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Von schwarzen und weissen Schafen Oder: Wer schwingt die Schweizer Fahne am besten?
“Anfang vom Ende der SVP - Der Geheimplan des Schwarzen Schafes ist aufgegangen – Blocher weg, der Niedergang der SVP eingeläutet” – so frohlockte das Komitee “Das Schwarze Schaf” am 13. Dezember 2007 nach der Abwahl des rechtspopulistischen Christoph Blocher aus der Landesregierung. Dieses Komitee war im August 2007 gegründet worden, um die parlamentarische Linke “von links unten unter Druck zu setzen”[1].
Die Vertreter der Schweizerischen Volkspartei (SVP) umgekehrt jammern, dass mit dieser Wegwahl Blochers aus dem Bundesrat der Wille des Volkes missachtet worden sei, da dieses die SVP zur stärksten Partei im Parlament gemacht habe. Es sei undemokratisch, wenn die wählerstärkste Partei nicht die von ihr selbst nominierten Kandidaten in der Exekutive habe.
Für den Ausgang der Parlaments- und Regierungswahlen verweisen wir auf den Kasten “Zahlen und Fakten den Wahlen”.Am 13. Dezember schnaubte also die SVP, und die Linke frohlockte. Diese feierte ihren Sieg, jene kündigte an, in die Opposition zu gehen und schloss ihre beiden Bundesräte, die sich nicht auf der Mehrheitslinie befinden, aus der Fraktion, nicht aber aus der Partei aus[2].
Wessen Sieg?
Es waren keineswegs nur ein paar sozialdemokratische und grüne Parteistrategen, die sich am 13. Dezember 2007 über den geglückten Schachzug freuten. Fast alle, die sich als fortschrittlich gesinnt betrachten, atmeten auf. Junge Leute zogen mit roten Fahnen – ohne Schweizerkreuz – nach Bern, um diesen “Sieg der fortschrittlichen Kräfte” zu feiern. Wer hat nun gewonnen? – Werden die Ausschaffungen von papierlosen Ausländern aufhören? Werden mehr Flüchtlinge in der Schweiz aufgenommen? Werden weniger Knäste gebaut? Werden die Angriffe auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter und Arbeiterinnen aufhören? Wird die neue Regierung weniger nationalistisch sein als die alte?Bleiben wir bei den Fakten! Das Parlament – diese Schwatzbude, wie sie von Revolutionären seit über 100 Jahren genannt wird – wählte den Wunschkandidaten der SVP, Blocher, nicht mehr. Die SVP ist nun in der Landesregierung mit zwei Mitgliedern vertreten, die nicht die offizielle rechtspopulistische, sondern die für eine Bauernpartei normale rechtskonservative Linie vertreten. Doch selbst wenn die SVP überhaupt nicht mehr im Bundesrat wäre, würde die Mitte-Links-Regierung sämtliche Angriffe gegen die Arbeiterklasse genau so durchziehen, wie sie es schon in den 1990er Jahren getan hat. Es waren Sozialdemokraten, die in jener Zeit die bisher erfolgten Angriffe auf die Altersrenten, den Bau von Ausschaffungsgefängnissen, die Verabschiedung ausländerfeindlicher Gesetze (Asylgesetzrevision, neues Ausländergesetz) usw. vorbereiteten und umsetzten. Die Rentenreform des aktuellen FDP-Innenministers Pascal Couchepin wurde von seiner Vorgängerin, der sozialdemokratischen Bundesrätin Ruth Dreifuss, eingeleitet. Das grösste Ausschaffungsgefängnis der Schweiz, dasjenige am Flughafen Zürich, wurde unter der Verantwortung der kantonalen SP-Justizdirektoren Moritz Leuenberger (heute Bundesrat) und Markus Notter gebaut und eingeführt. Wer hat also gesiegt? – Gesiegt haben diejenigen, die uns ein X für ein U vormachen wollen. Gesiegt hat in erster Linie die parlamentarische Linke, die behauptet, dass man mit Wahlen und Abstimmungen “etwas” bewirken könne. Gesiegt haben diese Teile des Staatsapparats, die die Arbeiterklasse möglichst lange mit solcher Propaganda einlullen wollen: “Vertraut uns! Wir vertreten in Bern in den nächsten vier Jahren eure Interessen! Wählt uns, die Linken!”Schäfchenplakate und schlechtes Image der Schweiz im Ausland
