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Welche Organisation und Mobilisierung gegen die staatliche Repression?
Im Morgengrauen des 14. Juni griffen 3000 Polizisten ein Lager von Demonstranten an, das im Zentrum von Oaxaca, der Hauptstadt des gleichnamigen mexikanischen Bundesstaates, errichtet worden war. Dieses Lager war drei Wochen zuvor von Beschäftigten des staatlichen Bildungswesen gebaut worden, um Lohnforderungen durchzusetzen. Im Bundesstaat Oaxaca findet man einige der ärmsten Gegenden Mexikos, wo unterbezahlte Lehrer unter unglaublichen Bedingungen unterernährte Kinder unterrichten. Die Lehrer haben durch massive Demonstrationen versucht, die Unterstützung anderer Beschäftigter einzuholen. Aber diese Beschäftigten standen allen möglichen gewerkschaftlichen Manövern gegenüber, sowohl denen der ‚offiziellen' Gewerkschaften als auch denen der ‚abtrünnigen' gewerkschaftlichen ‚Basisgruppen' und der Repression des Staates. Auch wenn es den Beschäftigten anfangs gelang, sich dieser Repression zu widersetzen, mussten sie auf ihre Lohnforderungen, die der Ausdruck ihrer Lebensbedingungen als Angehörige der Arbeiterklasse sind und eine direkte Kritik am Ausbeutungssystem darstellen, verzichten. Ihre Kampfbereitschaft und ihre Forderungen wurden im Rahmen einer klassenübergreifenden Mobilisierung von der APPO (Volksversammlung des Volkes von Oaxaca) aufgelöst. Die APPO wird unter dem Deckmantel radikaler Aktionen und einer angeblichen Autonomie von den Gewerkschaften, den Stalinisten und allen möglichen linkskapitalistischen Organisationen beherrscht. Die Unzufriedenheit der Arbeiter (insbesondere der Lehrer) und anderer unterdrückter Bevölkerungsteile (wie die armen Bauern) wurde instrumentalisiert, um eine "Verbesserung" der demokratischen Ordnung und die Absetzung des Gouverneurs von Oaxaca, Ulises Ruiz, zu verlangen, der ein richtiger Gangster in der besten Tradition der mexikanischen Bourgeoisie und ihrer ehemaligen dominierenden Partei, die PRI, ist .
Seit dem Beginn der Mobilisierungen konnte man schon feststellen, wie den Arbeitern Forderungen und Vorgehensweisen durch die Gewerkschaften untergejubelt wurden, die ihren Interessen fremd waren. Mit Hilfe der Gewerkschaften versuchen verschiedene Kräfte der Bourgeoisie die Unzufriedenheit der Arbeiter abzulenken, nicht nur um die Kampfbereitschaft zu zerbröseln, sondern auch um diese als Schachfiguren bei den Streitigkeiten innerhalb der Bourgeoisie einzusetzen.
Was die Manipulation der Massen angeht, neigt die Bewegung von Oaxaca leider dazu, in die gleichen Fallen zu laufen wie die, welche vor kurzem von dem Flügel der mexikanischen Bourgeoisie um Obrador<!--[if !supportFootnotes]-->[i]<!--[endif]--> aufgestellt worden waren. Es ist ihnen gelungen, die Unzufriedenheit und die Kampfbereitschaft in vielen Bereichen zu ersticken und die Arbeiter einzuspannen für die "Verteidigung des Stimmrechts". Die Taktik bestand darin, die Arbeiter für einen irregeleiteten Kampf ins Feld zu schicken, ihren Prozess des Nachdenkens aufs falsche Gleis zu lenken, was dazu geführt hat, dass die Unzufriedenheit abgewürgt werden konnte (oder dass diese durch den CND<!--[if !supportFootnotes]-->[ii]<!--[endif]--> und ihre ‚Parallelregierung' in eine Sackgasse gelenkt werden konnte. Die Unzufriedenheit wurde dazu benutzt, um die Massen für die Unterstützung einer bürgerlichen Clique einzuspannen. Dadurch nahm die Verwirrung unter den Arbeitern zu.
Im Falle Oaxcacas wird die augenblickliche Wut der Beschäftigten des Erziehungswesens, die zu Mobilisierungen aufgerufen haben, in eine falsche Alternative gedrängt - nämlich die Forderung nach Reformen des Staates. Diese Mobilisierungen haben nicht so sehr einen Fortschritt auf Bewusstseinsebene und eine wachsende Kampfbereitschaft der Arbeitermassen aufgezeigt (wie es die Gruppen der kapitalistischen Linken behaupten), sondern die Instrumentalisierung dieser Unzufriedenheit und die Tatsache, dass eine der Fraktionen der herrschenden Klasse daraus Kapital schlagen kann.
