Der Kampf des Marxismus gegen das politische Abenteurertum

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In den ersten drei Teilen dieser Artikelserie haben wir gesehen, wie der Bakunismus, unterstützt und manipuliert von den herrschenden Klassen und von einem ganzen Netzwerk politischer Parasiten, einen versteckten Kampf gegen die Erste Internationale führte. Insbesondere richtete sich dieser Kampf gegen die Etablierung wahrhaft proletarischer Prinzipien und Regeln für die Funktionsweise innerhalb der Internationalen. Während die Statuten der Internationalen Arbeiterassoziation mit ihrer Verteidigung einer einheitlichen, kollektiven, zentralisierten, transparenten und disziplinierten Funktionsweise einen qualitativen Sprung gegenüber der vorherigen sektiererischen, hierarchischen und konspirativen Phase der Arbeiterbewegung darstellte, mobilisierte Bakunins Allianz all die nicht-proletarischen Elemente, die diesen Schritt vorwärts nicht akzeptieren wollten. Mit der Niederlage der Pariser Kommune und dem internationalen Rückfluß des Klassenkampfes nach 1871 verdoppelte die Bourgeoisie ihre Anstrengungen, um die Internationale zu zerstören und vor allem die marxistische Vision einer Arbeiterpartei und ihrer Organisationsprinzipien, die sich in wachsendem Maße etabliert hatte, zu diskreditieren. So blies die Internationale vor ihrer Auflösung, auf dem Haager Kongreß von 1872, zur offenen und entscheidenden Konfrontation mit dem Bakunismus. Sich vergegenwärtigend, daß eine Internationale angesichts solch einer wichtigen Niederlage des Weltproletariats nicht weiter existieren kann, war die Hauptsorge der Marxisten auf dem Haager Kongreß, daß die politischen und organisatorischen Prinzipien, die sie gegen den Bakunismus verteidigt hatten, an die zukünftigen Generationen von Revolutionären weitergereicht werden und als Basis für künftige Internationalen dienen. Daher wurden die Enthüllungen des Haager Kongresses über Bakunins Verschwörung innerhalb der Internationalen und gegen sie veröffentlicht und der gesamten Arbeiterklasse verfügbar gemacht.

Die vielleicht wichtigste Lehre aus dem Kampf gegen Bakunins Allianz, die die Erste Internationale an uns weitergereicht hat, ist die der Gefahr, die deklassierte Elemente im allgemeinen und politisches Abenteurertum im besonderen für kommunistische Organisationen darstellen. Gleichzeitig ist es gerade diese Lehre, die von vielen Gruppen des gegenwärtigen revolutionären Milieus am meisten ignoriert oder unterschätzt wird. Daher ist der letzte Teil unserer Serie über den Kampf gegen den Bakunismus dieser Frage gewidmet.

Die historische Bedeutung der Analyse der Ersten Internationalen über Bakunin

Warum entschied sich die Erste Internationale nicht dafür, ihren Kampf gegen den Bakunismus als eine rein interne Angelegenheit zu behandeln, ohne Belang für alle außerhalb der Organisation? Warum bestand sie so sehr darauf, daß die Lehre dieses Kampfes an die Zukunft weitergereicht wurde? Grundlage der marxistischen Organisationsauffassung ist die Überzeugung, daß revolutionäre kommunistische Organisationen ein Produkt des Proletariats sind. Historisch gesprochen, haben sie ein Mandat von der Arbeiterklasse erhalten. Als solche sind sie dazu verpflichtet, gegenüber der Klasse als Ganzes, insbesondere aber gegenüber anderen politischen Organisationen und Ausdrücken der Klasse, dem proletarischen Milieu, Rechenschaft über ihre Handlungen abzulegen. Dieses Mandat gilt nicht nur in der Gegenwart, sondern auch gegenüber der Geschichte an sich. Gleichzeitig sind die künftigen Generationen von Revolutionären, die das von der Geschichte an sie weitergereichte Mandat akzeptieren, dazu verpflichtet, von den Kämpfen ihrer Vorgänger zu lernen und sich ein Urteil darüber zu bilden.

Deshalb war der letzte große Kampf der Ersten Internationalen dazu bestimmt, dem Weltproletariat und der Geschichte gegenüber das von Bakunin und seinen Anhängern gegen die Arbeiterpartei angezettelte Komplott zu enthüllen. Und deshalb ist es die Verantwortung der marxistischen Organisationen von heute, die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen, um für den Kampf gegen den heutigen Bakunismus, gegen das heutige politische Abenteurertum gewappnet zu sein.

Nachdem sie die historische Gefahr begriffen hat, die die von der Ersten Internationalen gezogenen Lehren für ihre eigenen Klasseninteressen darstellen, unternahm die Bourgeoisie in Erwiderung auf die Enthüllungen des Haager Kongresses alles, um diese Bemühungen zu diskreditieren. Die bürgerliche Presse und bürgerliche Politiker erklärten, daß der Kampf gegen den Bakunismus nicht ein Kampf ums Prinzip, sondern ein schmutziger Machtkampf innerhalb der Internationalen gewesen sei. Demnach ging es Marx nur darum, seinen Rivalen Bakunin durch eine Lügenkampagne auszuschalten. Mit anderen Worten, die Bourgeoisie versuchte die Arbeiterklasse davon zu überzeugen, daß ihre Organisationen auf genau dieselbe Weise funktionierten und somit nicht besser seien als jene der Ausbeuter. Die Tatsache, daß die große Mehrheit der Internationalen Marx unterstützte, wurde dem ''Triumph des Autoritätsglaubens'' in ihren Reihen und der angeblichen Neigung ihrer Mitglieder zugeschrieben, überall Feinde der Assoziation lauern zu sehen. Die Bakunisten und die Lassalleaner verbreiteten Gerüchte, wonach Marx selbst ein Agent Bismarcks gewesen sei.