Doch die herrschende Klasse konnte in Bern noch einen weiteren wichtigen Erfolg verbuchen: Sie konnte das ramponierte Ansehen im Ausland wieder etwas aufbessern. Im Vorfeld der Parlamentswahlen vom Oktober 2007 zeigten sich die (mehr oder weniger) demokratischen Medien der ganzen Welt schockiert über den Rassismus der SVP im Allgemeinen und ihre Schäfchenplakate im Besonderen. Dieses Wahlplakat zeigt drei weisse Schafe, die auf einer Schweizerfahne stehen, eines von ihnen tritt ein schwarzes Schaf und stösst es weg. Die ausserparlamentarische Linke (Hand in Hand mit der parlamentarischen) gründete im Vorfeld der Wahlen das Komitee “Das Schwarze Schaf”. Dieses organisierte am 6. Oktober eine Gegendemonstration gegen eine Demonstration der SVP vom gleichen Datum, gegen den “Marsch nach Bern”, mit welchem Motto das Komitee auf Mussolinis Marsch auf Rom 1922 anspielte. Die rot-grüne Stadtregierung von Bern verweigerte der Gegendemonstration die Bewilligung. Es kam zum Einsatz von Tränengas und Gummischrot und der erwartungsgemässen Antwort in der Form von eingeschlagenen Schaufenstern und brennenden Containern. Diese Bilder gingen um die Welt. Nicht alle Medien berichteten so wohlwollend über die “Schwarzen Schafe” wie die New York Times, welche die Gegendemonstranten als Beschützer einer weltoffenen Demokratie lobte. Aber alle – von den US-amerikanischen über die westeuropäischen bis zu türkischen und russischen Zeitungen – waren sich einig in der Ablehnung der ausländerfeindlichen SVP und ihres geplanten “Marsches auf das Parlament”.Und genau diese Weltöffentlichkeit zeigte sich beruhigt, als Christoph Blocher am 13. Dezember in der Regierung durch eine “gemässigte” SVP-Frau ersetzt wurde. Die spanische Tageszeitung El Pais beispielsweise kommentierte noch am selben Tag erleichtert die Abwahl des “Caudillo von Zürich”.Diese Vermeidung eines weiteren Imageschadens war für die Schweizer Bourgeoisie wichtig. Sie kann es sich auf keinem Gebiet leisten, sich gegenüber dem Ausland im Allgemeinen oder der EU im Besonderen abzuschotten. Die massgebenden Kreise der herrschenden Klasse, die durch den nun gewählten Bundesrat ganz tauglich vertreten sind, lehnen sich in der Aussen- und Wirtschaftspolitik an die EU an, da an eine Unabhängigkeit im Stile Wilhelm Tells ohnehin nicht zu denken ist.Alle Probleme der Herrschenden gelöst?
Soweit wäre also alles in Butter für die Regierenden in der Schweiz: Die Demokratie hat gesiegt, und dies hat sie den Linken (auch denen von links unten) zu verdanken.
Doch die Gesellschaft, in der wir immer noch zu leben gezwungen sind, wäre nicht der Kapitalismus, wenn sich die Probleme so leicht lösen liessen. Es darf daran gezweifelt werden, dass die irrationale Mythen mobilisierende, fremdenfeindliche SVP durch das geglückte Manöver der Linken ernsthaft geschwächt wird. Rechtspopulistische Parteien haben in der Opposition in der Regel mehr Erfolge als in der Regierung[3].
Aber ein zweites Problem ist durch den vollzogenen Schritt noch weniger gelöst: Die Bourgeoisie wird über kurz oder lang mit Kämpfen der Arbeiterklasse konfrontiert sein. Die linken Parteien der Bourgeoisie haben die Aufgabe, diese Kämpfe ins Korsett der bestehenden Ordnung (z.B. Parlamentarismus und gewerkschaftliche Kämpfe) zu zwängen. Dies gelingt denjenigen Kräften am besten, die nicht durch Regierungsverantwortung kompromittiert sind. Die Sozialdemokraten befinden sich seit über 60 Jahren in der Regierung. Kein Zufall, dass sie selbst in Zeiten zunehmender Unzufriedenheit in der Arbeiterklasse je länger je mehr Stimmen verlieren. Seit der Abwahl von Blocher gilt der Bundesrat als wesentlich von der SP geprägt (Mitte-Links-Regierung). Und links der SP gibt es keine bedeutende Partei, die als “Arbeiterpartei” auftreten könnte. Weder Stalinisten noch Trotzkisten haben in der Schweiz ein nennenswertes Gewicht. Insofern hat die Bourgeoisie in der Schweiz längerfristig ein Problem.
