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Der Kapitalismus steckt in einer Sackgasse:
Die „Rettung“ europäischer Staaten
Just zum Zeitpunkt, als Irland über sein „Rettungspaket“ verhandelte, räumte der Internationale Währungsfond ein, dass Griechenland nicht in der Lage sei, die Gelder zurückzuzahlen, welche der IWF und die EU im April 2010 ausgehandelt und die zu einer Umschichtung der Schulden Griechenlands geführt hatten. Der IWF vermied das Wort „Zahlungsunfähigkeit“. Strauss-Kahn, Chef des IWF, zufolge sollte der Zeitraum, in dem Griechenland die sich aus dem „Rettungsplan“ resultierenden Schulden zurückzahlen muss, von 2014 auf das Jahr 2015 verlängert werden – in Anbetracht der Geschwindigkeit, mit der sich die Staatskrisen in Europa ausweiten, also bis zum Sankt Nimmerleinstag. Dies spiegelt die ganze Zerbrechlichkeit einer Reihe, wenn nicht gar der meisten europäischen Staaten wider, die unter der Schuldenkrise ächzen.
Sicher, dieses neue „Geschenk“ für Griechenland geht mit zusätzlichen Sparmaßnahmen einher. Nach den Sparbeschlüssen vom April 2010, die zur Streichung von zwei Monatsrenten, zu Lohnkürzungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und Preiserhöhungen (Strom, Heizung, Alkohol, Tabak etc.) führten, wird an einem weiteren Plan für Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst gebastelt.
Ein ähnliches Szenario lässt sich auch in Irland beobachten, wo die ArbeiterInnen das vierte Sparpaket hintereinander schlucken sollen. Im Jahr 2009 wurden Lohnsenkungen zwischen fünf und 15 Prozent beschlossen, Sozialleistungen wurden gestrichen, in die Rente entlassene Mitarbeiter nicht mehr ersetzt. Der neue Sanierungsplan, der als Vorbedingung für den „Rettungsschirm“ für Irland ausgehandelt worden war, umfasst Kürzungen des Mindestlohnes um 11,5 Prozent, eine weitere Kürzung von Sozialleistungen, die Streichung von 24.750 Stellen im öffentlichen Dienst und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 21 auf 23 Prozent. Und wie im Fall Griechenlands ist es offensichtlich, dass ein Land, das lediglich 4,5 Millionen Einwohner hat und dessen Bruttoinlandsprodukt (BIP) 164 Milliarden Euro betrug, nicht in der Lage ist, ein Rettungspaket in Höhe von 85 Milliarden Euro zurückzuzahlen. Es besteht kein Zweifel daran, dass dieses drakonische Sparregime die Arbeiterhaushalte und den größten Teil der Bevölkerung dieser Länder in solche Schwierigkeiten stürzen wird, dass viele weder ein noch aus wissen.
Die Unfähigkeit anderer Länder wie Portugal, Spanien, etc., ihre Schulden zu begleichen, ist mittlerweile sattsam bekannt. Auch in diesen Ländern sind bereits Sparpakete geschnürt worden, auch hier werden weitere folgen.
Wozu dienen die diversen „Rettungsschirme“? Was soll damit gerettet werden?
(…) Eins ist sicher: Sie dienen nicht dazu, Millionen von Menschen vor der Verarmung zu bewahren (…) Auslöser der Zahlungsunfähigkeit Griechenlands ist das phänomenale Haushaltsdefizit, das infolge ausufernder öffentlicher Ausgaben (insbesondere im Rüstungsbereich) entstanden war und das durch die staatlichen Steuereinnahmen, die durch die Zuspitzung der Krise 2008 weiter gesunken war, nicht mehr gegenfinanziert werden konnte. Auch der irische Staat und sein Bankensystem hatten einen Schuldenberg von 1.432 Milliarden Euro angehäuft (dabei beträgt das irische BIP gerade einmal 164 Milliarden Euro, was ein Schlaglicht auf die ganze Absurdität der gegenwärtigen Lage wirft). Als es zur o.g. Verschärfung der Krise gekommen war, konnten die Zinsen nicht mehr beglichen werden. So musste das Bankenwesen zum Großteil verstaatlicht und die Forderungen an den Staat übertragen werden. Nachdem ein kleiner Teil der Schulden beglichen war, hatte Irland 2010 mit einem Staatsdefizit von 32 Prozent des BIP zu kämpfen. Auch wenn der Werdegang dieser beiden Volkswirtschaften unterschiedlich ist, sind die Folgen – neben dem wahnwitzigen Ausmaß der Schulden – die gleichen. In beiden Fällen musste der Staat die durch die gigantische öffentliche wie private Verschuldung beeinträchtigte Vertrauenswürdigkeit wiederherzustellen versuchen, indem er für die finanziellen Verpflichtungen einsprang.
