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Noch keine Revolution, noch nicht die 99%
Das Wort “Revolution” macht wieder die Runde, und der “Kapitalismus” wird an vielen Orten wieder als die Quelle der Verarmung, Kriege und Umweltzerstörung angesehen.
Das sind alles positive Entwicklungen. Aber wie die ausgebeutete und unterdrückte Mehrheit in Ägypten schmerzvoll anerkennen muss, eine Gallionsfigur oder eine Regierung davonzujagen ist noch keine Revolution. Das Militärregime, das Mubarak ablöste, schmeißt weiter Leute ins Gefängnis, foltert und tötet diejenigen, die ihre Unzufriedenheit mit der neuen Lage zum Ausdruck bringen.
Selbst der populäre Slogan der Occupy-Bewegung „Wir sind die 99%“ trifft auch noch nicht zu. Trotz weitverbreiteter großer öffentlicher Sympathie haben die Occupy-Proteste noch nicht die aktive Unterstützung des Großteils der 99% der Bevölkerung gewonnen. Millionen haben Angst vor der unsicheren Zukunft, die der Kapitalismus uns bietet, aber diese Angst und Unsicherheit hat auch ein verständliches Zögern geschaffen, die Risiken auf sich zu nehmen, die entstehen, wenn man streikt, protestiert, besetzt und demonstriert.
Bislang ist nur ein Bruchteil des großen Potenzials einer wirklichen Massenbewegung gegen den Kapitalismus zutage getreten, und es wäre töricht und gefährlich, den Anfang schon als das Ende betrachten. Aber diejenigen, die schon in den Kampf getreten sind, können auch durch ihre eigenen Illusionen gebremst werden, welche wiederum durch die Propaganda des Systems noch einmal verstärkt werden.
Illusionen wie:
“Die Banken und/oder der Neoliberalismus sind schuld”
Hinter dem Kapitalismus steckt mehr als nur Banken oder ein “deregulierter“ Markt. Der Kapitalismus stellt vor allem ein Verhältnis auf der Grundlage der Lohnarbeit, der Produktion von Waren für den Profit dar, und er hat seit jeher seine Gesetze weltweit auf der ganzen Welt durchsetzen müssen. Die Wirtschaftskrise des Kapitalismus ist zu einer Fessel und zu einem Hindernis für jeglichen zukünftigen Fortschritt geworden.
Eine Regulierung der Banken, die Einführung einer “Robin Hood-Steuer” (Transaktionssteuer) oder verstärkte staatliche Kontrollen ändern nichts an den wesentlichen kapitalistischen Beziehungen zwischen den Ausgebeuteten und ihren Ausbeutern. Solch eine Forderung soll uns für falsche Ziele mobilisieren. Der Ruf der Gewerkschaften nach „mehr Wachstum“ hilft auch nicht. Im Kapitalismus kann dies nur eine Verschärfung der Ausbeutung und der Umweltzerstörung mit sich bringen, und heute kann dies nur geschehen durch die Anhäufung von weiteren Schulden, obwohl die Schuldenspirale schon zu einem Hauptfaktor der Zuspitzung der Wirtschaftskrise geworden ist.
“Die Rechten sind unsere Hauptfeinde”
Ebenso wie die Banker lediglich Handlanger des Kapitals sind, sind die Politiker – von Rechts bis Links – Werkzeuge des kapitalistischen Staats, deren einzige Rolle darin besteht, für die Aufrechterhaltung des Systems zu sorgen. Die Tories um Cameron machen da weiter, wo Labour stehen geblieben war, und trotz all der Hoffnungen, die viele in ihn gesetzt hatten, setzt Obama die gleiche Politik wie die von Bush fort – imperialistische Kriege und Angriffe gegen unsere Lebensbedingungen.
“Wir müssen dafür sorgen, dass die parlamentarische Demokratie besser funktioniert“
Wenn der Staat unser Feind ist, dann tragen Rufe nach seiner Reform nur zu unserer Schwächung bei. In Spanien hat die Bewegung „Echte Demokratie jetzt“ versucht, die Leute für einen Kampf um ein stärkeres parlamentarisches Leben, mehr Kontrolle über die Aufstellung von Parlamentsabgeordneten usw. einzuspannen. Aber ein radikalerer Flügel hat sich gegen diese Ausrichtung gestellt. Sie hoben hervor, dass die Vollversammlungen, welche überall zur Organisationsform für die Proteste geworden waren, selbst zum Kern einer neuen Art der Organisierung des gesellschaftlichen Lebens werden können.
Wie kann der Kampf voranschreiten? Indem wir einige grundlegende Punkte berücksichtigen und umsetzen:
-Dass der Kampf gegen den Kapitalismus ein Kampf zwischen den Klassen ist. Auf der einen Seite kämpft die herrschende Klasse mit dem Staat an ihrer Seite, auf der anderen Seite steht die arbeitende Klasse, die nichts als ihre Arbeitskraft zu verkaufen hat, und all die anderen Ausgebeuteten und Unterdrückten.
-Der Kampf muss somit übergreifen auf die Teile der Arbeiterklasse, wo diese am stärksten und ihre Kraft am deutlichen gebündelt ist: die Betriebe, Krankenhäuser, Schulden, Universitäten, Büros, Häfen, Baustellen, Post, öffentlicher Verkehr usw. An Beispielen mangelt es nicht: die Streikwelle in Ägypten Anfang 2011, als der „Tahrir-Platz zu den Fabriken kam“ und das Militär gezwungen wurde, Mubarak fallen zu lassen. In Oakland, Kalifornien, wo die „Occupier“ zu einem Generalstreik nach der blutigen Polizeirepression aufriefen und zu den Häfen zogen und aktive Unterstützung von den Hafenarbeitern und LKW-Fahrern erhielten.
-Um den Kampf auszuweiten, brauchen wir neue Organisationen: die Praxis von Vollversammlungen mit gewählten und ernannten Delegierten, breitet sich immer mehr aus, weil die alten Organisationen Schiffbruch erlitten haben. Nicht nur die parlamentarischen Vertretungen haben sich als stumpf herausgestellt, sondern auch die Gewerkschaften; sie dienen nur dazu die ArbeiterInnen zu spalten und sicherzustellen, dass der Klassenkampf niemals die Gesetze des Kapitalismus überschreitet. Um diese Spaltungen zu überwinden und die Arbeiterkämpfe unter der Kontrolle der ArbeiterInnen zu halten, brauchen wir Versammlungen und gewählte Komitees sowohl in den Betrieben als auch auf der Straße.
-Um den Kapitalismus zu überwinden, ist eine Revolution erforderlich. Die herrschende Klasse hält ihre Herrschaft nicht nur durch Lügen aufrecht, sondern auch durch Repression. Der Klassenkampf kann nicht „gewaltlos“ sein. Gerade weil die herrschende Klasse uns in verfrühte und sinnlose gewaltsame Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften locken möchte, müssen wir aber in Wirklichkeit erst ein Kräfteverhältnis aufbauen müssen, um uns gegen den staatlichen Terror wirkungsvoll mit unserer Klassengewalt zu wehren.
Die einzige Alternative gegenüber dem Kapitalismus ist der Kommunismus. Nicht staatlich kontrollierte Ausbeutung wie unter dem Stalinismus, und auch keine Rückkehr zu isolierten Gemeinschaften mit Güteraustausch, sondern eine weltweite Assoziierung der Produzenten – kein Lohnsystem, kein Geld, keine Grenzen, kein Staat. IKS, 5.11.2011