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Im ersten Teil dieses Artikels haben wir die Gründe aufgezeigt, weshalb das Proletariat die revolutionäre Klasse in der kapitalistischen Gesellschaft ist. Wir haben gesehen, dass es die einzige Kraft ist, die fähig ist, eine neue Gesellschaft zu kreieren, die sich der Ausbeutung entledigt hat und die in der Lage ist, die Bedürfnisse der Menschheit vollauf zu befriedigen und die "unlösbaren" Widersprüche aufzulösen, die die heutige Welt zugrunderichten. Diese Fähigkeit des Proletariats, die der Marxismus schon im letzten Jahrhundert hervorgehoben hatte, rührt nicht einfach aus dem Ausmaß des Elends und der Unterdrückung her, denen es tagtäglich ausgesetzt ist. Sie beruht noch weniger auf irgendeiner "göttlichen Eingebung", die das Proletariat zum "Messias der heutigen Zeit" macht, so wie das einige bürgerliche Ideologen dem Marxismus unterstellen. Diese Fähigkeit beruht vielmehr auf den sehr konkreten und materiellen Bedingungen: die spezifische Stellung, die diese Klasse in den kapitalistischen Produktionsverhältnissen einnimmt, ihren Status als kollektiver Produzent des Großteils der gesellschaftlichen Reichtümer und als ausgebeutete Klasse innerhalb derselben Produktionsverhältnisse. Diese Stellung im Kapitalismus erlaubt es ihr nicht, im Gegensatz zu anderen ausgebeuteten Klassen und Schichten, die in der Gesellschaft überlebt haben (z.B. die Kleinbauern), auf eine Rückkehr in die Vergangenheit zu hoffen. Sie ist im Gegenteil gezwungen, sich der Zukunft zuzuwenden, der Abschaffung der Lohnarbeit und dem Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft.
Alle diese Elemente sind nichts Neues: sie sind alle Bestandteil des klassischen Erbgutes des Marxismus. Eines der hinterhältigsten Mittel jedoch, mit denen die bürgerliche Ideologie die Arbeiterklasse von ihrem kommunistischen Projekt abzubringen versucht, ist, ihr einzureden, dass sie dabei sei, ihrem Verschwinden entgegenzugehen, oder gar schon jetzt nicht mehr existiere. Die revolutionäre Perspektive habe Sinn gemacht, als die Industriearbeiter eine überwältigende Mehrheit der Lohnempfänger ausmachten. Doch mit der aktuellen Schrumpfung dieser Kategorie verschwinde auch eine solche Perspektive. Man muss übrigens festhalten, dass dieses Gerede nicht nur auf die weniger bewussten Arbeiter einen Einfluss ausübt, sondern auch auf gewisse Gruppen, die sich auf den Kommunismus berufen. Dies ist ein zusätzlicher Grund, solch ein Geschwätz entschieden zu bekämpfen.
Das angebliche Verschwinden der Arbeiterklasse
Die bürgerlichen "Theorien" vom "Verschwinden des Proletariats" haben eine lange Vorgeschichte. Jahrzehntelang stützten sie sich dabei auf die Tatsache, dass sich der Lebensstandard der Arbeiter in einem gewissen Maße verbessert habe. Die Möglichkeit für Letztere, Konsumgüter zu erwerben, die zuvor der Bourgeoisie oder dem Kleinbürgertum vorbehalten waren, veranschauliche deutlich das Verschwinden der proletarischen Bedingungen. Schon damals hatten solche "Theorien" weder Hand noch Fuß: Wenn das Automobil, der Fernseher oder Kühlschrank dank der Steigerung der Produktivität der menschlichen Arbeit verhältnismäßig preiswert sind, bedeutet - abgesehen davon, dass diese Güter unverzichtbar sind für die Entwicklung der Lebenswelt der Arbeiter(1) - die Tatsache, sie zu besitzen, noch lange nicht, dass man sich vom Arbeiterdasein befreien kann oder weniger ausgebeutet wird. In Wirklichkeit ist der Grad der Ausbeutung der Arbeiterklasse nie bestimmt gewesen durch die Menge oder die Art der Konsumgüter, über die sie in einem gegebenen Moment verfügen konnte. Marx und der Marxismus haben auf diese Frage schon vor langer Zeit eine Antwort gegeben: Die Kaufkraft der Lohnempfänger entspricht dem Wert ihrer Arbeitskraft, das heißt, der Menge der Güter, die für ihre Wiederherstellung notwendig ist. Wenn ein Kapitalist dem Arbeiter einen Lohn zahlt, ist es in seinem Interesse, dem Letzteren seine weitere Teilnahme am Produktionsprozess unter den bestmöglichen Bedingungen für die Profitabilität des Kapitals zu gestatten. Dies setzt voraus, dass der Arbeiter nicht nur über Lebensmittel (Nahrung, Kleidung, Wohnung) verfügt, sondern sich auch erholen und die notwendige Qualifikation erlangen kann, um die sich ständig wandelnden Produktionsmittel in Gang zu setzen.