Wie wir wissen, sind dies exakt dieselben Beschuldigungen, die heute von der Bourgeoisie, durch den politischen Parasitismus, gegen die IKS erhoben werden.

Solche Verunglimpfungen seitens der Bourgeoisie, verbreitet vom politischen Parasitismus, sind eine unvermeidliche Begleiterscheinung jedes proletarischen Organisationskampfes. Weitaus ernster und gefährlich ist es, wenn solche Verunglimpfungen ein gewisses Echo innerhalb des revolutionären Lagers selbst erzeugen. Dies war bei Franz Mehrings Biographie von Marx der Fall. In diesem Buch erklärte Mehring, der dem erklärten linken Flügel der Zweiten Internationalen angehörte, daß die Broschüre des Haager Kongresses über die Allianz ''unentschuldbar'' und ''der Internationalen unwürdig'' gewesen sei. In seinem Buch verteidigte Mehring nicht nur Bakunin, sondern auch Lassalle und Schweitzer gegen die von Marx und den Marxisten erhobenen Anschuldigungen. Die von Mehring gegen Marx erhobene Hauptbeschuldigung war, daß er in seinen Schriften gegen Bakunin die marxistische Methode verworfen habe. Während Marx in all seinen anderen Werken immer von einer materialistischen Klassenanalyse der Ereignisse ausging, versuchte er in seiner Analyse der Allianz Bakunins, so Mehring, das Problem mit der Persönlichkeit und den Handlungen einer kleinen Zahl von Individuen, den Führern der Allianz, zu erklären. Mit anderen Worten, er beschuldigte Marx, anstelle einer Klassenanalyse einer personalisierten, verschwörerischen Sichtweise zu verfallen. Gefangen in dieser Sichtweise, war Marx, so Mehring weiter, gezwungen, die Fehler und Sabotage von Bakunin, aber auch der Führer des Lassalleanismus in Deutschland stark überzubetonen.

Tatsächlich erklärte Mehring, nachdem er sich ''aus Prinzip'' weigerte, das Material zu untersuchen, welches Marx und Engels über Bakunin präsentierten:

''Was ihren sonstigen polemischen Schriften den eigentümlichen Reiz und den dauernden Wert verleiht, die positive Seite der neuen Erkenntnis, die durch die negative Kritik entbunden wird, das fehlt dieser Schrift vollständig.''

Auch hier wird dieselbe Kritik heute innerhalb des revolutionären Milieus gegenüber der IKS erhoben. Mit unserer Antwort auf diese Kritik werden wir jetzt demonstrieren, daß die Position von Marx gegen Bakunin doch auf einer materialistischen Klassenanalyse basierte. Es handelte sich dabei um die Analyse des politischen Abenteurertums und der Rolle der Deklassierten. Es ist diese ungeheuer wichtige ''neue Erkenntnis von dauerndem Wert'', welche Mehring und mit ihm die Mehrheit der gegenwärtigen revolutionären Gruppen vollkommen übersehen oder mißverstanden haben.

(Mehring: Karl Marx, Geschichte seines Lebens, S. 500)

Die Deklassierten: Feinde der proletarischen Organisationen

Im Gegensatz zu dem, was Mehring glaubte, schuf die Erste Internationale in der Tat eine Klassenanalyse der Ursprünge und der sozialen Grundlage von Bakunins Allianz.

''Ihre Gründer und die Vertreter der Arbeiterorganisationen beider Welten, die auf den internationalen Kongressen die Allgemeinen Statuten der Assoziation sanktionierten, vergaßen, daß gerade die Weite ihres Programms selbst den Deklassierten erlauben würde, sich einzuschleichen und im Schoße der Assoziation geheime Organisationen zu bilden, deren Tätigkeit sich nicht gegen die Bourgeoisie und die bestehenden Regierungen, sondern sich gegen die Internationale selbst richten würde. Dies war der Fall mit der Allianz der Sozialistischen Demokratie''

Die Schlußfolgerung desselben Dokuments faßt die Hauptaspekte des politischen Programms Bakunins in vier Punkten zusammen, von denen zwei erneut die entscheidende Rolle der Deklassierten unterstreichen.

''1. Alle Scheußlichkeiten, in denen sich nun einmal, wie durch Schicksalsschluß, das Leben der Deklassierten der höheren gesellschaftlichen Schichten bewegt, werden als ebenso viele ultrarevolutionäre Tugenden gepriesen".

''4. An die Stelle des ökonomischen und politischen Kampfes der Arbeiter um ihre Emanzipation treten die allzerstörenden Taten des Zuchthausgesindels, als der höchsten Verkörperung der Revolution. Mit einem Worte, man muß das bei den 'Revolutionen nach dem klassischen Muster des Westens' von den Arbeitern selbst niedergehaltene Lumpentum loslassen und so aus eigenem Antrieb den Reaktionen eine wohldisziplinierte Bande von Agents provocateurs zur Verfügung stellen" (ebenda, S. 440).

''Die vom Haager Kongreß gegen die Allianz gefaßten Beschlüsse waren daher reine Handlungen der Pflicht, er konnte nicht die Internationale, diese große Schöpfung des Proletariats, in den Fallstricken des Auswurfs der Ausbeuterklassen sich verfangen lassen" (ebenda, S. 441).

