Internationale Revue 39 - Editorial

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Imperialistisches Chaos, Ökokatastrophe: Der Kapitalismus in der Sackgasse

Vor mehr als hundert Jahren sagte Engels voraus, dass die kapitalistische Gesellschaft, sich selber überlassen, die Menschheit in die Barbarei stürzen würde. Und tatsächlich, in den letzten hundert Jahren haben imperialistische Kriege nicht aufgehört, auf immer abstoßendere Weise diese Voraussage zu bestätigen. Heute hat die kapitalistische Welt eine neue Türe zur Apokalypse geöffnet, zu der von Menschenhand geschaffenen ökologischen Katastrophe, welche in wenigen Generationen den Planeten Erde zu einem unwirtlichen Ort wie den Planeten Mars machen könnte. Obwohl sich die Verteidiger der kapitalistischen Ordnung dieser Perspektive bewusst sind, können sie rein gar nichts dagegen tun, denn es ist ihre eigene Produktionsweise, welche die imperialistischen Kriege wie auch die ökologische Katastrophen hervorruft.

Imperialistischer Krieg = Barbarei

Das blutige Fiasko des Irakfeldzuges der 2003 von den USA angeführten Koalition stellt ein schicksalhaftes Moment in der Entwicklung der imperialistischen Kriege auf dem Weg der Zerstörung der Gesellschaft selber dar. Vier Jahre nach der Invasion ist der Irak weit davon entfernt, „befreit“ zu sein, und hat sich in das verwandelt, was die bürgerliche Presse vorsichtig als einen „gescheiterten Staat“ definiert; dieses Land, dessen Bevölkerung die Massaker von 1991 über sich ergehen lassen musste, danach während eines Jahrzehnts durch die Wirtschaftssanktionen1[1] ausgeblutet wurde und nun täglich durch Selbstmordattentate, Pogromen der verschiedenen „Aufständischen“, von den Todesschwadronen des Innenministeriums oder durch willkürliche Hinrichtungen durch die Besatzungstruppen aufgerieben wird. Die Situation im Irak ist nichts anderes als das Epizentrum eines Prozesses des Zerfalls und des militärische Chaos, welches sich über Palästina, Somalia, den Sudan, den Libanon und Afghanistan ausbreitet und immer neue Regionen zu befallen droht. Die kapitalistischen Metropolen sind nicht davon ausgenommen, wie die Anschläge in New York, Madrid oder London im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts zeigen. Weit davon entfernt, eine neue Ordnung im Nahen und Mittleren Osten aufzubauen, hat die amerikanische Militärmacht das Chaos nur vergrößert.

In diesem Sinn gibt es nichts Neues an diesem Massaker. Der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 war ein erster Schritt zu einer barbarischen „Zukunft“. Das Gemetzel von Millionen junger Arbeiter, welche die jeweiligen imperialistischen Herrscher in die Schützengräben geschickt hatten, wurde abgelöst durch die Pandemie der „spanischen Grippe“, welche weitere Millionen von Opfern forderte. Die mächtigsten europäischen Nationen befanden sich am Ende des Krieges ökonomisch am Boden. Nach der Niederlage der Oktoberrevolution von 1917 und der verschiedenen Arbeiterrevolutionen, die im Laufe der 20er Jahren unter diesem Einfluss ausbrachen, war der Weg zu einem noch katastrophaleren Krieg geebnet, zum Zweiten Weltkrieg von 1939 bis 1945. Hier wurde die wehrlose Zivilbevölkerung das Hauptziel eines systematischen Massakers durch die Luftstreitkräfte; ein Völkermord im Herzen der europäischen Zivilisation forderte Millionen von Menschenleben.

Während des Kalten Krieges von 1947 bis 1989 gab es eine ganze Reihe von zerstörerischen Kriegen, in Korea, Vietnam, Kambodscha und quer durch ganz Afrika, während der Antagonismus zwischen den USA und der UdSSR die Welt dauernd mit der weltweiten nuklearen Apokalypse bedrohte.

