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Im Januar diesen Jahres hielt die Communist Workers’ Organisation (CWO) eine öffentliche Diskussionsveranstaltung in London zum Thema Gewerkschaften ab. Die CWO stützt sich auf die Traditionen der Italienischen Kommunistischen Linken. Sie ist verbündet mit der Partito Comunista Internazionalista (Battaglia Comunista) in dem Internationalen Büro für die Revolutionäre Partei (IBRP). Es handelt sich um eine bedeutsame Organisation innerhalb des revolutionären Milieus; sie vertritt Positionen, die gewöhnlich unseren sehr nahe stehen.
Die CWO begann die Veranstaltung mit einem Referat, in dem aufgezeigt wurde, wie die Gewerkschaften ursprünglich Verteidigungsorgane der Arbeiterklasse waren, die dann aber die Klassengrenze mit dem Beginn der kapitalistischen Dekadenz überschritten, insbesondere als die Gewerkschaften 1914 den imperialistischen Krieg unterstützten. Dies ist grob gesehen der marxistische Rahmen um zu verstehen, warum die Arbeiter sich nicht mehr mittels der Gewerkschaften verteidigen können. Aus der Sicht der CWO jedoch haben die Gewerkschaften ihr Klassenwesen, nicht jedoch ihre Funktion geändert. Der CWO zufolge handeln die Gewerkschaften die Bedingungen der Lohnarbeit aus. Im 19. Jahrhundert, als sich das Kapital noch in der Expansionsphase befand, konnte dies defensiv für die Arbeiterklasse ausgenutzt werden, aber aufgrund der ständigen Angriffe des Kapitals gegen die Arbeiterklasse ist dies mittlerweile nicht mehr möglich. Diese theoretische Schwäche führt zu einer großen Unklarheit in der Intervention der CWO, da sie die Gewerkschaften nicht als einen Teil des Staates auffaßt, der die besondere Funktion hat, die Arbeiterklasse zu kontrollieren und sie zu unterdrücken. Dies wurde im 2. Teil der Diskussion aufgegriffen.
Wie die von den Gewerkschaften aufgezwungene Isolierung überwinden?
Das Referat endete mit der richtigen Entblößung der Basisgewerkschafter, der Entblößung ihrer angeblich ‘radikalen Geldsammlungen’, die aber nie mit einer wirklichen Ausdehnung der Kämpfe verbunden sind. Auch unterstrich die CWO, daß ständige Verteidigungsorgane sich notwendigerweise den Bedürfnissen der herrschenden Klasse unterwerfen müssen. Aber die CWO rief auch dazu auf, daß Organisationen am Arbeitsplatz eingerichtet werden müßten, die mit der revolutionären Partei verbunden sein sollten. In der Diskussion ging man auf die Schwierigkeiten ein, vor denen militante Arbeiter stehen, um die Isolierung zu durchbrechen, Diskussionen voranzutreiben und gemeinsam vorzugehen. Oder wie ein Genosse der CWO es beschrieb, die Notwendigkeit für Revolutionäre, sich eine Stimme in der Arbeiterklasse zu verschaffen.
Die Stärke der Diskussion war der Wille, die konkrete Situation zu untersuchen, die wirkliche Bewegung, in der wir uns befinden. Insbesondere wurde in den Interventionen der CWO die Erfahrung ihrer Schwesterorganisation in Italien - Battaglia Comunista - kritisch untersucht, wo unter Kampfbedingungen kommunistische Militante dazu in der Lage sind, einen Kern von Arbeitern, eine Kampfgruppe um sich herum zusammenzuführen und sie zusammenzuschließen. Dies kann am Arbeitsplatz oder auf geographischer Grundlage geschehen, wobei das letztere die Notwendigkeit des Kampfes zum Ausdruck bringt, unmittelbar eine Brücke über den Arbeitsplatz hinaus zu schaffen, um somit eine Niederlage zu vermeiden. Um dies besser zu klären, hat die CWO aufgehört, den Begriff ‘Transmissionsriemen’ zu benutzen. Diesen Begriff benutzten sie Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre, als sie von den ‘internationalistischen Fabrikgruppen’ sprachen, welche sie hatten aufbauen wollen.
Aus der Sicht der CWO erschienen die territorialen Arbeiterkampfgruppen
‘Wie können wir den Funken des Bewußtseins aufrecht, sobald die Kämpfe nachlassen?’,
fragte ein Genosse der CWO hinsichtlich des zeitlich beschränkten Wesens der Kampfgruppen. Es gibt offensichtlich kein organisatorisches Schema als Antwort darauf. Ein künstlicher Versuch, um das Leben einer Kampfgruppe zu verändern, führt regelmäßig zum Fiasko der Einverleibung durch die Gewerkschaften oder durch die Linken. In Anbetracht ihrer mittlerweile gewonnen Erfahrung hat die CWO jetzt den Versuch aufgegeben, ‘Transmissionsriemen’ und künstliche Fabrikgruppen unter ihrer Kontrolle zu errichten. Aber wie der Aufruf der CWO am Ende des Einleitungsreferates sagte, als zur Bildung von ‘Organisationen am Arbeitsplatz in Verbindung mit der revolutionären Partei’ aufgerufen wurde, und die Frage zeigte, wie der Funke des revolutionären Bewußtseins aufrechterhalten werden könnte, gibt die CWO den Versuch nicht auf, organisatorische Schemen als Anleitung für ihre Intervention zu suchen. Tatsächlich aber kann es keinen Ersatz für die schmerzlich langsame und geduldige Propagandaarbeit geben, die sich auf die Intervention der revolutionären Organisation, ihre Publikationen und ihre Treffen stützt; und je nachdem wenn die Verhältnisse es zulassen, auch auf die aktive Beteiligung an den Kämpfen der Arbeiterklasse. Dies ist unser Beitrag zur Aufrechterhaltung des ‘Funken Klassenbewußtseins’.(1) als etwas Neues, das verbunden wäre mit einer soziologischen Änderung in der Arbeiterklasse, da es jetzt aufgrund des Arbeitsplatzabbaus in vielen großen Betrieben viel weniger Arbeitsplätze gibt. Aber es gab in den 80er Jahren sowohl territoriale Gruppen als auch Kampfgruppen am Arbeitsplatz, die ein Teil der Welle von internationalen Kämpfen waren. Sobald die Kämpfe abebbten, konnten diese Gruppen, von denen viele zuvor dank der aktiven Beteiligung der IKS entstanden waren, sich nicht mehr am Leben halten. Ein Beispiel dafür war die Action Group for Workers’ Unity (Aktionsgruppe Arbeitereinheit) in London, in der 1989 Arbeiter aus verschiedenen Teilen der Klasse zusammengekommen waren (Erziehungswesen, kommunale Beschäftigte, Beschäftigte aus dem Transport & Verkehrswesen (siehe World Revolution Nr. 128).Eine Zweideutigkeit bei der Gewerkschaftsfrage führt zu Fehlern in der Intervention
Indem die CWO die Idee vertritt, daß die Gewerkschaften eine ständige Funktion des Aushandelns der Bedingungen der Lohnarbeit auszufüllen hätten, und auch durch die Abkehr von der Analyse des Staatskapitalismus, wird die CWO dazu verleitet zu leugnen, daß die Gewerkschaften ein Teil des Staates sind. Sie zitiert Marxens Beschreibung der Gewerkschaften: ‘3. Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkte des Widerstandes gegen die Gewalttaten des Kapitals..... Sie verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern...’ (Lohn, Preis, Profit in MEW Bd.16, S.152) Aber die Funktion der Gewerkschaften bestand in der Verteidigung der Arbeiter gegen die Übergriffe des Kapitals, wobei sie auch Verhandlungen und Streikaktionen einsetzen, nicht nur um die Lohnarbeitsbedingungen auszuhandeln als Teil des Kapitalismus im 19. Jahrhundert.
Heute haben Gewerkschaften nicht zur Aufgabe, die Löhne auszuhandeln, sondern sie sind ein aktiver Teil des Staates, die die Arbeiterklasse disziplinieren, und die Arbeiter dazu drängen, die Angriffe des Kapitals hinzunehmen. Darin besteht die heutige Funktion der Gewerkschaften.
Während sie mit der Einschätzung des bürgerlichen und arbeiterfeindlichen Wesens der Gewerkschaften übereinstimmen, wehrt sich die CWO dagegen zu behaupten, daß die Gewerkschaften ein Teil des Staates sind. Es handelt sich hier nicht um reine Wortklauberei. Die Diskussion auf dem Treffen bezog sich auf die Debatte zwischen den Organisationen der Revolutionäre zur Zeit des Timex-Kampfes auf (siehe dazu World Revolution Nr. 167, Sept. 1993). Damals kritisierte die IKS die CWO und warf ihr vor, in die Falle der extremen Linken gelaufen zu sein. Die CWO wehrte sich gegen diese Kritik und behauptete, daß sie
a) physisch während des Streiks präsent waren,
b) mit der Schwierigkeit kämpften, genau zu wissen, was sie den im Kampf befindlichen Arbeitern sagen sollten,
c) und daß die Polemik der IKS einige Formulierungen auf eine törichte Weise aufgegriffen und die Tatsache außer Acht gelassen habe, daß die CWO den Gewerkschaften auch feindlich gesinnt sei. Als Antwort darauf haben wir hervorgehoben, welche Art Formulierung wir kritisiert haben. ‘Es stimmt, daß die Arbeiter dort eine größere Unterstützung von Gewerkschaften bekommen haben als andere Arbeiter’. Genossen der CWO, dies steht im Widerspruch zu eurer Position, daß die Gewerkschaften bürgerliche Organisationen sind!
b) wir haben die Zweideutigkeiten der CWO zur Gewerkschaftsfrage aufgegriffen. In Workers Voice Nr. 74 (Okt/Nov. 1994) sagte die CWO zum Streik der Stellwerksbediener bei den britischen Eisenbahnen: ‘Die Stellwerksbediener standen von Anfang an in Konfrontation mit dem Staat, als dieser eingriff und das Angebot von 5.7% zurücknahm’. Hier ist unsere Divergenz klar. Aus der Sicht der CWO ist es so, wenn die Regierung nicht interveniert hätte, könnte man schlußfolgern, daß der Staat bei den Kämpfen abwesend gewesen wäre. Aus der Sicht der IKS ist es wesentlich, die grundsätzliche Einheit der Bourgeoisie gegen den Klassenkampf zu erkennen. Die _Einheit der Bourgeoisie wird vom Staat organisiert und von den Gewerkschaften angeführt.
Im gleichen Artikel erklärt die CWO das bürgerliche Wesen der Gewerkschaften in rein ökonomischen Begriffen. ‘Heute benutzen die Gewerkschaften Fonds, um einen Profit mittels irgendwelcher Kapitalinvestitionen einzuheimsen, von denen sie vermuten, daß sie die größten Einkünfte abwerfen. Sie werden das Geld nicht in Streiks ausgeben und darum kämpfen, ihre eigenen Profite zu retten’. Die bewußte bürgerliche Funktion der Spaltung und Kontrolle der Arbeiterklasse, die von einem Teil des Staates - den Gewerkschaften - vollzogen wird, wird wieder geleugnet. Im besten Fall führt dies zu einer gefährlichen Unterschätzung des Klassenfeindes, im schlimmsten Fall läuft man direkt in die Arme der Propaganda der Linken.
Diese Unterschätzung wurde ziemlich deutlich zur Zeit des Timex-Streiks, als die CWO die wirkliche Bedeutung dieses Kampfes als eine exemplarische Niederlage nicht verstand. Es handelte sich um einen Kampf, der künstlich in die Länge gezogen wurde mit einer internationalen Propagandakampagne, die das Ziel verfolgte, aufzuzeigen, daß Kämpfe lange isolierte Streiks seien und sich nicht auszahlten. Für die Bourgeoisie ist es immer noch sehr wichtig, wie die Niederlagen und die Rolle der Gewerkschaften bei diesen Niederlagen dargestellt werden. Der neulich stattgefundene Streik der Stellwerksbediener war ein Ausdruck dafür: ‘Den Stellwerksbedienern sollte vor den Augen aller Arbeiter eine Abfuhr erteilt und alle anderen Arbeiter abgeschreckt werden, selbst den Kampf zu ihrer eigenen Verteidigung aufzunehmen’ (WR Nr. 178). Die ‘Regierung und die Arbeitgeber unternahmen alles, um die Stellwerksbediener in den Kampf zu locken, indem sie eine harte und provozierende Linie einschlugen. Aber die Hauptrolle bei der Niederlage der Stellwerksbediener wurde vor allem von den sog. Repräsentanten der RMT gespielt, die alles unternahmen, um den Streik vom Rest der Klasse zu isolieren’ (WR 179).
Die Gefahr des Empirismus
Die Hauptargumente der CWO gegen die Analyse, daß die Gewerkschaften ein Teil des Staates sind, waren sehr empirischer Natur. Sie sagte, einige Gewerkschaften sind illegal, Gewerkschaftsfunktionäre werden nicht wie die Polizei und die Armee vom Staat bezahlt, es ist möglich bürgerlich zu sein, ohne gleichzeitig Teil des Staates zu sein; Gewerkschaften sind in vielen Ländern der 3. Welt illegal, und sie sind nicht formell oder gesetzmäßig in den Staat eingegliedert. Deshalb könnten die Gewerkschaften nicht Teil des Staates sein, obgleich sie für den Staat Dienste leisten. Die CWO brachte sogar solche Allgemeinplätze hervor wie: ‘Sind Wohnungsgenossenchaften auch Teil des Staates? Ist der Fußballklub Manchester United auch Teil des Staates?’ Diese empirische Methode ermöglicht uns nicht, irgendwas vom kapitalistischen Staat zu verstehen. Es geht hier darum, einen Rahmen, eine Methode zu haben, die es uns ermöglicht, die Bedeutung verschiedener Elemente im Zusammenhang zu verstehen.
Jeder Staat benötigt ein Mittel zur Niederschlagung der Arbeiterklasse. Die Gewerkschaften stellen dazu das wirksamste Mittel dar. Die Tatsache, daß diese oder jene Gewerkschaft formell nicht in den Staat integriert ist, sollte uns nicht blind werden lassen. In Wirklichkeit hat der Staat im Laufe der Dekadenz des Kapitalismus mehr und mehr Teile der Gesellschaft in sich aufgesogen. Insbesondere wird das in Kriegszeiten deutlich, wenn das ganze nationale Kapital der Kontrolle des Staates für die Kriegsanstrengungen unterworfen werden muß. Diese Entwicklung wurde von den Revolutionären seit dem 1. Weltkrieg als Staatskapitalismus bezeichnet.
Für uns ist unerklärlich, wie die CWO die Labour-Partei als einen Teil des Staates erkennen kann aber nicht die Gewerkschaften, die offiziell sogar auf der Seite des Staates stehen. Der Unterschied ist vielleicht einigen Mitgliedern der CWO selbst nicht besonders klar, wie sich auch während der Diskussion herausstellte, als einige Mitglieder verwirrt nach der Meinung des Präsidiums fragten, um festzustellen, ob die Labour-Partei Teil des Staates sei.
Die Idee, daß die Gewerkschaften und die Labour-Partei nicht Teil des Staates seien, ist ein wichtiges Element der demokratischen Mystifizierung. Wir sollen damit glauben, daß diese Institutionen Organisationen seien, die man unter Druck setzen oder innerhalb derer man eine Stimme haben könnte.
Ob die Gewerkschaften in den Staat integriert sind oder nicht, hat wichtige Konsequenzen für die Intervention der Revolutionäre. In den 30er Jahren gingen sowohl BILAN, eine bedeutende Publikation der Italienischen Kommunistischen Linken, und Leon Trotzki davon aus, daß es eine sehr starke Tendenz innerhalb der Gewerkschaften gäbe, in den Staat integriert zu werden, aber daß diese Tendenz noch nicht abgeschlossen war. Als Folge dessen waren sie dafür, daß Revolutionäre innerhalb gewerkschaftlicher Strukturen arbeiteten. Aber da man jetzt sehen kann, daß die Gewerkschaften voll in den Staat integriert sind und alle Gewerkschaften die Funktion der Kontrolle der Arbeiterklasse ausüben, unabhängig von den besonderen Verhältnissen dieser oder jener Gewerkschaft, arbeiten wir nicht innerhalb der Gewerkschaften. Die CWO sollte eine kohärente Position zu dieser Frage haben. Wenn die Gewerkschaften nicht voll in den Staat integriert sind, dann sollten sie es befürworten, daß man in ihnen arbeitet. Die Mitglieder der CWO wurden ungeduldig, als die IKS ihre Position vertrat, daß die Gewerkschaften jetzt ein Teil des Staates sind. Die CWO betrachtete dies als Wortklauberei und eine abstrakte Diskussion, im Gegensatz zu den Diskussionen um Organisationen am Arbeitsplatz und Arbeiterkampfgruppen. Aber Diskussionen über die konkrete Alltagspraxis, die sich nicht auf feste theoretische Grundlagen stützen, werden unweigerlich zu Konzessionen in der Gewerkschaftsfrage und gegenüber der extremen Linken des Kapitals führen.
Aus der Zeitung der IKS in Großbritannien, World Revolution, Nr.181
Adresse der CWO: PO Box 338, Sheffield S3 9YX.
(1) Es handelt sich um Gruppen von Arbeitern, die in und um einen Kampf herum entstehen, gegen die Sabotage der Gewerkschaften für die Vereinigung und Radikalisierung des Kampfes eintreten, sich bei ihrer Arbeit nicht auf berufsspezifische Kriterien stützen, sondern auf das Überwinden dieser Barrieren, also nach geographischen - territorialen - Gesichtspunkten zusammenkommen