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September 2004

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Anmerkungen zur Geschichte der imperialistischen Konflikte im Nahen Osten, 3. Teil

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Die ersten zwei Artikel dieser Serie über die imperialistischen Konflikte im Nahen Osten (veröffentlicht in der Internationalen Revue Nr. 34, 35) verdeutlichten die Manipulation des arabischen und zionistischen Nationalismus durch die Großmächte, besonders durch Großbritannien, mit dem Zweck, die Region zu dominieren. Sie wurden ebenso benutzt als eine Waffe gegen die Drohung seitens der Arbeiterklasse zu einem Zeitpunkt, der direkt auf die Russische Revolution folgte. In diesem Artikel setzen wir die Studie der imperialistischen Rivalitäten in der Region im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges und des Krieges selbst fort, um den blanken Zynismus der imperialistischen Politik jeder Fraktion der Bourgeoisie zu enthüllen.

Zionisten und arabische Nationalisten wählten ihr Lager im imperialistischen Krieg

Sowohl die palästinensischen Bauern und Arbeiter wie auch die jüdischen Arbeiter wurden mit der falschen Alternative, nämlich sich auf die Seite des einen oder anderen Flügels der Bourgeoisie (palästinensisch oder jüdisch) zu stellen, konfrontiert. Diese falsche Alternative bedeutete, dass die Arbeiter auf das Terrain der militärischen Konfrontation gezogen wurden für rein bürgerliche Forderungen. Während der 1920er Jahre gab es eine Reihe von gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Juden und Arabern und zwischen Arabern und den britischen Besatzungstruppen.

Diese Zusammenstöße verstärkten sich nach der Weltwirtschaftskrise von 1929. Ein Faktor, der für diese Intensivierung verantwortlich war, war die zunehmende Einwanderung von jüdischen Flüchtlingen, die vor den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise und der Unterdrückung flohen, die die Nazis begonnen hatten gegen die Juden in Szene zu setzen. Dazu kam noch die vom Stalinismus durchgeführte Repression. Zwischen 1920 und 1930 verdoppelte sich die Zahl der Einwanderer, zwischen 1933-39 erreichten einige 200’00 neue Einwanderer Palästina, so dass 1939 die Juden 30% der Bevölkerung ausmachten.

Der breitere historische und internationale Rahmen war die allgemeine, weltweite Verschärfung der imperialistischen Konflikte. Palästina und der Nahe Osten im Ganzen waren tiefgreifend betroffen von der weltweiten Neuausrichtung der imperialistischen Kräftekonstellation während der 1930er Jahre.

Einerseits machte es die katastrophale Niederlage des Proletariats (Sieg der stalinistischen Konterrevolution in Russland, des Faschismus und Nazismus in Italien und Deutschland, Einreihung der Arbeiter unter das Banner des “Antifaschismus” und der Volksfront in Frankreich und Spanien 1936) sowohl jüdischen als auch arabischen Arbeitern nahezu unmöglich, den zunehmend blutigen Kämpfen zwischen den jüdischen und arabischen Bourgeoisien eine internationalistische Klassenfront entgegenzustellen. Die weltweite Niederlage der Arbeiterklasse öffnete der Bourgeoisie den Spielraum, um den Weg für einen neuen generalisierten Weltkrieg frei zu machen. Zur gleichen Zeit entflohen immer mehr Juden der Unterdrückung und den Pogromen in Europa und verschärften so die Konflikte zwischen Arabern und Juden in Palästina.

Andererseits begannen die traditionellen imperialistischen Rivalitäten in der Gegend (zwischen den Franzosen und Briten) zu verschwinden, als neue und für die alten Banditen gefährlichere Rivalen die Gegend betraten. Italien, bereits in Libyen anwesend nach einem Krieg mit der Türkei 1911, begann 1936 eine Invasion Abessiniens (heute Äthiopien) und drohte damit, Ägypten und den strategischen Suez-Kanal einzukreisen. Deutschland, das mächtigste Mitglied der faschistischen Achse, arbeitete im Hintergrund, um seinen Einfluss auszubauen, indem es Unterstützung für örtliche nationalistische und imperialistische Ambitionen anbot, besonders in der Türkei, im Irak und Iran[1] [1].

Der historische Kurs in Richtung generalisierter Krieg sollte den Nahen Osten verschlingen. Seit dem Ende des Ersten Weltkrieges hatten die Zionisten die allgemeine Bewaffnung der Juden gefordert. In der Tat hatte man mit dieser Bewaffnung schon zuvor im Geheimen begonnen. Die zionistische “Selbstverteidigungs”organisation, Hagan, die während des Ersten Weltkrieges gegründet worden war, wurde in eine richtige militärische Einheit umgewandelt. 1935 wurde eine getrennte Terroristengruppe, Irgun Zwai Leumi - bekannt als Ezel – mit etwa 3-5000 Kämpfern gegründet. Die “allgemeine Wehrpflicht” wurde in der jüdischen Gemeinschaft eingeführt; alle jungen Männer und Frauen zwischen 17 und 18 Jahren mussten an diesem Militärdienst im Untergrund teilnehmen.

Die palästinensische Bourgeoisie ihrerseits erhielt bewaffnete Unterstützung von Nachbarländern. 1936 gab es eine weitere Eskalation von Zusammenstößen zwischen zionistischen und arabischen Nationalisten. Im April 1936 rief die palästinensische Bourgeoisie einen Generalstreik gegen die britischen Herrscher aus. Diese sollten gezwungen werden, ihren pro-zionistischen Standpunkt aufzugeben. Die arabischen Nationalisten mit Amin Hussein an der Spitze riefen die Bauern und Arbeiter auf, ihren Kampf gegen die Juden und Briten zu unterstützen. Der Generalstreik dauerte bis Oktober 1936 – und wurde erst abgeblasen nach einem Appell von Nachbarstaaten wie Transjordanien, Saudi-Arabien und Irak, die begonnen hatten, eine palästinensische Guerilla zu bewaffnen.