Was heute am imperialistischen Krieg neu ist, ist nicht das absolute Ausmaß der Zerstörung, obwohl die Zerstörungskraft mindestens der USA sehr viel größer ist als je zuvor, denn die jüngeren militärischen Konflikte haben noch nicht die wesentlichen Bevölkerungskonzentrationen im Herzen des Kapitalismus in den Abgrund geführt, wie dies während des Ersten und Zweiten Weltkriegs der Fall war. 1918 verglich Rosa Luxemburg die Barbarei des Ersten Weltkrieges mit dem Niedergang des Alten Roms und der düsteren Zeit, die darauf folgte. Heute scheint selbst dieser dramatische Vergleich unangemessen, wenn man den grenzenlosen Schrecken beschreiben will, den uns der Kapitalismus bietet. Trotz der Brutalität und dem Chaos der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts gab es dabei immer noch eine Perspektive - wenn auch eine illusorische - eines Wiederaufbaus einer gesellschaftlichen Ordnung im Interesse der herrschenden imperialistischen Mächte. Die Spannungsfelder unserer Zeit bieten hingegen keine andere Perspektive als diejenige des immer tieferen Versinkens im gesellschaftlichen Auseinanderdriften auf allen Ebenen, im Zerfall jeglicher sozialen Ordnung, in einem endlosen Chaos.

Die Sackgasse des US-amerikanischen Imperialismus ist diejenige des Kapitalismus

Ein ganz großer Teil der US-amerikanischen Bourgeoisie ist gezwungen worden zu anerkennen, dass die Strategie des Unilateralismus bei ihren weltweiten Hegemonialansprüchen sowohl auf der diplomatischen als auch auf der militärischen und der ideologischen Ebene gescheitert ist. Der Bericht der Irak-Studiengruppe (Irak Study Group, ISG), der dem amerikanischen Kongress vorgelegt worden ist, verheimlicht diese offensichtliche Tatsache nicht. Statt das Ansehen der USA zu stärken, hat die Besetzung des Iraks ihr Prestige in praktisch allen Bereichen geschwächt. Aber welche Alternative schlagen die härtesten Kritiker der Bush-Administration innerhalb der herrschenden Klasse der USA vor? Der Rückzug der Truppen ist nicht möglich, ohne die amerikanische Hegemonie weiter zu schwächen und das Chaos zu beschleunigen. Eine Teilung des Iraks in ethnische Zonen hätte den gleichen Effekt. Einige schlagen eine Politik der Eindämmung vor wie während der Zeit des Kalten Krieges, aber es ist klar, dass man nicht zur Politik der zwei imperialistischen Blöcke zurückkehren kann. Außerdem ist das Versagen der US-Truppen im Irak viel schlimmer als dasjenige in Vietnam, denn im Gegensatz zu Vietnam geht es für die USA im Irak darum, die ganze restliche Welt in die Schranken zu weisen, und nicht mehr bloß den seinerzeit rivalisierenden Block der UdSSR.

Trotz der harschen Kritik der ISG und der durch die demokratische Partei errungenen Kontrolle über den Kongress wurde Bush ermächtigt, die Zahl der Soldaten im Irak um 20´000 zu erhöhen. Gleichzeitig begann eine Politik der militärischen und diplomatischen Drohung gegenüber dem Iran. Welches die alternativen Strategien der herrschenden Klasse der USA auch immer sind, wird sie früher oder später gezwungen sein, einen weiteren blutigen Beweis für ihren Status als Supermacht zu liefern mit noch widerwärtigeren Konsequenzen für die Menschen der ganzen Welt, was einmal mehr die Ausbreitung der Barbarei beschleunigen wird.

Das ist weder das Resultat der Inkompetenz noch der Arroganz der republikanischen Administration unter Bush und der Neokonservativen, wie dies die Bourgeoisien der anderen imperialistischen Mächte unaufhörlich wiederholen. Sich auf die UNO und den Multilateralismus abzustützen, ist keine wirkliche Friedensoption, entgegen den Empfehlungen dieser Bourgeoisien und der Pazifisten jeder Couleur. Seit 1989 hat Washington sehr gut verstanden, dass die UNO eine Tribüne geworden ist, auf der die Rivalen der USA die amerikanischen Pläne durchkreuzen können: ein Ort, wo ihre weniger mächtigen Rivalen die amerikanische Politik verzögern und verwässern oder gar mit einem Veto verhindern können, um der Schwächung ihrer eigenen Position entgegen zu wirken. Indem Frankreich, Deutschland und die anderen die USA als die einzigen Verantwortlichen für Chaos und Krieg darstellen, offenbaren sie lediglich, dass sie selber ihren vollen Anteil an der zerstörerischen Logik des Kapitalismus haben: einer Logik, nach der jeder für sich selber spielt und sich gegen alle anderen durchsetzen muss.

