Krise, Krieg: Der Kapitalismus gefährdet das Überleben der Menschheit

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Kaum ein Dutzend Jahre nach dem letzten Golfkrieg wollen die USA einen neuen Golfkrieg auslösen. Zusammen mit Großbritannien und Australien mobilisiert die einzig verbleibende Supermacht der Erde ihr mörderisches Waffenarsenal. Wie schon 1991 sind die USA bereit, ein Land in Schutt und Asche zu legen, unzählige Tote hinzunehmen, um ihre Vormachtstellung zu verteidigen. Die erste Frage, die wir uns stellen müssen, lautet:

Warum dieser Krieg?

Die ‚wiedererwachte‘ Friedensbewegung und mit ihr die bürgerlichen Medien halten einen Schuldigen und eine Erklärung parat: Bush Jr. sei ein Handlanger der Ölmultis, die es darauf abzielten, die Ölquellen des Iraks unter ihre Kontrolle zu bringen. Nicht nur könnten dadurch Russland und Frankreich deren Öfförderkonzessionen im Irak abgejagt werden, sondern die US-Ölmultis wären durch eine geplante Verdoppelung der irakischen Ölförderung nach einem Sturz Saddam Husseins in der Lage, den Ölpreis zu erhöhen und gigantische Extraprofite einzuheimsen. Einige meinen gar, so könnte die US-Wirtschaft wieder angekurbelt werden. Folglich die Schlussfolgerung und Losung: Da der Krieg um Öl geführt wird, der Präsident der Welt größten Macht mehr oder weniger als Handlanger der Ölmultis präsentiert wird, somit die Profitgier einiger weniger Konzerne die Erklärung für den Krieg und Zerstörung liefern, sollen wir gegen diese Ölmultis protestieren. Indem uns die Ölmultis als die Schuldigen aufgetischt werden, wird in Wahrheit davon abgelenkt, dass das gesamte kapitalistische System nur durch Krieg und Zerstörungen überleben kann. Es wird verschwiegen, dass seit dem Zusammenbruch des stalinistischen Ostblocks 1989 keine ‘Ära des Friedens und Wohlstands‘ angebrochen ist, wie ihn uns seinerzeit Bush Sr. verheißen hatte, sondern eine Zunahme der Kriege auf allen Kontinenten zu beobachten ist (Golfkrieg 1991, Balkankrieg, Tschetschenien, Indien-Pakistan, Israel-Palästina, Ruanda, Angola, Kongo usw.). Es wird darüber hinweggetäuscht, dass der Kapitalismus seit dem Ersten Weltkrieg nur durch einen Zyklus von Krieg-Wiederaufbau-Krise überlebt hat. Es wird vertuscht, dass seit 1989 mit dem Verschwinden der Blöcke nicht der Militarismus begraben wurde, sondern dass jetzt nicht mehr zwei Blöcke aufeinanderprallen, stattdessen kämpft jeder für sich. Kurzum: Es soll davon abgelenkt werden, dass der Kapitalismus ohne Krieg und Zerstörung nicht existieren kann.