Doch die Arbeiterklasse kann in ihrem Kampf für die eigene Befreiung nicht auf die Schwächen des Gegners setzen. Sie muss ihre eigenen Stärken in die Waagschale werfen: erstens ihre Einheit und Solidarität in den Kämpfen gegen die Verschlechterungen der Lebensbedingungen und zweitens ihr Bewusstsein. Das Bewusstsein darüber, dass diese kapitalistischen Ordnung nicht durch neue Bundesräte belebt, sondern durch eine Revolution der Arbeiter und Arbeiterinnen überwunden werden muss. MD, 17.1.08Zahlen und Fakten zu den Wahlen
Im Oktober 2007 fanden die nationalen Parlamentswahlen statt. Traditionell gibt es in der Schweiz vier grosse Parteien:- die Sozialdemokratische Partei (SP),- die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP, katholisch),- die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP, liberal),- die Schweizerische Volkspartei (SVP, bis vor etwa 20 Jahren die Partei der Bauern und Kleinunternehmer, heute in ihrer Mehrheit rechtspopulistisch).Bei diesen Parlamentswahlen war einmal mehr die SVP die Siegerin. In der grösseren der beiden Kammern des Parlaments, im Nationalrat, kam sie auf 29 % der Stimmen, d.h. auf 2,3 % mehr als bei den letzten Wahlen vor vier Jahren. Die Verliererinnen waren einerseits die SP, die im Nationalrat noch gerade auf 19,5 % der Stimmen kam im Vergleich zu 23,3 % vor vier Jahren, und die FDP mit einem Verlust von 1,7 % (jetzt noch 15,6 %). Umgekehrt haben die Grünen ebenso viele Stimmen gewonnen wie die FDP verloren und besetzen im Nationalrat nun 10 % der Sitze.Die CVP mobilisierte 14,6 % der Wähler und ist damit etwa gleich stark geblieben wie bei den letzten Wahlen. In der kleinen Kammer, dem Ständerat, der die Kantone repräsentiert (zwei Ständeräte pro Kanton) ist die CVP mit 15 von insgesamt 46 Sitzen stärker vertreten, da hier die kleinen, ländlichen und oft katholischen Kantone relativ ein grösseres Gewicht haben.Eine der ersten Aufgaben des neu gewählten Parlaments ist jeweils die Wahl der Regierung, die aus sieben Ministern (Bundesräten) besteht. Da dem Nationalstaat Schweiz mit seiner Viersprachigkeit und dem grossen Gewicht der verschiedenen Regionen je nach Situation starke Zentrifugalkräfte innewohnen, ist die Bourgeoisie im Laufe des Zweiten Weltkriegs dazu übergegangen, alle gewichtigen politischen Parteien in die Regierung zu integrieren. Damals wählte sie zum ersten Mal einen Sozialdemokraten in den Bundesrat. Ende der 1950er Jahre wurde diese Regel noch verfeinert mit der so genannten Zauberformel: Von nun an sollten die grössten vier Parteien ungefähr entsprechend ihrem Wähleranteil im Bundesrat vertreten sein. Vor vier Jahren erhielt deshalb die SVP einen zweiten Sitz im Bundesrat, und zwar auf Kosten der CVP, deren Bundesrätin Ruth Metzler damals abgewählt wurde; seither stellt die CVP nur noch einen Bundesrat. Das Aushängeschild der SVP, Christoph Blocher, wurde neu in den Bundesrat gewählt (vgl. Artikel in Weltrevolution Nr. 122, /content/914/bundesratswahlen-der-schweiz).
Im Gegensatz zu jenen Bundesratswahlen vor vier Jahren, die nach einem im Voraus von allen vier grossen Parteien bestimmten Plan abliefen, kam es diesmal, am 12./13. Dezember 2007, zu einer Überraschung: Christoph Blocher wurde als Bundesrat nicht bestätigt; an seiner Statt wurde die gemässigte SVP-Frau Eveline Widmer-Schlumpf gewählt, die nicht die Mehrheitslinie der Partei verfolgt, sondern dem traditionellen Bauern- und Kleingewerbler-Flügel angehört wie der schon länger in der Regierung sitzende SVP-Mann Samuel Schmid. Diesen “Putsch” fädelten sozialdemokratische und grüne Parlamentarier ein. Er konnte dank Unterstützung v.a. aus CVP-, aber auch FDP-Kreisen realisiert werden.[2] Die Fraktionen sind Zusammenschlüsse von Parlamentariern der gleichen Partei, wobei sich auch mehrere Parteien zu einer Fraktion zusammenschliessen können.