Debatte mit der ungarischen anarcho-kommunistischen Gruppe Barikád Kollektíva

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Im Oktober 2004 trafen sich je eine Delegation der ungarischen Gruppe Barikád Kollektíva und der Internationalen Kommunistischen Strömung für eine Diskussion über die folgenden Punkte:

– Russische Revolution, Rolle und Charakter der Bolschewiki und der Linken Fraktionen der Komintern

– Dekadenz des Kapitalismus

– Aktualität: Imperialismus und Klassenkampf

Trotz großer inhaltlicher Divergenzen in praktisch allen Fragen war die Diskussion freundschaftlich und offen. Die jeweiligen Standpunkte kamen ausführlich zur Sprache. Dies war sicher zu einem wesentlichen Teil dem Umstand geschuldet, dass beide Gruppen das gleiche Ziel erreichen wollen, nämlich die klassenlose Gesellschaft, und sich beide auch darüber einig sind, dass dies nur auf dem Weg der revolutionären Überwindung des Kapitalismus auf Weltebene geschehen kann.

Auch darüber hinaus gibt es eine Reihe von programmatischen Gemeinsamkeiten:

– Die einzige Klasse, die heute in der Lage ist, eine solche Revolution durchzuführen, ist das Proletariat.

– Das Proletariat kann auf seinem Weg zur Revolution keine Bündnisse mit der Bourgeoisie oder Teilen von ihr eingehen.

– Angesichts des imperialistischen Krieges verteidigen die Revolutionäre eine internationalistische Haltung.

– Die so genannten nationalen Befreiungsbewegungen und der Antifaschismus sind bürgerliche Anliegen, die nichts mit dem proletarischen Kampf zu tun haben.

– Die Arbeiterklasse ist über alle Grenzen hinweg eine Einheit. Die Revolutionäre haben diese einheitlichen und allgemeinen Interessen der Arbeiterklasse hervorzuheben.

– Ein Ausdruck der Einheit der Arbeiterklasse ist ihre Tendenz zur Zentralisierung des Kampfes.

Es hier aus Platzgründen nicht möglich, über alle Diskussionspunkte des Treffens zu berichten und eine umfassende Bilanz zu ziehen (1). Wir konzentrieren uns auf zwei Punkte, die in der heutigen Zeit besonders wichtig sind: Einerseits die Verteidigung der historischmaterialistischen Methode und damit die Frage der objektiven und subjektiven Voraussetzungen der proletarischen Revolution; andererseits die Verantwortung der Revolutionäre, schonungslos die Ausweglosigkeit der heutigen kapitalistischen Realität aufdecken.

Zur Marxistische Methode

Einer der vorgesehenen Diskussionspunkte war die Frage der Dekadenz des Kapitalismus. Die ungarischen Genossen lehnen die von der IKS vertretene Auffassung ab, wonach jede bisherige Produktionsweise eine aufsteigende und eine niedergehende Phase durchlaufen hat. Die IKS verteidigt bekanntlich die Ansicht, dass der Kapitalismus vor rund 90 Jahren aufgehört hat, für die Weiterentwicklung der Produktivkräfte günstige Bedingungen darzustellen; dass vielmehr umgekehrt der I. Weltkrieg mit seiner Zerstörungswut den Eintritt in die Dekadenz der kapitalistischen Produktionsweise offenbart hat. Dies war auch die Auffassung der meisten Revolutionäre zur damaligen Zeit und in den darauf folgenden Kämpfen der Arbeiterklasse (in Russland, Deutschland, Ungarn etc.), das heißt in der revolutionären Welle von 1917–23.

Die Kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands (KAPD) beispielsweise stellte 1920 in ihrem Programm fest: „Die aus dem Weltkrieg geborene Weltwirtschaftskrise mit ihren ungeheuerlichen ökonomischen und sozialen Auswirkungen, deren Gesamtbild den niederschmetternden Eindruck eines einzigen Trümmerfeldes von kolossalem Ausmaß ergibt, besagt nichts anderes, als dass die Götterdämmerung der bürgerlichkapitalistischen Weltordnung angebrochen ist. Nicht um eine der in periodischem Ablauf eintretenden, der kapitalistischen Produktionsweise eigentümlichen Wirtschaftskrisen handelt es sich heute, es ist die Krise des Kapitalismus selbst (…) Immer deutlicher zeigt sich, dass der sich von Tag zu Tag noch verschärfende Gegensatz zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, dass der auch den bisher indifferenten Schichten des Proletariats immer klarer bewusst werdende Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit innerhalb des kapitalistischen Wirtschaftssystems nicht gelöst werden kann. Der Kapitalismus hat sein vollständiges Fiasko erlebt, er hat im imperialistischen Raubkriege sich selbst historisch widerlegt, er hat ein Chaos geschaffen, dessen unerträgliche Fortdauer das internationale Proletariat vor die welthistorische Alternative stellt: Rückfall in die Barbarei oder Aufbau einer sozialistischen Welt.