Die gewalttätigen Zusammenstöße dauerten bis 1938 an. Die britischen “Beschützer” mobilisierten Truppen von 25’000 Mann, um ihren strategischen palästinensischen Außenposten zu verteidigen.

Angesichts der allgemeinen Destabilisierung der Lage schlug die britische Bourgeoisie 1937 eine Teilung von Palästina in zwei Sektoren vor (Bericht der Peel Kommission). Die Juden sollten den fruchtbaren Nordteil Palästinas, die Palästinenser den weniger fruchtbaren Südosten bekommen, Jerusalem sollte unter internationales Mandat gestellt werden und mit dem Mittelmeer durch einen Korridor verbunden sein. Sowohl zionistische als auch palästinensische Nationalisten wiesen den Plan der Peel-Kommission zurück. Ein Flügel der Zionisten bestand auf völliger Unabhängigkeit von Großbritannien, sie bewaffneten sich weiterhin selbst und intensivierten ihre Guerillaaktionen gegen die britischen Besatzungskräfte.

Indem es einen Plan präsentierte, der Palästina in zwei Teile trennen sollte, hoffte Großbritannien seine Vorherrschaft in diesem strategisch lebenswichtigen Teil der Welt beizubehalten. Einem Teil der Welt, der zudem ein starkes Ansteigen imperialistischer Spannungen erlebte – besonders mit Deutschland und Italien, die versuchten in die Region einzudringen.

Während die Französische Volksfront Syrien 1936 die Unabhängigkeit gewährte, die jedoch erst drei Jahre später umgesetzt werden sollte, erklärte Frankreich 1939 Syrien erneut zu einem Französischen Protektorat.

Diese neue Ausrichtung der imperialistischen Kräfte war eine tatsächliche Quelle von Schwierigkeiten für die britische Bourgeoisie, die nun jedes Interesse daran hatte, die Situation in Palästina zu beruhigen und jede Konfliktpartei davon abzuhalten, Unterstützung bei einem von Großbritanniens Hauptrivalen zu suchen. Aber als der Konflikt zwischen jüdischen Einwanderern und Arabern immer bitterer wurde, begannen die Parteigänger der Politik nach dem alten Grundsatz “teile und herrsche” ihre Projekte einer Revision zu unterziehen.

Großbritannien musste versuchen, die arabischen Nationalisten zu “neutralisieren” und die Zionisten dazu zu zwingen, sich bei ihrer Forderung nach einer “nationalen Heimat” für die Juden etwas zurück zu halten.

Großbritannien verabschiedete ein Weißbuch, das die von Juden besetzten Territorien zu einer “Nationalen Heimstätte” der Juden erklärte und bestimmte, dass weiterhin nach einem Zeitraum von 5 Jahren, während dem die jährliche Einwanderung von Juden die Zahl von 75’000 nicht überschreiten sollte, die jüdische Einwanderung ganz aufhören sollte – und das zu einer Zeit, als die Massaker am jüdischen Volk in Europa in die Millionen gingen ... Gleichzeitig sollte der Landkauf durch Juden begrenzt werden.

Diese Erklärungen waren dazu gedacht, die zunehmenden arabischen Proteste zu zügeln und die Araber davon abzuhalten, sich gegen die Briten zu wenden.

Angesichts der steigenden Gewalt zwischen Zionisten und arabischen Nationalisten wurde eine weitere Eskalation des Konflikts nur dadurch vereitelt, weil ein übergeordneter Konflikt – die Konfrontation zwischen Deutschland, Italien und ihren Feinden, d.h. die Formation der Achse in Europa – diesen Konflikt für weitere 10 Jahre in den Hintergrund drängte.

Und der bedrohlich näher rückende Weltkrieg zwang die Nationalisten auf beiden Seiten – die arabische Bourgeoisie und die Zionisten – erneut, sich ihr imperialistisches Lager auszusuchen.

Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges entschlossen sich die Zionisten, sich auf die Seite Großbritanniens zu begeben und Stellung gegen den deutschen Imperialismus zu beziehen. Sie stellten ihre Forderung nach einem eigenen jüdischen Staat zurück, solange Großbritannien von deutschen Angriffen bedroht war.

Innerhalb der arabischen Bourgeoisie führte der Krieg zu einer Spaltung – einige Fraktionen schlugen sich auf die britische Seite, andere auf die deutsche.

Der Nahe Osten und seine Rolle im Zweiten Weltkrieg

Sogar als die hauptsächlichen Schlachtfelder während des Zweiten Weltkrieges Europa und der Ferne Osten waren, spielte der Nahe und Mittlere Osten eine entscheidende Rolle für Großbritanniens und Deutschlands lang angelegte strategische Planung.

Für Großbritannien blieb die Verteidigung seiner Positionen im Nahen Osten eine Angelegenheit von Leben und Tod, um sein Kolonialreich zu bewahren, denn, sollte Ägypten verloren gehen, war Indien in Gefahr, in deutsche oder japanische Hände zu fallen. Am Vorabend der deutschen Versuche 1940 Großbritannien mit einer Invasion zu bedrohen, mobilisierte Großbritannien ca. 250’000 Mann zur Verteidigung des Suezkanals.

Die deutsche militärische Planung in Bezug auf den Nahen Osten sah mehrere Kehrtwendungen. Zu Beginn des Krieges, zumindest für eine gewisse Zeit, war es Deutschlands Strategie, mit Russland ein geheimes Abkommen über das östliche Anatolien zu treffen. Vergleichbar mit den Geheimabkommen zwischen Stalin und Hitler über Polen (Russland und Deutschland vereinbarten, Polen unter sich aufzuteilen), schlug der deutsche Außenminister Ribbentrop im November Stalin gegenüber vor, dass Russland und Deutschland ihre Interessensphären an der iranischen Grenze und entlang der nördlichen und südöstlichen anatolischen Flanke unter sich aufteilen sollten. (Die Palästinensische Frage 1917-1948, Palästina und die Nahostpolitik der europäischen Mächte und der USA, 1918-48, Seite 193) Aber die deutsche Invasion Russlands im Sommer 1941 beendete schließlich solche Pläne.