Es überrascht nicht, dass die regelmäßigen Antikriegsdemonstrationen in großen Städten der wichtigen Metropolen im allgemeinen laut die kleinen imperialistischen Mächte des Nahen und Mittleren Ostens unterstützen, wie beispielsweise die Aufständischen im Irak oder die Hisbollah im Libanon, welche die USA bekämpfen. Das zeigt, dass dem Imperialismus eine Logik innewohnt, der sich keine Nation entziehen kann, und dass der Krieg nicht nur das Resultat der Aggressionen der Großmächte ist.

Andere verkünden dauernd wider besseres Wissen, dass das Abenteuer der USA im Irak ein „Krieg ums Öl“ sei. Dabei werden die Gefahren ihrer grundlegenden geostrategischen Ziele völlig außer acht gelassen. Dies ist eine grobe Unterschätzung der aktuellen Lage. Die Situation, in der sich die USA im Irak befinden, ist nur der Ausdruck der weltweiten Sackgasse, in der die ganze kapitalistische Gesellschaft steckt. George Bush senior proklamierte seinerzeit, dass mit dem Wegfall des Ostblocks eine Zeit des Friedens und der Stabilität begonnen habe, eine „neue Weltordnung“. Schon schnell sollte die Realität diese Vorhersage Lügen strafen, zunächst mit dem ersten Irakkrieg, dann mit dem barbarischen Konflikt in Jugoslawien, einem Krieg im Herzen Europas. Die 90er Jahre waren keineswegs Jahre der Ordnung, sondern des zunehmenden militärischen Chaos. Ironischerweise ist George Bush junior die Rolle zugefallen, einen weiteren entscheidenden Schritt hin zu diesem unumkehrbaren Chaos zu tun.

Die Zerstörung der Biosphäre

Gleichzeitig zur Verschärfung seines imperialistischen Kurses hin zu einer immer sichtbareren Barbarei, verstärkt der zerfallende Kapitalismus seine Attacke gegen die Biosphäre in einem solchen Ausmaß, dass ein künstlicher klimatischer Holocaust die Zivilisation und die Menschen zu zerstören droht. Laut den Erkenntnissen, zu denen die Umweltwissenschaftler im Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaveränderung (IPCC) gekommen sind, wird bestätigt, dass die Theorie über die Klimaerwärmung durch hohe Kohlendioxid-Werte in der Atmosphäre, verursacht durch die massenhafte Verbrennung fossiler Brennstoffe, nicht nur eine simple Hypothese, sondern „Wahrscheinlichkeit“ sei. Das Kohlendioxid in der Atmosphäre hält die von der Erdoberfläche und der Umgebungsluft abgestrahlte Sonnenwärme zurück und führt zu einem „Treibhauseffekt“. Dieser Prozess hat um 1750 begonnen, zur Zeit der kapitalistischen industriellen Revolution, und seither haben die Kohlendioxid-Emissionen und die Erderwärmung stetig zugenommen. Seit 1950 hat sich dies ständig beschleunigt, und während des letzten Jahrzehnts wurden jedes Jahr neue Temperaturrekorde gemessen. Die Konsequenzen dieser Erderwärmung haben bereits alarmierende Ausmaße angenommen: Die Klimaveränderung führt zu wiederkehrenden Dürren und riesigen Überschwemmungen, zu tödlichen Hitzewellen in Nordeuropa und Klimabedingungen mit einer großen Zerstörungskraft. Sie führt zur Verschärfung der Hungersnöte und der Krankheiten in der Dritten Welt und selbst zum Ruin von Städten wie New Orleans nach dem Hurrikan Katrina.

