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Der Krieg in Afghanistan: Strategie oder Ölprofite?
Der Krieg in Afghanistan: Strategie oder Ölprofite?Inmitten des Tobens des imperialistischen Orkans in Afghanistan haben winzige Gruppen von Internationalisten ihre Ablehnung aller miteinander ringenden Imperialismen verkündet und jede Illusion in die Pazifizierung des Kapitalismus oder in eine Unterstützung irgendwelcher Agenturen mit diesem Ziel denunziert sowie zur Aufnahme des Klassenkampfes aufgerufen, der allein das weltweite kapitalistische System, die Hauptquelle imperialistischer Kriege, überwinden kann.
Diese Gruppen leiten ihre Ursprünge aus dem Erbe der Italienischen und Deutsche Linken her, den einzigen internationalistischen Strömungen, die den Niedergang der Dritten Internationale überlebt hatten, indem sie die internationalistischen Positionen des Proletariats im Sturm des II. Weltkriegs hoch gehalten hatten. Sie sind Teil dessen, was die IKS als das politische Milieu des Proletariats bezeichnet.[i]
Als Beitrag zur Stärkung dieses Milieus untersuchen wir die Stärken und Schwächen ihrer aktuellen Antwort auf den Krieg, so wie wir dies stets tun, wenn solche Ereignisse das eigentliche Dasein revolutionärer Organisationen auf die Probe stellen.
Wir wollen uns hier nicht mit der allgemeinen Herangehensweise der verschiedenen Gruppen befassen: Die IKS hat in ihrer territorialen Presse den Klassencharakter ihrer Antwort bereits anerkannt und aufgezeigt.[ii] Wir streben angesichts der gebotenen Kürze auch nicht an, dabei allumfassend zu sein. Wir werden stattdessen einige bedeutsame Elemente der Erklärung der imperialistischen Barbarei durch eine dieser Gruppen – das Internationale Büro für die Revolutionäre Partei (IBRP)[iii] – diskutieren.
Die Suche nach den materiellen Wurzeln
Es reicht für revolutionäre Organisationen nicht aus zu wissen, dass der US-Staat und die anderen imperialistischen Großmächte dem Terrorismus nicht feindlich gegenüber stehen, wie sie das in den letzten vier Monaten behauptet haben, oder in Kenntnis darüber zu sein, dass sie nicht durch die Interessen der Zivilisation und Humanität geleitet werden, wenn sie einen Krieg auslösen, der Tod und Verderben auf Weltebene verursacht. Die Revolutionäre müssen auch erklären können, was der wahre Grund dieser Barbarei ist, worin die Interessen der imperialistischen Mächte und insbesondere der USA bestehen und ob dieser Alptraum für die Arbeiterklasse irgendwann ein Ende findet.
Das IBRP bietet folgende Erklärung für den Krieg in Afghanistan an: Die USA wollen den Dollar als Weltwährung erhalten und so ihre Kontrolle über die Erdölindustrie bewahren: „... die USA brauchen den Dollar als gültige Währung im internationalen Handel, wenn sie ihre Stellung als globale Supermacht bewahren wollen. Vor allem sind die USA verzweifelt darum bemüht sicherzustellen, dass der internationale Ölhandel auch weiterhin primär in Dollars abgewickelt wird. Dies bedeutet, bei der Bestimmung der Routen für die Öl- und Gaspipelines und vor allem bei der Beteiligung von kommerziellen US-Interessen an der Ausbeutung der Quellen das letzte Wort zu haben. Dies steckt dahinter, wenn offen kommerzielle Entscheidungen durch die sie überwölbenden Interessen des US-Imperialismus als Ganzes gemäßigt werden, wenn der amerikanische Staat politisch und militärisch für langfristige Ziele eingespannt wird, Ziele, die sich oft gegen die Interessen anderer Staaten und in steigendem Maße gegen jene ihrer europäischen ‚Verbündeten‘ richten. Mit anderen Worten, dies ist der Kern der imperialistischen Konkurrenz im 21. Jahrhundert.“ (...)
„Eine gewisse Zeitlang haben sich die europäischen Ölgesellschaften, unter ihnen die italienische ENI, in zahllosen Projekten engagiert, um Öl direkt aus der Region des Kaspischen Meeres und des Kaukasus in europäische Raffinerien zu leiten, und es ist offensichtlich, dass ab dem 1. Januar (als der Euro legales Zahlungsmittel in den Ländern der Europäischen Union wurde) die Projekte für einen alternativen Ölmarkt Gestalt anzunehmen begannen, doch die Vereinigten Staaten denken angesichts der vielleicht schlimmsten Krise, die sie seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt haben, nicht daran, von ihrer eigenen ökonomischen und finanziellen Macht abzulassen“ („Imperialismus, Erdöl und die nationalen Interessen der USA“, Seite 8, Revolutionary Perspectives, Nr. 23, vierteljährliche Zeitung der Communist Workers Organisation, die britische Zweigorganisation des IBRP).
