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Die Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands (Spartakusbund)
Mit der Gründung der KPD vom 30. Dezember 1918 -1. Januar 1919 dokumentierte die revolutionäre Opposition gegen die Sozialdemokratie, dass sie ihre organisatorische Autonomie gefunden hatte. Die KPD wurde gegründet, als das bewaffnete Proletariat auf der Straße kämpfte und in einigen Industriezentren kurzzeitig die Macht in den Händen hielt. Bald offenbarte diese Partei jedoch den heterogenen Charakter ihrer Zusammensetzung und ihr Unvermögen, ein globales und vollständiges Verständnis der Aufgaben zu entwickeln, für deren Wahrnehmung sie gegründet worden war.
Welche Kräfte einigten sich, um die Partei zu formen? Und wie sahen die Probleme aus, vor die diese Kräfte bald gestellt wurden?
Wir werden hauptsächlich die Momente behandeln, die uns geeignet erscheinen, die Fehler aufzuzeigen, die wichtige und weitreichende Folgen hatten.
Der Verlauf der Ereignisse nach dem 4. August 1914 war gekennzeichnet von Schwierigkeiten und Konfusionen. Die Geschichte des Spartakusbundes steht dafür beispielhaft. Seine Rolle als Bremser in der theoretischen Klärung und bei der Entwicklung der kommunistischen Bewegung ist über jeden Zweifel erhaben.
In seiner Zeit waren alle wichtigen Beschlüsse des Spartakusbundes von den Positionen Rosa Luxemburgs geprägt (die Gruppe nannte sich ab 1916 so; zwischen 1915 und 1916 hieß sie noch „Internationale“, nach der im April 1915 erschienenen Zeitschrift).
Auf der Zimmerwalder Konferenz (5.-8. September 1915) wurden die Deutschen von der Gruppe „Internationale“, dem Berliner Julian Borchardt (Vertreter einer mit „Lichtstrahlen“ verbundenen kleinen Gruppe) und dem zentristischen Flügel um Kautsky vertreten. Allein Borchardt verteidigte die internationalistischen Positionen Lenins, während die anderen Deutschen die folgende Resolution unterstützten: „Diese Konferenz darf auf keinen Fall den Eindruck erwecken, eine Spaltung und die Gründung einer neuen Internationalen zu wollen.“[1]
In Kienthal (24.-30. April 1916) wurde die deutsche Opposition von der Gruppe „Internationale“ (Berta Thalheimer und Ernst Meyer), der „Opposition in der Organisation“ (Zentristen um Hoffmann) und den Bremer Linksradikalen mit Paul Fröhlich vertreten. Die Bedenken der Spartakisten (Internationale) waren nicht ganz überwunden. Sie waren den zentristischen Positionen immer noch näher als denen der Linken (Lenin/Fröhlich). Meyer äußerte: „Wir wollen die ideologische Basis der neuen Internationale gründen. Aber in der Frage der organisatorischen Form wollen wir uns nicht festlegen, da noch alles in Bewegung ist.“
Rosa Luxemburg war nämlich der klassischen Auffassung, die Partei sei am Ende einer Revolution notwendiger als in ihrer ersten vorbereitenden Phase: „In einem Wort und historisch ist der Moment, in dem wir führen müssen, nicht am Anfang der Revolution, sondern am Ende.“
Das wichtigste Ereignis auf internationaler Ebene war sicherlich die Entstehung der Bremer Linksradikalen.[2] Schon früh veröffentlichte die sozialdemokratische Zeitung Bremens - die „Bremer Bürgerzeitung“ - wöchentlich Artikel von Pannekoek und Radek. Unter dem Einfluss der Holländischen Linken bildete sich bald in Bremen die Gruppe um Knief, Fröhlich und anderen. Ende 1915 gingen aus der Vereinigung der Bremer Gruppe mit den Berliner Kommunisten der Zeitschrift „Lichtstrahlen“ die Internationalen Sozialisten Deutschlands (ISD) hervor. Die Bremer Linke trennte sich im Dezember 1915 auch formell von der Sozialdemokratie. Sie hatte jedoch bereits im Juni begonnen, die „Arbeiterpolitik“ zu publizieren, das damals wichtigste legale Organ der Linken.[3] In dieser Zeitung erschienen Artikel von Pannekoek, Radek, Sinowjew, Bucharin, Kamenew, Trotzki und Lenin.
„Arbeiterpolitik“ zeigte von vornherein ein größeres Bewusstsein für den Bruch mit dem Reformismus. In der ersten Nummer konnte man lesen, dass der 4. August 1914 „das natürliche Ende einer politischen Bewegung darstellt, deren Niedergang vor einiger Zeit begonnen hatte.“ Aus „Arbeiterpolitik“ entwickelten sich die Tendenzen, die maßgeblich darauf drängten, die Frage der Partei erneut in der Arbeiterbewegung zu stellen. Da die Spartakisten jedoch weiterhin am Verbleib in der Sozialdemokratie festhielten, wurde die Diskussion zwischen ihnen und der Bremer Gruppe wesentlich erschwert. Auf der nationalen Konferenz der Gruppe Internationale am 1. Januar 1916 kritisierte Knief den Mangel an klaren Perspektiven und jeglicher Entschlossenheit zum Bruch mit der SPD und dementsprechend auch den Mangel einer Perspektive der Bildung einer auf radikal neuen Grundlagen basierenden revolutionären Partei.
Die spartakistische Gruppe Internationale blieb weiterhin in der „Sozialistischen Arbeitsgemeinschaft“ im Reichstag und gab folgende Erklärung ab: „Kampf um die Partei und nicht gegen die Partei [...] Kampf für die Demokratie innerhalb der Partei, für die Rechte der Masse der Parteigenossen gegen die Führer, die ihre Pflichten vergessen [...] Unsere Parole ist weder Spaltung noch Einheit, weder neue noch alte Partei, sondern die Eroberung der Partei von der Basis dank der Empörung der Massen [...] der endgültige Kampf um die Partei hat begonnen.“ (Spartakusbriefe, 30. März 1916). Zur gleichen Zeit konnte man in „Arbeiterpolitik“ lesen: „Wir behaupten, dass die Spaltung sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene nicht nur unvermeidlich ist, sondern sogar eine Voraussetzung für den wirklichen Wiederaufbau der Internationale, des Aufflammens der proletarischen Bewegung der Arbeiter ist. Wir behaupten, es ist unzulässig und gefährlich, uns daran zu hindern, unsere tiefe Überzeugung vor den Arbeitermassen auszudrücken.“ (Arbeiterpolitik Nr. 4). Und Lenin schrieb in Über die Junius-Broschüre (Juli 1916): „Der größte Mangel des gesamten revolutionären Marxismus in Deutschland ist das Fehlen einer festgefügten illegalen Organisation. [...] Eine solche Organisation müsste sowohl dem Opportunismus als auch dem Kautskyanertum gegenüber eine eindeutige Stellung einnehmen. [...] Nur die Gruppe der ‚Internationalen Sozialisten Deutschlands‘ (ISD) bleibt - klar und deutlich für alle - auf ihrem Posten.“ (Lenin: Über die Junius-Broschüre, in: Lenin Werke, Bd. 22, S. 312 ff).