Mit anderen Worten, die soziale Basis der Allianz bestand aus dem Gesindel der herrschenden Klassen, den Deklassierten, die das Gesindel der Arbeiterklasse, das Lumpenproletariat, für seine Intrigen gegen kommunistische Organisationen zu mobilisieren versuchte.

Bakunin war selbst die Verkörperung des deklassierten Aristokraten.

''.... nachdem er sich in seiner Jugend all die Unarten des kaiserlichen Offiziers der Vergangenheit (er war Offizier) angeeignet hat, wendete er all die schlechten Instinkte seiner tartarischen und adligen Herkunft auf die Revolution an. Diese Art eines tartarischen Adligen ist gut bekannt. Es war ein wahres Austoben übler Leidenschaften: ihre Diener schlagend, prügelnd und quälend, Frauen vergewaltigend, von einem Tag zum nächsten betrunken, mit barbarischer Raffinesse all die Formen der jämmerlichsten Erniedrigung der menschlichen Natur und Würde ausheckend - so war das aufregende und revolutionäre Leben jener Adligen. Nun, wendete der Tartar Horostratus nicht, aus Mangel an feudalen Sklaven, all seine niederen Instinkte, all die üblen Leidenschaften seiner Brüder auf die Revolution an''

Genau diese Anziehungskraft zwischen dem Abschaum der höheren und der niederen Klassen erklärt die Faszination des kriminellen Milieus und des Lumpenproletariats auf Bakunin, dem deklassierten Aristokraten.. Der ''Theoretiker'' Bakunin brauchte die kriminellen Energien der Unterwelt, des Lumpenproletariats, um sein Programm auszuführen. Diese Rolle wurde in Rußland von Netschajew übernommen, der in die Praxis umsetzte, was Bakunin predigte, indem er die Mitglieder seines Komitees erpreßte und jene, die letzteres zu verlassen versuchten, hinrichtete. Bakunin zögerte nicht, diese Allianz des deklassierten ''erhabenen Menschen'' und des Kriminellen zu theoretisieren.

''Das Räubertum ist eine der ehrenvollsten Formen des russischen Volkslebens. Der Räuber ist der Held, der Schirmer und Rächer des Volkes, der unversöhnliche Feind des Staates und jeder vom Staat gegründeten gesellschaftlichen und bürgerlichen Ordnung, der Kämpfer auf Tod und Leben gegen diese ganze Zivilisation der Beamten, Edelleute, Priester und der Krone.... Wer das Räubertum nicht versteht, hat nie von der russischen Volksgeschichte das Geringste verstanden. Wem das Räubertum nicht sympathisch ist, der kann auch nicht mit dem Volksleben sympathisieren und hat kein Herz für die hundertjährigen und unermeßlichen, langanhaltenden Leiden des Volkes; er gehört ins Lager der Feinde, der Parteigänger des Staats" (Ein Komplott gegen die IAA, MEW, Bd. 18, S. 401)

(Bericht von Utin an den Haager Kongreß, Minutes and Documents, S. 448)
Der Bericht ist unterzeichnet von den Mitgliedern der Kongreßkommission, die die Allianz untersuchte: Dupont, Engels, Fränkel, Le Moussu, Marx, Seraillier.
Und die Schlußfolgerung fügt hinzu:
(''Ein Komplott gegen die Internationale Arbeiter-Assoziation, veröffentlicht im Auftrag des Haager Kongreß, Einleitung''; in MEW Bd. 18, S. 331)

Die Deklassierten in der Politik: Brutplatz für Provokationen

Das Hauptmotiv solch deklassierter Elemente, in die Politik einzusteigen, ist nicht ihre Identifizierung mit der Sache der Arbeiterklasse oder Begeisterung für ihr Ziel, den Kommunismus, sondern ein glühender Haß und Rachegelüste der Entwurzelten gegen die Gesellschaft. In seinem ''Revolutionären Katechismus'' erklärt Bakunin:

''Er ist kein Revolutionär, wenn er noch an irgend etwas in dieser Welt hängt. Er darf nicht zurückbeben, wo es sich darum handelt, irgend jener alten Welt angehöriges Band zu zerreißen, irgendeine Einrichtung oder irgendeinen Menschen zu vernichten. Er muß alles und alle gleichmäßig hassen"

''Indem wir keine andere Tätigkeit als die der Zerstörung zulassen, erkennen wir an, daß die Form, in der sich diese Tätigkeit äußern muß, eine höchst mannigfaltige sein kann: Gift, Dolch, Strick etc. Die Revolution heiligt alles ohne Unterschied.''

Überflüssig zu sagen, daß solch eine Mentalität, solch ein soziales Milieu eine wahre Brutstätte für politische Provokationen ist. Auch wenn die Provokateure, Polizeispitzel und politischen Abenteurer, diese gefährlichsten Feinde der proletarischen Organisationen, von den herrschenden Klassen beschäftigt werden, so sind sie dennoch spontan durch den Prozeß der Deklassierung produziert worden, der vor allem im Kapitalismus vonstatten geht. Ein paar kurze Auszüge aus Bakunins ''Revolutionärem Katechismus'' reichen aus, um diesen Punkt zu veranschaulichen.

§ 10 rät dem ''wahren Militanten'', seine Genossen auszubeuten.

''Jeder Revolutionsgenosse sollte mehrere Revolutionäre zweiter oder dritter Ordnung, d.h. solche, die noch nicht vollständig eingeweiht sind, in seiner Hand haben. Er muß dieselben als einen seiner Verfügung anvertrauten Teil des allgemeinen revolutionären Kapitals betrachten. Er muß ökonomisch mit seinem Kapitalanteil wirtschaften und möglichst großen Nutzen aus demselben herausschlagen" (ebenda, S. 428).