Der Krieg ist angeblich darauf hinaus, die potenziellen, vom Taliban-Regime und seinen Al-Qaida-Helfern gebildeten Barrieren zu entfernen, um quer durch Afghanistan eine Route für eine Ölpipeline zu schaffen, durch die ein Teil der Förderung aus den Ölfeldern in Kasachstan transportiert werden soll – all dies Teil einer weiter gefassten Strategie der USA, um den Erdöltransport zu kontrollieren. Die USA wollen sichere und verschiedene Transportwege für die Weltölvorkommen. Hinter diesem Imperativ, so das IBRP, stehe das Schicksal des Dollars und hinter dem Schicksal des Dollars der Supermacht-Status der Vereinigten Staaten. Die Europäer ihrerseits seien an der Verbesserung des Status‘ ihrer soeben flügge gewordenen Währung, den Euro, auf den Ölmärkten interessiert und widersetzten sich aus diesem Grund den USA.
Das eigentliche Ziel der USA im Afghanistan-Krieg sei es, wie das IBRP sagt, ihre Stellung als ‚Weltsupermacht‘ zu erhalten, worunter wir ihre überwältigende militärische, ökonomische und politische Überlegenheit über alle anderen Länder auf diesem Planeten verstehen. Ihre Opponenten wollen diese Stellung begrenzen oder eventuell untergraben. Mit anderen Worten, im Gegensatz zu den Märchengeschichten, die uns von den bürgerlichen Medien präsentiert werden, wonach dies ein Krieg zwischen Gut und Böse, zwischen Demokratie und Terror sei, enthüllen die Revolutionäre des IBRP die imperialistischen Interessen der Protagonisten. Hinter den imperialistischen Konflikten stecken die rivalisierenden kapitalistischen Mächte, die von der Wirtschaftskrise angetrieben werden.
Hinzu kommt, dass das IBRP Abstand nimmt von seinem Versuch, den gegenwärtigen Krieg (und die wachsende Zuspitzung der imperialistischen Konflikte) als das Resultat des Strebens nach unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteilen zu erklären. Zehn Jahre zuvor sagte das IBRP über den bevorstehenden Golfkrieg, dass „... die Krise am Golf sich wirklich ums Öl und darum dreht, wer es kontrolliert. Ohne billiges Öl fallen die Profite. Die Profite des westlichen Kapitalismus sind bedroht, und aus diesem (und keinem anderen) Grund bereiten die USA ein Blutbad im Nahen Osten vor“. (CWO-Flugblatt, zitiert in International Review Nr. 64).
Der Sieg der USA im Golfkrieg bewirkte jedoch keinerlei signifikante Steigerung der Ölprofite und auch keine bedeutsamen Ölpreisänderungen. Das IBRP scheint dies und auch die Tatsache realisiert zu haben, dass Ex-Jugoslawien keinerlei profitable Märkte für die imperialistischen Mächte bot, die sich dort gegenseitig bekämpften, wie es zunächst annahm, und es scheint nun zu einer breiteren Erklärung der Situation gelangt zu sein. Solch eine Herangehensweise kann nur begrüßt werden, da die Glaubwürdigkeit der Marxisten von ihrer Fähigkeit abhängt, den Imperialismus auf der Grundlage einer globalen und historischen Analyse zu begreifen, die die unmittelbaren ökonomischen Faktoren nicht als Kriegsgrund betrachten. [iv]
Doch trotz dieses Schritts vorwärts sieht das IBRP die imperialistischen Ziele am Schicksal von Währungen hängen, mit anderen Worten: an spezifisch ökonomischen Faktoren. Und es misst der Frage des Erdöls und der Ölpipelines ein entscheidendes Gewicht bei der Rolle des Dollars und der seines neuen Rivalen, des Euros, bei. Beim Öl geht’s für das IBRP so ziemlich‚ „um den Kern der imperialistischen Konkurrenz im 21. Jahrhundert“.
Doch ist die Bewahrung des Status‘ der Vereinigten Staaten als hegemoniale Weltmacht so direkt und so entscheidend von der Rolle des Dollars abhängig, wie das IBRP sagt? Und hängt die Stellung des Dollars als Weltwährung wirklich so direkt von der Kontrolle des Öls durch die USA ab?
Das Erdöl und der Dollar
Auch wenn ein wichtiges Wörtchen bei der kommerziellen Kontrolle der Ölförderung – die meisten der wichtigsten globalen Erdölgesellschaften sind zum Beispiel im Besitz der Amerikaner – den Vereinigten Staaten sicherlich dabei hilft, ihre Wirtschaftsmacht aufrechtzuerhalten, und dies somit ein Faktor der Vorherrschaft des Dollars ist, erklärt dies nicht grundsätzlich die Mittel, durch die der Dollar seine Rolle als Weltwährung erlangte und sie noch heute behauptet.
