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Keine zwei Monate, nachdem die Turbulenzen bei Airbus in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gerückt waren, haben sich die Medien wieder anderen Themen zugewandt. Zumindest in Deutschland ist dieses Thema mittlerweile ins Abseits gedrängt worden. Die Lage bei Airbus ist wieder zu einer ausschließlichen Angelegenheit der „Spezialisten“ aus den Vorstandsetagen und den Gewerkschaftsführungen gemacht worden, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit nun diskret das Schicksal Tausender Beschäftigter „abwickeln“ wollen. Erneut beweisen sich die Gewerkschaften, auf deutscher Seite vor allem die IG Metall, als Virtuosen auf der Klaviatur der Spaltungsmanöver.
Keine zwei Monate, nachdem die Turbulenzen bei Airbus in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gerückt waren, haben sich die Medien wieder anderen Themen zugewandt. Zumindest in Deutschland ist dieses Thema mittlerweile ins Abseits gedrängt worden. Die Lage bei Airbus ist wieder zu einer ausschließlichen Angelegenheit der „Spezialisten“ aus den Vorstandsetagen und den Gewerkschaftsführungen gemacht worden, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit nun diskret das Schicksal Tausender Beschäftigter „abwickeln“ wollen. Erneut beweisen sich die Gewerkschaften, auf deutscher Seite vor allem die IG Metall, als Virtuosen auf der Klaviatur der Spaltungsmanöver. Völlig ungeniert spielen sie dabei mit der nationalistischen Karte, indem sie mit Argusaugen darauf achten, dass das eigene Land bei der Verteilung der Lasten des Krisenmanagements bei Airbus nicht übervorteilt wird. Dabei werfen sie sich auch noch in die Brust und behaupten, dies alles im Interesse der Beschäftigten zu tun. Das Gegenteil ist der Fall! Indem sie systematisch und bewusst die ArbeiterInnen des einen Landes gegen die Airbus-Beschäftigten anderer Länder, die Beschäftigten des einen Airbus-Betriebes gegen die Kollegen und Kolleginnen anderer Betriebe auszuspielen trachten, versuchen sie, die Airbus-Beschäftigten in Frankreich, Spanien, Großbritannien und Deutschland davon abzuhalten, zu ihrer wirkungsvollsten Waffe gegen derlei Attacken der Herrschenden zu greifen – zur buchstäblich grenzenlosen Solidarität der Arbeiterklasse, zur Solidarisierung unter den ArbeiterInnen über alle betrieblichen oder nationalen Grenzen hinweg. Offensichtlich sind die Gewerkschaften bisher recht erfolgreich bei ihren Bemühungen, den Kampfgeist der Airbus-Beschäftigten auf kleiner Flamme zu halten. Jedenfalls deuten die bisher recht müden Aktionen Letzterer eher auf eine Demoralisierung denn auf große Kampfbereitschaft der Betroffenen hin.
Dies die momentane Lage. Jedoch werden die Versuche der Gewerkschaften, die Illusion zu verbreiten, dass die Beschäftigten durch „Realismus“ und „kreative Mitgestaltung“ des Umstrukturierungsprozesses das Schlimmste verhindern und die Anzahl der Jobverluste minimieren könnten, an den unerbittlichen Realitäten zerschellen. Neuerdings wird aus der Konzernzentrale in Toulouse vernommen, dass jedenfalls in Hamburg und vielleicht auch anderswo weitaus mehr Arbeitsplätze gestrichen werden sollen als bislang angekündigt.