Sicher, man darf nicht den Kapitalismus anklagen, damit begonnen zu haben, fossile Brennstoffe zu verbrennen, oder mit der Umwelt in gefährlicher und zerstörerischer Weise umzugehen. Dies war schon zu Beginn der menschlichen Zivilisation der Fall:

„Die Leute, die in Mesopotamien, Griechenland, Kleinasien und anderswo die Wälder ausrotteten, um urbares Land zu gewinnen, träumten nicht, dass sie damit den Grund zur jetzigen Verödung jener Länder legten, indem sie ihnen mit den Wäldern die Ansammlungszentren und Behälter der Feuchtigkeit entzogen. Die Italiener der Alpen, als sie die am Nordabhang des Gebirges so sorgsam gehegten Tannenwälder am Südabhang vernutzten, ahnten nicht, dass sie damit der Sennwirtschaft auf ihrem Gebiet die Wurzeln abgruben; sie ahnten noch weniger, dass sie dadurch ihren Bergquellen für den größten Teil des Jahrs das Wasser entzogen, damit diese zur Regenzeit um so wütender Flutströme über die Ebene ergießen könnten. Die Verbreiter der Kartoffel in Europa wussten nicht, dass sie mit den mehligen Knollen zugleich die Skrofelkrankheit verbreiteten. Und so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, dass wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht – sondern dass wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und dass unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können.“ (Friedrich Engels, Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen in Dialektik der Natur)

Doch der Kapitalismus ist verantwortlich für die enorme Zunahme dieser Umweltzerstörung. Dies nicht wegen der Industrialisierung an sich, sondern wegen seiner Jagd nach einem maximalen Profit und seiner Blindheit gegenüber den ökologischen und menschlichen Bedürfnissen, außer wenn sie zufällig mit dem Ziel der Anhäufung von Reichtum zusammenfallen. Die kapitalistische Produktionsweise hat aber noch andere Charakteristiken, welche zur ungebremsten Zerstörung der Umwelt führen. Die gnadenlose Konkurrenz unter den Kapitalisten, vor allem unter den verschiedenen Nationalstaaten, verhindert schlussendlich jegliche Kooperation auf Weltebene. Und verbunden mit dieser Charakteristik die Tendenz des Kapitalismus zur Überproduktion, in seiner unersättlichen Suche nach Profit.

Im dekadenten Kapitalismus, in seiner Periode der permanenten Krise, wird diese Tendenz zur Überproduktion chronisch. Dies ist seit Ende des Zweiten Weltkrieges besonders deutlich geworden, da die Erweiterung der kapitalistischen Wirtschaft auf einer künstlichen Basis vorangetrieben wird, vor allem durch die Politik der Finanzierung über Defizite und die enorme Zunahme der Verschuldung in der Wirtschaft. All dies hat nicht zur Befriedigung der Bedürfnisse der Masse der arbeitenden Bevölkerung geführt, welche weiterhin im Morast der Armut steckt, sondern zu einer enormen Vergeudung, zu Bergen von unverkauften Gütern; zur Verschleuderung von Millionen Tonnen von Lebensmitteln; wegen fehlender Planung der Produktion zu immensen Mengen von überschüssigen Gütern; vom Auto bis zum Computer zu Produkten, die schnell wieder auf den Müll geworfen werden; zu einer gigantischen Masse von identischen Produkten aus der Produktion der verschiedenen Konkurrenten für denselben Markt.

Während der Rhythmus der technologischen Entwicklung und Spezialisierung in der Dekadenz des Kapitalismus zunimmt, werden die daraus resultierenden Innovationen vor allem durch den militärischen Sektor angeregt, dies im Gegensatz zur Zeit des aufsteigenden Kapitalismus. Auf der Ebene der Infrastruktur: Gebäude, sanitäre Einrichtungen, Energieproduktion, Transportwesen, sind wir aber keineswegs Zeugen von revolutionären Entwicklungen, welche mit dem Beginn der kapitalistischen Produktionsweise vergleichbar wären. In der Phase des Zerfalls des Kapitalismus, der letzten Phase der Dekadenz, herrscht eine andere Tendenz vor: das Herunterschrauben der Kosten für die Aufrechterhaltung selbst der alten Infrastruktur, in der Hoffnung auf kurzfristige Profite. Man kann eine Karikatur dieses Prozesses in der Entwicklung der Produktion in China und Indien beobachten, wo die industrielle Infrastruktur größtenteils fehlt. Anstatt dem Kapitalismus einen neuen Lebenselan einzuhauchen, führt diese Entwicklung zu grausamsten Verschmutzungen: zur Zerstörung der Flüsse, enormen Smog-Decken, die ganze Länder überdecken, usw.