Eines der langfristigen militärischen Ziele Deutschlands, das 1941 vom Führungsstab der Reichswehr formuliert wurde, lautete, sobald Russland erfolgreich besiegt worden sei, solle Deutschland Großbritannien aus dem Nahen und Mittleren Osten und Indien vertreiben. Sofort nach der zu erwartenden Niederlage Russlands plante die Reichswehr eine globale Offensive, um den Irak zu besetzen, Zugang zu den irakischen Ölquellen zu finden und britische Positionen im Nahen und Mittleren Osten und im Indischen Ozean zu bedrohen. Deutschland allein war jedoch nicht in der Lage, eine solche Offensive zu starten. Um den Irak “erreichen” zu können, musste Deutschland noch einige Hindernisse aus dem Weg räumen: Es musste die Türkei auf seine Seite ziehen – die noch zwischen Großbritannien und Deutschland hin- und herschwankte. Deutsche Truppen mussten durch Syrien (das noch unter französischer Besatzung war) und den Libanon marschieren. Dies bedeutete, dass Deutschland das Vichy Regime um Erlaubnis fragen musste, bevor die Reichswehr Syrien und den Libanon passieren konnte. Und es musste auf die Hilfe schwächerer Teile seiner Allianz zählen – namentlich auf Italien, das unzureichende militärische Mittel besaß, um Großbritannien anzugreifen. Solange die deutsche Militärplanung sich in erster Linie auf die Mobilisierung seiner Truppen gegen Russland konzentrieren musste, war es unfähig, mehr Truppen im Mittelmeerraum aufmarschieren zu lassen. Sehr gegen seinen Willen, nachdem italienische Truppen von den britischen 1940-41 in Libyen besiegt worden waren, intervenierte 1942 das deutsche Afrika-Korps unter Rommel und versuchte die britische Armee aus Ägypten zu vertreiben und den Suezkanal zu erobern. Aber Deutschland hatte nicht die Mittel, um eine weitere Front in Afrika und dem Nahen Osten zu unterhalten, erst recht, nachdem seine Offensive gegen Russland zum Stehen gekommen war.

Zur gleichen Zeit wurde das deutsche Kapital mit seinen eigenen unüberwindlichen Widersprüchen konfrontiert. Einerseits zielte es auf die “Endlösung” ab (Holocaust, die Verschleppung und Vernichtung aller Juden), was bedeutete, dass das deutsche Kapital die Juden zur Flucht zwang, wovon folglich viele von ihnen nach Palästina vertrieben wurden. Nazipolitik war also zu einem großen Teil verantwortlich für die Zunahme jüdischer Flüchtlinge, die in Palästina ankamen – eine Situation, die das deutsche Kapital in Widerspruch brachte mit den Interessen der palästinensischen und arabischen Bourgeoisie.

Andererseits musste der deutsche Imperialismus Ausschau halten nach Alliierten unter den arabischen Bourgeoisien, um gegen die Briten zu kämpfen. Deshalb propagierten die Nazis den Ruf der arabischen Bourgeoisie nach nationaler Einheit und unterstützten deren Ablehnung einer nationalen Heimat für die Juden[2] [1].

In verschiedenen Ländern gelang es dem deutschen Imperialismus, einige Fraktionen der arabischen Bourgeoisie auf seine Seite zu ziehen.

Im April 1941 stürzten Teile der Armee die Regierung des Irak und bildeten eine Regierung der nationalen Verteidigung unter Rachid Ali al-Kailani. Diese Regierung deportierte all diejenigen, die als pro-britisch betrachtet wurden. Die palästinensischen Nationalisten, die ins irakische Exil gegangen waren, bildeten Freiwilligenbrigaden unter der Führung von al-Hussein und diese Einheiten beteiligten sich am Kampf gegen die Briten.

Als die britische Armee gegen die pro-deutsche Regierung im Irak intervenierte, entsandte Deutschland zwei Luftwaffenverbände. Die deutsche Armee hatte jedoch keine ausreichenden logistischen Möglichkeiten zur Verfügung, um seine Truppen über eine solche Distanz zu unterstützen. Zur großen Enttäuschung der pro-deutschen irakischen Regierung musste Deutschland seine Verbände zurückziehen. Die britische Armee dagegen mobilisierte nicht nur ihre eigenen Truppen, sie benutzten auch eine zionistische Spezialeinheit gegen Deutschland. Großbritannien entließ den zionistischen Terroristen David Raziel, einen Führer der zionistischen Organisation Irgun Zvai Leumi aus britischer Internierung und betraute ihn mit einer Spezialmission. Seine Einheit sollte Ölfelder im Irak sprengen und Mitglieder der pro-deutschen Regierung ermorden.

In diesem Stadium gelang es jedoch der deutschen Jagdfliegerstaffel, den zionistischen Terroristen abzuschießen, der in einem britischen Flugzeug geflogen war. Dieser Vorfall – trotz seiner begrenzten militärischen Bedeutung – enthüllt, für welche fundamentalen Interessen Großbritannien, als die absteigende “Supermacht” und Deutschland als der “Herausforderer” kämpften, mit welchen Beschränkungen sie zu rechnen hatten, und auf welche Verbündete sie sich in der Region verließen.

Der Mufti von Jerusalem, Amin al-Hussein, war in den Irak geflohen und der Führer der pro-deutschen irakischen Regierung, Ali al-Keilani musste aus dem Irak fliehen. Über die Türkei und Italien gelang es ihnen nach Berlin zu entkommen, wo sie im Exil blieben. Palästinensische und irakische Nationalisten genossen den Schutz und das Exil, das ihnen von den Nazis angeboten wurde.

Zur selben Zeit neigten die pro-deutschen Teile der arabischen Bourgeoisie dazu, sich nur solange auf die Seite Deutschlands zu schlagen, wie der deutsche Imperialismus im Vorteil war. Nach dessen Niederlage bei el-Alamein 1942 und in Stalingrad 1943, als sich der Wind gegen den deutschen Imperialismus drehte, wechselten die pro-deutschen Teile der arabischen Bourgeoisie die Seiten oder wurden von den pro-britischen Teilen der örtlichen Bourgeoisie verdrängt.

