Blutige Repression in Tunesien und Algerien: die herrschende Klasse ist eine Klasse von Mördern.

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Wir veröffentlichen nachfolgend einen Artikel aus unserer Presse in Frankreich, der einen Tag vor der Flucht des tunesischen Präsidenten verfasst wurde.

Er geht auf die Entwicklung der Auseinandersetzungen seit Mitte Dezember bis Mitte Januar ein. Wir werden in kürze umfassender auf die Ereignisse eingehen.

Die internationale Solidarität der ganzen Arbeiterklasse ist gefordert!

Seit einigen Wochen findet in Tunesien eine Erhebung gegen die Armut und die Arbeitslosigkeit statt, unter der besonders die Jugend leidet. Im ganzen Land haben spontan Straßendemonstrationen, Versammlungen, Streiks stattgefunden, um gegen das Regime Ben Alis zu protestieren. Die Demonstranten fordern Brot, Arbeit für die Jugendlichen und das Recht in Würde zu leben. Gegenüber dieser Revolte der Ausgebeuteten und der Jugend ohne Zukunft hat die herrschende Klasse mit Repression reagiert. Unsere Klassenbrüder- und schwestern und deren Kinder werden bei diesen Demonstrationen massakriert, ihr Blut fließt heute in Tunesien wie in Algerien !

Die Killer und ihre Befehlsgeber an der Spitze des tunesischen und algerischen Staates zeigen die wahre Fratze unserer Ausbeuter und die Klassenherrschaft des kapitalistischen Systems auf dem ganzen Planeten. Diese Mörder sind nicht damit zufrieden, Dutzende verzweifelte Jugendliche in den Selbstmord zu treiben, nein, sie töten auch, indem sie auf die Demonstranten schießen. Die in Thala, Sidi Bouzid, Tunis und vor allem in Kasserine aufmarschierten Polizeieinheiten haben nicht gezögert, auf die Menge zu schießen und kaltblütig Männer, Frauen, Kinder zu töten. Seit dem Beginn der Zusammenstöße sind Dutzende von Leuten erschossen worden. In Anbetracht dieser Erschießungen hat die herrschende Klasse der « demokratischen Länder », insbesondere des französischen Staats, welcher ein treuer Verbündeter Ben Alid ist, keinen Finger gerührt, um die Barbarei des Regimes zu verurteilen und die Einstellung der Repression zu fordern.

Das überrascht überhaupt nicht. Alle Regierungen, alle Staaten sind Komplizen ! Die ganze Weltbourgeoisie ist eine Klasse von gierigen Mördern !

Was ist wirklich in Tunesien und Algerien passiert ?

Alles fing am Freitag, den 17. Dezember im Zentrum des Lande nach der Selbstverbrennung des jungen diplomierten 26jährigen Arbeitlosen, Mohamed Bouazizi an, dem die Polizei in Sidi Bouzig seine einzige Einkommensquelle, seinen Obst- und Gemüseverkaufswagen beschlagnahmte. Sofort hat eine breite Solidarisierungswelle und eine riesige Empörung in der ganzen Region eingesetzt. Vom 19. Dezember an kam es zu völlig friedlichen Demonstrationen gegen die Arbeitslosigkeit, die Armut und die hohen Lebenshaltungskosten (die Demonstranten hielten Baguettes in der Hand). Die Regierung reagierte unmittelbar mit Repression, was wiederum die Wut der Bevölkerung noch mehr anfachte.

Am 22. Dezember traten die Ärzte an den Universitäten zwei Tage lang in Streik, um gegen die unzureichende Ausstattung und die Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen zu protestieren. Dieser Streik dehnte sich schnell auf die Universitätskliniken im ganzen Land aus. Ebenfalls am 22. Dezember brachte sich ein anderer Jugendlicher, Houcine Neji, vor den Augen der Menge in Menzel Bouzaiane um, indem er an eine Hochspannungsleitung kletterte und vor seinem Tod verzweifelt schrie : « Ich kann nicht mehr in dieser Armut und Arbeitslosigkeit leben ». Andere Selbstmorde verschärften noch die Empörung und die Wut. Am 24. Dezember erschoss die Polizei einen 18jährigen Jugendlichen Mohamed Ammari. Ein anderer Demonstrant, Chawki Hidri, der schwer verletzt worden war, verstarb am 1. Januar. Heute beträgt die provisorische Bilanz mindestens 65 Tote durch Schussverletzungen !

