Gegen die Hetzer und gegen die Heuchler – Verteidigung der Demokratie heisst Verteidigung des Kapitalismus!

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CDU/CSU, FDP, BSW und AFD überbieten sich zur Zeit gegenseitig mit Forderungen zur Begrenzung der Migrationspolitik, verlangen resolut Rückführungen, Deportationen, Remigration von Illegalen oder von „kriminell gewordenen“ Ausländern – im gleichen Stil wie es Trump in den USA, Meloni in Italien oder die vormalige englische Regierung mit den Illegalen in Großbritannien praktizieren, die massenhaft nach Ruanda abgeschoben werden sollten.

Dabei nutzen sie das offensichtliche Scheitern eines Systems, welches sie selbst repräsentieren. Die abscheulichen, bestialischen und von Wahnsinn getriebenen Attentate wie in Magdeburg und Aschaffenburg sind für sie ein gefundenes Fressen, umso mehr noch, wenn sie von Menschen ohne deutschen Pass, ob illegal oder mit Aufenthaltserlaubnis, begangen werden. Doch ein bleiernes Schweigen zu den trostlosen Flüchtlingsunterkünften, der bürokratischen Geiselhaft von Millionen von Geflüchteten, dem perspektivlosen Dahinsiechen von tausenden von Traumatisierten. Es ist nachvollziehbar, dass man nur Abscheu und Empörung gegenüber solchen Scharfmachern und Hetzern empfinden kann. Doch mit gleichem Abscheu und Empörung müssen wir die sich moralisch aufführenden Verwalter dieser menschenverachtenden Migrationspolitik bedenken.

Wir dürfen uns nicht hinters Licht führen lassen und uns für Aufrufe zur Verteidigung der Demokratie, der Brandmauer gegen AfD usw.  einspannen lassen. Die angeblich aufrichtigen, integren demokratischen Parteien wie SPD und Grüne, die sich alle als die „feinen“, „sauberen“, Demokraten herausputzen wollen, sind Teil des gleichen Regimes. Die Eskalation durch Merz gibt ihnen nun die Chance sich umso heuchlerischer als die moralisch Aufrechten zu präsentieren. Was dieses bedeutet, durften wir schon oft genug in der Begeisterung für den Krieg in der Ukraine dieser rot-grünen Antifaschisten erleben. In Wirklichkeit wollen sie uns mit ihrer „Brandmauer“ für die Verteidigung eines Herrschaftssystems einspannen, das nur der Aufrechterhaltung und Verschleierung der Herrschaft des Kapitalismus dient.

Zum Schutz des kapitalistischen Systems organisierte die Sozialdemokratie 1919 unter dem Vorwand des Kampfes für die Demokratie die Ermordung von Tausenden von Arbeitern und Arbeiterinnen. Mit einer demokratischen Legitimation sorgen die Regierungen dafür, dass Millionen von verzweifelten Flüchtlingen, die angesichts von Kriegen, Umweltzerstörung und Unterdrückung eine Überlebenschance in der EU suchen, an den Grenzen mit militärischen Mitteln durch die Festung Europa zurückgehalten werden, zur Not mit push-backs. Die gleiche Konstellation in den USA, wo die demokratisch gewählte Regierung Trump massenhaft Deportationen Illegaler massiv verstärkt.

Die „feinen“ Demokraten wollen uns mit ihrem Brandmauergerede hinter den Staat locken. Sich von ihnen für die Verteidigung der Demokratie einspannen zu lassen, bedeutet zur Verteidigung der Kapitalherrschaft beizutragen.

Lenin erinnerte in Staat und Revolution an Marx’ Analyse nach der Pariser Kommune 1871; „Marx hat dieses Wesen der kapitalistischen Demokratie glänzend erfaßt, als er in seiner Analyse der Erfahrungen der Kommune sagte: den Unterdrückten wird in mehreren Jahren einmal gestattet, darüber zu entscheiden, welcher Vertreter der unterdrückenden Klasse sie im Parlament ver- und zertreten soll!“

Wir dagegen müssen eintreten für die Überwindung aller Staaten, aller Nationen, d.h. für die Überwindung des Kapitalismus, der nur noch Kriege und Zerstörung für uns bereithält. Der Hetze der Populisten, den heuchlerischen und heimtückischen Lockrufen der „feinen“ Demokraten zur Verteidigung ihres ausbeuterischen Systems entgegenzutreten, heißt nicht an die Wahlurnen zu eilen oder zu Protesten als „Bürger“ zusammenzukommen. Stattdessen müssen wir uns all dem als Beschäftigte und Arbeitslose, kurz als ProletarierInnen, die kein Vaterland kennen, die nichts als ihre Ketten zu verlieren haben, geschlossen entgegenstellen.

Nur der internationale Klassenkampf kann eine Perspektive zu einer besseren Gesellschaft bieten!

