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Bundeswehr: Nicht Friedensstifter, sondern Kriegsheer
Die Bundeswehr - alles andere als ein Entwicklungshelfer
Lange Zeit ist es dem deutschen Imperialismus gelungen, sein wichtigstes Instrument, die Bundeswehr, als die gute Fee zu verkaufen, die in all den Krisenherden der Welt mit Know-how und gutem Willen für das gesundheitliche Wohlergehen der geplagten Zivilbevölkerung, für die Schlichtung von Stammesfehden und für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung auf den Straßen sorgt. Jahrelang wurde wirkungsvoll und mediengerecht das Image der Bundeswehr als Katastrophenhelfer inszeniert, die im Inland wie im Ausland bei Naturkatastrophen Leben rettet statt zu vernichten. Doch dieses Bild bekommt nun die ersten Risse, ja erweist sich immer deutlicher als Illusion.
Es ist sicherlich kein Zufall, dass ausgerechnet jetzt, wo sich die USA in einer außenpolitischen Krise befinden, einige Jahre alte Fotos in die Presse lanciert wurden, die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan zeigen, wie sie mit den Schädeln unbekannter Toter posieren. Wir wollen an dieser Stelle nicht darüber spekulieren, wer diese Fotos in Umlauf gebracht hat. Fakt ist jedoch, dass diese Akte der Totenschändung - vergleichsweise harmlosere Ausdrücke der Verrohung im Militär - den deutschen Imperialismus in arge Erklärungsnöte gegenüber der islamischen Welt brachten und ihn in seiner Goodwill-Politik (einer der Trümpfe, den der deutsche Imperialismus gegenüber den übermächtigen USA besitzt) zurückzuwerfen drohten. Unterdessen wächst der Druck der britischen, holländischen und kanadischen NATO-Verbündeten bzw. Rivalen auf das deutsche Militär, sich mit Truppen an den heftigen und verlustreichen Kämpfen gegen die Taliban in Südafghanistan zu beteiligen. Die Weigerung des deutschen Imperialismus, seine Truppen vom Norden in den heftiger umkämpften Süden Afghanistans zu verlegen, hat ihm unter den "Alliierten" schon den Vorwurf der "Feigheit vor dem Feind" eingebracht. Denn aus ihrer Sicht ist es überhaupt nicht akzeptabel, dass sie mit jedem weiteren Soldaten, der in den Kämpfen gegen die Taliban fällt, steigenden Unmut ihrer eigenen Bevölkerung riskieren, während der deutsche Imperialismus im Norden Afghanistans versucht, sein Image als Wohltäter zu pflegen.
Brisant ist auch die Affäre um die Soldaten der Eliteeinheit KSK. Nicht nur, dass sie offensichtlich bei der Folterung von Al-Qaida-Verdächtigen deutscher Herkunft in amerikanischem Gewahrsam beteiligt waren. So sickerte nebenbei auch noch durch, dass die KSK-Rambos offensichtlich in Afghanistan bereits ihr Unwesen trieben, ehe das Parlament überhaupt zugestimmt hatte. Deutlicher kann einem nicht vor Augen geführt werden, dass das Parlament als Ort der Exekutive zum reinen Mythos verkommen ist.
Wie wenig willkommen die Bundeswehr in ihren Auslandseinsätzen ist, zeigen auch und gerade die Zwischenfälle im Mittelmeer. Verstört musste die hiesige Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen, dass es die israelische Luftwaffe (und nicht arabische Terroristen) war, die Scheinangriffe gegen die deutsche Marine flog - ein militärisches Imponierverhalten, das üblicherweise nicht unter Freunden, sondern gegen militärische Gegner ausgeübt wird. Diese Scheinangriffe wirkten auf die deutsche Öffentlichkeit um so befremdlicher, war es doch, laut Kanzlerin Merkel, angeblicher Zweck der Entsendung der deutschen Marine an die libanesische Küste, das Existenzrecht Israels zu sichern.