Als Reaktion auf die Repression dehnte sich die Bewegung schnell auf das ganze Land aus. Diplomierte Arbeitslose demonstrierten am 25. Und 26. Dezember im Zentrum von Tunis. Versammlungen und Solidaritätskundgebungen fanden im ganzen Land statt : Sfax, Kairouan, Thala, Bizerte, Sousse, Meknessi, Regueb, Souk Jedid, Ben Gardane, Medenine, Siliana… Trotz der Repression, trotz der fehlenden Redefreiheit riefen Jugendliche und schrieben sie auf Spruchbänder : « Heute haben wir keine Angst mehr ! »

Am 27. Und 28. Dezember traten Rechtsanwälte der Solidaritätsbewegung der Bevölkerung in Sidi Bouzid bei. Als Reaktion auf die Repression gegen Rechtsanwälte, von denen viele verhaftet und verprügelt wurden, wurde für den 6. Januar ein Generalstreik der Rechtsanwälte ausgerufen. Auch Journalisten traten in Tunis und Lehrer in Bizerte in den Streik. Wie Jeune Afrique am 9. Januar betonte, waren die Protestbewegungen und die Straßenversammlungen völlig spontan ; sie unterlagen keiner Kontrolle der politischen und gewerkschaftlichen Organisationen ; sie waren von niemandem ferngesteuert : « Es steht fest, dass die Protestbewegung vor allem gesellschaftlich bedingt und spontan ist. Glaubwürdige Quellen haben uns dies versichert ». Keine Partei, keine Organisationen kann von sich behaupten, dass sie die Menge auf die Straße bringt oder diese aufhalten kann, meinte die die Regionalleitung der « Tunesischen Gewerkschaften » (l'Union générale tunisienne du travail (UGTT)).

Eine vollständige Nachrichtensperre wurde verhängt. In der Region Sidi Bouzid wurde in verschiedenen Gemeinden ein Ausgehverbot erlassen, die Armee ging dort in Stellung. In Menzel Bouzaiane konnten die Verletzten nicht befördert werden, die Bevölkerung konnte sich nicht mit Lebensmitteln versorgen, in den Schulen wurden zusätzliche Polizeikräfte untergebracht.

Um eine Beruhigung der Lage zu versuchen, durchbrach Ben Ali sein Schweigen und gab eine öffentliche 13minütige Erklärung ab, in welcher er 300.000 neue Stellen im Jahre 2011-2012 und die Freilassung aller Demonstranten versprach, mit Ausnahme derjenigen, die Vandalismus begangen hatten. Er setzte den Innenminister ab, der als Sicherheitsventil gedient hatte und verurteilte die « politische Instrumentalisierung » der Bewegung und das Verhalten einer « extremistischen » und « terroristischen » Minderheit, die darauf abzielte, den Interessen des Landes zu schaden.

Diese provozierende Rede, die die Bewegung kriminalisieren sollte, fachte die Wut der Bevölkerung noch mehr an, insbesondere die der Jugend. Vom 3. Januar an traten immer mehr Jugendliche auf den Plan ; sie setzten Handys, das Internet, insbesondere Facebook und Twitter ein, um zu einem Generalstreik der Schüler und Schülerinnen aufzurufen. Diese protestierten am 3. Und 4. Januar, ihnen schlossen sich junge arbeitslose Akademiker in Thala an. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Tränengas gegen sie ein. Im Verlaufe der Zusammenstöße wurde der Regierungssitz gestürmt und die örtliche Parteizentrale der Regierungspartei in Brand gesetzt. Der Aufruf zum landesweiten Schülerstreik, der im Internet verbreitet wurde, wurde in mehreren Städten befolgt. In Tunis, Sidi Bouzid, Sfax, Bizerte, Grombalia, Jbeniana, Sousse schlossen sich Arbeitslose den Schülern an. Solidaritätsversammlungen fanden ebenfalls in Hammamet und Kasserine statt.

Die Revolte dehnte sich auf die Universitäten aus

Dienstag, den 4. Januar, zog in Algerien in Koléa, einer Kleinstadt im Westen der algerischen Hauptstadt, eine Menge bestehend aus wütenden Arbeitslosen und Beschäftigten auf die Straße. Am gleichen Tag traten in Alger die Hafenarbeiter in den Streik, um gegen ein Abkommen zwischen dem Hafenbetreiber und den Gewerkschaften zu protestieren, das den Zuschlag für Nachtarbeit abschaffen sollte. Die Streikenden weigerten sich, dem Aufruf seitens der Gewerkschaftsführung zur Einstellung des Streiks, Folge zu leisten. Die Wut war riesig. Die Arbeiter, die ohnehin nur einen miserablen Lohn bekommen, haben große Schwierigkeiten, ihre Familien zu ernähren ; sie haben die gleichen Überlebenssorgen wie die arbeitslosen Jugendlichen von Tunis oder Algier.