Der Dollar erreichte seine vorrangige Stellung, bevor das Erdöl zum Haupttreibstoff auf dem Planeten wurde. In der Tat gründet sich die Stärke einer Währung nicht auf der Kontrolle der Rohstoffe.
Japan zum Beispiel kontrolliert praktisch keine Rohstoffe, doch der Yen ist trotz der gegenwärtigen Stagnation der japanischen Wirtschaft eine starke Währung. Umgekehrt hatte die frühere UdSSR riesige Mengen an Erdöl unter ihrer Gewalt, doch verhinderte dies nicht ihren ökonomischen Zusammenbruch; auf sich gestellt, war der Rubel unfähig, eine Weltwährung zu werden.[v] Es war nicht die Kontrolle über die Kohle oder die Baumwollversorgung, die das englische Pfund im 19. Jahrhundert zur Hauptwährung machte.Es ist vielmehr das Übergewicht der Wirtschaft eines Landes im Bereich der Weltproduktion und des Handels sowie sein relatives politisches und militärisches Gewicht, was erklärt, warum gewisse Währungen zur Standardleitwährung für den Weltkapitalismus werden. Das Pfund erlebte einen Höhenflug, weil Großbritannien das erste moderne kapitalistische Land war. Die größere Produktivität seiner Industrien versetzte seine Produkte in die Lage, jene des Rests der Welt, was Preis und Menge anging, zu ersetzen, da anderswo die kapitalistische Produktion erst im Begriff war, Fuß zu fassen. Die ganze Welt verkaufte Rohstoffe an Großbritannien. Und Großbritannien war – wie ein berühmtes Zitat besagt – die „Werkstatt der Welt“. Die Stärke des britischen Militärs, insbesondere der Flotte, und seine Anhäufung von kolonialen Besitzungen vergrößerte noch die Überlegenheit des Pfunds und die Stellung Londons als Finanzzentrum der Welt.
Die Entwicklung des Kapitalismus in anderen Ländern begann die Überlegenheit des britischen Kapitalismus zu untergraben, und seine Konkurrenten begannen, es in Sachen Produktivität zu überholen. Die neuen, durch den Ersten Weltkrieg enthüllten Bedingungen läuteten das Ende des Pfunds ein, und der Zweite Weltkrieg besiegelte sein Schicksal endgültig. In einer Welt, wo rivalisierende kapitalistische Nationen den Weltmarkt bereits unter sich aufgeteilt hatten und sie nur noch danach trachten, durch eine Neuaufteilung des Weltmarkts zu ihren Gunsten zu expandieren, neigt sich in der Frage der militärischen Konkurrenz – des Imperialismus – die Gunst Ländern mit kontinentalen Ausmaßen wie die Vereinigten Staaten mehr zu als den europäischen Ländern, deren relativ kleine Größe einer früheren Phase im kapitalistischen Wachstum entsprachen. Die Auszehrung aller europäischen Mächte einschließlich der Sieger wie Großbritannien nach dem Ersten Weltkrieg steigerte das relative Gewicht der US-Produktion und ihres Anteils am Welthandel enorm und erhöhte daher auch die internationale Nachfrage nach dem Dollar. Und nach der Verwüstung Europas im Zweiten Weltkrieg erreichten die Vereinigten Staaten, stimuliert durch eine phänomenale Steigerung der Rüstungsproduktion, eine haushohe wirtschaftliche Überlegenheit auf Weltebene. Um 1950 bestritten die USA die Hälfte der gesamten Weltproduktion! Der Marshall-Plan von 1947 versorgte die Europäer mit den Dollars, die sie verzweifelt brauchten, um ihre Wirtschaft mit amerikanischen Gütern wieder aufzubauen. Die Dollarüberlegenheit wurde durch das Bretton-Woods-Abkommen und die Gründung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds unter der Ägide der USA global institutionalisiert.