Der Eintritt der Spartakisten in die USPD (gegründet vom 6.-8. April 1917) - eine zentristische Partei, die sich nicht grundsätzlich von der Sozialdemokratie unterschied, aber mit der zunehmenden Radikalisierung der Massen verknüpft war (Haase, Ledebour, Kautsky, Hilferding und Bernstein gehörten ihr an) - erschwerte zusätzlich die Beziehungen zwischen den Bremer Kommunisten und den Spartakisten. Und im März 1917 konnte man in „Arbeiterpolitik“ lesen: „Die Linksradikalen stehen vor einer wichtigen Entscheidung. Die größte Verantwortung liegt in den Händen der Gruppe Internationale, die, trotz der von uns geübten Kritik, immer noch die aktivste und größte Gruppe bleibt und den Kern der zukünftigen linksradikalen Partei bildet. Ohne sie, müssen wir ehrlich zugeben, werden wir und die ISD in absehbarer Zeit keine handlungsfähige Partei aufbauen können. Es hängt von der Gruppe Internationale ab, ob der Kampf der Linksradikalen geeint unter einer Flagge geführt werden soll oder ob die Oppositionen, die in der Vergangenheit in der Arbeiterbewegung aufgetreten sind und deren Konkurrenz ein Faktor der Aufklärung sind, ihre Zeit und Energie verschwenden, um allein in die Konfusion zu führen.“
Über den Beitritt der Spartakisten zur USPD konnte man im gleichen Blatt lesen: „Die Internationale Gruppe ist tot [...] Eine Gruppe von Genossen hat ein Aktionskomitee für den Aufbau einer neuen Partei gebildet.“
In der Tat fand im August 1917 in Berlin eine Versammlung mit Delegierten von Gruppen aus Frankfurt, Bremen, Berlin und anderen Städten statt, um die Basis für eine neue Partei zu legen. An diesem Treffen nahm auch Otto Rühle mit der Gruppe aus Dresden teil.
In der Spartakusgruppe selbst tauchten Elemente auf, die den Linksradikalen in etlichen Positionen sehr nahe standen. Sie akzeptierten die organisatorischen Kompromisse der Zentrale um Rosa Luxemburg nicht. Dies waren zunächst die Gruppen in Duisburg, Frankfurt und Dresden mit ihrer Opposition gegen die Teilnahme an der Arbeitsgemeinschaft. Die Zeitung der Duisburger Gruppe „Kampf“ beteiligte sich an einer lebhaften Debatte gegen diese Teilnahme. Anschließend wandten sich andere Gruppen, wie z.B. die recht wichtige Gruppe um Heckert in Chemnitz, gegen den Anschluss an die USPD. Sie waren mit Radek einer Meinung, der in „Arbeiterpolitik“ schrieb: „Die Auffassung, zusammen mit den Zentristen eine Partei aufzubauen, ist eine gefährliche Utopie. Die Linksradikalen müssen, wenn sie ihre historische Aufgabe verrichten wollen, ihre eigene Partei aufbauen, ungeachtet der Schwierigkeiten, die ein Bruch hervorbringt.“
Liebknecht selbst, der enger mit der Unruhe innerhalb der Klasse verknüpft war, brachte seinen eigenen Standpunkt in einem im Juni 1916 geschriebenen Text zum Ausdruck, worin er auf der Suche nach einem Verständnis des Pulsschlages der Revolution zwischen drei Gesellschaftsschichten der Sozialdemokratie unterscheidet: Die erste bestand aus den bezahlten Parteifunktionären, die soziale Basis der Mehrheitspolitik der SPD. Die zweite bestand aus „den bessersituierten gelernten Arbeitern, Handwerkern, usw. Ihnen ist die Rechnung bei dem Risiko einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den herrschenden Klassen nicht klar. [...] Sie wollen protestieren und ‚kämpfen' und können sich nicht entschließen, den Rubikon zu überschreiten. Sie sind die Basis der Arbeitsgemeinschaft.“
Und die dritte schließlich setzt sich zusammen aus „[der] besitzlosen Masse der ungelernten Arbeiter, dem Proletariat im eigentlichen, engen Sinn. [...] Sie haben an diesen Staaten nichts zu verlieren als ihre Ketten und durch ihre Niederwerfung und Sprengung alles zu gewinnen. [...] Diese Massen, das Proletariat, vertreten wir.“ (Karl Liebknecht, in: Gesammelte Reden und Schriften Bd. 9, S. 299)
All dies beweist zweierlei:
1) dass ein wichtiger Teil der Spartakus-Gruppe die gleiche Richtung wie die Linksradikalen vertrat und dabei mit dem in der Minderheit befindlichen Zentrum - vertreten durch Luxemburg, Jogiches und Levi – in Konflikt geriet;
2) den föderalistischen, nicht zentralisierten Charakter der Spartakus-Gruppe.
Die Russische Revolution
Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Spartakisten und der USPD-Mehrheit über die Russische Revolution brachte „Arbeiterpolitik“ dazu, die Diskussion mit den Spartakisten erneut aufzunehmen.[4] Die Bremer Kommunisten haben die Solidarität mit der Russischen Revolution nie von der Notwendigkeit der Gründung einer kommunistischen Partei in Deutschland getrennt. Warum, fragten sie, hatte die Revolution in Russland triumphiert?