Am 5. Januar breitete sich die Revolte in Algerien aus, insbesondere im Küstengebiet und in der Kabylei (Oran, Tipaza, Bejia…) mit den gleichen Forderungen zum Thema chronischer Jugendarbeitslosigkeit, Wohnungsmangel, was die Jugendlichen dazu zwingt, bei ihren Eltern wohnen zu bleiben oder in Elendswohnungen zu landen (in den Vororten von Alger findet man immer noch viele Slum-ähnliche Schlafstädte aus den 1950er Jahren, dies zwingt die Jugendlichen dazu, auf Spielplätzen zu übernachten, von denen sie regelmäßig durch den gewaltsamen Einsatz der Polizei vertrieben werden). Die Regierung reagierte sofort. Die Repressionskräfte und die Armee schlugen schnell und sehr hart zu. Allein im Stadtviertel Bab el Oued in Alger wurden Hunderte Menschen verletzt. Aber auch hier goss die blutige Repression des algerischen Staates nur Öl ins Feuer. Innerhalb einiger Tage dehnten sich die Proteste auf 20 Departements (wilayas) aus. Die offizielle Bilanz sprach von drei Toten (in M'Silla, Tipaza und Boumerdès). Die Demonstranten waren erzürnt.

« Wir können nicht mehr, wir wollen nicht mehr », « Wir haben nichts mehr zu verlieren ». Diese Rufe hörte man auf häufigsten auf den Straßen Algiers. Diese Proteste wurden ausgelöst durch neue, brutale Preiserhöhungen der Grundnahrungsmittel, die für den 1. Januar angekündigt worden waren : Der Getreidepreis wurde um 30% angehoben, Öl um 20%, Zucker um 80%. Nach fünf Tagen Repression und Verleumdungen der Bewegung ruderte Bouteflika zurück, um die Spannungen zu senken. Er versprach eine Steuersenkung für die Produkte, deren Preis erst gerade erhöht worden war.

In Tunesien hatte die Wut am 5. Januar auf dem Begräbnis des jungen Gemüseverkäufers, der sich am 17. Dezember verbrannt hatte, einen Höhepunkt erreicht. Eine Menschenmasse von 5000 Menschen bildete den Trauerzug und rief : « Wir weinen heute über deinen Tod, aber wir werden alle diejenigen zum Weinen bringen, die dich getötet haben ». Der Trauerzug schlug um in eine Kundgebung.

Die Menge rief Forderungen gegen die hohen Preise wie « Wer hat Mohamed in den Selbstmord getrieben » « Nieder mit der Regierung ». Am gleichen Abend verhaftete die Polizei Demonstranten in Jbedania und Thala. Jugendliche wurden verhaftet und von der Polizei gejagt. Am 6. Januar wurde der Streik der Rechtsanwälte zu 95% befolgt. Überall entflammten im Zentrum des Landes, im Süden, im Westen Streiks, auf den Straßen wurde demonstriert, es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei, die Auseinandersetzungen griffen gar auf den wohlhabenderen Teil des Landes, die Ostküste, über.

Polizeikräfte zogen in allen Gymnasien und Universitäten auf. In Sfax, Jbeniana, Tajerouine, Siliana, Makhter, Tela zerstreute die Polizei die Kundgebungen von Studenten, Gymnasiasten und Einwohnern brutal. In Sousse, wurde die Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät von den Ordnungskräften besetzt, Studenten wurden verhaftet. Die Regierung beschloss, alle Gymnasien und Universitäten zu schließen.