Die USA treiben die Kriegsspirale voran

Wenn die USA nun schon den zweiten Golfkrieg vom Zaun brechen wollen, dann wirft das ein Licht auf den einzigen Ausweg, der ihnen als allein übrig gebliebene Supermacht offen bleibt – der Versuch, ihre Vorherrschaft unter Einsatz aller militärischen Mittel aufrechtzuerhalten. Nachdem seit 1989 für die ehemaligen Verbündeten der USA kein Grund mehr zur Aufrechterhaltung einer Blockdisziplin besteht, haben die USA damals schon die Gefahr erkannt, die für sie aus dieser Konstellation entsteht. Sie provozierten den Golfkrieg 1991, um den anderen Staaten vor Augen zu führen: Wer bereit ist, die US-Vormachtstellung infragezustellen, wird militärisch abgestraft. Aber diese Botschaft konnte nicht lange von Wirkung sein, denn nur wenige Monate später wurde die Teilung Jugoslawiens unter deutscher Federführung vorangetrieben, was wenig später zur Auslösung einer Reihe von Balkan-kriegen führte. Konnten die USA im ersten Golfkrieg noch 20 Staaten um sich scharen, stehen sie bislang abgesehen von England und Australien allein da. Damals konnten sie die UNO für sich gewinnen – heute richten sich Kofi Annan und ein bedeutender Teil der UNO-Waffeninspektoren klar gegen einen US-Schlag gegen den Irak. Gegenwärtig verfügen die USA nicht mal im Sicherheitsrat über eine sichere Mehrheit – denn China, Russland, Frankreich, Deutschland und andere Staaten opponieren gegen einen US-Krieg. Selbst Großbritannien, das sich immer noch aus eigenem imperialistischen Machterhaltungstrieb am klarsten auf die Seite der USA gestellt hat, warnt, dass die USA eventuell alleine dastehen würden, wenn sie die UNO umgingen. Kurzum – alle versuchen, den USA einen Knüppel zwischen die Beine zu schmeißen. Niemand will den USA das Recht einräumen, unkontrolliert zu schalten und zu walten. Die imperialistischen Appetite aller Staaten sind geweckt worden. Ein verdeckter, aber reeller Rüstungswettlauf hat weltweit eingesetzt, an dem sich alle Staaten beteiligen. Der Militarismus ist weltweit im Aufschwung. Er nährt sich nicht aus dieser oder jener Ölquelle, sondern er wuchert immer mehr wegen der Ausweglosigkeit dieses Systems. Den USA geht es bei ihrem Krieg gegen den Irak unter anderem darum, den Ölhahn kontrollieren zu können, den sie gegenüber anderen Staaten, die vom Öl aus dem Nahen Osten (und nicht nur dem Irak) abhängig sind, je nach Gutdünken auf- und zudrehen wollen können. Sie können durch den Aufmarsch in dieser Region in einem Gebiet noch fester Fuß fassen, wo sie nach dem Afghanistan-Krieg wichtige Stützpunkte errichten, die ihnen langfristig die Einkreisung Europas ermöglichen. Vor allem aber zielt ihre Strategie auch darauf ab, den Ambitionen des deutschen Imperialismus einen Riegel vorzuschieben, da Deutschland historisch in der Region schon vor einem Jahrhundert als Rivale der damals existierenden Weltmacht Großbritannien seine Ansprüche anmeldete. Wenn die USA seit geraumer Zeit ihren Miltärschlag - ob mit oder ohne UNO - angekündigt haben, dann wollen sie zwar ihre wilde Entschlossenheit demonstrieren, können aber damit nicht das Dilemma verdecken, in dem sie stecken. Wenn die USA heftig mit der militärischen Keule gegen den Irak drohen, dann aber militärisch nicht zuschlagen, weil die ganze Welt sich gegen sie stellt, laufen sie Gefahr, noch mehr an Ansehen zu verlieren. Die Entwicklung um Nordkorea zeigt dieses Dilemma der USA sehr deutlich: Nordkorea, das diese Zwickmühle der USA spürt und den Widerstand anderer Staaten gegen die USA auszuschlachten versucht, provoziert die USA nahezu täglich; es bekennt sich offen zu seinem Rüstungsprogramm, müsste also von den USA als ein Teil der ‚Achse des Bösen‘ abgestraft werden. Aber alle anderen Staaten, von Russland und China, über Japan und Südkorea hin zur “Weltgemeinschaft” sprechen sich gegen eine militärische Aktion gegen Nordkorea aus – und die USA müssen gar versichern, dass jetzt nicht sofort ein Krieg gegen Nordkorea auf der Tagesordnung stünde. Eine Desavouierung der USA! Während also zur Zeit des ersten Golfkrieges die anderen Staaten sich zunächst einreihten, um erst nach dem Krieg wieder auszuscheren, erleben wir heute eine Situation, wo je näher die Stunde der Wahrheit zu rücken scheint, desto größer die Bestrebungen der anderen Mächte werden, die Autorität der USA infragezustellen. Der öffentliche Wutausbruch der US-Regierung angesichts des deutsch-französischen Schulterschlusses gegen die Washingtoner Kriegspläne offenbart diese Infragestellung der Führungsrolle der USA eklatant. Falls die USA im Nahen Osten gegen den Irak zuschlagen, werden sich viele Staaten zwar unmittelbar “ducken” und den USA kurzfristig fügen, aber danach wird der Widerstand noch unverblümter und heftiger werden. Kurzum: Egal, was sie machen, die USA können nur Schritte unternehmen, die alles für sie noch viel schlimmer machen und die Dynamik des “Alle gegen die USA” und des „Jeder für sich“ noch fördern. Wenn die USA also bereit sind, einen gigantischen, nicht kontrollierbaren ökonomischen Preis für diesen Krieg zu zahlen, dann nicht, weil sie ökonomisch besonders gewitzt kalkuliert hätten oder etwa Ölmultis im Weißen Haus und im Pentagon das Sagen hätten, sondern weil die Widersprüche des Kapitalismus die ganze Welt in eine Spirale von Krieg und Zerstörung treiben, wo die Bedürfnisse der Verteidigung imperialistischer Machtpositionen eine Unterordnung aller anderer Kriterien verlangen (siehe dazu weitere Artikel in dieser Zeitung).

Welcher Kampf gegen den Krieg?

Die Parole “Kein Krieg für Öl” ist aber noch aus einem anderen Grund irreführend. Sie vertuscht, dass der Kapitalismus heute in einer ausweglosen Wirtschaftskrise steckt. Nicht nur werden ganze Teile der Erde wie Südamerika (Stichwort Argentinien, Brasilien) oder Kontinente wie Afrika durch die Krise erdrückt. Nein, die großen Zugpferde der Weltwirtschaft, USA, Japan, Deutschland und mit ihnen alle Wirtschaftsbranchen, stecken in einer unüberwindbaren Krise. Gleichzeitig nehmen der Raubbau an der Natur, die Umweltzerstörungnen unaufhaltsam zu. Der mörderische Konkurrenzkampf fordert immer mehr Opfer. Deshalb ist es nicht damit getan, bei diesem Krieg die Ölmultis an den Pranger zu stellen, sondern man muss erkennen, dass die Frage nach der Notwendigkeit der Überwindung dieses Systems immer deutlicher in den Vordergrund rückt. Die mörderische Logik dieses System kann aber nicht durch irgendwelche pazifistischen Aktionen und Happenings durchkreuzt werden, wie sie von der sogenannten Friedensbewegung propagiert werden, sondern es geht darum, das Übel an der Wurzel zu packen. Dazu ist aber nur der Kampf der Arbeiterklasse fähig. Das heißt, wir müssen uns gegen Aktionen stellen, die eine Ungeduld und Verzweiflung zum Ausdruck bringen und meinen, man könne den Krieg bekämpfen, ohne den Kapitalismus infragezustellen. Die Erfahrung der Arbeiter im 1. Weltkrieg bewies - die Kriegsgefahr kann nur gebannt werden, indem der Kapitalismus gestürzt wird.

(26.01.03)