Die Folgen einer Zahlungsunfähigkeit Griechenlands und Irlands reichen weit über die Grenzen der beiden Länder hinaus. Es ist dieser Umstand, der für Panik in den höchsten Kreisen der herrschenden Klasse weltweit sorgt. So wie die irischen Banken beträchtliche Mengen an Schuldscheinen aus einer Reihe von Staaten überall auf der Welt besitzen, haben die Banken der großen Industrieländer erhebliche Forderungen gegenüber dem griechischen und irischen Staat. Es gibt keine übereinstimmenden Zahlen über den exakten Umfang der Forderungen gegenüber dem irischen Staat. Einige Quellen, die eher „durchschnittliche“ Zahlen nennen, sprechen von Forderungen französischer Banken in Höhe von 21,1 Mrd. Euro (Quelle: Les Echos); es folgen deutsche Banken (46 Mrd.), britische (42,3 Mrd.) und US-amerikanische Banken (24,6 Mrd. Euro). Gegenüber Griechenland belaufen sich die Forderungen französischer Banken auf 75 Mrd. Euro, Schweizer Banken auf 63 Mrd. und deutscher Banken auf 43 Mrd. Euro. Eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands und Irlands hätte die großen Gläubigerbanken in große Schwierigkeiten gebracht und somit auch die hinter ihnen stehenden Staaten. Dies trifft insbesondere auf jene Staaten zu, die sich wie Portugal und Spanien ebenfalls in einer kritischen Lage befinden und ebenfalls Forderungen gegenüber Griechenland und Irland geltend machen. Für diese Länder wäre der Staatsbankrott Griechenlands und Irlands fatal gewesen.
Eine Weigerung der EU und des IWF, strauchelnden Ländern wie Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, etc Garantien zu gewähren, hätte eine „Rette-wer-sich-kann“-Reaktion ausgelöst und mit Sicherheit den Bankrott der Schwächsten unter ihnen bewirkt. Der Euro wäre zusammengebrochen, Finanzstürme entfesselt worden. Die Folgen des Bankrotts der Lehmann-Bank im Jahre 2008 wären im Vergleich zu dem Sturm, den dies ausgelöst hätte, wie ein laues Lüftchen erschienen. Mit anderen Worten: als die EU und der IWF Griechenland und Irland zu Hilfe eilten, ging es ihnen nicht vorrangig um die Rettung der beiden Staaten und schon gar nicht um das Wohlergehen der Bevölkerung beider Länder, sondern darum, den Zusammenbruch des weltweiten Finanzsystems zu verhindern.
Nicht nur in Irland, Griechenland und anderen südeuropäischen Länder hat sich die Lage rapide verschlechtert, wie folgende Zahlen belegen: „Im Januar 2010 wurden folgende Verschuldungsraten (prozentual im Verhältnis zum BIP )registriert: 470 Prozent Vereinigtes Königreich und Japan: Ihnen gebührt die Goldmedaille in der Gesamtverschuldung; 360 Prozent Spanien, 320 Prozent Frankreich, Italien und die Schweiz, 300 Prozent die USA, 280 Prozent Deutschland.“(3) Alle Länder – ob sie der Euro-Zone angehören oder nicht – sind derart verschuldet, dass sie diese nie mehr zurückzahlen können. Doch die Euro-Länder haben es mit einem weiteren Problem zu tun: Einmal verschuldet, haben sie nicht die Möglichkeit, sich selbst Geldmittel zu beschaffen, um ihre Defizite zu „finanzieren“, denn dazu sind allein besondere Institutionen wie die Europäische Zentralbank (EZB) befugt. Andere Länder wie Großbritannien oder die USA stehen nicht vor diesem Problem, da sie ihr Geld selbst drucken können.