Am 7. Januar wurden bei Zusammenstößen in Regueb und Saida in der Nähe von Sidi Bouzid 6 Menschen verletzt. Demonstranten warfen Gegenstände auf Sicherheitskräfte, die Polizei schoss in die Menge. Drei Jugendliche wurden schwer verletzt. Am 8. Januar brach die offizielle Gewerkschaft UGTT schließlich ihr Schweigen, aber sie verurteilte die Repression nicht. Ihr Generalsekretär Abid Brigui begnügte sich damit, unter dem Druck der Basis zu erklären, dass er « die legitimen Forderungen der Bevölkerung Sidi Bouzids und anderer Landesteile unterstützt ». « Wir dürfen bei dieser Bewegung nicht außerhalb stehen. Wir treten an die Seite der Bedürftigen und der Arbeitslosen ». Gegenüber der Gewalt der Repression erklärte er zögerlich : « Es geht nicht, solch eine Bewegung zu verurteilen. Man darf gegen sie nicht mit Schusswaffen vorgehen. » Aber er rief überhaupt nicht zur allgemeinen Mobilisierung aller Beschäftigen auf, auch nicht zum unmittelbaren Ende der Repression, die am Wochenende des 8./9. Januar immer schärfer wurde.

In Kasserine, Thala und Regueb schlug die Repression gegen die Demonstration in ein Massaker um. Die Polizei schoss kaltblütig auf die Menge, mehr als 25 Tote wurden beklagt. In Kasserine war die Bevölkerung durch das Vorgehen der Polizei terrorisiert worden, nachdem diese sogar auf Trauerzüge gefeuert hatte. Dort weigerte sich die Armee, die durch die Ereignisse gespalten worden war, nicht nur auf die Bevölkerung zu schießen, sondern sie schritt ein und stellte sich schützend vor die Bevölkerung gegen die Bürgerkriegspolizei. Der Chef des Generalstabs des Heeres wurde abgesetzt, nachdem bekannt wurde, dass er den Befehl gegeben hatte, nicht auf die Demonstranten zu schießen. Während die Armee eingesetzt wurde, um die öffentlichen Gebäude zu schützen, wurde sie bei den direkten Schritten des Versuchs der Niederschlagung nicht zur Hilfe geholt. So verzichtete man auf den Einsatz der Armee in der Hauptstadt, wo sie abzog. In Anbetracht des Blutbads traten die Krankenhausbeschäftigten der Region, nachdem sie sich um so viele Notfälle kümmern mussten, aus Protest in den Ausstand.

Seit dem Wochenende des 8./9. Januar griff die Wut auch auf die Hauptstadt über. Am 12. Januar brachen in den Vororten von Tunis Aufstände aus. Bei der Repression kamen 8 Menschen zu Tode, darunter ein Jugendlicher durch einen Kopfschuss. Die Regierung verhängte den Ausnahmezustand. Heute ist die Hauptstadt abgeriegelt durch die Sicherheitskräfte, und die offizielle Gewerkschaft UGIT hat schlussendlich zum zweistündigen Generalstreik für Freitag, den 14. Januar, aufgerufen. Trotz der Ausgangssperre und dem massiven Aufzug von Sicherheitskräften gehen die Auseinandersetzungen in Tunis weiter; überall werden Fotos von Ben Ali verbrannt. Am 13. Januar sprangen die Revolten auf die Seebäder an der Küste über, insbesondere auf das Touristenzentrum Hammamet, wo große Geschäfte geplündert und Bilder von Ben Ali zerrissen wurden, während sich die Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei in der Hauptstadt verschärfen. Gegenüber der Gefahr, dass das Land im Chaos versinkt, gegenüber der Gefahr eines Generalstreiks und unter dem Druck der « internationalen Gemeinschaft », insbesondere seitens des französischen Staats, der zum ersten Mal anfing, Ben Ali zu « verurteilen », fing dieser an Zugeständnisse zu machen. Am Abend des 12. Januar verkündete er : « Ich habe sie verstanden », und erklärte, er werde bei den nächsten Wahlen im Jahre 2014 nicht mehr kandidieren ! Er versprach Senkungen des Zucker,-, Milch- und Brotpreises und forderte die Sicherheitskräfte auf, nicht mehr auf die Bevölkerung zu schießen, sonst « gebe es Fehler und sinnlos Tote ».

Die Komplizenschaft der « demokratischen Staaten »

Gegenüber der wilden Repression haben sich alle « demokratischen » Regierungen wochenlang damit begnügt, ihre « Sorge » zu äußern und zu « Ruhe » und zum « Dialog » aufzurufen. Im Namen des Respekts der Unabhängigkeit Tunesiens und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes hat keine von ihnen die Massaker durch die Handlanger im Auftrag Ben Alis verurteilt, auch wenn die meisten heuchlerisch bedauern, « dass exzessiv Gewalt eingesetzt wurde ». Nach dem Wochenende des 8./9. Januar hat der französische Staat offen den blutigen Diktator unterstützt. Nach einem heuchlerischen Bedauern des Gewalteinsatzes hat die Außenministerin Michèle Alliot-Marie den Repressionskräften des französischen Staates die Unterstützung durch französische Ordnungskräfte angeboten, als sie am 12. Januar vor der Nationalversammlung sagte : « Wir schlagen vor, dass das know-how unserer Sicherheitskräfte, das weltweit anerkannt ist, der Regierung angeboten wird, damit wir die Sicherheitslage im Land verbessern können ».

