkeit der Politisierung [44] in der INTERNATIONALEN REVUE Nr. 60 liefert eine Grundlage, um diese Frage vertiefter zu untersuchen und ihre tiefgreifende Bedeutung in der Phase des Zerfalls zu verstehen.

[9] Why the alternative is war or revolution? [45] INTERNATIONAL REVIEW Nr. 30 (engl.)  

und: The proletariat and war [46], INTERNATIONAL REVIEW Nr. 65 (engl.)

[10] Im Iran kam es kürzlich zu einer Reihe von Streiks und Protesten von Beschäftigten im Gesundheits-, Bildungs- und Transportwesen sowie von Ölarbeitern und Rentnern aus der Stahlindustrie, die mit stark steigenden Preisen konfrontiert sind. Ihre Erkenntnis, dass der Inflationsschub ein Produkt der Kriegswirtschaft ist, kam in den Slogans zum Ausdruck, die in den Städten Ahvaz und Shush skandiert wurden: „Schluss mit der Kriegstreiberei, unsere Tische sind leer.“

[11] Der Zerfall: Die letzte Phase der Dekadenz des Kapitalismus [2], INTERNATIONALE REVUE Nr. 13

[12] Die Entwicklung solcher Minderheiten oder vielmehr die objektive Notwendigkeit für die Boirgeoisie, sie daran zu hindern, zu einer kohärenten Kritik des Kapitals zu gelangen, erklärt das Aufkommen eines radikalen Flügels der ökologischen Protestbewegung, insbesondere der Befürworter des „Degrowth“.

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26. IKS-Kongress

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