„Einzig und allein weil in Russland eine selbstständige Partei von Linksradikalen besteht, die von Anfang an die Fahne des Sozialismus hochgehalten hat und sie durch den Wandel der sozialen Revolution hindurch verfochten hat.“
„Während in Gotha noch gute Gründe für die Haltung der Internationale-Gruppe gefunden werden konnten, ist von Tag zu Tag aller Schein der Rechtfertigung für das Zusammengehen mit den Unabhängigen verblasst.“
„Heute fordert die internationale Situation mit einer noch dringlicheren Notwendigkeit die Gründung einer radikalen linken Partei.“
„Unsererseits sind wir mit allen Kräften dabei, die Voraussetzungen für eine linksradikale Partei in Deutschland zu schaffen. Angesichts der Schwächen der Unabhängigen in den letzten neun Monaten, angesichts der verheerenden Folgen des Kompromisses von Gotha[5] der die zukünftige Entwicklung einer radikalen Partei nur bremsen kann, rufen wir unsere Freunde von der Gruppe Internationale auf, unmissverständlich und offen mit den pseudo-sozialistischen Unabhängigen zu brechen und eine selbstständige radikale Partei aufzubauen.“ („Arbeiterpolitik“, 15. Dezember 1917, unsere Hervorhebung)
Ungeachtet dessen musste noch ein Jahr verstreichen, bevor die Partei in Deutschland gegründet wurde. Ein Jahr, in dem die sozialen Spannungen stetig zunahmen, von den Berliner Streiks im April 1917 bis zur Meuterei der Marine und der Streikwelle des Januar 1918 (Berlin, Ruhrgebiet, Kiel, Hamburg, Dresden), die während des ganzen Sommers und Herbstes anhielt.
Untersuchen wir nun einige andere kleine Gruppen, die kennzeichnend für die deutsche Situation waren: Wie schon erwähnt, schloss die ISD auch die Berliner Gruppe um die Zeitung „Lichtstrahlen“ ein. Der wichtigste Wortführer dieser Gruppe war Borchardt. Seine in der Zeitung entwickelten Ideen waren stark antisozialdemokratisch, stellten jedoch durch seine halbanarchistischen Orientierung einen Bruch mit den Bremern dar. „Arbeiterpolitik“ merkt dazu an: „An Stelle der Partei kommt er mit der Vorstellung einer propagandistischen Sekte anarchistischer Art“. Später bezeichneten ihn die Linkskommunisten als einen Renegaten.
In Berlin wurde Werner Möller, der schon an „Lichtstrahlen“ mitwirkte, zum eifrigsten Mitarbeiter der „Arbeiterpolitik“ und schließlich ihr Vertreter. Er wurde im Januar 1919 kaltblütig von Noskes Männern ermordet.
In Berlin war die linke Strömung mit den Spartakisten Schröder und Friedrich Wendel u.a. (später KAPD) sehr stark.
Die Hamburger Gruppe nahm einen besonderen Platz innerhalb der revolutionären Opposition gegen die Sozialdemokratie ein. Sie trat den ISD erst im November 1918 bei, als diese am 23. Dezember 1918 auf Vorschlag von Knief ihren Namen in IKD (Internationale Kommunisten Deutschlands) umänderten. Ihre bekanntesten Vertreter waren Heinrich Laufenberg und Fritz Wolffheim. Von den Bremer Kommunisten unterschieden sie sich durch ihre syndikalistische und anarchistisch ausgerichtete Politik gegen die Führer. „Arbeiterpolitik“ hingegen blieb bei ihrem korrekten Standpunkt, als sie schrieb: „Die Sache der Linksradikalen, die Frage der zukünftigen kommunistischen Partei Deutschlands, in der sich früher oder später all diejenigen zusammenfinden werden, die den alten Idealen treu geblieben sind, beruht nicht auf großen Namen. Im Gegenteil, wenn wir den Sozialismus erreichen wollen, ist und muss das wirklich neue Element sein, dass die anonyme Masse ihr Schicksal in die eigene Hand nimmt, dass jeder Genosse seinen eigenen Beitrag liefert, ungeachtet der 'großen Namen', die an seiner Seite sind.“
Die unverhohlen syndikalistische Orientierung der Politik der Hamburger Gruppe leitete sich zum Teil aus den Erfahrungen und dem Engagement Wolffheims bei den International Workers of the World in Amerika ab.
Der beste Ausdruck dieser Periode der Klassenbewegung war zweifellos in der Bremer Gruppe zu finden. Dies zu erkennen heißt gleichzeitig, die Fehler und Bedenken der Spartakusgruppe (einschließlich ihrer besten Theoretikerin Rosa Luxemburg) in der Organisationsfrage, der Auffassung über den revolutionären Prozess und der Rolle der Partei zu enthüllen. Wenn wir auf Rosa Luxemburgs Fehler hinweisen, bedeutet dies jedoch in keiner Weise eine Ablehnung ihres heroischen Kampfes; es erlaubt uns lediglich zu begreifen, dass neben den weitreichenden Einsichten, die sie in ihrem theoretischen Kampf gegen Bernstein und Kautsky entwickelte, sie auch Positionen vertrat, die wir nicht akzeptieren können.
Wir haben keine Götter zu verehren! Im Gegenteil, wir müssen die Notwendigkeit begreifen, die Irrtümer der Vergangenheit zu verstehen, um sie heute vermeiden zu können. Wir müssen wissen, wie wir die nützlichen, aber unvollständigen Lehren (in diesem Fall über die Funktion und die organisatorischen Aufgaben der Revolutionäre) aus der historischen Bewegung des Proletariats ziehen können.
Um unsere eigenen Aufgaben zu erfüllen, müssen wir auch die unauflösliche Verknüpfung verstehen, die zwischen den Aktivitäten kleiner Gruppen in Zeiten, wenn die Konterrevolution die Oberhand gewonnen hat (und das Beispiel der Arbeit von Bilan und Internationalisme ist ein beredtes Zeugnis dafür), und der Handlung einer politischen Gruppe existiert, wenn die unüberwindbaren Widersprüche des Kapitalismus die Klasse zum revolutionären Kampf drängen. Dann geht es nicht länger darum, Positionen zu verteidigen, sondern (auf der Grundlage einer ständigen Weiterentwicklung dieser Positionen, auf der Grundlage des Klassenprogramms) fähig zu sein, die Spontaneität der Klasse zu festigen, ein Ausdruck des Klassenbewusstseins zu sein und mitzuhelfen, die Kräfte auf die entscheidende Offensive vorzubereiten, mit anderen Worten: die Partei, ein wesentliches Moment im Triumph des Proletariats, zu bilden.
Doch Parteien fallen genauso wenig wie Revolutionen voll entwickelt vom Himmel. Wie meinen wir das? Organisatorische Willkür ist nicht einfach nur ein alter Zopf; sehr häufig diente sie der Konterrevolution. Eine „Partei“ zu proklamieren, die eigene Organisation als eine Partei in einer Periode der Konterrevolution aufzubauen ist eine Absurdität, ein sehr schwerer Fehler, der von dem Unvermögen zeugt, den Kern des Problems zu begreifen, wenn es keine revolutionäre Perspektive gibt. Jedoch genauso folgenschwer ist es, wenn man diese Frage vernachlässigt und hinausschiebt, bis es zu spät ist. Es ist der zweite Irrtum, der uns hier interessiert.