Das « know-how » der französischen Sicherheitskräfte ist allseits bekannt – so zum Beispiel, als durch polizeiliche Fehler zwei von Polizisten verfolgte Jugendliche 2005 durch Stromstöße ums Leben kamen, und die später ein Hauptfunken waren bei der Auslösung der Revolten in den Vorstädten. Dieses « know-how » wurde dann erneut unter Beweis gestellt beim Vorgehen gegen die Jugend, als diese gegen den CPE kämpfte, als die Bürgerkriegsbrigaden in besetzte Unis mit Hunden eindrangen, um die streikenden Studenten, die gegen Arbeitslosigkeit und Prekariat protestierten, zu verjagen. Und dieses « Sicherheits »-Know-how unserer verdienten französischen Polizisten kam auch beim Einsatz von Flash Balls zum Vorschein, als bei Protesten gegen das LRU im Jahre 2007 diese Waffe gegen Demonstranten benutzt wurde. Und bei der jüngsten Bewegung gegen die Rentenreform ging die Polizei sehr repressiv in Lyon gegen jugendliche Demonstranten vor. Hunderte Jugendliche sind schon zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt worden oder stehen kurz davor. Sicher sind die « demokratischen Staaten » zurückhaltender beim Einsatz von Gewalt und schießen heute noch nicht mit richtigen Kugeln auf Demonstranten, aber das geschieht nicht, weil sie « zivilisierter », weniger barbarisch wären oder mehr « Respekt für die Menschenrechte und die Redefreiheit » zeigten, sondern weil die Arbeiterklasse der Industriestaaten mächtiger ist und über eine längere Erfahrung mit diesen Auseinandersetzungen verfügt und solch einen Grad der Repression nicht hinnehmen würde.

Und hinsichtlich der Kriminalisierung von Protestbewegungen, die deren Niederschlagung rechtfertigen, steht die Regierung Ben Ali ihrem französischen Komplizen in nichts nach, die als erste zur Stelle war und 2006 die Studenten an den Pranger stellte sowie 2007 die Beschäftigten der SNCF, RATP (die für ihre Renten-Sonderregelungen kämpften) jeweils als « Terroristen » beschimpfte.

Es ist klar, dass die herrschende aller Länder nur die Sorge hat, den Polizeistaat « wirksam » zu verstärken, um so die kapitalistische Ordnung aufrechtzuerhalten, eine Gesellschaftsordnung, die der jungen Generation keine Zukunft anzubieten hat. Überall auf der Welt ruft nämlich diese Ordnung nur noch mehr Arbeitslosigkeit, Misere und schließlich Repression hervor.

Die offensichtliche Komplizenschaft der herrschenden Klasse weltweit zeigt, dass das kapitalistische System verantwortlich ist für das Blutbad von Tunesien, und nicht nur das korrupte Regime Ben Alis. Der tunesische Staat ist nur eine Karikatur des kapitalistischen Staats.

Die Revolte - ein Teil des weltweiten Arbeiterkampfes

Obwohl in Tunesien ein totalitäres Regime herrscht, das von Korruption befallen ist, ist die soziale Lage im Land keine Ausnahme. In Tunesien wie überall auf der Welt steht die Jugend vor dem gleichen Problem – Perspektivlosigkeit. Diese « Erhebung des Volkes » ist ein Teil des allgemeinen Kampfes der Arbeiterklasse und ihrer jungen Generationen gegen den Kapitalismus. Sie stellt eine Fortsetzung der Kämpfe dar, die seit 2006 in Frankreich, Griechenland, der Türkei, Italien, Großbritannien usw. Stattgefunden haben, wo alle Generationen sich zusammengefunden haben, um gegen die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen, die Armut, die Jugendarbeitslosigkeit, die Repression anzukämpfen. Die Tatsache, dass die sozialen Proteste von einer breiten Solidaritätsbewegung vom 17. Dezember an unterstützt wurden, zeigt, dass ungeachtet all der Schwierigkeiten des Klassenkampfes in Tunesien oder in Algerien, trotz des Gewichtes der demokratischen Illusionen aufgrund der Unerfahrenheit und des Sicherheitsapparates dieser Regime, die die Isolierung der Arbeiter/Innen und deren blutige Niederschlagung ermöglichen, diese Revolten gegen die Arbeitslosigkeit und die hohen Lebenshaltungskosten ein Teil des weltweiten Arbeiterkampfes sind.

