Ölpest am Golf von Mexiko: Der Kapitalismus – eine Katastrophe für die Natur und die Menschheit

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Die jüngste Ölpest im Golf von Mexiko wirft ein grelles Licht auf die Rücksichtslosigkeit und den unglaublich nachlässigen und waghalsigen Umgang der Kapitalisten mit den Ressourcen der Natur.

Seit dem Untergang der Ölplattform "Deepwater Horizon" am 22. April, bei dem elf Arbeiter starben, strömen jeden Tag mindestens 800.000 Liter Rohöl in den Golf von Mexiko, verseuchen auf Hunderten von Kilometern die Küsten und hinterlassen einen riesigen Ölteppich im Golf von Mexiko selbst. Dabei kann niemand genau feststellen, wie viel Öl seit dem 22. April aus dem Leck ausströmt. (1) Einen Monat nach dem Untergang der Bohrplattform ‚Deepwater Horizon‘ ist der Großteil des bisher ausgetretenen Öls unter Wasser geblieben. Bis zu 16 Kilometer lang, sechs Kilometer breit und hundert Meter hoch sind die (...) riesigen Ölschwaden unter der Oberfläche des Golfs von Mexiko.“ Durch den Einsatz von sogenannten Dispergatoren hat man verhindert,dass ein Teil des Öls an Land geht. Das ist da, wo die größte Konzentration an Journalisten wartet“ (d.h. die größte Öffentlichkeit). (Chemikalien gegen die Ölkatastrophe. Operation Verschleiern und Verschieben, Spiegelonline, 18.05.2010).

Erste Ermittlungen haben ergeben, dass „die für die Aufsicht der Ölförderung verantwortliche Rohstoffbehörde MMS ohne genaue Sicherheits- und Umweltprüfungen Genehmigungen erteilt (…) Im konkreten Fall habe die MMS es unterlassen, den Blowout Preventer [zentrales Abstellventil] vor dem Einsatz auf Tauglichkeit zu prüfen (…) in einem entscheidenden Hydrauliksystem des tonnenschweren Bauteils habe es offenbar ein Leck gegeben. Außerdem sei ein Sicherheitstest wenige Stunden vor der Explosion fehlgeschlagen.“ www.spiegel.de/wissenschaft/natur/us-oelpest-schwere-sicherheitsmaengel-vor-explosion-der-oelplattform-a-694602.html und https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,694271,00.html

Weitere Ermittlungen haben aufgezeigt, dass gar keine Absauganlagen entwickelt wurden, die austretendes Öl am Meeresboden auffangen könnten. Genauso wenig gibt es Möglichkeiten von Entlastungsbohrungen für solche Notfälle. Welche Haltung verbirgt das wohl, wenn man Ölvorkommen tief am Meeresboden anzapft, ohne überhaupt irgendwelche „Auffangmöglichkeiten“ zu haben und vorgesehene Schließeinrichtungen nicht funktionieren?

Die 560 Millionen Dollar teure Ölplattform ‚Deepwater Horizon‘ etwa war eine der modernsten Bohrplattformen der Welt. Zwölf Meter hohen Wellen und Winden in Orkanstärke konnte sie trotzen.“(ebenda) Auf der einen Seite astronomische Produktionskosten für den Bau einer solchen Plattform (mehr als eine halbe Milliarde Dollar!) und 100 Millionen Euro Kosten für eine Bohrung, wie sie die Ölplattform zum Zeitpunkt des Unglücks vornahm, und auf der anderen Seite entweder gar nicht vorhandene oder nicht funktionierende Sicherheitssysteme für Notfälle unter Wasser - wie kann man so etwas erklären?