2. Februar 2025

INTERNATIONALE KOMMUNISTISCHE STRÖMUNG IKS

 

FASCHISMUS? DEMOKRATIE? KOMMUNISMUS (BILAN Nr. 13, 1934)

Die zentrale Frage, die sich gegenwärtig der Arbeiterbewegung stellt, ist, welche Haltung sie gegenüber der Demokratie einnehmen soll, genauer gesagt, soll sie die vom Faschismus bedrohten demokratischen Institutionen verteidigen oder nicht, wo dieser doch gleichzeitig zur Zerstörung der proletarischen Organisationen schreitet. Auf diese Frage ist – wie bei anderen auch – die einfachste Lösung nicht die klarste, sie entspricht in keinster Weise der Wirklichkeit des Klassenkampfes. So widersprüchlich es auch auf den ersten Blick erscheinen mag, der Arbeiterbewegung gelingt es nur unter der Bedingung ihre Organe vor dem Angriff der Reaktion zu schützen, indem sie ihre Kampfpositionen beibehält, sie nicht mit dem Los der Demokratie verbindet und den Kampf gegen die faschistischen Angriffe führt ohne die Fortsetzung ihres Kampfs gegen den demokratischen Staat aufzugeben. Ist in der Tat einmal die Verbindung von Arbeiterbewegung und den demokratischen Institutionen eingeführt, dann sind die politischen Voraussetzungen für das sichere Unglück der Arbeiterklasse geschaffen, denn der demokratische Staat erhält durch die Unterstützung der Arbeitermassen nicht die Möglichkeit zu leben und zu überleben, sondern die notwendige Voraussetzung, um sich in ein autoritäres Regime umzuwandeln, oder das Signal zu seinem Verschwinden, um seinen Platz der neuen faschistischen Organisation zu überlassen.

Wenn man die gegenwärtige Lage für sich allein betrachtet, ohne sie in Zusammenhang zu bringen mit dem, was ihr voraus ging und was ihr folgen wird, wenn man nur die gegenwärtigen Positionen der politischen Parteien berücksichtigt, ohne diese mit der Rolle in Verbindung zu bringen, die sie »in der Vergangenheit« einnahmen und zukünftig beibehalten werden, reisst man die unmittelbaren Umstände und die gegenwärtigen politischen Kräfte aus dem allgemeinen historischen Zusammenhang, was es dann leicht macht, die Wirklichkeit auf folgende Weise darzustellen: der Faschismus geht zum Angriff über, das Proletariat hat allen Grund, seine Freiheiten zu verteidigen, und daraus ergibt sich für dieses die Notwendigkeit, eine Verteidigungsfront für die bedrohten demokratischen Institutionen aufzubauen. Vertuscht mit einem revolutionären Anstrich wird diese Position unter dem Schein einer angeblich revolutionären Strategie präsentiert und als grundlegend »marxistisch« ausgegeben. Von da ab wird das Problem auf folgende Weise eingeführt: zwischen der Bourgeoisie und der Demokratie offenbart sich eine Unverträglichkeit; infolgedessen pfropft sich das Interesse der Arbeiter, die ihnen von der Demokratie zugestandenen Freiheiten zu verteidigen, natürlicherweise auf ihre besonderen revolutionären Interessen auf und so wird der Kampf zur Verteidigung der demokratischen Institutionen zu einem antikapitalistischen Kampf!

Diesen Vorschlägen liegt eine offensichtliche Begriffsverwirrung zugrunde, zwischen Demokratie, demokratischen Institutionen, demokratischen Freiheiten und Arbeiterpositionen, die man fälschlicherweise als »Freiheiten der Arbeiter« bezeichnet. Aus theoretischer wie aus historischer Sicht stellen wir fest, dass zwischen Demokratie und Arbeiterpositionen ein unauflösbarer und unversöhnlicher Gegensatz besteht. Der Aufstieg und Sieg des Kapitalismus wurde von einer ideologischen Bewegung begleitet, die in wirtschaftlicher wie politischer Hinsicht grundsätzlich folgenden Standpunkt einnimmt und zum Ausdruck bringt: Auflösung der Einzelinteressen und Einzelforderungen der Individuen, Gruppierungen und insbesondere der Klassen innerhalb der Gesellschaft. Die Gleichheit der einzelnen Bestandteile scheint deshalb möglich, weil die Individuen ihr Wohl und Wehe den Staatsorganismen anvertrauen, die die Gemeinschaftsinteressen repräsentieren. Es ist nützlich festzustellen, dass die liberale und demokratische Theorie die Auflösung von gegebenen Klassen und Schichten von »Bürgern« voraussetzt, die kein anderes Interesse hätten, als freiwillig einen Teil ihrer Freiheit abzutreten, um als Gegenleistung den Schutz ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung zu erhalten.