Die Verschwörung des Schweigens, die über diesen Ereignissen lastete, ist übrigens nicht nur auf die Zensur in diesen Ländern zurückzuführen. Das Schweigen wurde durchbrochen durch ein reges Treiben der Jugend, die im Internet, bei Twitter oder Facebook diese Netzwerke als eine Waffe eingesetzt haben, um sich untereinander zu verständigen und auszutauschen, um die Repression anzuprangern. Dadurch standen sie untereinander in Verbindung, und mit ihren Familien oder Freunden im Ausland, insbesondere in Europa. Aber die bürgerlichen Medien haben überall dazu beigetragen, ein black-out zu verhängen, insbesondere gegenüber den Arbeiterkämpfen, die unvermeidlich mit diesen Kämpfen einhergingen, und über die nur sehr bruchstückhaft berichtet wurde. 1.

Diese Medien haben ebenso wie bei jedem anderen Kampf der Arbeiterklasse alles unternommen, um diese Revolte gegen die Armut und den kapitalistischen Terror zu entstellen und zu diskreditieren, indem sie diese wie üblich von Außen als eine Wiederauflage der Revolten aus den französischen Vorstädten dargestellt haben, als das Werk von unverantwortlichen « Schlägern », « Rowdies », « Plünderern » ; all das geschah in Komplizenschaft mit der Regierung Ben Alis, während viele Demonstranten diese Plünderungen als das Werk von Zivilpolizisten betrachten, die eingesetzt werden, um die Bewegung zu diskreditieren. Die Amateuraufnahmen durch Jugendliche haben ebenso Polizisten in Zivil gezeigt, die Schaufenster in Kasserine am 8. Januar zerschlagen haben, um einenVorwand zu suchen für die schreckliche Repression, die anschließend in dieser Stadt ausgeübt wurde.

In Anbetracht der kapitalistischen Barbarei, und um gegen das Schweigen und die Lügen vorzugehen, muss die Arbeiterklasse in allen Ländern ihre Solidarität mit ihren Klassenbrüdern- und Schwestern in Tunesien und Algerien zum Ausdruck bringen. Und diese Solidarität kann nur durch die Entfaltung des Klassenkampfes gegen all die Angriffe des Kapitals in allen Ländern zum Tragen kommen, gegen diese Ausbeuter, gierigen Hälse und Mörder, die ihre Privilegien nur aufrechterhalten können, indem sie die Menschheit in den Abgrund der Misere stürzen. Nur durch die Entfaltung von massiven Kämpfen, die Entfaltung ihrer Solidarität und internationalen Einheit kann die Arbeiterklasse, insbesondere in den «demokratischen» , am meisten industrialisierten Ländern der Gesellschaft eine Zukunft bieten.

Indem wir uns weigern, die Kosten für den Bankrott des Kapitalismus überall auf der Welt zu übernehmen, kann die ausgebeutete Klasse die Misere und den Terror der Ausbeuterklasse überwinden, indem sie den Kapitalismus aus der Welt schafft und eine andere Gesellschaft aufbaut, die die Bedürfnisse der gesamten Menschheit erfüllen kann und nicht auf Profit und Ausbeutung fußt.

Solidarität mit unseren Klassenbrüdern- und Schwestern im Maghreb !

Solidarität mit den jungen Arbeitergenerationen überall auf der Welt, wo diese gegen die Perspektivlosigkeit kämpft !

Um die Arbeitslosigkeit, die Misere und die Repression zu überwinden, müssen wir den Kapitalismus überwinden! W. M. (13.1.2011).

1 Erinnern wir uns daran, dass in Tunesien 2008 die Phosphatbergwerksregion Gafsas das Zentrum einer Auseinandersetzung mit der Macht war ; eine furchtbare Repression wurde ausgeübt. Im Januar 2010 hatten 5000 Streikende der SNVI und anderer Betriebe versucht, trotz des brutalen Eingreifens der Ordnungskräfte zusammenzukommen, um ihren Kampf auszudehnen und ihn in einem Industriegebiet zu vereinigen, wo 50.000 Beschäftigte in der Region Rouiba vor den Toren Algiers beschäftigt sind.

 

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