Dieser lange Prozess des Niedergangs und Zerfalls der kapitalistischen Produktionsweise liefert eine Erklärung, weshalb es eine dermaßen dramatische Zunahme der Kohlendioxid-Verschmutzung und der Erwärmung des Planeten in den letzten Jahrzehnten gibt. Er lässt auch begreifen, weshalb gegenüber einer solchen wirtschaftlichen und klimatischen Entwicklung der Kapitalismus und seine „Machthaber“ unfähig sind, die katastrophalen Auswirkungen der Erderwärmung zu bekämpfen.

Die apokalyptischen Szenarien, welche zur Zerstörung der Menschheit führen können, werden in einem gewissen Sinne durch die Sprecher und Medien der Regierungen aller kapitalistischer Länder anerkannt und öffentlich dargestellt. Die Tatsache, dass sie zahllose Heilmittel anpreisen, um diese Auswirkungen zu vermeiden, heißt noch lange nicht, dass nur ein Einziger von ihnen eine realistische Alternative gegenüber der barbarischen Perspektive anzubieten hätte. Ganz im Gegenteil. Angesichts des ökologischen Desasters ist der Kapitalismus, gleich wie gegenüber der imperialistischen Barbarei, absolut hilflos.   

„Viel Wind“ um die Klimaerwärmung

Die Regierungen der ganzen Welt finanzieren seit 1990 über die Vereinten Nationen großzügig die Forschung des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderung, und ihre Medien haben die kürzlich gezogenen, schrecklichen Schlussfolgerungen breit gewalzt.

Die wichtigsten politischen Parteien der Bourgeoisie aller Länder stellen sich alle als Variationen von Ökologen dar. Aber wenn man genauer hinschaut, verschleiert die „grüne“ Politik dieser Parteien, wie radikal sie auch erscheinen mögen, vorsätzlich den Ernst des Problems, denn die einzige Erfolg versprechende Lösung würde gerade das System in Frage stellen, dessen Lob sie singen. Der gemeinsame Nenner all dieser „grünen“ Kampagnen besteht darin, die Entwicklung eines revolutionären Bewusstseins in einer Bevölkerung zu verhindern, die zu Recht über die klimatische Erwärmung entsetzt ist. Die ständig wiederholte ökologische Botschaft der Regierungen lautet, dass „den Planeten zu retten die Verantwortung jedes und jeder Einzelnen“ sei, während die überwiegende Mehrheit keinerlei wirtschaftliche oder politische Macht hat und von jeder Kontrolle über die Produktion und den Konsum ausgeschlossen ist. Und die Bourgeoisie, die diese Entscheidungsmacht hat, beabsichtigt in keiner Weise, ihre Profite den allgemeinen ökologischen und menschlichen Bedürfnissen zu opfern.

Al Gore, der im Jahre 2000 beinahe demokratischer Präsident der Vereinigten Staaten geworden wäre, stellte sich mit seinem Film „Eine unbequeme Wahrheit“ an die Spitze einer internationalen Kampagne gegen den Kohlendioxidausstoß. Der Film gewann in Hollywood einen Oscar für die lebendige Art und Weise, mit der er die Gefahr des globalen Temperaturanstiegs, des Schmelzens der Polarkappen, des Anstiegs der Meere und aller Zerstörungen behandelt, die sich daraus ergeben. Aber der Film ist auch eine Wahlplattform für Al Gore selbst. Er ist nicht der einzige alte Politiker, der auf die Idee kommt, die gerechtfertigte Angst der Bevölkerung vor der ökologischen Katastrophe für die Jagd aufs Präsidentenamt auszunutzen, die das demokratische Spiel der großen kapitalistischen Länder ausmacht. In Frankreich haben alle Präsidentschaftskandidaten den „ökologischen Pakt“ des Journalisten Nicolas Hulot unterzeichnet. In Großbritannien rivalisieren die politischen Hauptparteien darum, wer der „grünste“ sei. Der von Gordon Brown und seiner New Labour in Auftrag gegebene Stern-Bericht hat mehrere Regierungsinitiativen nach sich gezogen, die die CO2-Emissionen reduzieren sollen. David Cameron, Chef der konservativen Opposition, geht mit dem Fahrrad zum Parlament (während seine Entourage im Mercedes folgt).