Profitjagd auf Kosten der Natur

Als die systematische Erdölförderung vor ca. 100 Jahren einsetzte, musste nur ein geringer finanzieller und technischer Aufwand betrieben werden, um die Ölquellen anzuzapfen. Mittlerweile, ein Jahrhundert später, stehen die Ölgesellschaften vor einer neuen Situation. Ein großer Teil des globalen Erdöls wird aus Feldern gepumpt, die zum Teil bereits vor mehr als 60 Jahren ohne großen technologischen Aufwand gefunden wurden. Heute jedoch müssen die Prospektoren mit kostspieligen Methoden nach Feldern suchen, die an den unzugänglichen Standorten der Erde liegen - und die Ölmengen liefern, die früher als marginal angesehen wurden. (…) Vor allem den westlichen Unternehmen fehlt inzwischen weitgehend der Zugang zu den einfachen, billigen, aussichtsreichen Quellen in Asien und Lateinamerika. Diese nämlich befinden sich inzwischen alle in der Hand nationaler Ölgesellschaften. Sie heißen Saudi Aramco (Saudi-Arabien), Gazprom (Russland), NIOC (Iran) oder PDVSA (Venezuela) und stehen unter staatlicher Obhut. Sie sind die wahren Giganten im Geschäft; sie kontrollieren mehr als drei Viertel der globalen Reserven.

‘Big Oil‘, wie die alten privaten Konzerne noch immer genannt werden, kontrolliert gerade noch rund zehn Prozent der globalen Öl- und Gasreserven. BP und Co. bleiben nur die aufwendigen, teuren und gefährlichen Projekte. Aus der Not heraus stoßen die Konzerne zu den letzten Grenzen vor, zu Vorkommen, die sonst keiner anfassen mag. (…) Milliarden wurden von den Konzernen investiert, um in früher für undenkbar gehaltene Tiefen vorzudringen. Jede neue Explorationsmethode wird von der Industrie bejubelt, treibt sie doch jenen Zeitpunkt weiter hinaus, an dem der Ölfluss versiegen wird. (…) Rund 60 Milliarden Barrel Öl, so eine aktuelle Schätzung der US-Regierung, lagern unter dem Meeresgrund des Golfs von Mexiko. Das gigantische Vorkommen reicht aus, um Amerikas Wirtschaft, (…) fast für ein Jahrzehnt am Laufen zu halten. Erst Ende März hatte US-Präsident Obama verkündet, neue Seegebiete vor der Ostküste der USA, nördlich von Alaska und im östlichen Golf von Mexiko, für Offshore-Bohrungen freizugeben (…) Dass BP und andere Ölgesellschaften bei der Suche und Erschließung an die technologischen Grenzen gehen müssen, liegt daran, dass ihnen keine anderen Möglichkeiten mehr bleiben".

Immer höhere Kosten, immer größere Risiken

„Längst haben sich die Ölgesellschaften von Plattformen verabschiedet, die auf dem Meeresboden fest verankert sind. Schwimmende Monstren, sogenannte Halbtaucher, dümpeln auf den Ozeanen, unter sich Kilometer von Wasser. Steigleitungen aus Spezialstahl oder extrem festen Verbundwerkstoffen führen in die stockdunkle Tiefe. Normale Leitungen würden unter ihrem eigenen Gewicht zerbersten. In 1500 Meter Tiefe ist das Wasser fünf Grad kalt - das Öl jedoch kommt fast kochend aus dem Grund. Extreme Belastungen des Materials sind die Folge. Die Risiken sind beträchtlich. Mit der Tiefe vergrößern sich die technischen Anforderungen an die Bohrung enorm, Die Technik ist gefährlich: Beim Aushärten entstehen Risse im Zement, durch die Öl und Gas mit Urgewalt nach oben zischen können. Ein Funken reicht dann - und es kommt zur Explosion.“ (ebenda) …wie jetzt!