(…)

In Verfolg ihrer maximalistischen Absichten entscheidet sich die KAPD auch für die Ablehnung aller reformistischen und opportunistischen Kampfmethoden, in denen sie nur ein Ausweichen vor ernsten und entscheidenden Kämpfen mit der bürgerlichen Klasse sieht. Sie will diesen Kämpfen nicht ausweichen, sie fordert sie vielmehr heraus. In einem Staat, der alle Merkmale der eingetretenen Periode des kapitalistischen Zerfalls aufweist, gehört auch die Beteiligung am Parlamentarismus zu den reformistischen und opportunistischen Kampfmethoden.“

Die Genossen des Barikád-Kollektivs dagegen sind der Meinung, dass eine solche Aufteilung der Geschichte in aufsteigende und niedergehende Phasen keinen Sinn mache, sondern vielmehr mechanistisch sei. Mit dem Auftauchen des Privateigentums habe es immer auch schon Unterdrückte gegeben, die sich gegen die Ausbeutung und die herrschende Klasse zur Wehr gesetzt hätten; der Spartacus-Aufstand der Sklaven im Alten Rom oder die Bauernkriege in Deutschland im 16. Jahrhundert seien Beweise dafür. So wie es ständig Klassenkampf gebe, sei grundsätzlich auch die revolutionäre Überwindung der herrschenden Klassenverhältnisse jederzeit möglich. Es sei eine Ablenkung von dieser revolutionären Aufgabe, wenn man behaupte, dass die proletarische Revolution 1871, zur Zeit der Pariser Kommune, noch nicht möglich gewesen sei.

Da sich das Barikád-Kollektiv sonst bei seinen Positionen auch und insbesondere auf Marx und Engels bezieht, versuchte die Delegation der IKS herauszufinden, inwieweit (wenn überhaupt) es in dieser Frage eine Übereinstimmung mit den Begründern der dialektisch-materialistischen Geschichtsauffassung gibt. Für Marx und Engels war der Parlamentarismus im 19. Jahrhundert eine notwendige Waffe im Arsenal der Arbeiterklasse; sie unterstützten zu jener Zeit auch verschiedene nationale Kämpfe als wichtig für die Reifung der Voraussetzungen der proletarischen Revolution. Im niedergehenden Phase des Kapitalismus hingegen sind diese Mittel und Kämpfe nicht nur nutzlos, sondern auch konterrevolutionär. Die ungarischen Genossen hielten dazu fest, dass Marx’ und Engels’ Unterstützung von gewissen nationalen Kämpfen eine „Sünde“ gewesen sei. Das Barikád Kollektíva erachte die Methode von Marx und Engels nicht als gültig.

Auch für die IKS sind Namen und Personen für sich allein nicht ausschlaggebend. Wir sind nicht der Meinung, dass jeder Satz von Marx oder anderen Revolutionären als richtig unterschrieben werden muss. Das ist schon deshalb nicht möglich, weil sie sich manchmal selber widersprochen und frühere Ansichten als Irrtümer oder als an eine bestimmte Zeit gebunden anerkannten. Die einen konnten mehr zur Weiterentwicklung der revolutionären Theorie beitragen als andere, ohne dass letztere allein wegen ihren Fehlern als konterrevolutionär betrachtet werden müssten. Was aber die historische und materialistische Methode von Marx und Engels betrifft, so erscheint sie uns als unabdingbar, wenn es darum geht, die vergangenen und gegenwärtigen Klassenverhältnisse im Hinblick auf ihre revolutionäre Überwindbarkeit zu analysieren. Marx stellte nach den Kämpfen von 1848 zurecht fest, dass er und die anderen Genossen des Kommunistischen Bundes die Möglichkeiten einer Revolution überschätzt hatten: „Bei dieser allgemeinen Prosperität, worin die Produktivkräfte der bürgerlichen Gesellschaft sich so üppig erst entwickeln, wie dies innerhalb der bürgerlichen Verhältnisse überhaupt möglich ist, kann von einer wirklichen Revolution überhaupt keine Rede sein. Eine solche Revolution ist nur in den Perioden möglich, wo diese beiden Faktoren, die modernen Produktivkräfte und die bürgerlichen Produktionsformen, miteinander in Widerspruch geraten.“ (Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850, MEW Bd. 7 S. 98)