Noch gehört die Bundeswehr zu den angesehensten Institutionen in der Bundesrepublik. Doch allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, dass es nicht weit her ist mit dem uneigennützigen Handeln des deutschen Imperialismus, dass hinter dem heuchlerischen Gerede von den "humanitären", "friedenserhaltenden" Absichten der Auslandseinsätze der Bundeswehr nichts anderes als das Bestreben der deutschen Bourgeoisie steckt, Flagge zu zeigen und ihre Claims in den geostrategisch wichtigen Regionen dieser Welt abzustecken.
Weltmeister der Tiefstapler
Nach dem verloren gegangenen 2. Weltkrieg gab Konrad Adenauer, der erste Kanzler der Bundesrepublik, die Parole heraus: Nachdem wir Deutschen fünfzig Jahre lang hochgestapelt haben, werden wir nun fünfzig Jahre lang tief stapeln müssen.
Tatsächlich ist die Bundesrepublik gerade in Bezug auf die eigene militärische Rolle Meister der Tiefstapelei geworden. Beispiel Nordafghanistan. Woher rührt das "hohe Ansehen" der Bundeswehr in dieser Weltgegend? Die Schlafmohnfelder Nordafghanistans sind heute Dreh- und Angelpunkt des weltweiten Heroinhandels geworden. Ganze Privatarmeen nicht nur in Afghanistan, sondern im gesamten Zentralasien und darüber hinaus werden daraus finanziert. Strategische Verbindungen zwischen Rauschgift- und Waffenhandel und der internationalen Diplomatie werden dabei geknüpft. Das ruhmreiche "Nation Building" der Bundeswehr in Afghanistan besteht nicht zuletzt in der Pflege der Beziehungen zu und die Förderung der Interessen von einigen der mächtigsten Warlords dieser Gegend. Und im Süden Afghanistans: Was tut dort die Spezialeinheit KSK? Die Bundestagsabgeordneten, die so überrascht waren durch die Nachricht, dass die KSK schon so lange dort im Einsatz waren, sie zeigen kein Interesse, solche Geheimnisse zu lüften. Auch die der Linkspartei nicht. Es hat schon seinen Grund, wenn die Praktiken dieser Elite-Einheit als Staatsgeheimnis gelten.
Auch im Kongo, diesem gigantischen Friedhof im Herzen Afrikas - wo allein in jüngster Zeit mehrere Millionen Menschen ermordet worden sind - ist das deutsche Militär nicht gerade unterwegs, um "freie Wahlen" abzusichern, sondern um mit ausgewählten Mörderbanden "vertrauensvoll zusammenzuarbeiten".
Und weshalb feuern israelische Militärs Warnschüsse auf die Bundesmarine vor der libanesischen Küste? Die Politiker und die Medien faseln von "Missverständnissen", um das Offensichtliche zu leugnen: Israel hat allen Grund, Deutschland mit einer Warnung zu empfangen. Denn Israel ist der Hauptverbündete der USA im Nahen Osten, während Deutschland heute zu den wichtigsten Herausforderern Amerikas gehört. Die Bundesmarine patrouilliert vor Suez und am Horn von Afrika, nicht um das Existenzrecht Israels, sondern um die nationalen Interessen der deutschen Bourgeoisie zu verteidigen. Diese nationalen Interessen einer der führenden Industriestaaten der Welt werden längst in "Weißbüchern" der Bundesregierung so formuliert: Militärische Absicherung des "freien" Welthandels und des Zugangs zu den wichtigsten Rohstoffen der Erde sowie die Pflege von "partnerschaftlichen Beziehungen" mit potenziellen Verbündeten in aller Welt. Die deutsche Bourgeoisie denkt nicht im Traum daran, sich erpressbar zu machen, in dem sie diese "Absicherung" und "Pflege" ihrem Hauptrivalen USA überlässt!
Die soziale Frage als Hemmnis
Das bedrückendste Problem der deutschen Bourgeoisie ist in dieser Hinsicht die wachsende Kluft zwischen ihren imperialistischen Ansprüchen und den materiellen Mitteln, die sie dafür locker machen kann.. "Während Länder wie Australien, Frankreich oder Großbritannien in den vergangenen Jahren ihren Wehretat ausweiteten, sank der deutsche Verteidigungsetat seit der Wiedervereinigung fast kontinuierlich (...) Kaum mehr als ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts von etwa zwei Billionen Euro wendet die Republik für die Verteidigung auf und gehört damit unter den Nato-Ländern zu den Schlusslichtern." (1)<!--[if !supportFootnotes]-->[i]<!--[endif]-->
Die sog. Verteidigungsexperten schlagen Alarm: Heer, Luftwaffe und Marine seien nur noch bedingt einsatzbereit. Schon jetzt würden Soldaten mit unzureichender Ausrüstung in ihre heiklen Auslandsmissionen geschickt. Einmütig fordern diese Experten mehr Geld, viel mehr Geld für die Bundeswehr.
In der Tat steht die deutsche Bourgeoisie vor einem Dilemma. Dass die Bundesrepublik im Rüstungswettlauf ins Hintertreffen geraten ist, hängt viel mit den Kosten der deutschen "Wiedervereinigung" zusammen. Dies heute wieder wettzumachen, würde eine andere Qualität der Angriffe gegen die Arbeiterklasse erforderlich machen. Denn, woher nehmen, wenn nicht stehlen? Erhöht sie die Rüstungsausgaben, so ist sie gezwungen, die Sozialausgaben entsprechend zu kürzen. Unterlässt sie es jedoch, die Bundeswehr zu modernisieren und aufzurüsten, kann sie ihre Absicht, die US-Supermacht herauszufordern, begraben. Zudem geht es darum, als führende Macht Kontinentaleuropas überall auf der Welt vermehrt präsent zu sein.
Nun, für die erste Alternative gibt es derzeit keine Mehrheit in der Bevölkerung: "64 Prozent der Bürger sind dagegen, den Verteidigungshaushalt - derzeit rund 24 Milliarden Euro - zu erhöhen."<!--[if !supportFootnotes]-->[ii]<!--[endif]-->. Doch die zweite Alternative findet wiederum bei den Herrschenden aus naheliegenden Gründen keinen Anklang. Was also tun? Vorerst behilft sich die große Koalition damit, unter Zuhilfenahme haushaltspolitischer Tricks den Wehretat peu à peu zu erhöhen.
So verhält es sich auch im Falle des europäischen Technologiekonzerns EADS. Hier drohen Deutschland im Zuge der Krise um den Airbus die Felle davonzuschwimmen. Während der französische Staat seine Aktienbeteiligung ausbaut und Russland fünf Prozent der Aktien von EADS, dem Mutterkonzern von Airbus, erwarb, beabsichtigt DaimlerChrysler als deutscher Großaktionär, seinen Anteil sukzessive zu verkaufen. Fieberhaft sucht die große Koalition nun nach einem Dreh, wie sie sich in den Besitz dieses Aktienpaketes bringen kann, ohne den Haushalt zu belasten. Denn ein Ausstieg aus EADS käme für den deutschen Imperialismus einer mittleren Katastrophe gleich. Er wäre gleichbedeutend mit dem vorläufigen Ende der imperialistischen Ambitionen Deutschlands, mit der EADS einen europäischen Rüstungskonzern mit zu gestalten, der den USA Paroli bieten kann.
Zieht man ein Fazit, so kommt man nicht umhin festzustellen, dass nicht nur der amerikanischen, sondern auch der deutschen Bourgeoisie die imperialistische Überdehnung droht. Nicht zuletzt steht ihr ein Hindernis im Weg, das durch keinen Panzer beiseite geräumt werden kann: der Unwille der Arbeiterklasse in Deutschland, noch mehr Opfer auf sich zu nehmen, um die Rüstungsarsenale des Imperialismus zu füllen.
TW 17.11.06
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<!--[if !supportFootnotes]-->[i]<!--[endif]--> Der Spiegel, Nr. 36
<!--[if !supportFootnotes]-->[ii]<!--[endif]--> Der Spiegel, Nr. 37