Diejenigen, die meinen, alle Probleme mit der Spontaneität lösen zu können, setzen die unbewusste Spontaneität an die Stelle eines Übergangs von der Spontaneität zum Bewusstsein. Sie wollen oder können es nicht begreifen, dass diese Bewusstseinserlangung durch die Klasse in ihrem Kampf auch dazu führen muss, die Notwendigkeit eines geeigneten Instrumentes anzuerkennen, mit dem der Angriff gegen den Staat, dem Bollwerk des Kapitals, überhaupt erst durchgeführt werden kann.
Wenn die Spontaneität ein Momentum ist, das wir befürworten, so tötet der Spontaneismus – die Theoretisierung der Spontaneität – die Spontaneität und drückt sich selbst in einer Reihe von abgestandenen Formeln aus: in dem fieberhaften Versuch, “da zu sein, wo die Massen stehen“, in der Unfähigkeit zu beurteilen, wann man im Momenten des Rückfalls und Rückflusses „gegen die Strömung“ sein muss, um später, in entscheidenden Momenten, „mit der Strömung zu schwimmen“. Die Unstimmigkeiten von Rosa Luxemburgs in der Organisationsfrage spiegeln sich auch in ihrer Auffassung über die Machteroberung wider – und wir möchten hinzufügen, dass dies angesichts der engen Verbindung zwischen diesen beiden Fragen unvermeidlich war: „So soll die Machteroberung nicht eine einmalige, sondern eine fortschreitende sein, indem wir uns hineinpressen in den bürgerlichen Staat, bis wir alle Positionen besitzen und sie mit Zähnen und Nägeln verteidigen.“ (Rosa Luxemburg, Gründungsparteitag der KPD - Unser Programm und die politische Situation, in: Gesammelte Werke Bd. 4, S. 511)
Aber leider blieb es nicht dabei. Im November 1918 gab Paul Fröhlich (Vertreter der Bremer Gruppe) in Hamburg den folgenden Aufruf aus: „Es ist der Anfang der Deutschen Revolution, der Weltrevolution: Es lebe die deutsche Republik der Arbeiter! Es lebe der Weltbolschewismus!“ Doch statt zu fragen, warum solch ein massiver Aufstand des Proletariats in die Niederlage führte, sagte Rosa Luxemburg einen Monat später: „Am 9. November haben Arbeiter und Soldaten das alte Regime in Deutschland zertrümmert. [...] Am 9. November erhob sich das deutsche Proletariat, um das schmachvolle Joch abzuwerfen. Die Hohenzollern wurden gejagt, Arbeiter- und Soldatenräte gewählt." (Rosa Luxemburg, Was will der Spartakusbund?, in: Gesammelte Werke Bd. 4, S. 442)
Sie interpretierte die Machtübergabe von der Bande um Wilhelm dem Zweiten an jene von Ebert, Scheidemann, Haase als eine Revolution und nicht als einen gegen die Revolution gerichteten Austausch der alten Garde.[6]
Die Unfähigkeit, die historische Rolle der Sozialdemokratie zu begreifen, sollte Luxemburg das Leben kosten sowie das Liebknechts und tausender Proletarier. Die KAPD und die italienische Linke wussten die Lehren aus dieser Erfahrung zu ziehen. (Eine der grundsätzlichen Differenzen zwischen der Komintern und der KAPD war ihre Ablehnung jeglichen Kontaktes mit der USPD). Bordiga schrieb am 6. Februar 1921 in „II Comunista" einen Artikel mit dem Titel „Die historische Funktion der Sozialdemokratie“, aus dem wir einige Auszüge zitieren wollen:
„Die Sozialdemokratie hat eine historische Funktion in dem Sinne, dass es wahrscheinlich in den westlichen Ländern eine Periode geben wird, in der die sozialdemokratischen Parteien in der Regierung sitzen werden - allein oder in Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien. Da aber, wo das Proletariat nicht die Möglichkeit hat, dies zu verhindern, bedeutet diese zwischenzeitliche Periode keine positive oder notwendige Vorbereitung für die Entwicklung revolutionärer Formen und Institutionen; anstatt eine letzte nützliche Vorbereitung darauf darzustellen, wird es ein letzter Versuch der Bourgeoisie sein, um die Angriffe des Proletariats zu vermindern, abzulenken, um es schließlich unter den Schlägen der Weißen Reaktion abzuschlachten, falls es noch kräftig genug ist, gegen die rechtmäßige, menschliche, anständige Regierung der Sozialdemokratie aufzustehen. Für uns kann es keinen anderen revolutionären Machtwechsel geben, als den aus den Händen der herrschenden Bourgeoisie in die des Proletariats, sowie man sich keine andere Form der proletarischen Macht vorstellen kann als die der Rätediktatur."
Die halbherzigen Schritte der Kommunistischen Partei Deutschlands (Spartakusbund)
Wir haben diesen Text mit dem Gründungsparteitag der KPD (30. Dezember 1918 bis zum 1. Januar 1919) begonnen und haben dann einen Abstecher zu ihren Ursprüngen gemacht. Wir wollen nun beim anfänglichen Ausgangspunkt fortfahren.
Auf diesem Gründungsparteitag kristallisierten sich zwei diametral entgegengesetzte Positionen heraus. Auf der einen Seite gab es die Minderheit um Jogiches, Luxemburg und Paul Levi, die die wichtigsten Persönlichkeiten der neuen Partei um sich scharte und ungeachtet ihrer Minderheitsposition die Führung innehatte. (Ihre spöttische Haltung und ihre halbe Weigerung, den überwiegenden Positionen der Linken eine Ausdrucksmöglichkeit zuzugestehen - allein Fröhlich wurde von der „Zentrale“ akzeptiert - führte einige Monate später zu der Posse des Heidelberger Kongresses). Auf der anderen Seite gab es die große Mehrheit der Partei: die Leidenschaft und das revolutionäre Potential, das von den IKD und einem großen Teil der Spartakisten ausgedrückt wurde. Die Positionen der Linke, mit Liebknecht vorneweg, wurden mit überwältigender Mehrheit angenommen: gegen die Teilnahme an Wahlen, für den Austritt aus den Gewerkschaften, für den Aufstand.
Doch die Mehrheit hatte keine klare Vorstellung von den unmittelbaren Aufgaben, und die militärische Frage verlangte nach der zentralisierten und führenden Rolle der Partei. Eine Art Föderalismus und regionalistische Unabhängigkeit beherrschte die Situation. In Berlin wusste nahezu niemand, was im Ruhrgebiet, in Mitteldeutschland oder im Süden passiert, und umgekehrt. Selbst die „Rote Fahne“ erkannte am 8. Juni 1919: „Das Nichtbestehen eines Zentrums mit der Aufgabe, die Arbeiterklasse zu organisieren, kann nicht weiter andauern [...] Es ist äußerst wichtig, dass die revolutionären Arbeiter leitende Organe errichten, die imstande sind, die kämpferische Energien der Massen zu leiten und zu nutzen.“ Und dieser Vorschlag bezieht sich allein auf die Situation in Berlin.
Die Desorganisation wuchs noch weiter an und erreichte ihren Höhepunkt nach dem Tod Luxemburgs und Liebknechts. Die Partei war gerade in dem Augenblick ohne Kopf, als sie in die Illegalität gezwungen und dem konterrevolutionären Terror ausgesetzt war. Die Räterepubliken, die fast überall in Deutschland entstanden (Bremen, München usw.), wurden nacheinander besiegt, die proletarischen Kämpfer vernichtet. Die revolutionäre Welle, das ungeheure Potenzial, das die Klasse besaß, erlebten einen Rückschlag. Wir möchten an dieser Stelle den Brief Lenins an die Bayrische Räterepublik vom April 1919 vollständig zitieren. Überflüssig zu sagen, dass die meisten konkreten Maßnahmen, die Lenin darin empfiehlt, nie ergriffen worden waren: „Wir danken für die Begrüßung und begrüßen unsrerseits von ganzem Herzen die Räterepublik in Bayern. Wir bitten, Sie mögen uns häufiger und konkreter mitteilen, welche Maßnahmen Sie zwecks Bekämpfung der bürgerlichen Henker, der Scheidemänner und Compagnie durchgeführt haben, ob Sie in Stadtbezirken Arbeiterräte und Hausangestelltenräte geschaffen haben, ob Sie die Bourgeoisie entwaffnet haben und die Arbeiter bewaffnet, ob Sie Kleiderlager und andere Warenlager beschlagnahmt. Ob Sie speziell die Fabriken und die Reichtümer der kapitalistischen Landwirtschaftsunternehmungen in der Umgebung expropriiert, ob Sie die Hypotheken- und Pachtabgaben für die Kleinbauern abgeschafft haben, ob Sie die Löhne der Landarbeiter und der ungelernten Arbeiter verdoppelt und verdreifacht haben, ob Sie alles Papier und Druckereien für die Herausgabe populärer Flugblätter und Zeitungen für die Massen konfisziert haben, ob Sie den sechsstündigen Arbeitstag mit zwei- oder dreistündiger Beschäftigung auf Staatsverwaltungsgebiet eingeführt haben, ob Sie die Bourgeoisie gezwungen haben, weniger Raum zu bewohnen zwecks sofortiger Einführung der Arbeiter in reichen Wohnungen, ob Sie alle Banken in Ihre Hände genommen haben, ob Sie Geiseln aus der Bourgeoisie genommen haben, ob Sie höhere Lebensmittelrationen für die Arbeiter als für die Bourgeoisie eingeführt haben! Ob Sie alle Arbeiter für die Verteidigung der Räteregierung bis zum letzten Mann und die Ideenpropaganda in den umliegenden Dörfern mobilisiert haben? Durch restlose Durchführung solcher und ähnlicher Maßnahmen in großem Maßstabe mit Selbstständigkeit der Arbeiterräte und Abgesandten der Kleinbauerräte muss Ihre Lage gefestigt sein. Es ist notwendig, der Bourgeoisie eine außerordentliche Steuer aufzuerlegen, um den Arbeitern, Landarbeitern, Kleinbauern sofort, um jeden Preis, eine tatsächliche Besserung ihrer Lage zu gewähren. Beste Grüße und Wünsche wirklicher Erfolge!“ (Lenin, in Neubauer, Helmut, Dorst, Tankred (Hg.): Die Münchner Räterepublik. Zeugnisse und Kommentar, Frankfurt am Main 1968, S. 109).
Der Mangel an theoretischer Vorbereitung und das Unvermögen, dieser Situation gewachsen zu sein, führten schließlich beim ersten Anzeichen des Rückflusses zur Spaltung der deutschen Bewegung. Auf der einen Seite gab es jene, die begannen, sich am Bolschewismus, am siegreichen Russland zu orientieren, um ihre Propaganda, ihre strategischen und taktischen Mittel aufzugreifen, in dem absurden Versuch, sie auf Deutschland anzuwenden. Der Fall Radek ist dafür bezeichnend: Der ehemalige Wortführer der Bremer Kommunisten, des kompromisslosesten Flügels der Bewegung, wurde nach dem Rückschlag der Kämpfe im Sommer 1919 zusammen mit Paul Levi zu einem der Architekten des Heidelberger Parteitages (Oktober 1919), auf dem sämtliche Errungenschaften des Gründungsparteitages der Partei verworfen und durch den „taktischen“ Gebrauch von Wahlen, der Arbeit in den ultra-reformistischen Gewerkschaften und schließlich der „Offenen Briefe“ sowie der Einheitsfront ersetzt wurden.
Daher ist der Ruf nach Zentralisierung durch diese Tendenz von sehr zweifelhaftem Wert, da sie einen entgegengesetzten Kurs zur Weiterentwicklung der spontanen Bewegung einschlug. Andererseits sollte der revolutionäre Flügel, der sich weigerte, solch eine willkürliche Auswahl zu treffen, und dessen Methoden und Voraussagen weitaus fruchtbarer waren, auf eine Mauer wachsender Schwierigkeiten stoßen, sobald er sich als organisierte Tendenz gebildet hatte.
Ist die Weltrevolution wegen der Schwäche der Russischen Revolution gescheitert? Oder ist die Russische Revolution wegen der Schwäche der Weltrevolution gescheitert?
Die Antwort auf diese Frage ist nicht einfach und fordert ein Verständnis der gesellschaftlichen Dynamik dieser Jahre. Die Russische Revolution war ein großartiges Beispiel für das westliche Proletariat. Die Dritte Internationale, im März 1919[7] gegründet, ist ein Exempel für den revolutionären Willen der Bolschewiki und stellt einen wirklichen Versuch ihrerseits dar, die Unterstützung der europäischen Kommunisten zu erlangen. Doch die inneren Schwierigkeiten der Russischen Revolution, die gegen Ende des Bürgerkrieges sprunghaft anstiegen und allein im russischen Rahmen keine Lösung finden konnten, die Niederlage der ersten Phase der Deutschen Revolution (Januar – März 1919) und der Ungarischen Räterepublik haben die russischen Kommunisten davon überzeugt, dass es in Europa keine kurzfristige revolutionäre Perspektive mehr gab. Ihnen zufolge ging es nun nur noch darum, die Mehrheit der Arbeiter für die nächste Periode zurückzugewinnen, die sozialdemokratischen Massen von der Richtigkeit der kommunistischen Positionen zu überzeugen usw. Es gab die Tendenz, die USPD zu schonen, sie als rechten Flügel der Arbeiterbewegung und nicht als Fraktion der Bourgeoisie zu betrachten; es kam zu einer dauerhaften Preisgabe des Kampfes gegen die Sozialdemokratie, des Versuchs, sich auf am weitesten fortgeschrittenen Schichten der Klasse zu beziehen, indem darauf bestanden wird, die Sozialdemokratie auf der Grundlage des Kampfgeistes dieser Arbeiter anzugreifen und zu entlarven.
Wir können also feststellen, dass nachdem schon das Zaudern der westlichen Kommunisten in der ersten Phase (1918-19) tödlich gewesen war, nun auch noch die Kommunistische Internationale selbst zu einem Hindernis für das Aufblühen – wie spät auch immer – einer authentischen Avantgarde in Europa wurde, als die Situation noch revolutionär war (und wir sprechen nur von den Jahren 1920-21, nach denen man noch von zwei weiteren Jahren der proletarischen Reaktion gegen die Angriffe der Bourgeoisie sprechen konnte, wie Hamburg 1923, und erst dann von der endgültigen Niederlage Arbeiterklasse). Der Übergang von der einen Situation zur anderen entwickelte sich schrittweise. Wir können dennoch auf zwei entscheidende Momente des Niedergangs hinweisen: die Auflösung des Amsterdamer Büros der Komintern und Lenins Text „Der Linksradikalismus, Kinderkrankheit im Kommunismus“.
Zurück zur KPD und ihrer Unbeständigkeit. Am 17. August 1919 wurde eine nationale Konferenz in Frankfurt abgehalten. Levis Angriffe auf die Linke waren dabei ein Misserfolg. Aber im Oktober desselben Jahres in Heidelberg hatte er mehr Erfolg. Auf einem Geheimkongress, an dem die Bezirkssektionen nur spärlich repräsentiert waren und der gegen den Willen Vieler abgehalten wurde, wurde die Spaltung praktisch beschlossen, indem programmatische, im Januar verabschiedete Positionen geändert wurden. Der Punkt 5 des neuen Parteiprogramms lautete: „Die Revolution, die kein einmaliger Schlag, sondern das lange, zähe Ringen einer seit Jahrtausenden unterdrückten und daher ihrer Aufgabe und ihrer Kraft nicht von vornherein voll bewussten Klasse ist, ist dem Auf- und Abstieg, der Flut und der Ebbe ausgesetzt.“ (unsere Hervorhebung)
Und Levi unterstützte kurz danach die Auffassung, dass eine neue revolutionäre Welle noch 1926 (!!) kommen könne. Der Entschluss, die „Linksextremisten“, die „Abenteurer“ auszuschließen, wurde jedoch bis zum Dritten Parteitag der KPD 1920 nie gefasst. Nach Heidelberg versuchte die Linke, sich in der KPD-O (das „O“ stand für Opposition) zu organisieren, was darauf hinauslief, dass es in den ersten Monaten des Jahres 1920 eigentlich zwei KPDs gab: die KPD-S und die KPD-O. Dies alles spielte sich in einer total verworrenen Situation ab. Die Nachrichten, die nach Moskau durchzudrangen, waren sporadisch und fragmentarisch. Im „Gruß an die italienischen, französischen und deutschen Kommunisten“, datiert vom 10. Oktober 1919, schrieb Lenin: „Von den deutschen Kommunisten, haben wir nur erfahren, dass es in einer Reihe von Städten eine kommunistische Presse gibt. (...) Ebenso liegt es in der Natur der Dinge, dass in einer Bewegung, die so rasch wächst, die so erbittert verfolgt wird, ziemlich heftige Meinungsverschiedenheiten auftreten. (…) Die Meinungsverschiedenheiten bei den deutschen Kommunisten laufen, soweit ich das beurteilen kann, auf die 'Ausnutzung der legalen Möglichkeiten' (…) hinaus, auf die Ausnutzung des bürgerlichen Parlaments und der reaktionären Gewerkschaften, des Gesetzes über die (von den Scheidemännern und Kautskyanern verstümmelten) Räte, auf die Frage, ob man sich an derartigen Einrichtungen beteiligen oder sie boykottieren soll.“ (Lenin, Gruß an die italienischen, französischen und deutschen Kommunisten, in: Lenin Werke Bd. 30, S. 36ff).
In den genannten Punkten bezog Lenin Stellung für die Politik Levis.
Doch das zentrale Problem, das sich einige Monate später manifestieren sollte, bestand darin, entweder den illegalen revolutionären Kampf und die militärische Vorbereitung oder legale Aktivitäten in den Gewerkschaften und im Parlament aufnehmen. Dies war die Grundlage der Konfrontation zwischen den beiden „Linien“ der KPD. Das Zentrum der Opposition blieb eine Zeit lang in Hamburg, Schnell gerieten aber Wolffheim und Laufenberg in Misskredit. Sie waren es, die die Theorie des „Nationalbolschewismus“ entwickelten, der zufolge die Verteidigung Deutschlands gegen die westlichen Mächte eine revolutionäre Aufgabe sei, selbst um den Preis eines Bündnisses mit der deutschen Bourgeoisie.[8] Bremen, das bereits als Informationszentrum fungierte, wurde von da an zum Bezugspunkt des Linkskommunismus. Bis Anfang 1920 kämpfte das Bremer “Informationszentrum“ an zwei Fronten: gegen die Parteizentrale und gegen Hamburg. Bremen versuchte nicht zu spalten, sondern die Ergebnisse des Heidelberger Parteitages für die Diskussion emporzuhalten. Die “Zentrale“, unterstützt von Levi, lehnte jedoch jede Diskussion mit dem Hinweis auf den Kampf der Hamburger gegen den Nationalbolschewismus ab. Der Putschversuch von Kapp im März 1920, der diesen Divergenzen einen „praktischen“ Inhalt gab, machte allen Diskussionen ein Ende.
Untersuchen wir jetzt die proletarische Antwort auf diesen Putschversuch und das Verhalten der verschiedenen Organisationen:
Im Ruhrgebiet hatte die Reichswehr ihre Position gegenüber Kapp nicht sofort geklärt, und angesichts der Tatsache, dass alle, vom ADGB über die Sozialdemokratie und die Zentristen bis zur KPD(S), zum Generalstreik aufriefen (wobei die KP-Zentrale in den ersten Tagen noch zögerte), barg die Situation revolutionäres Potenzial in sich, wenn die Führung der Gewerkschaften und der parlamentarischen Parteien gebrochen worden wäre. In der Tat hatten zahlreiche Regionen wie das Ruhrgebiet und Mitteldeutschland die großen proletarischen Niederlagen der vergangenen Jahre in Berlin, Bremen, München und Hamburg, nicht durchleben müssen.
Im Ruhrgebiet gab es beträchtliche Spannungen zwischen der Reichswehr und den Arbeitern. Die durch den Kapp-Putsch entstandene Situation führte sofort zur Bewaffnung der streikenden Arbeiter. (Die Tatsache, dass viele kämpferische Arbeiter sich dem Einfluss des ADGB entzogen, um der FAUD-S beizutreten, war gleichermaßen wichtig). Auf Grund des demokratischen und verfassungstreuen Charakters des Generalstreiks konnten die Unabhängigen und die zahllosen Sozialdemokraten in den ersten Tagen nun versuchen, die Kampfbereitschaft der Arbeiter zu bremsen, jedoch ohne Erfolg in den ersten Höhepunkten des Kampfes. Die Situation entwickelte sich wie folgt: In jeder Stadt bildeten sich auf lokaler Ebene unabhängig von den Gewerkschaften proletarische Einheiten, die die Waffen gegen die Soldaten der Reichswehr erhoben. Die aufständischen Städte vereinigten sich und marschierten zu den sich noch in den Händen der Armee befindlichen Städte, um die dortigen Arbeiter zu unterstützen.
Während ein Teil der Roten Ruhr-Armee (wie sie genannt wurde) die Reichswehr aus dem Ruhrgebiet vertrieb, indem sie eine Front parallel zur Lippe bildete, eroberten andere Arbeitereinheiten nacheinander Remscheid, Essen. Düsseldorf, Mühlheim, Duisburg, Hamborn und Dinslaken und drängten binnen kurzer Zeit, vom 18. bis zum 2l. März, die Reichswehr entlang des Rheins bis nach Wesel zurück.
Am 20. März, nach dem Scheitern des Putsches, erklärte der ADGB, dass der Generalstreik nun abgelaufen sei, und am 22. März schlossen sich die SPD und die USPD dem an.
Am 24. März kamen Vertreter der sozialdemokratischen Regierung und von SPD, USPD und eines Teils der KPD zu einem Übereinkommen: Ausrufung einer Waffenruhe, Entwaffnung der Arbeiter und Freiheit für jene Arbeiter, die „illegale Handlungen“ begangen hatten. Ein großer Teil der Roten Ruhr-Armee erkannte diese Übereinkunft nicht an und kämpfte weiter.
Am 30. März stellte die sozialdemokratische Regierung und die Reichswehr ein Ultimatum an die Arbeiter: Entweder sie erkennen unverzüglich die Übereinkunft an oder die Reichswehr (deren Stärke sich dank der Ankunft von Freikorps-Truppen aus Bayern, Berlin, Norddeutschland und aus dem Baltikum vervierfacht hatte) werde eine neue Offensive beginnen.
Die Koordination zwischen den verschiedenen Arbeitertruppen war wegen des Verrats durch die Unabhängigen, das Zentrum der KPD, die Syndikalisten und aufgrund der Rivalität zwischen den drei militärischen Zentren der Roten Ruhr-Armee auf ein Minimum gesunken. Die Reichswehr und die zahlreichen Freikorps eröffneten eine breite Offensive an allen Fronten. Am 4. April fielen Duisburg und Mühlheim, gefolgt von Dortmund am 5. April und Gelsenkirchen am 6. April.
Nun begann ein brutaler Weißer Terror, ihm fielen nicht nur die bewaffneten Arbeiter zum Opfer, sondern auch ihre Angehörigen, die massakriert wurden, wie auch die jungen Arbeiter, die geholfen hatten, die verwundeten Kämpfer von der Front zu bergen.
Die Rote Ruhr-Armee bestand aus 80.000 bis 120.000 Arbeiter. Sie war in der Lage, eine Artillerie und eine kleine Luftwaffe aufzustellen. Der Verlauf der Kämpfe führte zur Entstehung dreier militärischer Zentren:
- Hagen, angeführt von der USPD, nahm ohne Verzögerung den Bielefelder Vertrag an;
- Essen, angeführt von der KPD-S und der Unabhängigen Linken, wurde am 25. März zum Obersten Heereszentrum. Als die sozialdemokratische Regierung die Arbeiter vor ihr Ultimatum vom 20. März stellte, rief diese Zentrale die sehr zweideutige Losung aus, zum Generalstreik zurückzukehren (als die Arbeiter längst bewaffnet und im Kampf waren!);
- Mühlheim, angeführt von den Linkskommunisten und den revolutionären Syndikalisten, folgte völlig der Essener Militärzentrale. Als diese jedoch in zentristischer Weise auf das Bielefelder Übereinkommen reagierte, gab die Mülheimer Zentrale die Parole aus: „Kämpft bis zum Ende!“ Die drei Führungen von USPD, KPD-S und FAUD-S übernahmen alle dieselbe unwürdige Position und machten deutlich, dass sie diese Kämpfe als „abenteuerlich“ ansahen.
Keine nationale Zentrale übernahm die Führung der Kämpfe, die lokale proletarische Bewegung konnte ihren Willen zur Zentralisierung nur auf lokalem Niveau umsetzen. Selbst in Mitteldeutschland bewaffneten sich die Arbeiter, und eine Reihe von Städten rund um Halle inszenierten unter der Führung des Kommunisten Max Hölz Aufstände. Aber die Bewegung war nicht imstande weiterzugehen, da die KPD-S, die sehr stark in Chemnitz war, wo sie die größte Partei war, sich damit zufrieden gab, die Arbeiter im Einverständnis mit den Sozialdemokraten und den Unabhängigen zu bewaffnen und…. die Rückkehr Eberts in die Regierung abzuwarten.
Brandler, der Führer des Arbeiterrates von Chemnitz, verstand seine Rolle als lokaler kommunistischer Führer darin, den Ausbruch von Gefechten zwischen den Kommunisten um Max Hölz, die sich mit den von der Reichswehr in Chemnitz zurückgelassenen Waffen bewaffnen wollten, und den Sozialdemokraten zu verhindern, die fortwährend bereit waren, einen Angriff gegen die Revolutionäre zu richten - sie unternahmen verschiedene Versuche, die „Heimwehr“ (von der lokalen Bourgeoisie bewaffnete Weiße Truppen) gegen sie anzusetzen.
Der Zentrismus der KPD(S) zeigte sich ganz klar in der Tatsache, dass, während die Arbeiter noch im Kampf standen, die Levi-Zentrale am 26. März 1920 die Losung der “loyalen Opposition“ für den Fall einer “Arbeiterregierung“, bestehend aus Sozialdemokraten und den Unabhängigen, ausgab. Die Rote Fahne, Zentralorgan der KPD(S), schrieb in ihrer 32. Nummer 1920: „Unter loyaler Opposition verstehen wir folgendes: keine Vorbereitung auf die bewaffnete Machtübernahme, natürliche Freiheit für die Agitation der Partei, für ihre Zwecke und ihre Losungen.“
Die KPD gab also ihre revolutionären Ziele auf, was die Notwendigkeit einer revolutionären kommunistischen Partei im deutschen Proletariat dringender denn je machte.
Es war also ein natürliches historisches Ergebnis, dass die Linkskommunisten angesichts des Verrats der offiziellen Sektion der Dritten Internationale im darauffolgenden Monat (April 1920) die KAPD (Kommunistische Arbeiter Partei Deutschlands) gründeten.
Im Laufe dieser Monate fand noch ein anderes wichtiges Ereignis statt: der Austritt der Bremer Linken aus der KPD-O und ihre Rückkehr zur KPD-S, wo sie mit Fröhlich und Karl Becker (auf dessen Rolle in den darauffolgenden Jahren und insbesondere im Frühjahr 1921wir später noch zurückkommen werden) eine Rolle spielen sollte. Wir verfügen nicht über ausreichendes Material, um zu verstehen und ein Urteil darüber zu fällen, wie ernst dieser Schlag gegen den Linkskommunismus und wie groß der Erfolg der Levi-Führung dabei war. Zweifellos wurde die Bremer Gruppe bei ihrer Entscheidung von ihrem Gefühl der Loyalität gegenüber der Kommunistischen Internationale (die die KPD-S trotz starker Vorbehalte unterstützte) und ihrer klaren Opposition gegen die Hamburger Gruppe von Laufenberg und Wolffheim beeinflusst.
Wir haben bis jetzt nicht von den Gewerkschaften, den Räten und den Arbeiter-Unionen gesprochen, die die zentralen Punkte der Debatten und Differenzen in der deutschen Arbeiterbewegung darstellten. Die Komplexität dieser Frage zwang uns, zuerst andere Probleme zu behandeln, ehe wir in der Lage waren, uns der „Gewerkschaftsfrage“ so klar wie möglich anzunähern. Dies soll in unserem nächsten Text versucht werden.
S.
[1] Sämtliche Zitate, an deren Ende keine Quellenangabe steht, sind aus unserem ursprünglichen Artikel übersetzt worden, da die Originaltexte nur noch schwer zu finden sind.
[2] Die Historiker und die Geschichtsschreibung haben den Begriff „Linksradikale“ verwendet, um Gruppen wie die Bremer oder Hamburger, später die KPD und die Arbeiter-Unionen zu beschreiben. Der Begriff „Ultralinke“ wurde gebraucht, um in den darauffolgenden Jahren die Linksopposition innerhalb der KPD (Friesland, Fischer, Maslow) zu beschreiben.
[3] Selbst unter den Werftarbeitern in Bremen gab es Abonnementen der Zeitschrift Arbeiterpolitik.
[4] Es bestanden viele Differenzen zwischen den Bremer Kommunisten und den Spartakisten in der Interpretation der Ereignisse in Russland. Wir wollen an dieser Stelle lediglich die Frage der Anwendung des „revolutionären Terrors“ erwähnen. Im Namen der Bremer Gruppe kritisierte Knief Luxemburgs Position, sich der Anwendung des Klassenterrors im revolutionären Kampf verweigern.
[5] In Gotha traten die Spartakisten in die USPD ein.
[6] Auf dem Vierten Kongress der Komintern (November 1922) verteidigte Radek diese Position, indem er sagte, dass man der Sozialdemokratie dafür danken solle, weil sie „uns den Gefallen getan hat, den Kaiser zu stürzen.“
[7] Auf dem Ersten Kongress der Komintern hatte der Vertreter der KPD den Auftrag, gegen die Gründung der Internationale zu stimmen. Unter dem Druck und der Überzeugung der anderen Delegierten enthielt sich Eberlein der Stimme.
[8] Die nationalbolschewistische Position wurde, ohne viel Aufhebens zu machen, von der KPD 1923 wiederaufgenommen. Brandler und Thalheimer äußerten sich dazu: „In dem Maße, indem sie einen defensiven Kampf gegen den Imperialismus führt, spielt die deutsche Bourgeoisie in der jetzt entstandenen Situation eine objektiv revolutionäre Rolle. Aber als reaktionäre Klasse kann sie nicht auf die einzigen Methoden zurückgreifen, die das Problem lösen könnten. (…) Unter diesen Umständen ist die Voraussetzung für den Sieg des Proletariats der Kampf gegen die französische Bourgeoisie und die Fähigkeit, die deutsche Bourgeoisie in diesem Kampf zu unterstützen, indem das Proletariat die von der Bourgeoisie sabotierte Organisation und Führung des Verteidigungskampfes übernimmt.“
Weiter konnte man im Juni 1923 im Inprekorr (Internationale Pressekorrespondenz, Zeitung der Komintern) lesen: „Der National-Bolschewismus von 1920 konnte nur ein Bündnis zum Schutz der Generäle sein, die den unmittelbar nach ihrem Triumph die Kommunistische Partei zerschlagen würde. Heute bedeutet dies die Tatsache, dass alle davon überzeugt sind, dass die einzige Lösung bei den Kommunisten liegt. Heute sind wir die einzig mögliche Lösung. Das strikte Beharren auf das nationale Element ist wie in den Kolonien ein revolutionärer Akt.“ (Hervorhebung von der IKS)