Die Niederlage der Deutschen zwang auch die Zionisten dazu, ihre Taktik zu ändern. Während sie Großbritannien solange unterstützt hatten, wie die Kolonialmacht unter der Nazibedrohung lag, so nahmen sie jetzt ihre Terrorkampagne gegen die Briten in Palästina wieder auf. Diese sollte bis 1948 andauern. Eine führende Figur unter den zionistischen Terroristen war Menachem Begin (der später Premierminister von Israel wurde und der zusammen mit Yasser Arafat den Friedensnobelpreis verliehen bekam). Unter anderen ermordeten die Zionisten den englischen Minister Lord Moyne in Kairo.

Um arabische Sympathie zu gewinnen und die arabischen Nationalisten davon abzuhalten, sich näher in Richtung ihres deutschen imperialistischen Rivalen zu bewegen, errichtete Großbritannien eine Seeblockade vor Palästina, um den Zustrom jüdischer Flüchtlinge zu zügeln. Die westliche Demokratie war bereit, ihrer imperialistischen Interessen willen den Zustrom von Flüchtlingen zu regulieren. Die Juden mögen sich erleichtert gefühlt haben, dem Tod in den Nazikonzentrationslagern entkommen zu sein, aber die britische Bourgeoisie war nicht willens, dass sich die Juden in Palästina niederließen – denn die Ankunft der Juden in diesem Moment passte nicht in ihre imperialistischen Pläne[3] [1].

Die Ähnlichkeit zwischen der Situation des Ersten und des Zweiten Weltkrieges ist auffallend. Alle örtlichen imperialistischen Fraktionen mussten zwischen dem einen und dem anderen imperialistischen Lager wählen. Das dominante imperialistische Lager, Großbritannien, herausgefordert durch Deutschland, verteidigte seine Macht mit Zähnen und Klauen.

Deutschland stand jedoch unüberwindlichen Hindernissen in dieser Region gegenüber: seinen schwächeren militärischen Fähigkeiten (über solch große Entfernungen intervenieren zu müssen, überforderte seine militärischen und logistischen Mittel) und sein Mangel an starken und verlässlichen Alliierten. Deutschland war nicht in der Lage, irgendeinem seiner Alliierten eine Belohnung anzubieten; weder hatte es die militärischen Mittel, ein Land in seinen Block zu zwingen noch Schutz gegen den anderen Block anzubieten.

So konnte es nur die Rolle eines “Herausforderers” spielen gegenüber der vorherrschenden Macht jener Zeit – Großbritannien. Es konnte niemals mehr tun als die britischen Positionen zu untergraben, und es war unfähig, selbst einen festen strategischen Außenposten einzurichten oder ein Land standhaft in seinem Machtbereich zu halten.

Globale imperialistische Umgruppierung im Nahen und Mittleren Osten

Zur selben Zeit änderte sich im Zweiten Weltkrieg zwischen den alliierten Mächten das Gleichgewicht der Kräfte.

Die USA stärkten ihre Position auf Kosten Großbritanniens. Großbritannien, das durch den Krieg ausgeblutet war und am Rand des Bankrotts stand, verschuldete sich gegenüber den USA. So wie in jedem Krieg veränderte sich die imperialistische Hackordnung.

Schließlich wandten sich die zionistischen Organisationen ab 1942 in Richtung der USA, um deren Unterstützung für die Schaffung einer jüdischen Heimat in Palästina zu gewinnen. Im November traf sich der Jewish Emergency Council in New York und wies das britische Weißbuch von 1939 zurück. Die Schlüsselforderung war die Umwandlung Palästinas in einen unabhängigen zionistischen Staat – eine Forderung, die den britischen Interessen widersprach.

Bis zum Zweiten Weltkrieg waren es hauptsächlich die westeuropäischen Mächte, die im Nahen und Mittleren Osten zusammenstießen (Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland). Und während Frankreich und Großbritannien die Hauptnutznießer des Zusammenbruchs des Osmanischen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg waren, so wurden diese beiden Länder nun vom amerikanischen und russischen Imperialismus übertrumpft, die beide danach strebten, den britischen und französischen kolonialen Einfluss auszubremsen.

Russland unternahm alles, um jede Macht zu unterstützen, die danach strebte, die britische Position zu schwächen. Über die Tschechoslowakei lieferte es Waffen an die zionistischen Guerillakräfte. Die USA lieferten ebenso Waffen und Geld an die Zionisten – obwohl letztere gegen ihren britischen Kriegsalliierten kämpften.

Nachdem der Ferne Osten ein zweites Zentrum der Kriegführung im Zweiten Weltkrieg geworden war, blieb der Nahe Osten am Rand der weltweiten imperialistischen Konfrontationen. Der Beginn des Kalten Krieges sollte jedoch den Nahen Osten in das Zentrum imperialistischer Rivalitäten ziehen. Während der Koreakrieg (1950-53) eine der ersten großen Konfrontationen zwischen dem Ost- und dem Westblock  war, sollte die Gründung des Staates Israel am 15. Mai 1948 einen anderen Kriegsschauplatz eröffnen, der für Jahrzehnte im Zentrum der Ost-West-Konfrontationen bleiben sollte.

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts im Nahen Osten zeigte, dass nationale Befreiung unmöglich geworden war und dass alle lokalen bürgerlichen  Fraktionen in die globalen imperialistischen Konflikte zwischen den größeren imperialistischen Rivalen hineingezogen wurden. Mehr denn je hat das Proletariat keine imperialistische Seite, die es auswählen könnte.

Die Gründung des Staates Israel 1948 markierte die Eröffnung einer weiteren Runde von 50 Jahren blutiger Konfrontationen. Mehr als 100 Jahre von Konflikten im Nahen Osten haben unwiderlegbar illustriert, dass das verfallende kapitalistische System nichts anderes anzubieten hat als Krieg und Vernichtung.            