§ 18 stellt vor, wie man von den Reichen lebt.

''Man muß sie auf alle mögliche Art ausbeuten, man muß sie umgarnen und verwirren, und, indem man sich zum Herrn ihrer schmutzigen Geheimnisse macht, sie zu unseren Sklaven machen. Auf diese Weise werden ihre Macht, ihre Verbindungen, ihr Einfluß und ihr Reichtum zu einem unerschöpflichen Schatze und zu einer kostbaren Hülfe bei mannigfaltigen Unternehmungen." (ebenda, S. 430).

§ 19 schlägt die Infiltration der Liberalen und anderer Parteien vor.

''Mit diesen kann man nach ihrem eigenen Programm konspirieren, indem man tut, als ob man ihnen blindlings folge. Man muß sie in unsere Hand bringen, sich ihrer Geheimnisse bemächtigen, sie vollständig kompromittieren, so daß ihnen der Rückzug unmöglich wird, und sich ihrer zur Herbeiführung von Unruhen im Staate bedienen" (S. 430).

§ 20 spricht sicherlich für sich.

''Die fünfte Kategorie bilden die Doktrinäre, Verschwörer, Revolutionäre, all diejenigen, welche in Versammlungen oder auf dem Papier Geschwätz machen. Man muß sie unaufhörlich zu praktischen und gefahrvollen Kundgebungen treiben und fortreißen, deren Erfolg sein wird, daß der größte Teil von ihnen verschwindet, während einige darunter sich zu echten Revolutionären entwickeln."

§ 21: ''Die sechste Kategorie ist von großer Bedeutung - es sind die Frauen, die in drei Klassen einzuteilen sind: Zur ersten gehören die oberflächlichen Frauen, ohne Geist und Herz, deren man sich in derselben Weise bedienen muß, wie der Männer der dritten und vierten Kategorie. Zur zweiten Klasse gehören die leidenschaftlichen, hingebenden und befähigten Frauen, die jedoch nicht zu uns gehören, weil sie noch nicht zum praktischen und phrasenlosen revolutionären Verständnis emporgedrungen sind; man muß sie benutzen wie die Männer der fünften Kategorie. Endlich kommen die Frauen, die ganz und gar zu uns gehören, das heißt, die vollständig eingeweiht sind und unser gesamtes Programm angenommen haben. Sie müssen wir als den kostbarsten unserer Schätze betrachten, ohne dessen Beistand wir nichts auszurichten vermögen." (S. 430)

Was ins Auge sticht, ist die Ähnlichkeit zwischen den Methoden, die von Bakunin und jenen entwickelt wurden, die in den heutigen religiösen Sekten heimisch sind, welche, obgleich vom Staat dominiert, üblicherweise um deklassierte Abenteurer herum gegründet sind. Wie wir in den vorherigen Artikeln gesehen haben, entsprach das Bakuninsche Organisationsmodell dem der Freimaurerei, dem Vorläufer des modernen Phänomens religiöser Sekten.

(Bakunin: Die Prinzipien der Revolution, in Komplott, MEW, Bd. 18, S. 403)
(in Komplott, MEW Bd. 18, S. 429). Der deklassierte Pseudo-Revolutionär, der bar jeder Bande der Loyalität zu irgendeiner Gesellschaftsklasse ist und an keine gesellschaftliche Perspektive außer sein eigenes Fortkommen glaubt, wird nicht von dem Ziel einer künftigen, fortschrittlicheren Gesellschaftsform angetrieben, sondern von einem nihilistischen Zerstörungszwang.

Eine fürchterliche Waffe gegen die Arbeiterbewegung

Die Aktivitäten deklassierter politischer Abenteurer sind für die Arbeiterbewegung besonders gefährlich. Proletarische revolutionäre Organisationen können nur auf der Grundlage eines tiefen gegenseitigen Vertrauens unter den Militanten und den Gruppen des kommunistischen Milieus angemessen existieren und funktionieren. Der Erfolg des politischen Parasitismus im allgemeinen und des Abenteurertums im besonderen hängt genau im Gegensatz dazu von der Fähigkeit ab, das gegenseitige Vertrauen zu untergraben, indem die politischen Verhaltensregeln zerstört werden, worauf es basiert.

In einem Brief an Netschajew, datiert vom Juni 1870, enthüllt Bakunin offen seine Absichten gegenüber der Internationalen. ''Die Gesellschaften, deren Ziele den unsrigen nahestehen, müssen wohl oder übel dahin gebracht werden, sich mit ihr zu vereinigen, oder ihr zumindest untergeordnet sein, ohne daß sie es ahnen, und wobei man aus ihrer Mitte alle unzuverlässigen Elemente entfernt; die feindlichen und eigentlich unheilvollen Gesellschaften müssen zerstört werden; schließlich muß die Regierung endgültig beseitigt werden. Nur durch die Verbreitung der Wahrheit allein wird dies alles nicht erreicht werden; ohne die List, die Gerissenheit, die Lüge wird man nicht auskommen". (S. 84). Einer dieser klassischen ''Tricks'' besteht darin, die Arbeiterorganisationen zu beschuldigen, sich der gleichen Methoden wie die Abenteurer selbst zu bedienen. So behauptet Bakunin in seinem ''Brief an die Brüder in Spanien'', daß die Resolution der Londoner Konferenz von 1872 gegen Geheimgesellschaften, die insbesondere gegen die Allianz gerichtet war, von der Internationalen nur angenommen worden sei, ''um den Weg für ihre eigene Verschwörung freizumachen, für die Geheimgesellschaft, die seit 1848, gegründet von Marx, Engels und dem verstorbenen Wolff, unter der Führung von Marx existiert hat, und die nichts anderes ist als die fast ausschließlich deutsche Gesellschaft der autoritären Kommunisten (...) Man muß feststellen, daß der Kampf, der inmitten der Internationalen ausgebrochen ist, nichts anderes ist als ein Kampf zwischen zwei Geheimgesellschaften.'' In der deutschsprachigen Ausgabe gibt es eine Fußnote vom anarchistischen Historiker Max Nettlau, einem glühenden Verehrer Bakunins, in der dieser einräumt, daß diese Anschuldigungen gegen Marx völlig haltlos sind (Bakunin: Gott und der Staat...., S.216-218) Siehe auch Bakunins antisemitische Rapports personnels avec Marx, in denen der Marxismus als Teil einer jüdischen, eng mit der Rothschild-Familie verknüpften Verschwörung dargestellt wird, und auf die wir in unserem Artikel ''Marxismus gegen Freimaurerei'' (Internationale Revue Nr. 19) hingewiesen haben.