1968 gelangte die Wiederaufbauperiode zu ihrem Ende, und die europäischen sowie japanischen Ökonomien hatten ihre Stellung gegenüber den USA verbessert. Doch trotz der relativen Schwächung der US-Wirtschaft, die zu einer effektiven Abwertung des Dollars führte, bedeutete dies nicht das unmittelbare Ende ihrer vorrangigen Stellung. Weit entfernt davon. Die USA besaßen etliche Mittel, um die neuen Bedingungen zu ihren Gunsten auszunutzen. Die Abkoppelung des Dollars vom Gold 1971 durch Washington ermöglichte es den USA, die Macht des Dollars und die Konkurrenzfähigkeit der amerikanischen Produktion durch die Manipulation des Devisenkurses aufrechtzuerhalten, welche ihre wachsende Auslandsverschuldung niedrig hielt (eine Methode, die Großbritannien in den 30er Jahren benutzt hatte, um die Stellung des Pfunds selbst nach dem Niedergang seiner Wirtschaft und dem Aufstieg der US-Wirtschaft aufrechtzuerhalten). Zu Beginn der 80er Jahre halfen die steigenden Zinssätze und die Deregulierung der Kapitalströme - mit der Konsequenz, dass Finanzspekulationen wie Pilze aus dem Boden wuchsen - dabei mit, die Auswirkungen der Krise auf andere Länder abzuwälzen. Hinter diesen Maßnahmen steckte die militärische Überlegenheit der USA, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion unangreifbar geworden war und sicherstellte, dass König Dollar auf seinem Thron bleibt.
Die Rolle des Erdöls bezüglich der Vorrangstellung des Dollars ist daher relativ unbedeutend. Auch wenn es zutrifft, dass es in der ‚ersten Ölkrise‘ 1971–72 den USA durch ihren Einfluss auf die Ölpreispolitik der OPEC gelang, enorme Vermögen von den europäischen und japanischen kapitalistischen Mächten via Saudi-Arabien in die eigenen Taschen zu schleusen, so sind solche Manipulationen kaum die Hauptinstrumente der Dollarüberlegenheit. Was für die Hegemonie des Dollars wirklich zählt, ist die ökonomische, politische und militärische Vorherrschaft der USA auf dem Weltmarkt, auf dem Öl und andere Rohstoffe gekauft und verkauft werden, und diese Dominanz wird hauptsächlich von Faktoren von allgemeinerer und historischer Tragweite bestimmt als von der Kontrolle über das Erdöl.
Das IBRP glaubt jedoch, dass die Zuspitzung der militärischen Abenteuer der USA in Zentralasien Teil langfristiger Vorbeugemaßnahmen zur Besetzung der Ölzentren und der Transportwege des Öls ist, um die europäischen Mächte an der Kontrolle derselben zu hindern, die ihrerseits ins Auge gefasst haben, den Euro zur Hauptwährung in der Ölförderung und im Erdölhandel zu machen. Das angebliche Ziel der USA sei es, den Euro, die gerade flügge gewordene Währung der Europäischen Union, zu stoppen, der nach der Krone des Dollars greife und so die USA als rivalisierender imperialistischer Block überholen wolle.
Doch wenn diese Erklärung richtig ist, müssten die europäischen Mächte sehr viel mehr tun, als ihren Einfluss auf die Erdölindustrie zu steigern, um den Dollar durch den Euro zu ersetzen. Selbst wenn die Europäische Union eine wirklich vereinigte politische und wirtschaftliche Gesamtheit wäre, so betrüge ihr gesamtes BSP nur zwei Drittel desjenigen der Vereinigten Staaten. Obwohl die EU nun eine gemeinsame Währung besitzt, ist sie dennoch in etliche konkurrierende national-kapitalistische Einheiten zersplittert, die ihre wirtschaftliche Stärke gegenüber den Vereinigten Staaten untergraben. Der Europäischen Zentralbank mangelt es im Vergleich zur Federal Reserve der USA an Einigkeit über die Absichten in der Währungs- und Steuerpolitik, was daran liegt, dass sie, bis jetzt zumindest, dazu tendierte, im Kielwasser der Politik der Einzelstaaten zu folgen. Die Wirtschaft Deutschlands, dem stärksten politischen Pol in der Euro-Zone, folgt in der Rangliste den USA und Japan erst auf Platz drei, und dies aus anderen Gründen als wegen des Mangels an Kontrolle über das Öl und die Pipelines.
Auf der politischen und militärischen Ebene ist die Spaltung noch größer. Die EU umfasst mehrere imperialistische Mächte, die sowohl gegeneinander als auch gegen die USA konkurrieren. Europas größte Wirtschaftsmacht, Deutschland, bleibt ein militärischer Pygmäe im Vergleich zu Großbritannien und Frankreich, seinen Hauptrivalen (und dabei muss betont werden, dass eine der größten Militärmächte Europas – Großbritannien – nicht einmal in der Euro-Zone ist). Deutschland ist dabei, seine militärischen Kräfte zu stärken; seine Truppen haben zum ersten Mal seit dem II. Weltkrieg außerhalb der eigenen Grenzen interveniert (Kosovo). Nichtsdestotrotz reicht die Reichweite seiner militärischen Macht nicht weiter als bis zu seinen unmittelbaren Nachbarn in Osteuropa.