Wie auch immer, das Verschuldungsniveau der Staaten macht deutlich, dass ihre Verpflichtungen die Tilgungsmöglichkeiten bei weitem übersteigen. All das hat absurde Ausmaße angenommen. Berechnungen zufolge müsste Griechenland jährlich Haushaltsüberschüsse von 16 bis 17 Prozent erzielen, um seine Staatsverschuldung auch nur zu stabilisieren. Tatsächlich aber haben sich alle Staaten der Welt derart verschuldet, dass eine Rückzahlung ausgeschlossen ist.(4) Das heißt aber umgekehrt auch, dass die Staaten auf Forderungen sitzen bleiben, die nie beglichen werden. Die folgende Statistik mit Zahlen über die Verschuldung eines jeden europäischen Landes (die Verschuldung der Banken nicht mit einbezogen) vermittelt einen Eindruck vom Umfang der Schulden und von der Zerbrechlichkeit der am höchsten verschuldeten Länder.
Der Kapitalismus kann nur dank seiner Rettungsprogramme überleben
Das „Rettungsprogramm“ für Griechenland hat 110 Mrd. Euro, das für Irland 85 Mrd. Euro gekostet. Diese vom IWF, der EU und Großbritannien (Letzteres stellte 8,5 Milliarden Euro bereit, während die Cameron-Regierung gleichzeitig ihr eigenes Sparprogramm umsetzt, das zum Ziel hat, die öffentlichen Ausgaben bis 2015 um 25 Prozent zu kürzen) zur Verfügung gestellten Gelder werden aus dem „Reichtum“ der verschiedenen Länder gespeist. Mit anderen Worten: die Mittel für die Rettungspläne rühren nicht aus etwaigen neu geschaffenen Quellen her, sondern stammen direkt aus der Notenpresse. Diese Unterstützung des Finanzsektors, der die Realwirtschaft finanziert, läuft in Wirklichkeit auf eine Ankurbelung der wirtschaftlichen Aktivitäten hinaus. Während also einerseits drastische Sparprogramme verabschiedet werden, die von noch drastischeren Sparprogrammen abgelöst werden, sind die Staaten andererseits gezwungen, kostspielige Unterstützungsmaßnahmen zu ergreifen, um einen Kollaps des Finanzsystems und die Blockade der Weltwirtschaft zu verhindern – Maßnahmen, die in ihrem Kern Maßnahmen zur Konjunkturankurbelung sind. Die USA sind am weitesten in diese Richtung gegangen: Die zweite Auflage des so genannten quantitative easing in Höhe von 900 Mrd. Dollar ist im Wesentlichen der Versuch, das amerikanische Finanzsystem zu retten, das auf einem Berg fauler Kredite sitzt. Gleichzeitig soll dadurch das US-Wachstum angestoßen werden. Die USA, die noch immer vom Vorteil des Dollars als weltweite Referenzwährung nutznießen, unterliegen nicht den gleichen Zwängen wie Griechenland oder Irland. Es ist daher nicht auszuschließen, dass demnächst eine dritte Auflage des quantitative easing verabschiedet wird, wie viele vermuten. Zweifellos unterstützt die Obama-Administration die US-Wirtschaft weitaus stärker, als dies in Europa der Fall ist. Doch auch den USA bleibt es nicht erspart, drastische Sparmaßnahmen zu ergreifen, wie das jüngst von Präsident Obama vorgeschlagene Einfrieren der Gehälter der Bediensteten der Bundesstaaten zeigt. Tatsächlich zeichnen sich alle Staaten durch diese Widersprüchlichkeit in ihrer Wirtschaftspolitik aus.
Die Herrschenden sind über die Schuldengrenze, die das kapitalistische System verkraften kann, hinausgegangen.
In einem Atemzug werden Sparprogramme und Konjunkturpakete verabschiedet. Wie ist eine solch widersprüchliche Politik zu erklären? Wie Marx aufzeigte, leidet der Kapitalismus grundsätzlich an einem Mangel von Absatzmärkten. Die Ausbeutung der Arbeiterklasse führt zwangsläufig zur Schaffung eines Mehrwerts, der größer ist als die Summe der ausgezahlten Löhne, da die Arbeiterklasse viel weniger konsumiert, als sie produziert. Lange Zeit – nämlich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts – hatte die kapitalistische Klasse dieses Problem durch die Eroberung von Territorien, in denen noch vorwiegend unter vorkapitalistischen Verhältnissen produziert wurde – kompensiert. Sie zwang die Bevölkerung in den Kolonien auf unterschiedliche Weise zum Kauf ihrer kapitalistisch produzierten Waren. Die Krise und Kriege des 20. Jahrhunderts haben deutlich werden lassen, dass diese Art des Umgangs mit der Überproduktion, die der kapitalistischen Ausbeutung der Produktivkräfte eigen ist, an ihre Grenzen gestoßen war. Anders ausgedrückt: die außerkapitalistischen Territorien auf der Welt reichten nicht mehr aus, diesen Warenüberschuss, dessen Realisierung (sprich: Verkauf) erst die erweiterte Akkumulation ermöglicht, aufzunehmen.
Die Ende der 1960er Jahre einsetzenden Verwerfungen der Weltwirtschaft, die sich in Währungskrisen und Rezessionen äußerten, verdeutlichten eben diesen Mangel an außerkapitalistischen Märkten als ein Mittel zur Absorbierung der überschüssigen kapitalistischen Produktion. Die einzige Lösung bestand in der Schaffung eines künstlichen, schuldenfinanzierten Marktes. So konnten die Kapitalisten ihre Waren an Staaten, Unternehmen und Privathaushalte verkaufen, ohne dass diese über die eigentlich erforderliche Kaufkraft verfügen mussten.
Wir haben dieses Problem oft angesprochen und betont, dass der Kapitalismus die Politik der Verschuldung als ein Hilfsmittel benutzt hat, um die Überproduktionskrise einzudämmen, in die er seit Ende der 60er Jahre wieder versunken ist. Doch Schulden lösen nicht in Luft auf, sie müssen mitsamt den Zinsen früher oder später beglichen werden, andernfalls kommt der Gläubiger nicht auf seine Kosten, sondern läuft selbst Gefahr, pleite zu gehen.
Immer mehr europäische Staaten geraten zunehmend in eine Lage, in der sie ihre Schulden nicht mehr begleichen können. Mit anderen Worten, diese Staaten müssen ihre Schulden reduzieren. Dies geschieht insbesondere durch Einschnitte auf der Ausgabenseite, obwohl der Krisenverlauf während der vergangenen 40 Jahre deutlich gemacht hat, dass die wachsende Verschuldung absolut notwendig war, um die Weltwirtschaft vor noch größeren Erschütterungen zu bewahren. Es ist dieser unlösbare Widerspruch, mit dem es mehr oder weniger alle Staaten heute zu tun haben.
Die finanziellen Erschütterungen, die gegenwärtig in Europa zu konstatieren sind, sind letztendlich das Resultat der antagonistischen Widersprüche des Kapitalismus. Sie verdeutlichen die Ausweglosigkeit dieser Produktionsweise. Andere Merkmale der gegenwärtigen Lage sind noch nicht erwähnt, spielen aber ebenfalls eine wichtige Rolle.
Die Inflation zieht wieder an
Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, in dem viele Länder auf der Welt zu mehr oder weniger drastischen Sparmaßnahmen greifen, die zu einer Senkung der Binnennachfrage, auch die nach Grundnahrungsmitteln, führen werden, steigen allerorten die Lebensmittelpreise stark an. Binnen eines Jahres ist der Preis für Baumwolle um mehr als 100 Prozent in die Höhe geschnellt, die Preise für Weizen und Mais zwischen Juli 2009 und Juli 2010 um mehr als 20 Prozent gestiegen (3). Eine ähnliche Preisentwicklung ist auch auf den Metall- und Erdölmärkten zu verzeichnen. Sicherlich spielen klimatische Faktoren eine gewisse Rolle in der Entwicklung der Agrarpreise, jedoch ist der Preisanstieg so hoch, dass auch andere Faktoren notwendigerweise mit ins Auge gefasst werden müssen. Alle Staaten machen sich Sorgen um die Inflation, die immer stärker wird. Einige Beispiele aus den „Schwellenländern“:
· Offiziell hat die Inflation in China im November 2010 ein Jahreshoch von 5,1 Prozent erreicht, doch alle Experten stimmen darin überein, dass die wirkliche Inflation zwischen acht und zehn Prozent beträgt.
· In Indien war die Inflation im Oktober 2010 auf 8,6 Prozent gestiegen.
· In Russland betrug sie 2010 8,5 Prozent.
Das Anziehen der Inflationsrate ist kein auf die Schwellenländer beschränktes Phänomen, denn auch die hoch entwickelten Industrieländer sind immer stärker davon betroffen: Schon die 3,3 Prozent in Großbritannien im Oktober und die 1,9 Prozent in Deutschland werden mit Besorgnis zur Kenntnis genommen, befindet sich die Inflation doch noch immer im Anstieg.
Wie lässt sich die Rückkehr der Inflation erklären?
Die Ursache der Inflation liegt nicht immer in einer zu hohen Nachfrage im Verhältnis zum Angebot begründet, die den Anbietern Preiserhöhungen ermöglicht, ohne zu befürchten, dass sie ihre Waren nicht mehr loswerden. Ein anderer Faktor, der ursächlich wirkt und seit drei Jahrzehnten festzustellen ist, ist das Ansteigen der Geldmenge. Der Einsatz der Notenpresse, d.h. die Ausgabe neuen Geldes ohne einen entsprechenden Anstieg der Warenproduktion, führt zwangsläufig zu einer Abwertung der Währung oder umgekehrt zu Preiserhöhungen. Alle seit 2008 veröffentlichten Daten weisen auf einen starken Anstieg der Geldmenge in den großen Wirtschaftsräumen der Erde hin.
Ein weiterer preistreibender Faktor ist die Spekulation. Bei einer zu geringen Nachfrage, insbesondere aufgrund von Stagnation oder sinkender Löhne, können die Unternehmen die Preise für ihre Produkte nicht erhöhen, da sie auf dem Markt nicht abgesetzt werden können und sie somit Verluste hinnehmen müssen. Die Unternehmen bzw. Investoren stellen folglich ihre Investition in eine Produktion ein, die nicht rentabel und somit zu riskant ist. Stattdessen suchen sie nach anderen Anlagemöglichkeiten: den Erwerb von Finanzprodukten, Rohstoffen oder Währungen, in der Hoffnung, diese mit einem satten Gewinn weiter zu veräußern. Diese Produkte werden zu Spekulationsobjekten. Das Problem dabei ist, dass viele dieser Produkte, besonders die landwirtschaftlichen Rohstoffe, gleichzeitig Waren sind, die von einem Großteil der ArbeiterInnen, Bauern, Arbeitslosen etc. konsumiert werden. So wird der überwiegende Teil der Weltbevölkerung nicht nur mit Lohnsenkungen konfrontiert, sondern auch mit drastischen Preiserhöhungen bei Reis, Brot, Kleidung etc.
Deren Preise sind seit Anfang 2010 stark angestiegen. Gleiche Ursachen – gleiche Wirkungen: Bereits 2007/08 lösten drastische Preiserhöhungen bei den Grundnahrungsmitteln wie Reis und Weizen, die beträchtliche Teile der Weltbevölkerung in große Not stürzten, Hungerrevolten aus. Die Folgen des gegenwärtigen Preisauftriebs sind bereits in den aktuellen Revolten in Tunesien und Algerien deutlich geworden.