DE (Herbst 2004)

 

 

 

 

 

 



[1] [1] Der Schah des Iran (Vater des Schahs, der später von Khomeini gestürzt werden sollte) wurde 1941 von den Briten wegen seiner vermuteten pro-Nazi Sympathien abgesetzt.

[2] [1] Im Ersten Weltkrieg hatte der deutsche Imperialismus aus strategischen Gründen bereits die Idee eines arabischen “Dschihad” gegen Großbritannien gepflegt, weil er so hoffte, die britische Vorherrschaft im Nahen und Mittleren Osten schwächen zu können – sogar dann, wenn ein Widerspruch nicht zu überwinden war, nämlich dass ein arabischer “Dschihad” sich notwendigerweise gegen den türkischen Imperialismus richten würde, Deutschlands Alliiertem im Nahen Osten.

[3] [1] Großbritannien zum Beispiel hinderte ein Schiff mit mehr als 5000 jüdischen Flüchtlingen an Bord daran, in palästinensische Häfen einzulaufen, weil dies gegen die britisch-imperialistischen Interessen gewesen wäre. Das Schiff wurde auf eine Odyssee zurück ins Schwarze Meer gesandt, wo es von der russischen Armee versenkt wurde – mehr als 5000 Juden ertranken. Im Mai 1939 reisten 930 jüdische Flüchtlinge an Bord des Hapag-Lloyd-Dampfers “St-Louis” nach Kuba. Sobald sie kubanische Gewässer erreicht hatten, wurde ihnen das Einlaufen verweigert. Das Schiff wurde von der US-Küstenwache davon abgehalten, in den  Hafen von Miami einzulaufen – trotz wiederholter Appelle zahlreicher “Persönlichkeiten”. Schließlich wurde das Schiff zurück nach Europa gesandt – wo die meisten der jüdischen Flüchtlinge im Holocaust massakriert wurden. Sogar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, zur Zeit der Blockade der palästinensischen Küste durch britische Schiffe, versuchten 4’500 Flüchtlinge auf dem Schiff “Exodus” die Blockade zu durchbrechen. Die britischen Besatzungskräfte wollten nicht, dass das Schiff Haifa anlief, die jüdische Terrororganisation Haganah wollte das Schiff mit all den Flüchtlingen an Bord als ein Mittel benutzen, um die britische Blockade zu durchbrechen. Die Briten deportierten die Passagiere nach Hamburg.

Den Zynismus der westlichen Bourgeoisie in Bezug auf das Schicksal der Juden entlarvte der PCI Le Prolétaire in seinem Text Auschwitz – das große Alibi).

Geographisch: 

  • Naher Osten [2]

Theoretische Fragen: 

  • Imperialismus [3]

Erbe der kommunistischen Linke: 

  • Die nationale Frage [4]

Massaker von Beslan, Chaos im Irak:

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Ein weiterer Schritt im Zerfall des Kapitalismus

Die gegenwärtige Entwicklung des Kapitalismus stürzt die Welt in ein „Entsetzen ohne Ende“, in eine irrsinnige Zuspitzung von Attentaten, Entführungen, Geiselnahmen, Bombardierungen und Morden. Im Irak überschreitet dies alles, was man sich vor einigen Jahren überhaupt vorzustellen wagte. Doch auch der Rest der Welt, vor allem in den strategisch wichtigen Zonen, ist davor nicht mehr gefeit. Die grausamen Morde von Beslan in Nordossetien sind ein schreckliches Zeugnis. Die Ernsthaftigkeit der heutigen Situation lässt nicht nur „einzelne Schwarzmaler“ von einem Chaos sprechen, sondern auch die Medien und die Politik sprechen in diesen Worten.

Das Massaker von Beslan zeigt uns wie tief der Kapitalismus in der Barbarei versunken ist: Die Tatsache, dass Kinder als Geiseln genommen und von tschetschenischen Terroristen als Druckmittel eingesetzt werden, zeigt eine abscheuliche Haltung gegenüber Mitmenschen. Das Vorgehen der Terroristen mündet nicht in einen Hass gegen Institutionen oder eine Regierung, sondern gegen Menschen, welche das Pech haben, nicht derselben nationalistischen Clique anzugehören. Und auch der russische Staat scheut vor keinem Massaker an der Zivilbevölkerung zurück, um seine Autorität durchzusetzen. Das Resultat dieser Spirale ist bekannt: eine Destabilisierung des gesamten russischen Kaukasus, das Ausbrechen einer Serie von ethnischen oder religiösen Konflikten und die Herrschaft von Banden in jeder Region, deren Ziele vor allem in ethnischen Verfolgungen bestehen.

Im Irak herrscht ein Krieg Jeder gegen Jeden. Die Medien und gewisse linke Gruppen sprechen von einer „nationalen Widerstandsbewegung“[1] Dies ist absolut falsch. Es existiert kein „nationaler Befreiungskampf gegen die amerikanischen Besetzer“. Was sich dort abspielt ist ein Aufspriessen von verschiedensten Gruppen auf der Basis von Clans, Territorien oder religiöser Besessenheit, welche sich gegenseitig zerfleischen und gleichzeitig gegen die Besatzer losschlagen. Jede religiöse Gruppe ist in verschiedenste Cliquen aufgeteilt die einander gegenüberstehen. Anschlägen gegen Staatsangehörige und gegen Journalisten, welche nicht am Krieg beteiligt sind, zeigen nur noch deutlicher die Blindheit und Anarchie in diesem Krieg. Es herrscht ein totales Durcheinander, in dem die gesamte arbeitende Bevölkerung, die Stromversorgung und auch das Trinkwasser eine Geisel in den Händen jeder Seite in diesen blindwütigen Zusammenstössen geworden sind. Ein Terror, welcher jenen der Zeiten unter Saddam Hussein bei weitem übertrifft.