Fieberhaft kämpfen Zehntausende von Einsatzkräften bislang weitestgehend vergeblich darum, das Öl von weiteren Stränden fernzuhalten. Flugzeuge vom Typ Lockheed C-130 versprühten Tonnen des Chemikaliengemischs Corexit, das den Ölteppich auflösen soll - und das selbst im Verdacht steht, die maritime Lebenswelt zu schädigen. Langfristig können also durch die chemischen Rettungsmaßnahmen durchaus noch größere, unabsehbare Schäden entstehen(2). Die wirtschaftlichen Folgen für die Bevölkerung vor Ort sind aber schon jetzt katastrophal, weil viele Fischer in den Ruin getrieben werden.

Während der Wettlauf um die Erschließung neuer Ölquellen immer höhere Investitionen erfordert, müssen gleichzeitig immer größere technische Wagnisse eingegangen werden. Die kapitalistischen Konkurrenzbedingungen treiben die Rivalen dazu, immer mehr zu riskieren und immer weniger Rücksicht auf die Bedürfnisse der Natur zu nehmen. Schmelzende Polkappen und die damit frei werdenden Nordwest-Passage sowie das auftauende Eis in den Permafrostzonen haben schon seit langem den Appetit der Ölgesellschaften geweckt und zu Spannungen zwischen Ländern geführt, die Gebietsansprüche in der Region erheben.

Während die grenzenlose Verwendung von nicht erneuerbaren, fossilen Energiequellen wie Öl im Grunde ohnehin die reinste Verschwendung und die permanente Suche nach neuen Ölquellen eine reine Absurdität ist, treibt die Wirtschaftskrise und der mit ihr verbundene Konkurrenzkampf die Unternehmen dazu, immer weniger Geld für mögliche und erforderliche Sicherheitssysteme aufzubringen. Das System plündert immer waghalsiger, rücksichtsloser und räuberischer die Ressourcen des Planeten aus. War es seit jeher eine gängige Kriegsmethode, die Politik der „verbrannten“ Erde zu praktizieren, die z.B. auch von den USA im ersten Golfkrieg 1991 eingesetzt wurde, als sie Ölförderanlagen am Persischen Golf in Brand schossen und Unmengen von Öl ausliefen bzw. riesige Brände verursachten, bewirkt der alltägliche Druck der Krise nun, dass man billigend „verbrannte Erde“ und verpestete Meere in Kauf nimmt, um seine ökonomischen Interessen durchzusetzen.

Die jetzige Ölpest war vorhersehbar – genau wie die Katastrophe von 2005, als Hurrikan Katrina die Stadt New Orleans überflutete und ca. 1800 Menschen in den Tod riss, als eine ganze Stadt evakuiert, Hunderttausende umgesiedelt werden mussten. So wie die Katastrophe von New Orleans ein Ergebnis der Unfähigkeit des Kapitalismus war, für ausreichenden Schutz vor den Gefahren der Natur zu sorgen, ist die jetzige Ölpest das Ergebnis kapitalistischen Profitstrebens.

USA und Haiti – zwei Gesichter des gleichen Systems

Innerhalb kurzer Zeit sind der Golf von Mexiko und die Karibik Schauplatz gewaltiger Katastrophen geworden. Reiner Zufall?

Als die Erde unter der Karibikinsel Haiti bebte und mehr als 200.000 Menschen den Tod fanden, 300.000 Menschen verletzt und 1.5 Mio. Menschen obdachlos wurden, wurde offensichtlich, dass die Menschen Opfer einer unglaublich nachlässigen Baupolitik geworden waren (s. frühere Artikel auf unserer Webseite). Dass das chronisch verarmte, seit langem von Rückständigkeit geplagte Haiti zum Friedhof für so viele Menschen wurde, erscheint leicht nachvollziehbar. Aber ist es ein Zufall, dass die Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko eines der technisch höchst entwickelten Länder, die USA, trifft?