Was die Situation in Deutschland auch für die Herrschenden derzeit brisant macht, das ist die Tatsache, dass neben den Airbus-Beschäftigten auch andere Bereiche der Arbeiterklasse massiven Angriffen ausgesetzt sind. An erster Stelle seien hier die Beschäftigten der Deutschen Telekom genannt, die sich zurzeit mit einem der massivsten Angriffe in der jüngeren Geschichte Deutschland konfrontiert sehen. Vor dem Hintergrund schwerer Einbrüche auf dem Telekommunikationsmarkt sieht sich der Telekom-Vorstand gezwungen, zu drastischen Maßnahmen zu greifen. 50.000 Arbeitsplätze sollen aus dem Telekom-Konzern „ausgegliedert“ werden; die Betroffenen sollen dabei 12%ige Lohneinbußen hinnehmen und – als ob dies nicht schon genug wäre – darüber hinaus vier Stunden pro Woche länger arbeiten – natürlich unentgeltlich. Mitte April begannen die Verhandlungen zwischen dem Telekom-Vorstand und Ver.di. Von Anfang an war die Verhandlungsstrategie von Ver.di darauf ausgerichtet, irgendeine Art von „Kompensationen“ für die angestrebte Ausgliederung zu erhalten. Mit anderen Worten: Ver.di hoffte, dass sich die Telekom-Beschäftigten bereits in ihr Schicksal fügen, ehe sie überhaupt erst den Kampf aufgenommen zu haben. Doch anscheinend hat Ver.di die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Nicht nur, dass die dreitägigen Warnstreiks, an denen jeweils mehr als 10.000 Telekom-Beschäftigten Mitte April teilnahmen, von einem kämpferischen Geist beseelt waren. Hinzu kommt, dass die Beschäftigten keinesfalls das uneingestandene Ziel Ver.dis teilen. Die Äußerungen vieler Teilnehmer der Warnstreiks vor den zahlreich vertretenen Fernsehkameras deuten darauf hin, dass die Ausgliederung von 50.000 Arbeitsplätzen für die Beschäftigten selbst noch längst keine beschlossene Sache ist. Denn hier geht es nicht mehr darum, auf die Urlaubsreise oder ein neues Auto zu verzichten. Hier geht es um die nackte Existenz! Es wird berichtet, dass Tausende von Telekom-Beschäftigten ihr Heim werden verpfänden müssen, falls das Vorhaben des Vorstandes Realität wird. Unter diesen Umständen ist eine geräuschlose Abwicklung dieses üblen Plans nicht mehr möglich. Nachdem sie zwischenzeitlich versucht hatte, durch die vorläufige Suspendierung der Verhandlungen mit dem Telekom-Vorstand Zeit zu gewinnen und die Dinge etwas zu beruhigen, muss Ver.di nun wohl oder übel schärfere Töne anschlagen. Doch wenn die Gewerkschaftsführung nun unverhohlen von der Unvermeidlichkeit eines Streiks bei der Telekom spricht, so können wir getrost davon ausgehen, dass sie dies nicht freiwillig, aus Jux und Dollerei macht. Jeder große Streik, welcher um wirkliche Klassenforderungen geführt wird, birgt das Potential in sich, die Arbeiterklasse an ihre eigene Identität und Kraft als Klasse zu erinnern. Dies auch der Grund, weshalb Gesamtmetall und IG Metall sich so sehr einig waren, die diesjährigen Tarifverhandlungen in der wichtigsten Branche der deutschen Industrie ohne Streik zu beenden. Wenn also Ver.di nun offen vom Streik spricht, dann aus dem einfachen Grund, weil sie es muss. Die immer martialischeren Töne aus der gewerkschaftlichen Ecke sind nur dem Schein nach an den Telekom-Vorstand gerichtet. Der eigentliche Adressat, das sind die Telekom-Beschäftigten, deren Kampfgeist gezügelt, deren Wut ventiliert und deren Vertrauen in die Kompetenz der Gewerkschaft erhalten werden soll.
Am 18. April - am gleichen Tag, als Ver.di die Verhandlungen mit dem Telekom-Vorstand vorläufig einstellte – gab General Motors seinen jüngsten „Sanierungs“plan für die europäischen Werke bekannt. Er sieht u.a. die Vernichtung von 1.700 Arbeitsplätzen bei Opel Bochum vor. Für die ArbeiterInnen des Bochumer Werks ist dies dennoch ein „Glück“ im Unglück, denn anders als von den Experten und der Börse erwartet, wird das Bochumer Werk nicht nur nicht geschlossen, sondern sogar zum zentralen Standort für die Produktion des Erfolgsmodells, den Opel Astra, ausgebaut. Es stellt sich die Frage, warum das Opel-Werk in Bochum nicht geschlossen wird, obwohl viele Gründe gegen Bochum sprechen, nicht zuletzt die völlig veraltete Infrastruktur des dortigen Werkes. Die Antwort lautet unserer Auffassung nach schlicht und einfach: Die Verantwortlichen haben einen Heidenrespekt vor dem Kampfgeist der Bochumer Belegschaft. Bereits Anfang März, als die ersten Neuigkeiten über den Sanierungsplan durchsickerten und das Gerücht über eine eventuelle Schließung des Bochumer Werkes die Runde machten, warnte der Betriebsratsvorsitzende des betroffenen Werkes, dass eine solche Maßnahme einen „Krieg“ auslösen könnte, d.h. einen Klassenkrieg, und das mitten im Ruhrgebiet. Und er weiß, wovon er spricht. Die Belegschaft des Bochumer Werkes hat eine lange Kampftradition. Angefangen von den wilden Streiks in den siebziger Jahren bis hin zum mehrtägigen Streik im Sommer 2003 – nie haben die OpelarbeiterInnen in Bochum Zweifel an ihrer Kampfbereitschaft gelassen. Nun, die Warnung des als sehr konziliant geltenden Herrn Betriebsratsvorsitzenden scheinen erhört worden zu sein. Das Kapital geht, wie zumeist, den Weg des geringeren Widerstandes.
Bei einem anderen Automobilhersteller in Deutschland ist dagegen der worst case bereits eingetreten. Bei VW wurde gestreikt, nicht in Deutschland, sondern bei der VW-Tochter Skoda in Tschechien. Den dünnen Verlautbarungen der hiesigen bürgerlichen Medien zufolge sind am Montag, den 16. April, die ArbeiterInnen der Skoda-Werke in Pilsen und Mlada Boleslaw in den Ausstand getreten; die Produktion ist völlig zum Erliegen gekommen. 28.000 Beschäftigte waren an dem Ausstand beteiligt. Durch die allgemeine Unzufriedenheit unter Druck geraten, hatten die Gewerkschaften zu einem dreistündigen Warnstreik aufgerufen. Damit sollte Druck abgelassen und unwirksam gemacht werden. Nachdem jedoch der Streik über dieser dritte Stunde hinaus fortgesetzt wurde und die Beteiligten keine Anstalten machten, auch am darauf folgenden Tag die Arbeit wieder aufzunehmen, musste die Konzernleitung noch am selben Tag einlenken. Anlass des Kampfes ist eine 12%ige Lohnerhöhung gewesen, die die ArbeiterInnen vom VW-Konzern fordern. Solch eine hohe Lohnforderung in Zeiten des allgemeinen Lohnraubs ist ungewöhnlich und lässt erahnen, wie unerträglich das Lohnniveau für die ArbeiterInnen in Ländern wie der Tschechischen Republik mittlerweile geworden ist. Die Kapitalseite gab offenbar so schnell nach, weil sie eine weitere Ausdehnung des Kampfes innerhalb der tschechischen Republik, aber auch die internationale politische Signalwirkung eines solchen, größeren Kampfes fürchten musste. Denn ein solcher Kampf muss nicht zuletzt auch die Arbeiterklasse in Deutschland und Westeuropa ermutigen. Bis dato hat die hiesige Bourgeoisie gerne auf die niedrigen Löhne in den osteuropäischen und asiatischen Ländern hingewiesen, um die Löhne hierzulande in einem nie gekannten Ausmaß zu kürzen. Nun haben die Skoda-ArbeiterInnen gezeigt, dass es noch eine andere, eine proletarische Antwort auf das Problem des Lohngefälles gibt. Sollte ihr Kampf in den Billiglohnländern Schule machen, so wäre er eine große Ermutigung ihrer Brüder und Schwestern in den westlichen Industrieländern. Denn Lohnkämpfe in den Billiglohnländern erschweren es der hiesigen Bourgeoisie, die Arbeiterklasse in den Kernländern des Weltkapitalismus mit der Drohung der Auslagerung von Arbeitsplätzen zu erpressen und zum Stillhalten zu zwingen.
Airbus, Telekom, Opel und Skoda: vier aktuelle Beispiele aus der Chronik des Klassenkampfes, vier unterschiedliche Konstellationen und Erfahrungen, aber eine einzige Schlussfolgerung – Kampfbereitschaft zahlt sich aus. Sie bremst die Angriffslust der Herrschenden und hemmt sie bei der Verfolgung ihrer menschenverachtenden Logik, aber vor allem verschafft der Kampf der Arbeiterklasse erst das Gefühl für ihre eigene Stärke und Identität – ein Gefühl, das seit 1989 etwas verloren gegangen ist. Mögen die meisten Kämpfe heute noch mit Misserfolgen enden oder bestenfalls von sehr kurzfristigen Erfolgen gekrönt sein – die Tageskämpfe von heute werden spätestens in den revolutionären Kämpfen von morgen ihre „Rendite“ abwerfen. Weltrevolution - 7.5.07