Ein isolierter Blick auf die lokalen und unmittelbaren Begebenheiten lässt uns diese Situation jedoch nicht wirklich verstehen. Alleine eine historische und internationale Sichtweise ermöglicht uns, die Natur, die Wurzeln und eine mögliche Perspektive zu erkennen. Wir haben schon verschiedenste Male versucht, einen Rahmen für das Verständnis der heutigen Situation darzulegen und begrenzen uns hier auf die wichtigsten Aspekte.

Der Terrorismus wird ein bestimender Faktor in der Entwicklung des Imperialismus

Gleich nach dem Zusammenbruch des Ostblocks 1989 und angesichts der hochtrabenden Versprechen über eine „Neue Weltordnung“ von Bush senior hatten wir eine entgegengesetzte Entwicklung vorausgesagt, diejenige einer neuen Unordnung auf dieser Welt. In einem Orientierungstext von 1992 hatten wir folgende Analyse entwickelt: „Das Ende der Blöcke eröffnet die Türe zu einer noch wilderen und chaotischeren Form des Imperialismus“, welche sich durch „noch gewalttätigere und zahlreichere Konflikte vor allem in den Regionen, wo das Proletariat am schwächsten ist“[2], auszeichnet. Diese Tendenz, welche sich in den vergangenen 15 Jahren nur bestätigt hat, war nicht ein mechanisches Resultat des Verschwindens des „Blocksystems“, sondern Resultat des Eintritts des Kapitalismus in seine letzte Phase der Dekadenz, die sich durch einen generalisierten Zerfall auszeichnet[3]. Auf der Ebenen des Krieges ist das Chaos wohl das herausragendste Zeichen des Zerfalls. Es drückt sich einerseits durch eine Zunahme der imperialistischen Konfliktherde aus, welche offen ausbrechen[4] und bei denen unterschiedlichste, sich gegenüberstehende imperialistische Interessen bestehen. Auf der anderen Seite drückt es sich durch die zunehmende Instabilität der imperialistischen Allianzen aus, und aufgrund dessen durch eine Unfähigkeit der Grossmächte, die Situation auch nur vorübergehend zu stabilisieren[5].

Auf der Basis dieser Analyse haben wir beim Ausbruch des ersten Golfkrieges gesagt, dass „nur noch die militärische Gewalt in einer Welt des zunehmenden Chaos ein Minimum an Stabilität garantieren kann“ und dass in dieser Welt „der mörderischen Unordnung und des blutigen Chaos der amerikanische Weltpolizist versucht ein Minimum an Kontrolle aufrecht zu erhalten, indem er sein militärisches Potential immer massiver einsetzt“.

Doch in der heutigen Situation hat der Einsatz militärischer Kräfte alles andere als eine Besänftigung der Konflikte zur Folge, sondern den Verlust jeglicher Kontrolle. Und dies ist auch das Schicksal der USA im Irak-Krieg, bei dem sie in eine bodenlose Falle geraten sind. Die grossen Schwierigkeiten der führenden Weltmacht schwächen ihre Rolle als Weltpolizist und stimulieren die Machenschaften und Gelüste aller anderen Imperialisten, ob gross oder klein, auch jene von Banden – wie in Tschetschenien, dem Irak oder der Al Kaida – welche nicht über einen eigenen Staat verfügen. Das Schachbrett der internationalen Beziehungen erinnert an einen riesigen Jahrmarkt auf dem sich alle ohne Erbarmen bekämpfen und damit den Grossteil der Weltbevölkerung in einen Albtraum stürzen.

Das Chaos und die Zersetzung der sozialen Beziehungen erklären, weshalb der Terrorismus zu einer wichtigen Waffe im Krieg zwischen rivalisierenden imperialistischen Staaten geworden ist[6]. In den 80er-Jahren war der Terrorismus die „Bombe der Armen“, eine Waffe der schwächsten Staaten, um sich im imperialistischen Konzert Gehör zu verschaffen (Syrien, Iran, Libyen). In den 90er-Jahren ist er zu einer Waffe der imperialistischen Konkurrenz zwischen den Grossmächten geworden, welche mit ihren Geheimdiensten mehr oder weniger direkt die unaufhörlichen Aktionen von Banden steuerten (IRA, ETA usw.). Die Attentate 1999 in Russland und die Twin Towers 2001 zeigten, dass „die blinden terroristischen Anschläge durch fanatische Kamikaze-Kommandos, welche direkt die Zivilbevölkerung treffen, von den Grossmächten ausgenutzt werden um die Entfesselung der kapitalistische Barbarei zu rechtfertigen“[7]. Mehr und mehr herrscht eine Tendenz, in der sich diese Banden vor allem in Tschetschenien und Islamisten aller Färbung als „unabhängig“ von ihren alten Unterstützern[8] erklären und versuchen, ihre eigene Karte auf dem imperialistischen Schachbrett zu spielen.

All dies ist Zeugnis des Chaos, welches die imperialistischen Beziehungen dominiert und der Unfähigkeit der Grossmächte, ihre Hexenlehrlinge zu kontrollieren. Trotz aller grössenwahnsinnigen Erklärungen können jedoch diese Kriegsherren nie eine komplett unabhängige Rolle spielen, da sie von den Geheimdiensten der Grossmächte unterwandert sind, die ihrerseits versuchen, sie zu ihren Gunsten zu manipulieren, was zu einer noch verstärkteren Konfusion bei den imperialistischen Rivalitäten führt.

Zentralasien, Epizentrum des weltweiten Chaos

Zentralasien mit seinen Schlüsselregionen Afghanistan im Osten, Saudi-Arabien im Süden, dem Kaukasus und der Türkei im Norden und der orientalischen Mittelmeerküste (Syrien, Palästina usw.) im Westen bildet das strategische Herz des Planeten, da es die wichtigsten Energiereserven besitzt und sich im Fadenkreuz der entscheidenden See- und Landwege der imperialistischen Expansion befindet.