Wie die Währungsexperten der Bourgeoisie hervorheben, stellt diese militärische Schwäche und die divergierenden Interessen innerhalb der EU eine ernsthafte Gefahr für den Euro dar: „Glyn Davies, Autor von ‚A History of Money from Ancient Times to the Present Day‘, sagte: ‚die größte langfristige Bedrohung für die Währungsunion in Europa seien die Kriege oder‚ als Kontroverse angesehene Verhaltensweisen von Ländern, die sich im Krieg befinden. Es geht allein um den politischen Aspekt. Wenn man eine starke politische Union hätte, dann kann sie vielen Angriffen widerstehen. Doch wenn es politische Differenzen gibt, kann dies die Währungsunion beträchtlich schwächen.‘“ (International Herald Tribune, 29.12.01)
Daher und aus anderen Gründen wird es der Euro schwer haben, dem Dollar das Vertrauen der Weltwirtschaft streitig zu machen.
Von diesem Standpunkt aus betrachtet, kann der Schutz der Vorherrschaft des Dollars nicht als glaubwürdiger Grund für die riesige Militärkampagne, die in Afghanistan ausgetragen wird, angesehen werden. Wie wir auf unserem letzten internationalen Kongress gesagt haben: „Die USA wollen diese Region wegen des Erdöls kontrollieren – nicht aus rein ökonomischen Gründen, sondern vor allem, weil sie sicherstellen wollen, dass Europa nicht in die Lage versetzt wird, diese Ölquellen im Falle eines Krieges zu nutzen. Wir sollten uns dabei in Erinnerung rufen, dass während des Zweiten Weltkrieges deutsche Truppen 1942 eine Offensive gegen Baku durchführten, um die Kontrolle über diese Ölvorräte zu erlangen, was überlebenswichtig für die Kriegführung war. Heute ist die Situation bezüglich Aserbeidschan und der Türkei etwas anders, für die die Frage des Erdöls mehr eine Frage des unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzens ist. Aber die wahren Einsätze werden nicht auf diesem Feld getätigt.“ („Bericht über die imperialistischen Spannungen“ in International Review Nr. 107)[vi]
Hängt die US-Hegemonie vom Dollar ab?
Die zweite Frage, die vom IBRP gestellt wird, lautet: Hängt der Status der Supermacht der USA von der außergewöhnlichen Rolle des Dollars ab? Nein, würden wir sagen, jedenfalls nicht auf entscheidende Weise, wie das IBRP meint. Wie wir argumentiert haben, ist die militärische Überlegenheit genauso sehr eine Ursache wie auch ein Effekt des Dollarstatus‘. Natürlich ist die ökonomische und monetäre Vorherrschaft der USA in der Weltwirtschaft ein wichtiger Faktor bei ihrer militärischen Überlegenheit. Doch militärisches und strategisches Vermögen rührt nicht automatisch, mechanisch und unmittelbar oder proportional aus der Wirtschaftsmacht her. Es gibt zahllose Beispiele, die dies beweisen. Japan und Deutschland sind nach den Vereinigten Staaten die stärksten Wirtschaftsmächte der Welt, aber immer noch militärische Zwerge, verglichen mit Großbritannien und Frankreich, die, wirtschaftlich zwar schwächer, Nuklearwaffen besitzen. Die UdSSR war wirtschaftlich äußerst schwach, doch auf militärischer Ebene bot sie der amerikanischen Macht 45 Jahre lang die Stirn. Und trotz der relativen wirtschaftlichen Schwächung der USA seit 1969 ist ihre militärische und strategische Macht gegenüber ihren nächsten Rivalen erheblich gewachsen.
Wie jedes andere Land können sich auch die USA nicht auf die Leistungsfähigkeit ihrer Währung verlassen, um ihre imperialistische Stellung automatisch zu garantieren. Im Gegenteil, die USA müssen damit fortfahren, enorme, kostspielige Ressourcen ihren militärischen und strategischen Interessen zu widmen, um zu versuchen, ihre imperialistischen Hauptrivalen zu überlisten und deren Anspruch, die Führung der USA anzufechten, zu dämpfen. Die antiterroristische Kampagne seit dem 11. September hat der USA bemerkenswerte Erfolge in diesem imperialistischen Kampf erbracht. Sie hat die anderen Hauptmächte dazu gezwungen, ihre militärischen und strategischen Ziele zu unterstützen, ohne es ihnen zu erlauben, mehr als nur ein paar Krümel des Prestiges aus ihrer Unterstützung für den schnellen militärischen Erfolg der amerikanischen Streitkräfte über das afghanische Taliban-Regime zu erhalten. Gleichzeitig haben die USA ihr strategisches Gewicht in Zentralasien verstärkt. Die Zurschaustellung ihrer militärischen Überlegenheit war so niederschmetternd, dass ihr Rückzug aus dem ABM-Vertrag mit Russland nur leise Kritik unter ihren früher lautstarken Gegnern in den europäischen Hauptstädten hervorrief. Die USA können nun mühelos die Expansion ihres ‚antiterroristischen‘ Kreuzzuges gegen andere Länder in Angriff nehmen.
