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Am 18. Januar 2007 tobte der Organ Kyrill in Westeuropa, mit extrem verheerenden Auswirkungen in Deutschland, besonders in NRW. Nach ersten Schätzungen geht man von Schäden von mehr als einer Milliarde Euro aus. Zum ersten Mal musste die Deutsche Bahn ihren Verkehr bundesweit einstellen. Viele Menschen saßen in Bahnhöfen oder auf der Strecke fest, die blockiert waren durch unzählige Bäume, die auf Oberleitungen und die Gleise gefallen waren und jeden Zugverkehr unmöglich machten. Viele Menschen waren stundenlang ohne Strom.
Dieser Orkan hinterließ seine Verwüstungen in einem der höchst entwickelten Industriestaaten der Welt. Kaum auszudenken, wie verheerend das Ausmaß der Zerstörungen in einem weniger entwickelten Land gewesen wäre. Jetzt schon lässt dieser Orkan erahnen, welche weiteren Umweltschäden, welches Chaos diese Klimakatastrophe noch bringen wird.
Die Ursachen der Klimakatastrophe
Auch wenn einige den Zusammenhang zwischen Klimakatastrophe, der Zunahme von Orkanen und deren Ausmaß und der Umweltverschmutzung bezweifeln oder gar leugnen, steht für die meisten Wissenschaftler dieser Zusammenhang fest. Deshalb sind wir in Diskussionsveranstaltungen der IKS in zahlreichen Städten zu diesem Thema zunächst auf die Frage eingegangen, welche Ursachen für die Umweltzerstörung verantwortlich gemacht werden müssen.
Profitproduktion oder Produktion für die Bedürfnisse des Menschen
Der Kapitalismus produziert nicht für die Bedürfnisse der Menschen, sondern für Profit, für Tauschwert. Nicht der Gebrauchswert, d.h. nicht der Nutzen einer Ware für die menschlichen Bedürfnisse motiviert den Kapitalisten, sondern er produziert einfach alles, was sich verkaufen lässt.
Während in den früheren Produktionsweisen Produkte hergestellt wurden, die dem Gebrauch dienten, sei es dem Konsum der Ausgebeuteten oder dem Prunk der Herrschenden, wird im Kapitalismus ausschließlich für Profit produziert.
Nutzen, Art, Zusammensetzung, Entstehung, Verwertung, Entsorgung der produzierten Waren sind dem Kapitalisten schnuppe – Hauptsache, damit lässt sich Geld machen.
Dieser Mechanismus führt dazu, dass im Kapitalismus Waren hergestellt werden, die oft - wenn überhaupt - nur einen geringen Gebrauchswert haben.
Ist der Nutzen eines Produktes oft schon verschwindend gering, nimmt die Herstellung bei vielen Produkten absurde Züge an.
Es werden Produkte hin- und hertransportiert, nicht weil deren Beschaffenheit oder Veredelung dies verlangen würde, sondern weil die Herstellung bzw. Verarbeitung an verschiedenen Standorten für den einzelnen Kapitalisten kostengünstiger ist.
Zwei Beispiele: Milch wird von Deutschland über die Alpen nach Italien transportiert, um dort zu Joghurt verarbeitet zu werden, bevor dieser wieder nach Deutschland über die Alpen zurückbefördert wird, um erst dann verkauft zu werden. Der Grund: einzig weil die Lohnkosten für den einzelnen Unternehmer an den beteiligten Orten günstiger sind, als das Ausgangsprodukt an einem Ort zu verarbeiten. Das andere Beispiel: Jeder PKW wird heute aus einzelnen Bestandteilen zusammengebaut, die zuvor durch halb Europa gekarrt werden, bevor der Wagen schließlich in einem Werk vom Band läuft. Bevor eine Ware zum Verkauf bereitsteht, haben ihre Bestandteile in verschiedenster Form schon unzählige Kilometer zurückgelegt.
So sind unglaublich umfangreiche Güterbewegungen entstanden, die bei einer vernünftigen Produktionsform, die sich nicht nach den Profitinteressen eines einzelnen Unternehmers richtet, sondern nach den Bedürfnissen der Menschen und den Erfordernissen der Natur, nicht anfallen würden.
Weil ein Drittel der weltweiten CO2-Emissionen auf den Verkehr zurückzuführen ist, lassen sich diese Emissionen auch gar nicht vermeiden, solange die Unternehmer ihre Güter hin und herkarren, nur weil in dem einen Ort billiger produziert werden kann als woanders.
Ein Großteil des PKW-Verkehrs selbst aber ist ein Ergebnis eines unkontrollierten Prozesses, wo aufgrund der Konzentration der immer weniger werdenden Arbeitsplätze in einigen Gebieten auf dem Erdball jeden Tag Hunderte von Millionen Menschen zwischen Arbeitsplatz und Wohnort pendeln – viele legen dabei wahre Marathonstrecken zurück, oft stundenlang, mit entsprechendem CO2-Ausstoß.
Solange diese Kette von Widersprüchen nicht durchbrochen ist, doktert man nur an den Symptomen herum.
Konkurrenz und Anarchie bringen der Menschheit und der Natur den Tod
Ein weiteres Prinzip im Kapitalismus ist, dass jeder Kapitalist für sich produziert. Er steht in meist mörderischer Konkurrenz zu anderen Produzierenden. Weil somit jeder der Rivale des anderen ist, kann es keine Absprachen, keine Planung, kein gemeinsames Vorgehen geben, sondern nur ein Sich-Durchsetzen des einen auf Kosten des anderen. Leidtragender ist die Natur und damit letztendlich der Mensch. Das hat zur Folge, dass bei der Erstellung eines Produktes nicht danach gefragt wird, ob der Aufbau einer Fabrik im Einklang steht mit den Gegebenheiten der Natur oder ob z.B. der Anbau eines landwirtschaftlichen Erzeugnisses gesamtwirtschaftlich sinnvoll ist.
Die Folge: Unternehmer können Fabriken inmitten unberührter Flecken errichten, weil sich dort leicht Rohstoffe fördern lassen oder weil dort mit billigen Löhnen produziert werden kann. Bauern bestellen die Felder mit Pflanzen, die ohne künstliche Bewässerung, ohne Unmengen von Pestiziden, Fungiziden usw. nicht gedeihen können, während sie an anderen Orten auf der Erde ohne all diese Hilfsmittel bzw. mit einem viel geringeren Aufwand gedeihen könnten. Mittlerweile entstehen in der Landwirtschaft ein Drittel der Ernteerzeugnisse mit künstlicher Bewässerung. Resultat: zwei Drittel des weltweit vorhandenen Süßwassers wird von der Landwirtschaft zur künstlichen Bewässerung benötigt.
Die Folgen des Raubbaus an der Natur sind bekannt: Überdüngung, Entzug des Grundwassers, Versalzung der Böden. So ist infolge der künstlichen Bewässerung weltweit ca. ein Viertel der landwirtschaftlichen Nutzfläche durch Versalzung bedroht.
Welche Erklärung gibt es somit für die Tatsache, dass mehr als 150 Jahre Kapitalismus eine ökologische Trümmerlandschaft hinterlassen haben, dass die jeweiligen Konkurrenten – vom einzelnen Unternehmer bis hin zu den Staaten – nicht miteinander, sondern gegeneinander arbeiten? „In dem Ganzen, das sich über Ozeane und Weltteile schlingt, macht sich kein Plan, kein Bewusstsein, keine Regelung geltend; nur blindes Walten unbekannter, ungebändigter Kräfte treibt mit dem Wirtschaftsschicksal der Menschen sein launisches Spiel. Ein übermächtiger Herrscher regiert freilich auch heute die arbeitende Menschheit: das Kapital. Aber seine Regierungsform ist nicht Despotie, sondern Anarchie. Erkennen und bekennen, dass Anarchie das Lebenselement der Kapitalsherrschaft ist, heißt in gleichem Atem das Todesurteil sprechen, heißt sagen, dass ihrer Existenz nur eine Gnadenfrist gewährt ist" (Rosa Luxemburg, Einführung in die Nationalökonomie, Gesammelte Werke, Ökonomische Schriften, Bd. 5, S. 578).
Der Kapitalismus kann sich die Frage nicht stellen, was wo wie am vernünftigsten produziert wird. Solange es keine Planung, keine Abstimmung über eine ökologisch vernünftige, auf Nachhaltigkeit abzielende Produktion gibt, müssen die Mechanismen der kapitalistischen Produktion uns weiter erdrücken. Solange die Produktion nicht nach diesen Kriterien organisiert wird, wird die Klimakatastrophe weiter zunehmen, werden Müllberge, Deponien, Kloaken weiter anwachsen.
Welche Schritte sind erforderlich?
In Anbetracht der überall in der Natur und in allen Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens zu spürenden Auswirkungen der Umweltzerstörung kam in unserer öffentlichen Diskussionsveranstaltung in Köln die Frage auf, ob nicht eigentlich ein staatenübergreifendes, weltweit abgestimmtes Vorgehen erforderlich wäre, um weiteren Schaden von der Menschheit und dem Erdball abzuwenden.
Auch wenn sich einige Verantwortliche in Regierung und Wirtschaft der Gefahr immer bewusster werden, ist der Kapitalismus unfähig, irgendeine Art Weltregierung zu bilden. Denn die Konkurrenz, die nationalstaatlichen Interessensgegensätze, der sich daraus ergebende Kampf des Jeder-gegen-Jeden verhindern ein weltweites und auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Vorgehen. Das jüngste Beispiel, das Kyoto-Protokoll, das eine (verschwindend geringe) Reduzierung vorsieht, belegt die Unfähigkeit, der Herrschenden, überhaupt an einem Strang zu ziehen. Dabei haben sowohl die größte Industriemacht der Welt – die USA – und das Land mit den seit Jahren beeindruckendsten Wachstumszahlen – China – dieses Protokoll nicht einmal unterzeichnet bzw. wurden von dieser Verpflichtung ausgenommen. Trotz des Kyoto-Protokolls steigt der weltweite CO2-Ausstoß weiterhin an. Statt diesen Trend zu brechen, betreibt die Kapitalistenklasse eifrig Emissionshandel. Eine weltweite Abstimmung der Produktion unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Natur ist erst in einer Gesellschaft möglich, in der nicht mehr für Profit, sondern für die Bedürfnisse der Menschen produziert wird.
Eine Politik der ‚kleinen’ Schritte?
Ein Teilnehmer meinte im weiteren Verlauf der Diskussion, dass Umweltschutzorganisationen nicht nur wertvolle Informationen und Einsichten lieferten, somit zum Problembewusstsein beitrügen, sondern auch handelten und notwendige kleine Schritte unternähmen.
In der Diskussion wurde darauf entgegnet, dass zum einen die Herrschenden in Wirklichkeit die katastrophalen Perspektiven ausnutzen, um ein Gefühl der Hilflosigkeit zu erwecken und Maßnahmen vorzuschlagen, die alle auf eine Vereinzelung und letztendlich reine Kosmetik hinauslaufen. Dem gegenüber tun Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace so, als ob man durch spektakuläre Proteste wie Anketten an Fabrikschlote oder vor Werktoren von ‚Umweltsündern’ usw. Leute mobilisieren könnte.
Wie die Diskussion hervorhob, lässt sich das ganze Ausmaß der Umweltzerstörung nicht durch einzelne Maßnahmen eindämmen. Es ist unumgänglich, das Übel an der Wurzel zu packen. Man muss die Grundlagen der Produktion selbst ändern. Während die fortschreitende Zerstörung der Erde es zu einer Überlebensfrage der Menschheit macht, dieses System zu überwinden, rufen die Umweltschutzorganisationen das Gefühl hervor, man habe etwas getan. Tatsächlich versperren sie den Blick auf das Ganze, d.h. den Zusammenhang zwischen den Widersprüchen des Systems, der Krise, dem Krieg und der Umweltzerstörung und damit der Notwendigkeit, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
Die Tatsache, dass die Auswirkungen der Umweltkatastrophe überall weltweit festzustellen sind, verlangt nach einer weltweiten Lösung. Weil es keine lokale, keine regionale, keine nationale und auch keine Teillösung gibt, rückt die Frage der Überwindung des Kapitalismus immer mehr in den Vordergrund. Und weil die Lösung des Problems nur global, d.h. weltweit erreicht werden kann, muss und kann sie nur von einer Kraft herbeigeführt werden, die dazu in der Lage ist, international, d.h. planetar zu denken, und die kein Interesse an der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems hat. Deshalb betonte ein Teilnehmer zu Recht, dass eigentlich nur der Klassenkampf, d.h. der Kampf der Arbeiterklasse für die Verteidigung ihrer ökonomischen Interessen einen Ansatzpunkt liefert, eine Kraft aufzubauen, die ein späteres Überwinden des Systems möglich macht. D.h. nicht die Mobilisierung für irgendwelche Teilbereiche der Gesellschaft führt zum notwendigen Zusammenschluss der Betroffenen, sondern der Abwehrkampf der Arbeiterklasse für ihre Klasseninteressen bietet einen gemeinsamen Nenner, all die anderen Fragen aufzugreifen, die notwendigerweise angepackt werden müssen.
Auch wenn Teile der herrschenden Klasse sich des Ausmaßes der Umweltschäden immer bewusster werden, sind sie dennoch unfähig, einschneidende, eine Kehrtwendung herbeiführende Maßnahmen zu ergreifen, die diesem fatalen Verlauf Einhalt gebieten könnten. Ein klassischer Vorschlag zur Bekämpfung der Klimakatastrophe ist zum Beispiel der Einsatz von Instrumenten des Marktes, indem z.B. "Kohlendioxid (...) kurzerhand zu einem Wirtschaftsgut erklärt (wird), so wie Weizen, Autos oder Turnschuhe." (Spiegel, 45/2006). Auf die Frage, ob der Markt die Lösung oder die Wurzel des Problems ist, wurde in der Diskussion ausführlicher eingegangen - aus Platzgründen können wir jedoch nicht näher hier darauf eingehen. Wir verweisen auf das Einleitungsreferat, das wir auf unserer Webseite veröffentlicht haben.
Einerlei, in der Veranstaltung wurde zum Schluss betont, dass die Zeit gegen die Menschheit arbeitet, denn die Gefahr besteht, dass durch die Umweltzerstörung irreparable Schäden entstehen, die die Überlebensfähigkeit der Menschheit aufs Spiel setzen.