Die Staaten dieser Region sind einer Tendenz der Zuspitzung und Entfesselung des Krieges zwischen allen Fraktionen der Bourgeoisie unterworfen. Das Epizentrum bildet der Irak, von wo aus sich die Welle der Gewalt in alle Richtungen verbreitet: wiederkehrende Attentate in Saudi-Arabien, welche nur die Spitze des Eisberges eines blutigen Kampfes um die Macht darstellen; ein offener Krieg in Israel und Palästina; Krieg in Afghanistan; eine Destabilisierung des russischen Kaukasus; Attentate und Zusammenstösse in Pakistan; Attentate in der Türkei und eine kritische Situation im Iran und in Syrien[9]. Dies haben wir schon im Editorial der Internationalen Revue 33 bezüglich der Situation im Irak beschrieben, wo sich die Lage bis heute noch mehr zugespitzt hat: „Dieser Krieg tritt soeben in eine neue Phase ein. Er wandelt sich in eine Art internationaler Bürgerkrieg. Im Irak finden die Zusammenstösse immer häufiger nicht nur zwischen dem ‚Widerstand‘ und den amerikanischen Truppen statt, sondern zwischen den diversen Kräften der Saddam-Anhänger, den wahabitisch inspirierten Sunniten (zu denen sich auch Ossama bin Laden zählt), den Schiiten, Kurden und Turkmenen. In Pakistan entwickelt sich mit dem Bombenattentat gegen eine schiitischen Prozession (mit 40 Toten) und der umfangreichen Militäroperation der pakistanischen Armee in Waziristan an der afghanischen Grenze ein Bürgerkrieg. In Afghanistan können all die Erklärungen über die Festigung der Regierung Karzai nicht darüber hinwegtäuschen , dass die Regierung nur Kabul und die nähere Umgebung kontrolliert, und auch dies nur unter grössten Anstrengungen. Der Bürgerkrieg im gesamten Süden des Landes verrichtet weiterhin ein zerstörerisches Werk. In Israel und Palästina verschlechtert sich die Situation mit dem Einsatz von Kindern zum Transport von Bomben durch die Hamas.“

Eine ähnliche Situation hat sich schon in verschiedenen afrikanischen Ländern abgespielt (Kongo, Somalia, Liberia usw.), die in einen endlosen Bürgerkrieg abgeglitten sind. Doch die Tatsache dass dies nun auf brutalste Art und Weise auch in der Region stattfindet, welche das strategische Herzstück der Welt bildet, hat schwerwiegendste Auswirkungen auf die internationale Situation.

Auf strategischer Ebene sind es vor allem die „traditionellen“ Expansionsbedürfnisse des deutschen Imperialismus Richtung Asien, welche damit blockiert werden. Die Interessen einer Grossmacht wie England sind durch die Destabilisierung Zentralasiens ebenfalls bedroht. Die gegenwärtige Situation ist wie eine Splitterbombe, die auch Russland (dies zeigt deutlich die Situation im Kaukasus, wo die Tragödie von Beslan nur ein Ausdruck davon ist), die Türkei, Indien und Pakistan verletzt, aber auch andere Regionen erreicht wie Osteuropa, China und Nordafrika. Da diese Region die Energiereserven des Planeten birgt, wird ihre Destabilisierung auch schwerwiegende Auswirkungen auf die ökonomische Situation zahlreicher Industriestaaten haben, wie die steigenden Ölpreise deutlich zeigen. Das Gravierendste an der heutigen Situation aber ist die Unfähigkeit der Grossmächte, diesem Prozess der Destabilisierung auch nur vorübergehend Einhalt zu gebieten. Dies trifft für die USA zu, wo der „Krieg gegen den Terrorismus“ zu einem Mittel geworden ist, um selbst überall den Terrorismus und kriegerische Konflikte zu säen. Die honigsüssen Appelle der Rivalen (Deutschland, Frankreich usw.) zur Einsetzung einer „multilateralen“ Weltordnung, die auf dem „internationalen Recht“ und einer „internationalen Zusammenarbeit“ beruhen soll, sind lediglich Mystifikationen, welche in den Köpfen der Arbeiter eine Konfusion über die wirklichen Interessen der herrschenden Klasse in dieser Region verbreiten sollen. Schlüpfrige Bananenschalen unter die Füsse des amerikanischen Mammuts zu werfen ist eines der einzigen wirksamen Mittel welches sie gegen die militärische Übermacht der USA wirksam einsetzen können.

Der Weltkapitalismus befindet sich in einer unüberwindbaren Situation von Widersprüchen: Der Einsatz brutaler militärischer Gewalt durch die grösste Weltmacht ist der letzte Versuch geworden, um das herrschende Chaos ein wenig einzudämmen, doch zeigt sich dieser Versuch nicht nur wirkungslos, sondern wird selber zum Hauptfaktor der Beschleunigung des Chaos.

Nur die Arbeiterklasse kann eine andere Perspektive anbieten

Auch wenn die amerikanische Armee weitaus die stärkste der Welt ist, breitet sich in ihren Truppen eine Demoralisierung aus und sie hat immer mehr Probleme, ihre Reihen zu füllen. Die Welt befindet sich nicht in derselben Lage wie zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, als die Arbeiterklasse – am Ende der weltrevolutionären Welle geschlagen und unter die Fahnen des Nationalismus getrieben – eine enorme Reserve an Kanonenfutter für den Krieg war.

Heute ist das Proletariat nicht geschlagen und selbst der mächtigste Staat der Erde hat nicht die Mittel, Millionen von Arbeitern für den Krieg zu gewinnen. Das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen ist heute der Schlüssel zur Entwicklung der Gesellschaft.