Aus diesem Grund hat die Einführung von bezahltem Urlaub und seine Verlängerung, die man in den hochentwickelten Ländern im Verlaufe des 20. Jahrhunderts feststellen konnte, nichts mit irgendeiner "Philantropie" der Bourgeoisie zu tun. Sie ist notwendig geworden durch die kolossale Steigerung der Arbeitsproduktivität und somit der Intensität der Arbeit wie auch des urbanen Lebens in seiner Gesamtheit, die diese Periode kennzeichnete. Auch das (relative) Verschwinden der Kinderarbeit und die Verlängerung der Schulzeit (wobei Letzteres auch ein Mittel zur Verschleierung der Arbeitslosigkeit geworden ist), die uns als weitere Manifestation der Fürsorglichkeit der herrschenden Klasse präsentiert werden, sind im Kern der Notwendigkeit für das Kapital geschuldet, über Arbeitskräfte zu verfügen, die den Anforderungen einer Produktion entsprechen, deren Technologien sich pausenlos weiterentwickeln. Was übrigens die Lohn-"Erhöhungen" angeht, derer sich die Bourgeoisie vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg rühmt, so muss man die Tatsache berücksichtigen, dass die Arbeiter heute länger für den Unterhalt ihrer Kinder aufkommen als in der Vergangenheit. Als die Kinder noch mit zwölf oder noch weniger Jahren arbeiten gingen, lieferten sie ungefähr zehn Jahre lang ein Zubrot an ihre Familien an ab, ehe sie selbst einen Haushalt gründeten. Mit einer bis zum 18. Lebensjahr ausgedehnten Schulzeit verschwindet dieser Zuschuss fast gänzlich. Mit anderen Worten, die Lohn-"Erhöhungen" sind auch und zum größten Teil eines der Mittel, mit welchen der Kapitalismus den Nachwuchs der Arbeitskräfte auf die Bedingungen der neuen Technologien vorbereitet.
Auch wenn der Kapitalismus der hochentwickelten Länder eine Zeitlang Illusionen über die Reduzierung der Ausbeutung von Lohnabhängigen schüren konnte, war dies nichts anderes als äußerer Schein. Tatsächlich ist die Ausbeutungsquote, d.h. das Verhältnis zwischen dem vom Arbeiter produzierten Mehrwert und dem Lohn, den er erhält(2), ständig gewachsen. Daher sprach schon Marx von einer "relativen" Verarmung der Arbeiterklasse als permanente Tendenz im Kapitalismus. In den "Wirtschaftswunderjahren", die von der Bourgeoisie so getauft wurden (den Jahren der relativen Prosperität des Kapitalismus, die mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg korrespondierten) verstärkte sich die Ausbeutung der Arbeiter kontinuierlich, auch wenn sich dies nicht in einem Sinken ihres Lebensniveaus ausdrückte. Abgesehen davon geht es heute nicht schlicht um die Frage der relativen Verarmung. Die "Verbesserungen" in den Einkommen der Arbeiter sind im Laufe der Zeit aufgefressen worden, und die absolute Verarmung, deren endgültiges Verschwinden die Vorsänger der bürgerlichen Ökonomie angekündigt hatten, ist mit aller Macht in die "reichen" Ländern zurückgekehrt. Jetzt, wo die Politik aller nationalen Sektoren der Bourgeoisie angesichts der Krise darin besteht, zu harten Schlägen gegen den Lebensstandard der Proletarier auszuholen, durch die Arbeitslosigkeit, die drastische Kürzung von Sozialleistungen und auch durch die Senkung der Nominallöhne, ist das Geschwätz über die "Konsumgesellschaft" und die "Verbürgerlichung" der Arbeiterklasse verstummt. Aus diesem Grunde hat das Gerede über das "Aussterben des Proletariats" seine Argumente gewechselt und stützt sich mehr und mehr auf die Veränderungen, die unterschiedliche Fraktionen der Klasse betreffen, insbesondere der Rückgang der industriellen Arbeitskraft und der sinkende Anteil der "Handarbeiter" an der Gesamtarbeitskraft.
Solche Reden beruhen auf einer groben Verfälschung des Marxismus. Der Marxismus hat das Proletariat nie einfach mit dem industriellen oder "manuellen" Proletariat (dem "Blaumann") gleichgesetzt. Es stimmt, dass zu Marx' Lebzeiten die größten Bataillone der Arbeiterklasse sogenannte "Handarbeiter" waren. Doch hat es hat im Proletariat schon immer Sektoren gegeben, die mit hochentwickelten Technologien arbeiteten, welche wichtige wissenschaftliche Kenntnisse erforderten. Beispielsweise machten gewisse traditionelle Handwerke eine lange Lehrzeit der "Gesellen" erforderlich. Desgleichen Berufe wie Korrektoren in Druckereien, die über unverzichtbare Kenntnisse verfügen mussten und so "intellektuellen Arbeitern" ähnelten. Dies hat nicht verhindert, dass diese Sektoren sich häufig in der Avantgarde der Arbeiterkämpfe wiederfanden. Im Grunde entspricht der Gegensatz zwischen den "Blaumann"- und den "Stehkragen"-Arbeitern einer Aufteilung, wie sie die Soziologen und ihre bürgerlichen Auftraggeber gerne sehen und die dazu bestimmt ist, die Arbeiter zu spalten. Daher sind solche Gegensätze übrigens nichts Neues, denn die herrschende Klasse hat schon lange begriffen, dass es in ihrem Interesse ist, viele Angestellte glauben zu machen, sie gehörten nicht der Arbeiterklasse an. In Wirklichkeit hängt die Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse nicht von soziologischen und noch weniger von ideologischen Kriterien ab, d.h. von der Vorstellung, die sich dieser oder jener Arbeiter oder gar ganze Kategorien der Arbeiterklasse über ihr Leben machen. Es sind grundsätzlich ökonomische Kriterien, die eine solche Zugehörigkeit bestimmen.
Die Kriterien: Wer gehört der Arbeiterklasse an?
Grundsätzlich ist das Proletariat die spezifische ausgebeutete Klasse der kapitalistischen Produktionsverhältnisse. Daraus leiten sich, wie wir schon im ersten Teil dieses Artikels gesehen haben, folgende Kriterien ab: "Die Tatsache, jeglicher Produktionsmittel beraubt und gezwungen zu sein, seine Arbeitskraft an jene zu verkaufen, die sie besitzen und die diesen Tausch nutzen, um sich einen Mehrwert anzueignen, bestimmt die Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse." Es ist angesichts all der Verfälschungen, die über diese Frage verbreitet worden sind, notwendig, diese Kriterien zu präzisieren.