Die Inflationsrate steigt unvermindert an. Dem „Cercle Finance“ vom 7. Dezember zufolge ist die Zinsrate für T-Bonds mit zehnjähriger Laufzeit von 2,94 auf 3,14 Prozent und die Bonds mit 30jähriger Laufzeit von 4,25 auf 4,425 Prozent angestiegen. Das heißt, die Kapitalisten selbst rechnen mit einem Wertverlust des Geldes und erwarten höhere Zinsen für ihre Anlagen.
Die Spannungen zwischen den nationalen Kapitalen
Während der Großen Depression in den 1930er Jahren erlebte der Protektionismus als Mittel des Handelskriegs seine Blütezeit; stellenweise war es gar zu einer „Regionalisierung“ des Warenaustausches gekommen. Und heute? Im Gegensatz zu den frommen Erklärungen des jüngst in Seoul stattgefundenen G20-Gipfels, in denen die Teilnehmerstaaten den Protektionismus einhellig ablehnten, sieht die Wirklichkeit ganz anders aus. Protektionistische Tendenzen nehmen stetig zu, man nennt sie nur nicht so, sondern verschämt „Wirtschaftspatriotismus“. Die Liste protektionistischer Maßnahmen, die die Staaten bereits ergriffen haben, ist viel zu lang, um sie hier zu zitieren. Wir wollen hier lediglich erwähnen, dass die USA im September vergangenen Jahres bereits insgesamt 245 sog. Antidumpingmaßnahmen in ihrem Repertoire hatten, dass Mexiko von März 2009 an 89 Gegenmaßnahmen gegen die USA eingeleitet hat und dass China eine drastische Einschränkung des Export von „seltener Erden“, die zur Herstellung eines Großteils der Produkte der heutigen Hochtechnologie benötigt werden, beschlossen hat.
Gegenwärtig jedoch stellt der Währungskrieg das Hauptmerkmal des Handelskriegs dar. Wie oben geschildert, war die zweite Auflage des quantitative easing aus Sicht des US-amerikanischen Kapitals notwendig, führte aber gleichzeitig – durch die permanente Ausgabe neuer Banknoten – zum Wertverlust des Dollars und damit zum Wertverlust der Produkte „made in USA“ auf dem Weltmarkt. Diese Politik ist eine besonders aggressive Variante des Protektionismus, und mit der Unterbewertung des Yuan verfolgt das chinesische Regime ähnlich Ziele.
Und dennoch: ungeachtet des sich verschärfenden Wirtschaftskriegs sahen sich die rivalisierenden Staaten gezwungen, eine Übereinkunft anzustreben, um die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands und Irlands zu verhindern. Was nichts anderes heißt, als dass die herrschende Klasse sich auch hier in eine widersprüchliche Politik verwickelt, die ihr durch die total Sackgasse des Systems aufgezwungen wird.
Hat die herrschende Klasse eine Lösung in parat? Im Grunde bleibt ihr nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Entweder bewegt sie, wie im Fall Griechenlands und Irlands, eine Menge Geld, was zu einer Entwertung desselben und zu inflationären Tendenzen führt, die sich im Laufe der Zeit zu einer galoppierenden Inflation auswachsen könnten. Oder sie betreibt eine drastische Sparpolitik, die auf eine Eindämmung der Neuverschuldung abzielt und die von Deutschland hinsichtlich der Euro-Zone favorisiert wird. Die Folge wäre ein Absturz in die Depression, mit ähnlichen Produktionsrückgängen wie in Griechenland, Irland und Spanien nach der Verabschiedung ihrer Sparpakete.
Der einzige Ausweg aus der Sackgasse des Kapitalismus ist die Entwicklung von Kämpfen, die die Arbeiterklasse immer häufiger, massiver und bewusster führen muss. Diese Kämpfe müssen letztendlich zu einer Überwindung des kapitalistischen Gesellschaftssystems führen, dessen Hauptwiderspruch darin besteht, für den Profit und nicht für die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen zu produzieren.
(leicht gekürzte Fassung eines Artikels aus unserer International Review, Nr. 144, 1. Quartal 2011).