Dennoch wäre es schwer zu ermessen, ob die amerikanische Offensive in den letzten drei Monaten die Erdölversorgung für die USA sicherer als zuvor gemacht hat oder die erdrückende Überlegenheit des Dollars über den Euro bedeutend gesteigert hat. Der wirkliche Sieg der USA ergibt sich auf der militärstrategischen Ebene, wie schon im Golfkrieg. Die wirtschaftlichen Nutzeffekte sind genauso schwer fassbar wie in diesem früheren Konflikt.
Die Kontrolle des Erdöls um ökonomischer Vorteile willen war nicht die entscheidende Frage, die die USA dazu veranlasste, Milliarden von Dollar für einen Monat Krieg in Afghanistan auszugeben und die Stabilität Pakistans zu riskieren, wo die beabsichtigten Pipelines weiter verlaufen sollen, nachdem sie Afghanistan verlassen haben.
Die CWO zeigte schon 1997 in einem Artikel („Behind the Talibans stands the US imperialism“), dass das Taliban-Regime die Erdölinteressen der USA nicht wirklich bedroht hatte. Im Gegenteil, die USA betrachteten das Regime als einen Stabilitätsfaktor, verglichen mit den Vorgängern der Taliban. Obgleich es Osama Bin Laden bei sich beherbergte, stellte das Regime kein unüberwindbares Hindernis für eine Verständigung mit den USA und ihren Interessen dar.[vii]
Die Rolle des imperialistische Krieges heute
Die Ära, in der kapitalistische Mächte in den Krieg zogen, um unmittelbare, direkte wirtschaftliche Vorteile zu erlangen, war die Embryonalphase in der Entwicklung des Kapitalismus, eine Phase, die kaum das 19. Jahrhundert überdauerte. Sobald die kapitalistischen Hauptmächte die Welt in Form von Kolonien oder Einflusssphären unter sich aufgeteilt hatten, wurde die Möglichkeit der Erlangung direkter wirtschaftlicher Vorteile aus dem Krieg immer ungewisser. Als der Krieg zu einer Frage des militärischen Konflikts mit anderen imperialistischen Mächten wurde, traten weiterreichende strategische Fragen in den Vordergrund, die die industrielle Vorbereitung und eine Explosion der Kosten zur Folge hatten. Der Krieg wurde weniger zur Frage wirtschaftlicher Vorteile als zu einer Frage des Überlebens eines jeden Staates auf Kosten seiner Rivalen. Die Ruinierung der meisten kämpfenden kapitalistischen Mächte in den beiden Weltkriegen dieses Jahrhunderts bezeugt, dass der Imperialismus nicht die „höchste Stufe“ des Kapitalismus ist, wie Lenin dachte, sondern Ausdruck seiner dekadenten Periode, in der der Kapitalismus in wachsendem Maße durch die nationalen Grenzen seines eigenen Systems dazu gezwungen ist, Mensch und Maschine auf den Schlachtfeldern zu verdampfen, statt sie im Produktionsprozess zu verwerten.[viii]
Nicht der Krieg dient den Bedürfnissen der Wirtschaft, sondern die Wirtschaft dient den Bedürfnissen des Krieges, und auch Rohstoffe können diesem allgemeinen Gesetz nicht entkommen. Wenn die imperialistischen Mächte die Rohstoffe kontrollieren wollen, besonders solch wichtige wie Erdöl, dann nicht deshalb, weil die Bourgeoisie, wie das IBRP sagt, glaubt, dass dies dem Wohle ihrer Profite oder Währungen dient, sondern wegen ihrer militärischen Bedeutung.
„Das größte militärische Aufbauprogramm zu Friedenszeiten in der amerikanischen Geschichte wurde vom Haushaltsausschuss für die bewaffneten Streitkräfte gebilligt. Der Haushaltsausschuss für außenpolitische Angelegenheiten nannte die strategische Bedeutung des östlichen Mittelmeerraums und des Nahen Ostens fast ebenbürtig mit jener der Region des Nordatlantikpakts. Stützpunkte in den arabischen Staaten und in Israel seien notwendig, um See- und Flugwege zu schützen. Der Schutz dieser Region sei entscheidend, wie der Bericht aussagt, da in dieser Region gewaltige Ölressourcen liegen, die die freie Welt nun für ihre enorm ausgeweiteten Wiederaufrüstungsbemühungen benötigen.“ (International Herald Tribune, 1951)
Der US-Imperialismus war ganz freimütig gewesen: Die Kontrolle des Erdöls ist zuallererst aus militärischen Gründen wichtig, da sie garantiert, dass das Erdöl in Kriegszeiten zu den eigenen Truppen fließt und die feindlichen Armeen der rivalisierenden Länder von ihm abgeschnitten werden.
