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Der hier veröffentlichte Text erschien erstmals in der Nr.46 von "Internationalisme" im Sommer 1952. Das war die letzte Nummer dieser Zeitschrift, und der Artikel enthält, wie schon der Titel sagt, in gewisser Hinsicht eine zusammengefasste Bilanz der Positionen und politischen Orientierungspunkte dieser Gruppe. Deshalb ist er von besonderem Interesse. Was klargestellt werden muss, ist der Unterschied zwischen der Perspektive, wie sie sich aus dem Text ergibt, und der, die wir heute erkennen können. "Internationalisme" analysierte die Periode nach dem zweiten Weltkrieg richtig als eine Fortführung der Reaktion und des Rückflusses des proletarischen Klassenkampfs. Als Konsequenz davon verurteilte "Internationalisme" den bordigistischen Aufruf zur Gründung der Partei als künstlich und abenteuerlich. Ebenfalls richtig war die Behauptung, dass der Kapitalismus mit dem Ende des zweiten Weltkrieges nicht aus seiner dekadenten Phase austrat, und dass alle Widersprüche, die den Kapitalismus in den Krieg geführt hatten, ihn unerbittlich in neue Kriege stoßen würden. Aber "Internationalisme" merkte nicht oder stellte nicht genügend klar, was die Phase des Wiederaufbaus im Zyklus Krise-Krieg-Wiederaufbau bedeutete. Aus diesem Grund und im Kontext des Kalten Krieges USA-UDSSR sah "Internationalisme" keine Möglichkeit des Wiedererstarkens des Proletariats. Es sah diese Möglichkeit erst im Zusammenhang mit einem dritten Weltkrieg. Es gibt auch heute noch Revolutionäre, die diese Vorstellung vertreten. Die Krise jedoch, die notwendigerweise der Wiederaufbauphase folgte, und während derer viele Mystifikationen zerstört wurden, hat ein Wiedererstarken des Kampfes der Arbeiterklasse erlaubt, und den Weltkapitalismus aufgrund seiner inneren Widersprüche dazu gezwungen, seinen Klassenfeind anzugreifen. Wenn die Perspektive der Unvermeidbarkeit eines dritten Weltkrieges im Kontext der 50er Jahre verstanden werden muss, in denen es dazu auch eine reale Gefahr gab, so gibt es heutzutage keinen Grund mehr, diese Auffassung aufrecht zu erhalten. Der Kapitalismus findet heute in den lokalen Kriegen ein Ventil für seine Widersprüche und Antagonismen, aber er kann keinen generalisierten Krieg führen, solange er das Proletariat nicht erfolgreich geschlagen hat. Eine Bewegungslosigkeit und Passivität des Proletariats kann er nur erreichen, indem er die Arbeiterklasse offen angreift und die Kampfkraft der Arbeiter zerdrückt. Es ist genau diese Konfrontation, dieser neue Angriff, welche heute unsere Perspektive darstellen. Nichts erlaubt uns, einen ungünstigen Ausgang dieser kommenden Konfrontationen vorherzusagen. Mit all ihren Kräften müssen die Revolutionäre den Erfolg des Kampfes ihrer Klasse unterstützen.
Révolution Internationale 1974
Der hier veröffentlichte Text erschien erstmals in der Nr.46 von "Internationalisme" im Sommer 1952. Das war die letzte Nummer dieser Zeitschrift, und der Artikel enthält, wie schon der Titel sagt, in gewisser Hinsicht eine zusammengefasste Bilanz der Positionen und politischen Orientierungspunkte dieser Gruppe. Deshalb ist er von besonderem Interesse. Was klargestellt werden muss, ist der Unterschied zwischen der Perspektive, wie sie sich aus dem Text ergibt, und der, die wir heute erkennen können. "Internationalisme" analysierte die Periode nach dem zweiten Weltkrieg richtig als eine Fortführung der Reaktion und des Rückflusses des proletarischen Klassenkampfs. Als Konsequenz davon verurteilte "Internationalisme" den bordigistischen Aufruf zur Gründung der Partei als künstlich und abenteuerlich. Ebenfalls richtig war die Behauptung, dass der Kapitalismus mit dem Ende des zweiten Weltkrieges nicht aus seiner dekadenten Phase austrat, und dass alle Widersprüche, die den Kapitalismus in den Krieg geführt hatten, ihn unerbittlich in neue Kriege stoßen würden. Aber "Internationalisme" merkte nicht oder stellte nicht genügend klar, was die Phase des Wiederaufbaus im Zyklus Krise-Krieg-Wiederaufbau bedeutete. Aus diesem Grund und im Kontext des Kalten Krieges USA-UDSSR sah "Internationalisme" keine Möglichkeit des Wiedererstarkens des Proletariats. Es sah diese Möglichkeit erst im Zusammenhang mit einem dritten Weltkrieg. Es gibt auch heute noch Revolutionäre, die diese Vorstellung vertreten. Die Krise jedoch, die notwendigerweise der Wiederaufbauphase folgte, und während derer viele Mystifikationen zerstört wurden, hat ein Wiedererstarken des Kampfes der Arbeiterklasse erlaubt, und den Weltkapitalismus aufgrund seiner inneren Widersprüche dazu gezwungen, seinen Klassenfeind anzugreifen. Wenn die Perspektive der Unvermeidbarkeit eines dritten Weltkrieges im Kontext der 50er Jahre verstanden werden muss, in denen es dazu auch eine reale Gefahr gab, so gibt es heutzutage keinen Grund mehr, diese Auffassung aufrecht zu erhalten. Der Kapitalismus findet heute in den lokalen Kriegen ein Ventil für seine Widersprüche und Antagonismen, aber er kann keinen generalisierten Krieg führen, solange er das Proletariat nicht erfolgreich geschlagen hat. Eine Bewegungslosigkeit und Passivität des Proletariats kann er nur erreichen, indem er die Arbeiterklasse offen angreift und die Kampfkraft der Arbeiter zerdrückt. Es ist genau diese Konfrontation, dieser neue Angriff, welche heute unsere Perspektive darstellen. Nichts erlaubt uns, einen ungünstigen Ausgang dieser kommenden Konfrontationen vorherzusagen. Mit all ihren Kräften müssen die Revolutionäre den Erfolg des Kampfes ihrer Klasse unterstützen.
Révolution Internationale 1974
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Wir veröffentlichen hier eine Reihe von Referaten, die im Laufe von gemeinsamen Treffen mit Genossen der "Union Ouvriere Internationaliste" entstanden sind. Um eine möglichst schnelle Diskussion darüber zu ermöglichen, geben wir sie hier in einer zergliederten Form wieder. Dadurch ergibt sich, dass der Leser keine statistischen Hinweise und keine genauen Darlegungen finden wird. Es ist dem Genossen M. überlassen, der die Verantwortung für seine Referate trägt, sie zu erweitern oder ihnen die nötigen Ausführungen zuzufügen. Wir wünschen uns eine Diskussion, die so breit wie möglich ist, sich jedoch an den Texten orientiert. Es ist überflüssig, auf der Wichtigkeit einer solchen Diskussion und der Veröffentlichung aller dazugehörenden Dokumente zu beharren.
Die Entwicklung des Kapitalismus und die neue Perspektive
Bevor wir die generellen Charakteristiken des Kapitalismus auf seiner heutigen Stufe des Staatskapitalismus darlegen, ist es notwendig, sich an die Grundzüge der kapitalistischen Produktionsweise zu erinnern und diese zu verdeutlichen. Das ganze ökonomische System, das mit einer Klassengesellschaft verbunden ist, hat den Zweck der Ausbeutung der Mehrarbeit der Arbeiterklasse zugunsten der ausbeutenden Klasse. Was die verschiedenen Systeme unterscheidet, ist die Art der Aneignung der Mehrarbeit durch die herrschende und ausbeutende Klasse und die der Entwicklung der Produktivkräfte, die dadurch einen unabdingbaren Charakter erhält. Wir beschränken uns hier darauf, die wesentlichsten Grundzüge der kapitalistischen Ausbeutung der Arbeitskraft in Erinnerung zu rufen.
Die Trennung der Produktionsmittel vom Produzenten
Geleistete und angeeignete Arbeit ist tote Arbeit. Sie, die tote Arbeit beherrscht und beutet die jetzige Arbeit(skraft) aus, die lebendige Arbeit. Mit anderen Worten: Weil die Kapitalisten (nicht individuell, sondern als Klasse) die tote Arbeit d.h. die Produktionsmittel besitzen, können sie die Arbeit der Proletarier ausbeuten. Das ganze wirtschaftliche Leben ist der Suche nach Profit untergeordnet. Dieser Profit wird teils durch die Bourgeoisie verzehrt, zum größten Teil aber dient er der Wiederherstellung (Reproduktion) und Erweiterung des Kapitals.
Die Produktion als Warenproduktion
Die Beziehungen der einzelnen Gesellschaftsmitglieder nehmen die Form von Warenbeziehungen an. Die Arbeitskraft selbst ist eine Ware, die zu ihrem Wert bezahlt wird: dieser Wert ist der Wert der Produkte, die zur Wiederherstellung der Arbeitskraft notwendig sind. Die Zunahme der Arbeitsproduktivität senkt den Wert der Waren,
die von der Arbeiterklasse konsumiert werden und folglich auch den Wert der Arbeitskraft selbst. Somit vermindert sich auch der Lohn im Verhältnis zum Mehrwert. Je mehr sich die Produktivität erhöht und der Anteil der Arbeiter sich vermindert in dieser Produktion, desto mehr sinkt auch der Arbeitslohn, gemessen an dieser erhöhten Produktion. Der Warenaustausch findet auf dem Gesetz des Wertes dieser Waren statt (Wertgesetz). Dieser Warenaustausch wird gemessen durch die Menge gesellschaftlich notwendiger Arbeit, die für die Produktion der Waren verwendet wird. Diese Charakteristiken, die wir hier aufgezählt haben, findet man in jedem Stadium der Entwicklung des Kapitalismus vor. Die Entwicklung hat diese Grundzüge ohne Zweifel verändert. Aber diese Veränderungen, die sich innerhalb des Kapitalismus abspielen, bleiben zweitrangig, sie verändern das kapitalistische System nicht grundlegend.
Die Aneignungsweise
Man kann den Kapitalismus nicht analysieren, ohne sein Wesen zu erfassen: das Verhältnis Kapital - Arbeit. Man muss das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit betrachten und nicht das zwischen Kapitalisten und Arbeitern. In den vorkapitalistischen Gesellschaften gründete der Besitz an Produktionsmitteln auf der individuellen persönlichen Arbeit. Der Besitz an Produktionsmitteln war tatsächlich Privatbesitz, so waren auch die Sklaven Produktionsmittel. Der Besitzer der Produktionsmittel war selbständig und diese Selbständigkeit war nur begrenzt durch Abgaben an Stärkere (Zolltribute, Lehensabgaben). Mit dem Kapitalismus gründete sich der Besitz an Produktionsmitteln auf der gesellschaftlichen Arbeit. Der Kapitalist ist dem Marktgesetz unterworfen. Seine Freiheit ist innerhalb wie außerhalb seines Unternehmens begrenzt. Er kann nicht "auf Verlust" produzieren, indem er die Marktgesetze überschreitet. Das Ergebnis wäre der sofortige Konkurs. Dies würde jedoch nur den Konkurs des Einzelkapitalisten bedeuten und nicht den Fall der Kapitalisten als Klasse. Der Grund liegt darin, dass die Bourgeoisie als Klasse kollektiver Besitzer der Produktionsmittel der ganzen Gesellschaft ist. Die Lage des Einzelkapitalisten ist instabil und wird dauernd in Frage gestellt. Auch Marx bestätigte dies: "Die aus der kapitalistischen Produktionsweise hervorgehende kapitalistische Aneignungsweise, daher das kapitalistische Privateigentum, ist die erste Negation des individuellen, auf eigene Arbeit gegründeten Privateigentums." ("Das Kapital", Band 1, Seite 791). Denn der kapitalistische Besitz ist Besitz der Kapitalistenklasse als solches. Diesen Sachverhalt zeigte Marx in seinem Werk "Zur Kritik der Politischen Ökonomie" auf, nämlich dass die Besitzverhältnisse "juristischer Ausdruck für die Produktionsverhältnisse sind". Der Privatbesitz des Einzelkapitalisten an seinem Betrieb steht in einem engen Verhältnis mit der jeweiligen Phase des Kapitalismus. Er ist notwendigerweise gebunden an das tiefe Niveau der Produktivkräfte und an die Tatsache, dass das kapitalistische Expansionsfeld noch weiträumig ist und nicht einer übergeordneten Art der Konzentration des Besitzes unterliegt. Unter diesen Bedingungen war der Eingriff des Staates in die Wirtschaft zufällig, der Staat blieb ein politischer Organismus, mit der Regelung der Gesellschaft im Interesse der Kapitalisten beauftragt. Wenn jedoch das tiefe Niveau der Entwicklung der Produktivkräfte die Existenz einer globalen privaten kapitalistischen Fraktion nach sich zieht (gebildet durch ihre Unternehmungen), folgt daraus nicht automatisch, dass ein hohes Niveau der Produktivkraftentwicklung den Rückgriff auf den Staatskapitalismus erfordert. Das hohe Niveau der Entwicklung der Produktivkräfte produziert ganz sicher eine Besitzkonzentration, wie man sie mit der Aktiengesellschaft und dem Monopol erlebt. Aber es genügt nicht, sich nur darauf zu berufen, um den Rückgriff des Kapitalismus auf den Staatskapitalismus zu erklären. Eigentlich, gemäß der strengen Logik des Eigentums, hätte und hat sich teilweise auch die Konzentration anders, d. h. monopolistisch auf internationalem Maßstab (z.B. in Kartellen) entwickeln können, statt in nationalem Rahmen, der alle Formen staatlichen Besitzes beinhaltet.
Der Kapitalismus als historisch notwendige Etappe für die Errichtung des Sozialismus
Einer der wichtigsten Wesenszüge der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ist der, dass das Ergebnis der gemeinsamen Produktion nicht dazu dient, die gemeinsamen Bedürfnisse der menschlichen Gesellschaft zu befriedigen. Es existiert ein Kampf um die Aufteilung der Güter oder, anders gesagt, um die Ausbeutung der Arbeit(skraft). Auch die historische Möglichkeit der Emanzipation der Arbeiterklasse kann es nicht sofort ermöglichen, die gesamten Bedürfnisse der Gesellschaft zu decken, ohne ein bestimmtes Niveau der Entwicklung der Produktivkräfte erreicht zu haben. Um den Sozialismus, die klassenlose Gesellschaft zu errichten, ist es notwendig, diesen Stand der Produktivkraftentwicklung abzuwarten, der es erlaubt die alten Klassenwidersprüche zu liquidieren. Der Kapitalismus, der die Produktivkräfte entwickelt hat, stellt somit eine notwendige Vorstufe zur Errichtung des Sozialismus dar. Nur auf den Errungenschaften des Kapitalismus kann der Sozialismus aufgebaut werden. Man kann also nicht wie die Anarchisten behaupten, dass eine sozialistische Perspektive offen war, als sich die Produktivkräfte zurückentwickelten oder auf ihrem Niveau stehen blieben. Der Kapitalismus stellt eine notwendige und unumgängliche Etappe zur Errichtung des Sozialismus dar. Nur der Kapitalismus kann die objektiven Bedingungen für den Sozialismus entwickeln. Aber im aktuellen Stadium des Kapitalismus, und darüber sprechen wir, ist der Kapitalismus eine Bremse zur Entwicklung d. Produktivkräfte geworden. Je länger der Kapitalismus andauert, desto mehr verschlechtern sich die Bedingungen für den Sozialismus. Die Frage, die sich heute stellt, ist die zwischen der historische Alternative Sozialismus oder Barbarei.
Die verschiedenen Theorien über die Entwicklung des Kapitalismus
Als Marx die Entwicklung des Kapitalismus analysierte, konnte er dies nicht anhand von konkreten Grundlagen (Zahlen) über die höchstentwickelten Stufen des Kapitalismus tun. Diese Aufgabe mussten seine Nachfolger übernehmen. Dabei entstanden verschiedene Theorien in der marxistischen Bewegung, die den Anspruch erhoben, Marx Theorie zu aktualisieren. Wir schlagen der Klarheit willen vor, uns die drei wichtigsten dieser Theorien kurz in Erinnerung zu rufen.
Die Theorie der Konzentration
Von Hilferding aufgestellt und später von Lenin übernommen, ist diese Theorie eigentlich mehr eine Beschreibung als eine Interpretation der Entwicklung des Kapitalismus. Sie geht von der generellen Feststellung aus, dass der hohe Grad der Konzentration des Kapitals den Monopolen die leitende Rolle in der Ökonomie überträgt. Die Tendenz dieser Monopole, sich den gigantischen Superprofit anzueignen, führt zur imperialistischen Aufteilung der Welt. Diese Theorie kann angewendet werden auf die Phase des Konkurrenz- und Monopolkapitalismus, aber nicht auf den Staatskapitalismus, der eine Infragestellung der internationalen Monopole darstellt. Eine fortgeschrittene Konzentration bedeutet nicht notwendigerweise die Zuflucht zu Formen der staatlichen Konzentration. Die kapitalistische Konkurrenz ist das Ergebnis der Konkurrenz unter den Kapitalisten, durch die der technisch schlechter gestellte Betrieb aufgesogen wurde durch den größeren, den mit höherer Produktivität. Daraus folgt eine Vergrößerung des überlebenden Kapitalisten. Diese Entwicklung geht so weit, dass gewisse Unternehmen das Auftauchen neuer Unternehmen verhindern, aus der Notwendigkeit der immer höheren organischen Zusammensetzung des Kapitals. Wenn dieser Prozess die Entwicklung der monopolistischen Trusts zu hochkonzentrierten Kapitalien erklärt, beweist dies, unter dem Gesichtspunkt des investierten Kapitalbetrags, noch nicht, dass das Monopol unfähig wäre, den Erfordernissen einer höheren Konzentration als der schon erreichten zu genügen. Die Verstaatlichung bedeutet keineswegs eine höhere Konzentration als die schon durch die Monopole erzielte. Einige monopolistische Absprachen stellen viel mehr eine Tendenz zu einer höheren Konzentration des Kapitals dar als diejenige, die sich in einem einzelnen Staat ergab. Den reformistischen Standpunkt Hilferdings aufgreifend, kam Lenin zu der wenig logischen Schlussfolgerung, dass der Kapitalismus keine Grenzen in der Entwicklung kenne. Auch die Barbarei bedeutete für Lenin nicht eine historische Möglichkeit, sondern vielmehr ein Bild: das der Stagnation der Produktivkräfte und des parasitären Charakters des Kapitalismus. Für Lenin, wie auch für die Sozialdemokraten, aber für diese mit unterschiedlichen Gesichtspunkten und Mitteln, stellte sich die Frage der objektiven Bedingungen der Revolution nicht mehr anhand der Fortentwicklung oder Zurückentwicklung der Produktivkräfte, sondern nur noch unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit für das Proletariat, die bürgerliche Revolution in eine proletarische umzuwandeln. Dieser letzte Aspekt wird hier später wieder aufgegriffen.
Die Theorie des tendenziellen Falls der Profitrate
Diese Theorie wurde von Henryk Grossmann aufgestellt. Einer Neuformulierung des marxschen Schemas der erweiterten Reproduktion folgend, beharrte Grossmann darauf, dass die fortwährende Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals einen Fall der Wertsteigerung herbeiführt. Ein Fall der Profitrate zieht einen Fall der Profitmasse nach sich. Der fehlende relative Mehrwert widerspricht dem Bedürfnis nach Akkumulation. Die Kapitalisten versuchen die Kosten der Produktion und des Transportes, sowie die Lohnkosten, zu vermindern. Die technische Entwicklung folgt einem sich beschleunigenden Rhythmus, während der Klassenkampf aufgrund der gesteigerten Überausbeutung kraftvoll darauf reagiert. Diese Theorie weist auf ein objektives Ende der kapitalistischen Akkumulation hin: auf seinen Zusammenbruch. Das Kapital findet nicht mehr die notwendigen Bedingungen zur Erzielung einer genügenden Rentabilität vor. Eine Serie von Kriegen, um die Rentabilität aufrecht zu erhalten (der Versuch einer provisorischen Aufrechterhaltung) und danach der Zusammenbruch des Kapitalismus sind die Folgen. Grossmanns Anschauung jedoch scheint nicht überzeugend in dem Punkt, wo er eine absolute Verbindung zwischen dem Fall der Profitrate und der relativen Verminderung der Profitmasse macht. R. Luxemburg schrieb in ihrer "Antikritik": Man sagt, "der Kapitalismus werde schließlich 'an dem Fall der Profitrate' zugrunde gehen. (...) Der Trost wird leider durch einen einzigen Satz von Marx in Dunst aufgelöst, nämlich durch den Hinweis, dass 'für große Kapitale der Fall der Profitrate durch Masse aufgewogen' werde. Es hat also mit dem Untergang des Kapitalismus am Fall der Profitrate noch gute Wege, so etwa bis zum Erlöschen der Sonne." Verlag Neue Kritik Frankfurt, 1966, S. 411] Wie reagiert der Kapitalismus auf den Fall der Profitrate? Schon Marx zeigte auf, dass der Kapitalismus über verschiedene Reaktionsmittel verfügt, um die Ausbeutung der Arbeit rentabel zu halten. Die Verfeinerung der Ausbeutung der Arbeitskraft ist eines dieser Mittel. Ein anderes Mittel ist die Ausdehnung der Produktion: Obgleich bei jedem Produkt der Fall der Profitrate eine Verringerung des relativen Profits nach sich zieht, wird die Vermehrung der Profitmasse erreicht durch die Erhöhung der Summe der produzierten Güter. Schließlich reagiert der Kapitalismus durch die Eliminierung von Faktoren, die sich negativ auf den Profit auswirken. Also bewirkt die Entwicklung vom Konkurrenzkapitalismus zum Monopolkapitalismus die Eliminierung von rückständigen Kleinproduzenten. Man kann deshalb aber nicht behaupten, dass sich dieser Prozess im Staatskapitalismus fortsetzt. Im Gegenteil, man kann mit gutem Grund sagen, dass die staatliche Konzentration eine Schicht hervorbringt die unproduktiv und parasitär ist: die Bürokratie.
Damit gesagt werden könnte, dass Grossmanns Theorie zur Erklärung der Krise genügt, müsste sie beweisen, dass die Vermehrung der Profitmasse den Fall der Profitrate nicht kompensieren kann. Oder mit anderen Worten, dass die Summe des globalen Profits sich verringert trotz eines erhöhten Produktionsausstosses. Der Lehrsatz, den Grossmanns Theorie beweisen will, ist also folgender: Am Ende des neuen Produktionszyklus 'ist der globale Profit niedriger als der des vorangehenden Zyklus'. Eine solche Theorie stimmt vielleicht in der Unendlichkeit des Schemas, aber nicht in den realen Bedingungen der Produktion. Die wirkliche Lösung scheint woanders zu liegen. Die Unmöglichkeit der Ausdehnung der Produktion liegt nicht darin, dass diese ausgeweitete Produktion unrentabel ist, sondern allein darin, dass sie nicht mehr abgesetzt werden kann.
Die Akkumulationstheorie von Rosa Luxemburg
Wie auch über die vorhergehenden Theorien geben wir hier nur eine kurze Zusammenfassung der Thesen von Luxemburg. Luxemburg hat nach vertieften Studien des marxschen Schemas der erweiterten Reproduktion daraus gefolgert, dass die Kapitalisten unfähig sind, den gesamten Mehrwert auf dem vorhandenen Markt zu realisieren. Im Streben nach Akkumulation sind die Kapitalisten gezwungen, einen Teil ihrer Produkte im ausserkapitalistischen Markt abzusetzen, an Produzenten, die ihre Produktionsmittel selber besitzen (Handwerker, Bauern, Kolonien und Halbkolonien). Es ist das Vorhandensein dieses ausserkapitalistischen Milieus, das den Rhythmus der kap. Akkumulation bestimmt. Wenn sich das ausserkapitalistische Absatzgebiet verengt, stürzt der Kapitalismus in eine Krise. Es entwickeln sich Kämpfe zwischen den verschiedenen Sektoren des Weltkapitals um die Ausbeutung dieser ausserkapitalistischen Länder. Das Verschwinden dieser Märkte hat eine permanente Krise des Kapitalismus zur Folge. Luxemburg zeigt anderswo auf, dass der Ausbruch dieser Krise erfolgt, noch bevor die ausserkapitalistischen Märkte ganz verschwunden sind. Um dieses Verschwinden zu überdecken, entwickelt der Kapitalismus eine von Natur aus parasitäre, unproduktive Produktion; die Produktion von Zerstörungsmitteln (Waffen). Der dekadente Charakter des Kapitalismus zeigt sich durch die Unfähigkeit, die Produktion von gesellschaftlichen Werten (Konsumgütern) aufrecht zu erhalten. Der Krieg wird zur Überlebensform des Kapitalismus; Krieg zwischen verschiedenen Staaten oder Staatenbündnissen, oder jegliche Form der Ausplünderung und Unterwerfung der Besiegten. Während in vergangenen Epochen der Krieg eine Expansion der Produktion bei dem einen oder dem anderen der Kontrahenten zur Folge hatte, so bedeutet der Krieg heute einfach den Ruin des einen und des anderen in unterschiedlicher Form. Dieser Ruin zeigt sich auch im Lebensniveau der Bevölkerung und dem immer unproduktiveren Charakter, den die Produktion annimmt. Die Zuspitzung des Kampfes zwischen den Staaten und ihr dekadenter Charakter seit 1914 zwingt jeden Staat, für sich zu schauen und zur staatlichen Konzentration zurückzugehen. Wir gehen hier nicht tiefer, denn es ist die Aufgabe des weiteren Textes, die Thesen anhand der historischen Realität zu erläutern.
Die grundlegenden Charakteristiken des Staatskapitalismus
Der Staatskapitalismus ist kein Versuch, die grundlegenden Widersprüche zu lösen, die der Kapitalismus als System der Ausbeutung der Arbeit in sich trägt, aber er ist ein Ausdruck dieser Widersprüche. Jede kapitalistische Fraktion versucht, die Auswirkungen der Krise auf die anderen Teile der Bourgeoisie abzuwälzen, und sich deren Märkte und Ausbeutungsfelder anzueignen. Der Staatskapitalismus entstand aus der Notwendigkeit für jede kapitalistische Gruppe, ihre Konzentration zu verstärken, um die Märkte der anderen unter ihren Einfluss zu bringen. Die Wirtschaft verwandelt sich dadurch in eine Kriegswirtschaft.
Das Problem der Produktion und des Tausches
In den dem Staatskapitalismus vorangehenden kapitalistischen Entwicklungsphasen, ging der Tausch der Produktion voraus, die Produktion folgte dem Tausch. Wenn die Produktion gleich groß wurde wie der internationale Handel, kam es zur Krise. Diese Krise zeigte die Sättigung der Märkte an. Am Ende der Krise ging der Aufschwung vorerst in der Sphäre des Handels vor und nicht in der Produktion, weil die Produktion der Nachfrage folgte. Seit 1914 kehrte sich dieses Phänomen um: die Produktion bestimmte den Tauschhandel. Es schien zuerst, als sei dies den Zerstörungen des Krieges zuzuschreiben. Aber 1929 holte der Handelsindex den der Produktion wieder ein und löste die Krise aus. Lagerbestände füllten sich, der Kapitalist war unfähig, den Mehrwert auf dem Markt zu realisieren. Vorher wurden die Krisen gelöst durch Erschließung neuer Märkte, was eine Wiederbelebung der Produktion zur Folge hatte. Zwischen 1929 und 1935 fand die Krise kein Ventil in Form einer Erweiterung der Märkte, deren Grenzen erschöpft waren. Die Krise zwang den Kapitalismus in eine Kriegswirtschaft. Der Kapitalismus ist in eine permanente Krise eingetreten, er kann seine Produktion nicht erweitern. Man kann eine bemerkenswert genaue Bestätigung der Theorie von R. Luxemburg feststellen: Die Verengung der ausserkapitalistischen Märkte führt auch zu einer Sättigung der eigentlichen kapitalistischen Märkte.
Das Problem der Krisen
Der Charakter der Krisen seit 1929 ist der, dass sie viel tiefer sind als die vorhergehenden Krisen. Es handelt sich nicht mehr um zyklische, sondern um eine permanente Krise. Die zyklische Krise, die der klassische Kapitalismus kannte, erfasst die Gesamtheit der kapitalistischen Länder. Auch der Wiederaufschwung fand in einem globalen Rahmen statt. Die permanente Krise, die wir heute kennen, zeichnet sich aus durch den Fall des Handelsvolumens und der Produktion in allen kapitalistischen Ländern (so z.B. zwischen 1929 und 1934). Aber man konnte nicht mehr auf einen generellen Wiederaufschwung hoffen. Dieser Wiederaufschwung fand nur noch in einem Sektor der Wirtschaft statt und auf Kosten der anderen Sektoren. Die Krise verschiebt sich nur noch von einem Land auf das andere und stürzt die Weltwirtschaft in eine permanente Krise. Wegen der Unmöglichkeit der Erschließung neuer Märkte schließen sich die Staaten mehr und mehr ab und schauen für sich selbst. Die Universalisierung der kapitalistischen Ökonomie wird durch die vermehrte Autarkie zerbrochen und jedes Land versucht nur noch die eigenen Interessen zu verfolgen. Es entstehen unproduktive Sektoren der Wirtschaft, um die Folgen des zusammengebrochenen Marktes zu lindern. Diese Linderungsversuche verstärken zusätzlich die Auflösung des Weltmarktes. Die Rentabilität, die auf dem Markt erzielt wurde, bestimmte vor 1914 die Währung, das Maß und den Anreiz der kapitalistischen Produktion. Die jetzige Phase des Kapitalismus bremst dieses Gesetz der Rentabilität. Diese wird von nun an nicht mehr auf Betriebsebene festgelegt, sondern auf der Ebene des Staates. Der Ausgleich findet nach einem festgelegten Plan auf nationaler Ebene statt, nicht mehr vermittels des Weltmarktes. Der Staat subventioniert defizitäre Teile der Wirtschaft und übernimmt selber die Verantwortung für die Wirtschaft. Aus dem vorher gesagten darf man aber nicht auf eine Verwerfung des Wertgesetzes schließen. Was wir zu beachten haben ist, dass die Bildung einer einheitlichen Produktion abgetrennt scheint vom Wertgesetz. Sie kann sich bilden, scheinbar ohne die Rentabilität zu berücksichtigen. Der monopolistische Extraprofit wird durch die "künstlichen" Preise realisiert, aber auf dem Feld der globalen Produktion bleibt sie weiterhin an das Wertgesetz gebunden. Die Summe der Preise für die Gesamtheit der Produkte drückt nichts anderes aus als den globalen Wert dieser Produkte. Nur die Verteilung des Profits unter den verschiedenen Gruppen des Kapitals wird verändert: Die Monopole erheischen einen Extraprofit auf Kosten der weniger starken Kapitalisten. Desgleichen kann man sagen, dass das Wertgesetz auf dem Niveau der nationalen Produktion spielt. Das Wertgesetz bewegt sich nicht mehr auf einem individuellen Produktionspreis, sondern auf der Gesamtheit der Produkte. Man führt eine Einschränkung des Wirkungsfeldes des Wertgesetzes ein. Die gesamte Profitmasse wird reduziert aufgrund der Tatsache, dass defizitäre Sektoren auf Kosten der anderen aufrechterhalten werden.
Das Wirkungsfeld des Wertgesetzes
1. Das Kapital
Aus dem vorher Gesagten folgt, dass der rigorose Mechanismus des Wertgesetzes auf der Stufenleiter des Unternehmens oder auf der Ebene einer ganzen Branche der Wirtschaft nicht immer spielt. Das Wertgesetz manifestiert sich auf der Ebene des Handels. Also bleibt wie in vorhergehenden Stadien des Kapitalismus der Markt die letzte Instanz, der einzige Regulator des Wertes der kapitalistischen Güter oder Produkte. Das Wertgesetz scheint geleugnet oder umgangen in einzelnen Ländern oder Sektoren der Industrie, die in den staatlichen Sektor integriert sind. Der Austausch mit anderen Sektoren aber findet auf der Basis des Wertgesetzes statt. In Russland hat das Verschwinden des Privatbesitzes eine große Einschränkung in der Art der Anwendung des Wertgesetzes bewirkt. Dieses Gesetz kann nicht im Handel zwischen zwei staatlichen Sektoren spielen, so wie es auch nicht im Inneren der Fabrik zwischen den verschiedenen Abteilungen spielt. Aber es spielt zu dem Zeitpunkt, wo ein fertiges Produkt gegen ein anderes ausgetauscht wird. Es ist immer die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, die zu seiner Produktion benötigt wird, die den Preis des Produktes festlegt, und nicht die launische Allmacht eines Bürokraten. Die Produkte werden nach den Bedingungen der Produktion gehandelt und ausgetauscht, und wie "gelenkt" dies immer aussehen mag, auch gemäß den Gesetzen des Marktes. Die Preise bleiben der Warenausdruck des Wertgesetzes.
2. Die Arbeitskraft
Aber der fundamentale Austausch in der kapitalistischen Ökonomie ist der, der zwischen den Produkten und der Arbeitskraft stattfindet. In Russland sowie auch anderswo geschieht der Kauf der Arbeitskraft zu ihrem kapitalistischen Wert. Der bezahlte Preis (Lohn) ist der ihrer Reproduktion. Die mehr oder weniger große Verwertung der Arbeitskraft oder das größere oder kleinere Niveau der Löhne ändert nichts an dieser Tatsache. Der Wert der Arbeitskraft wird teilweise festgelegt durch die Art und Weise wie die Arbeiter auf die Ausbeutung reagieren. Ihr Kampf oder das Nichtvorhandensein von Kämpfen können den Teil der Produktion der ihr in Form des Lohnes zufällt verkleinern oder vergrößern. Die Arbeiter können im Schoße des Kapitalismus jedoch nur auf die Menge der Produkte einwirken, die ihnen im Austausch mit ihrer Arbeitskraft zugeschrieben werden, und nicht auf die Verteilung dieser Produkte, also den Sinn der kapitalistischen Produktion. Das Vorhandensein einer "zusammengefassten" Arbeitskraft in Russland oder anderswo ändert nichts an diesen Betrachtungen. Nein, sie stellt lediglich einen minimalen Teil der Arbeitskraft dar, die auf der Gesamtheit der Gebiete verbraucht wird. Dieses Phänomen bleibt im Rahmen des Verhältnisses Kapital und Arbeitskraft. Die Bedeutung dieses Phänomens zeigt sich in der Notwendigkeit eines kapitalistischen Landes, ein tiefes Lohnniveau aufrecht zu erhalten. Es gibt im Rahmen der Akkumulation ein Druckmittel, um auf die Größe des gesellschaftlichen Gesamtwertes des Produkts zur Reproduktion der Arbeitskraft einzuwirken: die industrielle Reservearmee, die Arbeitslosen. Der vorübergehende Charakter dieses Phänomens bestätigt sich noch, wenn man betrachtet, dass das Grundlegendste, die "zusammengefassten" Arbeitskräfte durch die Arbeit der inneren Kolonisation gelenkt sind. Es handelt sich um Arbeit, die nicht rentabel ist, in entfernter Sichtweise um billige, unspezialisierte Arbeitskräfte. Und es wird unmöglich sein, unter den Bedingungen eines in Rückstand geratenen Landes die Löhne dieser Arbeitskräfte nach ihrem kapitalistischen Wert zu bezahlen. Man muss anfügen, dass sich an einem solchen Einsatz der Arbeitskraft in Russland die Notwendigkeit ergibt, für den Kapitalismus ein wirksameres Mittel, das des politischen Zwangs, zu entwickeln. Es gibt Leute, die sich bemühen, in dieser Form der Ausbeutung eine Rückkehr zum Sklaventum zu erkennen. Dazu bräuchte es aber vorher das vollständige Verschwinden des kapitalistischen Wertgesetzes. Die antiken Sklaven wurden durch ein körperliches Zeichen gestraft, wenn sie ein Vergehen begingen, durch ein Brandmal. Für den russischen Arbeiter, der "Saboteur" genannt wird, wenn er einen Fehler begeht, besteht die Strafe in der Verminderung seines Wertes. Dieser Arbeiter wird gezwungen, ein gewisses Quantum an Arbeitsstunden unbezahlt und zusätzlich zu leisten. Der "Stachanov", der gute Arbeiter genießt den Vorteil des höheren Lohnes und darüber hinaus auch den einer besseren Wohnung und mehr Freizeit. Politisch verfolgt dieses System die Aufspaltung der Klasse der Ausgebeuteten (eine Arbeiteraristokratie bilden, die dem Regime hörig ist). Generell gesagt, wird der Fall der Profitrate und der Profitmasse durch den maximalen Verbrauch der Arbeitskraft verschleiert. Die Zahl der Arbeiter ist gestiegen: Die Proletarisierung der Kleinbürger und Bauernmassen verstärkt sich, die Kriegsversehrten und die geistig Behinderten sind arbeitsfähig gemacht und in den Produktionszyklus reintegriert, die Zeugung und Erziehung von Kindern wird gefördert und unterstützt. Die Arbeitsintensität ist gestiegen, die Arbeitszeiten werden streng kontrolliert etc. Die "Theoretiker" des Zuwachses der Produktivität oder des sog. "Rechts auf Arbeit" [Vollbeschäftigung], machen nichts anderes, als die Tendenz zur maximalen Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft vermittelnd zu erklären.
Der Zweck der Produktion
Die Produktion nahm solange zu, bis der Handel zurückzugehen begann. Wohin entwickelte sich diese Produktion, die mit dem Verschwinden der Handelsmöglichkeiten dazu verdammt war, keine soziale Verwendung mehr zu haben? Sie orientierte sich in die Richtung der Produktion von Zerstörungsgütern. Wenn der Staatskapitalismus die individuelle Produktion steigen lässt, entstehen dadurch nicht neue Werte sondern Bomben und Uniformen. Die Finanzierung dieser Produktion geschieht vor allem auf drei Arten:
1. In einem gegebenen Produktionszyklus geht ein immer größerer Teil dieser Produktion in die Produkte, die im folgenden Zyklus nicht mehr auftauchen. Das Produkt verlässt die Produktionssphäre und kehrt nie mehr in sie zurück. Ein Traktor geht in Form von Weizengarben in die Produktion zurück, ein Panzer nicht. Die zu dieser Produktion (Waffen) verwendete gesellschaftliche Arbeit gibt ihr einen Wert. Aber diese gesellschaftliche Arbeit wurde ausgegeben ohne gesellschaftliches Gegenstück: nicht konsumiert, nicht reinvestiert, Sie dient nicht der Produktion. Die Produktion von Waffen oder anderen unproduktiven Gütern kann auf der Ebene des individuellen Kapitalisten rentabel sein aber nicht in einer weltweiten Form. Die Produktion vergrößert sich im Volumen aber nicht im realen sozialen Wert. Also wird ein erster Teil mit der Produktion von Destruktivmitteln der laufenden Produktion entzogen.
2. Ein zweiter Teil wird bezahlt durch das Aufsaugen von unproduktivem Kapital (Rentner, Geschäftsinhaber, Kleinbauerntum, -das Wolle produziert) und dadurch auch durch akkumuliertes produktives Kapital, das aber nicht unentbehrlich ist zur Aufrechterhaltung einer Produktion, die nicht mehr auf die produktive Konsumtion ausgerichtet ist. Die Ersparnisse verschwinden. Genauer gesagt geben die nun folgenden Angaben ein Bild einer Tendenz, wie sie in Frankreich vorhanden ist. Diese Tendenz ist typisch für die allgemeine Entwicklung. "Geschätzte Kaufkraft; das Kapital von 1950 ist 19 500 Milliarden, stellt aber nicht mehr dar als 144 Milliarden von 1911 (gegenüber 286), was heißt, dass im Vergleich nur noch die Hälfte der Kaufkraft besteht. Aber diese Sicht bleibt unvollständig wenn, man die Masse der Ersparnisse nicht in Betracht zieht. Im Zeitraum 1910-1914 waren es 144 Goldmilliarden, die den 300 Mrd. dieser Zeit hinzugefügt werden können. In der Folge der zwei Weltkriege gingen diese Ersparnisse zurück bis nichts mehr übrig blieb. Es war kein Stück mehr vorhanden". Die kommerziellen Gewinne werden durch die staatliche Abschöpfung enorm gekürzt. Schließlich findet eine dauernde inflationäre Geldentwertung statt: Die Kaufkraft des Geldes nimmt ab.
3. Ein dritter Teil schließlich wird direkt von den Arbeitern abgezogen: Durch Verminderung des Lebensstandards und Intensivierung der Ausbeutung der Arbeitskraft. Wie in Frankreich z. B., als der Index der Produktion anfangs 1952 auf 153 war, gegenüber dem Niveau von 1938, der Lebensstandard aber trotzdem um 30% fiel, und es wäre noch mehr, wenn man dies mit der gesteigerten Produktivität vergleichen würde. Dieses offensichtliche Paradox eines fortschreitenden Anstiegs der Produktion, der begleitet wird von einer sich vermindernden Konsumtion der Arbeiter, also dem Schmelzen des aufgehäuften sozialen Kapitals, ist ein Zeichen der Dekadenz des Kapitalismus.
Die soziale Struktur der kapitalistischen Klasse
Gewisse ökonomische Entwicklungen bewirken tiefe soziale Veränderungen. Die Konzentration der ökonomischen Macht in den Händen des Staates - und dadurch die teilweise physische Liquidierung des Bourgeois als individueller Kapitalist beschleunigt eine Entwicklung, die sich schon im vorangegangenen Stadium des Kapitalismus abzeichnete. Zahlreiche Theorien haben floriert, besonders im trotzkistischen Milieu, die vorgaben, diese Entwicklung zu erklären, indem sie ihr die Dynamik des Kampfes einer neuen Klasse gegen die klassische Bourgeoisie zuschrieben. Diese Theorien sprechen von der physischen Zerstörung des Bourgeois, des Privateigentums in Osteuropa und von der Gleichschaltung dieses Prozesses in den faschistischen Ländern, sowie den Ländern mit "Arbeiterregierungen" bzw. Ländern, die "aus der Resistance hervorgegangen" sind. Diese Beispiele erlauben nicht, solche Schlüsse daraus zu ziehen. Eine Theorie aufzubauen auf einer Reihe von Fakten, die lediglich ein Zeugnis einer rückständigen Ökonomie sind, und Fakten, die eher scheinbar als real sind (der Kapitalist ist keine physische Person sondern eine gesellschaftliche Funktion), heißt auf Sand zu bauen. Es gilt, die hoch entwickelte kapitalistische Welt aus dem Blickwinkel einer gesunden Analyse zu betrachten. Die Situation ist als eine Mischung und Verflechtung von traditionellen kapitalistischen Elementen und von Elementen des Staatskapitalismus zu charakterisieren. Eine solche Mischung entsteht nicht ohne Reibungen, Stockungen und Fragezeichen. Der Faschismus und die Resistance sind in diesem Sinne gescheiterte Versuche. Die Verbindung, die unsere "Theoretiker" eines Bürgerkrieges zwischen der neuen Klasse der Bürokraten und dem klassischen Kapitalismus ziehen, verschleiert die Klarheit über die permanente Krise des Kapitalismus. In dieser Krise, deren Auswirkungen explosiv in den Schoß ihres Ursprunges zurückprallen, unterstützen die Trotzkisten (die offiziellen sowie die sog. nichtoffiziellen wie Max Shachtman) einen, wie sie behaupten "progressiven Kampf zwischen zwei historischen Klassen". Die Abwesenheit des Proletariates auf der historischen Bühne scheint also unbedeutend. Zu der Alternative, welche die Geschichte und die Revolutionäre aufzeigen: "Sozialismus oder Barbarei", wird also ein dritter Vorschlag gemacht von unseren "Theoretikern": sich integrieren in den einen oder anderen Block. Diese Unterstützung einer neuen ausbeutenden Klasse im Kapitalismus, welche eine historische Lösung der kapitalistischen Widersprüche mit sich bringen soll, führt zur Preisgabe der revolutionären Ideen und zur Übernahme von kapitalistischen Auffassungen.
Die Situation der Kapitalisten
Der Gewinn der Kapitalisten mit Privatbesitz nimmt die Form einer Vergütung, proportional zur Größe des verwalteten Unternehmens an. Der bezahlte Charakter des Kapitalisten im Verhältnis zum Kapital bleibt verdeckt, der Kapitalist erscheint als der Besitzer seines Unternehmens. Letztenendes lebt der Kapitalist auch vom Mehrwert, der von den Arbeitern abgepresst wird, aber er nimmt seinen Gewinn als direktes Gehalt ein; er ist ein Funktionär. Die Profite werden nicht mehr nach den juristischen Titeln des Besitzes verteilt, sondern nach der sozialen Funktion des Kapitalisten. Auch fühlt sich der Kapitalist grundsätzlich solidarisch mit der Gesamtheit der nationalen Produktion und interessiert sich nicht nur für den alleinigen Profit seines Unternehmens. Seine Sorge ist es, den Arbeiter an die Produktion zu binden. Das Proletariat sieht klar und deutlich, dass der Kapitalismus überleben kann auch ohne den Privatbesitz an Produktionsmitteln. Jedoch die Veränderung der "Entlohnung" des Kapitals schafft scheinbar die ökonomischen Fronten zwischen den Klassen ab. Das Proletariat wir ausgebeutet, aber es erkennt nur mit Schwierigkeiten den Ausbeuter wieder, der im Kleid der Gewerkschaft oder des "fortschrittlichen Retters" auftritt.
Das koloniale Problem
Einst glaubte man in der Arbeiterbewegung, dass die Kolonien nicht zu ihrer nationalen Emanzipation kommen können außer im Rahmen der sozialistischen Revolution. Gewiss, ihr Charakter als "schwächstes Glied in der imperialistischen Kette", aus dem Grund der Überausbeutung und der kapitalistischen Repression, erwies sich als besonders empfindlich für soziale Bewegungen. Ihre Möglichkeit, die Unabhängigkeit zu erreichen, blieb gebunden an den Ausgang der Revolution in den kapitalistischen Metropolen. In den letzten Jahren konnte man jedoch sehen, dass die Mehrheit der Kolonien unabhängig wurde. Die kolonialen Bourgeoisien entwickelten sich mehr oder weniger wie die metropolitanen Bourgeoisien. Dieses Phänomen, so begrenzt es in der Wirklichkeit ist, lässt sich nicht begreifen im Rahmen der alten Theorie, welche die koloniale Bourgeoisie nur als Lakai des Imperialismus darstellt. In Wirklichkeit sind die Kolonien, die man nur als einen ausserkapitalistischen Markt der Metropolen darstellt, selber neue kapitalistische Länder geworden. Sie verloren dadurch ihren Charakter als Absatzmarkt, was den Widerstand der alten imperialistischen Staaten gegen die Ansprüche der Bourgeoisie der Kolonien verringerte. Dazu kommt die Tatsache, dass die Schwierigkeiten, vor welche die imperialistischen Staaten gestellt wurden, die wirtschaftliche Expansion der Kolonien während der zwei Weltkriege begünstigt haben. Das konstante Kapital wurde in Europa angelegt, während die Produktionskapazität der Kolonien und Halbkolonien sich vergrößerte und eine Explosion des einheimischen Nationalismus mit sich brachte (Südafrika, Argentinien, Indien ect.). Es ist bemerkenswert festzustellen, dass diese neuen kapitalistischen Länder seit ihrer Gründung als unabhängige Staaten auch einen Staatskapitalismus entwickelten, der die gleichen Aspekte aufweist, die auch anderswo existieren: Eine Wirtschaft, die auf den Krieg ausgerichtet ist.
Die Theorie des "schwächsten Gliedes" von Lenin und Trotzki bricht zusammen. Die Kolonien werden in die kapitalistische Welt integriert und gleichzeitig verstärken sie diese wiederum. Es existiert kein "schwächstes Glied" mehr: die Beherrschung der Welt durch das Kapital ist auf der ganzen Erde neuaufgeteilt.
Die Einbindung des proletarischen Kampfes und der Gesellschaft in den Staat
Das wirkliche Leben in der Phase des klassischen Kapitalismus spielte sich in der bürgerlichen Gesellschaft ab, außerhalb des Staates. Dieser Staat war nichts anderes als das Instrument der vorherrschenden Interessen in der bürgerlichen Gesellschaft und nur das: ausführendes Organ und nicht ein Organ der Lenkung der Politik und Wirtschaft. Die Elemente des Staates, die dazu berufen waren, die Ordnung aufrechtzuerhalten (Administration), tendierten zu einer Loslösung von der Kontrolle durch die Gesellschaft, tendierten zur Bildung einer selbständigen Klasse, die ihre eigenen Interessen hat. Diese Trennung und der Kampf zwischen dem Staat und der Gesellschaft konnte nicht zur absoluten Dominanz des Staates führen, solange dieser nicht die Produktionsmittel kontrollierte. Die Periode der großen Monopole stellt den Beginn einer Mischung von Staat und Oligarchie dar. Doch diese Mischung war instabil: Der Staat blieb außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, die grundsätzlich auf dem Privatbesitz gründete. Die gegenwärtige Phase vereint alles in den gleichen Händen: die Verwaltung der Sachen und die Regierung über die Menschen. Das dekadente Kapital leugnet die Widersprüche zwischen den zwei ökonomisch ausbeutenden Klassen, den Kapitalisten und den Landbesitzern (durch das Verschwinden der zweiten). Es leugnet ebenfalls die Widersprüche zwischen den verschiedenen kapitalistischen Gruppen, deren Unterschiede früher einer der Motoren der Produktion waren, einer Produktion, die heute unter dem Gesichtspunkt der reellen Wertproduktion im Niedergang begriffen ist. Aber auch die ausgebeutete Klasse ist in den Staat integriert. Diese Integration findet ebenfalls auf dem Feld der Mystifikation statt: dass die Arbeiter nicht mehr dem Kapital als solchem gegenüberstünden, sondern einen Teil der Nation darstellten. Wir haben gesehen, dass der Staatskapitalismus gezwungen ist, die Menge der Güter, die der Erhaltung des variablen Kapitals dienen, zu reduzieren, die Arbeitskraft der Arbeiter wild auszubeuten. Gestern noch konnten die wirtschaftlichen Ansprüche der Arbeiter befriedigt werden. Durch die Expansion der Produktion konnte das Proletariat eine wirkliche Verbesserung seiner Lebensbedingung durchsetzen. Diese Zeit ist vorbei. Das Kapital hat Sicherheiten verloren, die ihm eine wirkliche Erhöhung der Löhne ermöglichen würde. Der Fall der realen Produktion brachte die Unmöglichkeit für den Kapitalismus mit sich, die Löhne aufzubessern. Die ökonomischen Kämpfe der Arbeiter können nicht mehr bewirken als Misserfolge - bestenfalls die Erhaltung der schon verschlechterten Lebensbedingungen. Sie binden das Proletariat an ihre Ausbeuter und bringen es dazu, sich solidarisch zusehen mit dem System im Austausch gegen einen Teller Suppe mehr (den es aber auch nur bekommt, damit schließlich seine "Produktivität" verbessert wird). Der Staat behält die Organisationsformen der Arbeiter (Gewerkschaften) bei, um das Proletariat besser kasernieren und mystifizieren zu können. Die Gewerkschaften werden ein Räderwerk des Staates und als solches sind sie interessiert, die Produktivität zu entwickeln, das heißt die Ausbeutung der Arbeit zu steigern. Die Gewerkschaften waren ein Instrument zur Verteidigung der Arbeiter, solange der rein ökonomische Kampf geschichtlich möglich war. Dieses alten Sinnes beraubt, wurden die Gewerkschaften, ohne die Form zu verändern, ein Instrument der ideologischen Repression des Staates und seiner Kontrolle über die Arbeitskraft.
Die Agrarreform und die Organisation der Verteilung: die Kooperativen
Um sich einen maximalen Anteil der Arbeit zu festen Bedingungen zu sichern, organisiert und zentralisiert der Staatskapitalismus die landwirtschaftliche Produktion, so wie er auch den Parasitismus im Verteilungssektor beschränkt. Das gilt auch für die handwerklichen Branchen. Die verschiedenen Zweige bilden Kooperativen mit dem Ziel, das Handelskapital zu eliminieren, die Distanz zwischen Produktion und Konsumtion zu verkleinern, und die landwirtschaftliche Produktion in den Staat zu integrieren.
Die soziale Sicherheit
Selbst der Lohn ist in den Staat integriert. Die Festlegung zu seinem kapitalistischen Wert fällt den staatlichen Organismen zu. Ein Teil des Lohnes wird dem Arbeiter weggenommen und direkt vom Staat verwaltet. Auch das Leben des Arbeiters nimmt der Staat in seine Hände, er kontrolliert die Gesundheit (Kampf gegen den Absentismus) und lenkt die Freizeit der Arbeiter (ideologische Repression). Am Ende hat der Arbeiter kein Privatleben mehr, jeder Moment wird direkt oder indirekt vom Staat bestimmt. Der Arbeiter ist abgestimmt wie die aktive Zelle eines lebendigen Körpers, die überfordert wird; seine Persönlichkeit verschwindet. Das geschieht nicht, ohne verschiedenste Neurosen zu erzeugen. Die Entfremdung der Gefühle in all ihren Formen ist in unserer Epoche das, was die großen Epidemien wie die Pest im Mittelalter waren. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass das Schicksal der Arbeiter auch das der übrigen Teile der Gesellschaft ist. Es ist auch unnötig zu unterstreichen, dass die Vorsorge für das Individuum in der sozialistischen Gesellschaft gegen Krankheiten und andere Gefahren des Lebens, nicht so sein wird wie die "Lebensversicherung" im Kapitalismus. Diese hat ihren Sinn lediglich im Rahmen der Ausbeutung der menschlichen Arbeit und als Funktion in diesem Rahmen.
Die revolutionäre Perspektive
Wir haben festgestellt, dass der ökonomische Kampf der Arbeiter um ihre unmittelbaren Interessen die Arbeiterklasse nicht befreien kann. Das gleiche gilt für den politischen Kampf, der im Innern des Staates geführt wird und eine Reform des Kapitalismus anstrebt. Als die bürgerliche Gesellschaft getrennt vom Staat existierte, führte der Kampf zwischen den verschiedenen sozialen Lagern zu einem fortwährenden Umsturz der politischen Verhältnisse in der Gesellschaft. Die Theorie der "permanenten Revolution" entspricht genau dieser immer wiederkehrenden Veränderung der Beziehungen im Innern der Gesellschaft. Diese Veränderungen erlaubten es dem Proletariat, seinen eigenen politischen Kampf zu führen, der die Kämpfe überragte, die an der Seite der Bourgeoisie geführt wurden. Die Gesellschaft kreierte also die sozialen Bedingungen und das ideologische Klima, das nötig war, um sie selbst umzustürzen. Revolutionärer Aufstieg und Rückfluss folgten einander in einem jedes Mal vertiefteren Rhythmus. Jede dieser Krisen erlaubte es dem Proletariat, ein historisches Klassenbewusstsein zu zeigen, das von Mal zu Mal reiner wurde. Die Daten 1791, 1848, 1871 und 1917 sind die herausragendsten einer langen Liste. Der Staatskapitalismus kennt keine tief greifenden und umwälzenden Kämpfe zwischen verschiedenen Interessengruppen des Kapitals mehr. Der Zusammenfassung der Interessen im Staatskapitalismus entspricht im klassischen Kapitalismus die Zusammenfassung der Parteien zur parlamentarischen Demokratie. Mit dem Staatskapitalismus schmilzt die Gesellschaft zusammen, und die Tendenz zur Einheitspartei entsteht: Die Verteilung des Mehrwerts nach dem Plan der jeweiligen Funktion im Kapitalismus erzwingt ein Gesamtinteresse für die Klasse der Ausbeuter, eine Vereinheitlichung der Bedingungen der Auspressung und Verteilung des Mehrwerts. Die Einheitspartei ist der Ausdruck dieser neu entstandenen Bedingungen. Es bedeutet das Ende der klassischen bürgerlichen Demokratie: Das politische Vergehen wird kriminell. Die Kämpfe, die früher ihren Ausdruck im Parlament oder auch auf der Strasse fanden, spielen sich heute innerhalb des Staatsapparates ab oder mit verschiedener Färbung im Schoße einer kapitalistischen Interessenkoalition, einer Nation oder eines Blocks von Nationen.
Die aktuelle Situation des Proletariates
Das Proletariat hat sich noch kein Bewusstsein über diese Veränderungen der Ökonomie angeeignet. Mehr noch, es ist in den Staat integriert. Der Kapitalismus ist heute anders als zurzeit da er noch keine staatliche Form angenommen hatte. Die Ära der Revolutionen hat sich eröffnet. Der politisch revolutionäre Kampf der Arbeiter entwickelte sich zu einem absoluten Misserfolg und Rückschlag für die Klasse, wie sie die Geschichte noch nie erlebt hatte. Dieser Misserfolg und dieser Rückschlag (Scheitern der revolutionären Welle 17 - 23) haben es dem Kapitalismus erlaubt, sich so zu verändern. Es scheint ausgeschlossen, dass das Proletariat im Verlaufe dieses Prozesses sich als historische Klasse wieder finden kann. Was der Klasse in der Vergangenheit die Möglichkeit gab, sich zu bestätigen, war der Umstand, dass die Gesellschaft durch ihre zyklischen Krisen ihren Rahmen sprengte und das Proletariat aus dem Produktionszyklus hinauswarf. Aus der Gesellschaft hinausgeworfen, eigneten sich die Arbeiter ein Bewusstsein an über die Bedingungen und die Mittel der Veränderung. Vor dem spanischen Bürgerkrieg und dem Beginn der antifaschistischen Mystifikationen, wo sich das erste Mal eine relative Vereinigung der ausbeutenden Klasse ergab, dann durch den Verlauf des 2. Weltkrieges tendierte der Kapitalismus dazu, die zyklischen Krisen und deren Folgen zum Verschwinden zu bringen und sich mit seiner permanente Krise abzufinden. Das Proletariat ist an seine Ausbeutung gebunden. Es ist also geistig und politisch in den Kapitalismus integriert. Der Staatskapitalismus fesselt das Proletariat stärker als zuvor an seine urtümlichen Kampftraditionen. Denn die Kapitalisten als Klasse haben aus der Erfahrung gelernt und begriffen, dass die wichtigste Waffe zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft weniger die Polizei als die direkte ideologische Repression ist. Die politische Partei der Arbeiter ist die des Kapitals geworden. Was mit den Gewerkschaften passiert, die Entleerung ihrer früheren Inhalte und die Integration in den Staat, geschieht auch mit dem, was sich "Arbeiterpartei" nennt. Diese Parteien stellen einzig und allein eine politische Phraseologie dar, sind Ausdruck der Ausbeuterklasse, die ihre Interessen und ihren Wortschatz an die neue Realität angleicht. Eine der Grundlagen dieser Mystifikation ist der Ruf nach dem Kampf gegen das Privateigentum. Dieser Kampf hatte einen revolutionären Charakter in der Epoche, als der Kapitalismus ans Privateigentum gebunden war und dies die Ausbeutung in ihrer offensichtlichsten Form darstellte. Die Veränderungen der Bedingungen für das Kapital haben diesen Kampf der Arbeiter gegen das Privateigentum als historisch überholt erwiesen. Es ist das Schlachtross der geschicktesten Fraktionen der Bourgeoisie in der Zeit des dekadenten Kapitalismus geworden. Die unüberlegte Hingabe der Arbeiter an ihre Kampftraditionen, an Mythen und verbrauchte und überholte Vorstellungen besiegelt schließlich ihre Integration in den bürgerlichen Staat. Auch der 1. Mai, der noch unlängst manchmal gewaltige Streiks bedeutete und immer einen kämpferischen Charakter behielt, wurde zu einem Feiertag des Kapitalismus: Die Arbeiterweihnacht. Die "Internationale" wird von Generälen gesungen und die Pfarrer schimpfen gegen den Klerus. All das dient dem Kapitalismus aus dem Grunde, weil das Ziel des Kampfes für Reformen, das an eine historische Epoche gebunden war, verschwunden ist, sowie auch die Form dieses Kampfes ohne ihren alten Inhalt weiterlebt.
Die Elemente einer revolutionären Perspektive
Der Prozess der Aneignung des revolutionären Bewusstseins durch das Proletariat ist direkt gebunden an die Wiederkehr der objektiven Bedingungen, innerhalb derer diese Aneignung des revolutionären Klassenbewusstseins stattfinden kann. Diese Bedingungen können zusammengeführt werden zu einer einzigen, zur Allgemeinsten, nämlich dass das Proletariat aus der Gesellschaft hinausgeworfen wird, dass es dem Kapitalismus nicht mehr gelingt, ihm eine Existenzgrundlage zu sichern. Auf dem Kulminationspunkt der Krise ist diese Bedingung gegeben. Dieser Kulminationspunkt der Krise liegt im Staatskapitalismus im Krieg. Genau an diesem Punkt kann sich das Proletariat nicht anders ausdrücken denn als historische Klasse, die ihre eigenen Interessen wahrnimmt. Es kann sich nicht mehr als ökonomische Kategorie des Kapitals ausdrücken, sondern nur noch als das Gegenteil davon. Unter den aktuellen Bedingungen ist der generalisierte Krieg für das Kapital unvermeidlich. Aber das will nicht heißen, dass die Revolution unvermeidlich ist, und noch weniger, dass sie nicht erfolgreich sein wird. Die Revolution stellt nichts anderes als einen Teil der Alternative dar, vor welche die Menschheit gestellt wird. Wenn sich das Proletariat kein sozialistisches Bewusstsein aneignet, ist dies der Anfang der Barbarei, von der man schon heute gewisse Aspekte erkennt.
M. Mai 1952