(…) Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, eine Kritik des der Demokratie zugrundeliegenden Prinzips zu machen, um zu beweisen, dass die »freien und gleichen Wahlen« nur eine Fiktion sind, die die Abgründe verschleiern, die die Klassen der bürgerlichen Gesellschaft trennen. Um was es uns hier geht, ist, klar aufzeigen zu können, dass zwischen dem demokratischen System und Arbeiterpositionen ein unauflösbarer Gegensatz besteht. Jedesmal, wenn es den Arbeitern gelang, zum Preis von heldenhaften Kämpfen und unter Opfer ihres Lebens, eine Klassenforderung gegenüber dem Kapitalismus durchzusetzen, haben sie als Nachwirkung der Demokratie, die nur der Kapitalismus für sich beanspruchen kann, einen schweren Schlag versetzt. Die Verkündung der Lügenhaftigkeit des demokratischen Prinzips ist eine Bedingung für die geschichtliche Mission des Proletariats, das liegt in ihrer Natur selbst begründet, wie auch in der Notwendigkeit, die Klassenunterschiede und die Klassen selbst aus der Welt zu schaffen. Am Ende des Weges, den das Proletariat im Verlauf des Klassenkampfs zurücklegt, wird sich keine rein demokratische Herrschaft vorfinden, da das Prinzip, auf welchem die kommunistische Gesellschaft gründet, die Abwesenheit einer die Gesellschaft leitenden staatlichen Macht ist, wohingegen sich die Demokratie genau das zum Anliegen macht und auch in ihrer liberalsten Form stets bestrebt ist, über alle Ausgebeuteten das Scherbengericht zu verhängen, die es wagen, ihre Interessen mit Hilfe ihrer Organisationen zu verteidigen, anstatt den demokratischen Institutionen untergeordnet zu bleiben, die allein zu dem Zweck geschaffen wurden, die Ausbeutung der Arbeiterklasse aufrechtzuerhalten.

(…) Der Kampf für die Demokratie stellt also eine gewaltige Abweichung dar, um die Arbeiter von ihrem Klassenboden wegzureissen und sie zu den widersprüchlichen Seiltänzen zu verführen, dort wo der Staat seine Metamorphose von der Demokratie zum faschistischen Staat vollzieht. Die Zwangslage Faschismus-Antifaschismus wirkt also nur im ausschliesslichen Interesse des Feindes; der Antifaschismus und die Demokratie schläfert die Arbeiter ein, um sie danach den Faschisten ans Messer zu liefern, betäubt die Arbeiter, damit sie den Platz und den Weg ihrer Klasse aus den Augen verlieren. (…)

 

DAS DEMOKRATISCHE PRINZIP (Bordiga, Rassegna Comunista Nr. 18, 1922)

(…) Da die Gesellschaft in Klassen geteilt ist, die sich infolge von ökonomischen Privilegien krass voneinander unterscheiden, können Mehrheitsentscheidungen keine Bedeutung haben. Der demokratische und parlamentarische Staat liberaler Verfassung erhebt den Anspruch, eine Organisation aller Bürger im Interesse aller Bürger zu sein. Das ist ein Betrug. Solange Interessengegensätze und Klassenkämpfe bestehen, ist keine Organisationseinheit möglich. Obwohl ein Schein von Volkssouveränität zur Schau getragen wird, bleibt der Staat das Organ der ökonomisch herrschenden Klasse und das Instrument zum Schutz ihrer Interessen. Obwohl in der bürgerlichen Gesellschaft die politische Vertretung (die parlamentarischen Organe) demokratisch gewählt werden, betrachten wir diese Gesellschaft als einen Komplex aus verschiedenen anderen Organisationen und Vereinigungen. Viele davon werden von den privilegierten Schichten gebildet und verfolgen die Aufrechterhaltung der bestehenden Gesellschaftsordnung. Sie schliessen sich daher um die mächtige und zentralisierte Organisation des Staatsapparates zusammen. Andere verhalten sich neutral oder ändern von Fall zu Fall ihre Haltung gegenüber dem Staat. Andere schliesslich entstehen innerhalb der besitzlosen und ökonomisch ausgebeuteten Klassen; sie richten sich gegen den bestehenden Klassenstaat. Der Staat hat also keineswegs den Charakter einer Vereinigung aller Bürger oder der ganzen Nation. Und daran können die politische und rechtliche Gleichheit aller Bürger, die formale Anwendung des demokratischen Prinzips bzw. des Mehrheitsrechts überhaupt nichts ändern, weil eine ökonomisch bedingte Klassenteilung besteht. Die politische Demokratie gibt offiziell vor, einen Staat aller Bürger errichtet zu haben. In Wirklichkeit ist sie jedoch die Staatsform, die sich für die Herrschaft der kapitalistischen Klasse und die Aufrechterhaltung ihrer Privilegien besonders gut eignet. Sie ist die spezifische Form der bürgerlichen Diktatur im echtesten Sinne des Wortes. (...)

 

 

Rubric: 

Ideologische Kampagnen