Die Enthüllung der wahren Einsätze durch den Afghanistan-Krieg
Obwohl das IBRP anerkennt, dass der Kapitalismus sich in seiner historischen Niedergangsperiode befindet, lässt es diesen theoretischen Rahmen bei seinem Verständnis des imperialistischen Krieges von heute vermissen. Das grundlegende Bedürfnis des Kapitalismus ist immer noch die Akkumulation von Kapital, doch die Produktionsverhältnisse, die einst seine phantastische Entwicklung sicherstellten, hindern ihn nun daran, ausreichende Expansionsfelder zu finden. Die Produktion wird vermehrt ihrer Zerstörung zugeführt, statt zur Reproduktion von Reichtum beizutragen. Die Erkenntnis, dass der Krieg aufgehört hat, für das kapitalistische System als Ganzes profitabel zu sein, auch wenn er immer notwendiger für die Bourgeoisie wird, ist daher keine Verleugnung des marxistischen Materialismus, sondern ein Ausdruck der Fähigkeit, die verschiedenen Phasen, durch welche ein Wirtschaftssystem schreitet, und insbesondere den Übergang von seiner aufsteigenden zu seiner dekadenten Phase zu verstehen. In der letztgenannten Phase und um so mehr in den Perioden der offenen Krise drängt der ökonomische Imperativ die Bourgeoisie immer mehr statt in Richtung eines Krieges aus unmittelbar ökonomischen Gründen in Richtung eines globalen und äußerst selbstmörderischen Kampfes um militärische Überlegenheit unter den rivalisierenden nationalen Einheiten.
Nur wenn wir die Folgen der kapitalistischen Dekadenz auf die heutigen imperialistischen Konflikte deutlich machen, können wir die Arbeiterklasse auf die beträchtlichen Gefahren hinweisen, die im Afghanistan-Krieg und in jenen Kriegen zum Ausdruck kommen, die ihm unvermeidlich folgen werden. Das IBRP neigt dagegen dazu, dem Proletariat ein falsches, tröstliches Bild eines Systems zu vermitteln, das, wie in seiner Jugendzeit, immer noch in der Lage sei, seine militärischen Ziele den Bedürfnissen der wirtschaftlichen Expansion unterzuordnen. Darüber hinaus vermittelt das IBRP mit seiner fehlerhaften Auffassung über den europäischen Imperialismus, der rund um den Euro vereinigt sei, den Eindruck einer relativ stabilen Entwicklung des Weltkapitalismus zu zwei neuen imperialistischen Blöcken. Dabei weisen im Gegenteil die widersprüchlichen und antagonistischen Interessen der europäischen Mächte untereinander wie auch gegenüber den USA auf einen weiteren Schritt im Zerfall des Kapitalismus hin. Sie kündigen das Finale im Zerfall des Kapitalismus an, wo trotz der Versuche Deutschlands, sich als alternativer Pol zu den USA aufzustellen, das imperialistische Chaos die Oberhand gewinnt, wo militärische Konflikte sich katastrophal zu verallgemeinern drohen. Es ist ganz richtig, dass es im Afghanistan-Krieg um die Aufrechterhaltung und Wiederverstärkung der Stellung Amerikas als der Welt einzige Supermacht geht. Doch dieser Status wird nicht von spezifisch wirtschaftlichen Faktoren wie die Kontrolle über das Erdöl bestimmt, wie es sich das IBRP vorstellt. Er ist vielmehr von geostrategischen Fragen abhängig, von der Fähigkeit der USA, eine militärische Vorherrschaft in den Schlüsselregionen der Welt zu erreichen und ihre Rivalen daran zu hindern, ihre Stellung ernsthaft anzufechten. Weltregionen wie Afghanistan hatten lange, bevor das Öl als ‚schwarzes Gold‘ begehrt wurde, ihren strategischen Wert für die imperialistischen Mächte bewiesen. Es ging nicht ums Öl, als der britische Raj zweimal Armeen nach Afghanistan entsandte, bis es ihm schließlich gelang, ein Marionettenregime dort zu installieren. Die Bedeutung Afghanistans liegt nicht darin begründet, dass es ein potenzielles Transitland für die Ölpipelines ist, sondern darin, dass es der geographische Mittelpunkt der imperialistischen Hauptmächte des Nahen und Fernen Ostens sowie Südasiens ist. Seine Kontrolle würde die US-Macht nicht nur in dieser Region, sondern auch in ihrem Verhältnis zum europäischen Imperialismus beträchtlich steigern.