Das Ziel des Bakunismus heißt Bakunin

Die von Bakunin angewandten Methoden waren jene des deklassierten Pöbels. Aber welchem Ziel dienten sie?

Das einzige politische Interesse Bakunins galt - Bakunin. Er trat der Arbeiterbewegung bei, um sein eigenes persönliches Vorhaben zu verfolgen.

Die Internationale war sich darüber völlig im klaren. Der erste Haupttext des Generalrats über die Allianz, das interne Rundschreiben über die Angeblichen Spaltungen in der Internationalen erklärte bereits, daß es Bakunins Ziel sei, ''den Generalrat durch seine eigene persönliche Diktatur zu ersetzen''. Der Bericht des Kongresses über die Allianz entwickelt dieses Thema weiter.

''Die Internationale war schon fest gegründet, als Bakunin sich in den Kopf setzte, eine Rolle als Emanzipator des Proletariats zu spielen (...) Um sich als Haupt der Internationalen zur Geltung zu bringen, mußte er als Haupt einer anderen Armee dastehen, deren absolute Ergebenheit gegen seine Person ihm durch eine geheime Organisation gesichert war. Hatte er seine Gesellschaft einmal offen in die Internationale eingepflanzt, dann rechnete er darauf, jene in alle Sektionen zu verzweigen und sich hierdurch deren absolute Leitung zu verschaffen" (Ein Komplott, Bd. 18, S. 337).

''... ein schlimmes Ding ist, seine Tätigkeit in einem fremden Lande auszuüben. Ich habe dies nur zu sehr erprobt in den Revolutionsjahren; weder in Frankreich noch in Deutschland habe ich Wurzeln schlagen können. Und so widme ich auch ferner der fortschrittlichen Bewegung der gesamten Welt meine glühende Sympathie; um jedoch den Rest meines Lebens nicht zu vergeuden, muß ich von jetzt an meine direkte Tätigkeit auf Rußland, Polen und die Slawen beschränken.

(Bakunin: An die russischen, polnischen und alle slawischen Freunde, MEW, Bd. 18, S. 445)

Hier wird deutlich, daß Bakunins Motiv für seinen Richtungswechsel nicht das Gute der Sache war, sondern das Problem, ''einen sicheren Halt zu gewinnen'': das erste Kennzeichen eines politischen Abenteurers.

Dieses persönliche Vorhaben existierte, lange bevor Bakunin an einen Eintritt in die Internationale dachte. Als Bakunin aus Sibirien flüchtete und 1861 nach London kam, zog er eine negative Bilanz seines ersten Versuches, sich während der Revolutionen von 1848-49 in den westeuropäischen revolutionären Zirkeln zu etablieren.

Bakunins Versuch, die herrschenden Klassen für seine persönlichen Ambitionen zu gewinnen

Folgender Text ist auch bekannt als Bakunins Panslawisches Manifest.

''Man sagt, daß der Kaiser Nikolaus selbst kurz vor seinem Tode, als er sich anschickte, Österreich den Krieg zu erklären, alle österreichischen und türkischen Slawen, die Ungarn und die Italiener zum allgemeinen Aufstand aufrief. Er selbst hatte den orientalischen Krieg gegen sich heraufbeschworen und, um sich zu verteidigen, hätte er sich fast aus einem despotischen Kaiser in einen revolutionären verwandeln mögen''

In seinem Pamphlet 'Die Angelegenheit des Volkes' von 1862 erklärte Bakunin zur Rolle des zeitgenössischen Zaren Alexander II., daß ''er es ist, er allein, der in Rußland, ohne ein Tropfen Bluts zu vergießen, die bedeutendste und wohltätigste Revolution durchführen könnte. Er kann es noch jetzt (...) Die Bewegung des nach tausendjährigem Schlafe erwachten Volkes aufzuhalten, ist unmöglich. Aber stellte sich der Zar kühn und entschlossen an die Spitze der Bewegung, dann hätte seine Macht für das Wohl und den Ruhm Rußlands keine Grenzen" (ebenda, S. 449). In diesem Stil fortfahrend, ruft Bakunin den Zaren dazu auf, in Westeuropa einzufallen.

''Es ist Zeit, daß die Deutschen nach Deutschland abziehen. Wenn der Zar begriffen hätte, daß er von nun an sich nicht mehr das Haupt einer Zwangs-Zentralisation, sondern das einer freien Föderation freier Völker sein müßte, gestützt auf eine feste und neugekräftigte Macht, im Bündnis mit Polen und der Ukraine, daß er alle sosehr verabscheuten deutschen Bündnisse lösen und kühn das panslawistische Banner erheben müßte - er würde der Heiland der slawischen Welt."