An erster Stelle ist zu bemerken, dass die Tatsache, lohnabhängig zu sein, allein nicht ausreicht, um der Arbeiterklasse anzugehören. Andernfalls wären die Bullen, die Pfaffen, die Generaldirektoren großer Unternehmen (besonders der öffentlichen Betriebe) oder sogar die Minister Ausgebeutete und somit potentielle Kampfgefährten derer, die sie unterdrücken, verdummen und sich für einen zehn- oder hundertfach niedrigeren Lohn abrackern lassen.(3) Es ist also unerlässlich, darauf hinzuweisen, dass es ein Merkmal der Arbeiterklasse ist, Mehrwert zu produzieren. Dies bedeutet insbesondere zweierlei:
- Das Gehalt eines Arbeiters übersteigt niemals ein bestimmtes Level; ein Einkommen darüber hinaus kann nur aus Mehrwert stammen, der anderen Arbeitern abgepresst wurde.(4)
- Ein Proletarier ist ein reeller Produzent von Mehrwert und kein bezahlter Funktionär des Kapitals, der die Funktion hat, für die Durchsetzung der kapitalistischen Ordnung unter den Produzenten zu sorgen.
So mag es unter den Beschäftigten eines Betriebes Techniker (und gar Ingenieure) geben, deren Gehaltshöhe nicht weit entfernt ist vom Lohn eines Facharbeiters und die derselben Klasse angehören wie Letztere, wohingegen jene, deren Einkünfte viel mehr denen der Bosse gleichen, es nicht tun (selbst wenn sie keine Rolle bei der Einhegung der Arbeitskräfte spielen). Ebensowenig können in diesem Betrieb dieser oder jener "kleine Vorgesetzte" oder "Betriebssheriff", dessen Lohn niedriger sein mag als der eines Technikers oder sogar eines Facharbeiters, dessen Rolle jedoch die eines "Kapos" im industriellen Straflager ist, als Teil des Proletariats angesehen werden.
Umgekehrt bedeutet die Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse nicht zwangsläufig eine direkte und unmittelbare Beteiligung an der Mehrwertproduktion. Der Lehrer, der den zukünftigen Produzenten ausbildet, die Krankenschwester oder gar der nicht-selbständige Mediziner (der heute manchmal weniger verdient als ein Facharbeiter), die die Arbeitskraft der Arbeiter "reparieren", gehören (auch wenn sie gleichzeitig Bullen, Pfaffen oder Gewerkschaftsfunktionäre, ja sogar Minister pflegen) zweifellos genauso der Arbeiterklasse an wie der Koch in einer Betriebskantine. Selbstverständlich heißt das nicht, dass dies auch für Universitätsbonzen oder für die selbständigen Ärzte gilt. Es ist aber notwendig zu präzisieren, dass die Tatsache, dass die Mitglieder der Lehrerschaft, eingeschlossen die GrundschullehrerInnen (deren wirtschaftliche Lage im allgemeinen nun wirklich nicht gerade glänzend ist), bewusst oder unbewusst, freiwillig oder unfreiwillig die bürgerlichen ideologischen Werte vermitteln, sie nicht von der ausgebeuteten und revolutionären Klasse ausschließt, ebenso wenig wie die Metallarbeiter, die Waffen produzieren.(5) Im Übrigen kann man feststellen, dass im Laufe der Geschichte der Arbeiterbewegung die Lehrer (insbesondere die Grundschullehrer) eine beträchtliche Anzahl von Revolutionären gestellt haben. So wie auch die Arbeiter der Kriegswerften in Kronstadt Teil der Vorhut der Arbeiterklasse in der Russischen Revolution 1917 waren.
Es ist gleichzeitig zu unterstreichen, dass die große Mehrheit der Angestellten ebenfalls der Arbeiterklasse angehört. Wenn wir den Fall einer Verwaltung nehmen wie die Post, so würde niemand auf den Gedanken kommen zu behaupten, dass die Mechaniker, die die Fahrzeuge der Post warten, und die Angestellten, die sie fahren, wie auch jene, die die Postsäcke umschlagen, nicht zum Proletariat gehörten. Davon ausgehend ist es nicht schwierig zu verstehen, dass ihre Kollegen, die die Briefe austragen oder an den Schaltern arbeiten, um Pakete zu frankieren oder Zahlungsanweisungen entgegenzunehmen, sich in der gleichen Situation befinden. Daher gehören die Bank- und Versicherungsangestellten, die kleinen Angestellten der Sozialversicherungskassen oder der Steuerverwaltung, deren Status vollkommen gleichwertig mit Ersteren ist, gleichermaßen zur Arbeiterklasse. Und man kann nicht einmal ins Feld führen, dass Letztere bessere Arbeitsbedingungen hätten als Industriearbeiter, als ein Schlosser oder ein Fräser beispielsweise. Den ganzen Tag hinter einem Schalter oder vor einem Bildschirm eines Computers zu arbeiten ist nicht weniger mühsam, als eine Werkzeugmaschine zu bedienen, auch wenn man sich dort die Hände nicht schmutzig macht. Zudem wird einer der objektiven Faktoren, die hinter der Fähigkeit des Proletariats stecken, als Klasse zu kämpfen und den Kapitalismus zu stürzen, der assoziierte Charakter seiner Arbeit, durch die modernen Produktionsbedingungen überhaupt nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil, er wird immer ausgeprägter.