Nur die Arbeiterklasse ist fähig, das Abgleiten in die kapitalistische Barbarei zu stoppen. Sie ist die einzige Kraft, welche der Menschheit eine andere Perspektive anbieten kann. Das Entstehen revolutionärer Minderheiten auf der ganzen Welt ist Ausdruck einer unterirdischen Reifung des Bewusstseins innerhalb der Arbeiterklasse. Sie sind ein sichtbares Zeichen der Anstrengungen der Arbeiterklasse eine proletarische Antwort auf die heutige Situation zu geben. Der Weg ist schwierig und mit zahlreichen Hindernissen bestückt. Ein Hindernis sind Illusionen über falsche „Lösungen“, welche die verschiedenen Teile der herrschenden Klasse anbieten. Auch wenn viele Arbeiter Bushs schamloser Kriegstreiberei misstrauen und sehen, dass der „Krieg gegen den Terrorismus“ die Konflikte und den Terrorismus nur noch zuspitzt, so fällt es ihnen schwer, die pazifistischen Mystifikationen zu durchschauen, welche sich Bushs Gegner wie Schröder, Chirac, Zapatero und Kompanie auf die Fahnen schreiben. Und noch schwieriger ist es, den Charakter der Cliquen zu durchschauen, die der Bourgeoisie treu zur Seite stehen: die radikalen Linken und Antiglobalisierer. Wir dürfen keine Illusionen haben: all diese Fraktionen der herrschenden Klasse sind Zahnräder in der tödlichen Maschine des Kapitalismus, welche die Gesellschaft in den Abgrund reisst.

Die ganze Geschichte des vergangenen Jahrhunderts bestätigt die Analyse, die vom 1. Kongress der Kommunistischen Internationale formuliert wurde: „Der Menschheit, deren ganze Kultur jetzt in Trümmern liegt, droht die Gefahr vollständiger Vernichtung. (...) Die alte kapitalistische „Ordnung“ existiert nicht mehr, sie kann nicht mehr bestehen. Das Endresultat der kapitalistischen Produktionsweise ist das Chaos. Und dieses Chaos kann nur die grösste, produktive Klasse überwinden: die Arbeiterklasse. Sie muss eine wirkliche Ordnung schaffen, die kommunistische Ordnung. Sie muss die Herrschaft des Kapitals brechen, die Kriege unmöglich machen, die Grenzen der Staaten vernichten, die ganze Welt in eine für sich arbeitende Gemeinschaft verwandeln, die Verbrüderung und Befreiung der Völker verwirklichen.“[10]

Um sich für diese gewaltige Aufgabe zu rüsten, muss das Proletariat mit Geduld und Ausdauer seine Klassensolidarität entwickeln. Der zerfallende Kapitalismus will uns an den Horror gewöhnen und uns weismachen, dass die von ihm verursachte Barbarei „Normalität“ sei. Die Arbeiterklasse kann gegenüber diesem Zynismus nur mit Empörung reagieren und ihm ihre Solidarität gegenüber den Opfern all der endlosen Konflikte und Massaker durch die verschiedensten kapitalistischen Banden entgegenstellen. Abscheu und Zurückweisung gegen alles, was der zerfallende Kapitalismus der Menschheit antut und die Solidarität zwischen den Mitgliedern einer gesellschaftlichen Klasse, welche gemeinsame Interessen hat, sind entscheidende Faktoren in der Entwicklung des Bewusstseins dass eine andere Perspektive möglich ist, die nur von der geeinten Arbeiterklassen erkämpft werden kann.

Mir. 26. 9. 2004

[1] Die parasitäre Gruppe GCI wagt es, dies sogar als „Klassenkampf“ zu bezeichnen.

[2] s. Militarismus und Zerfall, in: Internationale Revue Nr. 13.

[3] s. Thesen über den Zerfall, in: Internationale Revue Nr. 13 und: Die marxistischen Wurzeln der Erkenntnis über den Zerfall, (s. Artikel in der vorliegenden Internationale Revue Nr. 34).

[4] Statistiken der UNO zählen heute Einundvierzig lokale Kriegsherde auf der Welt.

[5] Die Unmöglichkeit einer Regelung des Konfliktes Israel – Palästina und die Perspektive von nie endenden Zusammenstößen ist eine bittere Illustration.

[6] Wir haben dies schon in folgendem Artikel analysiert: Der Terrorismus, Waffe und Legitimation für den Krieg, in: Internationale Revue Nr.112, (engl., franz., span. Ausgabe).

[7] s. Pearl Harbour 1941, Twin Towers 2001, in: Internationale Revue Nr. 29.

[8] Es muss daran erinnert werden, dass diese Kriegsherren in den 80er-Jahren treue Diener der Grossmächte waren: Bin Laden arbeitete in Afghanistan für die USA und Balajev, der vermutliche Kommandant auf tschetschenischer Seite im Massaker von Beslan, ist ein ehemaliger Offizier der russischen Armee.

[9] Auch der stärkste Staat dieser Region, Israel, ist vor dieser Tendenz nicht gefeit, auch wenn sie sich in einer milderen Form manifestiert. Die radikalsten Fraktionen der Rechten rufen dort, als Antwort auf den Plan Sharons zu einem Rückzug der jüdischen Siedlungen aus dem Gaza-Streifen, zur Desertion aus der Arme und den Polizeikräften auf.

[10] s. Richtlinien der Kommunistischen Internationale“, angenommen auf dem 1. Kongress, 2. bis 6. März 1919, in: Die Kommunistischen Internationale: Manifeste, Leitsätze, Thesen und Resolutionen” Bd, 1, Intarlit (1984) und: www.sinistra.net/komintern/dok/1krichtkid.html [5]

Geographisch: 

  • Tschetschenien [6]

Aktuelles und Laufendes: 

  • Irak [7]

Theoretische Fragen: 

  • Zerfall [8]

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Links
[1] https://de.internationalism.org/content/1034/anmerkungen-zur-geschichte-der-imperialistischen-konflikte-im-nahen-osten-3-teil [2] https://de.internationalism.org/tag/geographisch/naher-osten [3] https://de.internationalism.org/tag/3/43/imperialismus [4] https://de.internationalism.org/tag/2/33/die-nationale-frage [5] http://www.sinistra.net/komintern/dok/1krichtkid.html [6] https://de.internationalism.org/tag/geographisch/tschetschenien [7] https://de.internationalism.org/tag/aktuelles-und-laufendes/irak [8] https://de.internationalism.org/tag/3/54/zerfall