In der Golfregion und der Karibik kommen in Wirklichkeit himmelschreiende Gegensätze und Widersprüche zum Vorschein, die ein typischer Ausdruck eines niedergehenden Systems sind. Sowohl das Schicksal der Menschen im bettelarmen Haiti (wie auch z.B. das Leiden der Opfer im vom Drogenkrieg geplagten Mexiko) als auch die Lage in den USA zeigt, in welches Stadium diese Gesellschaft eingetreten ist.

Einerseits melden immer mehr US-Bundesstaaten Bankrott an (s. Artikel auf unserer Webseite zu den Studentenprotesten in den USA), immer mehr Menschen hausen in Zeltstädten. Andererseits verkündet die US-Regierung mit Stolz:Das erste Raumschiff der US-Luftwaffe hat seine Feuertaufe bestanden: Am frühen Freitagmorgen [23. April, ein Tag nach dem Beginn der Ölpest] ) startete das geheimnisumwobene Space Plane erfolgreich zu seinem Testflug im All. Vom militärischen Teil des Weltraumbahnhofs Cape Canaveral im Bundesstaat Florida wurde das unbemannte Mini-Shuttle von einer Atlas-V-Rakete in den Orbit befördert. Der unbemannte Weltraumgleiter X-37-B wurde in den vergangenen zehn Jahren unter strengster Geheimhaltung entwickelt (…) Eine naheliegende und mehrfach geäußerte Vermutung ist, dass die X-37-B als Weltraumdrohne zum Einsatz kommen könnte, um strategisch wichtige Ziele überall auf der Welt aufzuklären.“

Während man sich erhofft, damit Gefahren für die Sicherheit der USA aus der Luft aufzuspüren, lässt man die Kräfte weitestgehend frei walten, die unbehindert von oder gar mit Zustimmung und Wohlwollen seitens der US-Behörden die gefährlichsten und bedrohlichsten Eingriffe an der Natur vornehmen, dabei Menschenleben fahrlässig gefährden und, wie jetzt bei den Ölbohrungen, eine auf Jahre hinaus vergiftete Natur hinterlassen.

Die Prioritäten dieses verfaulenden, am Militarismus erkrankten Systems sind klar: Man investiert 35 Milliarden Euro in 180 neue Tankflugzeuge, die u.a. Bomber und andere Massenvernichtungsflugzeuge auftanken sollen, man befördert 30.000 US-Soldaten mit Riesenaufwand durch sieben Länder über Tausende von Kilometern vom Irak nach Afghanistan, damit sie dort weiter wüten können… aber gleichzeitig landen immer mehr Obdachlose auf der Straße, verkommen immer mehr Stadtviertel, verfällt die Infrastruktur und kämpfen immer mehr Menschen ums Überleben. Der Gegensatz zwischen dem, was möglich wäre - eine Gesellschaft, die nicht auf Profit basiert, sondern auf der Bedürfnisbefriedigung der Menschen -, und der grausigen Wirklichkeit im Kapitalismus könnte nicht eklatanter sein. Jeder Tag, den die kapitalistische Produktionsweise die Menschheit weiter im Würgegriff hält, ist ein Tag zu viel. Dv. 18.05.2010

(1) An der Unglücksstelle liefen nach ersten Angaben täglich etwa 1.000 Barrel (160.000 Liter) Rohöl ins Meer. Einige Tage später wurden die Schätzungen durch die Entdeckung eines dritten Lecks auf eine Austrittsmenge von etwa 5.000 Barrel (etwa 800.000 Liter) pro Tag korrigiert. Neuere Berechnungen verschiedener Forscher, die auf Unterwasservideos der Lecks beruhen, liefern eine Austrittsmenge von mindestens 50.000 Barrel (etwa 8 Millionen Liter) täglich.

(2) Bisher sind 1.8 Millionen Liter der Spezialflüssigkeit Corexit im Golf von Mexiko eingesetzt worden... Es besteht die Gefahr dass ein Teil der unterirdischen Ölschwaden in Richtung des offenen Atlantik getragen wird.

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