Ebenso erfordert das sich ständig hebende technologische Niveau der Produktion eine steigende Anzahl von, wie sie die Soziologen nennen, "Managern" (Techniker oder sogar Ingenieure), deren sozialer Status und Einkommen überwiegend sich dem der Facharbeiter annähert. Es handelt sich hierbei keinesfalls um das Phänomen einer verschwindenden Arbeiterklasse zugunsten der "Mittelschichten", sondern umgekehrt um ein Phänomen der Proletarisierung Letzterer.(6) Deshalb hat das Gerede über das "Verschwinden des Proletariats", das aus der steigenden Anzahl von Angestellten oder "Führungskräften" im Vergleich zur Anzahl der "Hand"-Arbeiter in der Industrie resultieren soll, keinen anderen Sinn, als zu versuchen, die einen wie die anderen zu täuschen und zu demoralisieren. Ob die Urheber dieser Reden daran glauben oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle: Sie können der Bourgeoisie einen durchaus nützlichen Dienst auch als Hohlköpfe erweisen, die nicht einmal fähig sind, sich zu fragen, wer wohl den Kugelschreiber hergestellt hat, mit dem sie ihren Blödsinn niederschreiben.
Die angebliche "Krise" der Arbeiterklasse
Um die Arbeiter zu demoralisieren, setzt die Bourgeoisie nicht alles auf ein Pferd. Daher hat sie für jene, die nicht auf die Kampagnen über das "Verschwinden der Arbeiterklasse" hereinfallen, die Idee in der Hinterhand, dass die Arbeiterklasse "in der Krise" sei. Und eines der Argumente, das für den Beweis dieser Krise entscheidend sein soll, ist der Rückgang in den Mitgliederzahlen der Gewerkschaften im Verlaufe der letzten zwei Jahrzehnte. Im Rahmen dieses Artikels können wir nicht auf unsere Analyse zurückkommen, die den bürgerlichen Charakter des Gewerkschaftswesens beweist. In der Tat liefert die tägliche Erfahrung der Arbeiterklasse, die systematische Sabotage ihrer Kämpfe durch die Organisationen, die vorgeben, sie zu "verteidigen", diesen Beweis.(7) Und gerade diese Erfahrung der Arbeiter ist in erster Linie für ihre Ablehnung der Gewerkschaften verantwortlich. In diesem Sinn ist diese Ablehnung nicht ein "Beweis" irgendeiner Krise der Arbeiterklasse, sondern im Gegenteil und vor allem eine Manifestation einer in der Klasse ablaufenden Bewusstwerdung. Eine Veranschaulichung dieser Tatsache, nur eine von tausenden, ist die Haltung der Arbeiter in zwei großen Bewegungen, die in Frankreich im Abstand von 30 Jahren stattgefunden haben. Am Ende der Streiks im Mai/Juni 1936, inmitten der tiefsten Konterrevolution, die auf die Welle der Weltrevolution nach dem Ersten Weltkrieg folgte, profitierten die Gewerkschaften von einer beispiellosen Eintrittswelle. Dagegen war das Ende des Generalstreiks im Mai 1968, der das historische Wiederaufleben des Klassenkampfes und den Abschluss jener konterrevolutionären Periode anzeigte,von zahlreichen Austritten aus den Gewerkschaften, von Unmengen zerrissener Mitgliederkarten gekennzeichnet.
Wenn jemand den Mitgliederschwund der Gewerkschaften als Beweis für die Schwierigkeiten der Arbeiterklasse darstellt, dann ist dies ein sicheres Anzeichen für seine Zugehörigkeit zum bürgerlichen Lager. Es ist genau dasselbe wie mit dem angeblich "sozialistischen" Charakter der stalinistischen Regimes. Die Geschichte hat, besonders mit dem Zweiten Weltkrieg, gezeigt, wie verheerend diese Lüge, die von allen Teilen der Bourgeoisie, von den Rechten, den Linken und den Linksextremisten (Stalinisten, Trotzkisten), verbreitet wurde, auf das Bewusstsein der Arbeiter gewirkt hat. In den letzten Jahren konnten wir erleben, wie der Zusammenbruch des Stalinismus als "Beweis" für den endgültigen Bankrott jeglicher kommunistischen Perspektive instrumentalisiert wurde. Die Lüge vom "proletarischen Charakter der Gewerkschaften" ist im Kern vergleichbar: Zuerst dient sie dazu, die Arbeiter hinter den kapitalistischen Staat zu scharen; dann versucht man, aus ihnen ein Instrument zur Demoralisierung und Desorientierung der Arbeiter zu machen. Jedoch haben diese beiden Lügen unterschiedliche Auswirkungen: Da es nicht aus Arbeiterkämpfen resultierte, konnte das Scheitern der stalinistischen Regimes wirksam gegen das Proletariat benutzt werden; umgekehrt resultiert der Misskredit der Gewerkschaften aus eben den Arbeiterkämpfen, was den Einfluss als demoralisierenden Faktor stark einschränkt. Genau deshalb hat die Bourgeoisie übrigens eine "Basis"-Gewerkschaftsbewegung ermutigt, die die Nachfolge der traditionellen Gewerkschaften antreten soll. Genau deshalb fördert sie Ideologen mit "radikaleren" Allüren, die die gleiche Art von Botschaft übermitteln sollen.
So kam es, gefördert von der Presse (8), zu einem Aufblühen von Analysen, wie die von Alain Bihr, Doktor der Soziologie und unter anderem Autor eines Buches mit dem Titel "Du grand soir l'alternative: la crise du mouvement ouvrier européen" (etwa: Vom Tag der Wende zur Alternative: Die Krise der europäischen Arbeiterbewegung). An sich sind die Thesen dieses Herrn nicht sehr interessant. Der Umstand aber, dass sie seit einiger Zeit Einfluss in Milieus gewinnen, die sich auf die Kommunistische Linke berufen, von denen wiederum einige nicht davor zurückschrecken, seine "Analysen"(9) ("kritisch", versteht sich) zu übernehmen, veranlasst uns, die Gefahr, die diese darstellen, zu entblößen.
Alain Bihr präsentiert sich als ein "wahrer" Vertreter der Arbeiterinteressen. Daher gibt er nicht vor, dass die Arbeiterklasse dabei sei, in der Versenkung zu verschwinden. Im Gegenteil, er beginnt mit der Aussage: "...die Grenzen des Proletariats erstrecken sich heute weit über die traditionelle 'Arbeiterschaft' hinaus." Dies tut er aber nur, um seine zentrale Botschaft besser rüberzubringen: "Nun hat man aber im Verlaufe der letzten fünfzehn Jahre der Krise in Frankreich wie in den meisten westlichen Ländern eine zunehmende Zersplitterung des Proletariats beobachtet, die, weil sie dessen Einheit in Frage stellt, darauf hinausläuft, es als gesellschaftliche Kraft zu lähmen."(10)
So ist das Hauptvorhaben unseres Autors, aufzuzeigen, dass das Proletariat "in der Krise ist", und dass verantwortlich für diese Situation die Krise des Kapitalismus selbst sei, ein Grund, dem man natürlich die soziologischen Änderungen hinzufügen müsse, die die Zusammensetzung der Arbeiterklasse erfahren habe: "Tatsächlich tendieren die laufenden Umwälzungen des Lohnverhältnisses mit ihren globalen Wirkungen der Fragmentierung und der 'Entmassung' (demassification) des Proletariats (....) dazu, die beiden proletarischen Erscheinungen aufzulösen, die ihm seine großen Bataillone während der fordistischen Ära geliefert haben: einerseits den gelernten Arbeiter, den die gegenwärtigen Transformationen tiefgreifend umgestalten, die alten Kategorien des mit dem Fordismus verknüpften Facharbeiters, die tendenziell verschwinden, während neue Kategorien von 'Gelernten' in Verbindung mit den neuen automatisierten Arbeitsprozessen erscheinen; andererseits der nicht-qualifizierte bzw. angelernte Arbeiter, die Speerspitze der proletarischen Offensive der 60er und 70er Jahre, der immer mehr durch den prekären Arbeiter in diesen automatisierten Arbeitsprozessen eliminiert und ersetzt wird".(11) Abgesehen von der schulmeisterlichen Sprache (die den Kleinbürgern, die sich für "Marxisten" halten, Vergnügen bereitet) tischt uns Bihr die gleichen Klischees auf, die uns schon Generationen von Soziologen zugemutet haben: Die Automatisierung der Produktion sei verantwortlich für die Schwächung des Proletariats (da er "Marxist" sein will, spricht er nicht vom "Verschwinden"), usw. Und er schlägt in dieselbe Kerbe, wenn er vorgibt, dass der Rückgang der Mitgliederzahlen der Gewerkschaften auch ein Zeichen der "Krise der Arbeiterklasse" sei: "Alle Untersuchungen, die über die Entwicklung der Arbeitslosigkeit und die Prekärität erstellt wurden, zeigen, dass diese dazu neigen, die alten Spaltungen und Ungleichheiten im Proletariat (...) zu reaktivieren und zu verstärken. Diese Zersplitterung in derart heterogene Strukturen hat fatale Auswirkungen auf die Organisations- und Kampfbedingungen gehabt. Das lässt sich zuerst einmal an den verschiedenen vergeblichen Versuchen besonders der Gewerkschaftsbewegung erkennen, die Präkarisierten und die Arbeitslosen zu organisieren..."(12) So setzt uns Bihr, getarnt hinter seinen radikaleren Phrasen, mit seinem angeblichen "Marxismus" den gleichen falschen Ramsch vor, mit dem uns alle Sektoren der Bourgeoisie bedienen: Die Gewerkschaften seien heute noch "Organisationen der Arbeiterbewegung".(13)
Dies ist die Art von "Spezialisten", von denen Leute wie GS und Publikationen wie INTERNATIONALIST PERSPECTICE (IP), die seinen Schriften mit großer Symphathie begegnen, ihre Inspirationen beziehen. Sicher, Bihr, der trotz allem schlau ist, gibt, um seine Ware einzuschmuggeln, vor, das Proletariat könne trotz allem seine aktuellen Schwierigkeiten überwinden, indem es sich "neu zusammensetzt". Aber die Art, wie er dies vorträgt, zielt eher darauf ab, vom Gegenteil zu überzeugen. "Die Veränderungen im Lohnabhängigkeitsverhältnis stellen die Arbeiterbewegung also vor eine doppelte Herausforderung: Es zwingt sie gleichzeitig, sich einer neuen gesellschaftlichen Basis anzupassen (an eine neue 'technische' und 'politische' Zusammensetzung der Klasse) und eine Synthese zu vollziehen zwischen heterogenen Kategorien wie den 'neuen Fachkräften' und den 'Präkarisierten', eine Synthese, die viel schwieriger zu realisieren ist als die zwischen Facharbeitern und angelernten Arbeitern in der fordistischen Periode".(14) "Die faktische Schwächung des Proletariats und des Gefühls der Klassenzugehörigkeit kann so den Weg zur Neuzusammensetzung einer ideellen kollektiven Identität auf anderen Grundlagen ebnen."(15)
Nach Unmengen von Argumenten - mehrheitlich dazu bestimmt, um den Leser zu überzeugen, dass es schlecht um die Arbeiterklasse bestellt sei -, nachdem "aufgezeigt" wurde, dass die Ursachen dieser Krise in der Automatisierung sowie im Zusammenbrechen der kapitalistischen Ökonomie sowie im Anstieg der Arbeitslosigkeit zu suchen seien - alles Phänomene, die sich nur verschlimmern können - schließt er ohne den geringsten Beweis mit der lapidaren Behauptung: "Es wird besser ... vielleicht! Aber es stellt eine sehr schwere Herausforderung dar". Wenn man das Geschwätz von Bihr heruntergeschluckt hat und immer noch glaubt, dass es für die Arbeiterklasse und ihren Kampf eine Zukunft gibt, kann man nur ein naiver und unverbesserlicher Optimist sein. Nicht schlecht, Dr. Bihr: Eure große Schlauheit hat die Einfaltspinsel an der Nase herumgeführt, die IP publizieren und sich als die wahren Vertreter der kommunistischen Prinzipien aufspielen, welche die IKS über Bord geworfen haben soll.
Es stimmt, dass die Arbeiterklasse im Verlauf der letzten Jahre bei der Entwicklung ihrer Kämpfe und ihres Bewusstseins auf einige Schwierigkeiten gestoßen ist. Unsererseits haben wir - entgegen den Vorwürfen, die uns die Skeptiker vom Dienst anlasten (ob sie FECCI heißen - was angesichts ihrer Rolle, Verwirrung zu stiften, normal ist - oder "Battaglia Comunista" - die dies weniger tut, weil sie eine Organisation des politischen Milieus des Proletariats ist) - nie gezögert, auf diese Schwierigkeiten hinzuweisen. Doch gleichzeitig haben wir, und dies ist das Mindeste was man von Revolutionären erwarten kann, auf der Basis einer Analyse des Ursprungs der Schwierigkeiten, auf die das Proletariat stößt, die Voraussetzungen dargelegt, die ihre Überwindung ermöglichen. Und wenn man einigermaßen ernsthaft die Entwicklung der Arbeiterkämpfe im letzten Jahrzehnt untersucht, springt ins Auge, das die jetzige Schwäche sich nicht mit der effektiven Verminderung der "traditionellen" Arbeiter, der "Blaukragen"-Arbeiter, erklären lässt. So gehören in den meisten Ländern die Arbeiter der Post oder der Telekommunikation zu den kämpferischsten. Das Gleiche gilt für die Arbeiter und Arbeiterinnen des Gesundheitswesens. In Italien waren es 1987 die Arbeiter und Arbeiterinnen in den Schulen, die die wichtigsten Kämpfe ausfochten. Und wir könnten weitere Beispiele aufführen, die die Tatsache veranschaulichen, dass sich weder das Proletariat selbst noch sein Kampfgeist allein auf die "Blaukragen", auf die "traditionellen" Arbeiter der Industrie beschränkt. Daher sind unsere Analysen nicht auf die soziologischen Betrachtungen ausgerichtet, die gut sind für Akademiker oder Kleinbürger und weniger über die "Malaise" der Arbeiterklasse, aber dafür umso mehr über ihr eigenes Schlamassel aussagen.
Die reellen Schwierigkeiten der Arbeiterklasse und die Voraussetzungen zu ihrer Überwindung
Wir können im Rahmen dieses Artikels nicht auf sämtliche Analysen zurückkommen, die wir im Verlauf der letzten Jahre über die internationale Situation erstellt haben. Der Leser kann sie in praktisch allen Ausgaben unserer Revue während dieser Periode und insbesondere in den Thesen und Resolutionen unserer Organisation nach 1989 wiederfinden.(15) Die Schwierigkeiten, die das Proletariat heute durchmacht, der Rückgang seiner Kampfbereitschaft und der Rückfluss seines Bewusstseins (Schwierigkeiten, auf die sich einige stützen, um eine "Krise" der Arbeiterklasse zu diagnostizieren) sind der IKS nicht entgangen. Insbesondere haben wir hervorgehoben, dass die Arbeiterklasse die ganzen 80er Jahren hindurch mit dem wachsenden Gewicht des allgemeinen Zerfalls der kapitalistischen Gesellschaft konfrontiert war, der, indem er Verzweiflung, Atomisierung, das "Jeder für sich" begünstigte, der allgemeinen Perspektive des proletarischen Kampfes und der Klassensolidarität harte Schläge versetzte, was insbesondere die gewerkschaftlichen Manöver erleichterte, die darauf abzielten, die Arbeiterkämpfe in den Korporatismus einzusperren. Dennoch, und das ist ein Ausdruck der Vitalität des Klassenkampfes, ist es dem ständigen Gewicht des Zerfalls bis 1989 nicht gelungen, der Welle von Arbeiterkämpfen beizukommen, die 1983 in Belgien mit den Streiks im öffentlichen Dienst begannen. Ganz im Gegenteil erlebten wir in dieser Phase eine zunehmende Tendenz, über den von den Gewerkschaften gesteckten Rahmen hinauszugehen, was Letztere dazu zwang, die Hauptrolle immer mehr den radikaleren "Basisgewerkschaften" zu überlassen, um ihre Sabotagearbeit weiterführen zu können.(16)
Diese Welle von proletarischen Kämpfen wurde jedoch durch die weltumspannenden Umwälzungen zum Versiegen gebracht, die in der zweiten Hälfte des Jahres 1989 folgten. Während einige (im allgemeinen dieselben, die Mitte der 80er Jahre keine Kämpfe gesehen haben wollen) glaubten, dass der Zusammenbruch des Ostblockes 1989 (bis heute der wichtigste Ausdruck für den Zerfall des Kapitalismus) die Bewusstwerdung der Arbeiterklasse begünstigen werde, haben wir nicht gezögert, das Gegenteil zu verkünden.(17) In der Folgezeit, vor allem 1990-91 während der Krise und des Krieges am Golf, danach beim Putsch in Moskau, der auf den Zusammenbruch der UdSSR folgte, haben wir aufgezeigt, dass sich diese Ereignisse auf den Klassenkampf, auf die Fähigkeit des Proletariats auswirken, sich den wachsenden Angriffen des in der Krise befindlichen Kapitalismus zu stellen.
Aus diesen Gründen sind uns die Schwierigkeiten, die die Arbeiterklasse im Verlauf der letzten Zeit durchmacht, weder entgangen, noch haben sie unsere Organisation überrascht. Trotzdem haben wir in der Analyse der Gründe (die nichts zu tun haben mit dem mythischen Bedürfnis nach einer "Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse") gleichzeitig die Gründe hervorgehoben, warum die Arbeiterklasse die Mittel hat, diese Schwierigkeiten zu überwinden.
In diesem Zusammenhange ist es wichtig, auf ein Argument des Herrn Bihr zurückzukommen, mit dem er der Idee mehr Glaubwürdigkeit verleihen möchte, die Arbeiterklasse stecke in einer Krise: Die Krise und die Arbeitslosigkeit hätten "das Proletariat fragmentiert", indem sie "die alten Spaltungen und Ungleichheiten verstärkt" habe. Um sein Vorhaben darzustellen und "den Bogen zu überspannen", liefert uns Bihr einen ganzen Katalog dieser "Fragmente": "die Arbeiter in stabilen und sicheren Beschäftigungsverhältnissen", "die von der Arbeit, ja vom Arbeitsmarkt Ausgeschlossenen", "die fließende Masse der prekären Arbeiter". Bei letzteren findet er Gefallen daran, zwischen Unterkategorien zu unterscheiden: "die Arbeiter der Subunternehmen", "die Teilzeitbeschäftigten", "die Zeitarbeiter", "die Umschüler, Auszubildenden und Schwarzarbeiter".(18) Was der Herr Doktor Bihr uns als Argument vorträgt, ist nichts anderes als ein Schnappschuss, der gut zu seiner reformistischen Sichtweise passt.(19) Es stimmt, dass die Angriffe der Bourgeoisie gegen die Arbeiterklasse zunächst selektiv ausgeführt wurden, um das Ausmaß der Antwort der Arbeiterklasse einzuschränken. Es stimmt weiter, dass die Arbeitslosigkeit, insbesondere die der Jungen, ein Faktor der Erpressung gegen einige Sektoren der Arbeiterklasse und, teilweise, der Passivität gewesen ist, der durch die zerstörerische Wirkung der Atmosphäre des gesellschaftlichen Zerfalls und des "Jeder für sich" verstärkt wird. Doch die Krise selbst und ihre unvermeidliche Verschärfung sorgt dafür, dass die Bedingungen der verschiedenen Sektoren der Arbeiterklasse sich immer mehr aneinander angleichen. Insbesondere die "Spitzen"-Sektoren (Informatik, Telekommunikation etc.), die scheinbar der Krise entronnen waren, werden heute mit voller Wucht getroffen und schleudern ihre Arbeiter in dieselbe Lage wie die Arbeiter der Eisen- und Stahlindustrie und der Automobilbranche. Es sind heute die größten Unternehmen (wie IBM), die massenhaft entlassen. Gleichzeitig und entgegen der Tendenz des letzten Jahrzehnts nimmt die Arbeitslosigkeit der älteren Arbeiter, die schon eine kollektive Erfahrung der Arbeitens und des Kämpfens haben, schneller zu als die der Jungen, was den Faktor der Atomisierung einschränkt, den die Arbeitslosigkeit in der Vergangenheit darstellte.
So stellt, selbst wenn der Zerfall ein Handicap für die Entwicklung der Kämpfe und des Bewusstseins in der Klasse bildet, das immer offensichtlichere und brutalere Scheitern der kapitalistischen Wirtschaft und als Folge die Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse das bestimmende Element der aktuellen Situation für die Wiederaufnahme der Kämpfe und für die Bewusstwerdung dar. Offensichtlich kann man dies nicht verstehen, wenn man denkt - wie es die reformistische Ideologie tut, die sich weigert, jegliche revolutionäre Perspektive in Betracht zu ziehen -, dass die kapitalistische Krise eine "Krise der Arbeiterklasse" auslöst. Aber noch einmal haben die Ereignisse selbst die Aufgabe übernommen, die Gültigkeit des Marxismus und die Nichtigkeit der Ausgeburten der Soziologen zu unterstreichen. Die gewaltigen Kämpfe des italienischen Proletariats im Herbst 1992 angesichts der gewaltsamen ökonomischen Angriffen ohnegleichen haben einmal mehr bewiesen, dass das Proletariat nicht tot ist, dass es nicht verschwunden ist und dass es nicht den Kampf aufgegeben hat, selbst wenn es, wie man erwarten konnte, die Schläge, die es in den letzten Jahren erlitten hat, noch nicht verarbeitet hat. Und diese Kämpfe werden kein Strohfeuer bleiben. Sie kündigen nur (wie die Arbeiterkämpfe im Mai 1968 in Frankreich, die gerade einmal ein Vierteljahrhundert her sind) eine allgemeine Erneuerung der Kampfbereitschaft der Arbeiter an, eine Wiederaufnahme des Vorwärtsmarsches des Proletariats in Richtung einer Bewusstwerdung der Bedingungen und der Ziele seines historischen Kampfes für die Abschaffung des Kapitalismus. Zum Missfallen all derer, die ehrlich oder heuchlerisch über die "Krise der Arbeiterklasse" und ihre "notwendige Neuzusammensetzung" lamentieren.
FM
(1) [20] Das Auto ist unverzichtbar, um zur Arbeit zu gelangen oder Einkäufe zu machen, denn die öffentlichen Verkehrsmittel sind unzureichend und die zurückzulegenden Distanzen immer größer. Auf einen Kühlschrank kann man nicht verzichten, da Nahrungsmittel zu günstigen Preisen oft nur in großen Mengen zu kaufen sind und man dies nicht täglich machen kann. Was den Fernseher betrifft, der als das Symbol für den Eintritt in die "Konsumgesellschaft" dargestellt wird, findet man ihn, abgesehen von seiner Bedeutung als Instrument der Propaganda und Verdummung in den Händen der Bourgeoisie (als "Opium für das Volk" hat er vortrefflich die Religion abgelöst), heute in vielen Behausungen in den Slums der Dritten Welt, was genug aussagt über den Wertverlust eines solchen Artikels.
(2) [21] Marx bezeichnete als Mehrwertrate oder Ausbeutungsrate das Verhältnis zwischen M und V, bei dem M den Mehrwert in Arbeitswert (die Anzahl Stunden pro Arbeitstag, die sich der Kapitalist aneignet) und V das variable Kapital darstellt, das heißt, den Lohn (die Anzahl Stunden, in denen ein Arbeiter den Gegenwert seines Lohnes produziert). Dies ist ein Indiz, das erlaubt, den Grad der Ausbeutung in objektiven ökonomischen Begriffen und nicht subjektiv festzulegen.
(3) [22] Freilich richtet sich diese Behauptung gegen die Lügen der angeblichen "Arbeitervertreter" wie der Sozialdemokraten und Stalinisten, die als Minister eine große Erfahrung in der Repression und Mystifikation gegen die Arbeitern haben. Wenn ein Arbeiter "seinen Stand verlässt", einen Posten bei den Gewerkschaften, im Stadtrat annimmt oder gar Bürgermeister, Abgeordneter oder Minister wird, dann hat er mit seiner ursprünglichen Klasse nichts mehr gemeinsam.
(4) [23] Es ist selbstverständlich sehr schwierig (wenn nicht sogar unmöglich), dieses Niveau zu bestimmen, da es in anderen Zeiten und Ländern variieren kann. Wichtige jedoch ist zu wissen, dass in jedem Land (oder einer Gemeinschaft von Ländern mit ähnlicher ökonomischer Entwicklung und Arbeitsproduktivität) eine solche Grenze existiert, die zwischen dem Einkommen eines qualifizierten Arbeiters und einer Führungskraft liegt.
(5) [24] Hinsichtlich einer gründlicheren Analyse über produktive und unproduktive Arbeit sei auf unsere Broschüre "Die Dekadenz des Kapitalismus" (S. 30ff) verwiesen.
(6) [25] Es ist hingegen festzuhalten, dass gleichzeitig ein bestimmter Anteil des Führungspersonals mit steigenden Einkommen entlohnt wird, was zu seiner Integration in die herrschende Klasse führt.
(7) [26] Für die vertiefte Analyse des bürgerlichen Charakters der Gewerkschaften siehe unsere Broschüre "Die Gewerkschaften gegen die Arbeiterklasse".
(8) [27] Zum Beispiel LE MONDE DIPLOMATIQUE, eine humanistische französische Monatszeitung, die auf die Förderung eines Kapitalismus "mit menschlichem Antlitz" spezialisiert ist, publiziert oft Artikel von Alain Bihr. So findet man in der Ausgabe vom März 1991 einen Text dieses Autors mit dem Titel "Regression des droits sociaux, affaiblissement des syndicats, le proletariat dans tous ses eclats" (etwa: Rückschritt in den Sozialrechten, Schwächung der Gewerkschaften - das Proletariat in voller Zersplitterung).
(9) [28] So kann man in der Nr. 22 von PERSPECTIVE INTERNATIONALISTE, dem Organ der "Externen (sic!) Fraktion der IKS", einen Beitrag von GS lesen (der, ohne dass sein Autor Mitglied der EFIKS wäre, im Wesentlichen ihre Zustimmung findet) mit dem Titel "La necessaire recomposition du proletariat" (etwa: Die notwendige Neuzusammensetzung des Proletariats), einen Artikel, der ausführlich aus dem bedeutendsten Buch von Bihr zitiert, um seine Behauptungen zu stützen.
(10) [29] LE MONDE DIPLOMATIQUE, März 1991.
(11) [30] "Du grand soir ..."
(12) [31] LE MONDE DIPLOMATIQUE, März 1991.
(13) [32] "Du grand soir ..."
(14) [33] LE MONDE DIPLOMATIQUE, März 1991
(15) [34] Siehe: INTERNATIONALE REVUE (engl., franz., span. Ausgabe) Nr. 60, 63, 67, 70 und in diese Ausgabe.
(16) [35] Offensichtlich konvertieren, wenn man, wie Dr. Bihr, die Gewerkschaften für Organe der Arbeiterklasse und nicht der Bourgeoisie hält, die Fortschritte, die der Arbeiterkampf gemacht hat, zu Rückschritte. Es ist allerdings seltsam, dass Leute wie die Mitglieder der FECCI, die den bürgerlichen Charakter der Gewerkschaften anerkennen, ihm in dieser Einschätzung folgen.
(17) [36] Siehe: "Zunahme der Schwierigkeiten für die Arbeiterklasse", in: INTERNATIONALE REVUE Nr. 11.
(18) [37] LE MONDE DIPLOMATIQUE, März 1991
(19) [38] Eine der bevorzugten Phrasen Alain Bihrs lautet: "Der Reformismus ist eine zu ernste Sache, um ihn den Reformisten zu überlassen". Wenn er sich zufällig für einen Revolutionär hält, legen wir Wert darauf, ihn hiermit über seinen Irrtum aufzuklären.
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