Indem die Interessen der verschiedenen Flügel der am Konflikt beteiligten mexikanischen Bourgeoisie hinter den Demonstrationen und den aufrichtigen Aktionen von Tausenden in der Region lebenden Menschen vertuscht werden, konnte die Unzufriedenheit der Beschäftigten mit der Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen in "demokratische Forderungen" einer Masse von amorphen ‚Bürgern' umgewandelt werden. Sie verbreiten damit die Illusion, dass der Kapitalismus verbessert werden könnte, allein schon dadurch, dass man einen Gouverneur ablöst und ersetzt, der sicher ein ‚Gangster, Dieb und Bestochener- ist, durch einen anderen, der ein "gutes Herz" hätte.
Das Proletariat ist die einzige Klasse, die den Kapitalismus überwinden kann.
Die von der APPO vorangetriebenen Mobilisierungen waren in der Tat massiv. Sie brachten tatsächlich die Bereitschaft der Betroffenen zum Kampf zum Ausdruck. Auch gab es Solidaritätsbekundungen gegenüber den Lehrern seitens verschiedener anderer Beschäftigter. Aber all dies wurde abgewürgt, als die Interessen der Lohnabhängigen auf die Verteidigung der Demokratie ausgerichtet und dieser unterworfen wurden. Die Gewerkschaftsstrukturen und die verschiedenen linkskapitalistischen Gruppen haben mittels der APPO die Massen sehr geschickt in eine Sackgasse geführt. Das brutale und blutige Wesen des Kapitalismus kommt natürlich durch eine immer stärker werdende Repression gegen die Demonstranten zum Vorschein. Aber damit werden im Gegensatz zu den Darstellungen der Linken des Kapitals die Aktionen der Betroffenen noch nicht zu revolutionären oder aufständischen Aktionen. Der Klassencharakter einer Bewegung äußert sich in den Zielen, die sie sich setzt, in ihrer Organisation und der Führung ihres Kampfes, in den Mitteln, die im Kampf angewandt werden. Den Beschäftigten wurden schließlich Ziele und Forderungen aufgezwungen, die das kapitalistische System nur verstärken. Die angestrebten Ziele zeigen, dass die Betroffenen die Kontrolle über die Mobilisierungen verloren haben. Man kann feststellen, dass die Organisation dieser Bewegung, auch wenn sie teilweise durch den Willen hervorgebracht wurde, die Solidarität mit den Beschäftigten auszudehnen, in eine andere Richtung verlaufen ist, seitdem die Interessen als Arbeiterklasse (die durch die Lohnforderungen zum Ausdruck kommen) durch die Interessen als Bürger ersetzt wurden. Diese Wende wurde durch die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen ermöglicht, die in der APPO versammelt sind. Die Gruppen des linken Flügels des Kapitals (von der PRD bis zu den stalinistischen und trotzkistischen Gruppen) haben dies tatkräftig unterstützt.<!--[if !supportFootnotes]-->[iii]<!--[endif]-->
So wurde den in den APPO versammelten Arbeitern ihre Kraft als Arbeiterklasse entrissen. Sie können dort nicht mehr ihre Interessen, ihren Mut als Klasse verteidigen, da diese entartet und von ihren Zielen abgelenkt wurden. Schlimmer noch: weil die Selbstorganisierung unmöglich geworden war, wurde ihr Kampfpotenzial gehemmt und unschädlich gemacht, indem es den Entscheidungen der herrschenden Klasse unterworfen und deren Methoden angewandt wurden.
In einem Interview mit dem Rechtsanwalt der APPO, Ocho Lora, erklärte dieser bei dem Versuch der Rechtfertigung des spontanen Entstehens seiner Organisation den Charakter und das Wesen der APPO. Er berichtete, dass dort ungefähr 200 Gruppen und Gemeinden aus der Region zusammengeschlossen sind. Aber hinter den meisten von ihnen stecken nur Namenszeichen, keine wirkliche Kraft. "Die zahlenmäßig stärkste Gruppe ist die Bewegung für die Vereinigung der Kämpfe der Triqui<!--[if !supportFootnotes]-->[iv]<!--[endif]--> (MULT), die in der APPO durch Rogelio Pensamiento vertreten wird, der dem Rechtsanwalt zufolge für seine enge Beziehungen zur Regierung der PRI bekannt ist<!--[if !supportFootnotes]-->[v]<!--[endif]-->. Ein anderer Führer der APPO ist Flavio Sosa, ehemals Abgeordneter der PRD. Seitdem hat er bei der Kampagne von Vicente Fox mitgewirkt, um später die Partei Unidad Popular zu gründen, die bei den Wahlen die PRI unterstützte und den Gouverneur Ulises Ruiz an die Macht brachte" (Proceso 1560, 24.9.06).
Trotz der spektakulären Versammlungen und der Repression gegen ihre Mitglieder spiegeln die von der APPO durchgeführten Mobilisierungen nicht die Stärke des Proletariats wider, sondern das verzweifelte Handeln der Klassen und Mittelschichten (die obwohl ausgebeutet und unterdrückt, keine historische Perspektive haben), welche von der herrschenden Klasse zu ihren Gunsten ausgeschlachtet werden. Die Spekulationen der linken Kräfte des Kapitals, die behaupten, bei den Mobilisierungen der APPO handele es sich um den Beginn der "Revolution" sind völlig irreführend. Ähnliche Behauptungen wurden beim Entstehen der Piquetero-Bewegung in Argentinien verbreitet - die Wirklichkeit bewies etwas Anderes.
Für uns geht es darum, die Ausrichtung dieser Mobilisierungen zu klären; uns geht es nicht darum, die Beteiligten zu attackieren. Die Ausdrücke proletarischen Lebens in dieser Region dürfen nicht unterschätzt werden; es geht viel mehr darum, das Nachdenken über die Notwendigkeit einer eigenständigen Klassenorganisierung zu fördern, die es der herrschenden Klasse unmöglich macht, ihre Ziele aufzuzwingen. Auch muss verhindert werden, dass es den Herrschenden gelingt, mit Hilfe der Gewerkschaften und der Extremen Linken hilflose und sinnlose Kämpfe zu propagieren, die nur zur Repression und in die Niederlage führen können.
Als Revolutionäre haben wir die Verantwortung klar zu definieren, welche Kräfte bei diesen Mobilisierungen der Beschäftigten im Spiel sind, und auf welche Grenzen sie stoßen. Es geht darum, auf die Gefahren aufmerksam zu machen, auf die die Handlungen der Arbeiter stoßen, wenn die Kräfte der Bourgeoisie diese zu manipulieren versuchen. Man muss die wahren Verbündeten und die erforderlichen Ausrichtungen des Kampfes aufzeigen. Wir wissen, wie schwierig es für Kommunisten ist, diese Aufgabe zu erfüllen, denn wir müssen uns dabei gegen das ganze Gerede von "Pragmatismus" der Linken des Kapitals wenden, die auf "Sympathien" stößt, weil sie alles begrüßt, was sich bewegt, damit aber in Wirklichkeit nur Ungeduld und Immediatismus fördert. Aber all dies bedeutet in Wirklichkeit nur Sabotage, oder bestenfalls sind sie nur ein kleinbürgerlicher Ausdruck eines fehlenden historischen Vertrauens in das Proletariat. Deshalb entsteht jeweils dieser Enthusiasmus für die klassenübergreifenden Revolten. Ausbeutung, Unterdrückung und Armut verschwinden nicht mit einem einfachen Austauschen der Beamten; die Arbeiterklasse ist die einzige Klasse, die die Abschaffung des Staates herbeiführen kann, ihr Bewusstsein und ihre Organisation sind die einzigen Waffen, auf die sie sich stützen kann.
Übersetzt aus Revolucion Mundial (Weltrevolution), Zeitung der IKS in Mexiko, 20.10.06
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<!--[if !supportFootnotes]-->[i]<!--[endif]--> A.M. Lopez-Obrador, genannt AMLO, war der Kandidat der PRD (linke Partei) bei den letzten Präsidentschaftswahlen in Mexiko. Der Kandidat der Rechten, Calderon, gewann mit einer knappen Stimmenmehrheit. Obrador behauptete sofort in einer Kampagne, das Wahlergebnis sei gefälscht - das wäre in der Tat in Anbetracht der politischen Gewohnheiten der mexikanischen Bourgeoisie nicht überraschend. Aber hauptsächlich hat die mexikanische Linke diese Situation dazu ausgeschlachtet, um die Idee zu verbreiten, dass es eine gerechte und gute Demokratie geben könnte, dass man eine "neue Verfassung" brauche usw. Je mehr die Herrschaft der Bourgeoisie sich als eine Diktatur entblößt, egal welches Gewand sie trägt, desto heftiger treten die für die Kontrolle der Ausgebeuteten spezialisierten Kräfte , d.h. die mehr oder weniger radikalisierte Linke, für demokratische Forderungen ein, die eine neue, direkte, partizipierende Demokratie und Ähnliches mehr verlangen. So konnte man in diesem Herbst in Mexiko folgendes Schauspiel verfolgen: Von der Linken, die eine symbolische Besetzung der Hauptstadt inszenierte, bis zur Vereinnahmung des Kampfes der Lehrer durch die APPO in Oaxaca, über die EZLN (Bewegung der Zapatistas) und ihre 6. Erklärung, die sehr kritisch ist gegenüber der offiziellen Linken um Obrador, haben wir die ganze Bandbreite der politischen Schachzüge gesehen, um das Proletariat davon abzuhalten, sich die wahren Fragen zu stellen.
<!--[if !supportFootnotes]-->[ii]<!--[endif]--> Die nationale demokratische Versammlung, die linke mexikanische Koalition, die nur Obrador als "legitimen" Präsidenten anerkennt, organisiert Foren, um den Druck in dieser Richtung aufrechtzuerhalten.
<!--[if !supportFootnotes]-->[iii]<!--[endif]--> Siehe dazu Revolucion Mundial mit dem Artikel zu den Trotzkisten.
<!--[if !supportFootnotes]-->[iv]<!--[endif]--> Die "Triquis" sind ein Volksstamm im Bundesstaat Oaxaca.
<!--[if !supportFootnotes]-->[v]<!--[endif]--> PRI - Institutionalisierte revolutionäre Partei, hat Mexiko 70 Jahre lang regiert.