Es reicht, die Ergebnisse der früheren Regierungsstrategien anzuschauen, die angeblich den Zweck hatten, den Kohlendioxidausstoß zu reduzieren, um die Unfähigkeit der Staaten festzustellen, den Beweis irgendeiner Wirksamkeit ihrer Politik zu erbringen. Statt die Emission von Gasen mit Treibhauseffekt bis ins Jahr 2000 auf dem Stand von 1990 zu stabilisieren, wie sich die Unterzeichner des Kyoto-Protokolls im Jahre 1997 bescheiden verpflichteten, gab es in Tat und Wahrheit bis Ende des Jahrhunderts in den wichtigsten Industrieländern eine Erhöhung des Ausstoßes um 10,1%, und die Voraussage lautet, dass diese Umweltverschmutzung bis ins Jahr 2010 noch um 25,3% steigen wird! (Deutsche Umwelthilfe)

Es genügt auch, die grobe Fahrlässigkeit der kapitalistischen Staaten bei den Unglücken festzustellen, die sich bereits wegen der Klimaänderung ereignet haben, um sich ein Urteil über die Aufrichtigkeit der zahllosen Erklärungen guter Absichten zu machen.

Es gibt natürlich diejenigen, die erkennen, dass das Interesse an der Profitmaximierung einen mächtigen Faktor darstellt, welcher der wirksamen Begrenzung der Umweltverschmutzung entgegenwirkt; sie glauben, dass man das Problem lösen könne, indem man die liberale Politik durch Lösungen ersetze, die der Staat organisiere. Aber er ist insbesondere auf internationaler Ebene klar, dass die kapitalistischen Staaten, selbst wenn sie innenpolitisch etwas umsetzen würden, unfähig sind, untereinander in dieser Frage zusammenzuarbeiten, denn jeder müsste wirtschaftliche Opfer bringen. Kapitalismus heißt Konkurrenz, und er ist heute mehr denn je durch das Jeder-für-sich beherrscht.

Die kapitalistische Welt ist unfähig, sich für ein gemeinsames Vorhaben zusammenzuschließen, das so massiv und kostspielig wäre wie eine vollständige Umstrukturierung der Industrie und des Verkehrs, die nötig wäre, um eine drastische Reduzierung der Erzeugung von Energie zu erreichen, die Kohlenstoff verbrennt. Vielmehr besteht das Hauptanliegen aller kapitalistischen Nationen darin zu versuchen, dieses Problem zu benutzen, um ihren eigenen widerwärtigen Ehrgeiz zu befriedigen. Wie auf der imperialistischen und militärischen Ebene ist der Kapitalismus auch auf der ökologischen Ebene von unüberwindbaren nationalen Grenzen durchzogen und kann deshalb nicht einmal auf die dringendsten Bedürfnisse der Menschheit eingehen.

Für das Proletariat ist noch nicht alles verloren – wir haben immer noch eine Welt zu gewinnen

Aber es wäre falsch, einfach zu resignieren und zu meinen, der Untergang in der Barbarei sei aufgrund der mächtigen Tendenzen – des Imperialismus und der ökologischen Zerstörung - unvermeidlich. Angesichts der Selbstgefälligkeit aller halben Maßnahmen, die der Kapitalismus uns vorschlägt, um den Frieden und die Harmonie mit der Natur herzustellen, ist der Fatalismus eine gleichermaßen falsche Einstellung wie der naive Glauben an die Wirksamkeit kosmetischer Mittel.

Während der Kapitalismus alles dem Kampf um den Profit und der Konkurrenz opfert, hat er gleichzeitig die Elemente geschaffen, die seine Überwindung als Ausbeutungsweise erlauben. Er hat die technologischen und kulturellen Mittel entwickelt, die für ein weltweites Produktionssystem nötig sind, das als Gesamtheit und nach einem Plan funktioniert und in Einklang mit den Bedürfnissen der Menschheit und der Natur steht. Er hat eine Klasse hervorgebracht, das Proletariat, die aus nationalen Vorurteilen oder Konkurrenzdenken allgemein keinen Vorteil schöpft und jedes Interesse an der Entwicklung der internationalen Solidarität hat. Die Arbeiterklasse hat kein Interesse an der gierigen Jagd nach Profit. Mit anderen Worten hat der Kapitalismus die Grundlagen für eine höhere Gesellschaftsordnung, für seine Überwindung durch den Sozialismus gelegt. Der Kapitalismus hat die Mittel entwickelt, die menschliche Gesellschaft zu zerstören, aber er hat auch ihren eigenen Totengräber, die Arbeiterklasse, geschaffen, die diese menschliche Gesellschaft erhalten und sie einen entscheidenden Schritt in ihrer Entfaltung weiter bringen kann.

Der Kapitalismus hat die Schaffung einer Wissenschaftskultur erlaubt, die fähig ist, unsichtbare Gase wie Kohlendioxid zu erkennen und seine Konzentration sowohl in der Atmosphäre von heute als auch in jener von vor 10’000 Jahren zu messen. Die Wissenschaftler können die spezifischen Isotope von Kohlendioxid erfassen, die durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern produziert wurden. Die wissenschaftliche Gemeinschaft war fähig, die Hypothese des „Treibhauseffektes“ zu prüfen und zu bestätigen. Jedoch sind die Zeiten längst vorbei, zu denen der Kapitalismus als Gesellschaftssystem fähig war, die wissenschaftliche Methode und ihre Ergebnisse im Interesse des Fortschritts der Menschheit zu nutzen. Der größte Teil der Forschungsarbeiten und der wissenschaftlichen Entdeckungen von heute wird der Zerstörung gewidmet, der Entwicklung immer raffinierterer Methoden der Massentötung. Nur eine neue Gesellschaftsordnung, eine kommunistische Gesellschaft, kann die Wissenschaft in den Dienst der Menschheit stellen.

Trotz der hundert letzten Jahre des Niedergangs und der Fäulnis des Kapitalismus und der ernsthaften Niederlagen, welche die Arbeiterklasse eingesteckt hat, ist die notwendige Grundlage für eine neue Gesellschaft immer noch vorhanden.

Dass das Proletariat nach 1968 weltweit wieder auf der Bühne erschienen ist, belegt diese Ausgangslage. Die Entwicklung seines Klassenkampfes gegen den konstanten Druck auf den Lebensstandard der Proletarier während der Jahrzehnte, die auf 1968 gefolgt sind, hat den barbarischen Ausgang verhindert, der durch den Kalten Krieg vorgezeichnet war: den vernichtende Zusammenstoß zwischen den imperialistischen Blöcken. Seit 1989 jedoch und dem Verschwinden der Blöcke hat die defensive Haltung der Arbeiterklasse nicht ausgereicht, eine Abfolge entsetzlicher lokaler Kriege zu verhindern, die drohen, sich außerhalb jeder Kontrolle zu beschleunigen und immer mehr Regionen des Planeten in Mitleidenschaft zu ziehen. In dieser kapitalistischen Zerfallsperiode läuft dem Proletariat die Zeit davon, und dies umso mehr als noch eine drohende ökologische Katastrophe in die historische Gleichung aufgenommen werden muss.

Aber es ist noch nicht so weit, dass wir sagen müssten, der Niedergang und der Zerfall des Kapitalismus hätten einen Punkt erreicht, wo es kein Zurück mehr gibt - einen Punkt, von dem an seine Barbarei nicht mehr aufzuhalten wäre.

Seit 2003 beginnt die Arbeiterklasse, den Kampf mit einer neu gewonnenen Kraft wieder aufzunehmen, nachdem der Zusammenbruch des Ostblocks für eine gewisse Zeit den 1968 begonnenen Aufbruch gestoppt hat.

Unter diesen Bedingungen der Entwicklung des Vertrauens in der Klasse können die wachsenden Gefahren, die der imperialistische Krieg und die ökologische Katastrophe darstellen, statt Ohnmachts- und Fatalismusgefühle hervorzurufen auch zu einem vertieften politischen Nachdenken und zu einem stärkeren Bewusstsein darüber führen, was weltweit auf dem Spiel steht, zu einem Bewusstsein über die Notwendigkeit der revolutionären Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft. Es ist die Verantwortung der Revolutionäre, aktiv an dieser Bewusstseinsbildung teilzunehmen.

Como, 3/04/2007


[1] Die Kindersterblichkeit im Irak ist zwischen 1990 und 2005 von 40 auf 102 Promille angestiegen, The Times, 26. März 2007.

Theoretische Fragen: