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Vor 10 Jahren brach am 27. November 1987 der Kampf der Krupp-Beschäftigten in Duisburg-Rheinhausen aus.
Damals schrieben wir in Weltreovlution Nr. 30: „Zu einer Zeit, als massive Angriffe gegen die gesamte Arbeiterklasse eingeleitet worden waren, wurde die Schließung von Krupp-Rheinhausen und die Entlassung von über 5.000 Arbeitern angekündigt.
Als die Entlassungen bekannt wurden, reagierten die Arbeiter sofort: sie legten die Arbeit nieder und riefen alle Arbeiter der Stadt zu einer Vollversammlung auf. Die Belegschaften von Thyssen und Mannesmann in Duisburg traten sofort in Solidaritätsstreiks.
Somit wurde klar, daß die Entlassungen bei Krupp alle Arbeiter angehen, und daß vor allem im Ruhrgebiet die aktive Solidarität nicht ausbleiben durfte. Am 30.November fand eine Vollversammlung mit 9 000 Arbeitern von Krupp und mit massiver Beteiligung von Delegationen der anderen großen Fabriken in Duisburg statt. Die Versammlung rief zum gemeinsamen Kampf im Ruhrgebiet auf.
Am 1. Dezember fanden in 14 Krupp-Fabriken im Bundesgebiet Demos und Vollversammlungen statt, an denen sich starke Delegationen aus Rheinhausen beteiligten. Am 3. Dezember demonstrierten 10 000 Schüler in Rheinhausen gegen die geplanten Entlassungen. Eine Delegation von Bergarbeitern forderte einen gemeinsamen Kampf von Berg- und Stahlarbeitern. Das gesamte Ruhrgebiet war mobilisiert und große Teile der Arbeiter standen kampfbereit. Am 8. Dezember demonstrierten über 10.000 Bedienstete der Stadt Duisburg in Rheinhausen, um ihre Solidarität zu bekunden.“
Der Versuch des Zusammenschlusses - von den Gewerkschaften torpediert
Die Arbeiter in Duisburg-Rheinhausen hatten bei ihrem Abwehrkampf in ihrem Aufruf an die anderen Beschäftigten betont: „Laßt uns nicht allein kämpfen. Wir wollen nicht das gleiche Schicksal erleiden wie die britischen Bergarbeiter. Schließt euch unserem Kampf an.“ Die britischen Bergarbeiter hatten 1985 über ein Jahr lang alleine verbittert und mutig, aber isoliert gegen die Schließungspläne der Regierung angekämpft. Deshalb die erste spontane Reaktion der Arbeiter in Rheinhausen: sich an die ganze Arbeiterklasse zu wenden, sich gemeinsam zur Wehr zu setzen.
Dieser Abwehrkampf der Arbeiter in Duisburg war ein Teil einer internationalen Welle von Kämpfen in den 80er Jahren, in deren Mittelpunkt 1985 die britischen Bergarbeiter, im Sommer 1986 die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Belgien, 1987 die französischen Eisenbahner und die Beschäftigten des Schulwesens in Italien standen. Im Dezember 1987 traten dann die Arbeiter in Deutschland massiv auf den Plan, um als Teil dieses internationalen Widerstandes der Arbeiter den Angriffen des Kapitals die Stirn zu bieten.
Überall stemmten sich die Gewerkschaften, vor allem ihre sich als besonders radikal ausgebenden Vertreter der Basis gegen die Eigeninitiative der Arbeiter und ihre Versuche, ihre Kämpfe über die Branchengrenzen hinweg zusammenzuschließen.
Die Fähigkeit der Arbeiter von Krupp-Rheinhausen, die Lehre aus dem britischen Bergarbeiterstreik aufzugreifen und zum gemeinsamen Kampf aufzurufen, die Fähigkeit, zu Anfang des Kampfes in Rheinhausen, gemeinsam Vollversammlungen mit Beschäftigten aus anderen Branchen und Betrieben abzuhalten, war sofort von den Gewerkschaften und den anderen Beschützern des Kapitals als eine große Gefahr angesehen worden.
Nachdem die Bewegung anfänglich ohne die Gewerkschaften in Gang gekommen war, versuchten die Gewerkschaften sofort, wieder ‘auf den fahrenden Zug zu springen.’ Am 5. Dezember 1987 kündigten sie einen Aktionstag für den 10. Dezember an. Die Parole der Gewerkschaften lautete: ‘Legen wir den gesamten Verkehr im Ruhrgebiet lahm.’ Verkehrsblockaden als Mittel des Arbeiterkampfes! Die Gewerkschaften errichteten am 10. 12. Straßensperren, die die Möglichkeit der Kontaktaufnahme der Arbeiter der verschiedenen Betriebe untereinander unterbinden sollte. Denn nachdem es anfangs zu ersten gemeinsamen branchenübergreifenden Treffen und Aktionen gekommen war, ging es den Gewerkschaften darum, diesen Kontakt zu unterbinden, die Zersplitterung der Bewegung durchzusetzen. Wie wir in unserer Presse schrieben: „In Wirklichkeit bedeuten diese Art Aktionen, daß die Arbeiter nicht gemeinsam und vereinigt demonstrieren, nicht in Massenversammlungen den weiteren Verlauf des Kampfs diskutieren, sondern, daß sie isoliert voneinander, über das ganze Ruhrgebiet zerstreut, in Gruppen zersplittert Straßen blockierten. Nach einigen Stunden dieser Aktion waren die meisten mit einem miesen Gefühl nach Hause gegangen. Und dennoch hätte es anders kommen können.
An diesem Tag fand eine Vollversammlung um 7.30 h bei Krupp statt, an der 3.000 Arbeiter teilnahmen. Um 10.00 h fand eine weitere Vollversammlung bei Thyssen statt. Postler und Arbeiter aus Süddeutschland kamen nach Rheinhausen. 90.000 Stahlarbeiter standen im Kampf, gleichzeitig legten 100.000 Bergarbeiter aus Solidarität für einige Stunden die Arbeit nieder. An verschiedenen Orten verließen Arbeiter die Fabriken und demonstrierten wie z.B. bei Opel-Bochum. Das Ausmaß der Mobilisierung und der Kampfbereitschaft hätte zu einer riesigen Machtdemonstration der Kraft der Arbeiterklasse werden können.
Der 10. Dezember war der Höhepunkt des Kampfes um Rheinhausen.
Am 11. 12. kündigte Bonn die Entlassung von 30.000 Bergarbeitern an. Es kam aber nicht zu einem gemeinsamen Kampf von Berg- und Stahlarbeitern. Dafür hatte die IG-Bergbau gesorgt, die vor Solidaritätsaktionen gewarnt hatte mit dem Vorwand, daß die Forderungen der Bergarbeiter dann untergehen würden, wenn sich die Bergleute mit den Stahlarbeitern solidarisierten.“ (Weltrevolution, Nr. 30).
Auch wenn der Abwehrbewegung mit dem Aktionstag der Gewerkschaften am 10. Dezember die Spitze gebrochen wurde, nachdem die Gewerkschaften die Bewegung erwürgen konnten, vermochten sie nicht zu verhindern, daß diese wichtigste Kampfreaktion der Arbeiter nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland eine gewaltige Ausstrahlung hatte. Sie war ein Impuls für den Widerstand vieler anderer Beschäftigter geworden.
Angeregt durch das Beispiel der Kruppianer hatten sich in Köln Beschäftigte zusammengefunden, die sich durch den Kampfruf der Rheinhausener - ‘Nicht isoliert kämpfen’ ermutigt fühlten und selbst die Initiative ergriffen. Wir wollen ausführlich aus dem Flugblatt zitieren, das diese Gruppe vor dem Krupp-Werk und vor anderen Betrieben verteilt hat.
Solidarität heißt selber den Kampf aufnehmen
‘Gemeinsam können wir mehr erreichen’
Wir sind eine kleine Gruppe, die sich aus dem Personal der Kölner Krankenhäuser zusammengesetzt hat. Wir sind keiner Gewerkschaft und keiner Partei untergeordnet, sondern wir vertreten hier unsere Meinung. Weshalb wir uns zu Wort melden, ist, daß die Bedingungen in den Krankenhäusern für das Personal sowie für die Patienten immer unerträglicher werden. Den Anstoß für diese Stellungnahme haben uns die Beispiele aus dem Ruhrgebiet gegeben, wo Hunderttausende sich gemeinsam und solidarisch gegenüber den Massenentlassungen im Bereich der Stahlindustrie und dem Bergbau gezeigt haben. Auch der öffentliche Dienst einschließlich der Krankenhäuser hat sich durch Arbeitsniederlegungen und Teilnahme an Demos daran beteiligt, wobei aber noch keine eigenen Forderungen gestellt wurden. Denn es geht nicht darum, aus Mitleid mit den Kruppianern auf die Straße zu gehen, sondern es gilt zu verstehen, daß wir alle den gleichen Angriffen ausgesetzt werden und uns auch nur gemeinsam dagegen wehren können.
Das Gegenstück der Massenentlassungen in der Industrie ist im öffentlichen Dienst der Stellenabbau bzw. Einstellungsstop.
Die Auswirkungen sind jeweils die gleichen: auf der einen Seite die Arbeitslosigkeit, auf der anderen die Mehrbelastung der noch übriggebliebenen. ...
Es hat sich gezeigt, daß ‘Vater Staat’ genauso rücksichtslos und brutal mit seinen Beschäftigten umspringt wie jeder private Unternehmer. Angesichts dieser Tatsache befürworten wir, daß möglichst massive Protestaktionen und Demos zustande kommen, bei denen die Rücknahme der Massenentlassungen, der ‘Gesundheitsreform’ usw. verlangt wird.
Wir sollten dem Beispiel des Ruhrgebiets folgen und uns ebenfalls in Köln solidarisch erklären mit der KHD (2000 Entlassungen).
Dieses Schriftstück soll ein Beispiel dafür sein, daß man auch als kleine Gruppe, ohne die Parteien, Gewerkschaften usw. selbst aktiv werden kann.
Wir sind keine passive Manövriermasse. Jeder kann und muß sich zu Wort melden.“
Diese Beschäftigten hatten angefangen, die Lehre aufzugreifen, die aus der Bewegung gezogen werden mußte. Wie die IKS seinerzeit in unserer Presse schrieb:
„Und die Lehre, die man ziehen muß, ist, daß Sympathiestreiks und Solidaritätsbekundugen zwar ein wichtiger Schritt sind, daß sie aber nicht ausreichen, um die Entlassungen und die Angriffe der Bourgeoisie zurückzudrängen. Die Solidarität muß zur Vereinigung der Kämpfe selber führen. Aber was heißt Vereinigung?: Wenn die Arbeiter in Rheinhausen den Kampf gegen Entlassungen aufnehmen, dann sind ihr Kampf und ihre Forderungen grundsätzlich die gleichen wie in anderen Bereichen und Branchen. Die Bergleute werden wie die Stahlarbeiter von Massenentlassungen betroffen. Aber auch im öffentlichen Dienst werden die Angriffe stärker... Die Solidarität mit Rheinhausen bedeutet den Kampf für die eigenen Forderungen aufnehmen. Der Kampf eines Teils der Arbeiter muß zum Kampf der anderen Arbeiter werden’. Solidarität heißt selber den Kampf aufnehmen“.
Auch wenn die internationale Kampfwelle, die sich in den 80er Jahren entfaltet hatte, durch den Zusammenbruch des stalinistischen Ostblocks beendet wurde, seitdem die Arbeiterklasse einen tiefgreifenden Rückschritt ihres Bewußtseins und ihrer Kampfbereitschaft erlitten hat, die Idee des ‘jeder für sich’ lauthals propagiert wird und die Vorstellung eines gemeinsamen Kampfes heute in den Augen vieler als ‘Utopie’ erscheint, für Zigtausende ‘Beschäftigte war das vor 10 Jahren keine Utopie. Der Ruf nach einem gemeinsamen Kampf, nach Solidarität war das dringendste Gebot der Stunde, um den Angriffen des Kapitals entgegenzutreten. Und die Arbeiter hatten angefangen, dazu selber die Initiative zu ergreifen. Nur dank der Sabotagetaktik der Gewerkschaften gelang es diesen, den Arbeitern wieder die Zügel aus der Hand zu reißen.
Der Rückschlag, den die Klasse seit 1989 erlitten hat, und der einen verstärkten erdrückenden Einfluß der Gewerkschaften ermöglicht hat, wird nicht unüberwindbar sein. Es ist die Aufgabe aller Revolutionäre, die Lehren dieser Kämpfe für die Vorbereitung der Kämpfe von heute und morgen wieder einzubringen.