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Der Amoklauf an der Geschwister-Scholl-Realschule in Emsdetten am 21. November 2006 ist vergleichsweise glimpflich verlaufen. Am Ende gab es „nur“ ein Todesopfer zu beklagen – den achtzehnjährigen Amokläufer selbst. Wie stets in solchen Fällen, löste der tragische Vorfall im Münsterland tiefe Betroffenheit in der Bevölkerung aus. Schließlich werden gerade an den Schulen auf diese Weise sehr junge Menschen all zu früh der Gewalt und Rohheit dieser Gesellschaft hilflos ausgesetzt. Der Tod wirft seinen Schatten auf den Rest ihres Lebens.Der Amoklauf an der Geschwister-Scholl-Realschule in Emsdetten am 21. November 2006 ist vergleichsweise glimpflich verlaufen. Am Ende gab es „nur“ ein Todesopfer zu beklagen – den achtzehnjährigen Amokläufer selbst. Wie stets in solchen Fällen, löste der tragische Vorfall im Münsterland tiefe Betroffenheit in der Bevölkerung aus. Schließlich werden gerade an den Schulen auf diese Weise sehr junge Menschen all zu früh der Gewalt und Rohheit dieser Gesellschaft hilflos ausgesetzt. Der Tod wirft seinen Schatten auf den Rest ihres Lebens.
Für gewöhnlich stürzen sich die Medien und die Politik auf solche Ereignisse, um die Sensationsgier der abgestumpften bürgerlichen Gesellschaft zu befriedigen, und um die üblichen Stammtischparolen zum Besten zu geben. Geschieht das Unglück in einer amerikanischen Schule, so werden die Mythen von den schiesswütigen Cowboys jenseits des Atlantiks bemüht, welche die zivilisatorischen Errungenschaften Europas schmerzlich vermissen lassen. Geschieht Ähnliches in Europa, so wird zu den Waffen gerufen: Immer mehr Polizisten, immer mehr repressive Gesetze werden verlangt. Eine stets ausgefeiltere Überwachung der Bevölkerung von Seiten des Staates wird eingefordert.
Diesmal wird man den Eindruck nicht los, dass die Regierenden und ihre bezahlten Medien mit Verlegenheit auf die Gewalttat von Emsdetten reagieren. Man bemüht sich, die Frage der „besseren“ Überwachung von Gewaltvideospielen in den Vordergrund zu stellen. Es liegt uns fern, die Rolle solcher Videospiele herunter zu spielen. Es ist bekannt geworden, dass der Amokläufer von Emsdetten solchen Spielen zugetan war. Diese Spiele sind ein Nebenprodukt des Militarismus. Sie wurden ursprünglich entwickelt, um im Rahmen der Ausbildung von Soldaten Kampfsituationen zu simulieren. Nicht zuletzt dienen sie dazu, die Hemmschwelle zum Blutvergießen und zum Töten zu senken.
Dennoch hatte ein Lobbyist dieser Branche der kapitalistischen Unterhaltungsindustrie nicht unrecht, als er nach Emsdetten behauptete, die Kampagne gegen die Gewaltvideospiele sollen von dem eigentlichen „Skandal“ dieses Vorfalls ablenken, dass nämlich quasi Jedermann tödliche Waffen frei kaufen kann. Die herrschende Klasse verhält sich tatsächlich wie ein auf frischer Tat ertappter Dieb, seitdem die Verzweifelungstat des Sebastian B. für alle erkennbar gemacht hat, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der jeder, der über die notwendige Kaufkraft verfügt, sich mühelos Mordwerkzeuge besorgen kann. Sebastian B. war nicht nur mit mehreren Gewehren ausgerüstet, als er das Gelände seiner ehemaligen Schule betrat, sondern mit nicht weniger als zehn selbst gebastelten Rohrbomben. Die Boulevardpresse, sonst einer schier grenzenlosen Sensationslust frönend, zog es diesmal vor, sich darüber auszuschweigen, an was für einer Katastrophe die Schule und der scheinbar so friedliche Ort vorbeigeschrammt ist.
Keiner sollte behaupten, dass die Herrschenden von solchen Verhältnissen nichts gewusst haben. Seit Jahren erzählen unsere eigenen Kinder von den Zuständen an den Schulen. Sie berichten von Waffengeschäften an den Schulhöfen und von den neuen militärischen Tötungskulten unter Jugendlichen. Diese Entwicklungen sind Ausdruck einer Welt ohne Zukunft. Wenn die junge Generation sich zunehmend mit Tod und Zerstörung beschäftigt, so ist das ein sicheres Anzeichen der Perspektivlosigkeit der Gesellschaft.
Aber warum unternehmen die Verantwortlichen dieser Gesellschaft nichts, um die Gewalt wenigstens einzudämmen? Nach jedem Amoklauf werden Stimmen laut, welche eine wirkungsvollere Einschränkung der Verfügbarkeit von Waffen verlangen. Aber nichts in dieser Richtung geschieht. Freilich, die Waffenlobby ist mächtig. Aber auch die Lobby der Tabakindustrie ist mächtig, und dennoch werden Maßnahmen getroffen, um wenigstens die schädlichsten Auswirkungen des Tabakkonsums für die kapitalistische Wirtschaft selbst zu begrenzen. Der Unterschied liegt darin, dass es bei den Freiheiten der Waffenindustrie um die Ausrichtung der Gesellschaft insgesamt geht. Der Kapitalismus ist wie keine andere Gesellschaft in der Menschheitsgeschichte eine Konkurrenzgesellschaft. Als solche lebt er von und durch die Gewalt. Die herrschende Klasse ist nicht nur unfähig, die spontane Gewaltentladung, die sie selbst erzeugt, einzudämmen. Sie hat dazu auch keinen Grund. Sie benötigt Gewalt, sie lebt davon. Sie kultiviert die Gewalt, und versucht dabei, sie im Sinne ihres eigenen Klasseninteresses zu kanalisieren und zu mobilisieren.
In der Woche von Emsdetten erschien das Nachrichtenmagazin Der Spiegel mit den Titel: „Die Deutschen müssen das Töten lernen“. Eben. Der Staat braucht wieder eine Jugend, die bereit ist, mit der Waffe in der Hand fürs Vaterland zu töten und zu sterben. Die jetzigen Generationen des Proletariats sind in ihrer Widerstandskraft ungeschlagen, und wollen deshalb von blutigen Heldentaten für die Nation nichts wissen. So sieht sich die Bourgeoisie gezwungen, Schleichwege einzuschlagen, um der Jugend das Gedankengut des Militarismus einzuflössen. Auch deshalb wird gegen die Gewaltvideos im Kinderzimmer und die Waffen an den Schulen nicht vorgegangen. Der westliche, demokratische Staat ruft die Bürger zu „erhöhter Wachsamkeit“ gegenüber dem islamischen Terrorismus auf – und kultiviert selbst einen Markt der Tötungswerkzeuge und der Tötungsträume, welcher für das Leben der Bevölkerung immer bedrohlicher wird. Die „zivilisierten“ Vertreter dieses Staates ereifern sich gegenüber dem islamischen Terrorismus. Aber Emsdetten hat tief blicken lassen. Was die „Volksvertreter“ am meisten wurmt, ist, dass die „eigene“ Jugend nicht mit demselben blinden Fanatismus bereit ist, für die Interessen der kapitalistischen Gangs zu sterben.