''Der Pan-Slawismus ist eine Erfindung des Petersburger Kabinetts und hat keinen anderen Zweck als den, die europäischen Grenzen Rußlands nach Westen und Süden vorzuschieben. Da man aber nicht wagt, den österreichischen, preußischen und türkischen Slawen ihren Beruf anzukündigen, im großen russischen Reich aufzugehen, stellt man ihnen Rußland als die Macht dar, welche sie vom fremden Joch befreien und in einer großen freien Föderation vereinigen wird.''

Was jedoch, abgesehen von seinem wohlbekannten Haß gegen Deutsche, veranlaßte ihn, so offen die Hauptbastion der Konterrevolution in ganz Europa, die Moskowiter Autokratie, zu unterstützten? In Wahrheit versuchte Bakunin, die Unterstützung des Zaren für seine eigenen politischen Ambitionen in Westeuropa zu erlangen. Das radikale politische Milieu im Westen war durchsetzt mit zaristischen Agenten, Gruppen und Zeitungen, die den Pan-Slawismus und andere pseudorevolutionäre Themen in den Vordergrund rückten. Der russische Hof hatte seine Agenten und Sympathisanten in den einflußreichsten Positionen, wie das Beispiel von Lord Palmerston, Großbritanniens mächtigstem Politiker seinerzeit, veranschaulicht. Natürlich wäre Moskaus Protektion für die Verwirklichung von Bakunins persönlichen Ambitionen von unschätzbarem Wert gewesen.

Bakunin hoffte, den Zar dazu zu überreden, seiner Innenpolitik durch die Einberufung einer Nationalversammlung einen revolutionär-demokratischen Anstrich zu verleihen, was es Bakunin erlauben würde, die polnischen und anderen radikalen und Emigrantenbewegungen im Westen als Rußlands ultralinkes trojanisches Pferd in Westeuropa zu organisieren.

''Leider hielt es der Zar nicht für angemessen, die Nationalversammlung einzuberufen, für welche Bakunin in dieser Broschüre bereits seine Kandidatur aufstellte. Er hatte also dieses sein Wahlmanifest und seine Kniebeugungen vor Romanow weggeworfen. Schmählich in seinem unschuldsvollen Vertrauen getäuscht, blieb ihm nichts weiter übrig, als sich kopfüber in die pan-destruktive Anarchie zu stürzen.''

Vom Zarismus enttäuscht, aber unbeirrt auf der Jagd nach der persönlichen Führung über die revolutionäre Bewegung Europas, strebte Bakunin Mitte der 1860er Jahre in Italien zur Freimaurerei hin, indem er selbst etliche Geheimgesellschaften gründete (siehe Internationale Revue Nr. 18). Mittels dieser Methoden infiltrierte Bakunin zunächst die bürgerliche Liga für Frieden und Freiheit, die er ''auf einer Stufe'' mit der Internationalen zu vereinen suchte (siehe Internationale Revue Nr. 19). Als auch dies mißlang, infiltrierte er die Internationale und versuchte, sie über seine geheime Allianz zu übernehmen. Für dieses Vorhaben, die Zerstörung der weltweiten politischen Organisation der Arbeiterklasse, fand Bakunin schließlich die großherzige Unterstützung der herrschenden Klassen.

''Die ganze liberale und Polizeipresse hat offen ihre Partei ergriffen; sie sind in ihren persönlichen Schmähungen gegen den Generalrat und ihren matten Angriffen gegen die Internationale von den Weltverbessern aller Länder unterstützt worden.''

(ebenda, S. 360)
(ebenda, S. 454)
(ebenda, S. 446)
(ebenda, S. 452). Die Internationale kommentierte dies folgendermaßen.
(Komplott, Bd. 18, S. 446).

Untreue gegenüber allen Klassen, Haß gegen die Gesellschaft

Auch wenn er nach ihrer Unterstützung trachtete, war Bakunin nicht einfach nur ein Agent des Zarismus, der Freimaurerei, der Friedensliga oder der westlichen Polizeipresse. Als ein wahrhaft Deklassierter hatte Bakunin gegenüber den herrschenden Klassen nicht mehr Sinn für Loyalität als gegenüber den ausgebeuteten Klassen der Gesellschaft. Im Gegenteil, sein Ziel war es, die Arbeiter- und die herrschenden Klassen gleichermaßen zu täuschen und zu manipulieren, um seine persönlichen Ambitionen zu verwirklichen und an der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit Revanche zu nehmen. Daher benutzten die herrschenden Klassen, wohl wissend um diese Tatsache, Bakunin, wann immer es angebracht war, aber vertrauten ihm niemals und überließen ihn mit größtem Vergnügen seinem Schicksal, sobald sein Nutzen ausgedient hatte. Sobald Bakunin öffentlich von der Internationalen entlarvt worden war, war seine politische Karriere beendet.

Bakunin verspürte einen echten, glühenden Haß gegen die herrschenden feudalen und kapitalistischen Klassen. Da er jedoch die Arbeiterklasse noch mehr haßte und sie im allgemeinen verachtete, sah er die Revolution oder einen gesellschaftlichen Wechsel als Aufgabe einer kleinen, aber entschlossenen Elite von skrupellosen Deklassierten unter seiner persönlichen Führung an. Diese Vision einer gesellschaftlichen Umwandlung war notwendigerweise eine phantastische, mystische Absurdität, denn sie stammte nicht aus irgendeiner Klasse, die in der gesellschaftlichen Realität solide verankert ist, sondern aus der rachsüchtigen Phantasie eines Außenseiters.

Vor allen Dingen glaubte Bakunin wie alle politischen Abenteurer an einen Wandel der Gesellschaft nicht durch Klassenkampf, sondern mittels der manipulierbaren Fertigkeiten einer revolutionären Bruderschaft.

''Die wahre Revolution braucht keine Individuen, die sich an die Spitze der Masse stellen und sie kommandieren, sondern Männer, die, unsichtbar in ihrer Mitte verborgen, die unsichtbare Verbindung einer Masse mit der andern ausmachen und so der Bewegung unsichtbar eine und dieselbe Richtung, einen und denselben Geist und Charakter geben. Die vorbereitende geheime Organisation hat nur diesen Sinn, und einzig und allein hierzu ist sie notwendig"

Daher bestand das politische Vorhaben der Allianz darin, nicht nur die Internationale, sondern auch die Organisationen der herrschenden Klasse zu infiltrieren und zu übernehmen.

So teilt uns § 14 des revolutionären Katechismus Bakunins mit: ''Ein Revolutionär muß sich überall Eingang verschaffen, in der höheren Gesellschaft wie beim Mittelstand, im Kaufmannsladen, in der Kirche, im aristokratischen Palast, in der bürokratischen, militärischen und literarischen Welt, in der dritten Sektion (geheime Polizei) und selbst im kaiserlichen Palast.'' (ebenda, S. 429)

Die Geheimstatuten der Allianz erklären:

''Alle internationalen Brüder kennen einander. Kein politisches Geheimnis darf je unter ihnen existieren. Niemand kann irgendeiner geheimen Gesellschaft angehören ohne positive Zustimmung seines Komitees oder im Notfall, wenn dieses es verlangt, ohne die des Zentralkomitees; und er kann ihr nur unter der Bedingung angehören, daß er diesen Komitees alle Geheimnisse aufdeckt, welche sie direkt oder indirekt interessieren könnten."

Der Bericht der Kommission des Haager Kongresses kommentiert diese Passage wie folgt:

''Die Pietris und Stiebers verwenden nur untergeordnete und verlorene Leute als Spione, die Allianz aber, indem sie ihre falschen Brüder in die Geheimgesellschaften schickt, um deren Geheimnisse zu verraten, überträgt die Rolle des Spions denselben Männern, welche nach ihrem Plan die Leitung der 'allgemeinen Revolution' übernehmen sollen.''

(ebenda, S.338)
(MEW Bd. 18, Ein Komplott gegen die IAA, S.456)
(ebenda, S. 402). Solch eine Vision war nicht neu, sondern wurde bereits seit den Zeiten der Französischen Revolution innerhalb der ''Illuminaten'', einer Verzweigung der Freimaurerei, kultiviert, die sich später darauf spezialisierten, die Arbeiterbewegung zu infiltrieren. Bakunin teilte dieselbe abenteuerliche Idee einer politischen und vor allem total anarchischen persönlichen ''Befreiung'' durch eine machiavellistische Politik der Infiltration, in der die verschiedenen Gesellschaftsklassen gegeneinander ausgespielt werden.

Das Wesen des politischen Abenteurertums

In ihrer gesamten Geschichte ist die Arbeiterbewegung von kleinbürgerlichen Reformisten und Opportunisten und manchmal von schamlosen Karrieristen heimgesucht worden, die nicht an die Bedeutung und Zukunft der Arbeiterbewegung glaubten und sich nicht um sie scherten. Im Gegensatz dazu ist der politische Abenteurer überzeugt davon, daß die Arbeiterbewegung von historischer Bedeutung ist. In diesem Punkt stimmt der Abenteurer mit dem Marxisten überein. Genau aus diesem Grund treten die Abenteurer der Arbeiterbewegung bei. Ein Abenteurer wird weder von der grauen Langeweile des Reformismus noch von der Mittelmäßigkeit eines guten Jobs angezogen. Im Gegenteil, er ist entschlossen, eine historische Rolle zu spielen. Diese große Ambition unterscheidet den Abenteurer vom kleinbürgerlichen Karrieristen und Opportunisten.

Während Revolutionäre in die Arbeiterbewegung eintreten, um ihr zu helfen, ihre historische Mission zu erfüllen, tritt der Abenteurer ihr bei, um die Arbeiterbewegung dazu zu bringen, seiner eigenen ''historischen'' Mission zu dienen. Dies ist es, was den Abenteurer deutlich vom proletarischen Revolutionär unterscheidet. Der Abenteurer ist nicht revolutionärer als der Karrierist oder der kleinbürgerliche Reformer. Der Unterschied besteht nur darin, daß der Abenteurer einen Blick für die historische Bedeutung der Arbeiterbewegung hat. Er verhält sich jedoch ihr gegenüber auf eine völlig parasitäre Weise.

Der Abenteurer ist im allgemeinen ein Deklassierter. Es gibt viele solche Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft, Menschen, die mit großen Zielen und einer immensen Portion Überschätzung ihrer eigenen Fähigkeiten ausgestattet sind, aber völlig unfähig sind, ihre hochfliegenden Ambitionen innerhalb der herrschenden Klasse zu verwirklichen. Voller Bitterkeit und Zynismus gleiten solche Menschen häufig ins Lumpenproletariat ab, indem sie die Existenz von Bohemiens oder Kriminellen fristen. Andere geben für den Staat eine ideale Arbeitskraft als Informanten und Agents provocateurs ab. Aber in dieser Masse gibt es ein paar Ausnahmen, Individuen mit der politischen Gabe zu erkennen, daß die Arbeiterbewegung ihnen eine zweite Chance gibt. Sie können sie als Sprungbrett zu Ruhm und Ehren benutzen, um so an der herrschenden Klasse Rache zu nehmen, die in Wahrheit das Objekt ihrer Bemühungen und Ambitionen ist. Solche Menschen sind voller Groll wegen des Versagens der Gesellschaft insgesamt, ihr angebliches Genie zu erkennen. Gleichzeitig sind sie nicht vom Marxismus oder von der Arbeiterbewegung fasziniert, sondern von der Macht der herrschenden Klasse und ihren Manipulationsmethoden.