Damit eine Revolution erfolgreich sein kann, müssen verschiedene objektive und subjektive Bedingungen erfüllt sein. Die alte Ordnung, die überwunden werden soll, muss aufgehört haben, eine Perspektive anzubieten, an der es sich lohnt festzuhalten. Sie muss ihre Vitalität verloren haben und so hinfällig und überlebt erscheinen, dass selbst die Herrschenden sie nicht mehr verteidigen können. Gleichzeitig muss eine Klasse vorhanden sein, die eine neue Perspektive, die zukünftige Gesellschaft verkörpert und die auch in der Lage und willens ist, den revolutionären Umsturz an die Hand zu nehmen. Vom Allgemeinen zum Besonderen fortschreitend kann man mindestens vier geschichtliche Bedingungen für den Erfolg einer revolutionären Bewegung unterscheiden:

a) Die alte Gesellschaftsordnung muss für die Weiterentwicklung der Produktivkräfte zu eng geworden sein.

b) Die Herrschenden haben ihre Legitimität zur Fortsetzung der Herrschaft verloren. Sie können nicht mehr regieren.

c) Die revolutionäre Klasse ist nicht mehr bereit, sich länger unterdrücken zu lassen. Sie will nicht mehr regiert werden.

d) Im maßgeblichen geographischen Rahmen verschiebt sich das Kräfteverhältnis zwischen der herrschenden und der revolutionären Klasse so stark zugunsten der letzteren, dass der Sieg der letzteren auch militärisch zu halten ist (wobei die proletarische Revolution eine Weltrevolution ist, so dass das Kräfteverhältnis im Weltmaßstab zugunsten des Proletariats kippen muss).

Es liegt in der Natur der Sache, dass die verschiedenen Bedingungen zueinander in einem Verhältnis stehen und nicht völlig voneinander getrennt werden können. Aber man kann diese Faktoren voneinander unterscheiden und feststellen, dass eine Revolution scheitern muss, wenn auch nur eine dieser vier Voraussetzungen nicht erfüllt ist. Marx und Engels erkannten sowohl nach 1848 als auch 1871, dass der Kapitalismus seine historische Mission noch nicht zu Ende gebracht hatte; es lag also an der ersten Voraussetzung, dass der Juni-Aufstand 1848 und die Kommune in Niederlagen endeten.

Die Revolutionen in Deutschland und Ungarn 1919/20 können natürlich auch nicht isoliert betrachtet werden; sie waren Teil der weltrevolutionären Welle. Aber entscheidend bei ihrem Scheitern war der dritte Faktor: Der Wille und die Fähigkeit der revolutionären Klasse und ihrer Avantgarde, die begonnene Umwälzung zu Ende zu führen, waren nicht genügend weit entwickelt, so dass es der herrschenden Klasse gelang, sich mit einer neuen Regierung wieder fest zu etablieren (zweiter Faktor).

Für das Scheitern der Russischen Revolution war schließlich der vierte Faktor ausschlaggebend: ein Land allein kann die proletarische Revolution nicht vollenden. Das Kräfteverhältnis hätte international kippen müssen. In Russland konnte die kapitalistische Produktionsweise nie abgeschafft werden. Das Gegenteil zu behaupten, war Etikettenschwindel und in der Konsequenz (stalinistische) Konterrevolution.

Wenn die Marxisten mit dieser historisch-materialistische Methode die Bedingungen der Revolution untersuchen, so hat dies überhaupt nichts mit einer mechanistischen Herangehensweise zu tun. Die oben erwähnten Beispiele zeigen zur Genüge, dass wir nicht allein objektive, sondern auch subjektive Faktoren betrachten. Letztlich hängt alles vom Proletariat ab, von seinem Bewusstsein, seinem Willen und der Einheit. Von der Dekadenz der Kapitalismus als einer notwendigen Voraussetzung für die proletarische Revolution zu sprechen, hat insbesondere nichts zu tun mit einem Fatalismus, demzufolge die kapitalistische Gesellschaftsordnung von allein zusammenbrechen würde. Es braucht den bewussten Akt der Arbeiterklasse, um diesem System ein Ende zu bereiten. „Der Zusammenbruch des Kapitalismus bei Marx hängt in der Tat von dem Willen der Arbeiterklasse ab; aber dieser Wille ist nicht Willkür, nicht frei, sondern selbst vollkommen bestimmt durch die ökonomische Entwicklung.“ (Anton Pannekoek, Die Zusammenbruchstheorie des Kapitalismus)

Illusionen über die gegenwärtigen Lage

Für Barikád Kollektíva und für die IKS war es ein wichtiges Anliegen, auch über die Einschätzung der aktuellen Lage zu diskutieren. Aus Zeitgründen konzentrierten wir uns auf die Frage des Imperialismus.

Auch hier waren die Auffassungen kontrovers. Beide Gruppierungen vertreten zwar gegenüber den imperialistischen Kriegen einen internationalistischen Standpunkt, demzufolge in all den imperialistischen Konflikten keine kriegführende Partei unterstützt werden kann: weder Israel noch Palästina, keine Fraktion in den irakischen Wirren, in Tschetschenien oder anderswo – das Proletariat hat in all diesen Kriegen nichts zu gewinnen. Einig waren wir uns auch, dass Pazifismus nicht weiterhilft, sondern der Kapitalismus als solcher überwunden werden muss, damit auch die Kriege aufhören.

Was hingegen die konkreten Hintergründe in den einzelnen imperialistischen Auseinandersetzungen betrifft, hörten die Gemeinsamkeiten schnell auf. Während die IKS davon ausgeht, dass es reale Widersprüche zwischen den verschiedenen Kriegsgegnern und insbesondere zwischen den Großmächten gibt, die sich gegenseitig Schaden zufügen und ihre eigene Macht ausbauen wollen, vertritt das Barikád-Kolletiv die Auffassung, dass diese Widersprüche nur die Oberfläche darstellen würden und die Kriege im Grunde genommen gegen die Arbeiterklasse gerichtet seien. Der Kapitalismus leide an einer Überproduktion, und zwar v.a. an einer Überproduktion der Arbeiterklasse. Die Bourgeoisie ziele mit ihren dauernden Kriegen vor allem auf die Eliminierung der Proletarier ab. Diese seien ja auch die Opfer der Massaker auf dem Balkan, in Afrika und im Nahen Osten. Der II. Weltkrieg sei eine Antwort der Weltbourgeoisie auf die Kämpfe der Arbeiterklasse in den 1930er Jahren gewesen, die in Spanien, Frankreich und China stattgefunden hätten. Für die Vernichtung der Juden in den Konzentrationslagern seien bekanntlich nicht allein die Nazis, sondern auch die Alliierten verantwortlich. Auch bei der Niederschlagung des Aufstands im Warschauer Ghetto habe sich die Komplizenschaft der verschiedenen Imperialisten, konkret von Hitler und Stalin, gezeigt.

Die IKS antwortete darauf mit einer Kritik auf zwei Schienen: Einerseits unterschätzt das Barikád-Kollektiv die Ernsthaftigkeit des Zustandes der kapitalistischen Welt, andererseits überschätzt es die Fähigkeit der Bourgeoisie, den Absturz ins Chaos zu kontrollieren bzw. ad infinitum hinauszuschieben. Es trifft natürlich zu, dass die Bourgeoisie gegenüber dem Proletariat geeint auftreten kann und dies auch immer dann tut, wenn es für die herrschende Ordnung gefährlich wird oder werden könnte. Die Arbeitsteilung zwischen den Nationalsozialisten und der Roten Armee gegenüber dem Aufstand im Warschauer Ghetto ist ein Beispiel; die Komplizenschaft der Bourgeoisien aller Länder gegenüber dem kämpfenden Proletariat im November 1918 ist ein weiteres – der Krieg wurde sofort beendet, damit die herrschende Klasse in Deutschland, Österreich und Ungarn die Hände frei hatte zur Bekämpfung der entstehenden Rätemacht. Und für die IKS gibt es natürlich keinen Zweifel daran, dass die Alliierten und die Nazis für den Holocaust gemeinsam verantwortlich waren; schon 1945 stellten unsere politischen Vorgänger von der Kommunistischen Linken Frankreichs (Gauche Communiste de France) die gesamte internationale Bourgeoisie für deren makabre Demagogie im Zusammenhang mit den Konzentrationslagern an den Pranger (2).

Doch diese Einigkeit der Bourgeoisie gegenüber dem Proletariat darf uns nicht über die Tatsache hinweg täuschen, dass die herrschende Klasse an den Nationalstaat gebunden bleibt und die Widersprüche zwischen den einzelnen Staaten nicht überwinden kann. Erst die Arbeiterklasse ist eine wahrhaft internationale Klasse, die über alle Grenzen hinweg die gleichen Interessen hat. Die Bourgeoise dagegen funktioniert immer nach den Gesetzen der Konkurrenz: jeder gegen jeden. Insbesondere seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts, seit der Weltmarkt grundsätzlich aufgeteilt ist und keine bedeutenden außerkapitalistischen Märkte mehr erobert werden können, spitzte sich diese Konkurrenz zu einem mörderischen Kampf zu, in dem jeder Nationalstaat dauernd darauf bedacht sein muss, seine Einflusssphäre gegen alle Rivalen zu verteidigen bzw. möglichst zu vergrößern. Genau aus diesem Grund werden seither so zahlreiche und so zerstörerische Kriege geführt wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Die ganze Barbarei der dekadenten kapitalistischen Ausbeutungsordnung kommt nicht allein in der Hölle der Produktionsstätten und im Massenelend zum Ausdruck, sondern auch in den unkontrollierbaren Konflikten zwischen den Nationalstaaten. Es ist eine gefährliche Illusion zu meinen, dass es hinter diesem Abschlachten des Proletariats in all den Kriegen, die seit 1914 geführt worden sind und immer noch werden, eine ökonomische Rationalität gebe.

Die Situation ist äußerst ernst. Und nur die bewusste, geeinte Tat des Proletariats kann den Untergang der Menschheit (und vielleicht jeden Lebens auf dem Planeten) aufhalten (3). Sich darüber Illusionen zu machen, wäre nicht nur dumm, sondern verantwortungslos. Denn die Zeit läuft gegen uns: Wenn die Barbarei der Massaker, der kriegerischen Zerstörung, des Raubbaus an der Natur noch lange fortdauert, wird ein Punkt eintreten, an dem es kein Zurück mehr gibt und die Perspektive einer klassenlosen Gesellschaft definitiv verloren geht, weil schlicht der Boden, auf dem eine solche Gesellschaft wachsen sollte, zerstört ist – im wörtlichen und im übertragenen Sinn.

Wie Pannekoek im bereits zitierten Aufsatz sagte: Die Beseitigung alter Illusionen ist die erste Aufgabe der Arbeiterklasse!

31.01.05

 

Fußnoten:

1) Die beiden Delegationen vereinbarten, dass jede eine Bilanz verfassen und diese vor der Veröffentlichung der anderen zur Vermeidung allfälliger Missverständnisse beim Zitieren der Position der anderen Gruppe unterbreiten sollte. Die Bilanz von Barikád Kollektíva befindet sich auf dem Internet unter anarcom.lapja.hu (auf Englisch und Ungarisch)

2) Vgl. dazu den Artikel „Die gemeinsame Verantwortung der Alliierten und der Nazis für den Holocaust“.

3) Wenn das Proletariat nicht geschlagen ist, kann die Bourgeoisie auch nicht einen Weltkrieg lostreten. Deshalb ist die Analyse von Barkikád, wonach der 2. Weltkrieg eine Antwort auf die Kämpfe der Arbeiterklasse in Spanien, Frankreich und China in den 1930er Jahren gewesen sei, falsch. Das Gegenteil trifft zu: Nur aufgrund der Niederlage der Arbeiterklasse nach der revolutionären Welle konnte die Bourgeoisie der verschiedenen Staaten in den verallgemeinerten Krieg ziehen (vgl. unser Buch The Italian Communist Left 1926–1945, auf Englisch, Französisch oder Italienisch bzw. Auszüge in Broschürenform auf Deutsch).

Politische Strömungen und Verweise: 

Theoretische Fragen: 

Erbe der kommunistischen Linke: