Kapitalismus und Drogen

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Gleichzeitig mit der immer tiefer werdenden weltweiten Krise hat sich auch das Drogenelend in den letzten Jahren immer mehr verschärft. Wir wollen hier anhand der Situation in der Schweiz aufzeigen, wie die herrschende Klasse versucht, die sich rasant zuspitzende Drogenmisere, deren Verursacher und Profiteur sie selber ist, für die Verstärkung des staatlichen Repressionsapparates auszunützen. Im Frühling dieses Jahres wurden mit massivsten Polizeiaufgeboten die offenen Drogenszenen in allen grossen Schweizer Städten aufgelöst, eine permanente Polizeipräsenz auf den Strassen ist Alltag geworden. Als ein Ausdruck des weltweiten Zerfalls des Kapitalismus ist der immer mehr jeglicher Kontrolle entgleitende Drogensumpf jedoch kein speziell "schweizerisches" Problem. Im Gegenteil finden wir heute in praktisch allen grossen Städten der Welt eine ähnliche Situation vor, sei es in Zürich, Los Angeles, Moskau, Mexiko City, Sao Paulo, Amsterdam oder anderswo. Der Drogenmarkt ist heute einer der grössten Märkte geworden, auf dem jährlich weltweit mehrere hundert Milliarden Dollar umgesetzt werden, vergleichbar mit dem Waffen- und dem Oelhandel. Ganze Länder in Asien, so zum Beispiel im "Goldenen Dreieck" Thailand, Burma, Laos oder in Südamerika, wie Peru oder Kolumbien, leben heute vornehmlich vom Anbau und Export von Drogen. Doch es sind nicht nur Länder in der Dritten Welt, deren Wirtschaft vom Drogenhandel lebt. Der grösste Produzent von Hanfprodukten wie Haschisch ist heute Kalifornien. Auch sind es lange nicht mehr nur die verarmten Bauern in Asien, Südamerika oder im Orient, welchen in der Not nicht mehr viel übrigbleibt, als auf ihren Feldern Mohn anzubauen, das zur Herstellung von Heroin verwendet wird. Es stehen ganze mafiaähnliche Organisationen dahinter, deren oberste Chefs in den Regierungen der jeweiligen Länder sitzen.

Drogen sind aber auch Haupteinnahmequellen von politischen Organisationen geworden. Die sich im afghanischen Bürgerkrieg bekämpfenden Cliquen finanzieren sich genauso mit Drogengeldern wie südamerikanische Guerillagruppierungen. Desgleichen im Libanon oder der Türkei. Diese Aufzählung liesse sich noch beliebig erweitern, von den Machenschaften des amerikanischen Geheimdienstes CIA, über Schweizer Banken, welche eine Drehscheibe für die Reinwaschung von Geld aus dem Drogenhandel geworden sind, bis zur russischen Armee, welche im Krieg in Tschetschenien Drogen einsetzt, um ihre eigenen Soldaten zu kontrollieren und sie die Schrecken dieses schmutzigen Krieges mittels Drogenkonsums vergessen zu lassen.

Wir sehen, dass es nicht lokale Gründe sind, welche den Drogenmarkt dermassen in die Höhe getrieben haben. Im Gegenteil sind es die sich immer enger zuspitzende weltweite Krise und der sich dadurch verschärfende Konkurrenzkampf unter den verschiedenen imperialistischen Staaten, die Drogen zu einem festen Bestandteil der kapitalistischen Wirtschaft und zu einer Waffe gemacht haben. Es sind im Kapitalismus nicht die Bedürfnisse der Menschen, welche die Art der produzierten Güter bestimmen, sondern die Gesetze des Profits, und mit Drogen lassen sich ungeheure Gewinne machen. Auch der Verbrauch von Waren, die Komsumtion, ist im Kapitalismus nicht "frei", wir können nur das kaufen, was wir uns je nach Lohn leisten können und was auf dem Markt erhältlich ist, nicht was wirklich unsere Bedürfnisse befriedigt. Drogen werden durch weltweit organisierte Banden überall verbreitet und angeboten und zum Beispiel Jugendlichen in Discotheken anfangs mit "Gratisabgaben" schmackhaft gemacht. Und genauso sind auch die Bedürfnisse im Kapitalismus nicht "frei". Sie werden durch perfideste Werbung manipuliert, und die miserable Situation in vielen Städten, die sich immer mehr verschlechternden Lebensbedingungen tun das ihre dazu. Diese Lebensbedingungen bilden einen idealen Nährboden für den Drogenhandel, indem sie das Bedürfnis nach einer Flucht in eine andere Welt erzeugen. So liegen auch für die Millionen von Drogensüchtigen die Gründe ihrer Abhängigkeit keineswegs in einem "besonders schwachen Charakter" oder einem "persönlichen Schicksal". Es ist gerade die stark angestiegene Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren, welche vielen Arbeitern das Gefühl von Nutzlosigkeit der eigenen Person hinterlässt und ein Grund ist, um zu Drogen verschiedenster Art, Alkohol, Medikamenten oder Heroin zu greifen. Besonders Jugendliche, welche nie eine Arbeitsstelle gefunden haben, versuchen so, ihrer perspektivlosen Situation zu entfliehen. In der Schweiz beispielsweise konsumieren laut neusten Untersuchungen ca.12 000 Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 16 Jahren täglich Alkohol. Auch der Konsum von Haschisch und chemischen Aufputschmitteln hat unter Kindern und Jugendlichen stark zugenommen.

MEHR POLIZEI, MEHR GEFÄNGNISSE

Weshalb ist es nun wichtig, über die Hintergründe der ganzen Drogenmisere zu sprechen? Die Bourgeoisie hat die katastrophale Situation in einer Stadt wie Zürich in ihren Medien aufgebläht und versucht, die Arbeiter und Arbeiterinnen für ihre "Vorschläge" zur Beseitigung des Drogensumpfes zu mobilisieren: "Entweder ihr seid für die schnelle Zerschlagung der Drogenszene mit massiven Polizeieinsätzen, oder wir können für nichts mehr garantieren". Zuerst wurde die offene Drogenszene lange frei geduldet, um, wie bei jemandem, dem man das Messer an den Hals setzt, den Ruf nach Hilfe zu erzeugen. So wurde denn auch der Ruf nach einer schnellen Zerschlagung der offenen Drogenszene immer lauter, es entstanden "Bürgerinitiativen", welche vor allem in den Quartieren ein härteres Eingreifen der Polizei forderten. Heute, vier Monate nach der Auflösung des Drogenumschlagplatzes am Zürcher Letten findet man in den Quartieren Transparente dieser "Bürgerinitiativen" hängen mit der Aufschrift: "Danke, wir leben wieder". Ein Dank an die Repressionspolitik, welche mittlerweile einer permanenten polizeilichen Belagerung ganzer Quartiere gleicht.

Doch kann ein Problem, welches im Grunde genommen nur ein Ausdruck des Zerfalls der kapitalistischen Gesellschaft ist, isoliert gelöst werden? Keineswegs! Es ist gerade in einer Stadt wie Zürich der sozialdemokratischen Regierung geschickt gelungen, diese Illusion zu schüren und so den Ruf nach mehr Polizei und der Errichtung neuer Gefängnisse zu provozieren. So wurden alleine im Kanton Zürich im Verlaufe des letzten Jahres mehrere Hundert neue Gefängnisplätze geschaffen, ein grosser Haftanstalt-Neubau und zwei provisorische Gefängnisse. Gleichzeitig wurde dieser Schlag gegen die Drogenszene, in den ersten Wochen danach in den Medien als gelungen dargestellt. Der Zeitpunkt dieser Grossrazzien wurde bewusst einige Wochen vor den Wahlen angesetzt und von der Sozialdemokratie raffiniert als Erfolg ihrer Politik, als eine humanitäre Aktion zugunsten der Drogensüchtigen hingestellt. Mittlerweile sind, wie könnte es anders sein, verschiedenste neue Drogenumschlagplätze entstanden, zum Teil auf Schulhöfen oder an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel.

LEGALISIERUNG: UNMÖGLICH UND KEINE LÖSUNG

Da, wie oben beschrieben, heute ganze Staaten, und Teile der herrschenden Klasse in jedem Land in den Drogenhandel verstrickt sind und von den dort erwirtschafteten Geldern leben, ist eine gänzliche Legalisierung dieser Ware sowieso unmöglich. Die Kapitalisten würden sich so ja selbst den Boden für ihre enormen Profite unter den Füssen wegziehen. 80-90% der Drogengelder fliessen schlussendlich in die Kassen der Bourgeoisie in den Industrieländern. Es gibt in keinem anderen Geschäft vergleichbare Profite; so wird beispielsweise ein Gramm Heroin in der Schweiz für den ca.150-200fachen Preis verkauft, verglichen mit dem Preis, den der Produzent erhält. Die Räumung des Drogenumschlagplatzes Letten im Frühjahr 95 liess die Preise für Heroin und Kokain bis zu 500% in die Höhe schnellen. Darüber freuen sich natürlich gerade die Schweizer Banken, welche die Finanzdrehscheibe für den internationalen Drogenmarkt sind. Die herrschende Klasse lebt also auf jeden Fall besser mit illegalen Drogen und hat ökonomisch kein Interesse sich diese Profite entgehen zu lassen.

In dieselbe Kerbe wie die Repressionspolitik der Regierung hauen schlussendlich auch die Vorschläge linker politischer Gruppen, welche eine Legalisierung von harten Drogen und deren kontrollierte Abgabe durch den Staat fordern. Sie gaukeln damit gleichfalls vor, dass die Drogenprobleme innerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse, innerhalb des Kapitalismus lösbar seien. Solche Auffassungen zu vertreten heisst, den Arbeitern und Arbeiterinnen Sand in die Augen streuen, und deshalb bekämpfen wir sie als Kommunisten genauso, wie wir die Repression des Staates entlarven. Auf den ersten Blick sehen Forderungen nach einer harten Repression gegen den Drogenmarkt und Forderungen nach Freigabe des Drogenkonsums als absolut verfeindet aus. Genau das Gegenteil ist der Fall! Beide wollen sie dem Staat die vermehrte Kontrolle über die Gesellschaft zuspielen, beide Forderungen zielen darauf ab, den kapitalistischen Staatsapparat zu stärken. Entweder wird unter dem Deckmantel der Drogenbekämpfung der Polizeiapparat aufgerüstet, oder der Staat selber beginnt als Drogenhändler aufzutreten, gibt Heroin oder Methadon an hunderte von Menschen ab, um so die gesellschaftlichen Zerfallserscheinungen und die Perspektivlosigkeit zu übertünchen. Wir Arbeiter sollen durch die in den Medien aufgeblähten Auseinandersetzungen zwischen diesen zwei "Lösungswegen" vor die Wahl gestellt werden, uns für das eine oder andere zu entscheiden oder uns hinter eine Kombination von beidem, Repression und Drogenabgabe stellen.

Eine Strategie, welche die Bourgeoisie, ob Rechte oder Linke, mit dem Aufblähen der Drogenmisere in Zeitungen und Fernsehen verfolgt, ist aber auch das Ablenken der Arbeiter von der Krise und ihren Folgen; den Entlassungen und dem permanenten Lohnraub. Wie wir uns dagegen zur Wehr setzen, darüber sollen wir nicht diskutieren, nein, wir sollen uns hinter die eine oder andere Strategie zur Drogenbekämpfung stellen!

Das Beispiel des Alkoholkonsums zeigt deutlich, dass der juristische Status, z.B. das Verbot von Alkohol wie in den Zwanzigerjahren in den USA (die sog. Prohibition von 1920-1933) oder heute in verschiedenen arabischen Staaten, das Problem des Alkoholismus keineswegs beseitigen kann. Das gesetzliche Verbot von Alkohol hatte in den USA keinen Einfluss auf den Konsum als solchen oder die Abhängigkeit vieler Menschen. Was sich änderte, war lediglich der Preis, der in die Höhe schnellte, und Alkoholhandel wurde ein Nährboden für das Entstehen einer riesigen Mafia. Es waren nun einfach andere Teile der herrschenden Klasse, die mehr am Alkoholhandel zu verdienen begannen. Um dieses Geschäft, via Steuern und Ausschankgebühren, wieder direkter in die staatlichen Finger, bzw. Kassen zu bekommen, wurde Alkohol bald wieder legalisiert. Verbot oder Legalisierung, die juristischen Phrasen, verändern lediglich den Preis harter Drogen und bestimmen, welche Teile der herrschenden Klasse diesen Markt kontrollieren.

KEINE LÖSUNG IM KAPITALISMUS

Genausowenig, wie im Kapitalismus die Krise oder Kriege per Gesetz beseitigt werden können, ist es auch mit Drogen. Der Grund liegt darin, dass sich eben verschiedene kapitalistische Interessen, die Gier nach Profiten,

in der Jagd nach Profiten gegenüberstehen und dies heizt die ganze Geschichte nur an. Drogen sind ein fester ökonomischer Bestandteil der Wirtschaft geworden. Doch wenn wir einerseits feststellen, dass es keine Lösung des Drogenproblems unter den bestehenden Verhältnissen gibt, heisst das keineswegs die Hände gleichgültig in den Schoss zu legen. Es ist die politische Diskussion unter uns Arbeitern und Arbeiterinnen über den Charakter des Kapitalismus und der Kampf für unsere Interessen als Lohnabhängige, die uns eine neue Perspektive geben. Diese Auseinandersetzungen werden vielen eine konkrete Richtung aufzeigen, die angebliche Sinnlosigkeit des Lebens, das "No Future", wegwischen. Doch es wäre Augenwischerei zu verheimlichen, dass einzig die Zerschlagung des Kapitalismus durch eine proletarische Weltrevolution die Ursachen der Drogenmisere endgültig beseitigen wird. Erst dann wird es möglich sein, eine Gesellschaft aufzubauen, welche die Bedürfnisse der Menschheit befriedigen kann, in der sich die Produktion nicht mehr am Profit orientiert und nicht wie heute Hunderttausende durch Hunger, Krieg oder Drogen zugrunde gehen lässt. 24.5.95