Die Vereinigten Staaten erreichten ihre dominante imperialistische Position im Wesentlichen aufgrund ihres siegreichen Hervorgehens aus zwei Weltkriegen. Auch der Schlüssel zu ihrer Fähigkeit, diese Stellung zu halten, liegt auf der militärischen Ebene.
Como
[i] 1 s. das IKS-Buch The Italian Communist Left und The Dutch-German Communist Left;
[ii] 2 s. zum Beispiel “Revolutionaries denounce imperialist war” in World Revolution 249, November 2001;
[iii] 3 s. www.leftcom.org
[iv] 4 In der Internationalist Communist Review Nr. 10 erkennt das IBRP sogar die Bedeutung der militärstrategischen Fragen über die Wirtschaft an: „Es liegt dann an der politischen Führung und an der Armee, die politische Richtung jedes Staates nur nach einem Imperativ zu etablieren: einer Einschätzung, wie man einen militärischen Sieg erreichen kann, denn dies überwiegt heute den wirtschaftlichen Erfolg.“ („End of the cold war: a new step towards a new imperialist line-up“.
[v] 5 In der Tat war die Rolle des Rubels als dominante Währung in den Ex-Comecon-Ländern des Ostblocks gänzlich abhängig von der militärischen Besetzung ihres Territoriums durch die UdSSR.
[vi] 6 Wir sollten auch betonen, dass das IBRP auch auf Faktenebene falsch liegt, wenn es behauptet, dass “die Region um das Kaspische Meer... das Gebiet mit den größten bekannten Reserven an nicht angezapften Erdöl (ist)”. Die nachgewiesenen Ölreserven der gesamten Ex-UdSSR betragen in etwa 63 Mrd. Barrel, jene der fünf Hauptproduzenten des Nahen Ostens betragen mehr als zehnmal soviel, wobei Saudi-Arabien allein 25% der nachgewiesenen weltweiten Reserven besitzt. Hinzuzufügen ist, dass das
saudische Öl weitaus profitabler ist (in rein ökonomischen Begriffen, von denen das IBRP so angetan ist); seine Förderung kostet nur 1$ pro Barrel und ist frei von den gigantischen Kosten für den Bau von Pipelines über die Gebirge Afghanistans und des Kaukasus.
[vii] Das kürzlich veröffentlichte über Buch Bin Laden, La verité interdit von Jean-Charles Brisard und Guillaume Dasqié (Editions Denoel und in Deutscher Sprache im Pendo Verlag, 2001) enthüllt die inoffizielle Diplomatie zwischen der amerikanischen Regierung und dem Taliban-Regime bis zum 11. September und deutet eine andere Schlussfolgerung über das Verhältnis zwischen den Ölinteressen der USA und der Entwicklung von militärischen Feindseligkeiten mit Afghanistan an als das IBRP. Bis zum 17. Juli 2001 versuchten die USA, die anstehenden Probleme mit dem Taliban-Regime diplomatisch zu lösen, wie die Ausweisung von Osama Bin Laden wegen des Angriffs auf die USS Cole und die amerikanischen Botschaften in Nairobi und Dar-es-Salaam. Und die Taliban waren keineswegs abgeneigt, über solche Fragen zu verhandeln. In der Tat hatten die Taliban nach der Inthronisierung von Bush als US-Präsident eine Wiederaussöhnung vorgeschlagen, die, wie sie hofften, zu einer diplomatischen Anerkennung führen würde. Doch nach dem Juli 2001 brachen die USA effektiv die diplomatischen Beziehungen, indem sie eine brutale, provokative Botschaft an die Taliban gesandt hatten: Sie drohten mit militärischen Aktionen, um Bin Laden zu fassen, und kündigten an, dass sie sich in Diskussion mit dem ehemaligen König Sahir Schah befänden, um die Macht in Kabul wieder zu übernehmen! Dies legt nahe, dass die Kriegsziele der USA bereits vor dem 11. September festgelegt worden waren und dass alles, was es bedurfte, um die Feindseligkeiten zu eröffnen, der Vorwand der terroristischen Gräueltat an diesem Tag war. Es legt ebenfalls nahe, dass nicht die Taliban einen diplomatischen Prozess verhinderten, der möglicherweise zu einem stabilen Afghanistan für die US-Ölinteressen geführt hätte, sondern die US-Regierung, die andere Pläne hatte. Statt der Formel des IBRP: ein Krieg zur Stabilisierung Afghanistans für eine Erdölpipeline, weisen die Zeichen auf einen Krieg hin, der die gesamte Region destabilisiert für das höhere Ziel der militärischen und geostrategischen Überlegenheit Amerikas.
[viii] 8 Das Kapital wird akkumuliert oder verwertet durch die Auspressung von Mehrarbeit der Arbeiterklasse.