Das Verhalten des Abenteurers ist bestimmt durch die Tatsache, daß er nicht das Ziel der Bewegung, der er beigetreten ist, teilt. Sein wirkliches, persönliches Vorhaben muß er folglich vor der Bewegung verbergen. Nur seinen engsten Jüngern ist es vergönnt, eine Ahnung von seinem wirklichen Verhalten gegenüber der Bewegung zu haben.

Wie wir im Falle Bakunins gesehen haben, gibt es eine den politischen Abenteurern innewohnende Tendenz, insgeheim mit der herrschenden Klasse zu kollaborieren. Tatsächlich gehören solche Kollaborationen zum eigentlichen Wesen des Abenteurertums. Wie sonst sollte der Abenteurer seine ''historische Rolle'' erlangen können? Wie sonst könnte er sich selbst gegenüber der Klasse beweisen, von der er sich abgelehnt oder ignoriert fühlt? In der Tat kann nur die Bourgeoisie die Bewunderung und Aufmerksamkeit schenken, nach der der Abenteurer dürstet und die die Arbeiter ihm nicht zu geben gedenken.

Einige der bekanntesten Abenteurer in der Arbeiterbewegung, wie Malinowski, waren auch Polizeiagenten. Aber im allgemeinen arbeiteten Abenteurer nicht direkt für den Staat, sondern für sich selbst. Als die Bolschewiki die Akten der politischen Polizei Rußlands, der Okrana, öffneten, fanden sie Beweise dafür, daß Malinowski ein Polizeiagent war. Hinsichtlich Bakunin wurden jedoch keine solchen Beweise gefunden. Marx und Engels beschuldigten weder Bakunin noch Lassalle, bezahlte Agenten zu sein. Und bis heute gibt es keinen Beweis dafür, daß sie es waren.

Aber wie schon Marx und Engels aufzeigten: Die Gefahr, die vom politischen Abenteurer für proletarische Organisationen ausgeht, ist nicht geringer, sondern größer als die eines gemeinen Polizeispitzels. So wurden innerhalb der Internationalen entlarvte Agenten ohne irgendwelche Störungen für die Arbeit schnell ausgeschlossen und denunziert, während die Enthüllung der Aktivitäten Bakunins einige Jahre kostete und die eigentliche Existenz der Organisation bedrohte. Es ist für Kommunisten nicht schwer zu begreifen, daß ein Polizeiinformant ihr Feind ist. Der Abenteurer dagegen wird, falls er auf eigene Rechnung gearbeitet hat, stets vom kleinbürgerlichen Sentimentalismus verteidigt werden, wie im traurigen Fall Mehrings.

Die Geschichte zeigt, wie gefährlich solche Sentimentalitäten sind. Während solche Leute wie Bakunin, Lassalle, oder die ''Nationalbolschewisten'' um Laufenberg und Wolfheim Ende des I. Weltkrieges in Hamburg geheime Abmachungen mit der herrschenden Klasse gegen die Arbeiterbewegung trafen, traten viele andere ''große'' Abenteurer wie Parvus, Mussolini, Pilsudski, Stalin und andere zur Bourgeoisie über.

Abenteurertum und marxistische Bewegung

Lange vor der Gründung der ersten Internationalen hatte die marxistische Bewegung eine umfangreiche Analyse des Abenteurertums als Phänomen der herrschenden Klasse entwickelt. Diese Analyse wurden vor allem in Bezug auf Louis Bonaparte, dem ''Kaiser'' Frankreichs in den 1850/60er Jahren, angefertigt. In der Auseinandersetzung mit Bakunin entwickelte der Marxismus alle wesentlichen Elemente solch eines Phänomens innerhalb der Arbeiterbewegung, ohne jedoch diese Terminologie zu verwenden. In der deutschen Arbeiterbewegung wurde das Konzept des Abenteurertums im Kampf gegen den lassalleanischen Führer Schweitzer entwickelt, der in Zusammenarbeit mit Bismarck daran arbeitete, die Spaltung innerhalb der Arbeiterpartei aufrechtzuerhalten. In den 1880er Jahren denunzierten Engels und andere Marxisten das politische Abenteurertum der Führung der sozialdemokratischen Föderation in Großbritannien und verglichen ihr Verhalten mit dem der Bakunisten. In jener Zeit eignete sich die Arbeiterbewegung insgesamt dieses Konzept an trotz der Existenz eines opportunistischen Widerstandes. In der trotzkistischen Bewegung vor dem II. Weltkrieg blieb es noch immer ein wichtiges Werkzeug zur Verteidigung der Organisation, indem es richtigerweise im Falle Moliniers und anderer angewandt wurde.

Heute, in der Phase des Zerfalls des Kapitalismus, unter der unaufhörlichen Beschleunigung des Prozesses der Deklassierung und Verlumpung sowie angesichts der Offensive der Bourgeoisie gegen das revolutionäre Milieu, besonders mittels des Parasitismus, ist es eine Frage von Tod oder Leben, die marxistische Auffassung vom Abenteurertum wiederherzustellen, zu vertreten und den Kampf gegen es zu erneuern. Kr.

 

Entwicklung des proletarischen <br>Bewusstseins und der Organisation: